carlos slim

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Die reichste Sammlung der Welt Fotos: Adriana Zehbrauskas/The New York/Redux/laif; Colección Museo Soumaya, Fundación Carlos Slim, A.C./Ciudad de México Menschen 18 Carlos Slim Der Mexikaner Carlos Slim kam durch seine Frau Soumaya zur Kunst. Das nach ihr benannte Museum wurde Anfang März neu in Mexiko-Stadt eröffnet. Von Enrique G de la G Menschen Carlos Slim Helú ist laut der aktuellen Forbes-Liste der reichste Mann der Welt. Einen Teil seines Vermögens investiert er in Kunst ER JUNGE KERL hatte keine Lust mehr auf seinen lang- weiligen Job, er wollte ein- fach weg, irgendwohin ver- reisen, um nachzudenken. So machte er sich 1964 auf den Weg nach New York. Er verbrachte viel Zeit in der Börse und der New York Public Library, wo er den da- mals neu erschienenen Bestseller von J. Paul Getty, „How to be Rich“, las. Er ahnte zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon, dass dieser Sommer sein Leben tief prägen würde. Als er nach Hause zurückkehrte, lernte er die Tochter einer Freundin seiner Mut- ter kennen. Sie war schmal, kultiviert, elegant und erst 16 Jahre alt. Er 24. Das Mädchen, dessen Eltern vor zehn Jahren aus dem Libanon nach Mexiko ausge- wandert waren, hieß Soumaya. Die Fa- milie des jungen Mannes stammte eben- falls aus dem Libanon. Der Vater, Khalil, hatte das Heimatdorf verlassen und folgte seinen älteren Brüdern nach Me- xiko, um ein neues Leben aufzubauen. Soumaya interessierte sich für Kunst, er eher fürs Geld. Als das junge Paar zwei Jahre später heiratete, besaß er bereits etwa 40 Millionen Dollar. „Auf unserer Hochzeitsreise haben wir viele Galerien bereist“, erinnert er sich. Anschließend besuchten sie auch noch eine Auktion, um das Mobiliar für das neue Zuhause zu besorgen, und dort kauften sie ihr ers- tes Kunstwerk: ein flämisches Gemälde aus dem 16. Jahr- hundert, eine Szene von Löwen und Christen im Kampf gegen Mauren. Es war ein namenloses Werk, keine große Kunst, aber er fand es so schön, dass er es in der Küche aufhängen ließ, um es so oft wie möglich zu betrachten. So begann die- se Kunstsammlung. „Meine Verwandten waren nicht künstlerisch veranlagt, doch wir sind immer von angenehmen Dingen umgeben gewesen“, gibt er zu. Trotz seines ansteigenden Reichtums wohnt er heu- te immer noch in derselben Villa in Mexiko-Stadt wie vor 38 Jahren. Kaum Luxus ist dort zu sehen: Er trägt Anzüge und Krawatten, die er der mexikanischen Mittelschicht für einen bescheidenen Preis verkauft, und isst die Speisen, die in seiner Restaurantkette für sieben oder acht Euro zu haben sind. Eine Madonna von Bartolomé Esteban Murillo und ein El Greco D schmücken jeweils die Wände des Wohn- und Esszimmers. In seinem Büro sind weitere Kunstwerke: van Gogh, Renoir, Diego Rivera und Auguste Rodin, vor allem Rodin. Soumaya liebte den Künstler und hat ih- ren Mann mit ihrer Leidenschaft ange- steckt. Seit den 1980er Jahren sammelt die Familie Rodins. Sie hat mit der Maske des Mannes mit einer zerbrochenen Nase angefangen, ein Stück, das 1865 vom Pa- riser Salon abgelehnt worden war. Es heißt „Maske“, weil Rodin die Porträt- büste eines Nachbarn draußen im Garten vergaß. Als er sie eines Tages abholte, war sie vom Wetter schon so beschädigt, dass der gesamte hintere Teil fehlte – nur das Gesicht, eine Art Maske, blieb übrig. Mittlerweile besitzt die Familie etwa 380 Objekte und somit auch die größte Rodin-Sammlung außerhalb Frank- reichs: „Rodin ist einer der größten Bild- hauer der Geschichte, der Menschheit. Es sind erstaunliche Skulpturen, sehr ausdrucksstark. Rodin ist einfach einer der Größten!“, sagt Slim, der junge Mann von damals, heute. Für die Sammlung eröffnete er 1994 ein provisorisches Muse- um in einer alten Papierfabrik, in der sich auch ein Einkaufs- zentrum befindet: das Museo Soumaya, seiner Frau gewidmet. Doch Soumaya starb fünf Jahre später im Alter von 50 Jahren an einer Nierenerkrankung. Sie hinterließ eine vielfältige Sammlung, die seitdem ihre gleichnamige Tochter fortführt. Mittlerweile umfasst die Kollektion mehr als 66 000 Kunstwer- ke, das heißt, durchschnittlich kauft die Familie seit 45 Jahren vier Stücke pro Tag. Der Museumsdirektor, Alfonso Miranda, schätzt den Wert der Sammlung auf eine Summe von etwa 700 Millionen Dollar. Der junge Mann ist mittlerweile der reichste Mensch der Welt geworden. Sein Name – Carlos Slim Helú – ist schätzungswei- se 73 Milliarden Dollar wert. Mexiko, ein Entwicklungsland mit etwa 50 Millionen in Armut lebenden Menschen, lässt sich mit dem Multi-Billionär schmücken. Er hat das Monopol auf das Telekommunikationssystem des Landes, besitzt die größ- te Handyfirma Lateinamerikas mit 250 Millionen Kunden, hält wichtige Aktien-Anteile der „New York Times“, von Saks Fifth Avenue und Microsoft. Darüber hinaus besitzt etwa 240 weitere Firmen jeder Art – von Bäckereien bis zu Ölplatt- formen. Kritiker nennen Slim einen Emporkömmling, und das Gerücht, dass Gemälde mit Sotheby’s-Etiketten bei ihm zu- hause hängen, hält sich hartnäckig. Den Besucher des Museo Soumaya überkommt das Gefühl, die Sammlung sei keinesfalls repräsentativ für einen der vermö- gendsten Menschen der Welt, nicht einmal für einen echten Connoisseur d’art: ein dunkler van Gogh aus der frühen Phase hier, dann viele Porträts der mexikanischen Kolonialzeit, ei- nige Skulpturen Dalís oder Picassos, ein Miró oder ein Max Ernst dort, und so fort – eine ver- wunderliche Melange. Vielleicht ist die Sammlung norditalienischer Ma- ler aus der Renaissance das Kongru- enteste: Andrea del Sarto, Tintoret- to, Correggio, Il Sodoma. Als Einzel- stücke ragen unter den spanischen Meistern eine Auferstehung Christi von Juan de Flandes, dem Hofmaler Isabellas I. von Kastilien, heraus so- wie ein „Weinender Petrus“ von El Greco, ein heiliger Petrus von Jusepe de Ribera und ein heiliger Franzis- kus von Francisco de Zurbarán, un- ter den Italienern ein Porträt Tizians, eine Kreuzigung Tintorettos und eine Madonna dei Fusi aus Leonar- dos Atelier – vielleicht das wertvoll- ste Werk der ganzen Sammlung – und unter den flämischen Malern ein Por- trät van Dycks und eine Legende des heiligen Georgs von Martin de Vos. Doch Slim will sich und seine Samm- lung jetzt anders inszenieren. Mit einer Investition von 750 Millionen Dollar baut er ein monumentales Zentrum mit Läden, Gärten, Woh- nungen, Büros und Restaurants im Herzen von Mexiko-Stadt, die soge- nannte Plaza Carso. Der englische Architekt David Chipperfield, der das Neue Museum in Berlin glanzvoll restauriert hat, baut darauf ein Mu- seum für Eugenio López, den Besit- zer der größten Sammlung zeitge- nössischer Kunst in Lateinamerika (vgl. WELTKUNST Juni 2010). Das Kernstück der Plaza ist allerdings das neue Museo Soumaya. Damit hat Slim den Gatten seiner Tochter, den jungen Star- architekten Fernando Romero, beauftragt. Romero ist wiederum eine Geschichte für sich. Nach dem Stu- dium kam er nach Europa und arbeitete bei Enric Miralles und Jean Nouvel, bis er Rem Koolhaas entdeckte. Weil er den Nie- derländer für den besten Architekten damals hielt, fuhr er zu ihm, stellte sich vor, und kurz danach war er Angestellter beim Rotterdamer Office for Metropolitan Architecture (OMA). Vor anderthalb Jahre kam Romero nach Berlin, um sein neues Buch mit dem Verlag Hatje Cantz zu besprechen: eine Mono- graphie über die letzten zehn Jahre seiner Tätigkeit als Ar- chitekt. „Simplexity“ ist mittlerweile erschienen und wurde bei der Frankfurter Buchmesse vergangenen Herbst vorge- stellt. Nach dem Mittagessen mit einer Mitarbeiterin des Ver- lags habe ich Romero die Philologische Bibliothek der Freien Universität, das bekannte „Berlin Brain“ von Sir Norman Foster, gezeigt. Er wollte sich unbedingt diesen Bau anschauen, denn es sei seinem Projekt das ähnlichste Gebäude, das es überhaupt gibt. Er ließ sich von der Technologie faszinieren und vor allem von der organischen Entstehung des Gebäudes aus einer grünen Fläche. „Genau das ist es, was ich plane ... Großartig!“, ge- stand er aufgeregt, „heute ist Foster der beste Architekt.“ Das neue Zuhause des Museo Soumaya soll an eine Rodin- Skulptur erinnern. Romero präsentiert es – auch gerne über Twitter – als eine „ausgezeichnete Struktur, die aus der Erd- kruste wie ein multidimensionales Ikon entsteht“. Es wurde am 1. März eröffnet. Auf der Party waren unter anderem Mexikos Präsident Felipe Calderón, Gabriel García Marquez und Larry King. Auf einer Fläche von 17 000 Qua- dratmetern auf sechs Etagen hat Slim seine Sammlung nach ver- schiedenen Themen sortiert: „Wenn man Kunst kauft, dann muss man sie auch ausstellen, man muss sie teilen“, sagt er. Im Foyer stehen Ro- dins Denker und die „Naturaleza viva“ von Rufino Tamayo. „Die ober- ste Etage ist eine freie Fläche von 1200 Quadratmetern ohne Säulen, auf der die weiteren Rodins präsen- tiert werden“, erklärt Museumsdi- rektor Miranda. In die mittleren Eta- gen kommt der Rest je nach wech- selnder Sonderausstellung, denn die Sammlung ist letztendlich in 16 Gruppen organisiert: Impressio- nismus, alte europäische und mexi- kanische Meister, mexikanische Porträts, europäische und mexika- nische Landschaftsmalerei, Kalen- der der Druckerei Galán, Münzen und Geldpapier aus dem 17. bis 20. Jahrhundert (die größte numis- matische Sammlung Lateinameri- kas), Fotografie, Mode und Mobiliar aus der Kolonialzeit Mexikos, eine Löffel-Sammlung, Kunst aus Mittel- amerika, mexikanische Malerei aus dem 20. Jahrhundert und das Werk von Khalil Gibran. Slim interessiert sich so sehr für diesen multitalentierten Künstler und Denker aus dem Libanon, dass er die umfangreichste Gibran-Sammlung der Welt besitzt. Als Maler hat Gibran – wie hätte es anders sein sollen – eine Ausbildung bei Rodin gemacht. Wie J. P. Getty ist er ein Best- seller-Autor gewesen, der Menschen wie John Lennon und David Bowie inspirierte. Sogar John F. Kennedy beendete seine erste Rede als Präsident mit einer Paraphrase eines berühmten Zitats aus Gibrans Buch „Die neue Grenze“: „Ask not what your coun- try can do for you – ask what you can do for your country“. Slim hat sich die Frage wohl gestellt — und gehandelt. Plaza Carso, Presa Falcón 369, Col. Granada, Miguel Hidalgo, México DF www.museosoumaya.org. Virtueller Rundgang: www.soumaya.com.mx/recorrido/todo.htm Katalog Simplexity, Hatje Cantz, 2010, 58 Euro 19 Carlos Slim oben: Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780–1867), Paolo und Francesca, um 1856–60, Öl/Lwd., 25,7 x 22,5 cm; Museo Soumaya, Mexiko-Stadt unten: Das neue Gebäude des Museo Soumaya, Architekt Fernando Romero

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19 Carlos Slim 18 Carlos Slim er junge Kerl hatte keine unten: Das neue Gebäude des Museo Soumaya, Architekt Fernando Romero Carlos Slim Helú ist laut der aktuellen Forbes-Liste der reichste Mann der Welt. Einen Teil seines Vermögens investiert er in Kunst oben: Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780–1867), Paolo und Francesca, um 1856–60, Öl/Lwd., 25,7 x 22,5 cm; Museo Soumaya, Mexiko-Stadt Menschen Menschen

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Page 1: Carlos Slim

Die reichste Sammlung der Welt

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Der Mexikaner Carlos Slim kam durch seine Frau Soumaya zur Kunst.Das nach ihr benannte Museum wurde Anfang März neu in Mexiko-Stadt

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Carlos Slim Helú ist laut der aktuellenForbes-Liste der reichste Mann der Welt.

Einen Teil seines Vermögensinvestiert er in Kunst

er junge Kerl hatte keine Lust mehr auf seinen lang-weiligen Job, er wollte ein-fach weg, irgendwohin ver-

reisen, um nachzudenken. So machte er sich 1964 auf den Weg nach New York. Er verbrachte viel Zeit in der Börse und der New York Public Library, wo er den da-mals neu erschienenen Bestseller von J. Paul Getty, „How to be Rich“, las. Er ahnte zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon, dass dieser Sommer sein Leben tief prägen würde.Als er nach Hause zurückkehrte, lernte er die Tochter einer Freundin seiner Mut-ter kennen. Sie war schmal, kultiviert, elegant und erst 16 Jahre alt. Er 24. Das Mädchen, dessen Eltern vor zehn Jahren aus dem Libanon nach Mexiko ausge-wandert waren, hieß Soumaya. Die Fa-milie des jungen Mannes stammte eben-falls aus dem Libanon. Der Vater, Khalil, hatte das Heimatdorf verlassen und folgte seinen älteren Brüdern nach Me-xiko, um ein neues Leben aufzubauen.Soumaya interessierte sich für Kunst, er eher fürs Geld. Als das junge Paar zwei Jahre später heiratete, besaß er bereits etwa 40 Millionen Dollar. „Auf unserer Hochzeitsreise haben wir viele Galerien bereist“, erinnert er sich. Anschließend besuchten sie auch noch eine Auktion, um das Mobiliar für das neue Zuhause zu besorgen, und dort kauften sie ihr ers-tes Kunstwerk: ein flämisches Gemälde aus dem 16. Jahr-hundert, eine Szene von Löwen und Christen im Kampf gegen Mauren. Es war ein namenloses Werk, keine große Kunst, aber er fand es so schön, dass er es in der Küche aufhängen ließ, um es so oft wie möglich zu betrachten. So begann die-se Kunstsammlung.„Meine Verwandten waren nicht künstlerisch veranlagt, doch wir sind immer von angenehmen Dingen umgeben gewesen“, gibt er zu. Trotz seines ansteigenden Reichtums wohnt er heu-te immer noch in derselben Villa in Mexiko-Stadt wie vor 38 Jahren. Kaum Luxus ist dort zu sehen: Er trägt Anzüge und Krawatten, die er der mexikanischen Mittelschicht für einen bescheidenen Preis verkauft, und isst die Speisen, die in seiner Restaurantkette für sieben oder acht Euro zu haben sind. Eine Madonna von Bartolomé Esteban Murillo und ein El Greco

D schmücken jeweils die Wände des Wohn- und Esszimmers. In seinem Büro sind weitere Kunstwerke: van Gogh, Renoir, Diego Rivera und Auguste Rodin, vor allem Rodin.Soumaya liebte den Künstler und hat ih-ren Mann mit ihrer Leidenschaft ange-steckt. Seit den 1980er Jahren sammelt die Familie Rodins. Sie hat mit der Maske des Mannes mit einer zerbrochenen Nase angefangen, ein Stück, das 1865 vom Pa-riser Salon abgelehnt worden war. Es heißt „Maske“, weil Rodin die Porträt-büste eines Nachbarn draußen im Garten vergaß. Als er sie eines Tages abholte, war sie vom Wetter schon so beschädigt, dass der gesamte hintere Teil fehlte – nur das Gesicht, eine Art Maske, blieb übrig. Mittlerweile besitzt die Familie etwa 380 Objekte und somit auch die größte Rodin-Sammlung außerhalb Frank-reichs: „Rodin ist einer der größten Bild-hauer der Geschichte, der Menschheit. Es sind erstaunliche Skulpturen, sehr

ausdrucksstark. Rodin ist einfach einer der Größten!“, sagt Slim, der junge Mann von damals, heute. Für die Sammlung eröffnete er 1994 ein provisorisches Muse-um in einer alten Papierfabrik, in der sich auch ein Einkaufs-zentrum befindet: das Museo Soumaya, seiner Frau gewidmet. Doch Soumaya starb fünf Jahre später im Alter von 50 Jahren an einer Nierenerkrankung. Sie hinterließ eine vielfältige Sammlung, die seitdem ihre gleichnamige Tochter fortführt. Mittlerweile umfasst die Kollektion mehr als 66 000 Kunstwer-ke, das heißt, durchschnittlich kauft die Familie seit 45 Jahren vier Stücke pro Tag. Der Museumsdirektor, Alfonso Miranda, schätzt den Wert der Sammlung auf eine Summe von etwa 700 Millionen Dollar.Der junge Mann ist mittlerweile der reichste Mensch der Welt geworden. Sein Name – Carlos Slim Helú – ist schätzungswei-se 73 Milliarden Dollar wert. Mexiko, ein Entwicklungsland mit etwa 50 Millionen in Armut lebenden Menschen, lässt sich mit dem Multi-Billionär schmücken. Er hat das Monopol auf das Telekommunikationssystem des Landes, besitzt die größ-te Handyfirma Lateinamerikas mit 250 Millionen Kunden, hält wichtige Aktien-Anteile der „New York Times“, von Saks Fifth Avenue und Microsoft. Darüber hinaus besitzt etwa 240

weitere Firmen jeder Art – von Bäckereien bis zu Ölplatt-formen. Kritiker nennen Slim einen Emporkömmling, und das Gerücht, dass Gemälde mit Sotheby’s-Etiketten bei ihm zu-hause hängen, hält sich hartnäckig.Den Besucher des Museo Soumaya überkommt das Gefühl, die Sammlung sei keinesfalls repräsentativ für einen der vermö-gendsten Menschen der Welt, nicht einmal für einen echten Connoisseur d’art: ein dunkler van Gogh aus der frühen Phase hier, dann viele Porträts der mexikanischen Kolonialzeit, ei-nige Skulpturen Dalís oder Picassos, ein Miró oder ein Max Ernst dort, und so fort – eine ver-wunderliche Melange. Vielleicht ist die Sammlung norditalienischer Ma-ler aus der Renaissance das Kongru-enteste: Andrea del Sarto, Tintoret-to, Correggio, Il Sodoma. Als Einzel-stücke ragen unter den spanischen Meistern eine Auferstehung Christi von Juan de Flandes, dem Hofmaler Isabellas I. von Kastilien, heraus so-wie ein „Weinender Petrus“ von El Greco, ein heiliger Petrus von Jusepe de Ribera und ein heiliger Franzis-kus von Francisco de Zurbarán, un-ter den Italienern ein Porträt Tizians, eine Kreuzigung Tintorettos und eine Madonna dei Fusi aus Leonar-dos Atelier – vielleicht das wertvoll-ste Werk der ganzen Sammlung – und unter den flämischen Malern ein Por-trät van Dycks und eine Legende des heiligen Georgs von Martin de Vos.Doch Slim will sich und seine Samm-lung jetzt anders inszenieren. Mit einer Investition von 750 Millionen Dollar baut er ein monumentales Zentrum mit Läden, Gärten, Woh-nungen, Büros und Restaurants im Herzen von Mexiko-Stadt, die soge-nannte Plaza Carso. Der englische Architekt David Chipperfield, der das Neue Museum in Berlin glanzvoll restauriert hat, baut darauf ein Mu-seum für Eugenio López, den Besit-zer der größten Sammlung zeitge-nössischer Kunst in Lateinamerika (vgl. WELTKUNST Juni 2010). Das Kernstück der Plaza ist allerdings das neue Museo Soumaya. Damit hat Slim den Gatten seiner Tochter, den jungen Star-architekten Fernando Romero, beauftragt.Romero ist wiederum eine Geschichte für sich. Nach dem Stu-dium kam er nach Europa und arbeitete bei Enric Miralles und Jean Nouvel, bis er Rem Koolhaas entdeckte. Weil er den Nie-derländer für den besten Architekten damals hielt, fuhr er zu ihm, stellte sich vor, und kurz danach war er Angestellter beim Rotterdamer Office for Metropolitan Architecture (OMA).Vor anderthalb Jahre kam Romero nach Berlin, um sein neues Buch mit dem Verlag Hatje Cantz zu besprechen: eine Mono-graphie über die letzten zehn Jahre seiner Tätigkeit als Ar-chitekt. „Simplexity“ ist mittlerweile erschienen und wurde bei der Frankfurter Buchmesse vergangenen Herbst vorge-stellt. Nach dem Mittagessen mit einer Mitarbeiterin des Ver-lags habe ich Romero die Philologische Bibliothek der Freien Universität, das bekannte „Berlin Brain“ von Sir Norman

Foster, gezeigt. Er wollte sich unbedingt diesen Bau anschauen, denn es sei seinem Projekt das ähnlichste Gebäude, das es überhaupt gibt. Er ließ sich von der Technologie faszinieren und vor allem von der organischen Entstehung des Gebäudes aus einer grünen Fläche. „Genau das ist es, was ich plane ... Großartig!“, ge-stand er aufgeregt, „heute ist Foster der beste Architekt.“Das neue Zuhause des Museo Soumaya soll an eine Rodin-Skulptur erinnern. Romero präsentiert es – auch gerne über Twitter – als eine „ausgezeichnete Struktur, die aus der Erd-

kruste wie ein multidimensionales Ikon entsteht“. Es wurde am 1. März eröffnet. Auf der Party waren unter anderem Mexikos Präsident Felipe Calderón, Gabriel García Marquez und Larry King.Auf einer Fläche von 17 000 Qua-dratmetern auf sechs Etagen hat Slim seine Sammlung nach ver-schiedenen Themen sortiert: „Wenn man Kunst kauft, dann muss man sie auch ausstellen, man muss sie teilen“, sagt er. Im Foyer stehen Ro-dins Denker und die „Naturaleza viva“ von Rufino Tamayo. „Die ober-ste Etage ist eine freie Fläche von 1200 Quadratmetern ohne Säulen, auf der die weiteren Rodins präsen-tiert werden“, erklärt Museumsdi-rektor Miranda. In die mittleren Eta-gen kommt der Rest je nach wech-selnder Sonderausstellung, denn die Sammlung ist letztendlich in 16 Gruppen organisiert: Impressio-nismus, alte europäische und mexi-kanische Meister, mexikanische Porträts, europäische und mexika-nische Landschaftsmalerei, Kalen-der der Druckerei Galán, Münzen und Geldpapier aus dem 17. bis 20. Jahrhundert (die größte numis-matische Sammlung Lateinameri-kas), Fotografie, Mode und Mobiliar aus der Kolonialzeit Mexikos, eine Löffel-Sammlung, Kunst aus Mittel-amerika, mexikanische Malerei aus dem 20. Jahrhundert und das Werk

von Khalil Gibran. Slim interessiert sich so sehr für diesen multitalentierten Künstler und Denker aus dem Libanon, dass er die umfangreichste Gibran-Sammlung der Welt besitzt. Als Maler hat Gibran – wie hätte es anders sein sollen – eine Ausbildung bei Rodin gemacht. Wie J. P. Getty ist er ein Best-seller-Autor gewesen, der Menschen wie John Lennon und David Bowie inspirierte. Sogar John F. Kennedy beendete seine erste Rede als Präsident mit einer Paraphrase eines berühmten Zitats aus Gibrans Buch „Die neue Grenze“: „Ask not what your coun-try can do for you – ask what you can do for your country“. Slim hat sich die Frage wohl gestellt — und gehandelt.

Plaza Carso, Presa Falcón 369, Col. Granada,Miguel Hidalgo, México DFwww.museosoumaya.org.Virtueller Rundgang: www.soumaya.com.mx/recorrido/todo.htmKatalog Simplexity, Hatje Cantz, 2010, 58 Euro

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Carlos Slim

oben: Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780–1867), Paolo und Francesca, um 1856–60, Öl/Lwd.,25,7 x 22,5 cm; Museo Soumaya, Mexiko-Stadt

unten: Das neue Gebäude des Museo Soumaya, Architekt Fernando Romero