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Daniel Weidner (Hg.) Handbuch Literatur und Religion

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  • Daniel Weidner (Hg.)

    HandbuchLiteratur und Religion

  • J. B. Metzler Verlag

    Daniel Weidner (Hg.)

    Handbuch Literatur und Religion

  • Der HerausgeberDaniel Weidner ist Professor für Kulturforschung mit Schwerpunkt Religion an der Humboldt-Universität zu Berlin und Stellvertretender Direktor des Zentrums für Literaturforschung.

    Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    ISBN 978-3-476-02446-6ISBN 978-3-476-05336-7 (eBook)

    Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über-setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    J. B. Metzler, Stuttgart© Springer-Verlag GmbH Deutschland, 2016

    Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem, säurefreiem und alterungsbeständigem Papier

    Einbandgestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart (Foto: akg-images)Satz: Claudia Wild, Konstanz, in Kooperationmit primustype Hurler GmbH, Notzingen

    J. B. Metzler ist Teil von Springer Nature. Die eingetragene Gesellschaft ist Springer-Verlag GmbH [email protected]

  • Inhalt

    Vorwort VII

    I Zugänge

    1 Was ist ›Religion‹? Johann Evangelist Hafner 2

    2 Religion in Theorien der Literatur Daniel Weidner 9

    3 Theologische Beschäftigung mit Literatur Georg Langenhorst 17

    II Diskurse

    4 Erinnerung Jörg Rüpke 28 5 Medien Klaas Huizing 34 6 Bild Joseph Imorde 40 7 Theater Peter W. Marx 46 8 Politik Friedrich Balke 55 9 Geschlecht Daniel Kazmaier /

    Romana Weiershausen 6210 Postkolonialismus Stefanie Burkhardt /

    Simon Wiesgickl 69

    III Konfessionen

    11 Katholizismus Thomas Pittrof 7612 Protestantismus Christoph Gellner 8413 Judentum Andreas Kilcher 9214 Islam Beatrice Gründler 10115 Buddhismus Katja Triplett 112

    IV Epochen

    16 Antike Susanne Gödde 12017 Mittelalter Susanne Knaeble 12718 Reformation, Renaissance Kai Bremer 13419 Barock Andreas Keller 139

    20 Aufklärung Daniel Fulda 14721 Goethezeit, Klassik, Romantik

    Bernd Auerochs 15422 Biedermeier, Vormärz Thomas Wortmann 16423 Realismus, Naturalismus

    Christiane Arndt 17024 Jahrhundertwende Manfred Engel 17525 Expressionismus, Neue Sachlichkeit

    Alexander Nebrig 18126 Exilliteratur Doerte Bischoff 18627 Nachkriegsliteratur

    Dirk Kemper / Natalia Bakshi 19228 Gegenwartsliteratur, Postmoderne

    Michael Braun 199

    V Gattungen

    29 Tora Melanie Köhlmoos 20630 Bibel Oda Wischmeyer 21031 Koran Angelika Neuwirth 21932 Übersetzung Caroline Sauter 22533 Kommentar Liliane Weissberg 23134 Gebet Birgit Weyel 23635 Biblisches Erzählen Thomas Naumann 24136 Legende Elke Koch 24537 Gleichnis Hans Jürgen Scheuer 25038 Predigt Franz M. Eybl 25639 Hymne Dirk Werle 26240 Lyrik, Lied Stefan Willer 26941 Tragödie, Trauerspiel Claude Haas 27542 Geistliches Spiel Ulrich Barton 28343 Oratorium Dominik Höink 28844 Autobiografie Silke Horstkotte 29445 Roman Daniel Weidner 29946 Kino, Comic, Populärkultur

    Hans-Joachim Hahn 307

  • VI

    VI Figuren

    47 Abendmahl Silke Horstkotte 31448 Apokalypse Joachim Valentin 31849 Auferstehung Matthias Bauer 32250 Autor Sebastian Wilde 32751 Bekehrung Christopher Wild 33152 Blasphemie Brian Britt 33553 Das Böse Yael Almog 33954 Dogma Folkart Wittenkind 34355 Erlösung Hubert Thüring 34856 Exil Stefan Brease 35457 Fleischwerdung Alf Christophersen 35858 Fluch Björn Quiring 36359 Gewalt Robert Buch 36760 Glaube Christoph Gellner 37261 Kirchenraum Andreas Mauz 37662 Kunstreligion Daniel Weidner 38063 Liebe Caroline Sauter 38564 Mysterien Gabriela Wacker 39065 Mystik Cornelia Wild 395

    66 Mythos Zaal Andronikashvili 39967 Offenbarung Aleksandra Prica 40468 Opfer Claude Haas 40869 Paradies Elke Dubbels 41370 Passion Andrea Polaschegg 41971 Prophetie Lukas Pallitsch 42372 Ritual Wolfgang Braungart 42773 Schrift Mona Körte 43474 Schöpfung Karin Schöpflin 43975 Sünde Erich Garhammer 44576 Theodizee Wolfgang Lukas 44977 Tradition Nitzan Lebovic 45578 Unsterblichkeit Detlev Schöttker 45979 Vision Matthias Däumer 46380 Zeugenschaft Aurélia Kalisky 468

    Anhang

    Autorinnen und Autoren 474Personenregister 477

    Inhalt

  • 181

    25 Expressionismus, Neue Sachlichkeit

    25.1 Zur Beziehung beider Epochen

    Die Epochenbezeichnungen ›Expressionismus‹ (1910–1923) und Neue Sachlichkeit (1918–1933) erfassen die literaturgeschichtliche Vielfalt zwischen 1910 und 1933 nur zum Teil. So stand der Expressionismus im Kontext der Avantgarde, aber mit Blick auf den Da-daismus zugleich in Spannung zu ihr. Des Weite-ren gab es im letzten Jahrzehnt des Kaiserreichs und des Habsburgerreichs eine neoromantische Strömung, und nicht wenige Autoren wie Franz Kafka entziehen sich gängigen Epochenbegriffen überhaupt. Die Neue Sachlichkeit stellte ebenfalls nur einen Teil innerhalb einer ästhetisch und politisch heterogenen Literatur-produktion dar; mit ihrer Konzentration auf die Wirk-lichkeit verstand sie sich vor allem als Gegenbewegung zum Expressionismus, für den die Gegenstände hinter dem sie hervorbringenden Ich bisweilen verschwan-den. Dieser Gegensatz wird besonders deutlich im je-weiligen Stellenwert der Religion.

    Beide Epochen besaßen ein geradezu entgegen-gesetztes Verhältnis gegenüber der Religion. Die Auto-ren der ersten literarischen Strömung zeigten eine af-firmative Einstellung zu Glaubensfragen, kompensier-ten gewissermaßen ihre Krise durch Transzendenz-flucht; die Autoren der zweiten lehnten den Glauben als subjektiv-innerlich ab und bewegten sich aus-schließlich weltimmanent. Sachfragen der Lebenswelt, der Technik oder des Alltags waren um ihrer selbst wil-len darstellungswürdig. Die metaphysische Haltung vieler expressionistischer Autoren, die ihrer Gegen-wart kritisch und bisweilen bezugslos gegenüberstan-den, war im Jahrzehnt der Neuen Sachlichkeit gerade-zu befremdlich. Diese stand im Unterschied zum Ex-pressionismus der Religion demonstrativ indifferent gegenüber und konzentrierte sich auf die Gegenwart, anstatt sie in Erwartung eines Heils zu überschreiten.

    Allerdings diffundierten die beiden Strömungen bisweilen, da der Expressionismus als Avantgardebe-wegung sowohl formorientierte als auch material-ästhetische Tendenzen (Sturm-Kreis) kannte, welche die religiöse Problematik nicht berührten, während sich auf der anderen Seite die neusachliche Literatur mitunter religiöser Versatzstücke bediente. Wenn man darüber hinaus Religion nicht nur unter dem Aspekt des Bekenntnisses betrachtet, zeigt sich der Gegensatz beider Epochen hinsichtlich der Religionsfrage noch

    weniger schroff. Hier wie dort findet sich auf themati-scher Ebene der Bezug zur Bibel und anderen Mythen der Religionsgeschichte; auf religionskritischer Ebene die Auseinandersetzung mit Konfessionen und Reli-gionen in Geschichte und Gegenwart und auf reflexi-ver Ebene eine Nähe zur Theologie, vornehmlich zur Dialektischen Theologie mit ihrer Konzeption eines nicht erfahrbaren, aber adressierbaren Gottes.

    Auch generationell blieben beide Richtungen auf-einander bezogen, sei es als Abgrenzung der Jüngeren von den Älteren, sei es durch personale Kontinuität. Teilweise setzten ehemals expressionistische Autoren wie etwa Alfred Döblin ihre literarische Arbeit als neusachliche Autoren fort. Auch waren die 1910er und 1920er Jahre durch eine stärkere Partizipation jü-discher und katholischer Autoren gekennzeichnet, nachdem die deutsche Literaturszene lange Zeit durch das protestantische Pfarrhaus geprägt worden war (Kiesel 2004, 64–85).

    Trotz biographischer Kontinuität und eines gele-gentlichen Synkretismus der Stile kann der Unter-schied im Verhältnis zur Religion beider Epochen nicht übersehen werden, der sowohl die rhetorische Struktur der Texte als auch den Literaturbegriff betraf. Argumentierten expressionistische Autoren dem An-spruch nach ethisch subjektiv, so neusachliche objek-tiv. Aus der jeweiligen Einstellung ergaben sich unter-schiedliche Schreibweisen. Die Literatur des Expres-sionismus ist insbesondere in den lyrischen Gattungen und im Verkündigungsdrama (Lämmert 1963) von ei-nem bekenntnishaften Anspruch charakterisiert. Die-ses Anspruches enthob sich die Neue Sachlichkeit, die sich vornehmlich Prosagattungen bediente, trotz eines gelegentlichen Abdriftens ins Sentimentale.

    25.2 Kontexte expressionistischer Religion

    Spätestens seit 1900 wurde die Poesie erkenntnistheo-retisch aufgewertet und auf Augenhöhe mit Wissen-schaft und Religion gestellt oder, wie bei Wilhelm Dilthey, sogar über diese erhoben: »Da die Religion den Halt metaphysischer Schlüsse auf das Dasein Got-tes und der Seele verloren hat, ist für eine große An-zahl gegenwärtiger Menschen nur noch in der Kunst und der Dichtung eine ideale Auffassung von der Be-deutung des Lebens vorhanden« (Dilthey 1887, 477). Für Wilhelm Windelband sollten Kunst und Wissen-schaft die Religion ersetzen (Sub specie aeternitatis, 1902). Die Vermengung des epistemologischen mit dem religiösen Bereich des Glaubens, die sich schon

    25 Expressionismus, Neue Sachlichkeit

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    in der Weltanschauung mancher Naturalisten, vor al-lem in der Kunstreligion des Ästhetizismus bemerk-bar gemacht hatte, gelangte im Expressionismus zu höchster, aber auch letzter Emphase.

    Bereits zeitgenössische Theologen und Religions-wissenschaftler entdeckten im literarischen, aber auch bildkünstlerischen »Expressionismus eine Kunstform, die mehr als andere in der Lage ist, das Heilige zum Aus-druck zu bringen« (Rohls 2014, 472). Die geistesge -schichtliche Nähe zwischen Theologie und Expressio-nismus wird an Rudolf Ottos Buch Das Heilige (1917) ersichtlich, das, inspiriert durch die Weltreligionen, ei-ne Theorie des Numinosen als eines apriorischen Faszi-nosums entwickelt. In der Forschung wird dabei die ex-pressionistische Literatur oft in Zusammenhang mit der Dialektischen Theologie von Karl Barth gebracht (Rot-he 1969; Köhler 2005), der »Gott als das grundlegend Andere« bestimmte (Krause 2008, 59). Sicherlich zei-gen die Texte Ernst Tollers, Walter Hasenclevers oder Georg Kaisers eine Bewegung zu einem schlechthin Anderen, das vom Ich nicht beherrscht werden kann und transzendent verortet wird. Diese dialogische Be-wegung erlaubt es, von einer Du-Poetik des Expressio-nismus zu sprechen, jedoch wird dabei das »Ausmaß der Affirmation von ›Dialektischer Theologie‹ und ›Ex-pressionismus‹« leicht überschätzt (ebd., 58).

    Obgleich sich der Expressionismus von der gleich-zeitig anzutreffenden Formensprache der Neuroman-tik abgrenzt, erbt er von der Romantik einerseits die epistemologische Privilegierung des Ich, andererseits die Tendenz der Literatur, Grenzen zu überschreiten und Gegensätze zu synthetisieren. Dabei ist eine schar-fe Trennung zwischen theologischem, christologi-schem und religiösem Diskurs oftmals nicht möglich. Georg Heyms Tagebücher bezeugen die »Beschäfti-gung mit Personifikationen christlicher und nicht-christlicher Religionen« (Sbarra 2012, 243). Nicht sel-ten artikulierte sich das Religiöse, über die rhetorische Manier hinausgehend, im Sinne der Gefühlsreligion des 19. Jahrhunderts. Den »Synkretismus der expres-sionistischen Religiosität« (Rothe 1969, 41) führt Rot-he, dessen Pionierarbeit zahlreiche Desiderate formu-liert, auf die Erweiterung der Wissenshorizonte zu-rück: Religionskritik, Theosophie oder C. G. Jungs tie-fenpsychologische Mythenforschung hätten um 1900 ein völlig neues Problembewusstsein im Umgang mit der Religion geschaffen; insbesondere sei ein Interesse für außerchristliche Religionen zu beobachten; auch seien mystische Traditionen wiederbelebt oder Astral-mythen aufgegriffen worden wie in Johannes R. Be-cher Arbeiter Bauern Soldaten (1921).

    Von Bedeutung für die Formulierung religiöser Fra-gestellungen in der Literatur war die Orientierung an der Bildenden Kunst, in der biblische Themen oft zen-tral sind (Ulmer 1992; Lehmann 1965). An Doppel-begabungen wie Ernst Barlach gelangte das religiöse Interesse besonders anschaulich zur Geltung. Vor al-lem die transmediale Kunsttheorie, die sich auch an der Gegenwartskunst orientierte, stand der Religion auffällig nahe, wie Vassilij V. Kandinskijs Schrift über das Geistige in der Kunst (1911) oder Franz Marcs Kon-zept der ›geistigen Religion‹ zeigen. Selbst das Streben nach Abstraktion, das sich in der Bildenden Kunst nach 1900 durchsetzte, wurde von Wilhelm Worringer metaphysisch erklärt und auf germanische Wurzeln zurückgeführt (Abstraktion und Einfühlung, 1907). In der Musik machte 1913 Igor F. Stravinskijs Ballet Le sa-cre du printemps Epoche, das sich der heidnischen Re-ligion widmet.

    Äußere Impulse, abgesehen von einem allgemeinen Interesse an den Weltreligionen, kamen aus der russi-schen Literatur. Das Werk von Lev N. Tolstoj und Fë-dor M. Dostoevskij wurde als Apologie der christli-chen Religion oder ihrer Ethik rezipiert, wobei man die russische Polemik gegen den westeuropäischen Religionsverlust unkritisch übernahm. Auch nicht-expressionistische Autoren wie Rainer Maria Rilke be-stätigten in ihren theoretischen und poetischen Tex-ten dieses Verhalten. Ebenfalls einflussreich war die von Frankreich ausgehende katholische Erneuerungs-bewegung (Renouveau catholique), an der in Deutsch-land Carl Muth und Theodor Haecker partizipierten (s. Kap. III.11).

    Im Kontext der Avantgarde fällt auf, dass besonders die Überwindung des Expressionismus durch den Da-daismus – trotz seiner anti-hermeneutischen Einstel-lung – keineswegs mit einer Abkehr von der Religi-onsfrage einherging; Hugo Ball, Hauptvertreter des Dadaismus und damit einer dem Anschein nach anti-metaphysischen Poetik, entwarf in Rückbesinnung auf seine katholische Herkunft sprachtheologische Vorstellungen (Kemper 1974, 194–205), die ihren Ausdruck in hagiographischer Form fanden (Byzanti-nisches Christentum. Drei Heiligenleben, 1923; Philipp 1980, 169–183).

    25.3 Messianismus in der Lyrik

    Der evangelische Theologe Wilhelm Knevels bezeich-nete bereits 1927 den Charakter vieler expressionis-tischer Texte als präreligiös (Knevels 1927, 3). Ob-

    IV Epochen

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    gleich dieses Verständnis des Expressionismus als Verlautbarung von Innerlichkeit zentrale experimen-telle, politische oder sozialkritische Aspekte vernach-lässigt, bietet es erste Orientierung für die Analyse der religiösen Dimension seiner Lyrik. Knevels bestimmt das Präreligiöse als antimaterialistisch, anthropozen-trisch, asketisch, essentialistisch, dynamisch, sozial, pazifistisch und utopisch-messianisch. Einzig der letzte Aspekt wurde von der späteren Forschung aus-gearbeitet, so dass religiöse Konzepte vor allem aus der messianischen Perspektive erschlossen werden (Vietta/Kemper 1994; Anderson 2011).

    Die Einstellung des Expressionismus zur Religion ist trotz allem erklärungsbedürftig. Denn das epocha-le Selbstverständnis war gegenüber dem Bestehenden einschließlich der überlieferten Vorstellungen nicht affirmativ, sondern kritisch eingestellt. Man griff nicht nur alle möglichen sozialen Institutionen, sondern auch bislang selbstverständliche ästhetische und psy-chologische Kategorien an. Das Subjekt als Erkennt-nisorgan war schon um 1900 in Frage gestellt worden, und die Literatur fiel von einer Legitimitätskrise in die nächste. Der Begriff ›Ich-Dissoziation‹ steht denn auch metonymisch für Expressionismus; tatsächlich aber war er nur die Kehrseite des Messianismus. Aus der durch die u. a. von den Naturwissenschaften aus-gelösten Krise des Ich leiteten viele Autoren nicht au-tomatisch Nihilismus oder Atheismus ab. Kemper und Vietta (1994, 185–188) haben ausdrücklich da-rauf hingewiesen, dass die Destruktion der Gewiss-heiten – wie bereits beim Paten der Expressionisten Friedrich Nietzsche – das metaphysische Bedürfnis eher bestärkt als geschwächt hat. Die Sehnsucht nach Erlösung durch transzendente Mächte bekräftigte rückwirkend die Ansicht, dass die Immanenz fehler-haft sei. Das Verhältnis von Krisenerfahrung und Messianismus war demzufolge dialektisch.

    Für die poetische Form des expressionistischen Re-ligionsbezuges hat das Konsequenzen: Neben radika-len Sprachlösungen auf bildlicher oder syntaktischer Ebene und einer Ausblendung oder Verzerrung der Realität sind dort, wo Religion zur Sprache kommt, die dialogische Sprechbewegung zu einem transzen-denten Du sowie die Erlösungssehnsucht vorherr-schend. Idealerweise artikuliert sich die messianische Heilssuche in der gebetsartigen Ansprache. Die the-matische Ausrichtung kann verschieden ausfallen. Das Streben zu Gott, so Knevels, ist bei Max Brod ethisch, bei Kurt Heynicke artikuliere es sich in mysti-schen und phantastischen Formen, und nur wenige wie Ernst Stadler würden es als reine Adressierung an

    einen nicht erfahrbaren Gott begreifen (vgl. Knevels 1927). Problematisch ist es, eine authentische von ei-ner bloß affektierten Adressierung unterscheiden zu wollen. Rothes Kritik der »subjektiven Gefühligkeit« (Rothe 1969, 41), die er an Else Lasker-Schülers oder Franz Werfels Umgang mit Wörtern wie ›Herz‹ und ›Seele‹ festmacht, erfolgt vor einem wissenschaftlich theologischen Maßstab, dem Gedichte nicht entspre-chen. Die Deutung der religiösen Formen kann sich aufgrund der selbstreflexiven Anlage expressionis-tischer Literatur daher nicht darauf beschränken, zwi-schen echter und falscher Religion zu scheiden oder Naivität und Schwärmerei zu diagnostizieren (Vietta/Kemper 1994, 194).

    Getragen von einem ausgesprochen anti-institutio-nellen Anspruch und einer idiosynkratischen Aus-drucksform, verlangen die Gedichte nach formaler Rekonstruktion der Aussage. Selten manifestiert sich die Religion dermaßen deutlich wie bei Reinhard Jo-hannes Sorge, Ernst Barlach oder in der Bekenntnis-literatur eines Katholiken wie Charles Péguy. Auch der Messianismus des Expressionismus war keinesfalls rein religiös, sondern eng an vitalistische und politi-sche Vorstellungen gebunden. Anstatt sich auf litera-turgeschichtliche Schablonen zu verlassen, wird man daher für jeden Text das Wechselspiel aus religiösen Elementen und ihrer rhetorischen bzw. ästhetischen Form neu ausloten müssen.

    Ernst Stadlers Zyklus Aufbruch (1913) ist geprägt von Schuld- und Erlösungsvorstellungen, wobei er auf religiöse Prätexte sowohl aus der mittelalterlichen Epik (Parzival, Der arme Heinrich) als auch aus der Mystik zurückgreift. Zugleich werden christlich-reli-giöse Topoi strukturbildend eingesetzt. Das Gedicht »Resurrectio« schließt mit dem Tanz der Taube, die das »Ölblatt der Verheißung« (Stadler 1954, 125) im Mund trägt. Die Überführung der religiösen Seman-tik ins Ästhetische zeigt sich bei Stadler allgemein da-rin, dass die von der Etymologie des Wortes ›Religion‹ bezeugte Bindungs- und Formsemantik Teil der äs-thetischen Faktur ist (Nebrig 2013, 248–250). An Georg Trakls Gedicht Geistliche Dämmerung hat Hans-Georg Kemper nachgewiesen, dass Christus als Argument missbraucht wird, um die Schwester zur Erlöserfigur zu erheben (Kemper 1997, 158). Gott-suche und Wundererwartung werden von Carl Ein-stein im Bebuquin (1912) aufgegriffen, um der Erzäh-lung, welche alle Konventionen des Erzählens ad ab-surdum führt, gleichsam als leere Formhülse eine Richtung und damit den Anschein eines Sinns zu ge-ben. Der Einsatz von Erlösungsfiguren führt notwen-

    25 Expressionismus, Neue Sachlichkeit

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    dig zur Sakralisierung der Aussage, auch wenn wie bei Einstein die Figur leer bleibt.

    Die Forschung hat an expressionistischen Gedich-ten von Jakob van Hoddis und Alfred Lichtenstein, an Erzählungen (u. a. Einsteins Bebuquin) und Dramen (u. a. Georg Kaisers Der gerettete Alkibiades, 1920) verschiedene Formen und Fiktionen der Sakralisie-rung unerlöster Subjektivität erörtert (Krause 2000). Auch die Streitfrage, ob das Ich wie bei Gottfried Benn jeder metaphysischen Begründung beraubt ist oder ob nicht tatsächlich weiterhin versucht wird, diesem Sinnentzug mit Sakralisierungsmaßnahmen zu be-gegnen, wäre für jeden Text neu zu diskutieren. Zu-mindest motiviert die Gespanntheit des Ich zwischen dem Heiligen und dem Profanen einen wesentlichen Teil der lyrischen Produktion.

    25.4 Gattungsfragen im Übergang zur Neuen Sachlichkeit

    Der Übergang zur Neuen Sachlichkeit ist an einen Gattungswechsel gebunden. Neben der Lyrik, welche sich als Gattung aufgrund ihres dialogischen Charak-ters von einem Ich zum Du besonders eignet, Erlö-sungssehnsüchte auszudrücken, artikulierten Expres-sionisten religiöse Vorstellungen vor allem im so ge-nannten Verkündigungsdrama (Lämmert 1963). Im Unterschied zur Lyrik, die den Erlöserbezug vom Ein-zelnen aus herstellt, führt das Drama das Religiöse mit dem Politischen zusammen, etwa in Georg Kaisers Die Bürger von Calais (1914) oder Ernst Tollers Masse Mensch (1919). Der Roman, der ohnehin wegen des kriegsbedingten Papiermangels seltener erschien, diente so gut wie kaum dazu, Religion literarisch zu gestalten; allerdings werden in der nachexpressionis-tischen Romanzeit zwischen 1918 und 1933 noch viele ursprünglich expressionistische Ideen über Religion ausbuchstabiert (Vollhardt 1986, 164).

    Dem Anspruch nach war die Neue Sachlichkeit ei-ne Strömung, die sich metaphysischen Fragen ver-schloss. Jedoch gibt es zugleich Autoren wie Hermann Broch oder Robert Musil, die von einer sachlichen Darstellung ihrer Zeit ausgehen, um von dort auf das Metaphysische zu zielen. Brochs Schlafwandler-Ro-mane (1930/32) sind als eine Genealogie der Hoff-nungslosigkeit von einem messianischen Endpunkt aus erzählt (s. Kap. V.45). Die Trilogie reagiert auf die sachliche Ästhetik und Ethik der 1920er Jahre und lehnt sie im dritten Teil explizit ab. Die beiden ersten Teile (Pasenow und Esch) demonstrieren, dass der

    Rückzug in die Religion scheitern muss: Mit ihm ver-binde sich ein anachronistisches und wirklichkeits-fremdes Modell, das den Zerfall der Werte nicht auf-hält. Jedoch endet der dritte Teil, wenngleich etwas unvermittelt, mit einer »Messiashoffnung« (Broch 1994, 715). Robert Musil reaktivierte im Fragment ge-bliebenen zweiten Buch von Der Mann ohne Eigen-schaften (1932) als Alternative zur Wirklichkeit und ihrer Moralität die religiöse Mystik und das damit ver-bundene Heilsversprechen eines ›anderen Zustands‹. In dieser Schreibpraxis tritt Sachlichkeit im Gewand der Ironie auf, wird also performativ im Modus der Darstellung aufgehoben (Becker 2006).

    25.5 Immanenz der Neuen Sachlichkeit

    Die Vertreter der Neuen Sachlichkeit im engeren Sinn, welche die Epoche als ästhetische und ethische Forma-tion weder polemisch negierten wie Broch noch iro-nisch transzendierten wie Musil, vermieden auf expli-ziter Ebene religiöse Fragen. Wenn sie solche dennoch stellten, dann mit spielerischer Leichtigkeit wie Erich Kästner im Gedicht Das Eisenbahngleichnis (1932): Das Leben wird als Eisenbahnfahrt verstanden. Grund und Ziel der Reise sind unbekannt, und hin und wie-der verlassen Tote den Zug. Eine metaphysische Per-spektive fehlt. Das religiöse Problem, das sich mit die-ser Fahrt verbindet, dient vornehmlich der Erzeugung unterhaltsamer und witziger Vergleiche. Das Gedicht funktioniert nur deshalb, weil es die Frage, die es stellt, nicht ernsthaft zu beantworten beabsichtigt.

    Neben dem spielerischen Umgang mit Religion zeichnet sich die Literatur der Neuen Sachlichkeit durch eine religions- und mythologiekritische Ein-stellung aus. Die neusachlichen Gedichte, Romane und Dramen, vor allem aber die zahlreichen doku-mentarischen Genres wie Reportagen nutzen den Re-kurs auf Religion gemeinplatzartig zur polemischen Abgrenzung, durch die sie sich als rationale Strömung darstellen. Religion wurde als etwas Äußeres, bloß Formales und immer als eine mythische Verblendung von Anderen bewertet. Bei Kurt Tucholsky wurde das durch eine satirische Religionskritik ergänzt, die ge-gen institutionelle und konfessionelle Formen der Re-ligion gerichtet ist (Religionsunterricht, 1919; Brief an eine Katholikin, 1930; Der Predigttext, 1931). Gerade-zu anti-religiös ist Brechts Umgang mit Bibel-Zitaten in der Dreigroschenoper (UA 1928).

    Sofern religiöse Formen und Inhalte nicht pole-misch-satirisch, sondern affirmativ zum Einsatz ge-

    IV Epochen

  • 185

    langten, verliehen sie dem Text einen gleichnishaften Charakter. In Texten der Neuen Sachlichkeit konnten die historischen Formen der Religion als Reflexions- und Beglaubigungsräume der literarischen Welt die-nen. Brechts Vorliebe für die Heilige Schrift war nicht nur Behauptung, sondern zeigt sich in den intertextu-ellen Bezügen vieler seiner Texte. Religion galt als na-hezu identisch mit dem biblischen Mythenreservoir, auf das neben Brecht (Baal, 1918) etwa Marieluise Fleißer (Fegefeuer in Ingolstadt, 1926) zurückgriff, um ein ethisches, weniger ein religiöses Problem zu ver-anschaulichen. Gemäß dem neusachlichen Diesseits-bezug eröffneten religiöse Stoffe, Formen und Gattun-gen eine moralische Deutungsperspektive.

    Ödön von Horváth griff in Glaube Liebe Hoffnung (1932) christliche Ideen auf, um die Realität als Nega-tion dieser Ideen vorzustellen, aber weiterhin im Sin-ne der moralisch-lebensweltlichen Demonstration. Eine Ausnahme bildete Joseph Roths Hiob. Roman ei-nes einfachen Mannes (1930), worin das Schicksal des galizischen Juden Mendel Singer nicht nur im bib-lischen Mythos und Sprachduktus erscheint, sondern – bei aller modernetypischen Ambivalenz – von der religiösen Voraussetzung dieses Mythos zugleich ge-tragen wird. Alfred Döblins Hiob-Szene im vierten Kapitel von Berlin, Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf (1929) ließ dagegen den bib-lischen Mythos in die Forderung münden, dass sich der Mensch auch ohne Gottesglauben erlösen könne. Sicherlich wirkt es bei einem theoretisch ambitionier-ten und vielseitigen Autor wie Döblin stark verein-fachend, Religion, zumal die alttestamentliche, aus-schließlich aus der Säkularisierungsperspektive zu be-trachten. Für das religionskritische Problembewusst-sein des Autors spricht vor allem seine Schrift Unser Dasein (1933, vgl. Klein 2005). Auch sonst dienen re-ligiöse Texte, vornehmlich die Bibel, vor allem als Au-toritätsargumente für weltliche Fragen: So rechtfertig-te Lion Feuchtwanger den historischen Roman (1931) mit dem Hinweis, dass auch die Bibel voller Beispiele neuer Sachlichkeit sei (Becker 2000, Bd. 2, 144). Auch bei Hermann Kesten lässt sich ein säkularisierender Umgang mit der Heiligen Schrift beobachten (Becker 2000, Bd. 2, 214 f.).

    Eine systematische Untersuchung des Verhältnisses von neusachlicher Literatur und Religion steht noch aus. Sie müsste die religionskritischen (Tucholsky, Brecht), moralisierenden (Fleißer, Brecht, Döblin) und religionsaffinen (Roth) Bezüge in ihrer Interaktion be-schreiben. Dass innerhalb eines Gesamtwerkes ver-schiedene Positionen eingenommen werden konnten,

    beweist Joseph Roth. Aus ideologiekritischer Sicht kann etwa im Werk Arnolt Bronnens oder Ernst Glae-sers durchaus mythologisches Potential aufgedeckt werden; auch die Lebensideologie der 1920er Jahre nahm quasireligiöse Züge an (Lindner 1994). In die-sem Sinn wäre auch die religiöse Indifferenz, welche den Normalfall darstellte, hinsichtlich der sie begrün-denden rationalistischen Glaubensannahmen zu ana-lysieren. Weiter müsste geprüft werden, welche ver-deckten metaphysischen Annahmen den neusachli-chen Verhaltenslehren der Kälte (Lethen 1994), der Oberflächenästhetik von Flaneuren wie Walter Benja-min, Franz Hessel oder Siegfried Kracauer oder dem behavioristischen Ansatz Brechts zu Grunde liegen.

    LiteraturAnderson, Lisa Marie: German Expressionism and the Mes-

    sianism of a Generation. Amsterdam 2011.Becker, Sabina: Neue Sachlichkeit. Köln/Weimar/Wien 2000.Becker, Sabina: Von der »Trunksucht am Tatsächlichen«.

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    Lämmert, Eberhard: Das expressionistische Verkündigungs-drama. In: Hans Joachim Schrimpf (Hg.): Literatur und

    25 Expressionismus, Neue Sachlichkeit

  • 186

    Gesellschaft vom 19. ins 20. Jahrhundert. FS Benno v. Wie-se. Bonn 1963, 309–329.

    Lehmann, Joachim: Expressionismus und Religion. Dar-gestellt an der Künstlergemeinschaft Brücke. Versuch einer Bestandsaufnahme und Deutung. Halle 1965.

    Lethen, Helmut: Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen. Frankfurt a. M. 1994.

    Lindner, Martin: Leben in der Krise. Zeitromane der Neuen Sachlichkeit und die intellektuelle Mentalität der klassischen Moderne. Mit einer exemplarischen Analyse des Roman-werks von Arnolt Bronnen, Ernst Glaeser, Ernst von Salo-mon und Ernst Erich Noth. Stuttgart/Weimar 1994.

    Nebrig, Alexander: Disziplinäre Dichtung. Philologische Bil-dung und deutsche Literatur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Berlin/Boston 2012.

    Philipp, Eckhard: Dadaismus. Einführung in den literari-schen Dadaismus und die Wortkunst des ›Sturm‹-Kreises. München 1980.

    Rohls, Jan: Das Heilige und die Kunst. Rudolf Otto und die theologische Ästhetik der zwanziger Jahre. In: Jörg Laus-ter (Hg.): Rudolf Otto. Theologie – Religionsphilosophie – Religionsgeschichte. Berlin 2014, 463–475.

    Rombold, Günter: Expressionismus. In: Hans Dieter Betz (Hg.): Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörter-buch für Theologie und Religionswissenschaft. Tübingen 41999, 1831–1838.

    Rothe, Wolfgang: Der Mensch vor Gott. Expressionismus und Theologie. In: Wolfgang Rohe (Hg.): Expressionismus als Literatur. Gesammelte Studien. Bern/München 1969, 37–66.

    Rothe, Wolfgang: Der Expressionismus. Theologische, soziolo-gische und anthropologische Aspekte einer Literatur. Frank-furt a. M. 1977.

    Sbarra, Stefania: Georg Heyms Religion der Kunst. In: Al-bert Meier (Hg.): Kunstreligion. Berlin/Boston 2012, S. 239–250.

    Stadler, Ernst: Dichtungen. Hg. von Karl Ludwig Schneider, Bd. 1. Hamburg 1954.

    Ulmer, Renate: Passion und Apokalypse. Studien zur bib-lischen Thematik in der Kunst des Expressionismus. Frank-furt a. M. 1992.

    Vietta, Silvio/Kemper, Hans-Georg: Expressionismus. Mün-chen 51994.

    Vollhardt, Friedrich: Hermann Brochs geschichtliche Stellung. Studien zum philosophischen Frühwerk und zur Romantri-logie »Die Schlafwandler« 1914–1932. Tübingen 1986.

    Alexander Nebrig

    26 Exilliteratur

    Die Erfahrung rigoroser Gleichschaltung abweichen-der Überzeugungen und Bekenntnisse während des Nationalsozialismus, die auch die christlichen Glau-bensgemeinschaften nachhaltig erfasste, hat eine gro-ße Anzahl der zeitgenössischen Autorinnen und Auto-ren zu einer intensiven Beschäftigung mit der kultur-geschichtlichen Signifikanz religiöser Deutungsange-bote und Narrative veranlasst. Vor allem angesichts des aggressiven Antisemitismus und der zunehmend brutalen Ausgrenzung und Verfolgung der europäi-schen Juden verhandeln viele der seit 1933 entstehen-den literarischen und essayistischen Schriften Fragen nach der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit jüdischer und christlicher Traditionen, aber auch nach Brüchen und Verwerfungen, die als historische auf ak-tuelles Geschehen vorausweisen oder dieses analo-gisch interpretierbar machen.

    Dabei werden einerseits antijudaistische Tenden-zen in der christlichen Dominanzkultur auch als Vor-geschichte des modernen Antisemitismus lesbar ge-macht, andererseits liegt in der beharrlichen Aus-einandersetzung mit den religiösen und kulturellen Aspekten des Judentums auch ein Moment des Wi-derstands gegen seine rasseideologische Reduktion. Dies lässt sich auch in Texten jüdischer Autoren und Autorinnen nachvollziehen, die unter zunehmend be-drückenden Bedingungen noch im nationalsozialisti-schen Deutschland entstanden. Gegen die totalitären Systeme und Weltdeutungen des 20. Jahrhunderts, de-ren Protagonisten hybride Überhebung und Selbst-vergottung attestiert werden, wird zudem vielfach ex-plizit eine Hinwendung zum Glauben gestaltet. Dieser wird nicht notwendig als Gegensatz zu Vernunft und Aufklärung gedacht, sondern als deren Ergänzung und mögliche Begrenzung von Zweckrationalismus und Machbarkeitsphantasien. Im Gegensatz zu einem mit territorialen Besitzansprüchen verknüpften Na-tionalismus wird zudem eine potentiell universale Ge-meinschaft im Glauben bzw. im Geiste imaginiert.

    Gerade das Exilerlebnis, für viele existentieller Ein-schnitt und Symptom eines fundamentalen Traditi-onsbruchs, wird immer wieder ausdrücklich mit einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem Religiösen in Verbindung gebracht. Lässt sich hier ein Bedürfnis erkennen, angesichts des Verlusts kultureller Hei-maten Halt und Orientierung zu suchen, so öffnet sich vor allem in der literarischen Ausgestaltung dieses Zu-sammenhangs ein komplexes Feld. Vielgestaltige Adaptionen und Umschriften religiös geprägter Exil-

    IV Epochen

    InhaltVorwortI Zugänge1 Was ist ›Religion‹?1.1 Ein Regenbogeneffekt1.2 Wer vergleicht und womit?1.3 Das Wort1.4 Definitionen1.5 Religiös sprechen1.6 Religion als Possibilisierung von Welt

    2 Religion in Theorien der Literatur2.1 Theoriegeschichte und Religion: Drei Geschichten2.2 Religion in klassischen Literaturtheorien2.3 Anthropologie und Kulturtheorie: Integrative Versuche2.4 ›Säkularisierung‹: Ein Paradigma2.5 Kulturwissenschaftliche Erweiterung

    3 Theologische Beschäftigung mit Literatur3.1 Dichter als ›Propheten‹ unserer Zeit: Romano Guardini3.2 Rückzug in die Geschlossenheit der Vor-moderne: Hans Urs von Balthasar3.3 Guardini und von Balthasar: Gemein-samkeiten und Unterschiede3.4 Paul Tillich: Korrelation3.5 Theologie und Literatur im Zeichen des Dialogs: Sölle, Mieth, Kuschel3.6 Perspektiven der Praktischen Theologie

    II Diskurse4 Erinnerung4.1 Religion in der Erinnerungsforschung4.2 Kritik: Kollektiver Religionsbegriff vs. individuelles Handeln4.3 Neuansätze: Religion als Kommuni-kation4.4 Perspektiven

    5 Medien5.1 Großes Kino5.2 Gott und die Medienkrise5.3 Die Fortbildung des5.4 Die Teflonisierung der Empfindsamkeit5.5 Forschungsperspektiven und Ausblick

    6 Bild6.1 Bild/Animismus6.2 Bild/Zauber6.3 Bild/Macht6.4 Bild/Praxis

    7 Theater7.1 Kulturelle bzw. theatrale Praxis7.2 Diskursive Ausdifferenzierung7.3 Von der Semiotik zur Performanz

    8 Politik8.1 Zerfall der politischen Theologie und Neubildung religiöser Kulte an der Peripherie der Polis8.2 Religiöse Erneuerungsbewegungen als Entstehungsherd politischer Gemein-schaften8.3 Das »Problem des Absoluten« und die demokratische Unterbrechung der8.4 Das Pastorat und seine Säkularisierung8.5 Herrschaft und Herrlichkeit: Über-repräsentation und Absonderung

    9 Geschlecht9.1 Geschlechterkonstruktionen und die Bibel als Text9.2 Aufnahme von genderbezogenen bib-lischen Stoffen und Motiven in der Literatur9.3 Genre und Geschlecht im religiösen Kontext: Autorinnen in der Literatur-geschichte

    10 Postkolonialismus10.1 Religion und Kolonialismus: Historische und epistemologische Verflechtungen10.2 Die postkoloniale Wende: Themen und Diskurse in Theologie, Religions-wissenschaft und Germanistik10.3 Orientalismus und Exotismus: Goethes west-östlicher divan und Hesses siddharta 10.4 Perspektivwechsel, Stimmen von den Rändern und ›muslimische‹ Interventionen in der deutsch-sprachigen Gegenwartsliteratur10.5 Potenziale interdisziplinärer Forschung zu Religion und Literatur aus postkolonialer Perspektive: Welt-literatur, Weltrelig

    III Konfessionen11 Katholizismus11.1 Literarischer Katholizismus als ›Subsystem‹11.2 Epochen seiner Ausbildung 1: Frühe Neuzeit bis 180011.3 2: 1800 bis 191811.4 3: Weimarer Republik und Nationalsozialismus11.5 4: 1945 bis heute

    12 Protestantismus12.1 Literarisierung und Konfessio-nalisierung: Reformation und 17. Jahrhundert12.2 Innovationen im Pietismus und Purita-nismus12.3 Emanzipation, Transformation, Säkularisierung als Kulturgewinn12.4 Vervielfältigtes Christentum im langen 19. Jahrhundert12.5 Literarisches Fortleben protestantischer Urmotive im 20. Jahrhundert

    13 Judentum13.1 Das Volk der Literatur13.2 Die Literatur der Religion: Religiöse Traditionsliteratur und ihr literarisches Potential13.3 Religion der Literatur: Programme und Debatten zur »jüdischen Literatur«

    14 Islam14.1 Medialität und Medienwandel14.2 Sprache und Sprachen14.3 Gesellschaftliche Funktionen14.4 Ästhetische Dimensionen14.5 Tradition und Innovation

    15 Buddhismus15.1 Verbreitung und Tradierung15.2 Genres, Themen und Funktionen buddhistischer Literatur15.3 Studium und Praxis buddhistischer Literatur in Europa und der Welt

    IV Epochen16 Antike16.1 Religion vs. Literatur?16.2 Mythos16.3 Ritual

    17 Mittelalter17.1 Religion und die deutsche Literatur des frühen Mittelalters17.2 Religion und die deutsche Literatur des hohen Mittelalters17.3 Religion und die deutsche Literatur des späten Mittelalters17.4 Tendenzen der Forschung und Ausblick

    18 Reformation, Renaissance18.1 Religionsgeschichtlicher Hintergrund18.2 Reformation und Literatur18.3 Reformation als Epoche?18.4 Forschungsperspektiven und Ausblick

    19 Barock19.1 Das Barockproblem: Forschung zwischen Wahrnehmung und Wertung19.2 Historische Rahmenbedingungen19.3 Religion(en) im 17. Jahrhundert: Positionen, Parteien, Synkretismen19.4 ›Emanzipation der Literatur‹ im 17. Jahrhundert

    20 Aufklärung20.1 Aufklärung als intellektuelle Bewegung und als Epoche: Von der Religionskritik zur gesellschaftlichen Funktionsdifferenzier20.2 Traditioneller und moderner Literatur-begriff: Literatur als Verbreitungs-medium20.3 Literatur als Träger neuer Religiositäten20.4 Was heißt hier religiös? Der (verstellte) Gesichtspunkt der Transzendenz20.5 Literarische Form und Theodizee: Religion im Modus des Als-Ob

    21 Goethezeit, Klassik, Romantik21.1 Systemkritik und religiöses Denken21.2 Französische Revolution, neue Religion, Gräkomanie21.3 Romantik, Wiederverzauberung der Welt21.4 Goethe

    22 Biedermeier, Vormärz22.1 Die Doppelgesichtigkeit der Epochen-konstruktion22.2 Politik, Religion, Literatur22.3 Politische Konfession: Freiligrath22.4 Religiöses Schreiben: Droste-Hülshoff

    23 Realismus, Naturalismus23.1 Literatur im Spannungsfeld kirchlicher Belange23.2 Glaube und Religionskritik im poetischen Realismus23.3 Judentum23.4 Der Naturalismus zwischen Religions-kritik und neuem Glauben

    24 Jahrhundertwende24.1 Theologische und philosophische Kontexte24.2 Kunstmetaphysik24.3 Epiphanie24.4 Mythopoesie

    25 Expressionismus, Neue Sachlichkeit25.1 Zur Beziehung beider Epochen25.2 Kontexte expressionistischer Religion25.3 Messianismus in der Lyrik25.4 Gattungsfragen im Übergang zur Neuen Sachlichkeit25.5 Immanenz der Neuen Sachlichkeit

    26 Exilliteratur26.1 Faschismuskritik und die Umdeutung des Mythos ins Humane26.2 Erwählung, Prüfung, Passion: Israel und Christus26.3 Gott im Exil: Galut und Schoah

    27 Nachkriegsliteratur27.1 1945–1949: Diskursverschränkung von Literatur und Theologie27.2 1949–1955: Diskursentkoppelung von Literatur und Religion27.3 1955–196827.4 Forschungsperspektiven und Ausblicke

    28 Gegenwartsliteratur, Postmoderne28.1 Epochenzäsuren28.2 Positionen der Forschung28.3 Literarische Bibelrezeption28.4 Patrick Roth mythopoetisches Erzählen als Paradigma28.5 Religion als Literatur: Walsers »Recht-fertigung «28.6 Religion im Kinderund Jugendroman28.7 In Gottes Namen? Religion und Gewalt in der Literatur28.8 Literatur im Dialog der Religionen

    V Gattungen29 Tora29.1 Aufbau und Inhalt29.2 Forschungsgeschichte29.3 Probleme der Pentateuchexegese

    30 Bibel30.1 Der Begriff ›Bibel‹30.2 Die hebräische Bibel30.3 Die griechische Bibel des Judentums (Septuaginta)30.4 Das Neue Testament30.5 Die griechische Bibel des Alten und Neuen Testaments30.6 Die Vulgata und weitere Überset-zungen30.7 Kanonizität30.8 Literarische Gestalt30.9 Hermeneutik

    31 Koran31.1 Der Koran als Drama31.2 Bildliche Kohärenz und poetische Sym-metrie: Sure 9031.3 Rhetorische Überbietung zweier Credos: Sure 11431.4 Sprachmagie und Überbietung

    32 ÜbersetzungBibelübersetzung und LiteraturspracheBibelübersetzung und ÜbersetzungstheorieÜbersetzung und AuslegungSakrale und profane TexteDer Topos von Babel

    33 Kommentar33.1 Gesetz und Kanon33.2 Der Kommentar in der jüdischen Tradition33.3 Der Einzug der Geschichte33.4 Kritik an der Wissenschaft des Judentums33.5 Jüdischer Kommentar in der Moderne

    34 Gebet34.1 Das Gebet als Gattung. Umrisse34.2 Gebetssprache und liturgische Erneuerungsbewegungen des aus-gehenden 20. Jahrhunderts34.3 Intertextualität und Entgrenzung34.4 Blinde Macht: Ingeborg Bachmanns »Anrufung des Großen Bären«34.5 Religion und Parodie: Robert Gernhardts »Gebet«

    35 Biblisches Erzählen35.1 Erzählen als Vergegenwärtigung, Vergewisserung, Orientierung35.2 Narratologie und Bibel35.3 Wie die Bibel erzählt35.4 Gattungen biblischer Erzähltexte35.5 Narrative Theologie

    36 Legende36.1 Gegenstand und Probleme der GattungsbezeichnungHistorische Ausprägung und das Gattungs-kriterium der religiösen Funktion36.2 Subtypen der Legende36.3 Legenden als Schemaliteratur36.4 Transzendenz als Erzählproblem der Legende und Poetik des Wunders

    37 Gleichnis37.1 Ein Fallbeispiel: Ed Young,37.2 Die Widerspruchsspannung der Gleichnisrede37.3 Tendenzen der Gleichnisanalyse37.4 Analogie und Allegorie im Gleichnis37.5 Eine Beispielreihe: Die politisch-theo-logische Dimension des Gleichnisses

    38 Predigt38.1 Lesewort und Lebewort: Martin Luther38.2 Präsenz und mediale Beweglichkeit: Abraham a S. Clara38.3 Die Bühne als Kanzel: Lessings38.4 Nach der Religion – vor dem Gesetz: Kafkas Türhüter

    39 Hymne39.1 Jubilieren39.2 Die Hymne zwischen Ode, Psalm und Hymnus39.3 Klopstocks Erfindung einer neuen Textsorte39.4 Hymnische Dichtung als Reflexions-medium großer und kleiner Dinge39.5 Goethe – liminale und/oder blinde Dichtung39.6 Hymne 1800 – Hölderlin und Novalis39.7 Nietzsche und das Ende der Hymne

    40 Lyrik, Lied40.1 Gemeindegesang als Paradigma40.2 Dimensionen des Geistlichen Liedes40.3 Formen jenseits des Liedes40.4 Zyklen und serielle Formen40.5 Sakrale Sprachspiele

    41 Tragödie, Trauerspiel41.1 Kultische und rituelle Deutungsmuster der Tragödie41.2 ›Heidnische‹ Tragödie und ›christliches‹ Trauerspiel im Theoriemodell Walter Benjamins41.3 Das barocke Trauerspiel und die Trauer der ›tragédie classique‹ im 17. Jahr-hundert41.4 Die Trauer des ›Bürgers‹ und die Tragödie der Aufklärung41.5 Die theatrale Uneinholbarkeit des tragischen Opfers: Goethes(1788)41.6 Die traurige Sehnsucht nach der Tra-gödie im Drama der Weimarer Klassik41.7 Restitution als trauriger Abgesang: Die Tragödie seit dem 19. Jahrhundert41.8 Das Gespenst als Statthalter der Tragödie: Heiner Müllers(1996)41.9 Wie traurig ist der Tod der Tragödie?

    42 Geistliches Spiel42.1 Zwischen Liturgie und Literatur, Ritual und Theater42.2 Besonderheiten der Inszenierung42.3 Remythisierung, gewollte und ungewollte Wirkungen42.4 Neuzeitliche Rezeption und Ausblicke

    43 Oratorium43.1 Die Dramatisierung der Passion und das Passionsoratorium43.2 Lyrisch versus Dramatisch: Gattungs-theoretische Debatten um 178043.3 Oratorium als Gegenstand bürger-licher Musikpflege und Medium nationalistischer Ideologie im 19. Jahrhundert43.4 Erosion der Gattung im 20. Jahr-hundert?

    44 Autobiografie44.1 Zwischen Gattung und Lektüremuster: Theorien der Autobiografie44.2 Bekenntnis und Bekehrung: Augustinus’und der pietistische Lebenslauf44.3 Dichtung statt Wahrheit: Karl Philipp Moritz’44.4 Todesgeschichten: Thomas Bernhard und Wolfgang Herrndorf

    45 Roman45.1 Roman als Form: Romantheorie und Religion45.2 Konversion und Kontingenz: Erzählen im Roman des 17. und 18. Jahrhundert45.3 Der Sonderfall Bildungsroman45.4 Leben Jesu: Religiöses Wissen im Roman45.5 Romankrise und Postsäkulares Erzählen

    46 Kino, Comic, Populärkultur46.1 Zwischen Kritik und Tradierung: Religion in Comics46.2 Populäres Erzählkino und Religion46.3 Wechselseitige Befruchtung und Kritik

    VI Figuren47 Abendmahl47.1 Ritual und Metapher: Die Einsetzungs-worte Jesu47.2 Präsenz und Repräsentation47.3 Neue Mythologie: Hölderlin, Novalis47.4 Zurück zur Präsenz? Christian Lehnert

    48 Apokalypse48.1 Apokalyptische Fiktionen48.2 Apokalypse und Literatur48.3 Einzelanalysen: Márquez, Pynchon und Grass

    49 Auferstehung49.1 Topos und Poetologie: John Donnes49.2 Die doppelte Metapher der Auf-erstehung: Dickens und andere49.3 Ausblick: Durchsichtige Wirklichkeit

    50 Autor50.1 Autorschaft und authentische Inter-pretation50.2 Autorschaft und Autorisierung50.3 Kontinuität und Transformation religiöser Autorschaft

    51 Bekehrung51.1 Bekehrung zwischen Philosophie und Religion51.2 Konversiver Tropismus und rhetorische Tropen51.3 Konversion und Narration51.4 Literatur und die Bekehrung des Willens51.5und51.6 Kommunikation der Konversion

    52 Blasphemie52.1 Blasphemie in Bibel und biblischer Kultur52.2 Moderne, Selbstausdruck und Litearische Blasphemie52.3 Globalisierte Blasphemie: Rushdie, dänische Cartoons und Charlie Hebdo

    53 Das Böse53.1 Dr. Fausten: Ein Pakt mit dem Teufel53.2 Kant und Kleist: Das Böse als Krankheit53.3 Vor dem Gesetz: Die Banalität des Bösen

    54 Dogma54.1 Probleme einer Verhältnis-bestimmung54.2 Zur Geschichte des Verhältnisses von Dogma und Literatur bis zur Auf-klärung54.3 Das neue Verhältnis von Dogma, Religion und Literatur nach der Auf-klärung54.4 Zum Verhältnis von Dogma und Literatur heute

    55 Erlösung55.1 Das Vertragsoder Bundesmodell und die Narrative der Transzendenz55.2 Dispositive und Aktionen der Rettung55.3 Diskurspraktiken des Selbst und die literarische Selbsterlösung

    56 Exil56.1 Autorschaft und Exil: Moses Mendelssohn56.2 Götter im Exil: Heinrich Heine56.3 Exil in Zeiten des Holocaust: Else Lasker-Schüler56.4 Exil zwischen partikularer Erfahrung und Universalisierung

    57 Fleischwerdung57.1 Eine Absurdität?57.2 Vom inkarnierten Logos zur ZweiNaturen-Lehre57.3 Das christologische Paradox57.4 Der Erlöser – eine »Personificirte Idee des guten Princips«?57.5 Die Menschwerdung: »der schwerste Moment der Religion«?

    58 Fluch58.1 Aporien des Fluchs58.2 Die zwielichtige Macht des Fluchs58.3 »O, let me make the period to my curse!«: Shakespeares58.4 Ausblick

    59 Gewalt59.1 Monotheismus und Massaker59.2 Mimetische Gewalt und Sündenbock59.3 Heilige und revolutionäre Gewalt. Heiner Müllers59.4 Martyrium, modern: Peter Weiss’

    60 Glaube60.1 Kritik und Zweifel60.2 Verschiebungen im religiösen Feld60.3 Religionskultureller Pluralismus

    61 Kirchenraum61.1 Topoi, raumnarratologische Erschließung61.2 Exemplarische Entfaltung: Tatort Kirche

    62 Kunstreligion62.1 Kunstreligion als das Dritte: Programme um 180062.2 Moderne und Antimoderne: Kunstreligion um 190062.3 Glauben und Sterben der Kunst: Ausblick auf die Gegenwart

    63 Liebe63.1 Liebessemantiken in der Bibel63.2 Liebes-Rede und Theo-Logie (Matthew Arnold und Franz Rosenzweig)63.3 Ethik und Ästhetik: Hermann Cohen und die Ehe63.4 Literarische und literaturtheoretische Rezeptionen des Hohenlieds

    64 Mysterien64.1 Merkmale antiker Mysterien und ihre Fortschreibung64.2 Die Isis-Mysterien und ihre Kritik: Schiller und Novalis64.3 Immanente Mysterien des Unbe-wussten: Schnitzlers64.4 Figuren der Initiation und der Meister-schaft bei Stefan George

    65 Mystik65.1 Die mystische Szene in der Theorie: Certeau, Beauvoir, Irigaray65.2 Mystik als Figuration des Begehrens65.3 Mystik und Autorschaft: Angela von Foligno, Caterina von Siena, Teresa von Avila65.4 Forschungsperspektiven: Rhetorik, Gender, Affekt

    66 Mythos66.1 Epistemologie, Geschichte, Religion: Grundoppositionen des Mythos66.2 Mythen der Moderne: Hobbes und Freud66.3 Mythos und Literatur: Roland Barthes und Juri Lotman66.4 Literatur und Mythos: Thomas Mann und Gabriel García Márquez

    67 Offenbarung67.1 Aufwertung nicht-biblischer Offen-barungsrede67.2 Geadelte Dichtung

    68 Opfer68.1 Opfer und totemistisches Christentum: Sigmund Freud68.2 Opfer, Jagd und Ackerbau: Walter Burkert68.3 Das letzte Opfer: René Girard68.4 Heinrich von Kleists68.5 Dostojewskij und Döblin

    69 Paradies69.1 Sprache im Paradies: Von der Mystik zur Ästhetik und Poesie69.2 Die Gattung der Paradieserzählung zwischen Geschichte und Fiktion69.3 (De-)Konstruierte Paradiese

    70 Passion70.1 Passio als Leidenschaft70.2 Das Paradox der Passion70.3 Das kollabierte Paradox: Kafkas

    71 Prophetie71.1 Paradoxien biblischer Prophetie71.2 Prophetische Polemik: Karl Kraus’71.3 Inverse Prophetie: Ingeborg Bach-manns »Die gestundete Zeit«71.4 Prophetie als Einbruchstelle gegen den Fluss der Zeit

    72 Ritual72.1 Typen des Rituals72.2 Religion, Zivilreligion und Ritual72.3 Ritual und Literatur: These72.4 Literaturgeschichtliche Differenzierungen und Problematisierungen72.5 Weitere Bestimmungen und Unterscheidungen72.6 Die ästhetische Perspektive auf das Ritual72.7 Bedeutung, Bedeutsamkeit und Präsentativität

    73 Schrift73.1 Selbstreflexivität: Bindeglied zwischen Religion und Literatur73.2 Materialität und Medialität der Schrift: Inschrift und Menetekel73.3 Ausblick: Buchstaben im Feuer

    74 Schöpfung74.1 Religiöser Mythos und Philosophie74.2 Biblische Schöpfungsvorstellungen74.3 Der Mensch als Schöpfer?74.4 Der Mensch als Maß aller Dinge?74.5 Pessimistische Weltsicht angesichts von menschlichem Leid und Krieg74.6 Der Mensch als Zerstörer der Schöpfung

    75 Sünde75.1 Sünde zwischen Tribunalisierung und Vergebung75.2 Heutige Narrative von Sünde75.3 Sünde als Umweltsünde

    76 Theodizee76.1 Die optimistische Theodizeediskussion in der Frühaufklärung76.2 Krise der Theodizee und neue Lösungs-versuche (ca. 1750–1800)76.3 ›Theodizee‹ nach 1800

    77 Tradition77.1 Tradition und Autorität77.2 Tradition und Literaturgeschichte77.3 Das Nichts der Tradition

    78 UnsterblichkeitUrsprünge der Idee: Ägyptisches Altertum und Antike78.1 Entfaltungen der Idee zwischen Renaissance und Genie-Zeitalter78.2 Ruhmkritik der Moderne und die Erneuerung der Idee im 21. Jahr-hundert

    79 Vision79.1 Forschungsgeschichte79.2 Reisen in Raum und Zeit79.3 Medium und Individuum79.4 Vision und Jenseitsreise als literarische Versatzstücke

    80 Zeugenschaft80.1 Religiöse Zeugenschaft: zwischen Glauben und Sehen80.2 Das ›literarische Zeugnis‹ und die auf-erstandene Literatur80.3 Die Literatur als Erzeugnis

    AnhangAutorinnen und AutorenPersonenregister