das hochspannungskarussell

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© 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 4/2008 (39) | Phys. Unserer Zeit | 203 | MAGAZIN FERMIS CORNER | Das Hochspannungskarussell In einem sehr guten Handbuch für Schulexperimente [1] wird eine Art Hochspannungskarussell gezeigt (Abbildung 1). Es beginnt sich zu drehen, wenn es an den negativen Pol einer Hochspannungsquelle angeschlossen wird, wobei eine Styroporunterlage der besseren Isola- tion gegenüber der Erde dient. Als Erklärung wird vorgeschlagen: „An den Spitzen strömt die negative Ladung heraus und erzeugt einen Rückstoß.“ Oft wird als Analogie zudem die Rückstoßbewegung beim Rasensprenger (Segnersches Wasserrrad) genannt [2]. Kann das sein? Die Erklärung klingt zwar plausibel, ist aber falsch, wie eine Abschätzung für die Werte der Ladung, des Stro- mes und der Leistung, die das Netz- teil bereitstellen müsste, zeigt. Wie ließe sich außerdem durch eine äußerst einfache Abänderung des Experiments die Rückstoßerklärung widerlegen, und wie lautet die richtige Erklärung für das Hochspan- nungskarussell? Hierzu ein kleiner Hinweis: Den Impuls eines einzelnen abgestoßenen Elektrons kann man aus der Tatsache abschätzen, dass es die Beschleuni- gungsspannung zwischen Spitze und Erde durchläuft, den Impuls des Rades aus seiner Masse und Umdre- hungsgeschwindigkeit (von dem Unterschied zwischen Dreh- und Translationsbewegung kann für Abschätzungszwecke abgesehen werden). Die gefragten Größenord- nungen kann man über die Gesamt- zahl der abgestoßenen Elektronen erhalten. Literatur und Internet [1] E. Dössel et al., in Handbuch der experi- mentellen Physik. Sekundarbereich II. W. Kuhn (Hrsg.), Bd. 5/I: Elektrizitätslehre I/1, Aulis-Verlag, Köln 1998, 27; www.physik.uni-wuerzburg.de/video/ elehre1/e1versuch9.html. [2] www.physik.tu-dresden.de/iapd/katalog/ intern/mechanik/2_022.htm Lösung aus Heft 3/2008 Schwarzwaldidylle mit 16 PS Die maximale Leistung eines Mühlra- des ohne Reibung ergibt sich aus der pro Zeit t frei werdenden potentiel- len Energie mgh (m: Masse des über das Mühlrad strömenden Wassers, h: Fallhöhe, g: Erdbeschleunigung). Die Leistung ist also für ein Mühl- rad (oder allgemeiner Wasserkraft- werk) mit gegebenem h bestimmt durch die Wassermenge pro Zeit m/t. Der Wirkungsgrad ist η = 6,5 PS/ 16 PS = 0,41 – ein beachtlicher Wert für solch ein altes und einfach ge- bautes Wasserrad. Heutige Wasser- kraftwerke erreichen Wirkungsgrade von 80 % und mehr. Neben der Reibung gibt es weitere Verlustfaktoren der Mühle. So wird die Fallhöhe nicht voll ausgenutzt, weil das Wasser nicht erst ganz unten aus dem Mühlrad läuft. Außerdem wird nicht die volle Wassermenge genutzt, weil ein Teil des Wassers aus den Mühlkannen herausläuft. Andreas Müller, Landau ABB. 1 | SEGNERSCHES WASSERRAD Wird das Segnersche Wasserrrad von Elektronen angetrieben, die an den Spitzen austreten? P = E / t = mgh / t = m t gh = kg s m s kW 3 · 10 2 10 4 12 16 2 m PS = = Styropor

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© 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 4/2008 (39) | Phys. Unserer Zeit | 203

| M AG A Z I N

F E R M I S CO R N E R |Das HochspannungskarussellIn einem sehr guten Handbuch für Schulexperimente [1] wird eine ArtHochspannungskarussell gezeigt (Abbildung 1). Es beginnt sich zudrehen, wenn es an den negativen Pol einer Hochspannungsquelleangeschlossen wird, wobei eine Styroporunterlage der besseren Isola-tion gegenüber der Erde dient. Als Erklärung wird vorgeschlagen: „An den Spitzen strömt die negative Ladung heraus und erzeugt einenRückstoß.“ Oft wird als Analogie zudem die Rückstoßbewegung beimRasensprenger (Segnersches Wasserrrad) genannt [2]. Kann das sein?

Die Erklärung klingt zwar plausibel,ist aber falsch, wie eine Abschätzungfür die Werte der Ladung, des Stro-mes und der Leistung, die das Netz-teil bereitstellen müsste, zeigt. Wieließe sich außerdem durch eineäußerst einfache Abänderung desExperiments die Rückstoßerklärungwiderlegen, und wie lautet dierichtige Erklärung für das Hochspan-nungskarussell?

Hierzu ein kleiner Hinweis: DenImpuls eines einzelnen abgestoßenenElektrons kann man aus der Tatsacheabschätzen, dass es die Beschleuni-gungsspannung zwischen Spitze undErde durchläuft, den Impuls desRades aus seiner Masse und Umdre-hungsgeschwindigkeit (von demUnterschied zwischen Dreh- undTranslationsbewegung kann fürAbschätzungszwecke abgesehen

werden). Die gefragten Größenord-nungen kann man über die Gesamt-zahl der abgestoßenen Elektronenerhalten.

Literatur und Internet[1] E. Dössel et al., in Handbuch der experi-

mentellen Physik. Sekundarbereich II. W.Kuhn (Hrsg.), Bd. 5/I: Elektrizitätslehre I/1,Aulis-Verlag, Köln 1998, 27; www.physik.uni-wuerzburg.de/video/elehre1/e1versuch9.html.

[2] www.physik.tu-dresden.de/iapd/katalog/intern/mechanik/2_022.htm

Lösung aus Heft 3/2008Schwarzwaldidylle mit 16 PSDie maximale Leistung eines Mühlra-des ohne Reibung ergibt sich aus derpro Zeit t frei werdenden potentiel-len Energie mgh (m: Masse des überdas Mühlrad strömenden Wassers,h: Fallhöhe, g: Erdbeschleunigung).

Die Leistung ist also für ein Mühl-rad (oder allgemeiner Wasserkraft-werk) mit gegebenem h bestimmtdurch die Wassermenge pro Zeit m/t.

Der Wirkungsgrad ist η = 6,5 PS/16 PS = 0,41 – ein beachtlicher Wertfür solch ein altes und einfach ge-bautes Wasserrad. Heutige Wasser-kraftwerke erreichen Wirkungsgradevon 80 % und mehr.

Neben der Reibung gibt esweitere Verlustfaktoren der Mühle.So wird die Fallhöhe nicht vollausgenutzt, weil das Wasser nicht erstganz unten aus dem Mühlrad läuft.Außerdem wird nicht die volleWassermenge genutzt, weil ein Teildes Wassers aus den Mühlkannenherausläuft.

Andreas Müller, Landau

ABB. 1 | SEGNERSCHES WASSERRAD

Wird das Segnersche Wasserrrad von Elektronen angetrieben, die an den Spitzenaustreten?

P = E / t = mgh / t =mt

gh

=kgs

ms

kW3 · 102 10 4 12 162 m PS= =

Styropor