denkmal für die ermordeten juden europas

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Gärten der Erinnerung Erinnerung an das Leben der 6 Millionen ermordeten Juden Europas. Jeder der ermordeten jüdischen Menschen hat Anspruch darauf, daß seine Einzigartigkeit gewürdigt wird. Es ist schwer, eine so unvorstellbare Menge als Individuen wahrzunehmen. Es besteht die Gefahr, daß die einzelne Person gesichtslos und damit das Verbrechen unfaßbar wird. Unfaßbare Verbrechen sind leichter zu verdrängen als die Konfrontation mit einem Einzelschicksal. Das Mahnmal lenkt den Blick darauf, daß jeder einzelne Mord an einem Menschen ein ungeheures Verbrechen ist. Durch die Texte auf den Stelen werden die Besucher den Einzelpersönlichkeiten und Lebensläufen der ermordeten Jüdinnen und Juden und den an ihnen begangenen Verbrechen gegenübergestellt. Das Mahnmal hat menschliche Dimensionen, es ist nicht monumental. Die Stelen haben menschliche Größe. Freistehende Säulen aus Holz. Jede Stele hat ihre eigene unverwechselbare Struktur. Dokumente aus dem Leben der ermordeten Jüdinnen und Juden sind auf den Stelen in Lesehöhe angebracht. Die Dokumente sind Texte wie Tagebuchnotizen, Briefe, Berichte, Ausschnitte aus dem Leben der Ermordeten. Besucherinnen und Besucher werden durch das Betreten der Stelengänge Bestandteile des Mahnmals. Sie gehen zwischen den Stelen hindurch und befinden sich mittendrin. Die Distanz zwischen denen, die ermordet wurden und den sich Erinnernden wird aufgehoben. Von Angesicht zu Angesicht begegnen sich Menschen. Das Mahnmal ist ein überdachter Stelengang mit transparenten gläsernen Außenwänden, die sich leicht nach außen neigen. Nach innen ist das Gebäude offen. Der überdachte Stelengang umläuft das gesamte Gelände, in der Mitte befindet sich

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Wettbewerbsbeitrag

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Page 1: Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Gärten der Erinnerung

Erinnerung an das Leben der 6 Millionen ermordeten Juden Europas. Jeder derermordeten jüdischen Menschen hat Anspruch darauf, daß seine Einzigartigkeitgewürdigt wird. Es ist schwer, eine so unvorstellbare Menge als Individuenwahrzunehmen. Es besteht die Gefahr, daß die einzelne Person gesichtslos und damitdas Verbrechen unfaßbar wird. Unfaßbare Verbrechen sind leichter zu verdrängen alsdie Konfrontation mit einem Einzelschicksal. Das Mahnmal lenkt den Blick darauf, daßjeder einzelne Mord an einem Menschen ein ungeheures Verbrechen ist. Durch dieTexte auf den Stelen werden die Besucher den Einzelpersönlichkeiten undLebensläufen der ermordeten Jüdinnen und Juden und den an ihnen begangenenVerbrechen gegenübergestellt.

Das Mahnmal hat menschliche Dimensionen, es ist nicht monumental. Die Stelenhaben menschliche Größe. Freistehende Säulen aus Holz. Jede Stele hat ihre eigeneunverwechselbare Struktur. Dokumente aus dem Leben der ermordeten Jüdinnen undJuden sind auf den Stelen in Lesehöhe angebracht. Die Dokumente sind Texte wieTagebuchnotizen, Briefe, Berichte, Ausschnitte aus dem Leben der Ermordeten.

Besucherinnen und Besucher werden durch das Betreten der StelengängeBestandteile des Mahnmals. Sie gehen zwischen den Stelen hindurch und befindensich mittendrin. Die Distanz zwischen denen, die ermordet wurden und den sichErinnernden wird aufgehoben. Von Angesicht zu Angesicht begegnen sich Menschen.

Das Mahnmal ist ein überdachter Stelengang mit transparenten gläsernenAußenwänden, die sich leicht nach außen neigen. Nach innen ist das Gebäude offen.Der überdachte Stelengang umläuft das gesamte Gelände, in der Mitte befindet sich

Page 2: Denkmal für die ermordeten Juden Europas

eine Naturwiese unter freiem Himmel. Die Wiese senkt sich in der Mitte leicht ab. DerBlick ist frei auf die gegenüberliegenden Stelengänge.

Der Raum strahlt Ruhe und Klarheit aus. Er ist in sich geschlossen und abgeschirmtund doch offen nach innen und transparent nach außen. Sich nicht nach außenschließend, sondern ausstrahlend. Die Glaswände schützen das Mahnmal undkonfrontieren dennoch die Passanten und Vorbeifahrenden mit dem Inhalt desMahnmals. Nachts ist das Denkmal erleuchtet. An der Wirkung des Mahnmals kannman nicht vorbeigehen, ohne mit ihr konfrontiert zu sein.

Für Besucher und Staatsgäste ist das Gebäude von vier Seiten her zugänglich.Unterschiedlicher Besucherandrang kann flexibel gelenkt werden. Bei Eintritt wird derBesucher unmittelbar in den Stelengang gelenkt. Der Blick in jede Richtung konfrontiertsowohl mit der unvorstellbaren Anzahl als auch mit den Einzelschicksalen derermordeten jüdischen Menschen.

Ein getrenntes Gebäude für die Informationsstelle, Café/Leseraum, Toiletten befindetsich an der südwestlichen Seite des Grundstücks. Dieses Gebäude hat zum Mahnmalhin Glaswände. Zwischen den beiden Gebäuden sind keine Bäume gepflanzt. DerBlick ist frei auf das Mahnmal. Das Gebäude ist wie das Mahnmal die ganze Nachthindurch beleuchtet und geöffnet.

Die Gestaltung des gesamten Grundstücks ist stufenlos und behindertengerecht.

Elisa Rodé, Ida Schillen, Cornelia Ernst - Wettbewerbsbeitrag "Denkmal für die ermordeten Juden Europas"

Page 3: Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Textbeispiel für die Inschriften auf den Stelen

Charlotte Salomon (Berlin, 1917 - Auschwitz, 1943)

"Der Mensch sitzt am Meer. Er malt. Eine Melodie kommt ihm plötzlich inden Sinn. Indem er sie zu summen beginnt, bemerkt er, daß die Melodiegenau auf das, was er zu Papier bringen will, paßt. Ein Text formt sich beiihm, und nun beginnt er die Melodie mit dem von ihm gebildeten Text zuunzähligen Malen mit lauter Stimme so lange zu singen, bis das Blatt fertigscheint..."

Heben Sie das gut auf, es ist mein ganzes Leben - mit diesen Wortenübergab Charlotte Salomon im September 1943 einer Amerikanerin inVillefranche ihr Werk "Leben oder Theater?", unmittelbar bevor sie von derGestapo verhaftet und nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Sowurden diese Hunderte von Gouachen gerettet, die in den Jahren 1940-1942 entstanden.

"Es gehört zu meiner Eigenschaft als Mensch unter Menschen, sie an dasLeid, das man zu unserer Zeit so gerne sterben läßt, zu erinnern.Doch dabei habe ich nie vergessen, daß ich das Leben liebe und dreifachbejahe. Um das Leben ganz zu lieben, dazu muß man auch seine andereSeite, den Tod, inbegriffen das Leid, umfassen und begreifen."

zit.aus: Chalotte Salomon - Leben oder Theater?, Verlag Das Arsenal, 1986

Page 4: Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Das Mahnmal ist ein überdachter Stelengang mit transparenten gläsernen Außenwänden, die sich leichtnach außen neigen. Nach innen ist das Gebäude offen. Der überdachte Stelengang umläuft das gesamteGelände, in der Mitte befindet sich eine Naturwiese unter freiem Himmel. Die Wiese senkt sich in der Mitteleicht ab. Der Blick ist frei auf die gegenüberliegenden Stelengänge.Ein getrenntes Gebäude für die Informationsstelle, Café/Leseraum, Toiletten befindet sich an dersüdwestlichen Seite des Grundstücks. Dieses Gebäude hat zum Mahnmal hin Glaswände. Zwischen denbeiden Gebäuden sind keine Bäume gepflanzt. Der Blick ist frei auf das Mahnmal. Das Gebäude ist wiedas Mahnmal die ganze Nacht hindurch beleuchtet und geöffnet.

Page 5: Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Der Raum strahlt Ruhe und Klarheit aus. Er ist in sich geschlossen und abgeschirmt und doch offen nachinnen und transparent nach außen. Sich nicht nach außen schließend, sondern ausstrahlend. DieGlaswände schützen das Mahnmal und konfrontieren dennoch die Passanten und Vorbeifahrenden mitdem Inhalt des Mahnmals. Nachts ist das Denkmal erleuchtet. An der Wirkung des Mahnmals kann mannicht vorbeigehen, ohne mit ihr konfrontiert zu sein.

Page 6: Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Das Mahnmal hat menschliche Dimensionen, es ist nicht monumental. Die Stelen haben menschlicheGröße. Freistehende Säulen aus Holz. Jede Stele hat ihre eigene unverwechselbare Struktur. Dokumenteaus dem Leben der ermordeten Jüdinnen und Juden sind auf den Stelen in Lesehöhe angebracht. DieDokumente sind Texte wie Tagebuchnotizen, Briefe, Berichte, Ausschnitte aus dem Leben derErmordeten.Besucherinnen und Besucher werden durch das Betreten der Stelengänge Bestandteile des Mahnmals.Sie gehen zwischen den Stelen hindurch und befinden sich mittendrin. Die Distanz zwischen denen, dieermordet wurden und den sich Erinnernden wird aufgehoben. Von Angesicht zu Angesicht begegnen sichMenschen.