die arzneimittel in der geschichte. von erika hickel

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| NEUE BÜCHER © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 5/2009 (38) | Pharm. Unserer Zeit | 475 zu Kohlenhydraten. Jedes einzelne Kapitel wird mit einer weiterführen- den Literaturliste beendet, so dass man sich als Leser noch genauer mit dem Thema auseinander setzen kann. Das Buch ist sehr gut verständ- lich geschrieben – wenn auch viel- leicht das Englisch einige abschre- cken könnte. Als besondere „Lecker- bissen“ sind immer wieder grau her- vorgehobene Kästen eingefügt, die noch einmal interessante Hinter- grundgeschichten, beispielsweise zu Süßholz, zu den Tropanalkaloiden oder Statinen, bringen. Alles in allem ein sehr empfeh- lenswertes Buch, das in der Soft- cover-Version auch durchaus er- schwinglich ist. Ilse Zündorf, Frankfurt gen mit anderen Eigenschaften des Menschen, die eher das Verhalten, die Psyche und das Bewusstsein betref- fen verhält, ist noch nicht abschlie- ßend geklärt. Einen Versuch, dieser Frage näher zu kommen, bietet Adolf Heschl mit dem vorliegenden Buch an. Der Autor betrachtet in insgesamt 32 Kapiteln sehr genau das Verhalten der Halbaffen und Affen und ver- gleicht es mit dem Verhalten von Menschen.Was für den Menschen ganz selbstverständlich ist, wie auf- rechtes Gehen, gezielte Verwendung von Objekten,Werkzeuggebrauch, ist nicht bei allen Affen üblich. Die An- passung an unterschiedliche Lebens- räume mit einer anderen Fortbewe- gungsart hat erst die Möglichkeiten eröffnet, entsprechende Techniken anzuwenden. Dies führte dann wiederum zu mehr oder weniger er- folgreichen Drohgebärden gegen Raubfeinde und Fortpflanzungs- vorteile der selbstbewusst auftreten- den Männchen – nicht nur bei Affen. Auf der anderen Seite wurde dem Menschen aber auch schnell klar, dass er letztlich mit einem Stock nicht viel gegen eine Raubkatze oder einen Bär ausrichten kann, weshalb er sich zu einem recht ängstlichen Wesen weiterentwickelt hat. Alles in allem schildert Heschl interessante Überlegungen zu an und für sich trivialen Vorkommnissen. Man kann sich fest lesen, es wird nie langweilig und man hat immer wie- der ein Aha-Erlebnis. Vielleicht er- schüttert es aber doch den ein oder anderen, sich so einfache Spiegel vorgehalten zu bekommen. Auf jeden Fall ist das Buch sehr lesenswert! Ilse Zündorf, Frankfurt Die Arzneimittel in der Geschichte Gleichsam als Quintessenz ihrer jahr- zehntelangen pharmaziehistorischen Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität Braunschweig erscheint Erika Hickels Werk über die „Arznei- mittel in der Geschichte“. Auf 540 Seiten bietet sie einen profunden und gut lesbaren Überblick zur Histo- rie der Medikamente, der sich von den frühen Hochkulturen bis zum Jahr 1980 erstreckt. Die Darstellung ist äußerst komprimiert, viele Fakten und Daten finden sich in übersicht- lichen Tabellen. Dem Hauptteil folgt ein 66seitiges Literaturverzeichnis, bei dem – sehr nutzerfreundlich – grundlegende Werke durch Fettdruck hervorgehoben sind. Neben vielen deutschen Publikationen hat Erika Hickel auch zahlreiche englische und französische Veröffentlichungen aus- gewertet (Stand der Literatur: 2004), die andernorts keine oder nur wenig Berücksichtigung finden. Überhaupt zeichnet sich das Werk durch eine kulturell vergleichende Perspektive aus, die eine einseitige Fixierung auf eine deutsche bzw.mitteleuropäische Sichtweise vermeidet. Das Buch schließt mit einem 15seitigen Perso- nenverzeichnis, auf ein Stichwortver- zeichnis wurde – wohl wegen der Fülle des Materials und des recht de- taillierten Inhaltsverzeichnis – ver- zichtet. Die Untertitel „Trost und Täu- schung – Heil und Handelsware“ deuten bereits auf die spezifische Sicht- und Darstellungsweise Erika Hickels hin. Einerseits erkennt sie Adolf Heschl Wiley Blackwell, 2009 ISBN 978-3-527- 32433-0 29,90 Euro Erika Hickel Traugott Bautz, Nordhausen 2008 ISBN 978-3- 88309-419-5 80,– Euro Darwins Traum 2009 ist das Darwin-Jahr: 200 Jahre ist es her,dass er das Licht der Welt erblickte und 150 Jahre, dass das be- rühmte Buch „On the Origin of Spe- cies by Means of Natural Selection, or The Preservation of Favoured Ra- ces in the Struggle for Life (Die Ent- stehung der Arten) erschienen ist. Kein Wunder also,dass sich in dieser Zeit das ein oder andere Buch auch wieder auf Darwin bezieht. Eines da- von beschäftigt sich mit der Entste- hung des menschlichen Bewusst- seins. Dass der Mensch von affenähn- lichen Vorfahren abstammt, wurde auch schon zu Darwins Zeiten disku- tiert. Das bezog sich aber überwie- gend auf anatomisch/morpholo- gische Merkmale.Wie es sich dage-

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Page 1: Die Arzneimittel in der Geschichte. Von Erika Hickel

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© 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 5/2009 (38) | Pharm. Unserer Zeit | 475

zu Kohlenhydraten. Jedes einzelneKapitel wird mit einer weiterführen-den Literaturliste beendet, so dassman sich als Leser noch genauer mitdem Thema auseinander setzen kann.

Das Buch ist sehr gut verständ-lich geschrieben – wenn auch viel-leicht das Englisch einige abschre-cken könnte. Als besondere „Lecker-bissen“ sind immer wieder grau her-vorgehobene Kästen eingefügt, dienoch einmal interessante Hinter-grundgeschichten, beispielsweise zuSüßholz, zu den Tropanalkaloidenoder Statinen, bringen.

Alles in allem ein sehr empfeh-lenswertes Buch, das in der Soft-cover-Version auch durchaus er-schwinglich ist.

Ilse Zündorf, Frankfurt

gen mit anderen Eigenschaften desMenschen, die eher das Verhalten, diePsyche und das Bewusstsein betref-fen verhält, ist noch nicht abschlie-ßend geklärt. Einen Versuch, dieserFrage näher zu kommen, bietet AdolfHeschl mit dem vorliegenden Buchan. Der Autor betrachtet in insgesamt32 Kapiteln sehr genau das Verhaltender Halbaffen und Affen und ver-gleicht es mit dem Verhalten vonMenschen.Was für den Menschenganz selbstverständlich ist, wie auf-rechtes Gehen, gezielte Verwendungvon Objekten,Werkzeuggebrauch, istnicht bei allen Affen üblich. Die An-passung an unterschiedliche Lebens-räume mit einer anderen Fortbewe-gungsart hat erst die Möglichkeiteneröffnet, entsprechende Technikenanzuwenden. Dies führte dannwiederum zu mehr oder weniger er-folgreichen Drohgebärden gegenRaubfeinde und Fortpflanzungs-vorteile der selbstbewusst auftreten-den Männchen – nicht nur bei Affen.Auf der anderen Seite wurde demMenschen aber auch schnell klar,dass er letztlich mit einem Stocknicht viel gegen eine Raubkatze odereinen Bär ausrichten kann, weshalber sich zu einem recht ängstlichenWesen weiterentwickelt hat.

Alles in allem schildert Heschlinteressante Überlegungen zu an undfür sich trivialen Vorkommnissen.Man kann sich fest lesen, es wird nielangweilig und man hat immer wie-der ein Aha-Erlebnis.Vielleicht er-schüttert es aber doch den ein oderanderen, sich so einfache Spiegel vorgehalten zu bekommen. Auf jedenFall ist das Buch sehr lesenswert!

Ilse Zündorf, Frankfurt

Die Arzneimittel in der GeschichteGleichsam als Quintessenz ihrer jahr-zehntelangen pharmaziehistorischenLehr- und Forschungstätigkeit an derUniversität Braunschweig erscheintErika Hickels Werk über die „Arznei-mittel in der Geschichte“. Auf 540Seiten bietet sie einen profundenund gut lesbaren Überblick zur Histo-rie der Medikamente, der sich vonden frühen Hochkulturen bis zumJahr 1980 erstreckt. Die Darstellungist äußerst komprimiert, viele Faktenund Daten finden sich in übersicht-lichen Tabellen. Dem Hauptteil folgtein 66seitiges Literaturverzeichnis,bei dem – sehr nutzerfreundlich –grundlegende Werke durch Fettdruckhervorgehoben sind. Neben vielendeutschen Publikationen hat ErikaHickel auch zahlreiche englische undfranzösische Veröffentlichungen aus-gewertet (Stand der Literatur: 2004),die andernorts keine oder nur wenigBerücksichtigung finden. Überhauptzeichnet sich das Werk durch einekulturell vergleichende Perspektiveaus, die eine einseitige Fixierung aufeine deutsche bzw. mitteleuropäischeSichtweise vermeidet. Das Buchschließt mit einem 15seitigen Perso-nenverzeichnis, auf ein Stichwortver-zeichnis wurde – wohl wegen derFülle des Materials und des recht de-taillierten Inhaltsverzeichnis – ver-zichtet.

Die Untertitel „Trost und Täu-schung – Heil und Handelsware“deuten bereits auf die spezifischeSicht- und Darstellungsweise ErikaHickels hin. Einerseits erkennt sie

Adolf HeschlWiley Blackwell,2009 ISBN 978-3-527-32433-029,90 Euro

Erika HickelTraugott Bautz,Nordhausen2008ISBN 978-3-88309-419-5 80,– Euro

Darwins Traum2009 ist das Darwin-Jahr: 200 Jahreist es her, dass er das Licht der Welterblickte und 150 Jahre, dass das be-rühmte Buch „On the Origin of Spe-cies by Means of Natural Selection,or The Preservation of Favoured Ra-ces in the Struggle for Life (Die Ent-stehung der Arten) erschienen ist.Kein Wunder also, dass sich in dieserZeit das ein oder andere Buch auchwieder auf Darwin bezieht. Eines da-von beschäftigt sich mit der Entste-hung des menschlichen Bewusst-seins. Dass der Mensch von affenähn-lichen Vorfahren abstammt, wurdeauch schon zu Darwins Zeiten disku-tiert. Das bezog sich aber überwie-gend auf anatomisch/morpholo-gische Merkmale.Wie es sich dage-

Page 2: Die Arzneimittel in der Geschichte. Von Erika Hickel

natürlich die Fortschritte der medika-mentösen Therapie an, andererseitswarnt sie aber vor überzogenen Er-wartungen und weist auf das Miss-brauchspotential vieler Arzneimittelhin. Gleichzeitig gilt ihr besonderesAugenmerk der Kulturgeschichte undden sozioökonomischen Rahmenbe-dingungen von Arzneimittel-Entwick-lung, -Herstellung und –Vermarktung.

Allerdings vermögen wir HickelsEinschätzung nicht zu folgen, dasssich „um 1980 … ein tief greifenderEinschnitt in der Geschichte derArzneimittelversorgung“ ereignete,„dessen Auswirkungen heute nochnicht verlässlich beschrieben werdenkönnen.“ Gerade deshalb bleibt zuhoffen, dass der anregende und viel-seitige Ansatz Hickels eine Fort-schreibung bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts findet.

Doch bis dahin ist Erika HickelsWerk als „Opus magnum“ praktischtätigen Apothekern, Studenten,Hochschullehrern und pharmazie-historischen Fachkollegen gleicher-maßen zu empfehlen!

Ulrich Meyer, Berlin

die letztlich alle der Urknall hervor-gebracht hat.

Geburtstage sind in diesemZusammenhang ein guter Anlass, die-se unendlich großen Bilder ein we-nig herunterzubrechen.

Im Darwin-Jahr beispielsweise,das wir aktuell anlässlich des 200. Ge-burtstags dieses genialen Naturfor-schers und des 150. Jahrestages desErscheinens eines seiner Hauptwerke„On the Origin of Species“ begehen,fasziniert das Konzept der Evolution,das uns der universelle genetischeCode vielleicht am deutlichsten er-schließt.

Der 80. Geburtstag eines derrenommiertesten zeitgenössischenpharmazeutischen Wissenschaftlernin Deutschland könnte Anlass sein,sich von der Faszination der moleku-laren Bauprinzipien von Natur- undArzneistoffen anstecken zu lassen.Dies gelingt Dank eines Kunstbandes,den der Jubilar selbst, der Pharma-zeutische Chemiker und KünstlerProf. Dr. rer. nat. Dr. h.c. Hermann Josef Roth, aus Anlass seines rundenGeburtstags produziert hat.

Was hier zusammengetragen istund bestaunt werden kann, induziertFaszination an Ästhetik – an moleku-larer Ästhetik. So ist es nur konse-quent und eine Bereicherung desvorliegenden Kunstbandes, dass demBegriff „Molekulare Ästhetik“ ein Assay des Leiters des Zentrums fürKunst und Medientechnologie (ZKM)Karlsruhe, Herrn Prof. Peter Weibel,gewidmet wurde, der eine zusätzli-che Betrachtungsweise der Grafikenermöglicht.

Weibel macht darauf aufmerksam,dass die „Betrachtung“ von Mo-lekülen das klassische Bild der Ästhe-tik sprengt. Ästhetik, die Aisthesis, be-deutet nämlich im eigentlichen Sinnedie sinnliche Wahrnehmung, die hierwegen der Kleinheit der Objekte garnicht mehr möglich ist. Für den che-misch vorgebildeten Betrachter istdieser Hinweis wirklich interessantund wichtig, ist uns doch die formaleBeschreibung von Molekülen, dieselbstverständlich heute durch ausge-feilte Techniken der Röntgen-

strukturanalyse nachvollziehbar aber eben nicht sinnlich wahrnehm-bar ist, gewissermaßen in Fleisch undBlut übergegangen. Natürlich gehtauch bei der „unsinnlichen“ Wahr-nehmung von Objekten, die nur mitHilfe von HighTech-Apparaten mög-lich ist, die Ästhetik nicht verloren.Dies zeigen die nachfolgenden Grafi-ken mehr als deutlich.

66 chemische Verbindung wer-den hier dem Betrachter präsentiert,die er oder sie vielleicht (oder wahr-scheinlich) schon einmal gesehen, je-doch mit Sicherheit noch niemals SOgesehen hat. Farbe und geometrischeSymbole verleihen der chemischenSymbolik eine völlig neue Dimensi-on. Und immer wieder spielt dieSymmetrie eine Rolle – selbst dann,wenn sie fehlt. Lesenswert ist eineganz kleine Anmerkung Roths zu die-sem Phänomen, wo er darauf ver-weist, dass Dimerisierungsreaktionenentweder zu nicht-symmetrischen, zuspiegelsymmetrischen oder zuspielkartensymmetrischen Produktenführen können. Dabei ist interessant,dass in Biosynthesen aus energeti-schen Gründen die spielkartensym-metrischen Produkte häufiger sindals spiegelsymmetrische Produkte.

Dies greift der Künstler auf, umspeziell diesem Phänomen der „Mole-kularen Spielkarten“ einen Großteilseines künstlerischen Schaffens zuwidmen.

Mit diesem schönen „Bilder-Buch“ macht sich der Tübinger Eme-ritus, der in seiner zweiten Karrierezum respektablen Künstler avanciertist, nicht nur sich selbst ein genialesGeburtstagsgeschenk – zum 80. Ge-burtstag, wohlgemerkt. Er lässt viel-mehr all diejenigen an seinem unika-len Schaffen teilhaben, die sich beei-len, diesen wertvollen Band zu er-werben. Denn die Auflage ist limitiertund die Verfügbarkeit daher endlich.

Auch an dieser Stelle noch einmalherzlichen Glückwunsch zu Buchund Geburtstag. Ad multos annos, lie-ber Herr Roth! Ihre

Theo Dingermann und Ilse Zündorf,Frankfurt

Herrmann J. RothEigenverlag,Karlsruhe 2009ISBN 978-3-00-027794-880,– Euro

Naturstoffe – Molekulare Spiel-karten künstlerisch gesehen und graphisch gestaltet „Faszination“ ist das Gefühl, das sichbeim ehrlichen Beobachter einstellt,wenn er in einem ruhigen Momentin sich geht und über so große Dingewie den Kosmos oder die Welt, diePhysik, Chemie oder die Biologienachdenkt – Dinge wie Phänomene

476 | Pharm. Unserer Zeit | 5/2009 (38) www.pharmuz.de © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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