Dieser Artikel wurde im LIFT-REPORT 3/2003 veröffentlicht.

Die heutigen Diagnosefunktionen von ADIASYSTEM bei der Prüfung von Aufzügen

Dipl.-Ing. Alfons Petry

Die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen an Aufzügen erfuhren im Jahr 1990 in Deutschland eine richtungweisende Änderung. Beim TÜV in München wurde seinerzeit das Aufzugsdiagno-sesystem ADIASYSTEM speziell für die Prü-fung von Aufzügen entwickelt. ADIASYSTEM ist eine Expertensystem-Software, die auf einem handelsüblichen Notebook-PC installiert wird und zusammen mit speziellen elektroni-schen Aufnehmern an den Standardschnitt-stellen des PCs als intelligentes Messmittel eingesetzt wird. Die komplette Hardware findet in einem etwa 8 kg schweren Messkoffer Platz. Das Verfahren ist durch eine Reihe von Paten-ten und Gebrauchsmustern geschützt.

Bild: How ADIASYSTEM works Die Hauptaufgabe von ADIASYSTEM war zunächst, als PC-gestützte Lösung eine moderne Alternative anstelle der wiederkehren-den Lastprüfung zu schaffen. Die regelmäßige Prüfung des Verhaltens eines Aufzugs unter (Über-)Last ist zur Beurteilung der Sicherheit unter Grenzbedingungen von großer Wichtig-keit. Das Einbringen von bis zu 150% der Nennlast des Aufzugs als Belastungsgewicht in den Fahrkorb ist einerseits teuer und aufwen-dig, und liefert andererseits auch nur einfache Ja-oder-Nein-Aussagen. Mit ADIASYSTEM können anstelle der erforderlichen Lastprüfun-gen präzise, quantifizierbare Messungen durchgeführt werden. Die Ergebnisse können direkt den Anforderungswerten der Vorschriften gegenüber gestellt werden. Bisher nicht erfass-bare systemimmanente Sicherheitsreserven lassen sich mit ADIASYSTEM messen und geben dem Sachverständigen wichtige zusätz-liche Informationen. Die Software stellt die

Messergebnisse in Zahlenwerten bzw. in Diagrammform dar und speichert sie auf der Festplatte. Die Ergebnisse erneuter Messungen lassen sich so leicht mit früheren vergleichen. Die „klassischen“ ADIASYSTEM Messverfahren mit leerem Fahrkorb anstelle der Lastprüfungen sind die Überprüfung der Einstellung der Bremsfangvorrichtung (Fangtest) , die Messung der Treibfähigkeit und die Kontrolle der Nach-holeinrichtung bei hydraulischen Aufzügen. Diese Verfahren wurden in früheren Veröffent-lichungen bereits detailliert beschrieben, so dass hier nur nochmals auf die jeweiligen Grundlagen eingegangen werden muss. Beim Fangtest ist nachzuweisen, dass der mit Nennlast beladene Fahrkorb innerhalb eines zulässigen Verzögerungsbereiches durch die Fangvorrichtung zum Stillstand kommt. Bei ADIASYSTEM misst ein Datenlogger die Verzögerung des leeren Fahrkorbs und das Expertensystem berechnet den sich hier ergebenden Wert für den Nennlastfall. Die Vorschriften schreiben nur für diesen Fall Anforderungswerte vor. Aufgrund der Charakte-ristik einer Bremsfangvorrichtung sind die jeweils auftretenden Verzögerungen weit-gehend unabhängig von Last und Geschwin-digkeit. Eine Prüfung mit ADIASYSTEM beansprucht den Aufzug aufgrund der geringe-ren kinetischen Energie weit weniger als bei der Fangprobe mit Last. Wie schon gesagt wird bei der Messung mit ADIASYSTEM die Verzögerung des leeren Fahrkorbs ermittelt . Die Praxis zeigt, dass sich in vielen Fällen bei Fang im Leerzustand zum Teil recht hohe Verzögerungswerte ergeben. Befinden sich dann nur eine oder wenige Personen im Fahrkorb, so ergibt sich hier ein erhebliches Gefährdungspotential. Für derartige Nothaltevorgänge sind in den Vorschriften zurzeit noch keine Anforderungswerte vorgege-ben. Eine Begrenzung der maximal zulässigen Verzögerung auch für den leeren Zustand könnte aber mit dazu beitragen, die Sicherheit am Aufzug weiter zu verbessern. Mit ADIASYSTEM werden diese Werte schon seit Jahren ohnehin gemessen.

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Bild: Datenlogger und Fangdiagramm Bei der Ermittlung der Treibfähigkeit mit ADIA-SYSTEM wird gemessen, ob eine ausreichende Haftreibung zwischen Seil und Treibscheiben-rille besteht, die ein Abrutschen des gemäß Vorschrift mit 125% Nennlast (gemäß EN 81) bzw. 150% (gemäß TRA) überladenen Fahr-korbs verhindert. Während die konventionelle Prüfung mit Last hier nur die Aussage „Fahr-korb kommt zum Stillstand“ oder „Fahrkorb rutscht ab“ zulässt, kann ADIASYSTEM messen, bei welcher Belastung der Reibschluss zwischen Seilen und Treibscheiben über-schritten wird und damit einen gefährlichen Zustand bewirkt. Eine nicht ausreichende Treibfähigkeit wird üblicherweise nur bei einem kleinen Prozentsatz der Anlagen festgestellt, ist aber ein ganz gravierender Sicherheitsmangel. Heutige Antriebe zeigen nicht mehr die in der Vergangenheit übliche Überdimensionierung, die Messung der Treibfähigkeit bei den neuen Antrieben wird daher künftig eine wachsende Bedeutung gewinnen. Bei hydraulischen Aufzügen wird traditionell bei dem mit Nennlast beladenen Fahrkorb in den Haltestellen geprüft, ob die Absinkverhinde-rungseinrichtung den Fahrkorb wieder bündig stellt. ADIASYSTEM ermöglicht auch diese Prüfung bei leerem Fahrkorb. Dies ist besonders bei Lastenaufzügen mit hohen Nennlasten von Vorteil. Ein elektronisches Messgerät zeichnet den Druckverlauf eines Fahrzyklus auf und das Expertensystem der ADIASYSTEM Software errechnet die hydrauli-schen Verluste und Wirkungsgrade und ermöglicht die Aussage, ob ein Nachholen mit Nennlast erfolgt.

Bild: Diagramm Nachholtest ADIASYSTEM ist seit über 10 Jahren Stand der Technik bei Aufzugsprüfungen in Deutschland. Das Verfahren eignet sich für Aufzüge aller Bauarten und Hersteller, und für alle Geschwindigkeiten und Nennlasten. Spezielles Zubehör für maschinenraumlose Aufzugstypen verschiedener Hersteller steht zur Verfügung. In den letzten Jahren erfolgte ein grundsätz-liches Neu-Design der Software, um den veränderten Möglichkeiten heutiger PCs Rechnung zu tragen. Die ursprünglich unter DOS konzipierten Messungen in Echtzeit wurden auf eine Windows-Lösung portiert. Hierzu wurde ein mikroprozessor-gesteuerter Adapter neu entwickelt. Damit können nun alle bisherigen Messwertaufnehmer auch unter Windows über RS232 oder USB-Schnittstelle weiter verwendet werden. Es ist vorgesehen, künftig alle Aufnehmer auf modernste Techno -logie umzustellen und direkt über einen USB-Anschluss zu betreiben. Die Auswertefunktionen von ADIASYSTEM wurden seit der Einführung laufend ergänzt. Während die ursprünglich en Programmpunkte zunächst vor allem die Sicherheit des Aufzugs berücksichtigten, wurden im Laufe der Zeit eine Reihe zusätzlicher Diagnosetools in der Software integriert, die nicht nur Sicherheit, sondern auch Aspekte wie Qualität, Verfügbar-keit, Fahrverhalten, etc. mit umfassen. Mit diesen neuen Möglichkeiten ergaben sich auch neue Anwendungsbereiche. ADIASYSTEM ist heute längst kein Verfahren mehr, dass nur für wiederkehrende Prüfung von Aufzügen in Frage kommt, sondern wird auch universell zur Messung und Dokumentation bei Abnahme-prüfungen oder der Typprüfung von neuen Aufzügen und Sicherheitsbauteilen, für

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Untersuchungen an Fahrtreppen und Fahr-steigen sowie für die Erstellung von Gutachten beliebiger fördertechnischer Einrichtungen eingesetzt. Das letzte Software-Update wurde um umfang-reiche digitale Filterfunktionen ergänzt. In der gleichen Bildschirmdarstellung können nun auch mehrere Diagramme gleichzeitig darge-stellt werden. Der Anwender kann aus mehreren vordefinierten Filtern auswählen oder bei Bedarf aus einer Reihe von komplexen Filterfunktionen eigene Filter zur Analyse oder Störsignalunterdrückung definieren, und wie das folgende Bild zeigt, zusammen auf dem Bildschirm anzeigen.

Bild: Zusammengesetzte Darstellung / Filterfunktion Als typische Diagnose-Tools von ADIASYSTEM werden beispielhaft folgende Programmpunkte näher erläutert. Der für den Fangtest eingesetzte Datenlogger kann für die Messung beliebiger Beschleuni-gungen bzw. Verzögerungen im Bereich +/- 10 g mit einer 12 bit–full-scale-Auflösung und bei verschiedenen Messraten eingesetzt werden. Die für die jeweilige Messung erforderlichen Einstellparameter, einschließlich definierter Triggerkonditionen, lassen sich per Software vom angeschlossenen PC aus leicht konfigu-rieren. Aufgrund der möglichen sehr hohen Aufzeichnungsrate von bis zu 5.000 Hz lassen sich mit diesem Gerät auch schnelle Vorgänge mit hoher Präzision aufzeichnen und bewerten. Typische Anwendungsbeispiele sind die Erfassung von Nothaltevorgängen und Fahr-komfortmessungen.

Bild: Fahrkomfortmessung Die Darstellung von Messergebnissen in einem Diagramm erfolgt bei ADIASYSTEM immer mit der gleichen Methode. Sobald vom Anwender zwei verschiebbare Grenzen gesetzt sind, werden alle relevanten Ergebnisse dieser Messung in einem Ergebnisfenster angezeigt. Die Darstellung des Diagramms kann durch Blättern, Komprimieren und Expandieren in weiten Bereichen den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden. ADIASYSTEM ermöglicht somit eine exzellente Dokumentation der durchgeführten Messungen. Aufzeichnungen des Druck-Zeit-Verlaufs an einem hydraulischen Aufzug sind ein weiteres Beispiel, die verdeutlichen, dass oftmals erst durch das in einem Diagramm visualisierte Verhalten des Aufzugs Rückschlüsse auf eine Fehlfunktion ermöglicht werden . Nacheinander durchgeführte Messungen beweisen die hohe Reproduzierbarkeit der erzielten Ergebnisse. Das Diagramm entspricht somit einem Finger-abdruck des jeweiligen Zustandes.

Bild Druckverlauf

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Der erfahrene Anwender erkennt auf dem vorstehenden Bild auf Anhieb die durch ein vermindertes Stichmaß verursachten Druck-spitzen, und kann daher erforderliche Gegen-maßnahmen einleiten. Ohne eine Messung bleiben derartige Fehler oftmals unentdeckt, führen dann aber zu einem höheren Verschleiß und zu einem früheren Versagen. Hier wird auch deutlich, dass die festgestellte Ursache keine unmittelbare Sicherheitsgefährdung darstellt, jedoch längerfristig zu Schäden führen wird. Die Nutzung eines zeitgemäßen Mess- und Diagnoseverfahrens wie ADIASYSTEM hilft daher, Mängel zu erkennen und Schadensfälle zu verhindern. ADIASYSTEM bietet besonders vielfältige Darstellungen und Analysemöglichkeiten bei den Messungen mit dem Wegeaufnehmer. Nach Aufzeichnung der Messwerte sind im Diagramm gleichzeitig alle Weg-, Geschwindig-keits- und Beschleunigungswerte als Funktion der Zeit am Bildschirm verfügbar. Zusammen mit d en Mess werten können als ergänzend e Informationen sowohl elektrische Triggersignale als auch manuelle Markierungen durch Tasten-druck des Anwenders absolut zeitgleich mit aufgezeichnet werden. Somit können die sonst aufwendigen Tests zur Erfassung von Reaktio-nen auf elektrische Steuerungsimpulse, wie Totzeiten oder Ansprechzeiten in einfacher Weise aufgezeichnet und analysiert werden. Die nächsten beiden Diagramme zeigen beispielhaft, 1) wie einfach die Auslösege-schwindigkeit eines Geschwindigkeits-begrenzers überprüft werden kann und 2) die Auswertung eines Vorganges von der letzten manuellen Markierung bis zum ersten Ansprechen des elektrischen Triggersignals.

Bild GBV2-1.spd

Bild Speed_tri_mark1.spd Im laufenden Jahr wird der Anwendungsbereich von ADIASYSTEM erweitert und die Hardware mit zwei neu entwickelten Messwertaufnehmern ergänzt. Das erste neue Gerät ist eine Kraftmessdose für Messungen an kraftbetätigten Türen und Toren gemäß DIN EN 12445 mit einem Mess-bereich bis 2.000 N. Die Gerätecharakteristik erfüllt alle Anforderungen dieser Norm.

Bild Tür & Tor-Sensor Der gleiche Aufnehmer kann in einem zweiten Messbereich zur Messung von Massenkräften bis 4.000 kg eingesetzt werden. Damit lassen sich (z.B. mit einer Treibscheibenklemme) auf einfache Weise die Massen von Fahrkorb und Gegengewicht eines Aufzugs mit hoher Genauigkeit bestimmen. Die bisher schon mit ADIASYSTEM mögliche Abschätzung des Halblastausgleichs kann so deutlich präzisiert werden.

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Als zweiter neu entwickelter Aufnehmer ist ein Messgerät verfügbar, mit dem alle wesentlichen physikalischen Eigenschaften von Aufzugstüren elektronisch gemessen und aufgezeichnet werden, das heißt die kinetische Energie, die Auftreffgeschwindigkeit, die Maximalkraft sowie die permanente Schließkraft. Beide neuen Aufnehmer werden mit dem gleichen „intelligenten“ Handgriff betrieben, der sowohl für Online- als auch für Offline-Messun-gen einsetzbar ist . Der Handgriff enthält eine Auswerteelektronik und zeigt die Ergebnisse der Offline-Messungen unmittelbar nach der Messung auf einem Display an. Alle Werte bleiben zunächst in einem nicht flüchtigen Speicher und können zu einem späteren Zeitpunkt zur Erstellung der Dokumentation mit Bewertung in Diagrammen und zur Archivie-rung an den PC übertragen werden. Alle intelligenten Messwertaufnehmer verfügen über ein elektronische s Datenblatt mit einer automatischen Erkennung des angesteckten Sensors. Dabei werden eine individuelle Serien-Nr., das Datum und die Ergebnisse der letzten Kalibrierung, sowie ggf. weitere Informationen hinterlegt . Beim Anschluss des Sensors werden die Informationen des Daten-blatts automatisch von der ADIASYSTEM Soft-ware erkannt und auf Plausibilität und Zuläs-sigkeit des Sensors kontrolliert. Bei Sensoren, bei denen das zulässige Kalibrierdatum abgelaufen ist, wird die weitere Verwendung softwaremäßig verhindert. Es ist damit sichergestellt, dass bei allen Messungen nur kalibrierte Aufnehmer eingesetzt werden. ADIASYSTEM verfügt damit über eine system-integrierte Prüfmittelüberwachung und erfüllt so alle einschlägigen Qualitätssicherungs-forderungen. Alle Aufnehmer sind für einen robusten Außendiensteinsatz konzipiert. Die gesamte Messtechnik hat sich inzwischen durch langjährigen Einsatz bestens bewährt. Die Genauigkeit aller Aufnehmer liegt deutlich über den in Normen geforderten Vorgaben.

Bild: ADIASYSTEM Messkoffer Die Prüfung mit ADIASYSTEM liefert dem professionellen Anwender seit Jahren wesent -liche Informationen, die für eine zeitgemäße Bewertung eines Aufzugs unerlässlich sind. Die Nutzung der Ergebnisse der modernen Messtechnik bei der Prüfung wird künftig auch für Betreiber und Wartungsfirmen deutlich an Bedeutung gewinnen. Beim TÜV Süddeutsch-land ist geplant, künftig wichtige Messwerte und Diagramme zusätzlich zu den bereits vorhandenen Prüfberichten im Virtuellen Prüfbuch unter der Internetadresse www.netinform.de einzustellen, und so diese Informationen den autorisierten Benutzern über das Internet zugängig zu machen.