die rechte der buerger in eu

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 714 026 4/12 Die Rechte der Bürger in der EU Im Zuge der europäischen Einigung wuchsen die beteiligten Staaten über Jahrzehnte hinweg immer enger zusammen. Von den Bürgern, ihren Chancen und Rechten, war in den Grundverträgen der Ge- meinschaft mit ihrer politisch-institutionellen Sichtweise anfangs jedoch kaum die Rede. Es fehlte eine sichtbare Verbindung zwischen dem europäischen Einigungswerk und den vielen einzelnen Europäern. Das änderte sich erst mit dem Vertrag über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht, 1992): Er stellte fest, dass die Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten zugleich Unionsbürger  sind, und statte- te sie in dieser Eigenschaft mit europäischen Rechten aus. Die Bürgerinnen und Bürger wurden damit unter Wahrung ihrer nationalen Staatsbürgerschaft direkt in die europäische Sphäre einbezogen. Inzwischen sind die Rechte der Unionsbürger  im Vertrag über die Arbeitsweise der EU  (AEUV), Artikel 18-25, und im Vertrag über die Europäische Union (EUV) , Artikel 9-12, verankert. Unionsbürger haben das Recht,  sich im gesamten Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Sie haben in dem Land, in dem sie ihren Wohnsitz unterhalten,  das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen und bei den Wahlen zum Europäischen Parlament. Sie haben in einem Land außer- halb der EU das Recht  auf diplomatischen und konsularischen Schutz durch jeden anderen EU-Staat, wenn ihr eigener Staat dort nicht vertreten ist. Sie haben das Recht,  sich an einer europäischen Bür- gerinitiative zu beteiligen, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten und sich an den Bürger- beauftragten der EU zu wenden; sie können schließlich in einer der offiziellen Sprachen der EU an deren Organe und beratende Einrichtungen schreiben und haben Anspruch auf eine Antwort in gleicher Sprache. Unionsbürger und andere Personen oder Unternehmen mit Sitz in der EU haben ferner das Recht  auf Zugang zu EU-Dokumenten. Die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union  (2000) verkündeten universellen Grund- rechte – insbesondere die Menschenrechte und Grundfreiheiten – gelten nicht nur für Unionsbürger, sondern für jede Person, unabhängig von ihrer Nationalität und ihrem Aufenthaltsort. Durch den Vertrag von Lissabon, der im Dezember 2009 in Kraft trat, wurde die Charta, die zuvor nur begrenzte Schutzwir- kung entfalten konnte, für rechtsverbindlich erklärt. Der Europäische Gerichtshof greift bei seinen Ent- scheidungen nun häufiger unmittelbar auf sie zurück. Der in Art. 6 EUV verpflichtend formulierte Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht jedoch noch aus.

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8/17/2019 Die Rechte Der Buerger in EU

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Die Rechte der Bürger in der EU

Im Zuge der europäischen Einigung wuchsen die beteiligten Staaten über Jahrzehnte hinweg immerenger zusammen. Von den Bürgern, ihren Chancen und Rechten, war in den Grundverträgen der Ge-meinschaft mit ihrer politisch-institutionellen Sichtweise anfangs jedoch kaum die Rede. Es fehlte einesichtbare Verbindung zwischen dem europäischen Einigungswerk und den vielen einzelnen Europäern.

Das änderte sich erst mit dem Vertrag über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht, 1992): Erstellte fest, dass die Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten zugleich Unionsbürger  sind, und statte-te sie in dieser Eigenschaft mit europäischen Rechten aus. Die Bürgerinnen und Bürger wurden damitunter Wahrung ihrer nationalen Staatsbürgerschaft direkt in die europäische Sphäre einbezogen.

Inzwischen sind die Rechte der Unionsbürger  im Vertrag über die Arbeitsweise der EU  (AEUV), Artikel18-25, und im Vertrag über die Europäische Union (EUV), Artikel 9-12, verankert. Unionsbürger habendas Recht,  sich im gesamten Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Siehaben in dem Land, in dem sie ihren Wohnsitz unterhalten,   das aktive und passive Wahlrecht beiKommunalwahlen und bei den Wahlen zum Europäischen Parlament. Sie haben in einem Land außer-halb der EU das Recht  auf diplomatischen und konsularischen Schutz durch jeden anderen EU-Staat,wenn ihr eigener Staat dort nicht vertreten ist. Sie haben das Recht,  sich an einer europäischen Bür-gerinitiative zu beteiligen, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten und sich an den Bürger-beauftragten der EU zu wenden; sie können schließlich in einer der offiziellen Sprachen der EU anderen Organe und beratende Einrichtungen schreiben und haben Anspruch auf eine Antwort in gleicherSprache. Unionsbürger und andere Personen oder Unternehmen mit Sitz in der EU haben ferner dasRecht  auf Zugang zu EU-Dokumenten.

Die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union  (2000) verkündeten universellen Grund-rechte – insbesondere die Menschenrechte und Grundfreiheiten – gelten nicht nur für Unionsbürger,sondern für jede Person, unabhängig von ihrer Nationalität und ihrem Aufenthaltsort. Durch den Vertragvon Lissabon, der im Dezember 2009 in Kraft trat, wurde die Charta, die zuvor nur begrenzte Schutzwir-kung entfalten konnte, für rechtsverbindlich erklärt. Der Europäische Gerichtshof greift bei seinen Ent-scheidungen nun häufiger unmittelbar auf sie zurück. Der in Art. 6 EUV verpflichtend formulierte Beitrittder EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht jedoch noch aus.