die schwedischen bibelausgaben der reformationszeit (1526 ...561756/fulltext01.pdfim folgenden...
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Die schwedischen Bibelausgaben
der Reformationszeit
(1526, 1536 und 1541)
Übersetzung, Vorreden und Glossen
Jürgen Quack
2012
2
Dr. theol. Jürgen Quack Erarbeitet 1966/67 an der D-72760 Reutlingen Theologischen Fakultät in Uppsala Schopenhauerstr. 79 in Kontakt mit Prof. Göransson und Prof. Gyllenkrok, Mail: [email protected] überarbeitet 2012
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................................................... 4
Einleitung ................................................................................................................................................. 5
A. DAS NEUE TESTAMENT 1526 ....................................................................................................... 7
I. Die Geschichte der Übersetzung ............................................................................................. 7
II. Die Übersetzung des Bibeltextes ........................................................................................... 17
III. Die Vorreden ..................................................................................................................... 28
IV. Die Glossen ........................................................................................................................ 39
V. Die Sprache ............................................................................................................................ 50
VI. Zusammenfassung ............................................................................................................. 57
B. DIE TEILAUSGABEN DES ALTEN TESTAMENTS 1536 .................................................................. 60
I. Die Geschichte der Übersetzung ........................................................................................... 60
II. Die Übersetzung des Bibeltextes ........................................................................................... 61
III. Die Vorreden ..................................................................................................................... 64
IV. Die Glossen ........................................................................................................................ 66
V. Die Sprache ............................................................................................................................ 68
VI. Zusammenfassung ............................................................................................................. 68
C. GUSTAV VASAS BIBEL 1541 ....................................................................................................... 70
I. Die Geschichte der Übersetzung ........................................................................................... 70
II. Die Übersetzung des Bibeltextes ........................................................................................... 73
III. Die Vorreden ..................................................................................................................... 81
IV. Die Glossen ........................................................................................................................ 94
V. Die Sprache .......................................................................................................................... 101
VI. Zusammenfassung ........................................................................................................... 102
Summary ............................................................................................................................................. 105
Nachwort: Schwedische Bibelvorreden 1526 – 1900.......................................................................... 106
Literatur-Verzeichnis ........................................................................................................................... 108
4
Vorwort
In den Jahren 1966 und 1967 forschte ich in Uppsala über die Verbindungen zwischen
Schweden und Deutschland in der Reformationszeit. Dabei beschäftigte ich mich auch mit
den schwedischen Bibelübersetzungen dieser Zeit. Während die historischen Umstände der
Übersetzung sowie die Sprache der Bibelübersetzungen ausgiebig untersucht und in der Lit-
teratur diskutiert sind, gibt es kaum eine nähere Betrachtung der Übernahme von Luthers
Beigaben zu seiner Bibelübersetzung: die Vorreden und die Glossen. Diese wurden in
Schweden zum Teil wörtlich übersetzt, zum Teil bearbeitet, zum Teil ausgelassen. Daneben
gibt es auch eine eigenständige Vorrede sowie eigene Glossen der schwedischen Übersetzer.
In der Untersuchung dieser Vorreden und Glossen liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit.
Das Manuskript wurde damals nicht abgeschlossen. Ich habe jetzt die neuere Literatur
– soweit ich sie erfassen konnte – eingearbeitet.
Dankbar erinnere ich mich an meine Zeit in Uppsala. Ich habe an den Doktoranden-
Seminaren von Prof. Göransson und Prof. Gyllenkrok mit großem Gewinn teilgenommen.
Hilfreich waren die Gespräche mit Sven Ingebrand, damals Dozent in Uppsala, später Bischof
in Karlstad. Vorzüglich waren die Arbeitsbedingungen in der Universitätsbibliothek, herzlich
und offen die Beziehungen im Studentendorf und in Norrlands Nation.
Reutlingen, 20. August 2012
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Einleitung
Die frühchristliche Mission betrachtete die Übersetzung der Bibel als eine selbstver-
ständliche Maßnahme. Dies änderte sich mit dem Erstarken der römisch-katholischen Kirche.
Für sie war die einheitliche Kirchen- und Klerikersprache Latein ein wichtiges und unentbehr-
liches Band. Und da es fast ausschließlich Kleriker waren, die überhaupt eine Bibel in die
Hand bekamen, waren weitere Übersetzungen über die Vulgata hinaus nicht nötig. Als sich
später sektiererische Bewegungen unter Berufung auf die Schrift gegen die römische Kirche
wandten, kam es soweit, daß an einzelnen Orten Bibelübersetzungen in die Volkssprache
sogar verboten wurden.
Unter diesen Verhältnissen konnten nur wenige vor-reformatorische Bibeln in der Lan-
dessprache erscheinen. Ihre Übersetzungsvorlage war allein die Vulgata. Ihre Verbreitung
war nicht groß, da auch die Einführung der Buchdruckerkunst ihre Auflage nicht allzu sehr
steigerte. Nur in einigen biblizistischen Reformbewegungen waren sie mehr verbreitet, z.B.
bei den Brüdern vom gemeinsamen Leben.
Zwei Faktoren ließen das Interesse an solchen Übersetzungen wieder erwachen: die
Rückwendung der Humanisten zu den „Quellen“ und die reformatorischen Bewegungen, die
nach 1517 mit ungekannter Kraft – nicht zuletzt dank ihrer ausdrücklichen Berufung auf die
Schrift – alle früheren Reformbewegungen weit hinter sich ließen und sich, auch begünstigt
durch soziale Spannungen und fürstliche Machtpläne, schnell entfalteten.
So können als Hauptdaten dieser neuen Epoche die Jahreszahlen 1516 und 1522 ge-
nannt werden. 1516 gab Erasmus sein „Novum Instrumentum“ heraus, eine auf griechischen
Handschriften beruhende Ausgabe des Neuen Testamentes mit eigener lateinischer Über-
setzung. 1522 erschien Luthers deutsches Neues Testament. Damit begann ein Strom von
Übersetzungen und Nachdrucken, besonders auf evangelischer Seite. Die Haupttriebfeder
war der Wunsch, die neue Lehre mit der Schrift vergleichen, verteidigen und verbreiten zu
können.
Als die Reformation über die Grenzen Mitteleuropas hinausdrängte, rief sie überall
neue Bibelübersetzungen in die Volkssprachen hervor. In Schweden sind aus vorreformatori-
scher Zeit einige wenige handschriftliche Übersetzungen von Bibelteilen erhalten.1 Die jüng-
1 Sie sind veröffentlicht in Samlingar utg. af Svenska Fornskrift-Sällskapet, Bd. 9:1–2. Svenska medeltidens bibel-arbeten. Efter gamla handskrifter utg. af G. E. Klemming. 1–2. 1848–53.; Bd. 22. Klosterläsning.
6
ste Handschrift wurde 1526 im Kloster Vadstena fertiggestellt. Im selben Jahr jedoch er-
schien eine neue schwedische Übersetzung des ganzen Neuen Testamentes im Druck. 1536
folgten Einzelausgaben von Psalter, Sprüche, Weisheit und Sirach. 1541 erschien die ganze
Bibel, die sog. Gustav-Vasa-Bibel. 2
Im Folgenden sollen die Motive und Grundsätze dieser Übersetzungen der Reformati-
onszeit, besonders ihr Verhältnis zur Lutherbibel, dargelegt werden. Daneben schildere ich –
soweit es möglich ist – den historischen Verlauf der Übersetzungsarbeit. Über die Vorberei-
tung und den Verlauf der Übersetzungsarbeit geben uns einige Briefe Auskunft. Über die
Person der Übersetzer und die Verteilung der Arbeit auf sie lassen sich dagegen nur Vermu-
tungen anstellen, vor allem mit Hilfe sprachlicher und orthographischer Vergleiche, denn
außer diesen Briefen und den Bibelausgaben selbst sind keine Quellen erhalten. Einige spä-
ter geschriebene Chroniken geben nur unsichere Auskünfte.3
Im Folgenden werden die drei Ausgaben 1526, 1536 und 1541 je für sich behandelt.
Dargestellt werden jeweils: I. der Übersetzungsverlauf, II. die Übersetzung des Bibeltextes,
III. die Vorreden, IV. die Glossen und V. die Sprache. Die Ausdrücke „der Übersetzer“ oder
„der Bearbeiter“4 werden hier als Arbeitsbegriffe gebraucht, da auch diese Arbeit die Frage
nach der Person oder der Zahl der Übersetzer nicht endgültig beantworten kann.
Järteckensbok, Apostla gerningar, Helga manna lefverne, legender, Nichodemi evangelium. Efter gammal handskrift utg. af G. E. Klemming. 1877–78 und Bd. 60. Fem Moseböcker på fornsvenska enligt Cod. Holm. A 1. Utg. av Olof Thorell. 1959. 2 Diese Ausgaben werden im Folgenden meist abgekürzt S1526, S1536 und S1541 bzw. GVB. 3 So ist es zu verstehen, daß sich bisher kaum Historiker und Theologen mit diesem Thema beschäftigt haben. An historischen Untersuchungen sind A. Adell, Nya testamentet på svenska 1526, 1936 (Rezensionen von S. Kjöllerström in STK 1937 und N. Lindqvist in KÅ 1937) und S. Kjöllerströms Aufsatz Tillkomsten av 1541 års bi-bel, LUÅ 1941, zu erwähnen. Theologische Gesichtspunkte zur Bibelübersetzung finden sich vereinzelt in Arbei-ten von E. Stave, A. Adell und S. Ingebrand. Mehr Arbeit auf die reformatorischen Bibelübersetzungen haben die Philologen verwandt, die aber in vielen Fragen keine einhellige Lösung gefunden haben. 4 Diese beiden Begriffe werden ohne Differenzierung verwandt, da sich hier Übersetzung und Bearbeitung un-trennbar ineinander verzahnen.
7
A. DAS NEUE TESTAMENT 1526
I. Die Geschichte der Übersetzung
a. Der Anlass
Der junge Adlige Gustav Erikson Vasa hatte 1521 den schwedischen Aufstand gegen
den dänischen Unionskönig Christian II geleitet und war 1523 zum schwedischen König ge-
wählt worden. Seine innere Stellung zu der beginnenden „lutherischen“ Bewegung, wie die
neue Lehre von Anfang an genannt wurde, ist umstritten. Eindeutig ist dagegen, dass er bald
die politischen und finanziellen Möglichkeiten sah, die sich ihm durch diese Lehre eröffne-
ten.
Zumeist wird angenommen, dass es Laurentius Andreae war, der ihn auf diese Mög-
lichkeiten hinwies. Dieser war nach Studien in Rostock und Leipzig (1498 Magister) und meh-
reren Rombesuchen Erzdiakon in Strängnäs geworden. Nach seines Bischofs Tod beim
Stockholmer Blutbad (1520) und der baldigen Flucht des von Christian II eingesetzten Nach-
folgers übernahm er die Leitung der Diözese. 1523 berief ihn Gustav Vasa zu seinem Sekre-
tär. Besonders die kirchlichen Angelegenheiten scheinen durch seine Hände gegangen zu
sein.
In Strängnäs hatte er Olavus Petri kennengelernt, der nach Studien in Deutschland (u.a.
in Wittenberg 1516-1518, dort am 11.2.1518 Magister)5 Lehrer an der Domschule seines
Bistums geworden war. Er ist die Hauptgestalt der schwedischen Reformationsgeschichte.
Zwar wissen wir, dass schon 1521 deutsche Kaufleute lutherische Lehren in Schweden ver-
breiteten, aber fassbar wird diese Bewegung für uns erst durch ein Schreiben des Dekans in
Strängnäs, in welchem er Olavus Petri der Verbreitung von Irrlehren beschuldigt. 1524 wird
er vom König als Sekretär der Stadt Stockholm in die Hauptstadt geholt. Bald beginnt er dort
in der Stadtkirche zu predigen.
Die Führung der Kirche lag nach der Flucht des dänenfreundlichen Erzbischofs Gustav
Trolle in der Hand des früheren päpstlichen Nuntius Johannes Magnus, der im August 1523
mit Billigung des Königs zum Erzbischof gewählt wurde. Der Papst setzte ihn jedoch (Mai
1524) nur zum Administrator ein, da die Ansprüche Trolles noch geprüft wurden. Wegen der
5 Christian Callmer, Svenska studenter i Wittenberg. Personhistoriska tidskrift 72, 1976, 1-2. Zwischen 1515 und 1540 waren 58 schwedische Studenten in Wittenberg eingeschrieben.
8
fehlenden Weihen war die Stellung des „Archielectus“ nicht gefestigt, doch erfreute er sich
in dieser Zeit des Wohlwollens des Königs, das sich in mehreren Vertrauensaufträgen zeigte.
Die frühste Nachricht, die wir in Bezug auf die neue schwedische Bibelübersetzung ha-
ben, ist ein Zirkularschreiben Johannes Magnus´ vom 11. Juni 1525 an die Domkapitel und
größeren Klöster seiner Kirchenprovinz.6
Nach den je nach Adressat verschiedenen Briefanfängen berichtet der Archielectus von
einer Forderung Gustav Vasas: „Der allergnädigste Herr und König hat von uns Prälaten der
Kirche gefordert, daß wir das Neue Testament in unsere schwedische Sprache übersetzen
lassen.“ 7
Dann folgt eine dreifache Begründung dieses Verlangens.
1. „…fast alle Völker im ganzen christlichen Erdkreis besäßen das Neue Testament,
vielleicht sogar die Bibel in ihrer eigenen Sprache…“.8 Grundsätzlich hat diese Be-
hauptung recht, wenn auch die tatsächliche Verbreitung der Übersetzungen aus
den oben genannten Gründen sehr gering war. Deutschland wies 1466 bis 1521
etwa 52 größere oder kleinere Drucke auf, in England gab Tyndale 1524 das Mat-
thäus- und Markusevangelium heraus, Holland erhielt schon 1477 eine Bibel, dazu
1522 eine Übersetzung von Luthers Neuem Testament, ebenso wie Dänemark
1524. Frankreich erhielt 1496 eine Bibel in der Volkssprache, Italien erlebte 1471
sogar zwei verschiedene Ausgaben.
2. „Die Zeit ist wegen der verschiedenen Streitigkeiten der Menschen über die gött-
lichen Schriften soweit, daß es nützlich wäre, diese göttlichen Schriften dem gan-
zen Christenvolk hell und offen zu zeigen, damit fromme und gelehrte Christen
desto leichter ein klares Urteil zur Beendigung der Meinungsverschiedenheiten
der Menschen fällen könnten.“ 9
6 Der Brief ist in zwei Abschriften erhalten: in Bischof Brasks Kopienbuch, abgedruckt in HSH 18, S. 297ff, und als Wiedergabe des nun verlorenen Briefes an das Kloster Vadstena in J. Peringskiöld, Monumenta Ulleråkeren-sia, 1719, S.172f. Die beiden Exemplare weisen kleine Abweichungen auf. 7 „Postulaverat Serenissimus dominus Rex a nobis Ecclesiarum praelatis quod Nouum Testamentum in lingwam nostram suecanam verti faceremus.“ 8 „… fere Omnes naciones per totum orbem Christianum Nouum Testamentum imo forsan Bibliam in lingua habeant propria…“ 9 „… tale est propter varias hominum in divinis literis controversias, quod expedit easdem divinas literas toti populo Christiano lucidas et apertas ostendere, Vt facilius pii et eruditi Christiani pro sedantis hominum dissen-cionibus clarum iudicium ferre possint.”
9
Eine ähnliche Hochschätzung der Heiligen Schrift begegnet uns in dieser Zeit in
einem Brief Laurentius Andreaes vom 21. Februar 1524 an das Kloster Vadstena 10
mit Bezug auf die Verbreitung der Schriften Luthers. Er betont darin, daß Luther
im Gegensatz zu „uns einfältigen Menschen“ mit der Waffe der Schrift ausgerüs-
tet sei, und empfiehlt geradezu die Lektüre seiner Bücher, denn nach der Schrift
solle man alles prüfen und das Gute behalten.
3. Schließlich hat der König an die Hirtenfunktion der kirchlichen Amtsträger erin-
nert. Die Kleriker könnten wegen ihrer schlechten Ausbildung kaum predigen, ei-
nige nicht einmal die Heilige Schrift lesen, geschweige denn verstehen. Um ihrer
willen, „wäre es nützlich, die Schrift in der eigenen Sprache zu haben“. Dadurch
könnte auch verhindert werden, daß in Klöstern und an ähnlichen Orten „Uner-
fahrenen und Halbwissern Gelegenheit gegeben wird“, was bisher oft geschehen
sei.
Man hat gemeint, die hier vorgetragenen Forderungen und Begründungen bewegten
sich im Rahmen eines humanistischen Reformkatholizismus.11 Aber der Anspruch, Kleriker
und Laien sollten an Hand der Bibel entscheiden, was falsche Lehre sei, und der unverhohle-
ne Hinweis, in den Klöstern sei Falsches gelehrt worden, gehen weit darüber hinaus.
Es ist höchstwahrscheinlich, daß hinter den Worten des Königs sein Kanzler Laurentius
Andreae steht. Er pflegte auch sonst Konzepte für Gustav Vasa aufzusetzen. Er hatte die
internationale Erfahrung, die in der ersten Begründung deutlich wird, und ihm sind die An-
schauungen zuzutrauen, die in der zweiten und dritten Begründung zum Vorschein kommen.
Nachdem der Archielectus so die Forderung des Königs und dessen Begründung refe-
riert hat, fährt er fort: „Diesen offenbaren Gründen konnten wir nicht widersprechen. Son-
dern wir versprachen, Eure und die Arbeit anderer Prälaten werden den Wunsch seiner Ma-
jestät befriedigen. Und weil zu einer solchen Aufgabe wir alle, die Hirten genannt werden,
verpflichtet sind – freilich durch die, denen Gott hierzu seine Gnade verliehen hat – so haben
wir auf Anraten seiner Majestät das Neue Testament in Stücke aufgeteilt und jedem Domka-
pitel und einigen anderen gelehrten Männern in den Klöstern dieses Reiches ein Stück zuge-
10 HSH 17, S.205-212. 11 A. Adell, Nya testamentet på svenska 1526, 1936, S.22 und 25. Ähnlich auch N. Fransén, Nya testamentet på svenska 1941, S. 108f.
10
teilt, wie es eure Hochwürden unten angezeigt finden werden.“12 Am Schluß des Briefes fin-
det sich dann auch eine Liste, in der die Bücher des Neuen Testamentes auf die sieben Bis-
tümer und vier Orden verteilt werden.
Johannes Magnus konnte sich ausrechnen, dass dieser Plan auf Widerstand stoßen
würde. Deshalb fährt er fort: „Wir bitten deshalb, ja wir ermahnen bei Verlust der königli-
chen Gnade, dass Eure Hochwürden den Teil, der Euch zufiel, so schnell wie möglich über-
setzen. Das haben wir auch den anderen geschrieben und zweifeln nicht, dass sie unserem
Schreiben solcherart Folge leisten werden.“13
Schließlich bittet er, dass Repräsentanten der Kollegien am 10. September 1525 nach
Uppsala kämen, damit „jeder vor den anderen Rechenschaft über seine Übersetzung gebe,
und dann durch gemeinsamen Beschluss aller eine Übersetzung aus allem zusammengesetzt
und gebilligt werden könne.”14
Diese Initiative des Oberhauptes einer Kirchenprovinz – wenn auch unter königlichem
Druck – zur Übersetzung der Bibel in die Volkssprache ist einzigartig. 15 Alle anderen mittelal-
terlichen oder reformatorischen Bibelübersetzungen entstanden durch Privatinitiative von
Mönchen oder Gelehrten. - Wir wissen allerdings nicht, wie Johannes Magnus selbst zu die-
sem Vorhaben stand. In seiner Autobiographie geht er darauf nicht ein.
12 „Quibus quidem racionibus tam manifestis, certe non potuimus contradicere, sed promisimus vestra et alio-rum prelatorum opera desiderio Maiestatis sue satisfacere. Et quia ad hoc negotium omnes obligamur qui pas-tores appelamur, saltem quibus ad id gratiam suam dederat Deus, Idcirco ex consilio eiusdem Maiestatis sue Nouum ipsum Testamentum per partes diuisimus, assignantes vnicuique Capitulo et nonnullis aliis doctis viris in Monasteriis huius regni aliquam particulam, prout paternitates vestre infra invenerint annotatum.” 13 “Rogamus propterea imo sub obtentu fauoris regii hortamur, quod Eedem paternitates vestre partem que eis obuenerit quantocius interpretari velint, quod et aliis scribimus, nec dubitantes quin scriptis nostris huiusmodi partituri sint.” 14 „…vnusquisque coram aliis suae interpretacionis racionem reddere possit, tuncque comuni omnium iudicio vna interpretatio poterit ex omnibus comportari et approbari.“ 15 A. Adell 1936, S.19ff bemüht sich nachzuweisen, daß es schon mittelalterliche Auffassung sei, eine eventuelle Bibelübersetzung gehöre zu den Aufgaben der kirchlichen Hierarchie. Aber die Bischöfe waren nur für die Ver-sorgung mit liturgischen Büchern und für die kirchliche Unterweisung in ihrem Gebiet verantwortlich – die Bibel in der Volkssprache war aber für Kult und Unterricht nicht nötig.
11
b. Nachrichten über den Verlauf der Übersetzung
Über den Fortgang der Arbeit bzw. über die Frage, inwieweit sie überhaupt auf die ge-
plante Weise in Angriff genommen wurde, sind wir schlecht unterrichtet.
Von dem geringen Quellenmaterial sind als erstes zwei Briefe des Bischofs Hans Brask
von Linköping zu erwähnen. Dieser stand zwar in den politischen Streitigkeiten auf Seiten
der Nationalpartei, also gegen Dänemark und Erzbischof Trolle, wurde aber in den religiösen
und kirchlichen Fragen der Hauptgegner des Königs und der reformatorischen Bewegung.
Schon 1522 hatte er allen den Bann angedroht, die Luthers Schriften lasen.
Der erste Brief16 ist aus Linköping am 31. Juli 1525 an Magnus Haraldi gerichtet, den
Electus (gewählter, aber noch nicht geweihter Bischof) in Skara. Es heißt in ihm: „… betreffs
der Übersetzung eines Teiles des Evangeliums aber, die Eure, haben wir nach dem früher
Geschriebenen nichts gehört. Wir erinnern uns, in der Legende der heiligen Birgitta gelesen
zu haben, daß sie für sich die Bibel in gotische Sprache habe übersetzen lassen … Auf diese
Übersetzung könnte man sich – wenn es notwendig würde – zurückziehen. Noch haben wir
sie nicht gesehen, wir werden aber möglichst bald Nachforschungen anstellen.“17
Es scheint deutlich zu sein18, dass die Frage der Bibelübersetzung schon vorher in ir-
gendeiner Form einmal zwischen den beiden Bischöfen erörtert worden war. Hier erinnert
Brask nur daran, daß schon zur Zeit Birgittas (gest. 1373) an einer Übersetzung gearbeitet
worden sein soll. Ob seine Suche nach einer solchen alten Übersetzung Erfolg hatte, wissen
wir nicht. Sie hätte es aber leicht haben können, denn gerade zu dieser Zeit arbeitete im Bir-
gittinenkloster Vadstena – also innerhalb des Bistums Brasks – eine Nonne an einer Abschrift
verschiedener mittelalterlicher Übersetzungen von Bibelteilen.19
Die Wendung „wenn es notwendig würde“ ist wohl so zu deuten, dass Brask einer
Neuübersetzung völlig ablehnend gegenüberstand. Wenn man schon überhaupt eine Über-
setzung anfertigen muss, dann soll man diese alte nehmen.
16 HSH 18, S. 295f. 17 „… Ad translationem autem partis evangelij de qua rememoratur f.v. nichil cepimus post priora scripta. In legenda sancta Birgitta meminimus nos legisse ipsam transferri sibi bibliam in linguam goticam (fecisse) … Pos-set ad huiusmodi translationem si sic necesse fuerit haberj recursus, quam nondum vivimus ipsam tamen qua-mprimum poterimus perquiremus.” 18 Das wird bestritten von N. Fransén 1941, S.97. 19 Von den verschiedenen übersetzten Bibelteilen geht wohl allein eine Petateuchparaphrase auf die Initiative Birgittas zurück.
12
Diese Deutung passt gut zu dem zweiten erhaltenen Brief 20. Dieser ist am 9. August 1525
an den Uppsalenser Kanonicus Peder Galle gerichtet. Brask antwortet darin auf einen Brief
Galles, der wegen des Zirkularschreibens bei ihm angefragt hatte. Er erwähnt darin auch die
Anfrage des Bischofs von Skara, dem er jedoch nur wenig hätte antworten können, da er
damals nur wenig von der Sache gewusst hätte. Erst jetzt hätte er den Brief vom „dominus
electus vpsalensis“ aus Kalmar 21 erhalten.
Und dann lässt er seinem Unmut freien Lauf und sagt deutlich, weshalb ihm der Auf-
trag nicht gefällt: „Wir wundern uns besonders, daß der Uppsalenser Würdenträger sich in
dieses Labyrinth begeben hat, ohne die Prälaten und Kapitel der Kirche um Rat zu fragen, wo
es doch offensichtlich ist, daß ähnliche Übersetzungen in andere Volkssprachen viele Häre-
sien hervorgerufen haben, wie es Gerson von den Begarden und den Armen von Lyon oder
Fraticelli berichtet, die auf Grund einer solchen Übersetzung von der kirchlichen Einheit ab-
gefallen sind. Und da nicht nur das Evangelium, sondern die ganze Heilige Schrift, die im wei-
teren Sinn Evangelium genannt wird, in vierfachem Sinn ausgelegt und erklärt werden kann,
so wird sie nicht ohne Gefahr vieler Seelen allein im grammatikalischen oder literalen Sinn
übersetzt werden. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig. Was wird den
ungebildeten Laien eine solche Übersetzung nützen, die sie nicht lesen können? … Wenn
eine Übersetzung jetzt zustande käme, wo die gegenwärtige Frage der lutherischen, ja viel-
mehr teuflischen Häresie noch unentschieden schwebt, und aus ihr ein neuer Irrtum ent-
stünde, so befürchten wir, daß es scheine, die schwedische Kirche habe die gegenwärtige
Häresie durch eine solche Übersetzung gefördert.“22
20 HSH 18, S.300ff. Nach dem Original korrigiert von A. Adell 1936, S.31f abgedruckt. 21 Von dort hatte ihn wohl Johannes Magnus selbst abgeschickt, der sich gerade auf einer Reise nach Deutsch-land befand. A. Adell 1936, S.33f nimmt einen neuen Brief an. 22 „Miramur plurimum dominum Vpsalensem inconsultis ecclesiarum prelatis et capitulis hunc laborintum ingressum, cum luce clarius patent consimiles translations in volgare aliarum linguarum factas multas peperisse hereses vt refert Gerson de Begardis et pauperibus de Lwgdwno alias fraticellis, quibus occasion deficiendi ab vnitate ecclesiastica extitit huiusmodi translation. Et cum nun evangelium sed et omnis sacra scriptura que large ewangelium dicitur quadruplici sensu exponi vel interpretarj posit non sine periculo multarum animarum fieret sie in Sensu grammatico vel litterali solo transferretur cum littera occidat, spiritus autem viuificet. Quid proderit laicis illitteratis talis translation quam legere nesciunt … Veremur quod si fiat translation pendente presente heresy luterana ymo verius luciferana indecisa et ex ea aliquis nouus succresceret error, ecclesia Swe-cana presentem heresim per huiusmodi translationem videretur fomentasse.”
13
Wenn man nun aber dem königlichen Befehl folgen müsse, so solle man es möglichst
mit der Übernahme der dänischen Postille von Christiern Pedersen 23 genügen lassen, die ja
alle Evangelien enthalte.
Aus diesem Briefwechsel darf wohl gefolgert werden, daß Anfang August mindestens
in Linköping für die befohlene Übersetzung noch nichts getan ist und daß auch Uppsala und
Skara dem Auftrag skeptisch gegenüberstehen.
Weitere Nachrichten über eventuelle Fortschritte der Arbeit fehlen für das Jahr 1525
völlig. So wissen wir auch nicht, ob das laut Zirkularschreiben für den 10. September geplan-
te Treffen der Abgesandten der Kapitel und Klöster zustande kam, auf dem die Übersetzun-
gen zur Überprüfung vorgelegt werden sollten. Es ist auch umstritten, ob Johannes Magnus
zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon von seiner Mission in Deutschland zurückgekommen
war. Am 24. August ist er noch in Lübeck; erst am 24. September wissen wir, dass er sich
damals höchstwahrscheinlich in Stockholm aufhielt. Da aber der König am 7. September
(laut einem Brief von Västerås) noch nichts aus Lübeck gehört hat und auch die Autobiogra-
phie des Johannes Magnus nichts von einem solchen Treffen erwähnt, so ist es zwar nicht
ausgeschlossen, aber doch sehr unwahrscheinlich, dass der Archielectus zur festgesetzten
Zeit in Uppsala war, und damit auch, daß die von ihm angeregte Konferenz stattfand. 24
In der ersten Januarhälfte 1526 fand in Vadstena ein Herrentag statt, an dem von
kirchlicher Seite außer Johannes Magnus auch die Bischöfe von Linköping, Skara und Sträng-
näs teilnahmen. Die offiziellen Dokumente lassen nicht erkennen, ob hier auch über die Bi-
belübersetzung gesprochen wurde. Aber ein weiterer Brief von Brask zeigt, daß mindestens
die Kirchenvertreter unter sich darüber berieten. Er schreibt am 23. Januar an den Erzbischof
25: „Um das Versprechen zu erfüllen, daß die Herren Prälaten in Vadstena betreffs der Ein-
sendung jener Übersetzung, über die dort gesprochen wurde, gegeben haben, senden wir
unsern geliebten Magister Erik, den Kantor unserer Kirche, obwohl vieles dafürspricht, dieses
Werk sicherheitshalber aufzuschieben, wenn nicht die sorgfältige Arbeit des Übersetzers zu
anderem raten würden sowie die ehrenvolle Würde der Uppsalenser Fakultät, der wir in
23 gedruckt in Paris 1515 und Leipzig 1518. 24 So auch S. Kjöllerström, STK 1937, S.101. Dagegen nimmt A. Adell 1936, S.44f als sicher an, dass dieses Tref-fen plangemäß stattgefunden habe. 25 HSH 18, S.315f.
14
diesem Geschäft vor allem den Vortritt geben wollen, mit dem Wunsch, daß die Sache durch
die Leitung des göttliche Geistes gelenkt werde.“ 26
Jetzt endlich ist also etwas von einer kirchlichen Übersetzungsarbeit zu merken. Trotz
großer Bedenken wird Magister Erik, über den wir sonst nichts wissen, mit seiner Überset-
zung auf den Weg geschickt. Wann er mit seiner Übersetzung begonnen hat und ob sie alle
die im Zirkularschreiben für Linköping genannten Bücher (Markusevangelium und beide Ko-
rintherbriefe) umfasste, ist ungewiß. Brasks Bedenken werden nur gedämpft durch sein Ver-
trauen zur Uppsalenser Theologischen Fakultät, der anscheinend in Vadstena die Aufsicht
übergeben wurde. 27
Wieder lassen uns die Quellen für eine längere Zeit im Stich. Wir wissen nur, dass An-
fang 1526 – also bald nach dem Anlaufen der kirchlichen Übersetzungsarbeit – die Druckerei
von Uppsala nach Stockholm verlegt wurde, also unter die Aufsicht des Königs. Da das dama-
lige Hauptvorhaben der Druckerei die Herausgabe des Neuen Testamentes war, ist anzu-
nehmen, dass auch die Aufsicht über die Übersetzungsarbeit nun der theologischen Fakultät
in Uppsala genommen und einem Vertrauensmann des Königs übergeben wurde. Dies konn-
te der Lage nach nur Laurentius Andreae sein. So ist auch der nächste erhaltene Brief, der
die Übersetzung betrifft, ein Schreiben des Laurentius an Erzbischof Olav in Trondheim, in
welchem klar wird, dass er nun der Leiter der Arbeit ist.
„Weiterhin, verehrungswürdiger Vater, nachdem unser Herr und König erfahren hat,
daß das heilige Evangelium in deutsche Sprache übersetzt ist, wollte er, dass es auch in unse-
re Volkssprache übersetzt würde.“ 28 Die Prälaten hätten es dann so geordnet, dass jeder
Pfarrer ein Exemplar hätte kaufen müssen, unter anderem aus dem Grund, damit nicht bald
die Laien gelehrter als die Kleriker wären. Gegen Ende des Druckes „kam mir ein Exemplar
26 „Ad satisfaciendum promissioni vastenis inter dominos prelatos concepte circa remissionem translationis illius de qua tunc habitus est sermo dilectum nobis magistrum Ericum ecclesie nostre cant..rem mittimus non obstante quod plures coincident id opus securius differendum. Nisialiud suaderent sollicite translatoris lugubra-tiones ac grauis maturitas alme theologice facultatis vpsalensis, cui in eo negotio plurimum concedimus op-tantes rem diuini spiritus directione moderarj.” 27 Unwahrscheinlich ist das Verständnis von “remissio” durch Adell 1936, S.57f. Er meint, die Prälaten hätten von Vadstena Korrekturabzüge eines Teiles der Bibelübersetzung zur Durchsicht mitgenommen, die nun „zu-rückgeschickt“ werden sollten. Daß der Kantor Erik allerdings einen Teil fertiger Übersetzung mitnimmt, geht wohl klar aus dem Brief hervor. Das meint auch S. Kjöllerström, STK 1937, S.107; anders N. Fransén, 1941, S.104. Dass Brask seinen Anteil über-setzt habe, war schon von Hj. Holmqvist, KÅ 1904, S.247 behauptet worden. 28 „Preterea Reuerendissime pater postquam dominus meus Rex comperit sanctum Euangelium in linguam Germanicam translatum, voluit ut etiam in linguam nostram vulgarem transferretur.“
15
des Neuen Testamentes in dänische Sprache übersetzt in die Hände; doch ich hoffe, daß un-
sere Übersetzung reiner sein wird.“ Aber diese dänische Übersetzung, die nach der deut-
schen gemacht sei, „scheint in Vorreden und Glossen manches Ärgerliche zu enthalten, was
wir bei unserer Übersetzung vermieden haben, da wir gern bei niemandem Anstoß erregen
wollten.“29
Auf diesen Vergleich mit dem dänischen Neuen Testament von 1524, das Luthers Text
und Beigaben sehr treu übernommen hatte, werde ich zurückkommen.
Die Bemerkung, „fast alle“ Prälaten hätten ihre Gemeinden ein Exemplar des Neuen
Testamentes bestellen lassen, zeigt, daß der Widerstand gegen die Übersetzung immer noch
nicht erloschen ist. Diese Planung erklärt aber auch, wieso Laurentius Andreae schon vor
Abschluss des Druckes nach Norwegen schreiben konnte: „Ich schicke Euch eines der Bücher,
damit Ihr es beurteilen könnt und überlegen, ob jene Bücher in Norwegen dienstlich sein
können. Es sind hier 200 bis 300 unverkaufte Exemplare übrig.“ 30
c. Der Drucker und sein Werk
1510 war in Uppsala durch den tatkräftigen Erzbischof Jakob Ulvsson eine Druckerei
eingerichtet worden. Sie ging anscheinend 1519 wieder ein und hatte bis dahin nur einige
kleinere Drucke herausgebracht. Größere Werke ließ man im Ausland drucken, wie z.B. das
Uppsalamissale von 1513 in Basel, oder rief für kurze Zeit ausländische Drucker ins Land.
Erst 1525 wurde die Arbeit mit vier neuen Drucken wieder aufgenommen. Das Typen-
material stammte zum Teil aus der alten Uppsalenser Offizin, zum Teil hatte es der neue
Drucker Jürgen Richolff d.J. aus Lübeck mitgebracht.31 Wann er nach Schweden kam, ist un-
bekannt. 32 Eines dieser neuen Werke, die „Statuta provincialia Upsaliensis provinciae“, gibt
29 „… venit michi in manus liber vnus nouj Testamentj in Danicam linguam translati, spero tamen nostram translationem castigatiorem esse … Verum continere videtur in prologis et glosselis nonnichil scandali, a quo temperauismus nos in translatione nostra neminem libenter offendentes.“ 30 „Mitto vobis vnum de libris ut de eo judicentis et deliberetis si libri illi in Noruegia seruire possint. Supersunt hic ducentj uel trecentj nondum venditj.“ 31 Weitere Angaben über Richolff bei I. Collijn, Sveriges bibliografi intill år 1600 I, 1934-1938, S.298f und II, 1927-1931, S.82ff (im Folgenden zitiert als Collijn I bzw. II). 32 Vielleicht ist er der „prenter“, der 1523 mit dem Ratsherrn Sasse in den Norden kam (vgl. Hanserecesse Bd. VIII, S 373, nach Collijn II, S.84, der diese Ansicht vertritt). Vielleicht ist er aber erst später gerade für den Druck des Neuen Testamentes gerufen worden (Adell 1936, S.47).
16
als Drucker Bartholomäus Fabri an, der auch als Buchbinder 1519 in Uppsala und 1527-1528
in Stockholm auftaucht. Er hat wahrscheinlich bei Richolff als Setzer gearbeitet.33 Die drei
anderen Drucke sind mit Jürgen Richolffs Namen versehen.
Während dieser Drucktätigkeit wird Anfang 1526 die Druckerei nach Stockholm ver-
legt. Sie arbeitet nun im Auftrag des Königs. So trägt auch das Neue Testament bei seinem
Erscheinen unter dem Abschlußvermerk „Gedruckt in Stockholm, im MDXXVI. Jahr nach Got-
tes Geburt, am 15. August“ auch das Reichswappen mit der Überschrift „Insignia Gostaui,
Suecorum Gothorumque Regis“.
Die Auflage betrug wahrscheinlich 2000-3000 Exemplare34, der Preis 3 Mark Ortug35.
Es ist ein Folioband mit 196 Blatt. Drucktechnisch lassen sich 5 Teile unterscheiden: Titel-
blatt36 und Allgemeine Vorrede – Matthäusevangelium bis Apostelgeschichte – Römerbrief-
vorrede – Römerbrief bis Offenbarung – Register.37 Alle Teile haben getrennte Signierung
(außer dem Register) und Paginierung (wobei nur im 2. und 4. Teil die Blätter durchgezählt
sind).
Das Buch ist mit 8 Holzschnitten geschmückt, die oft mehrfach verwendet wurden. Da-
von sind 7 nur kleine Bilder der biblischen Verfasser: Matthäus, Markus, Lukas, Johannes
(vor dem Evangelium, dem ersten Brief und der Offenbarung), Paulus (zwölfmal, auch vor
dem Hebräerbrief), Petrus und Jakobus. Dazu kommt eine ganzseitige Kreuzigungsgruppe
auf der Rückseite des Titelblattes und noch einmal ganz am Schluß nach dem Register. Die-
ses Bild ist wahrscheinlich eine Kopie des Kanonbildes des Uppsalamissales 1513, das vom
Baselmeister DS ausgeführt wurde.
Während auf die Textvorlage der Übersetzung erst weiter unten eingegangen werden
soll, ist hier der Platz, auf die typographische Vorlage hinzuweisen. Hierzu diente
33 Vgl. Collijn I, S.296ff. Welche Rolle er bei der Ausfordmung der Orthographie gespielt haben könnte, ist noch nicht untersucht. 34 Brief Herzog Albrechts von Preußen am 26.September 1526, der es von seinen Gesandten erfahren hatte (Collijn I, S.336). Nur wenige Exemplare sind erhalten. Einen Nachdruck gab A. Andersson 1893 heraus; Faksimi-leauflagen erschienen 1951 und 1966. 35 Vgl. das Ausgabenbuch der Kirche von Kumla (nach Collijn I, S.336). 36 Es enthält nur die Aufschrift „Jesus. ║ Thet Nyia Testamen= ║ tit på Swensko.“ 37 Die meisten Ausgaben des Neuen Testamentes von 1526 (vgl. Collijn I, S.338f) schließen mit einem Register der festtäglichen Evangelien und Epistel, aufgeteilt nach proprium de tempore und proprium de sanctis. Eigen-tümlich und ohne Vorlage ist es, daß der Evangelientext vor dem der Epistel steht (vgl. dazu A. Adell 1936, S.91ff). Der Festkalender ist in seinen Grundzügen der Uppsalenser, nimmt aber auf Strängnäser Verhältnisse Rücksicht, stammt also wahrscheinlich aus dem im Grenzgebiet liegenden Stockholm (so Adell).
17
höchstwahrscheinlich38 ein etwa 1523 von dem Drucker Schott in Straßburg veranstalteter
Nachdruck des Wittenberger Septembertestamentes.39 Die Funktion als Vorlage bezieht sich
auf 1. das Format, 2. die Aufteilung der Bibelteile für den Druck und deren Paginierungsart
(fast völlig übereinstimmend), 3. die Überschrift „Jesus“ über Titel, Vorreden und Bibelbü-
chern40 und 4. das Motiv des Kreuzigungsbildes nach der Titelseite (Christus am Kreuz zwi-
schen Maria und Johannes).
II. Die Übersetzung des Bibeltextes
a. Die Vorlagen
Die beiden Hauptvorlagen des Übersetzers waren die lateinische Ausgabe des Neuen
Testamentes von Erasmus und Luthers deutscher Übersetzung. Dazu wurden an einigen Stel-
len die Vulgata41 und die dänische Übersetzung des Neuen Testaments von 152442 benutzt.
Verschiedentlich wurden weitere Vorlagen behauptet: die mittelalterlichen schwedischen
Übersetzungen43 und die niederdeutschen vorreformatorischen Übersetzungen44. Aber diese
Vorschläge konnten nicht überzeugend begründet werden. Einzelne Übereinstimmungen
reichen nicht aus, um eine literarische Abhängigkeit zu postulieren.
38 G. Carlsson, Preußischer Einfluß auf die Reformation Schwedens, in Festschrift für O. Scheel, 1952, S.41 Anm.27 vermutet auf Grund des Perikopenregisters einen Einfluß des evangelischen Herzogtums Preußen. Aber ein Perikopenregister findet sich schon am Schluß des niederdeutschen Luthertestamentes, Hamburg 1522. Ein anderes wurde 1523 von G. Erlinger in Bamberg gedruckt. Dieses wurde ins Niederdeutsche übertra-gen und an die 2. (1524) und 3. (1525) Ausgabe des niederdeutschen Wittenberger Testamentes angehängt (vgl. Bibel und deutsche Kultur X, 1940, S.461). Eine dieser Ausgaben diente wohl in Schweden als Anregung. S. Belfrage, Den tyska förlagan till Nya Testamentet 1526, LUÅ 1931. Vgl. aber auch schon B. Bergius, Påminnel-ser öfver Laurentii Andreae svenska öfversättning af Nya Testamentet, in Nytt Förråd af äldre och Nyare Hand-lingar rörande nordiska historien, 1753. 39 In Pietschs Bibliographie der hochdeutschen Lutherbibeln in WADB 2 ist es Nr.248. 40 Diese Überschrift begegnet laut Pietsch nur noch bei drei weiteren Ausgaben des Neuen Testamentes, die aber aus anderen Gründen als Vorlage nicht in Frage kommen. 41 S. Henning, Vilka ha översatt Nya testamentet 1526? in Nysvenska studier 1963, S.16-139, gibt (S.77ff) für Matthäus 11, Markus 5, Lukas 6, Johannes 3, Apostelgeschichte 9, Römerbrief bis Offenbarung 16 Fundstellen an. Er verweist aber darauf, daß Erasmus an allen diesen Stellen den Wortlaut der Vulgata in den Annotationes zitiert. 42 E. Neuman, Språket in Nya Testamentet 1526 och i Gustav Vasas bibel 1541, Nysvenska studier 1936, S.32ff; A. Adell 1936, S.146; G. Lindblad ANF 57, 1944, S.154ff; K. Evers, Studien zu den Vorlagen des schwedischen Neuen Testaments vom Jahre 1526, Göteborg 1984. 43 N. Lindqvist, Bibelsvenskans medeltida ursprung, in Nysvenska studier 1929, S.40. 44 N. Fransén 1941, S.123.
18
Unsicher ist dagegen der Umfang der Benutzung des griechischen Textes. Dieser war in
den geläufigen Ausgaben parallel zur lateinischen Übersetzung des Erasmus gedruckt, so
dass auch bei geringen Griechischkenntnissen ein Vergleich mit dem Urtext leicht gemacht
wurde. Jedoch taugen von den angeführten45 Stellen nur wenige dazu, die Benutzung des
griechischen Textes zu beweisen. Das soll an einigen Beispielen gezeigt werden.
Auf den ersten Blick scheint Apg 20,1 eine überzeugende Belegstelle zu sein. Erasmus:
avspasa,menoj; S1526: helsadhe them; dagegen steht im lateinischen Text des Erasmus: comp-
lexus illos, Vulgata: exhortatus eos valedixit, Luther: gesegnet sie. Aber „hälsa“ bedeutet
außer dem üblichen „grüßen“ im Sprachgebrauch der reformatorischen Bibelübersetzungen
auch „auf Wiedersehen sagen, Abschied nehmen“ (Belege: Apg 18,18 in S1526 und Tob 5,17
in GVB). So wird man den schwedischen Text hier als freie, sinnentsprechende Übersetzung
beurteilen können, schwerlich aber als Berücksichtigung des griechischen Textes.
„Godwiliogheet“ in 2.Kor 8,9 braucht keineswegs eine direkte Übersetzung von ca,rin
zu sein, sondern kann auch von „beneficentiam“ (Erasmus), „gratiam“ (Vulgata) oder „gnad“
(Luther) abgeleitet werden.
Nur zwei Stellen sind als Argument für den Einfluß des griechischen Textes wirklich
tauglich: Mt 22,16 und 2.Kor 10,7 übersetzt Luther pro,swpon zweimal mit „ansehen“, der
schwedische Text hat aber „ansichte“. Auch wenn man berücksichtigt, daß die wörtliche Ent-
sprechung zu Luther, nämlich „anseende“, unmöglich gebraucht werden konnte, da es in der
Sprache des Neuen Testamentes nur aktive Bedeutung hat (vgl. Apg 10,34 und 1.Petr 1,17),
so wird wohl hier die Wortwahl auf den griechischen Text zurückzuführen sein. Der lateini-
sche Text des Erasmus und die Vulgata kommen als Vorlage kaum in Betracht. Sie haben Mt
22,16 beide „personam“ und 2.Kor 10,7 „in conspectu“ bzw. „secundum faciem“. Doch darf
die Möglichkeit einer idiomatischen Übersetzung hier nicht ausgeschlossen werden, obwohl
die Beispiele der Wörterbücher keinen Beleg dafür vor 1526 verzeichnen.
Wenn auch die Benutzung des griechischen Textes niemals bewiesen werden kann – es
wird vor allem auf die Stellen hingewiesen, wo die Wahl zwischen Luther und Erasmus’ latei-
nischem Text anscheinend gemäß dem Urtext entschieden wurde46 – so ist sie mir doch sehr
zweifelhaft geworden.
45 E. Stave, Om källorna till 1526 års öfversättning af Nya Testamentet, 1893, kann (S.215) nur 18 Stellen anfüh-ren, wo seiner Meinung nach allein der griechische Text die schwedische Übersetzung bestimmt. 46 Gegen diesen Hinweis Staves kann man einwenden, dass der schwedische Übersetzer sich auch an manchen Stellen, wo Luther und Erasmus’ lateinischer Text voneinander abwichen, gegen die griechischen Text ent-schieden hat; z.B. Apg 28,11 Erasmus: Dioskou,roij und „Castor et Pollux“, Luther: „zwilling“ und Glosse „Kastor
19
Als Indiz für griechische Sprachkenntnisse könnte noch die Bemerkung in der Sonder-
vorrede genannt werden, daß man bei der Übersetzung nicht immer Worte gefunden hätte,
die völlig den lateinischen und griechischen Worten entsprächen, sowie die Erwähnung
zweier griechischer Wörter in den Worterklärungen („ecclesia“ und „presbiter“). - Aber mehr
als ein gegentliches Hilfsmittel ist der griechische Text wohl nirgends gewesen.
Auch die geringe Ausnützung der Annotationes des Erasmus, die viele griechische Wör-
ter enthalten, deutet in diese Richtung. Verwandt wurden hauptsächlich einige rein lateini-
sche Stücke für die Vorreden zu Jakobus und Offenbarung47. Keine einzige Marginalglosse
kann darauf zurückgeführt werden.
Die für die Benutzung der Annotationes bei der Textübersetzung vorgelegten neun Be-
legstellen48 sind keineswegs überzeugend. Erwägenswert ist allein Mt 2,17. Die Vulgata und
Erasmus haben hier „Rama“, S1526 aber „i höghdenne“. Erasmus erwähnt in einer Annotatio
zur Stelle die Übersetzung des Hieronymus von Jer 31,15: „Vox in excelso audita est“. Hier-
von wird die schwedische Übersetzung eher beeinflusst sein als von Luthers „Auff dem Ge-
birge“.49
Demgegenüber gibt es Stellen im Text, wo es ganz deutlich ist, daß der Übersetzer hier
die Annotationes nicht zu Rate gezogen hat, z.B. bei dem Komplex Apg 19,32.39.41. Hier
wird der Ausdruck evkklesi,a ausnahmsweise für einen Volksauflauf (v.32 und 41) und für eine
ordentliche Volksversammlung (v.39) gebraucht. Luther schreibt dennoch überall seine ge-
wöhnliche Übersetzung „gemeyne“. S1526 folgt ihm in v.32 mit seiner üblichen Übersetzung
„försambling“, merkt aber dann, dass dieser Ausdruck nicht passt und ändert in v.39 zu „till-
börligh samqämd“ (ordentliche Versammlung) und in v.41 zu „folkit“. Erasmus dagegen be-
gründet in Annotationes zu v.32 und 39, weshalb er an allen diesen drei Stellen statt dem
„ecclesia“ der Vulgata lieber „concio“ bzw. „legitima concio“ schreibt. Die Ausdrucksweise
von S1526 wäre sicher nicht so unausgeglichen ausgefallen, wenn er die Annotationes zu
Rate gezogen hätte.
und Pollux“, S1526: „Castor och Pollux“) und 1.Kor 7,39 (Erasmus: Gunh. de,detai no,mw und „matrimonio, Luther und Vulgata: „gesetz“, S1526: Ehe). 47 s.u. Kap. A.III „Die Vorreden“. 48 S.Henning 1963, S.68. 49 Auch bei der von G. Sjögren, Om språket i de svenska bibelöversättningarna 1526-1541, 1949, S.47 angeführ-ten Stelle Mk 3,21 ist die Benützung der Annotationes möglich.
20
Kehren wir zu den sicher nachgewiesenen Vorlagen zurück und versuchen, näher zu
bestimmen, welche ihrer Auflagen angewandt wurden.
Von der Vulgata wurde die verbesserte Ausgabe von Osiander (1522) benutzt, und
zwar in der Form der 2.Auflage, 1523.50
Vom Erasmustestament (1516, Neubearbeitungen 1519 und 1522) wurde wahrschein-
lich die Ausgabe von 1522 benutzt.51
Von Luthers Übersetzung wurden verschiedene Ausgaben benutzt52, vor allem die nie-
derdeutschen Ausgaben Wittenberg 1523 und 1525 sowie Hamburg 1523.53 Wahrscheinlich
wurden mehrere hoch- und niederdeutsche Ausgaben aus den Jahren 1522 und 1523 ver-
wandt.
Ehe ich auf die Benutzung der Vorlagen bei der Übersetzung selbst eingehe, will ich auf
einige Besonderheiten der äußeren Form hinweisen.54
Die Absatzeinteilung folgt im Allgemeinen Luther, nicht dagegen die Kapiteleinteilung.
Bei den Kapitelabschlüssen richtet sich S1526 nach Erasmus (gegen Luther) bei 1.Kor 10,
2.Kor 1, 2.Kor10 55), Gal 5, Hbr 4, Off 11. Ein Sonderfall ist der Abschluß von Mt 21, da S1526
sich hier nach der Vulgata richtet (gegen Luther und Erasmus).
Kürzere oder längere Auslassungen gibt es bei Mt 17,25; Mk 1,26; Lk 19,35; 2.Kor
12,18; Eph 1,10; 1.Joh 5,10; Hbr 7,2 und Off 21,3.
Im Folgenden will ich an einigen Punkten die Eigenart der schwedischen Übersetzung
aufzeigen. Diese wechselt in der Benutzung ihrer Vorlagen so oft von einer zu anderen,
dassß man eine bewusste Auswahl annehmen muss. Das gibt zur Frage Anlaß, ob dabei be-
stimmte Gesichtspunkte maßgebend waren. Den Maßstab des griechischen Urtextes dürfen
50 Biblia sacra … recognita et emendata, Nürnberg (Peypus), 1523; vgl. S. Henning 1963, S.76f. 51 Novum testamentum … ab Erasmo Roterodamo recognitum, Basel (Froben), 1522; vgl. E. Stave 1893, S.VI. 52 S. Belfrage, Den tyska förlagan till Nya testamentet 1526, in: Sixten Belfrage, Studier i svensk reformationslit-teratur 1, LUÅ 1931, S.20ff untersuchte nur die Wittenberger hochdeutschen Testamente und meinte, eine der beiden ersten Ausgaben, wahrscheinlich das Septembertestament, sei die Vorlage. S. Henning, Vilka ha över-satt Nya testament 1526? In: Nysvenska studier 1963, S. 16-139, zog S.84f die schon von anderen erwogene Wittenberger niederdeutsche Ausgabe, 1523, heran und meinte, ihren Einfluß an 138 Stellen, den der hoch-deutschen Ausgabe dagegen nur 17mal feststellen zu können. Diese Frage muß noch einmal untersucht wer-den. 53 Knut Evers, Studien zu den Vorlagen des schwedischen Neuen Testaments vom Jahre 1526, Göteborg 1984, S.179. Benutzt wurde auch der hochdeutsche Nachdruck Straßburg 1523 (Evers S. 180), den Belfrage schon als Vorlage für die typographische Gestaltung von S 1526 genannt hatte (Belfrage 1931, S.19). 54 Vgl. auch E .Stave 1893, S.201 und S. Henning 1963, S.74ff. 55 Luther teilt ab 1524 an derselben Stelle ab. In seinen beiden Ausgaben von 1522 war diese Abteilung ganz vergessen worden (gegen E. Stave 1893, S.126 Anm.3).
21
wir wohl nach dem oben Gesagten beiseite lassen. Er hat für den Übersetzer in erster Linie
die Bedeutung gehabt, daß er das Vertrauen in Erasmus’ lateinischen Text stärkte.
b. Die Theologie der Bibelübersetzung
Die beiden Hauptvorlagen Luther und Erasmus sind Vertreter verschiedener Grund-
prinzipien in Bezug auf die Bibelübersetzung.
Erasmus geht es allein um eine philologisch korrekte Übersetzung. Für ihn ist der Bibel-
text nur das Grundmaterial, aus dem unter Leitung der Kirche und unter Anwendung von
Allegorien der wahre göttliche Sinn erst herausgeholt werden muß. Deshalb sind auch bei
der Übersetzung nur philologische Gesichtspunkte, nicht persönliche Glaubensüberzeugun-
gen ausschlaggebend.
Für Luther ist der Text als Zeugnis von Gottes Handeln dessen direktes Wort an den
Menschen. Die Bibel ist die einzige und die unmittelbare Grundlage für Glaube, Predigt und
Theologie, in denen sich alles konzentriert auf das Gegenüber von Gott und Mensch, Glaube
und Unglaube. Da es für ihn in allen biblischen Geschichtn im Grunde nur um dieses Gege-
nüber geht, ist der Bibeltext selbst von entscheidender Wichtigkeit. Seine Übersetzung er-
wächst aus einem Wechselspiel von philologisch-historischer Untersuchung der Einzelstellen
und deren Verstehen vom Ganzen oder – was für ihn dasselbe ist – von der Mitte der Schrift
her. So scheut er sich auch nicht, viele Stellen, die für sich allein genommen mehrdeutig sind,
vom Gesamtzeugnis der Bibel her zu interpretieren und durch Einfügung von verdeutlichen-
den Zusätzen oder durch pointierte Übersetzung eindeutig zu machen.
Vom schwedischen Übersetzer besitzen wir keine theoretischen Erörterungen über die
Prinzipien seiner Arbeit. Im Folgenden will ich versuchen, aus der Übersetzung selbst einige
Schlussfolgerungen zu ziehen.
1. Die Behandlung der theologisch begründeten Zufügungen Luthers
An einigen für ihn wichtigen Bibelstellen hat Luther durch Zufügung einiger Worte den
Sinn der Stelle verdeutlicht. Er ist oft deswegen angegriffen worden und hat sich öffentlich
verteidigt. Von Interesse sind hier besonders die Stellen Röm 3,20 (durch das Gesetz kommt
„nur“ Sündenerkenntnis) und 4,15 (das Gesetz richtet „nur“ Zorn an), Röm 3,28 („allein“
22
durch den Glauben) und 4,6 (die Seligkeit sei „allein“ des Menschen …). Alle diese Zufügun-
gen werden von S1526 ausgelassen. Nur Röm 3,26 wurde eine solche Verdeutlichung über-
nommen (auf dass er „allein“ gerecht sei).
Dabei ist aber noch die Frage offen, ob der Grund zu dieser Auslassung eine kritische
Haltung gegenüber Luthers Theologie war oder nur der Wunsch nach einer möglichst wörtli-
chen Übersetzung des Grundtextes, der für den Übersetzer durch den lateinischen Text des
Erasmus repräsentiert wurde.
Letzteres ist z.B. der Fall bei
2. Die Übersetzung von Eph 1,10
Im griechischen Text heißt es hier, Gottes Wille werde kundgetan eivj oivkonomi,an tou/
plhrw,matoj tw/n kairw/n56, was Erasmus mit „ad dispensationem“ übersetzt. Dem schließt
sich der schwedische Text mit „ath vthskifftas skulle“ (damit ausgeteilt werde) an.
Luther übersetzt frei gemäß seiner Auffassung vom göttlichen Heilsplan57 „das es pre-
digt wurd“. Dass der schwedische Übersetzer dasselbe meint, auch wenn er glaubt, nicht so
frei übersetzen zu dürfen, zeigt die von ihm dazugesetzte Randglosse: „Diese Austeilung ist
durch das Kommen Christi geschehen und geschieht noch täglich in seinem Auftrag durch die
Lehrer, die Austeiler von Gottes Geheimnissen genannt werden. 1.Kor.4.“
Aber es gibt auch Stellen, an denen eine theologische Meinungsverschiedenheit zum
Ausdruck kommt. Dazu gehört
3. Die Übersetzung von Röm 10,4
„Nam perfectio (te,loj) legis est Christus“ wird von Luther mit „ende“, von S1526 mit
„fulboordan“ (Vollendung) übersetzt (Vulgata: finis).58
Auf diesem Weg der Vergleichung von Einzelstellen könnte bei einer genauen Durch-
sicht des Neuen Testamentes vielleicht noch einiges mehr über den theologischen Hinter-
grund der schwedischen Übersetzung zu erfahren sein, worauf aber hier verzichtet wird.
56 „zur Durchführung der Fülle der Zeiten“ (H. Schlier, Der Brief an die Epheser, 3. Aufl., 1962). 57 Vgl. E. Hirsch, Luthers deutsche Bibel. 1928, S.28 Anm.47. 58 Zum Gesetzesverständnis des schwedischen Übersetzers s.u. Kap. A.I.c „Die theologische bedingten Ände-rungen in den Vorreden“.
23
Eine andere Möglichkeit ist die Untersuchung der verschiedenen Übersetzungen eines
theologisch gewichtigen griechischen bzw. lateinischen Begriffs an verschiedenen Stellen,
was im Folgenden geschehen soll.
4. Die Übersetzung von di,kaiojdi,kaiojdi,kaiojdi,kaioj
Das griechische di,kaioj wird von Erasmus und der Vulgata immer mit „iustus“ wieder-
gegeben.59 Luther teilt das Wort je nach dem Zusammenhang auf in die beiden Möglichkei-
ten „fromm/Frommer“ und „gerecht/Gerechter“60. „Fromm“ bezieht sich dabei auf das Ur-
teil der Mitmenschen, während „gerecht“ meint: durch Gott gerecht gesprochen. Durch die-
se unterschiedliche Übersetzung macht Luther deutlich, daß zwischen der von Menschen
feststellbaren „Frömmigkeit“ und der nur im Glauben zu empfangenden „Gerechtigkeit“ ein
Unterschied bestehen kann.
S1526 teilt „iustus“ bei der Übersetzung auch auf. Wo Luther „fromm“ schreibt, wird
übersetzt „rättwis“ (1mal), „from“ (2mal), „rätfärdig“ (1mal); wo Luther den Ausdruck „ge-
recht“ anwendet, heißt es „rättfärdig“ (12mal) und „rättwis, meenlös, vskyllig“ (je 1mal)61
Die beiden Hauptübersetzungen „rättfärdig“ und „rättwis“ decken sich also nur zum Teil mit
Luthers schärferer, theologisch begründeter Grenzziehung.
5. Die Übersetzung von sw,zeinsw,zeinsw,zeinsw,zein
Luther unterscheidet bei der Übersetzung zwischen Hilfe und Rettung im Äußeren
(„helfen, aushelfen, erhalten, gesund werden, besser werden“) und einer spezifisch religiö-
sen Bedeutung („selig machen bzw. werden“).62 Diese Aufteilung bringt zum Ausdruck, dass
sich das rettende Handeln Gottes auf verschiedene Weise vollzieht. Die höchste ist die Mit-
teilung der eschatologischen Gabe der Gottesgemeinschaft, der Seligkeit. Sie wird uns schon
hier auf Erden im Geschehen der Sündenvergebung zuteil. Und zwar auch, wenn wir uns
vielleicht in einer äußerlich elenden, „gottverlassenen“ Lage befinden sollten.
Erasmus verwendet bei der Übersetzung zwei Wörter: „servare“ und „salvus esse, fieri,
facere usw.“ Dabei deckt der zweite Ausdruck beide Bereiche Luthers, während „servare“
nur gebraucht wird, wo Luther „helfen“ usw. übersetzt (Ausnahme: Mt 18,11). Das bedeutet,
dass Erasmus keinen besonderen Ausdruck für das rein innerliche Wirken Gottes hat.
59 Untersucht wurden Matthäus und Markus (18 Stellen). 60 dazu einmal „recht“ (Mt 20,4). 61 und bei Mt 20,4 „skälig“. Vgl. auch die Übersetzung von „frum“ in der Glosse zu Gal 2,17 durch „froom och retferdugh“. 62 Vgl. E. Hirsch 1928, S.55ff.
24
Der schwedische Übersetzer besitzt eine große Auswahl von Übersetzungsmöglichkei-
ten.63 Einer dieser Ausdrücke bezieht sich allein auf das Innerliche: „bliva bzw. warda salig“
(seltsamerweise nur in passivischen Konstruktionen), einige andere werden allein für den
Bereich des äußeren Helfens verwandt, z.B. „hielpa, behålla (erhalten), bliva helbrägda“.
Zwei Wörter aber decken beide Bereiche Luthers: „frelsa“ (13mal) und (seltener) „förwa-
ra“.64 Der Übersetzer will also den Bereich des göttlichen Handelns – soweit es im Griechi-
schen mit sw,zein ausgedrückt wird – nicht so auf zwei Gruppen verteilen, wie Luther es tut.
Dieser Sprachgebrauch änderte sich aber mit der Weiterentwicklung der religiösen
Sprache. „Seligkeit“ und damit zusammenhängende Wendungen wurden wichtige Begriffe
der Erbauungsschriften des deutschen Luthertums. Im Schwedischen aber wurde der Ge-
brauch von „salighet“ und „göra salig“ durch „frälsning“ und „frälsa“ eingeengt, für das es
kein entsprechendes Wort in Deutschen gibt. Unter dem Einfluß der deutschen lutherischen
Frömmigkeit musste deshalb notwendigerweise „frälsa“ usw. seinen Inhalt ändern; es wurde
immer mehr vergeistlicht und ist heute etwa gleichbedeutend mit „göra salig“ usw.
6. Die Übersetzung von meta,noiameta,noiameta,noiameta,noia
Die Vulgata (und Erasmus) hatten meta,noia und metanoiei/n mit „poenitentia und „poe-
nitentiam agere, habere“ oder „poenitere“ wiedergegeben.65
„Poinetentia“ konnte (ebenso wie meta,noia) im kirchlichen Gebrauch sowohl „Angst,
Sinnesänderung“ (1), als auch „Wiedergutmachung, Ersatzleistung“ (3) bedeuten. Das Buß-
sakrament wurde in der theologischen Fachsprache aufgespalten in contritio (1) – confessio
(2) – satisfactio (3).
Luther übersetzt das Substantiv im Neuen Testament überall mit „busze“, nur 2.Kor 7,9
mit „reue“.
In Schweden wurde im Sprachgebrauch des Mittelalters für (1) besonders „idroghe“,
„ånger“ und „ryghilse“ verwandt, während in der gleichen Doppelbedeutung wie pointentia
„bot“ und „bätring“ verwandt wurden. Hierbei neigt „bot“ zur Bedeutung (3), während die
Belege für „bätring“ für beide Bedeutungen gleich stark zu sein scheinen. Die alte Überset-
63 Untersucht wurden die Synoptiker. 64 „Frelsa“ wird daneben noch als Übersetzung vieler anderer Wörter gebraucht. 65 Zum ganzen Abschnitt vgl. H. Pleijel, Huru böra orden meta,noia och metanoiei/n bäst återgifvas i svensk bibelöfversättningh? 1925, und C.E. Thors, Den Kristne terminologien i fornsvenskan, Studier i nordisk filologi 45, 1957.
25
zung der Apostelgeschichte verwendet meist „idhroga“, die Evangelienperikopen haben
„idhroge“, „idhrilse“ und „bätring“.
Der Übersetzer der Reformationszeit schreibt fast immer „bätring“ (21 mal). Dazu
kommt die Umschreibung „sigh bätradhe“ (Apg 26,20), sowie „rettelse“ (2.Tim 2,25) und
„boot“ (Hbr 12,17 über Esau). Es wird also durch die Wortwahl sowohl die Verlagerung der
Buße in die reine Innerlichkeit als auch die Betonung der menschlichen Leistung abgelehnt,
zweier Extreme, die beide im mittelalterlichen Sprachgebrauch auftauchen.
Dem entspricht der Gebrauch beim schwedischen Reformator Olavus Petri. In einer
Schrift von 1528 referiert er, daß die Papisten die „Penitenciam eller syndabätring“ dreige-
teilt hätten in ånger j hiertat, bekenntilse medh munnen j scrifftemålen, och syndaboot ep-
ter scrifftemålen“66. Demgegenüber betont er: „… och eskar icke gudh annor boot vthaff oss,
än at wij bättre oss återwändandes aff syndene, och leffue jtt nytt leffuerne epter gudz
sinne“67
Beim Verb übersetzt Luther gewöhnlich „busze thun“, dreimal aber auch „sich bes-
sern“. Im Schwedischen steht meist „bätra sigh“ (23 mal), oft „giöra bätring“ (5 mal), selte-
ner „giöra synda bätring“ und „lägga boot vppå“ (je 2 mal) und je einmal „ångra“ und „åter-
wenda aff“.
7. Die Übersetzung von evkklesi,aevkklesi,aevkklesi,aevkklesi,a
Der Ausdruck evkklesi,a findet sich nur zweimal in den Evangelien (Mt 16,18 und 18,17),
gar nicht in den Johannesbriefen und der Offenbarung, oft dagegen in der Apostelgeschichte
und in fast allen Briefen. Er bezeichnet teils die Gesamtheit der Christen, teils die Einzelge-
meinde, ja sogar die Hausgemeinde (Röm 16,5). An einzelnen Stellen (Apg 19) ist auch ein
Volksauflauf bzw. eine Volksversammlung gemeint.
Erasmus übersetzt gewöhnlich gemäß der Vulgata „ecclesia“, ändert aber an einigen
Stellen, um den Inhalt klarer zu machen, z.B. Röm 16,5 „congregatio“ und Apg 19,32. 39.40
„concio“.
Luther verwendet durchweg „gemeyne“, auch an so unpassenden Stellen wie Apg 19.
S1526 ist hier in der Übersetzung von seinen Vorlagen ziemlich unabhängig und von
anderen Faktoren bestimmt. Er übersetzt folgendermaßen68: Mt 16,18 und 18,17 „kyrkio“,
66 OPSS I, S.378f. 67 „… und verlangt Gott keine andere Buße von uns, als dass wir uns bessern, indem wir uns von der Sünde abwenden, und ein neues Leben nach Gotts Sinn leben.“ 68 Untersucht wurden Mt – Röm und Gal – Eph (42 Stellen).
26
danach fast durchgehend „försambling“. Ausnahmen: Apg 19,39 „samqwämd“, 19,41 „fol-
kit“, Röm 16,5 „them försambladhe äro“. Auffallend ist, daß er „försambling“ an einigen Stel-
len – ohne jede Vorlage – in den Plural setzt, teils sinnvoll (z.B. Apg 5,11; 8,3; 9,31), teils we-
niger begründet (z.B. Apg 20,17; Röm 16,23).
Aber mit diesem Befund ist erst die Hälfte gesagt, es müssen nämlich die dazugehöri-
gen Worterklärungen in der Vorrede und in drei Glossen berücksichtigt werden.
Die Glossen: Mt 16,8 „Meine Kirche. Das ist meine Gemeinde oder Christenheit“, Mt
18,17 „Kirche. Das ist sozusagen, die christliche Gemeinde“, Apg 8,1 „Gemeinde. Hier und
fast überall hiernach ist mit diesem Wort Gemeinde die christliche Gemeinde gemeint, die
auch einige Kirche nennen; die Christen werden auch manchmal Brüder und manchmal Jün-
ger genannt“.
Die Worterklärungen der Vorrede: „Kirche. Wo dies Wort Ecclesia im Griechischen
oder Lateinischen steht ist manchmal Kirche und manchmal Gemeinde geschrieben; doch ist
damit nichts anderes gemeint als „försambling, samqwend, eller menegheet“. Doch ist nun
die Sitte aufgekommen, daß man dieses Wort für den Tempel gebraucht, daher, weil die
Versammlung da zu geschehen pflegt. Aber in der Schrift wird es nicht anders gebraucht als
nun gesagt wurde, und wird meist für die christliche Gemeinde gebraucht, besonders im
Neuen Testament, die man nun die heilige christliche Kirche zu nennen pflegt, wie man im
Credo liest.“ Und die folgende: „Gemeinde. Das Wort wird meistens für die christliche Ge-
meinde angewendet; wo es auch für die Gemeinde der Juden angewendet wird, so zeigen
das wohl die Worte an, die davor und danach stehen.“
Die Auffassung der Schlußredaktion ist deutlich: sowohl „kyrkia“ wie „försambling“
meinen in erster Linie die Einzelgemeinde. Das wird besonders deutlich an den Stellen, wo
S1526 selbständig doe Pluralform von „försambling“ anwendet, weil es sich anscheinend um
mehrer Einzelgemeinden handelt (z.B. Apg 5,11; 8,3; 9,31). Die ethymologisch ursprüngliche
Bedeutung des „sich sammeln“ wird betont. Eine „Hausgemeinde“ wird allerdings nicht als
richtige Gemeinde anerkannt, daher wird der Ausdruck verbal aufgelöst (Röm 16,5)69. In
zweiter Linie ist auch die Gesamtheit der Gläubigen gemeint. Darüber wird aber nicht reflek-
tiert. Es zeigt sich nur im Übersetzungsgebrauch und in der Worterklärung zu „kyrkia“, wo
auf das Credo verwiesen wird.
69 „then försambladhe äro“.
27
Es ist auffallend, daß nur im Matthäusevangelium der Ausdruck „kyrkia“ verwendet
wird, obwohl einmal deutlich die Gesamtkirche (Mt 16,18), das andere mal die Einzelge-
meinde (Mt 18,17) gemeint ist. Gab es für diese beiden wichtigen Stellen schon eine feste
schwedische mündliche Tradition, oder kann man hier eine ältere Übersetzungsschicht spü-
ren? Das erste scheint mir wahrscheinlicher zu sein.
„Försambling“ ist vor der Reformation niemals als religiöser Fachausdruck gebraucht
worden. Außer „kyrkia“ wurden noch benutzt: „samfunder“, „samnadher“ und „samk-
vämdh“70. Dem Übersetzer genügte es also nicht, seine Ekklesiologie in den Anmerkungen
darzulegen, sondern er wollte sie auch durch eine völlig neue Wortwahl zum Ausdruck brin-
gen.
8. Die Behandlung mehrdeutiger Genetivkonstruktionen
In die Nähe der schon erwähnten verdeutlichenden Zusätze Luthers gehört seine ein-
deutige Übersetzung von im Griechischen und Lateinischen mehrdeutigen Genetivkonstruk-
tionen, die von S1526 nie mitgemacht wird; Beispiele: Röm 3,21a. 25b. 25c. 26 10,3 (zwei-
mal): justitia Dei – Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, oder Röm 3,22a: „Gerechtigkeit vor Gott“
– der schwedische Bearbeiter üersetzt immer „Gudz rättfärdighet“. Ähnlich Röm 3,23: gloria
Dei – „des Preises, den Gott an ihnen haben sollte“ oder Röm 3,26c u.ö.: ex fide Jesu –
„Glaube an Jesus“ – „aff Jesu troo“, eine Ausnahme bildet hier Gal 2,16: „troona till Jesum
Christum“.
c. Zusammenfassung
S1526 hat ein deutliches Streben nach einem philologisch-historisch gutenText. Dieses
Streben lässt ihn nach dem lateinischen Text des Erasmus als Hauptvorlage für seine Über-
setzung greifen.
Andererseits will er eine auch dem Laien und Landpfarrer verständliche Übersetzung
geben. Das lässt ihn zu Luthers Übersetzung als seinem wichtigsten Hilfsmittel greifen. Wie
es aber bei der Übersetzung der Wortwahl und der Genitivkonstruktionen deutlich wurde,
übernimmt er nicht dessen einheitliche, theologisch geprägte Übersetzung. Ein geschmeidi-
70 C. E. Thors 1957, S 28ff.
28
ges, vorsichtiges Anpassen an den zu übersetzenden Text ist ihm wichtiger als eine deutli-
ches Herausarbeiten der theologischen „Sache“. Er scheut sich nicht, eigene Wege zu gehen,
um deutlich zu machen, wie er den Text versteht, z.B. bei der Übersetzung von meta,noia und
evkklesi,a.
Daß Luther nicht die Hauptvorlage war, geht auch u.a. daraus hervor, daß m.W. nie ei-
ner seiner Flüchtigkeitsfehler übernommen wurde71.
Diese beiden Prinzipien geraten jedoch miteinander in Streit bei der Wiedergabe
schwieriger oder nicht ohne weiteres klarer Begriffe und Wendungen. Im Allgemeinen ent-
scheidet S1526 sich an solchen Stellen für die wörtliche Übersetzung des lateinischen Textes
und klärt die Stelle dann durch eine Glosse. Dazu mehr in den Kapiteln über die Sprache und
die Glossen72.
III. Die Vorreden
a. Überblick
Luther hat bei seiner Übersetzung den meisten Büchern der Bibel, sowie dem Alten
Testament und Neuen Testament als ganzen, Vorreden beigegeben, die den Leser zu rech-
tem Lesen und Verstehen anleiten sollen. Ihr Inhalt war je nach Bibelbuch, aber auch je nach
den Zeitumständen der Abfassung der Vorreden verschieden.73
Luthers Vorreden zum Neuen Testament wurden zum größten Teil von S1526 über-
nommen. Hier sollen nur die Auslassungen, Abänderungen und Zufügungen behandelt wer-
den, die bei der Übersetzung ins Schwedische vorgenommen wurden.74
71 Luther lässt z.B. in Mt 9,17 und 190 je einige Worte (bis 1527’) aus oder flicht in v.18 ein „tzu yhm“ (bis 1527’) ein. 72 M.W. die einzige Stelle, an der S1526 ohne eine Vorlage freier als Luther übersetzt und dadurch eine Glosse überflüssig macht, ist Apg 27,17. Hier schreibt der schwedische Übersetzer „Sandbank“ statt „Syrte“. 73 M. Schild, Abendländische Bibelvorreden bis zur Lutherbibel, Quellen und Forschungen zur Reformationsge-schichte Bd. 39, Gütersloh 1970. 74 Näheres in Jürgen Quack, Evangelische Bibelvorreden von der Reformation bis zur Aufklärung. Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte Bd. 43, Gütersloh 1975, S.19-28.
29
Da die theoretische Möglichkeit besteht, daß die verschiedenen Bibelbücher und Vor-
reden nicht immer von der gleichen Person bearbeitet wurden, so könnte man vielleicht ver-
langen, daß die einzelnen Vorreden je für sich behandelt werden. Es zeigt sich jedoch bei der
Untersuchung, daß fast alle Abweichungen aus einer einheitlichen Grundanschauung erklärt
werden können. Daher ist man wohl berechtigt, sie nach Themenkreisen geordnet zu be-
handeln.
Sämtliche Vorreden Luthers wurden, wenn auch oft verkürzt und manchmal abgeän-
dert, übernommen. An Zufügungen ist vor allem eine zweite Allgemeine Vorrede mit einem
Register unbekannter Worte zu erwähnen, weiterhin einige Zusätze zu den Vorreden des
Römerbriefes75 und der Offenbarung.
Nehmen wir uns wegen ihres einführenden Charakters zuerst die Sondervorrede zum
Neuen Testament vor: „Hier hast du nun, christlicher Leser, die Bücher des Neuen Testamen-
tes auf schwedisch…“. Diese sind zunächst auf griechisch und hebräisch geschrieben worden.
In Italien wurden sie dann ins Lateinische übersetzt. Aber als das Christentum sich weiter
ausbreitete, da wurden „die Heilige Schrift und das Stundengebet für uns gefangen in der
Sprache“, die die römische Kirche benutzte und nicht weiter übersetzt „in die eigene Sprache
jedes Landes“. Das war falsch, denn „wie Christus gekommen ist, alle zu erlösen („frelsa“), so
muß auch sein Wort, das er um unserer Seligkeit willen lehrte, allgemein bekannt und nie-
mandem verborgen sein“.
So konnte man nun in den Ländern, „die der Römische Kirche gehorcht haben“ nur
Priester werden, wenn man Latein konnte, obwohl bei der Beschreibung der notwendigen
Tugenden eines Priesters in 1.Tim 3 nichts davon steht. Dazu ermahnt uns Paulus 1.Kor 14 zu
einer verständlichen Verkündigung. Da nun von den jetzigen Priestern ein großer Teil wenig
Latein kann, predigen („lära“) sie schlecht und selten, „obwohl es doch das höchste Amt des
Priesters ist, seine Herde Gottes Wort zu lehren. Deshalb ist nun als erstes das Neue Testa-
ment auf schwedisch herausgegeben – das Alte kann mit Gottes Hilfe wohl bald folgen –
damit arme, einfältige Priester, die wenig Latein können und in der Schrift unerfahren sind
und desgleichen andere Christenmenschen, die ein Buch lesen können, hier wenigstens den
einfältigen Text haben mögen, wie er von den Evangelisten und Aposteln geschrieben ist“.
Die Vorreden und kleinen Auslegungen auf den Rändern sind für die in der Schrift
Unerfahrenen, die nicht gleich verstehen, was sie lesen. Sie sind aber nicht dem Text gleich
75 Der zweite Teil der Vorrede, der eine Inhaltsangabe des Briefes ist, enthält zwei Einschübe gegenüber Luthers Vorredentext. Es sind dies allerdings fast wörtliche Übernahmen von Luthers Glossen zu Röm 3,7 und 8,1.
30
zu achten, sondern sollen von ihm aus geprüft werden, „denn der Text ist das Wort der
Evangelisten und Apostel, durch die zweifellos der Heilige Geist redete“.
Niemand soll sich wundern, wenn die Worte in der Schrift oft nicht so ganz leicht zu
verstehen sind, denn manchmal gibt es im Schwedischen kein genau entsprechendes Wort.
Dazu ist die Bibel – außer im Stundengebet – lange nicht im Gebrauch gewesen, so dass ihre
Wörter neu erscheinen, bis man etwas geübter ist und schließlich keine Ausdeutungshilfen
mehr braucht.
Diese Übersetzung76 mag wohl auch in Zukunft verbessert werden. Doch soll man mit
Kritik und Verbesserungen nicht vorschnell zur Hand sein, denn der Übersetzer („tolken“)
habe immerhin „mehrere Bücher und die Schriften mehrerer Lehrer gesehen“.
„Und da einige Worte, wie gesagt, selten zu sein scheinen, sind hier einige von ihnen
zusammengestellt wie in einem Register und ausgelegt, was das Wort bedeutet – für die
Einfältigen, solange sie beginnen, sich damit vertraut zu machen“. Dann folgen kurze Erklä-
rungen zu den Wörtern Menschenlehre, Knecht, Erstgeburt, nüchtern, Epistel, Frömigkeit,
Pharisäer, Sadduzäer, Zöllner, Gerechtigkeit, verfolgen, Tetrarch, rühmen, vergeblich, erzür-
nen, Sabbat, Tage der süßen Brote, Kirche, Gemeinde, Kelch, anbeten, Satan, ehebrecheri-
sches Geschlecht, Tabernakel, Schatz, Saat, Fleisch, Seele, Kreuzotter, Synagoge, Priester,
Ältester, Bischof, Neid, Proselyt, heilig, Bruder, Schwester, schlafen und entschlafen, Tod,
Leben, Beschneidung und auserwähltes Kind.
Diese Vorrede ist m.W. völlig selbständig und zeigt klar die Motive und das Ziel der
Übersetzung. Wir werden im Folgenden öfters wieder darauf zurückkommen, wie S1526 sich
von den hier geäußerten Grundsätzen leiten läßt.
Die Idee zur Wortliste stammt vielleicht vom dänischen Neuen Testament von 1524,
das eine solche an der gleichen Stelle besitzt. Inhaltlich gibt es jedoch keine Beziehung77.
76 „thenna förtolkilse“ – es ist hier nicht klar, ob im Folgenden der Text selber oder die Vorreden und Glossen oder beides gemeint sind. 77 So sind z.B. die Erklärungen zu den in beiden Wortlisten enthaltenen Stichwörter Fleisch, Kirche, Bischof, Priester, Pharisäer und Tod ganz verschieden. Im Vorredentext enthält nur ein Satz eine auffallende Parallele, die aber zum Beweis einer literarischen Abhängigkeit nicht ausreicht:
„Wie Christus sein Blut für alle seine Auserwählten vergossen hat, so will er auch, dass sein heiliges Wort allen seinen Heiligen gemein sein soll, in allen Ländern und Sprachen …“ (2.Teil, s Aa iij)
„Wie Christus gekommen ist, alle zu erlösen, so muss auch sein Wort, das er um unserer Seligkeit wil-len lehrte, gemein sein und niemandem verborgen. (S1526, S. * iiij)
Zu der Wortliste vgl. auch die Bemerkung des Erasmus in seinem Argumentum zum Römerbrief: „Nos difficulta-tes has pro uirili conati sumus amoliri, nisi quodquaedam Paulinae linguae adeo pecularia sunt, ut aliquoties
31
b. Die nicht theologisch bedingten Änderungen
Die vom schwedischen Bearbeiter vorgenommenen Abänderungen können eingeteilt
werden in solche, die anscheinend aus theologischen Motiven geschehen – diese werde ich
unten ausführlich behandeln – und solche, die aus anderen Gründen geschehen. Diese kann
man zu folgenden Gruppen zusammenfassen:
1. Drastische Äußerungen Luthers werden ausgelassen oder gemildert (19 Stellen), z.B. wird
„mit glosen vnd mancherley geschwetz vbel verfinstert ist“78 verkürzt zu „mit vielen Glossen
sehr verfinstert ist“.
2. Wenn Luther sich auf deutsche Verhältnisse bezieht, wird der Abschnitt meist ganz ausge-
lassen (6 Stellen), wie z.B. ein Absatz des 1.Korintherbriefes, der beginnt „Aller dinge wie es
itzt auch vns gehet, nach dem wir den Deutschen das Euangelion eröffenet …“79
3. Auch Beispiele aus der Kirchen- und Theologiegeschichte (5 Stellen) fallen oft weg.
4. Stellen, an denen Luther von seiner eigenen Übersetzungsarbeit spricht, werden meist
umgeformt (3 Stellen)80
5. Auf der Grenze zu den theologisch bedingten Änderungen stehen die Stellen, wo S1526
deutlich Luthers Kritik an der bestehenden katholischen Kirche abmildert. Zwei Beispiele
hierfür:
In der Vorrede zum Römerbrief schreibt Luther „gerad als hette er gewißlich ersehen,
das aus Rom vnd durch die Römer komen sollten, die verfurerischen ergerlichen Canones
vnd decretales vnd das gantz geschwurm vnd gewurm menschlicher gesetzen vnd gepot-
mutari non queant, uelut haec: fides, gratia, corpus, caro, membra, spiritus, mens, sensus, aedificare, aliaque huius generis, quae ut prorsus mutari non debuerunt, ita quo ad licuit emollire studuimus“. 78 DB 7,2,14. 79 DB 7,84,9-18. 80 z.B. DB 7,2,11ff.
32
ten“81. S1526 verkürzt zu “als ob er die vielen menschlichen Vorschriften und Gebote vor-
hergesehen hätte“.
In der Vorrede zum 2. Petrusbrief verkürzt S1526 Luthers „wie sie zur Zeit des Babs-
tes vnd Menschenlehre stehen würde“82 zu „Wie sie stehen würde in der Zeit der Menschen-
lehren“83.
Dahinter steht aber wahrscheinlich nicht eine positiver Auffassung von der Kirche in
ihrer damaligen Form, sondern viel eher taktische Gründe84. Die schwedische Reformation
vollzog sich langsam, ohne größere Brüche, in der Zeit von 1523 bis 1544 (Reichstag zu Väs-
terås, auf dem Gustav Vasa wahrscheinlich zum ersten Mal Schweden als evangelisches Land
proklamierte). Zur Zeit der Herausgabe des Neuen Testamentes standen auch die reformis-
tisch gesinnten Bischöfe noch treu zu Rom, und die von der evangelischen Bewegung Ergrif-
fenen waren noch weit in der Minderzahl. Denn erst 1523 hatte Olavus Petri begonnen, sei-
ne reformatoriscen Gedanken vorzutragen. Eine direkte Polemik gegen die Kirche war un-
möglich. Erst 1527, mit seiner Schrift „Svar på tolv spörsmål“, tat Olavus den Schritt von den
rein erbaulichen Schriften zur antikatholischen Streitliteratur.
c. Die theologisch bedingten Änderungen
In den folgenden Abschnitten werde ich oft auf die theologischen Anschauungen Ola-
vus Petris85 als Interpretationshilfe verweisen. Damit soll aber nicht behauptet werden, daß
Olavus allein der Verfasser bzw. Bearbeiter war. Aber seine Freunde, vor allem Laurentius
Andreae, werden etwa die gleiche Theologie vertreten haben. Es soll nur gezeigt werden,
wie die einzelnen Besonderheiten gut aus einer in Schweden beheimateten Theologie erklärt
werden können und vor dort her ihre Einheit gewinnen.
81 DB 7,26, 21ff. 82 DB 7,314,23f. 83 Ähnliche Stellen sind z.B. DB 7,272,12f (2. Tim), 314,13ff (2. Ptr) und 285,17ff (1. Tim). 84 Eine „weniger pessimistische Sicht der Papstkirche“ meint dagegen S. von Engeström bei Olavus Petri fest-stellen zu können (Olaus Petri och den medeltida kristendomen, UUÅ 1941, S.5). 85 Seine Theologie wird dargestellt von Sven Ingebrand, Olavus Petris reformatoriska åskådning, Uppsala 1964, und Christer Gardemeister, Den suveräne Guden. En studie i Olavus Petris teologi, Lund 1989. Dass Olavus Petri nicht nur Luthers Schriften kannte, sondern auch die Werke humanistisch geprägter süddeutscher Reformato-ren, wies Conrad Bergendoff nach (Olavus Petri and the Ecclesiasical Transformation in Sweden 1521 – 1552, Philadelphia 1965).
33
1. Gesetz und Evangelium
Zuerst zwei Stellen aus der Allgemeinen Vorrede zum Neuen Testament. Dort schreibt
Luther „Darumb sihe nu drauff, das du nit aus Christo eyn Mosen machist, noch aus dem
Euangelio eyn gesetz oder lere buch“86. S1526 übersetzt den Schluß nur mit „… auch nicht
ein Gesetzbuch“. Wenig später schreibt Luther „Das aber Christus ym Euangelio, datzu Pet-
rus vnnd Paulus viel gesetz vnd lere geben, vnd das gesetze auß legen, soll man gleych rech-
nen allen andern wercken vnd wolthatten Christi“87. S1526 übersetzt: „Da, aber Christus ins
Evangelium andere Lehren und desgleichen Gesetz einmengt, und sie ausdeutet, soll man
nicht für seine oberste Aufgabe halten, die er hier in der Welt hatte, sondern sie rechnen wie
alle anderen Wohltaten Christi, mit denen er unserer Gebrechlichkeit diente“.
Beide Stellen zeigen deutlich, dass S1526 das Evangelium durchaus als „Lehre“ be-
zeichnen will. Die zweite Stelle macht dazu deutlich, wozu nach S1526 solche Lehre und das
Gesetz gegeben sind: um unserer Gebrechlichkeit willen.
Verfolgen wir nun weiter die Aussagen über das Gesetz. In der Vorrede zum Römer-
brief schreibt Luther „… vnd durch gesetzs werck niemant rechtfertigt werde, sondern das
gesetz nur die sund zuerkennen geben sey“88. Das „nur“ fehlt im Schwedischen89. Also hat
das Gesetz noch eine andere Aufgabe. Da die schwedischen Reformatoren kaum vom „usus
politicus legis“ sprechen, wird hier die Aufgabe des Gesetzes als „die Norm für das Leben des
neuen Menschen“90 gemeint sein.
Wenig später lässt S1526 folgenden Satz aus „… das viel mehr vngenad denn gnad
durch des gesetzs werck kompt“91. Luther hatte vorher des Gesetzes Werk definiert als „al-
les, das der mensch thut vnd thun kan am gesetz, aus seym freyen willen vnd eygen kreff-
ten“, was S1526 wörtlich übernommen hatte.
Nach Luther heißen sie „Werke des Gesetzes“, weil sie aus Furcht vor der Strafe oder
Begierde nach Lohn entstehen, die das Gesetz androht oder verheißt. So kommt die Tat aus
dem psychischen Zwang des Gesetzes, nicht aus des Menschen eigenen Willen92. Da der
Mensch sich diese Werke aber zu eigen macht, zeigt er hiermit seinen Hochmut und Selbst-
86 DB 6,8,3ff. 87 DB 6,8,12ff. 88 DB 7,14,23. 89 Vgl. die Übersetzung des Textes von Röm 3,20 (s.o. Kap. A.II.b „Die Theologie der Bibelübersetzung“). 90 So formuliert es S. Ingebrand 1964, S. 366, im Blick auf die Theologie des Olavus Petri. Bei Luther steht an dieser Stelle die Liebe. Das Gesetz dient für ihn (außer im usus politicus) nur der Sündenerkenntnis, dem Unge-rechtfertigten zur Verzweiflung, dem Gerechtfertigten zum Kampf. 91 DB 7,16,26. 92 Vgl. P. Althaus, Die Theologie Martin Luthers, 2.Aufl. 1963, S.126.
34
behauptungswillen vor Gott, denn er verwirft die ihm von Gott angebotene Gnade. Und dar-
über kann er sagen: „… abiicere gratiam Dei maximum peccatum et vulgatissimum est …“93.
Wenn wir einen Grund für die Auslassung dieser Stelle bei dem schwedischen Überset-
zer suchen, so kann uns hier wieder eine Äußerung Olavus Petris einen Hinweis geben. Für
ihn ist es in Bezug auf solche Gesetzeswerke wichtig, dass sie nicht aus dem Grund des Her-
zens kommen, ja Heuchelei sind94 – nicht, dass sie von einem Selbstbehauptungswillen ge-
genüber Gott zeugen. So reicht nach ihm die nur äußere Gesetzeserfüllung zwar nicht zur
Rechtfertigung aus, ist aber auch keine besonders schwere Sünde und führt keine besondere
„vngenad“ mit sich95.
Dies sind die wichtigsten Stellen, an denen S1526 Formulierungen Luthers abändert,
die sich auf Gesetz und Evangelium beziehen. Er ergibt sich eine einheitliche Anschauung:
Gesetz und Evangelium werden nicht in einer sich gegenseitig bedingenden und doch aus-
schließenden Spannung gesehen, sie werden zusammengefasst in der Auffassung als Lehre
und Norm und sind als solche das helfende Wort Gottes, das dem Menschen „um seiner Ge-
brechlichkeit willen“ gegeben ist.
2. Kanonkritik
Die Festsetzung des neutestamentlichen Kanons hatte den Streit um den Wert ver-
schiedenen Bibelbücher nicht beenden können. Immer wieder wurden einzelne Bücher für
weniger normativ erklärt. Dies geschah meist mit der Begründung, der Verfasser sei kein
Apostel gewesen96.
Von dieser historischen Kritik unterscheidet sich Luthers Kritik dadurch, daß sie vor al-
lem theologisch argumentiert. Historische Kritik wird nur in zweiter Linie angeführt. So führt
er in der Vorrede zum Jakobusbrief zwei Anklagen gegen den Verfasser ins Feld. 1. spricht
die Epistel „stracks widder Sanct Paulon vnnd alle ander schrifft“ von der Rechtfertigung
durch die Werke, und 2. treibt sie nicht Christum, was „alle rechtschaffene heylige bucher“
tun. Um diesen Gegensatz zwischen verschiedenen sog. apostolischen Büchern des Neuen
Testamentes zu lösen, definiert er den Begriff „apostolisch“ neu: „Widerumb, was Christum
93 WA 40/1,304,15f. 94 OPSS 1,26,8 und 2,454,15ff. 95 Ebenso ist wahrscheinlich die Abänderung von DB 7,210,13ff (Vorrede zum Philipperbrief) zu erklären, wo es auch um „die glawblos vnnd menschliche gerechtickeyt“ geht. 96 Vgl. J. Kunze, Glaubensregel, Heilige Schrift und Taufbekenntnis, 1899, der allerdings auch dasselbe für Lu-ther behauptet.
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predigt, das ist Apostolisch, wens gleych Judas, Annas, Pilatus vnd Herodes thett“ und „was
Christum nicht leret, das ist nicht Apostolisch, wens gleich Petrus odder Paulus leret“. Und
Christum predigen bedeutet inhaltlich, die iustificatio sola fide zu predigen.
Von diesem Maßstab aus lobt bzw. kritisiert Luther nun in verschiedenen Vorreden die
betreffenden Bücher97. Wie verhält sich S1526 zu dieser theologischen Kritik?
Betrachten wir zuerst die Vorrede zum Jakobusbrief. Auch S1526 kommt zu dem
Schluß: „deshalb ist es nicht wahrscheinlich, daß diese Epistel apostolisch ist“. Aber es ist
deutlich, daß für ihn „apostolisch“ nur ein historischer Begriff ist. Unter diesem Ge-
sichtspunkt hat er Luthers Vorrede umgeformt.
Er führt die zwei Hauptgründe an, wegen der dieser Brief nach Luther „von den Alten
verworfen wurde“: er redet von der Rechtfertigung durch Werke, was „gerade entgegenge-
setzt gegen Paulus und alle Schriften“ ist, und er verrichtet nicht das Amt eines rechten
Apostels, nämlich „von Christi Leiden, Auferstehen und Amt zu predigen“. Weiterhin wird
Luthers Grund angeführt, daß Jakobus vom „Gesetz der Freiheit“ redet, was Paulus wider-
spricht.
Dann aber folgt die bezeichnende (einzige) Erweiterung gegenüber dem deutschen
Text. Hier geht es um die Person des Autors. Luther hatte kritisiert, daß im Jakobusbrief
Sprüche Petri und Pauli zitiert werden, „So doch Sanct Jacobus zeytlich von Herodes zu Jeru-
salem, für S. Peter todtet war, das woll scheynet, wie er lengst nach S. Peter vnd Paul gewe-
sen sey“. Luther denkt also an Jakobus Zebedäus. S1526 ist hier deutlicher, denn hier liegt
für ihn der springende Punkt: „… und S. Jacob der Apostel wurde frühzeitig von Herodes in
Jerusalem getötet, noch bevor S. Petrus getötet wurde. Deshalb ist wahrscheinlich, daß die-
ser ein anderer Jacobus ist, der lange nach Petrus und Paulus lebte“. Die letzte Vermutung
stammt höchstwahrscheinlich aus der Annotatio des Erasmus zu Jak 1,1.98
Im Übrigen ist die Vorrede ziemlich verkürzt. Da S1526 den Brief nicht als apostolisch
ansieht, will er auch die lobenden Bemerkungen Luthers nicht übernehmen, wie dessen Ur-
teil über die Epistel: „lobe ich vnd halt sie doch für gutt, darumb, das sie gar keyn menschen
lere setzt vnd Gottis gesetz hart treybt“ oder seine Vermutung. „es sey yrgent eyn gut frum
man gewesen, der ettlich spruch von der Apostelln Jungern gefasset“.
97 Luther teilt z.B. nicht die historische Kritik mancher Zeitgenossen am 2. und 3. Johannesbrief. Denn sie „ha-ben auch eyn rechten Apostolischen geyst“ (DB 7,326,26). 98 „Et fieri potest, ut nomen commune cum apostolo praebueri occasionem, ut haec epistola Iacobo apostolo asscriberetur, cum fuerit alterius cuiusdam Iacobi“.
36
Die dogmatische Kritik Luthers fehlt jedoch völlig. So wird auch der Satz ausgelassen,
„Auch ist das der rechte prufesteyn alle bucher zu taddelln, wenn man sihet, ob sie Christum
treyben, odder nit“. S1526 faßt diesen ganzen Abschnitt Luthers zusammen mit „Denn was
nicht Christum lehrt, das ist nicht apostolisch“, wobei für ihn selbstverständlich ist, daß alle
rechten Apostel in allem „Christum lehren“.
Es fehlt auch Luthers Satz „Eyn man ist keyn man ynn welltlichen sachen, wie solt denn
dißer eyntzeler, nur alleyn, widder Paulum vnnd alle andere schrifft gellten?“ So kann S1526
nicht argumentieren. Falls es die Schrift eines Apostels ist, so gibt es keinen Widerspruch
zum übrigen Neuen Testament, ist sie es nicht, so ist sie Menschenwort und folglich auch bei
christlichem Inhalt geringer zu schätzen als jedes Bibelbuch.
Außer diesen durch die verschíedene Art der Kanonkritik bedingten Änderungen gibt
es im Jakobusbrief noch zwei Auslassungen, die sich auf das Gesetz beziehen. Es sind Luthers
Sätze „Die Epistel … lobe ich vnd halt sie doch fur gutt, darumb, das sie gar keyn menschen
lere setzt vnd Gottis gesetz hart treybt“ und „Aber dieser Jacobus thutt nicht mehr, denn
treybt zu dem gesetz vnd seynen wercken“.
Auch die weitgehenden Änderungen in der Vorrede zur Offenbarung weisen in die
gleiche Richtung. S1526 will betonen, daß der Verfasser kein Apostel ist. Um dies zu bewei-
sen, bereichert er Luthers Argumentation durch eine Reihe von Gedanken, die aus der Anno-
tatio des Erasmus zu Off 20,20 stammen. Seine Argumente sind folgende:
1. Wenn Luther schreibt „das ichs wider Apostolisch noch prophetisch hallte“, dann ist S1526
daran nur wichtig, dass den Vätern (!) „dieses Buch nicht apostolisch zu sein schien“. Im Wei-
teren übernimmt er alle Gründe Luthers für diese Ansicht und fügt noch hinzu andere.
2. „Christum hat ihnen (sc. den Aposteln) den Sinn geöffnet für das, was von ihm in Prophe-
zeiungen geschrieben war, und nicht besonders dazu, einige neue Prophezeiungen einzufüh-
ren“.
3. (nach der Schilderung des Lobes des Hieronymus) „Gibt er doch gleichwohl zu, daß um
dieses Buch ein Schwanken gewesen ist, was beide, er und Eusebius Cesarienn und mehrere
tun“99.
99 „Haec atque alia nonnulla super hoc libro recenset Eusebius Caesariensis Ecclesiasticae historiae libro septi-mo. Idem libro tertio mentionem faciens huius operas: In Reuelatione, inquit, qua dicitur Ioannis. Rursus ali-quanto post, inter noui Testamenti libros de quibus fuerit aliquanto dubitatum, recenset reuelationem Ioannis: Epistolam Iacobi et Iudae, Petri secundam, Ioannis secundam ac tertiam”. – Bemerkenswert ist, daß Olavus von den letztgenannten Büchern nur die angibt, gegenüber denen auch Luther Bedenken hatte, vgl. DB 7,344,3f (Vorrede zum Hebräerbrief).
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4. „Ist das auch ein anderes Zeichen dafür, daß es nicht S. Joannis des Apostels Buch ist, daß
er hier so oft seinen Namen nennt, was er doch nicht im Evangelium oder seinen Briefen zu
tun pflegt, sondern hält seinen Namen verschwiegen und sagt: der Jünger, den Jesus lieb-
te100.
Das Ziel dieser Darlegung ist: „Und aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, daß nicht
Joannes der Apostel dieses Buch gemacht hat, sondern ein anderer Joannes Theologus, wie
es sich in den griechischen Büchern geschrieben findet“101. Nur diese Schlussfolgerung be-
rechtigt S1526 überhaupt zu einer Kritik, die er nun schon in der ersten Zeile anklingen läßt:
„Dieses Buch, das Sancti Johannis Offenbarung genannt wird …“
Dagegen lässt er alle persönlichen Urteile Luthers weg (ich halte es nicht für aposto-
lisch, der Vergleich mit dem 4. Esra, ich spüre nicht den Hlg. Geist darin, mein Geist kann sich
in das Buch nicht schicken, ich bleib bei den Büchern, die mir Christum hell und rein darge-
ben).
Trotz ihrer Kritik bringen sowohl Luther wie der schwedische Übersetzer die Offenba-
rung in ihrem Neuen Testament.
Luther schreibt am Anfang der Vorrede: „las ich auch yderman seynes synnes walden,
will niemant an meyn dunckel odder urteyl verpunden haben“ und schließt mit „Endlich,
hallt dauon yderman, was yhm seyn geyst gibt“.
Der schwedische Übersetzer schließt mit „Doch nachdem sie (sc. Hebräer, Jakobus, Ju-
das und Offenbarung) nun meistens angenommen sind und in der Kirche und von vielen Leh-
rern gebraucht werden, werden sie auch hier mit den anderen Büchern gesetzt, damit jeder
davon nehmen mag und besinnen, was sein Geist ihm gibt“102.
100 Erasmus: „Vt de his interim nihil dicam, me nonnihil mouerent cum aliae coniecturae, tum allae, quod reue-lationes scribens, tam sollicite suum inculcat nomen, Ego Ioannes, ego Ioannes. Perinde quasi syngrapham scriberet, non librum. Idque non solum praetor morem aliorum apostolorum, uerum multo magis praetor suum morem, qui in euangelio modestiora narrans, non exprimit tamen usquam suum uocabulum, sed notulis indi-cat, Discipulus ille, quem diligebat Iesus”. Derselbe Gedanke taucht noch zweimal auf. 101 Erasmus: “Ad haec in Graecis, quos ego uiderim, codicibus, non erat titulus Ioannis euangelistae, sed Ioannis theologi“. Weiter unten berichtet er von einigen Theologen, die Kerinth für die Schrift verantwortlich machten: „Atque hoc consilio operi alieno Ioannis Apostoli titulum praefixisse, ut suos errores huic libro admixtos aposto-lici nominis fuco commendaret simplicibus“. Und dann referiert er auch die Ansicht des Dionysius Alexandrinus: „tamen suspicatur librum ab alio quopiam Ioanne uiro sancto conscriptum“. 102 Vielleicht ist auch dieser Satz in Anschluß an Erasmus formuliert, welcher schreibt: „Haec, inquam, me non-nihil mouerunt, quo minus crederem esse Ioannis euangelistae, nisi me consensus orbis alio uocaret, praecipue uero autoritas ecclesiae, si tamen hoc opus, hoc animo comprobat ecclesia, ut Ioannis uevangelista uelit haberi, et pari esse pondere, cum caeteris canonicis libris“.
38
Am Schluss der Allgemeinen Vorrede hat Luther in den Einzelausgaben des Neuen Tes-
tamentes bis 1537 einen Abschnitt „wilchs die rechten vnd Edlisten bucher des newen tes-
taments sind“.
S1526 läßt die Überschrift aus, übersetzt dann aber nach einem Einleitungssatz („Das
Buch des Neuen Testamentes ist geteilt in mehrere kleine Bücher“) die beiden ersten Ab-
schnitte ziemlich wörtlich. Es erfolgt nur eine bezeichnende Kürzung: wo Luther schreibt „ist
Johannis Euangelion das eynige zartte recht hewbt Euangelion vnd den andern dreyen weyt
weyt fur zu zihen vnd hoher zu heben“, meint der schwedische Übersetzer nur „ist des Jo-
hannes Evangelium das rechte Hauptevangelium und viel höher zu halten als die andern
drei“.
Aber der dritte Absatz, der inhaltlich die ersten beiden wiederholt, das Urteil ver-
schärft und schließlich das bekannte Urteil über den Jakobusbrief als eine „stroherne Epistel“
bringt, ist weggelassen.
Schließlich mag unter der Überschrift „Kanonkritik“ auch noch das Inhaltsverzeichnis
des Neuen Testamentes erwähnt werden. Luther hatte darin fast alle Bücher des Neuen Tes-
tamentes durchnumeriert. Nur die vier letzten (Jakobus, Judas, Hebräer und Offenbarung)
erhalten keine Nummer und werden dazu noch abgesetzt und eingerückt – viel deutlicher
konnte Luther seine Meinung nicht wiedergeben. Schon die Stellung dieser Bücher am
Schluss des Kanons bedeutet eine Diskreditierung, denn in der Vulgata standen der Hebräer-
und der Johannesbrief vor den Petrusbrief.
S1526 setzt gleichfalls diese vier an den Schluss, hat aber überhaupt keine Numerierung,
und die vier sind auch weder abgesetzt noch eingerückt.
39
IV. Die Glossen
a. Die Änderungen
Um dem Bibelleser zu helfen, hat Luther nicht nur in den Bibelvorreden allgemein
theologische Fragen erörtert und einen Überblick über das betreffende Buch gegeben, son-
dern auch an vielen Stellen erklärende Glossen an den Rand des Bibeltextes drucken lassen.
Der Inhalt dieser Anmerkungen ist ganz verschieden: Erklärungen fremder Begriffe und Ge-
bräuche, Verweise auf deutsche Sitten oder Sprichwörter, theologische Vertiefung oder bei-
läufige Polemik. Auch ihre Verteilung über das Neue Testament ist ganz verschieden, so hat
das Matthäusevangelium z.B. 72 Glossen, die gleich lange Apostelgeschichte nur 2.
Im schwedischen Neuen Testament finden wir dieselben Verhältnisse wie bei den Vor-
reden: Auslassungen, Änderungen und Zufügungen. Wie bei den Vorreden soll auch hier
nicht ein systematischer Überblick über das gesamte Glossenmaterial gegeben werden, son-
dern ich will nur die Abweichungen der schwedischen Bearbeitung untersuchen. Wieder
lassen sich verschiedene thematische Gruppen unterscheiden.
Die interessantesten Änderungen finden sich in den Glossen zu Matthäus, Johannes
und zum Römerbrief. Das ist erklärlich, denn diese Bücher enthalten nicht nur die größte
Anzahl Glossen, sondern auch die profiliertesten.
Wie bei einem so mannigfachen Material nicht anders zu erwarten ist, sind die Abän-
derungen nicht so konsequent durchgeführt worden wie bei den Vorreden. Man hat deshalb
vermutet103, daß verschiedene Hände bei der Arbeit beteiligt gewesen seien. Mir scheinen
jedoch auch hier alle Änderungen so einheitlich zu sein, dass es sich empfiehlt, sie nicht nach
der Reihenfolge der Bibelbücher, sondern nach Sachgruppen zu ordnen. Gegebenfalls wer-
den auch die Worterklärungen der Sondervorrede mit herangezogen.
1. Rechtfertigung und die Aufgabe des Gesetzes.
Es geht hierbei um das Verhältnis der Begriffe Glaube – Rechtfertigung – Gesetz – gute
Werke. Die Grundlage für die Analyse der Anschaung des schwedischen Bearbeiters kann die
selbständige zweite Glosse zu Röm 3,23 bilden: „Das bedeutet, Gott wird seine Güte über
ihnen scheinen lassen und sie gerecht machen allein durch seine Barmherzigkeit, sich selbst
zu Preis und Ehre“.
103 A. Adell 1936, S195.
40
Welche Rolle die Werke des Menschen dabei spielen, zeigen die Korrekturen an Lu-
thers Glosse zu Joh 13,34, wo nach Luther die Gnade „on werck rechtfertigt“, nach S1526
dagegen „ohne unser Verschulden“, und zu Röm 3,31, wo Luther schrieb „Der glawb erfullet
alle gesetz, die werck erfullen keyn tittel des gesetzs“. S1526 macht daraus „Das Gesetz wird
durch den Glauben aufgerichtet oder erfüllt, daß der Mensch durch den Glauben gerechtfer-
tigt wird und dann aus einem guten Herzen tut, was das Gesetz befiehlt“.
Es sind also allein Gottes Gnade und des Menschen Glaube, die rechtfertigen. Wie eng
aber die Erfüllung des Gesetzes doch mit der Rechtfertigung verknüpft ist, zeigen noch ande-
re Änderungen, z.B. die Verkürzung der Glosse zu Mt 13,31. Luther meint: das Evangelium
„macht gerecht die so yhm glewben, gesetz vnnd werck thun es nicht“. S1526 begnügt sich
mit dem ersten Teil. Oder die Auslassung der zweiten Glosse zu 2. Kor 3,6: „Geyst leren, ist
die gnad, on gesetz vnd verdienst leren …“
Dass es aber nicht die Intention des schwedischen Bearbeiters ist, eine Rechtfertigung
aus Werken zu proklamieren, zeigen außer den angeführten Stellen Röm 3,23 und 3,31 auch
genügend viele Glossen, die er von Luther übernimmt, z.B. Röm 9,33 („Dass Christus die
Menschen gerecht macht ohne Werke ..“), Gal 2,17 („Wer durch Werke fromm und gerecht
werden will, der tut so, als ob er durch Christus ein Sünder geworden wäre …“) oder Röm
10,6, wo er mit Luther diejenigen ablehnt, „die mit Werken, und nicht mit Glauben gerecht
werden“ wollen. Einmal taucht sogar die Formel „der Glaube allein“ auf, denn in der Glosse
zu 1. Kor 13,2 heißt es (nach Luther): „obwohl der Glaube allein den Menschen gerecht
macht, wie Paulus überall treibt. Aber wo die Liebe nicht mitfolgt, da ist sicherlich der Glau-
be nicht recht, wenn er auch Wunderzeichen täte“.
Das Interesse des schwedischen Bearbeiters liegt bei einem anderen Punkt: er will die
bleibende Geltung des Gesetzes auch für den Gerechtfertigten einschärfen. Denn die Haupt-
aufgabe des göttlichen Gesetzes ist, den zu erfüllenden Willen Gottes darzustellen. Vgl. dazu
die Glosse zum Text Mk 1,22 („denn er lehrte gewaltig …“), die S1526 an die Stelle einer völ-
lig andersgerichteten Lutherglosse setzt: „So daß er nicht allein lehrte, sondern zugleich auch
befahl, wie einer, der Vollmacht hat, etwas im Gesetz zu ändern“. Von dieser Sicht auf das
Gesetz ist auch die Streichung der Lutherglosse zu Röm 2,12 zu verstehen, die besagt, daß im
natürlichen Gesetz „das gantz Moses gesetz begriffen ist“.
Weniger wichtig ist für den Übersetzer die Aufgabe des Gesetzes, die Sünde aufzuzei-
gen. Zwar übernimmt er die Glosse zu Kol 2,14 „… da das Gesetz uns die Sünde offenbart …“,
41
aber Luthers Satz, dass ohne die Gnade Gottes das Gesetz das Gewissen verdammt (zu Röm
6,14), ist ihm doch zu stark und wird weggelassen.
Wird die Aufgabe des Gesetzes so positiv gesehen, so kann die Anstrengung des Men-
schen, sich die Seligkeit mit eigener Kraft durch Erfüllung dieser Gesetze zu verschaffen,
nicht ganz so negativ beurteilt werden, wie es bei Luther geschieht. So übernimmt S1526
nicht Luthers Glosse zu Mt 3,15: „Alle gerechtickeytt wirt erfullet wenn wir vns aller vnser
gerechtickeytt vnd ehre vertzeyhen …“. Sobald allerdings Luthers Urteil nicht ganz so hart ist,
so hält sich S1526 an ihn, z.B. bei Mt 9,13.
Für Luther liegt die Hauptaufgabe des Gesetzes – auch in Bezug auf den Gerechtfertig-
ten – darin, dass es immer wieder die Sünde aufzeigt und zu Christus treibt. Aber auch er
kann von der Erfüllung des Gesetzes reden, doch liegt dieses für ihn schon im Glauben
selbst, wie er z.B. in der Glosse zu Röm 4,19 andeutet: „… alßo erfullet der glawb die ersten
drey gepot, vnnd rechtfertiget den menschen fur Got“ (von S1526 wörtlich übernommen)
oder wie es auch bei der Glosse zu Gal 2,19 deutlich wird: „Durch den glawben der eyn
geystlich lebendig gesetz ist, sind wyr dem gesetz des buchstabens gestorben“ (ebenfalls
wörtlich übersetzt).
Für den schwedischen Bearbeiter dagegen liegt das Gewicht auf der buchstäblichen Er-
füllung. Das zeigt seine Änderung der Glosse zu Mt 11, 30, wo Luther schrieb „das creutz ist
gar eyn leychte last denen die das Euangelion schmecken vnnd fulen“, S1526 aber „Das Ge-
setz und die Gebote sind schwer und drückend, aber Christus, der den Heiligen Geist gibt,
macht sie leicht durch den Glauben“. Dem Glauben billigt S1526 beim Prozess der Rechtfer-
tigung keine allzugroße Rolle zu. Der Begriff taucht bei ihm kaum auf und scheint auch einen
mehr kognitiven Inhalt zu haben. Vgl. die Sonderglosse zu Mt 11.19 (Text: „der Weisheit wird
recht gegeben von ihren Kindern“): „Das ist, die evangelische Wahrheit, die Christus und
Johannis predigten, wird angenommen und ihr wird recht gegeben von ihren Kindern, d.h.
von denen, die glauben, welche Kinder von Gottes Wahrheit sind“.
Auch in der Worterklärung der Sondervorrede zu „Retferdugheet“ tritt der Glaube
nicht so sehr hervor, obwohl hier sonst der Anschlus an Luther besonders nahe ist: „Gerech-
tigkeit, das ist Frömmigkeit, Gütigkeit, Ehrenhaftigkeit. Gottes Gerechtigkeit ist die Gerech-
tigkeit, die vor Gott gilt, die im Herzen ist, welche der Mensch nicht aus sich selbst zustande
bringen kann, sondern dadurch, daß er mit dem Glauben auf Gott eindringt („faller in till
gudh“) und den Geist der Gütigkeit bekommt, den uns Christus erworben hat“.
42
2. Gottes Wort und Menschenlehre
S1526 duldet kein negatives Wort über das Gesetz. Denn es bildet ja zusammen mit
dem Evangelium das Wort Gottes. Alle seine Kritik richtet sich vielmehr gegen den Gegenbe-
griff des Wortes Gottes: die Menschenlehre.
Die Bibelstelle Mt 15,13 wird von Luther in einer Glosse auf das Unvermögen des frei-
en Willens bezogen. S1526 dagegen schreibt: „Das bedeutet: alle Menschenlehre, von der
hier geredet wird, wird vergehen, wie Hilarius, Theophilactus und Remigius ausführen“104.
Noch deutlicher wird der Bearbeiter bei der Glosse zu Mt 23,2. Luthers Glosse wird
hier erweitert und verschärft: „Moses Lehre war Gottes Wort. Deshalb wird gesagt, daß
niemand auf Moses Stuhl sitze, als die, die Gottes Wort lehren, wie Theophilactus sagt105.
Und wenn sie das tun, so ist man verpflichtet, ihnen zu gehorchen, wie Christus hier befiehlt.
Wenn sie etwas anderes lehren, besonders etwas womit Gottes Wort verachtet wird, so ist
man nicht schuldig, ihnen zu gehorchen, wie vorher erwähnt Mt 15“. - Da diese Kritik an der
Menschenlehre sich zum Teil gegen die Tradition der Kirche richtet, holt S1526 sich bei der
„echten“ Tradition der Kirche Hilfe106.
Die Definition von „menniskiors läro“ findet sich in der langen Worterklärung der Son-
dervorrede, in der zunächst betont wird, dass damit nicht die Gesetze der weltlichen Obrig-
keit gemeint sind, denen man gehorchen muss (Röm 13), sondern „die Gesetze („stadgar“),
die von einem Menschen befohlen werden, nicht in Bezug auf das äußere Regiment, sondern
als Gottesdienst befohlen werden oder als ein gutes Werk vor Gott, die aber Gott nie gebo-
ten hat … Deshalb sündigt man nicht, wenn man dagegen handelt, denn nichts ist Sünde au-
ßer dem, was Gott verboten hat, und nichts ist ein gutes Werk als was Gott befohlen hat.“
Man sündigt allerdings, wenn man dagegen handelt, obwohl man dazu vor Gott schuldig zu
sein glaubt, oder wenn unser Nächster dadurch geärgert wird (Röm 8 und 14). „Und gerei-
chen solche Gesetze sehr zur Verachtung für Gottes Gesetz, gleicherweise wie sie uns nicht
vollständig sagten, was wir zu unserer Seligkeit tun und lassen sollten.“
104 Hilarius, Matthäuskommentar, MPL IX,Sp. 1003; Theophylactus, Matthäuskommentar, MPG CXXIII, Sp.308; Remigius, Homilia XII, MPL CXXXI, Sp.929. 105 MPG CXXIII, Sp.396. E. Stave 1893, S.198, vermutet fälschlich, diese Autoritätszitate seinen gegen Luther gerichtet! 106 Dieselbe Erscheinung finden wir in der Worterklärung der Vorrede zum Stichwort „Biscop“: „deshalb sind alle Kirchenpriester nach der Schrift Bischöfe, wie auch Hieronymus sagt“.
43
3. Gutes Herz und gute Werke
Luther äußert in mehreren Glossen scharfe Kritik an den sogenannten guten Werken.
Fast durchgehend läßt S1526 diese Kritik aus oder mildert sie wenigstens. So werden die
Glossen zu Mt 8,22; 25,1; 26,10 und Lk 13,24 ausgelassen, obwohl sich in ihnen z. T. (Mt 25,1
und 26,10) auch positive Aussagen über die Möglichkeit wirklich guter Werke finden.
Das Interesse des schwedischen Bearbeiters liegt ganz woanders: wirklich gute Werke
kommen allein aus einem guten Herzen!107
So schreibt er in einer selbständigen Glosse zu Mt 6,22: „… So ist es auch mit allen un-
seren Werken. Ist unser Herz gut und von Gottes Gerechtigkeit erleuchtet, so werden auch
unsere Werke gut, die von ihm ausgehen“ und umgekehrt. Zu Mt. 7,22 bemerkt er in einer
ebenfalls eigenen Glosse in Bezug auf die falschen Propheten, die im Namen des Herrn weis-
sagten, „Diese hier haben kräftige Werke gehabt, doch haben sie nicht ein gutes Herz ge-
habt, deshalb wird Gott sagen, daß er sie nicht als die Seinen anerkennt“.
Als weitere Stellen seien die Glossen zu Röm 3,31108 und Lk 17,10 genannt. An letzterer
übernimmt S1526 Luthers Glosse, die endet „… denn Gott lässt sich nicht mit bloßen Werken
befriedigen“, und fährt dann fort „außer das Herz ist auch gut, von dem die Werke ausge-
hen“.
Wie bekommt man aber ein gutes Herz? Hierauf antwortet S1526 im Anschluß an Lu-
ther in der Glosse zu Mt 7,24: „Niemand handelt nach ihm (sc. dem Worte Christi) außer
dem, der aus einem guten und gerechten Herzen handelt, welches keiner hat außer durch
den Glauben“. Luther: „Dagegen auch wo glawb ist, mussen recht gutte werck folgen, das
heysset Christus (thun) von reynem herzen thun. Der glawb aber reynigt das hertz“.
Ähnlich ist wohl auch die Einfügung in der Glosse zu Jh 14,2 zu berurteilen: „… und
wenn wir an ihn glauben, werden auch wir täglich zu diesen Wohnungen bereitet durch ein
gutes Leben …“.
Vor der radikalen Konsequenz scheut er allerdings anscheinend zurück, da er aus Lu-
thers Glosse zu Mt 7,24, aus der er sonst allerlei übernimmt, die Worte auslässt „… alle gutte
werck nach dem scheyn, on glawben geschehenn seyn sund“.
Auch eine ganz andere Äußerung Luthers in Bezug auf die guten Werke lässt S1526
aus, nämlich einen Satz aus der ersten Glosse zu Mt 9,13: „drumb das alleyn ditz gutte werck
107 Vgl. aber auch Luther in der Vorrede zum Römerbrief: „… fordert auch sein gesetz des hertzens grund…“ (DB 7,2,23f). 108 S.o. Abschnitt „Rechtfertigung und die Aufgabe des Gesetzes“
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sind, die dem nehisten tzu gut komen, singens fastens, opffers, acht gott nichts“. Vermisst er
hier die Betonung des guten Herzens oder meint er, auch Singen, Fasten und Opfern sei zum
Teil von Gott zu tun befohlen?
Dieselbe Rolle als „conditio sine qua non“ für die rechte Erfüllung der Gesetze wie das
gute Herz kann der Heilige Geist spielen. Vgl. die selbständige Glosse zu Gal 4,3 (Text bei
Luther: „euserlichen satzungen“, bei S1526: „werldennes element“): „Mit Elemente sind die
äußerlichen Gesetze gemeint, das ist, was äußerlich gemacht wird nach dem Gesetz ohne
den Geist, das an anderer Stelle Buchstabe genannt wird. Röm 2“.
Die Verbindung ist wohl so herzustellen, dass der Heilige Geist als der Schöpfer des gu-
ten Herzens und des Glaubens gedacht ist.
4. Christologie
Ausschließlich im Johannesevangelium trifft man einige Zufügungen und Änderungen,
die sich auf die Christologie beziehen. Gleich die ersten Worte des Evangeliums erklärt S1526
(ohne Vorbild bei Luther) folgendermaßen: „So nennt hier Johannes die eine Person der Got-
theit, die Gottes Sohn ist, denn der Sohn ist des Vaters Wort und Weisheit“ (Glosse zu Jh
1,1). Und später erklärt er noch einmal in einer Erweiterung einer Lutherglosse „So ist Chris-
tus Gott Vaters Wort. Joh 1“ (Glosse zu Jh 8,25).
Aber nicht nur Gottes „Wort und Weisheit“ ist Christus. In Abänderung einer Glosse
Luthers schreibt S1526 zu Jh 6,27 (Stichwort „versiegelt“): „Das ist, Gott Vater hat in den
Sohn sein eigenes Wesen („warilsze“) eingedrückt, so dass er sein Schein und Figur („sken
och figura“) ist, wie zu den Hebräern geschrieben ist; und deshalb hat er in sich ewiges Le-
ben wie der Vater“.
Und schließlich haben wir noch eine Erweiterung zur Glosse bei Jh 20,8: „… als ob er
sagen wolle, hiernach werde ich nicht leiblich verehrt und gepriesen werden, wie bisher ge-
schehen ist, solange ich mit euch umgegangen bin, sondern ich werde zum Himmel aufstei-
gen und euch meinen Geist senden, der euer Herz zu Gott im Himmel erheben wird, der
mein und euer Vater ist, und so verehrt mich gleich wie den Vater“.
Hier mag auch die Sonderglosse zu Hebr 1,16 erwähnt werden109, die durch die auch
im Schwedischen mehrfache Bedeutung des Wortes „annehmen“ veranlasst ist. S1526 über-
setzt den Text wie Luther „Denn er (sc. Christus) nimmt nirgends die Engel an“ und erklärt
109 Auf eine unterschiedliche Christologie könnte vielleicht auch die Änderung in der Glosse zu Jh 6,62 zurückzu-führen sein.
45
„Das ist, er nahm niemals die Natur der Engel an, sondern die Menschlichkeit, als er Mensch
wurde“.
5. Hermeneutik
Die „geistliche Deutung“ ist dem schwedischen Bearbeiter nicht fremd. Er verwendet
sogar den Begriff („andeligh vthtyding“) bei der Übersetzung der Glosse zu Jh 20,17, wo Lu-
ther schreibt „Vnd S. Johannes sonderlich für andern Euangelisten auff die geystlichen deut-
tungen acht hat“. So fällt es umso mehr auf, daß fast alle „geistlichen Deutungen“ Luthers
von S1526 ausgelassen werden: vgl. die Glossen zu Mt 2,6.18; 9,23; 23,13; 24,23; 25,1.15
und 26,12!
Es scheint so zu sein, als ob S1526 grundsätzlich gegen die „geistliche Deutung“ einges-
tellt ist und sie nur als ultima ratio für die Exegese heranziehen will, oder wenn es der Text
selber ganz offensichtlich erfordert. Denn den beiden Stellen, wo er (nach Luthers Vorbild)
diese Deutung noch anwendet, konnte er wohl auf andere Weise nichts abgewinnen.
Die erste Stelle, die Glosse zu Jh 20,17, erwähnten wir schon. Die Schwierigkeit der
Textstelle liegt hier darin, daß nach Johannes Jesus nicht von Maria berührt wird, „so doch S.
Matth. 28 schreibt, er hab sich lassenn die weiber anruren“, was S1526 wörtlich übernimmt.
Beide behelfen sich damit, daß sie erklären, Johannes gebräuche hier eine Metapher, „denn
anruren bedeut glawben“ („ty komma widh honom bethyder troo på honom“)“.
Die zweite Stelle ist die Glosse zu Mk 9,49. Sie lautet im Schwedischen: „Im Alten Tes-
tament wurde etwas verbrannt. Das zieht Christus hier heran und deutet es geistlich aus,
dass nämlich durch die evangelische Lehre – wie durch Feuer und Salz – der alte Adam, das
ist des Menschen eingeborene Bosheit, verzehret110 und gut gesalzen wird. Dort, wohin die-
se Lehre nicht kommt, wachsen Maden, das ist, da entsteht ein schlechtes Gewissen. Und da
das Salz beißt, braucht man Geduld und Frieden, wie Christus hier befiehlt“. Hier fordert der
Text ganz offensichtlich eine bildliche Auslegung. Deshalb kann S1526 hier Luther folgen.
Eine weitere Stelle findet sich in der Erklärung von „Prester“ in den Worterklärungen
der Sondervorrede. Hier wird das Opfern der Priester im Alten Testament als „figura“ dafür
bezeichnet, dass nach dem Neuen Testament jeder Christenmensch sich selbst opfern soll,
Röm 7.
110 „temperat“ – Das Verb „temperare“ wurde laut K.F. Söderwall, Ordbok öfver svenska medeltids-språket, 1884-1918, im Mittelalter nur im Sinne von „mildern, aufs rechte Maß bringen“ gebraucht. Meine Konjektur folgt dem Luthertext („vertzeheret“).
46
Auch an dieser Stelle ist S1526 durch das Bestreben, den Amtsbegriff der katholischen
Kirche zu zerstören, in eine Situation geraten, in der ihm jede Hilfe recht ist. Dazu passt, dass
er wenig später Hieronymus zitiert, um zu beweisen, dass die Bischöfe nichts vor den Pries-
tern voraus haben.
6. Kritik an der Kirche
Glossen, in denen Luther gegen Rom und die bestehende Kirche polemisiert, werden
verändert oder ausgelassen.
Zum Stichwort „Gesetz auflösen“ in Mt 5,19 schreibt Luther „Also thut der Papisten
hauff, sagen, diese gepott Christi seyen nicht gepott sondern redte“. S1526 macht daraus
„Das ist, wer das Kleinste bricht“.
Bei der Glosse zu dem Spruch Röm 14,23 „was aber nicht aus dem Glauben geht, das
ist Sünde“ streicht S1526 aus der sonst wörtlich übernommen Glosse „vnnd hutt dich fur
falscher glosen, so hie ertichtet sind von vielen lerern“.
Bei Mt 15,5 werden von S1526 die „Canones über Testamente und Stiftungen“ gestri-
chen, ebenso bei 1.Kor 7,35 „bey pfaffen, monchen, vnd nonnen“.
Völlig fehlen die Glossen zu Mt 24,15, in der u.a. „des Bapst regiment“ mit dem
„Greuel der Verwüstung“ verglichen wird, und zu Mt 24,23, wo Luther über die „secten vnd
orden“ herzieht.
Der schwedische Übersetzer will lieber aufbauend wirken. Das wird z.B. deutlich an der
Veränderung der Glosse zu 1.Kor 3,4, wo Luther schreibt „Hier hat Paulus das Bapstum vnd
alle secten verdampt“. S1526 erweitert zu „Hier verdammt St. Paulus alle Parteiungen in der
Christenheit und will, daß wir uns alle unter dem einen Christus halten sollen, der für uns
gekreuzigt ist“. Hierzu gehört auch die Verkürzung der ersten Glosse zu Röm 12,7.
b. Die Sonderglossen
Die Sonderglossen der schwedischen Übersetzung sind im vorigen Abschnitt schon zur
Darstellung der Theologie des Bearbeiters herangezogen worden. Nun sollen sie unter einem
anderen Aspekt untersucht werden: 1. Lässt sich eine innere Einheit feststellen (die sich auch
47
mit der Bearbeitung der Lutherglossen reimt)? 2. Lassen sich für diese Glossen Quellen aus-
findig machen?
Die Sonderglossen finden sich im ganzen Neuen Testament (in Klammern die Gesamt-
zahl der Glossen in den jeweiligen Büchern): Matthäus 27 (78), Markus 0 (6), Lukas 8 (25),
Johannes 5 (25), Apostelgeschichte 5 (5), Römer 6 (45), 1.Korinther 3 (43), 2.Korinther 1 (17),
Galater bis Offenbarung 6 (37). Insgesamt sind es 61 (281).
1. Charakterisierung
Im Allgemeinen will der schwedische Bearbeiter nur Erklärungen schwer verständlicher
Worte und Redewendungen geben, die in Schweden bisher unbekannt waren oder missver-
standen werden konnten.111
Hierzu gehören z.B. alle fünf Glossen der Apostelgeschichte112: 8,1 „försambling“ (…
die christliche Versammlung, die einige auch Kirche nennen. Manchmal werden die Christen
auch Brüder und manchmal Jünger genannt“), 11,3 „förhwdh“ („Die Heiden waren nicht be-
schnitten wie die Juden, deshalb wird hier von ihnen gesagt, daß sie eine Vorhaut haben),
12,4 „quaternioner“ („Quaternion ist eine Zahl, die 'vier' enthält“) usw.
Manchmal sind die neuen Glossen dadurch veranlasst, daß der Übersetzer meint, ei-
nen Begriff wörtlicher wiedergeben zu müssen als Luther. Z.B. übersetzt Erasmus Mt 24,22
„non fieret salva omnis caro“, Luther überträgt „so wurde keyn mensch selig“, im Schwedi-
schen heißt es wieder wörtlich „so würde kein Fleisch selig“. Zur Erklärung wird in einer
Glosse gesagt: „Das ist: kein Mensch. Auf diese Weise verwendet die Schrift dieses Wort an
vielen Stellen“. Ähnlich ist es bei Mt 16,18 (Luther: gemeyne, S1526: Kirche), Mt 23,15 (Ju-
dengenossen, Proselyten), Jh 6,19 (feld wegs, stadier), Jh 7,2 (Laubhütten, scenopagia) usw.
Die wenigen Sonderglossen mit theologischem Inhalt sind oben mitbesprochen wor-
den. In ihnen bringt der Verfassen seine besonderen Interessen zum Ausdruck, die sich auch
in den Abänderungen der Lutherglossen wiederspiegeln, nämlich das gute Herz als Vorbe-
dingung guter Taten (z.B. Glossen zu Mt 6,22 und 7,22) und seine besonderen Gedanken
über Rechtfertigung (besonders in der zweiten Glosse zu Röm 3,23), Gesetz und Christologie.
2. Die Quellen
111 Vgl. das in der Sondervorrede Gesagte: „Und da einige Worte, wie gesagt, selten zu sein scheinen, sind hier einige von ihnen zusammengestellt wie in einem Register und ausgelegt, was das Wort bedeutet – für die Ein-fältigen, solange sie beginnen, sich damit vertraut zu machen“. 112 Luthers beide Glossen fielen weg.
48
Es würde eine wervolle Entdeckung sein, wenn wir an Hand der Sonderglossen etwas
über die exegetischen und theologischen Hilfsmittel des Übersetzers sagen könnten. Einige
der Anmerkungen nennen nun selber ihre Quellen. So werden in den Glossen zu Mt 15,13
und 23,2 Hilarius, Theophylactus und Remigius als Autoritäten herangezogen. Über die
Gründe für ihre Zitation ist schon oben113 gesprochen worden.
In zwei anderen Glossen werden weitere Personen genannt, hier aber nicht als Stütze
für eine theologische Position, sondern als Quelle für eine Sachauskunft. Die Glosse zu Mt
6,24 lautet „Mammon werden Schätze in der syrischen Sprache genannt, wie Hiero. sagt“114.
Und zu Mt 3,7 wird der Ausdruck „hugormars“ (Kreuzottern) erläutert: „Diese Schlangen
werden im lateinischen Text Vipern genannt und sind in Schweden kaum mit Namen be-
kannt. Doch da sie voller Gift sind und von der schlimmsten Art, wurden sie hier Kreuzottern
genannt. Und sie haben die Natur, daß sie bei der Geburt die Mutter töten, deshalb werden
auch hier die Pharisäer Nachkommen solcher Schlangen genannt, denn deren Väter pflegten
die Propheten zu töten, die ihre Lehrväter waren.“ Weitere Auskünfte über diese Tiere fin-
den sich in der Allgemeinen Vorrede, wo als Quelle Plinius angegeben wird115.
Hier ist auch darauf hinzuweisen, daß der Übersetzer in der Glosse zu Mt 3,4 Luthers
Verweis auf Hieronymus ausläßt, obwohl er sonst die Glosse übernimmt. Die betreffende
Auskunft findet sich nämlich nicht an der zu erwartenden Stelle im Matthäuskommentar116!
Den Quellen der weiteren Sonderglossen hat Stave etwas nachgespürt117. Er fand entspre-
chende Auslegungen bei Nikolaus von Lyra, Rabanus Maurus, Dionysius und Rickel, Erasmus
(Paraphrases), Theophylactus und vereinzelt bei Hugo Cardinalis, Hilarius, Remigius, Melach-
thon und Nonnus.118
Staves Untersuchung ist wohl nur zu entnehmen, daß die meisten der vom schwedi-
schen Bearbeiter angeführten Erklärungen schon in der Alten Kirche und im Mittelalter auf-
tauchten. Sie dürften zum größten Teil allgemein verbreitet gewesen sein, so dass sich eine
systematische Suche nach bestimmten Quellen erübrigt. Ziemlich sicher scheint mir nur die
113 S.o. Kap. A.IV.a „Die Änderungen von Luthers Glossen“. 114 Matthäuskommentar zur Stelle, MPL XXVI, Sp.44: „Mammon sermone Syriaco divitiae nuncupatur“. 115 Naturalis historia X, 169f. Zum Teil ähnlich bei Theophylactus und der Glossa ordinaria. 116 Vgl. die Anmerkung WADB 6,539. 117 Stave 1893, S.195-201. 118 Seine Untersuchung ist aber ziemlich flüchtig. Er verglich z.B. gar nicht die Glossa ordinaria, und bei den Kirchenvätern unterschied er nicht zwischen deren eigenen Kommentaren und referierten Auslegungen. Man-che der von ihm angegebenen Paralellen stimmen nicht, z.B. bei Jh 7,2, andere sind höchst unwahrscheinlich, z.B. bei Mt 6,22; 23,5.15 und Jh 15,22.
49
Benützung der Paraphrases des Erasmus zu sein, möglich ist auch die Bekanntschaft mit
Theophylactus (z.B. Mt 5,13; 21,43; 26,52 und Jh 6,27).
c. Zusammenfassung
Der schwedische Bearbeiter folgt dem in der Allgemeinen Vorrede angegebenen Prog-
ramm119, dem Leser zur Einführung in die Schrift kleine Verständnishilfen geben zu wollen.
Sachliche Information ist ihm dabei wichtiger als theologische Erörterungen. Unter diesem
Gesichtspunkt wurden von ihm Luthers Glossen überprüft120 und neue dazugesetzt. Dabei
wurde der Bestand der Lutherglossen – wie oben gezeigt – in manchem verändert.121 Nun
wurden hier nur die theologisch bedingten Änderungen berücksichtigt. Bei vielen anderen
Auslassungen und Änderungen konnten keine Gründe gefunden werden. Doch spielt natür-
lich oft die drastische Sprache Luthers eine Rolle122.
Nur an einer Stelle stimmen Text und Glosse nicht zusammen. 1.Kor 16,22 steht im
schwedischen Text (nach Erasmus und Vulgata) „Anathema Maranatha“. Dazu wird Luthers
Glosse übernommen: „Anathema. Bann auf schwedisch, Anathema auf griechisch, Maharan
auf hebräisch ist alles dasselbe. Aber moth heißt Tod. So will nun Paulus sagen: Wer Christus
nicht liebhat, der wird zum Tod verdammt“, die nur zu Luthers Text „Maharam motha“
stimmt.123
Diese Abweichung weist auf die Möglichkeit hin, daß Text und Glossen nicht zur glei-
chen Zeit und nach der gleichen Vorlage übersetzt wurden. Wenn man aber nach der Ausga-
119 s.o. Kap. A.III „Die Vorreden“. 120 Auch Luthers Zitate wurden z.T. überprüft. Auf die Auslassung eines falschen Hieronymusverweises in Lu-thers Glosse zu Mt 3,4 wurde schon hingewiesen (Kap A.IV „Die Glossen“). Auch die biblischen Belegstellen in den Glossen wurden z.T. verbessert, so bei 1.Kor 7,11 (Mt 7 zu Mt 5), Eph 3,10 (Lk 11 zu Lk 15) und Gal 2,19 (Röm 1 zu Röm 8). Andere falsche Belegstellen wurden dagegen übernommen z.B. bei Röm 4,10 und 1.Petr 4,8. 121 Außerdem wurden zwei lange Glossen in die Vorrede des Römerbriefes aufgenommen, s.o. Kap. A.III „Die Vorreden“. 122 Dem fiel z.B. die Glosse zu Eph 4,14 zum Opfer, wo Luther zum Stichwort „Schalkeyt“ schrieb: „Das ist, wie die spytz buben mit den wurffel umb gehen, alßo gehen die mit der schrifft umb, die menschen leer fur geben“. Der Übersetzer ließ diese Glosse aus, obwohl er sonst alle im Epheserbrief übernimmt und ihm die Richtung der Polemik auch liegt. Andererseits mutete er seinen Lesern bei Eph 3,18 das lateinische Psalmenzitat „Quo ibo a spiritu tuo“ zu. 123 Gal 2,17 und 19 hat der schwedische Text zwar ein anderes Stichwort, aber die von Luther übernommenen Glossen passen dennoch. Der Unterschied zwischen Text von Apg 13,33 („im ersten Psalm“) und der Glosse „Psal.ij“ ist von Luther übernommen (vgl. die Erklärung hierzu in der Annotatio des Erasmus). Ebenso sind wei-tere von Stave angeführte Stellen leicht anders zu erklären als als „Überarbeitungen“.
50
be des Luthertestamentes sucht, das Vorlage für die Glossen sein könnte, so erweist es sich
als nachteilig, dass Luther seine Glossen in den Jahren 1522 bis 1525 nur geringfügig änder-
te. Geht man von diesen Einzelfällen aus, so ergibt sich folgendes Bild:
Luther Straßburg 1523 S1526
Mt 1,25 ab 2.Ausg. 1522 - +
Mt 5,25 Mk 3,23
Jh 1,41 6,27 Phm 10
ab 2.Ausg. 1522 - -
Mt 13,12 nur 1.Ausg. 1522 + +
Es ist unsicher, ob noch andere Nachdrucke von Luthers Übersetzung benutzt wurden.
Beschränkt man sich aber auf die Wittenberger hochdeutschen Drucke und die Straßburger
Ausgabe von 1523, so sind sicher mindestens zwei verschiedene Exemplare verwendet wor-
den: Mt 13,12 weist auf ein Septembertestament oder den Straßburger Nachdruck, Mt 1,25
auf eine spätere Wittenberger Auflage hin.
V. Die Sprache
a. Überblick über die philologischen Arbeiten124
Diese Untersuchungen beschäftigen sich in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg neben der
sprachgeschichtlichen Einordnung des schwedischen Neuen Testamentes vor allem mit der
Frage „Wer ist der Übersetzer, Olavus Petri oder Laurentius Andreae?“. Arbeitsmaterial war
zunächst allein die Orthographie des Neuen Testamentes und der Schriften dieser beiden
Männer.
Im 18. und 19. Jahrhundert wurde die von J. Baazius125 stammende Behauptung, Lau-
rentius sei der Übersetzer, unkritisch übernommen. Angefochten wurde diese opinio com-
124 Vgl. auch das Literaturreferat von N. Söderlind in Ny kyrklig tidsrift 1941. 125 Inventarium ecclesiae Sveo-Gothorum, Linköping 1642. Eine Übersicht über die ältere Forschung liefert H. Schück in dem Aufsatz Våra äldsta reformationsskrifter och deras författare, HT 1894.
51
munis zum ersten Mal von H. Schück126 1890, der sich dabei auf die Chronik des Messenius
stützte. Olavus Petri sei der Übersetzer, nicht Laurentius, der zur Übersetzungszeit überbe-
schäftigt war, auch zu alt war, dazu seine Theologie nicht dazu passe und er überdies kein
Griechisch konnte, und vor allem spüre man im Neuen Testament überall Olavus Petris Spra-
che. Es widersprach P. Steffen127 1893, der für Laurentius Andreae eintrat. Vor allem stützte
er sich auf philologische Argumente: es sei dessen Orthographie. Außerdem sei nicht der
griechische Text die Übersetzungsvorlage, sondern der lateinische des Erasmus und ab dem
Römerbrief besonders Luthers Übersetzung. Dazu verweist er auf den Brief Andreaes nach
Norwegen („nostra translatio“).
1893 erschienen noch zwei wichtige Arbeiten, die aber nicht direkt in diese Debatte
eingriffen: Stave128 untersucht als erster die Vorlagen genauer, macht aber keine Aussagen
über den Verfasser. A. Andersson129 will nur zeigen, daß der Verfasser von EEn nyttwgh un-
derwijsning (1526) und der Übersetzer des Neuen Testamentes die gleiche Person ist.
Nachdem Schück130 1893 seine Ansicht insofern etwas revidiert hatte, als er Laurentius
Andreae in das Verfasserkollegium aufnahm, das hinter der Übersetzung stehe, wurde seine
Ansicht fast überall anerkannt und übernommen. - Allein Steffen131 blieb auch noch 1919 bei
seiner Anschauung.
Die Grundlage für die Diskussion bis heute legte dann N.Lindqvist132 1918. Er bewies,
daß es im schwedischen Neuen Testament einen Zug zu einer „Normalsprache“ gebe, die
besonders ab dem Galaterbrief deutlich hervortrete. Auch die Allgemeine Vorrede gehöre
dazu. Und diese Normalsprache (richtiger: Normalorthographie) sei Laurentius Andreae
västmanländischer Dialekt133. Die Gebrüder Petri könnten nur als Mithelfer in Frage kom-
men.
Die Sprachforscher schienen sich zu beugen. Auch Schück134 zeigte sich beeindruckt,
aber 1923 wies er auf die Möglichkeit hin, dass Korrektoren ihre Spur hinterlassen haben
126 Svensk litteraturhistoria I. Die gleiche Ansicht vertritt er auch in dem Aufsatz Öfversättaren af Thet Nyia Testamentit af år 1526 in Ur några antecknares samlingar till C.E.Klemming, 1891, und in dem Buch Olavus Petri, 1893. 127 Våra första reformationsskrifter och deras författare, Samlaren 1893 Extraheft. 128 Om källorna till 1526 års öfversättning af Nya Testamentet, 1893. 129 Einleitung zu Een nyttwgh Wnderwijsning, Skrifter från reformationstiden i urval utgifna af A. Andersson och H. Schück, Bd.3, 1893. 130 Våra äldsta reformationsskrifter och deras författare, HT 1894. 131 Svenska litteraturens historia I, 1919, S.149. 132 Studier över reformationstidens bibelsvenska. Antikvarisk tidskrift för Sverige 20:7, 1918. 133 Vgl. N. Lindqvist, Om Laurentius Andreas härkomst och studier, HT 1917. 134 Den svenska förlagsbokhandelns historia I, 1923, S.69ff.
52
könnten. Und da dazu die Sprache des Neuen Testaments weder die Laurentius Andreaes
noch die Olavus Petris sei, meinte er, die Orthographie sei zwei Korrektoren zuzuschreiben.
Eine andere Lösungsmöglichkeit schlug Palmér135 1926 vor: Olavus Petri sei der Über-
setzer, aber die Setzer seien Dänen gewesen und hätten verschieden genau dem Manuskript
gefolgt. Vieles, was Lindqvist als schwedische Dialektformen ansehe, seien in Wirklichkeit
Danismen.
Lindqvist136 setzte sich zur Wehr (1927), mußte aber doch einen Einfluß der Druckerei
als möglich zugeben.
Aber es folgte noch ein direkterer Angriff auf ihn. 1928 meint E. Neumann137: viele
Formen, die Lindqvist als västmanländische (Heimat Laurentius Adreaes) aufgefaßt hätte,
seien närkisch, also aus der Heimat Olavus Petris!
Lindqvist verteidigte sich nach allen Seiten138: Neumanns Dialektforschung wurde ab-
gewiesen, und der Korrektoreneinfluß sei auch nicht besonders groß. Dafür wurde als neue
Quelle, die die Sprache beeinflußt haben könnte, auf die Vadstenasprache verwiesen.139
Während der Streit zwischen Neumann140 und Lindqvist141 weiterging (1936), hatte
sich ein weiterer Teilnehmer in die Diskussion eingeschaltet. S. Henning behauptete142 1930
(unter Weiterentwicklung von Schück 1923), im Januar 1926 hätte es einen Korrektoren-
tausch bei der Druckerei gegeben. Der neue Korrektor, der für die Normalsprache verant-
wortlich sei, könne in den Schriften der königlichen Druckerei bis 1530 nachgewiesen wer-
den. Dagegen seien die Normalsprachformen im ersten Teil der Übersetzung von Laurentius
Andreae eingeführt worden, der das Manuskript Olavus Petris überarbeitet habe.
Einen wichtigen Schritt bedeuteten die Untersuchungen Palmérs143 über Olavus Petris
Sprache (1934 – 39), da er besonders die Unterschiede zwischen Manuskripten (Chronik der
Stadt Stockholm) und Drucken des Reformators systematisch untersuchte. Einen Einfluß der
Setzer lehnte er ab, da diese zeitweise Deutsche gewesen seien; die Korrektoren hätten z.T.
die Orthographie beeinflußt, aber Worte und Wortformen seien sichere Kennzeichen bei der
135 Reformatorerna och översättningen av Nya Testamentet 1526, ANF 42, 1926. 136 Ha danska sättare inverkat på reformationstidens bibelsvenska? ANF 43, 1927. 137 Språket i Nya Testamentet 1526 – Kritiska anmärkningar och positiva bidrag, ANF 44, 1928. 138 Översättaren av Nya Testamentet 1526. Olavus Petri eller Laurentius Andreae?, ANF 45 und 46, 1929 – 30. 139 Vgl. dazu schon N. Lindqvist, Bibelsvenskans medeltida ursprung, Nysvenska studier 8, 1929. 140 Språket i Nya Testamentet 1526 och i Gustav Vasa bibel 1541, Nysvenska studier 1936. 141 Översättaren av Nya Testamentet 1526. Ytterligare inlägg, ANF 52, 1936. 142 Korrektorn och Nya Testamentet 1526, ANF 46, 1930. 143 Undersökningar i Olavus Petris språk I-IV, LUÅ 1934, 1937, 1939 und 1942.
53
Suche nach dem Übersetzer. Er kommt zu dem Urteil, dass Een nyttwgh wuderwijsning von
Olavus stamme, nur das Schlußkapitel sei von Laurentius Andreae übersetzt. Von dort aus
muß er Laurentius auch die Allgemeine Vorrede zuschreiben. Die früher von ihm selbst und
anderen behauptete Gleichheit zwischen dem Neuen Testament und Een nyttwgh wunder-
wijsning stamme daher, daß der gleiche Korrektor am Werk gewesen sei.
Nach einer Untersuchung des Satzbaus kommt G. Lindblad144 zu dem Schluß, daß min-
destens drei Übersetzer beteiligt gewesen seien, davon sei Laurentius Andreae im Normal-
sprachbereich, Olavus Petri besonders im Johannesevangelium und im Römerbrief zu spü-
ren.
Nach dem Weltkrieg ist diese Diskussion kaum wieder richtig aufgenommen worden.
Nur Lindqvist hat an verschiedenen Stellen seine unveränderte Ansicht wiederholt145. Lexica
und andere zusammenfassende Werke sprechen meist von einer Zusammenarbeit zwischen
Laurentius Andreae und Olavus Petri.
Die ganze Diskussion scheint mir nur zu zeigen, daß die Übersetzerfrage für das Neue
Testament nicht auf dem Weg einer Untersuchung der Sprache allein gelöst werden kann.
Zuviele Faktoren sind uns unbekannt.
Deutlich wird dies bei der Lektüre der letzten beiden Beiträge zur Frage. Henning hat in
seinem Aufsatz „Vilka ha översatt Nya testamentet år 1526“ (1963)146 das ganze Sprachma-
terial noch einmal durchgearbeitet, ohne dass er aber etwas wesentlich Neues sagen könnte.
Er meint, Sprachelemente sowohl von Olavus Petri als von Laurentius Andreae feststellen zu
können und vermutet dann auf Grund allgemeinerer Überlegungen, dass Olavus der Haupt-
übersetzer sei, während Laurentius als Leiter des Unternehmens den Text schließlich geprüft
und verbessert habe. Ähnlich sieht es Knut Evers 1984147: „Die leitende Person hinter NT
1526 war Laurentius Andreae. ... An der eigentlichen Übersetzungsarbeit hat er jedoch nicht
teilgenommen. ... Die Übersetzungsarbeit ist von mehreren Personen ausgeführt worden,
die zum Kreis um Laurentius gehörten und von denen sich nur eine identifizieren lässt, näm-
lich Olaus Petri. Die anderen sind anonym geblieben.“148
144 Frågan om översättningen av Nya testamentet 1526 i belysningen av urkundens relativa satsfogning, ANF 57, 1944. 145 Några huvuddrag i Gustav Vasas Bibels språk, UUA 1941, Einleitung zu Lukas evangeliet i Gustav Vasas Bibel, Svenska texter 1, 1957. 146 Nysvenska studier 43, 1963, S. 16 – 139. 147 Studien zu den Vorlagen des schwedischen Neuen Testaments vom Jahre 1526, Göteborg 1984. 148 S. 188.
54
Die meisten neueren philologischen Arbeiten haben gar nicht mehr die Frage nach
der Person des Übersetzers gestellt, sondern statt dessen einige Teilgebiete genauer unter-
sucht149.
So soll auch in diesem Kapitel nur auf einige charakteristische Züge der Sprache dieses
Neuen Testamentes hingewiesen werden, die mit der Übersetzungsfrage zusammenhängen.
b. Der Wortschatz150
1. Fremde Worte nichtgermanischen Ursprungs
Diese haben alle, auch wenn sie ursprünglich hebräische oder griechische Worte sind,
ihren Weg über das Lateinische – manchmal auch weiter über das Niederdeutsche – ge-
nommen. Als Beispiele seien nur genannt Alexandriner, (Johannes) Baptista, Publican, qua-
ternion, Scenopagia, figura, fitalia (aus vicualia)151.
Die Anwendung solcher Worte, die zumeiste Fachausdrücke sind, passt eigentlich nicht
zu dem Ziel des Übersetzers, wie er es in der Vorrede geschildert hat. Wahrscheinlich hätte
der Übersetzer viele dieser Worte gern vermieden, wenn er dazu eine Möglichkeit gesehen
hätte – ohne den Text zu verfälschen. Viele dieser Worte wurden allerdings in der Wortliste
der Vorrede und/oder den Marginalglossen erklärt. Als weitere Hilfe für den schwedischen
Leser wurden die meisten dieser Fremdworte in das schwedische Beugunssystem überführt
– zum ersten Mal in der schwedischen Schriftsprache152 und wohl nach dem Vorbild Luthers.
2. Lehnworte (nieder)deutschen und dänischen Ursprungs
Diese gehören zum großen Teil dem religiösen Wortschatz an153. Teils sind es Neu-
übernahmen, öfter aber sind es Fälle, wo die mittelalterliche Sprache in Schweden mehrere
Synonyme hatte, von denen eines niederdeutschen Ursprungs war. Letzteres gelangten nun
149 B. Bjerre, Nordiska konjunktionsbildningar med temporal innebörd 2, 1938 (er meint S. 228 ff, der Wechsel zwischen „då“ und „när“ beweise, daß mehr als ein Übersetzer beteiligt gewesen sei). K.G. Ljunggren, Behand-ling av namn m.m. i våra äldre reformationsskrifter, ANF 56, 1942. G. Sjögren, Om språket i de svenska bibelö-versättningarna 1526-1541, 1949 (Untersuchung des Wortschatzes). Von älteren Spezialuntersuchungen sei nur genannt J. Wide, Verbalböjning i 1526 års översättning av NT, 1911. 150 Außer auf eigene Beobachtungen stütze ich mich hier besonders auf G. Sjögren, Om språket i de svenska bibel – översättningarna 1526-1541, 1949, und Carl Ivar Ståhle, Svensk bibelspråk från 1500-tal till 1900-tal, 1970. 151Sjögren 1949, S. 19ff rechnet zu dieser Gruppe etwa 50 Wörter. 152 Sjögren 1949, S. 22. 153 Sjögren 1949, S. 26ff. Ståhle 1984, S. 4ff.
55
durch den Bibeldruck zum Sieg (und bestimmen bis heute die religiöse Sprache). Hierzu ge-
hören z.B.
- salugh für beatus und salvus (früher meist hel und säl). Der theologische Ge-
brauch von
- retferdugh, retferdughet, retferdugha wird häufiger, so daß diese Bedeutung bei
dem früher u.a. auch in diesem Sinne gebrauchten rettwijs, rettwisa und vrskyl-
lugh verblasst.
- Barmhertugh, barmhertughet, förbarma sigh ist häufiger als das einheimische
miskundra usw.
- Bekenna usw. verdrängt als ältere wedherkenna.
Noch nicht in der überlieferten religiösen Sprache üblich waren z.B. die von S1526 häu-
fig verwendeten Begriffe „försambling“ (um Luthers „gemeyne“ wiederzugeben) und
„åldersman“ (vorher nur für Gilden- und Zunftvorstehen üblich).
Dazu kommt eine große Gruppe nichtreligiöser „termini technici“154, wie z.B. bolerij,
eebräkare, Elpenbee, fremling, nöcter, offuerhet.
Von diesen Lehnworten werden in der Vorrede nur wenige, in den Marginalglossen gar
keine erklärt. Daraus ist zu entnehmen, daß die Verwendung dieser Wörter für den Überset-
zer ganz natürlich war. Sie gehören auch zum größten Teil der damaligen Schriftsprache an.
Aber für das Volk auf dem Lande waren diese Wörter fremd und oft unbegreiflich, denn der
Wortschatz in den Handelsstädten und den höheren Bevölkerungsschichten war zu dieser
Zeit sehr verschieden von dem auf dem Lande.
3. Worte aus der Volkssprache und Wortschöpfungen
Es wurden viele Worte aus der Volkssprache aufgenommen, die vorher in der Schrift-
sprache noch nicht angewandt wurden155. Weiterhin hat der Übersetzer anscheinend mit
folgenden Worten auch sprachschöpferisch gewirkt: förpalasz (atrium), gudhactugheet (pie-
tas), löszkona (meretrix) und wijngroop (torcular).
154Sjögren 1949, S. 30ff. 155 Sjögren 1949, S. 39ff.
56
4. Einfluß der Vorlagen auf den Wortschatz.
Der griechische Text kommt nirgends zum Vorschein, manchmal aber der lateinische
Text des Erasmus (z.B. the framlaghda brödh, Erasmus: panes propositionis, Luther: Schau-
brote) und seltener die Vulgata (Lukas 17,6 Moro trää, Vulgata: arbori moro, Erasmus: arbori
sycamino).
Von Luthers Übersetzung meint Sjögren156 (wie Stave157), dass sie in erster Linie als
„übersetzungstechnisches Hilfsmittel“ gedient habe. Oft sind die von ihm übernommenen
Worte biblische termini technici, wie z.B. drengiaskendare (Erasmus: masculorum concubi-
tor, Luther: Knabenschänder) oder efftersabbatz (Erasmus: in saabato secundo primo, Lu-
ther: Aftersabbath). Einige der erwähnten lateinischen Lehnworte haben auch ihren Weg
über Luther (oder das Niederdeutsche) genommen.
Zwar sind viele von Luther gebrauchte Worte in einer dem Niederdeutschen ähnlichen
Form ins Schwedische übernommen worden, doch ist dies für Sjögren keineswegs ein Be-
weis, dass eine niederdeutsche Lutherausgabe (Wittenberg und Hamburg 1523) benutzt
worden sein muss158. Denn der Übersetzer hat ja wahrscheinlich niederdeutsch gesprochen
und deshalb eine hochdeutsche Vorlage zunächst für sich ins Niederdeutsche übertragen.
Und da dazu viele der religiösen niederdeutschen Lehnwörter in diesen Ausgaben nicht be-
legt werden können, ist eher an einen lebendigen Kontakt mit der deutschen evangelischen
Bewegung zu denken, z.B. mit Nikolaus Stecker, der seit Sommer 1524 Pfarrer in Stockholm
war und dort wohl auch niederdeutsch predigte.
Einflüsse der älteren schwedischen Übersetzung der Offenbarung159 auf den Wort-
schatz sind behauptet worden, aber doch sehr unwahrscheinlich160.
156 Vgl. Sjögren 1949, S.44ff. 157 Stave 1893, S.210f. 158 Doch nennt Sjögren 1949, S.51 selbst einige Beispiele, wo das Wittenberger niederdeutsche Neue Testa-ment mit S.26 übereinstimmt. S.Henning 1963, S.84f meint auf Grund des Wortschatzes darauf schließen zu können, daß die Wittenberger niederdeutsche Ausgabe (1523) weit häufiger benutzt worden sei als die hoch-deutschen Ausgaben, die er aber als Vorlagen auch nicht völlig ausschließen will. 159 behauptet von Lindqvist 1929, S.40. 160 Sjögren 1949, S.52ff läßt als möglichen Beleg für den Gebrauch der alten Übersetzung der Offenbarung nur Offenbarung 15,15 gelten.
57
c. Die Schreibung der Eigennamen161
Die Schreibung der Eigennamen folgt meistens dem lateinischen Text des Erasmus.
Manchmal stimmt sie mir der Vulgata überein, selten mit Luther. Dieses Verhältnis ist im
ganzen Neuen Testament gleich bleibend162.
Doch ist die Orthographie bei weitem nicht einheitlich, z.B. stehen die beiden Formen
Hierico und Jerico gemischt, während Erasmus immer Hiericho und Luther immer Jericho
schreibt. Doch fällt auf, daß S1526 am Anfang des Neuen Testaments immer Johannes, ab
Mk 5,6 aber durchgehend Joannes schreibt163.
Ein Sonderfall ist Mk 5,22, wo S1526 ohne Parallelen bei Erasmus, Vulgata und Luther
die griechische Form Jairos hat.
VI. Zusammenfassung
Das schwedische Neue Testament von 1526 ist ein im großen und ganzen einheitliches
Werk, wenn es auch nicht so in sich geschlossen ist wie Luthers Ausgabe. Leitfaden des Ver-
fassers bzw. Bearbeiters waren die in der Vorrede ausgesprochenen Prinzipien: „den einfa-
chen Text, wie er von den Evangelisten und Aposteln geschrieben wurde“, auf schwedisch
herauszugeben, samt „einigen Vorreden und kleinen Ausdeutungen … um derer willen, die
noch unerfahren sind in der Schrift und deshalb nicht gleich verstehen können, was sie le-
sen“.
Innere Brüche und Unstimmigkeiten beruhen teils auf der ungleichmäßigen Kritik an
den Quellen für Text und Beigaben, teils darauf, daß der Übersetzer nicht ein solches Lot an
seine Arbeit anlegen wollte und konnte, wie es Luther mit seiner Anschuung vom Wort Got-
161 Vgl. die Liste bei Stave aa0., S.186ff. 162 Es mag hier auf eine Beobachtung K.G. Ljunggrens (ANF 56, 1942) hingewiesen werden. In der Schrift Swar på tolff spörsmål, 1527 zitiert Peder Galle die Apostel Petrus und Paulus immer in der einheimischen Form Pedher und Pauel, Olavus gebraucht hier immer die lateinische Form, seinen Gesprächspartner nennt er aber immer Pedher. 163 Stave 1893, S.187 Anm. 1.
58
tes als Gesetz und Evangelium konnte. Ein solches Verfahren hätte für ihn den „einfachen
Text“ zerstört. Er versuchte lieber, der lateinischen Übersetzungsvorlage genauer zu folgen
und nahm dafür manche Schwierigkeit für den Leser in Kauf. Diese Schwierigkeiten sollten
dann durch Vorreden und Glossen wieder gemildert werden; mehr sollten sie nicht leisten.
Man vergleiche hierzu den erwähnten Brief des Laurentius Andreae an den Erzbischof von
Trondheim164, in dem er in Bezug auf das dänische Neue Testament von 1524 sagt „Es
scheint aber in Prologen und Glossen einiges Anstößige zu enthalten, wovor wir uns bei un-
serer Übersetzung gehütet haben, um möglichst niemanden zu verletzen“.165
Es ist in dieser Arbeit bei der Behandlung von Textübersetzung und Beigaben fast
überall auf den Hinweis auf theologische Parallelen bei den schwedischen Reformatoren
verzichtet worden. Nur wo es nötig war, einen größeren Gedankenzusammenhang zur Erklä-
rung der jeweiligen Abweichung zu geben, wurde auf die theologische Anschauung Olavus
Petris zurückgegriffen. Es muß aber gesagt werden, daß alle aufgetauchten theologischen
Besonderheiten mit seiner Theologie übereinstimmen.166
Doch diese Übereinstimmung sagt noch nichts über den Übersetzer bzw. Bearbeiter
aus, da wir von den anderen möglichen Mitarbeitern (vor allem ist hier außer Laurentius
Andreae noch Sven Jacobi167 zu nennen) kaum etwas Schriftliches besitzen. Allein L. Andreae
hat eine kleine Schrift herausgegeben: Vom Glauben und guten Werken, 1528 – und diese
zeigt, daß seine Theologie zumindest an diesem Punkt mit Olavus Petri genau überein-
stimmt. Auch gelegentliche Äußerungen in Briefen über die Autorität des Wortes Gottes und
den Kirchenbegriff weisen in diese Richtung. Bis zum Erweis des Gegenteils muß dasselbe
auch für andere theologische Fragen und für die anderen Mitarbeiter angenommen werden.
Da auch die historische und die rein philologische Untersuchung zu keinem einheitli-
chen Ergebnis gelangt sind, muß es bei dem Urteil Kjöllerströms bleiben: „Es dürfte kaum
164 vgl. oben Kap A.III „Die Vorreden“. 165 „Verum continere videtur in prologis et glosselis nonnichil scandali, a quo temperauimus nos in translatione nostra neminem libenter offendentes.“ Der Plural „prologis“ zeigt deutlich, daß die von Luther übernommenen Beigaben gemeint sind, nicht aber nur die Sondervorrede, in der die Thronansprüche Christians II. verteidigt werden, wie Fransén 1941, S.109 meint. 166 Vgl. S.Ingebrand, Olavus Petris reformatoriska åskådning, 1964. Ingebrand vergleicht selbst (S.32ff) einzelne Worterklärungen der Sondervorrede mit Äußerungen Olavus Petris und kommt für diese Stellen zum gleichen Ergebnis. Christer Gardemeister, Den suveräne Guden. En studie i Olavus Petris teologie, 1989, erwähnt zwar (S. 24), dass Olavus Petris wahrscheinlich diese Vorrede verfasst hat, bezieht den Text aber nicht in seine Un-tersuchung ein. 167 Sven Jacobi, früher Domprobst in Skara, war seit 1524 als Kanzler Gustav Vasas in Stockholm tätig, bis er 1527 Bischof in Skara wurde. Er war ein Reformkatholik, der sowohl zu den Reformatoren wir zu den Romtreu-en ein gutes Verhältnis hatte. Vgl. F. Ödberg, Om magister Sven Jacobi in Vestergötlands fornminnesförenings tidskrift, Heft 8 und 9, 1887, S.17-64.
59
möglich sein, mit dem jetzt bewahrten Quellenmaterial festzustellen, wer das Neue Testa-
ment von 1526 übersetzt hat“.168
Immerhin kann doch auf Grund des hier vorgelegten Materials einiges mit Sicherheit
gesagt werden. Der bzw. die Übersetzer waren theologisch profilierte Persönlichkeiten, die
ihre Spuren deutlich hinterlassen haben, und zwar sowohl in Text wie in Glossen, Einzelvor-
reden und Sondervorrede auf einheitliche Weise. Die Einheitlichkeit wird besonders deutlich
bei den immer wieder auftauchenden Themen Gesetz/Rechtfertigung, der Wichtigkeit der
„guten Herzens“ und der Polemik gegen die „Menschenlehre“. Diese Fragenkreise stehen
auch im Mittelpunkt vieler reformatorischer Schriften Olavus Petris, wo sie auf die gleiche
Weise gelöst werden. Und da er auch als der theologisch bedeutendste und einflussreichste
Mann des Übersetzergremiums, wenn nicht gar als Alleinübersetzer anzusehen ist, so kann
man mit Sicherheit sagen, daß das schwedische Neue Testament von 1526 theologisch den
Stempel Olavus Petris trägt.
168 STK 1941, S.3.
60
B. DIE TEILAUSGABEN DES ALTEN TESTAMENTS 1536
I. Die Geschichte der Übersetzung
Über die Verteilung des Neuen Testamentes von 1526 und seine Aufnahme im Land
wissen wir wenig. Die einzige Auskunft darüber enthält ein Brief Gustav Vasas vom
4.10.1528 an die Pfarrer Finnlands169. Die Pfarrer werden hierin ermahnt, Gottes reines Wort
zu predigen. Als Hilfe dazu sei „ein großer Teil der Heiligen Schrift in unsere eigene Sprache
übersetzt“ worden. Deshalb „ermahnen wir euch, daß ihr diese Bücher nicht verachtet“.170
Das Neue Testament ist also nicht überall mit Begeisterung aufgenommen worden.
Zur Benutzung der Übersetzung macht Olavus Petri in dem Vorwort zu seiner Postille
(1530) folgenden Vorschlag: „Item wäre es wohl auch nützlich, wenn Gemeindepfarrer, die
das Neue Testament auf schwedisch haben, immer etwas daraus vorlesen, ein halbes oder
ganzes Kapitel, an jedem Feiertag, und damit ihre Predigt verlängern, damit das Volk alle
Evangelisten höre, den einen nach dem anderen, und sich so mit der Zeit an Gottes Wort
gewöhne, so dass die Postille schließlich nicht mehr so nötig wäre, sondern man die Schrift
selber gebrauchen würde.“171
Aber noch stand die Übersetzung der ganzen Bibel aus, wie sie schon in der Vorrede
des Neuen Testamentes versprochen worden war. Es sollte noch lange dauern, bis 1541 die
vollständige „Gustav-Vasa-Bibel“ (GVB) erschien. Aber es gab schon vorher einige Teilüber-
setzungen bzw. Teilausgaben des Alten Testamentes.
Die erste Übersetzung eines Teiles des Alten Testamentes in der Reformationszeit
waren die sieben Bußpsalmen für Vor fruwe tydher (1525)172. Ihre Vorlage war noch die Vul-
gata. Dieselben Psalmen finden sich auch in der anonymen, aber wohl von Olavus Petri
stammenden Schrift Een nyttwgh wnderwijsning173 desselben Jahres. Hier war allerdings
Luthers Betbüchlein (1522 und öfter)174 die Vorlage. Unverändert wurden diese Psalmen
auch in Then Swenska messan (1531)175 Olavus Petris übernommen.
169 Gustav Vasas Registratur 5, S.155f. 170 Collijn I, S.335 legt diesen Brief nicht ganz richtig aus. Die Wendung „ga gellit qwjtt“ bezieht sich nicht auf die Benutzung des Neuen Testamentes. 171 OPSS 3,8,17ff. 172 Hrsg. von Klemming 1854 unter dem Titel Den svenska tidebroken. 173 OPSS 1,95ff, im Folgenden abgekürzt E.n.U. 174 Zu den Quellenproblem von E.n.U. vgl. Anderssons Einleitung in seiner Ausgabe der Schrift in Skrifter från reformationstiden 3, 1893, und S.Ingebrand 1964, S.20ff.
61
Über die Vorbereitung der weiteren Übersetzung ist uns nur eine kurze Notiz erhalten.
In der Reichsregistratur findet sich unter dem Datum 1.3.1534 als Zusammenfassung eines
ausgegangenen Briefes: „Item literas Collationis auf das Erzdiakonat Upsala, da das Alte Tes-
tament auf Schwedisch übersetzt werden soll.“176
1536 erschienen dann einige Teile des Alten Testamentes als Teilausgaben. Es sind vier
kleine Oktavbändchen, die in der königlichen Druckerei in Stockholm aufgelegt wurden. Au-
ßer Titel, Druckort und Jahreszahl enthalten die Titelblätter keine weiteren Angaben177, ins-
besondere fehlt jeder Hinweis auf den Übersetzer.
1. „Dauidz Psaltare“ enthält außer dem Psalter (mit Vorrede und Berichtigungen) auch das
Symbolum Athanasij. Es sind noch sieben Exemplare erhalten. Auffallend ist, dass vor jedem
Psalm auch dessen lateinischer Anfang steht. Die Psalmenabteilung und –zählung folgt dem
hebräischen Text.
Die drei anderen Bände sind jeweil nur in einem Exemplar erhalten
2. „Salomos ordspråk“
3. Salomos Wijsheet“
4. „Jesu Syrach Book“. Hier fehlen die ersten beiden Seiten, daher wird das Druckjahr hier
nur wegen der Parallele zu den anderen Bänden mit 1536 angegeben.
II. Die Übersetzung des Bibeltextes
a. Die Vorlagen
Die Hauptvorlage ist Luthers Übersetzung, was in der Vorrede zu Sirach auch indirekt
ausgesprochen wird („die deutsche Ausgabe, die vor kurzem erschienen ist“). Es ist anschei-
nend überall die früheste Auflage benutzt worden, also für die Psalmen Das Dritte teyl des
175 OPSS 2,419ff. 176 GR 9, S.61 Vgl. auch Collijn II, S.101 und S.Kjöllerström 0000, S.9f. Diese Gelder waren bisher Laurentius Andreae zugeflossen, der auch als Kanzler die Erzdiakonstelle von Strängnäs und Uppsala nicht aufgab. 177 Bibliographische Angaben bei Collijn II, S.43ff. 1956-60 erschienen Faksimileausgaben als Band 62 der Skrif-ter utg. av svenska fornskrift-sällskapet mit Nachworten von C. Sjögren, im Folgenden zitiert als Sjögren I,II und III.
62
allten Testaments, 1524.178 Einige kleine Abweichungen lassen vielleicht einen Nachdruck
dieser Ausgabe in Frage kommen.179 Für die Sprüche kommt derselbe Band oder dessen
Neuauflage 1525 in Frage.180 Die geringen Unterschiede dieser beiden Auflagen können sich
in der Übersetzung nicht widerspiegeln. Für Weisheit war die Separatauflage 1533 oder de-
ren fast unveränderter Abdruck in der Bibel 1543.181
Daneben ist an einzelnen Stellen die Vulgata zu Worte gekommen.182
Auch die niederdeutsche Lutherbibel Lübeck 1534 (N34) wurde öfter herangezogen.183
Zusätzlich fand ich zwei Stellen, an denen mir die Benutzung des Psalmenkommentars von
Bugenhagen (1524) deutlich zu sein scheint. In Psalm 6,7 übersetzt S 1536 abweichend von
Luther und Vulgata „gör mina säng simmande vthi hela nattenne“. Bugenhagen zitiert zur
Stelle die Übersetzung aus dem hebräischen Text, die von einem gewissen Felix herausgege-
ben wurde, der hier übersetzt „Natabilem reddam…“.184 Die zweite Stelle ist Psalm 29,6, wo
Bugenhagen wiederum Felix zitiert: „Et comminuet etc. (= Vulgata; Luther: „macht sie le-
cken“) Felix, Et exilire fecit eas…“, wonach der Schwede übersetzt: „Och later them sprin-
ga…“.
Bezieht man die beiden Ausgaben der Schwedischen Messe von 1531 und 1537, die ja
beide einige Psalmen (6, 22, 33, 51, 102, 130, 143) enthalten, mit ein, so kann auf Grund der
gemachten Stichproben für die Psalmenübersetzung eine vorläufige Skizze der Abhängig-
keitsverhältnisse gegeben werden. Die kräftigen Linien zeigen die Hauptvorlagen; die gestri-
chelte Linie bedeutet, daß die Berührung nicht im Text, sondern in der Auslegung zu suchen
ist. Im schwedischen Psalter 1536 wurden auch einige Stücke, die aus Svenska mässan 1531
178 So schon A.E. Knös, Om revisionen af Svenska Bibelöfversättningen, 1861, S.98. Eine genauere Untersuchung bei Sjögren I, S.11 ff. 179 Formen der Psalmensonderausgabe 1524 tauchen auf in 18,1; 133,2 und der Glosse zu 137,6; Formen des 3.Teils des Alten Testaments, 1524, in 5,7 Glosse zu 6,8; 72,17; 115,1; 133,1; 103,4; 136,10 und 150,4. 180 Sjögren II, S.5. Jochen Möckelmann, Deutsch-schwedische Sprachbeziehungen. Untersuchungen der Vorla-gen der schwedischen Bibelübersetzungen von 1536 und des Lehngutes aus dem Deutschen in diesen Überset-zungen, Göppingen 1968, macht S. 135 die Verwendung der Ausgaabe von 1524 wahrscheinlich. 181 Sjögren III, S.4. 182 Vgl. J. Lindblom, Studier till en ny provöversättning av Syraks bok, 1915, S.31ff; Sjögrens Nachworte; Mö-ckelmann S. 135 und Harry Milton, Zum Niederdeutschen Lehngut in den schwedischen Übersetzungen der Sprüch Salomos von den Jahren 1536 und 1541, 1984, S. 16-11. 183 Das vermutet schon Sjögren 1949, S.75. Nachgewiesen wurde es von Milton 1984, S. 23-27. 184 Bugenhagen wurde zur selben Stelle schon einmal herangezogen in Een nyttwgh wnderwijsning, 1526: „han ville twaa sina säng j taarar, eller som then hebreesche texten haller, han ville lätha sina sängh simma hwaria natt j taarar“ (O. Petri Samlade skriften I,97,11ff). Bugenhagen bzw. Felix wird wohl auch zugrunde liegen, wenn Olavus ein Jahr später in seiner Swar på tolf spörsmal zu Psalm 44,9 schreibt: „Item, I gudhi skole sij loffua heela daghen, epter som j then Hebreiska texten star“ (O.Petri Samlade skrifter I,248,16ff). Luther und die Vulgata haben eine andere Textform.
63
übernommen wurden, nach Luther 1524 korrigiert, wie z.B. 6,8. Da die Skizze nur auf Stich-
proben beruht, wird sie wohl nicht vollständig sein; z.B. ist in der GVB bei Psalm 107,10.14
ein Einfluß der Vulgata oder wiederum Bugenhagens anzunehmen.
Stemma der Psalmenübersetzung
b. Die Übersetzung
Die Übersetzung folgt fast überall Luther. Daß dies nicht mit allzu großer Sorgfalt ge-
schah, zeigt die Auslassung von Sir. 40,13f durch Haploskopie (v.13 und v.15 beginnen mit
dem gleichen Wort).
Die gelegentliche Berücksichtigung der Vulgata folgt keinem bestimmten Prinzip.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Stelle Psalm 14,4. Dieser Vers ist nämlich durch
einen gedruckten Berichtigungszettel überklebt worden. Vorher stand dort „Wollen denn die
Bösewichte, die mein Volk auffressen, nicht sich besinnen dass sie gut zu essen haben? Den
64
Herrn rufen sie nicht an“. Verbessert heißt der Vers „Sollten es die Bösewichte nicht ver-
nommen haben, die da mein Volk auffressen wie Brot? Gott rufen sie nicht an“. Diese Fas-
sung folgt der Vulgata („sicut escam panis“). Vielleicht stieß der Übersetzer auf diesen ihm
passender erscheinenden Wortlaut erst, als er die gleichlautende Stelle Psalm 53,5 zu über-
setzen hatte und merkte erst nach dem Druck, daß diese Übersetzung auch Psalm 14,4 rich-
tiger wäre.185
Nur indirekt zur Übersetzung des Textes gehört die Ausweitung der Überschrift zur ei-
genen Vorrede des Jesus Sirach. Während Luther immer schreibt „Vorrhede Jesu Syrach auff
sein buch“, erweitert S 1536 zu „Jesus Syrachs Vorrede auf sein Buch, das gewöhnlich Eccle-
siasticus genannt wird“.
III. Die Vorreden
Auch bei den Vorreden der Sonderausgaben 1536 war Luther das Vorbild. Ich gehe im
Folgenden nur auf die geänderten und neu hinzugefügten Partien ein.
1. In der Vorrede zum Psalter hält S 1536 sich an Luthers Reihenfolge, ist aber an manchen
Stellen ausführlicher.
Im Anfangsabschnitt wird bei der Aufnahme von Luthers Sätzen über die Reichhaltig-
keit der hebräischen Sprache hinzugefügt „wie die angeben, die im Hebräischen erfahren
sind“. Luthers Urteil aber, „Das sie wol billich eyn heylige sprache heyssen mag“, ist ausge-
lassen.
Bei der Übernahme von Luthers Worterklärungen werden zu den von ihm angeführten
hebräischen Begriffen fast immer die lateinischen Formen dazugefügt.
Ein Seufzer Luthers mitten zwischen den Worterklärungen wird in ein positives Urteil
umgewandelt. Luther klagt hier „Aber ich durfft nicht so weyt von den worten gehen“ (so,
wie er es um der Deutlichkeit willen eigentlich hätte tun müssen). Der Übersetzer macht
185 Sjögren I, S.10 berücksichtigt nicht die Benutzung der Vulgata, wenn er meint, es ginge dem Übersetzer nur darum, den gleichen Wortlaut in beiden Versen zu haben.
65
daraus: „Und das ist deshalb gesagt, daß wenn man irgendwo so übersetzt findet, soll man
wissen, daß damit nicht von dem Sinn abgewichen ist, den die hebräischen und lateinischen
Worte haben“.
Dazu kommt ein selbständiger Schlussabschnitt, der z.T. an den selbständigen Teil der
Allgemeinen Vorrede 1526 anklingt: zwar darf diese Übersetzung kritisiert werden, aber das
soll man Leuten überlassen, die davon etwas verstehen. Manche haben aber nur ein Buch
gesehen und wollen davon kein Haarbreit abweichen, „was wohl anders wäre, wenn sie
mehrere Bücher und Übersetzungen einsehen wollten“. Das sollen sie zuerst überlegen, ehe
sie etwas tadeln, was vielleicht keinen Tadel verdient hat.
2. In der Vorrede zu den Sprüchen ist der Anfang etwas frei übersetzt, aber es tauchen nir-
gends Sinnverschiebungen auf.
Eine kleine Zufügung am Anfang ist interessant. Der Übersetzer übernimmt hier von
Luther, daß dieses Buch „überall die Weisheit preist und die Torheit schilt“ und fügt hinzu
„was auch geschieht im Buch der Weisheit und Jesus Syrach“ – gerade den beiden Büchern,
die im gleichen Jahr (zusammen mit dem Psalter) noch erscheinen.
3. Die Vorrede zur Weisheit ist ziemlich wörtlich von Luther übernommen worden. Nur der
erste, sehr persönlich gehaltene Absatz („Weil der itzige Reichstag zu Speyr…“) ist ausgelas-
sen.
Dabei ist zu beachten, dass Luther in dieser Vorrede – gestützt auf „die alten veter“ –
mit einfachen Worten feststellt, daß es sich wohl um eine pseudonyme Schrift handelt, oder
an anderer Stelle die Obrigkeit schilt, die auch heute ihre Macht mißbrauche. Hier lässt S
1536 allerdings den Schlusssatz Luthers aus: „das sichs allenthalben wol reimet auff vnser
itzige zeit“!
4. Beim einzigen erhaltenen Exemplar des Buches Sirach fehlen die ersten beiden Blätter,
also das Titelblatt und die beiden ersten Seiten der Vorrede. Die erhaltenen 1 1/2 Seiten sind
selbständig und liefern uns einige interessante Angaben.
Die Herausgabe des ganzen Alten Testaments ist weiterhin geplant („… soll dieses Buch
für das erste in unserer schwedischen Sprache herausgegeben werden, bis dass das ganze
Alte Testament (wie beabsichtigt ist) möchte herausgegeben werden“).
66
Es wird auf die Vorlage der Übersetzung hingewiesen: „Und es schien das Beste zu
sein, vor allem der deutschen Ausgabe zu folgen, die vor kurzem erschienen ist, deren Meis-
ter ohne Zweifel allergenauestens alle ‚exemplaria’ durchgesehen hat und überlegt, was dar-
innen am richtigsten und reinsten sei. Womit er sicherlich nicht wenig Arbeit gehabt hat, wie
er in seiner Vorrede wohl zu erkennen gibt. Das können auch die merken, die die lateini-
schen Texte und mehrere Übersetzungen als eine hierzu gesehen und gelesen haben.“ Und
dann folgt dieselbe Abwehr derjenigen Kritiker, die „kaum ein Buch mit geringem Verstand
gesehen oder gelesen haben“, die wir schon aus der Allgemeinen Vorrede 1526 186 und der
Vorrede zum Psalter 1536 kennen.
Schließlich wird das Ziel der Arbeit angegeben: „Ist auch dieses Buch viel in den Stun-
dengebeten der Kirchen in Gebrauch gewesen,187 doch manchmal mit wenig Verstand und
Nutzen, ja oft in einem anderen Sinne und zu einem anderen Grund benutzt worden, als
rechtens war. Deshalb sei nun hiermit denen gedient, die hierin die Wahrheit und rechten
Grund wissen wollen.“ Dieser letzten Begründung begegneten wir schon als einem Argument
des Königs bzw. dessen, der sein Konzept aufsetzte, beim Verlangen nach einer Übersetzung
des Neuen Testamentes.188
IV. Die Glossen
1. Bei den Psalmen übersetzt S 1536 im allgemeinen Luthers Glossen vollständig und wört-
lich. Nur wenige sind ausgelassen (49,19.21 80,3 83,4 90,3) oder verkürzt (z.B. 74,11). Teil-
weise werden die ausgelassenen Glossen S 1536 überflüssig vorgekommen sein (z.B. 49,21)
oder die Ausdeutung erschien ihm zu gesucht (z.B. 80,3 83,4). Die Glosse zu Psalm 90,3 wird
entbehrlich durch eine etwas freiere Übersetzung des Textes. Theologische Differenzen sind
nirgends zu spüren.
186 Vgl. Kap. A.III „Die Vorreden“. 187 Vgl. WADB 12,144 Anm.3. 188 S.o. Kap A.I „Die Geschichte der Übersetzung“.
67
Anmerkenswert ist die Übersetzung von „kirchen“ in der Glosse zu Psalm 68,13 mit
„kirkions eller christeliga församblingena“, und dass die grammatische Glosse Luthers zu
Psalm 80,16 mit mehreren lateinischen Ausdrücken überhaupt aufgenommen wurde.
Sonderglossen gibt es zu 18,4 (s.u.) und 8,6 (eine Worterklärung zu „brist“).
Da sich S 1536 eng an Luther hält, werden dessen „geistliche Auslegungen“ weitge-
hend übernommen, z.B. beide Glossen zu Psalm 68,1.13, deren letzte lautet „Hauszierde
heißt auf hebräisch die Hausfrau. Und er redet hier von der Kirche oder christlichen Gemein-
de, die Christi Braut ist“. Sogar die eine Sonderglosse geht in diese Richtung: die Glosse zu
Psalm 18,14 erklärt den Text, der von Unwetter und Donner spricht, so: „Mit diesen Worten
beschreibt er ein Unwetter, aber er meint das Unwetter des Leidens des Gerechten“.
Die Glosse zu Psalm 14,1 beweist, daß die Glossen – wie der Text auch – aus der Lu-
therausgabe 1524 übernommen wurden.
2. Auch bei den Sprüchen werden Luthers Glossen im allgemeinen übernommen. Ausgelas-
sen werden aber vor allem die von Luther bei diesem Buch oft dazugefügten Sprichwörter,
z.B. 20,11 21,5 24,33. Nur wenn sie auch im Schwedischen bekannt sind, werden sie über-
nommen, z.B. zu 23,2 „Das ist gesagt in der Weise des Sprichwortes, wie man sagt, es ist
nicht gut Kirschenessen mit den Herren“.
Neu dazugefügt ist keine Glosse, aber die zu 27,19 ist völlig verändert und heißt nun
„Das Antlitz wird im Wasser gesehen, aber es ist dort nicht. Auch Glaube ist nicht überall, wo
er zu sein scheint“.
3. Ebenso schließt sich S 1536 bei den Glossen zur Weisheit eng an Luther an. Es fehlen aber
z.B. der lateinische Teil der Glosse zu 2,7189 und die ganze Glosse zu 12,15. Hier könnte eine
Meinungsverschiedenheit der Grund der Auslassung sein, denn es heißt hier „… Gott strafft
auch vnd verdampt seine heiligen hie zeitlich…“
Falsche Stellenverweise werden von Luther übernommen in den Glossen zu 16,27 und
17,1; ein eigener Fehler dieser Art findet sich in der Glosse zu Weisheit 16,6.190
189 In den Glossen von S 1536 werden die lateinischen Teile von Luthers Glossen sonst meist übernommen, vgl. z.B. Psalm 72 oder Sirach 38,21. 190 Die Verweise auf den Pentateuch haben in der Ausgabe der Weisheit die Form „j.Mo.“ und ähnlich, bei Si-rach jedoch „Gen“ usw.; Sprüche und Psalmen enthalten keine Verweise auf den Pentateuch.
68
4. Die ausgelassenen Glossen im Jesus Sirach sind teils unnötig (z.B. 9,23 21,20), teils auf
deutsche Verhältnisse bezogen (19,5), teils in die Übersetzung aufgenommen (38,20), meist
aber unerklärlich.
In der Glosse zu Sirach 38,21 wurde Luthers lateinisches Zitat übernommen, bei Sirach
48,7 findet sich die Zufügung „gemäß dem Propheten Elia“. Die Sorgfalt war verschieden: die
von Luther zu 4,23 gestellte Glosse wird zu v.32 verschoben, wohin sie besser paßt; dagegen
ist in der Glosse zu 36,19 die Bibelstelle falsch zitiert.
V. Die Sprache
Die in S 1536 vorkommenden Fremd- und Lehnworte sind fast alle von Luther über-
nommen; nur die Volksnamen sind z.T. der Vulgata nachgeahmt,191 z.B. Amoreer (Vulgata:
Amorraei, Luther: Amoriter).
Die Orthographie ist seltsamerweise oft einfacher als in S 1526 und S 1541.192
VI. Zusammenfassung
Über die Gründe der Herausgabe dieser vier Bücher und die Umstände der Überset-
zung wissen wir wenig, wie sich oben bei der Referierung der historischen Nachrichten zeig-
te. So ist es ein Problem, das zu verschiedenen Theorien Anlaß gegeben hat, warum gerade
diese vier Bücher gewählt wurden – ganz abgesehen von der Frage, was sonst zu dieser Zeit
eventuell noch schon übersetzt gewesen sein könnte.193
191 Sjögren, Om språket i de svenska bibelöversattningarna 1526-1541, 1949, S.61. 192 Sjögren 1949, S.60. 193 Zu diesem Problem s.u. Kap. C.I „Die Geschichte der Übersetzung“.
69
1. Es seien Probeübersetzungen, die nicht in erster Linie zum praktischen Gebrauch be-
stimmt gewesen seien.194
2. Zur Förderung des persönlichen Andachtslebens.195
3. Für die kultische und theologische Erneuerung.196 Diese Deutung ist bei Berücksichti-
gung der Sirachvorrede und der Zufügung des Symbolum Athanasianum im Psalter am wahr-
scheinlichsten.
Als Übersetzer schlug Knös einen oder mehrere Mitarbeiter in Laurentius Petris Bibe-
lübersetzungsteam vor.197 Wegen „Ungleichheiten in Stil und Orthographie“ könne er es
nicht selbst gewesen sein.
Lindblom meinte dagegen, die Orthographie sei der Laurentius Petris sehr ähnlich.198
Aber auch er wollte den Erzbischof nicht als Übersetzer vorschlagen, denn der Übersetzer
von S 1536 könne gemäß der Psalmenvorrede kein Hebräisch. Das hätte aber Laurentius Pet-
ri gekonnt, der 1560 den Psalter nach dem Urtext bearbeitete.199 Dazu zitierte er in seiner
Schrift vom Weihwasser (1538) verschiedene Psalmen in anderer Form. Der Übersetzer sei
dagegen, besonders wegen der Vorreden und des Zusammenhanges der Psalmen mit der
Schwedischen Messe von 1531 bzw. 1537, Olavus Petri.
Dagegen wiederum behauptete Palmér200, die Übersetzungen von 1536 stimmten
nicht mit dem Sprachmilieu Olavus Petri überein. Eher komme Laurentius Petri in Frage.
Auch hier geben uns die Ergebnisse der historischen, theologischen und philologischen Un-
tersuchung keine eindeutige Auskunft über die Person des Übersetzers.201
194 Knös 1861, S.96; Lindblom 1915, S.28; Collijn II, S.44; Kjöllerström, De kyrkliga förhandlinger i Uppsala 1536, Svensk Teologisk Kvartalskrift, 1936, S.229. 195 Holmquist, Svenska kyrkans historia III/1, 1933, S.251. 196 Kjöllerström, Tillkomsten av 1541 års bibel, LUÅ 1941, S.7f; Sjögren 1949, S.60. 197 Knös, 1861, S.107. 198 Lindblom 1915, S.35f. 199 Vgl. J. Lindblom, Psaltaren 1560, LUÅ 1941. 200 J.Palmér, Untersökningar i Olavus Petris språk III, LUÅ 1939, S.181. 201 Lindblom 1915, S.17 hat beobachtet, dass Olavus die Apokryphen selten zitiert. Laurentius Petri dagegen verwendet sie oft; so zitiert er in seiner Predigt bei der Krönung Eriks XIV. außer Psalmen und Sprüchen auch den Sirach. Zitate aus diesen Büchern tauchen übrigens auch in Briefen Gustav Vasas an seine Söhne und in der Anklageschrift 1539 auf.
70
C. GUSTAV VASAS BIBEL 1541
I. Die Geschichte der Übersetzung
Gemäß der Vorrede zum Neuen Testament 1526 war schon damals die Übersetzung
der ganzen Bibel geplant. Nach 10 Jahren erschienen vier kleinere Bücher des Alten Testa-
ments im Druck. In der Schwedischen Messe von 1537 wird eine Neuauflage des Neuen Tes-
taments als geplant gemeldet.202 Die Arbeit an der Bibelübersetzung geht also weiter.
Sichere Nachrichten haben wir allerdings zunächst nur über die ökonomische Seite des
Vorhabens.
Die „literae Collationis“ von 1534 für den Druck des Alten Testamentes wurden schon
erwähnt.203 Der Hauptteil des Geldes aber kam durch Subskription der Bistümer und einen
königlichen Vorschuss. Die älteste Nachricht ist eine Quittung Olavus Petris vom 9.5.1538
über 500 mark örtugar, die „Bischof Botvid in Strängnäs mir sandte für das Papier, das für
das Alte Testament bestellt werden sollte“.204 Im nächsten Jahr quittiert Bischof Henrik von
Västerås eingekommene Gelder des Bistums Skara.205 Daß es sich hierbei um Subskriptions-
zahlungen handelt, zeigt ein späterer Brief des Bischofs von Strängnäs.206
Vom königlichen Vorschuss berichten uns eine Briefnotiz vom 12.11.1540, in der Lau-
rentius Petri Georg Norman um Fürsprache in dieser Sache bittet, und eine Quittung Gustav
Vasas für Olavus Petri über 1100 Mark, „welche wir für den Druck vorgestreckt hatten“.207
In dieser Zeit verschlechtert sich aber das Verhältnis des Königs zu den Gebrüdern Pet-
ri. Laurentius Petri208, seit 1531 Erzbischof, war in Konflikt mit dem neuen Kanzler Conrad
von Puhy geraten, und Olavus Petri machte sich unbeliebt durch die auch den König nicht
schonende kleine Schrift „Een predican emoot the gruffueliga eedher“ (Anfang 1539). Diese
Unzufriedenheit kommt zum Ausdruck in einem Brief Gustav Vasas an Laurentius Petri vom
24.4.1539, in dem es unter anderem heißt: „… daß wir nicht wollen, daß nach diesem Tag
eine ‚reformatie’ geschehe ohne unsere zuvorige Einwilligung und Zustimmung, auch nicht – 202 „Die die schwedische Postille haben, finden dort mehr Evangelien, welche sie gebrauchen können, bis das Neue Testament wieder herausgegeben werden kann.“ O.Petri Samlade skrifter 2,447. 203 S.o. Kap B.I „Die Geschichte der Übersetzung“. 204 Handlinger till Sverges reformations- och Kyrkohistoria under Konung Gustaf I., II, 1844-45, S.240. Wir wis-sen, dass im April – Juli 1539 größere Mengen Papier nach Stockholm importiert wurden (Collijn, Efterskrift zum Faksimiliedruck der GVB, 1938, S.6. 205 Hj.Holmquist, Svenska kyrkans historia III/1, 1933, S.263. 206 Kjöllerström 1941, S.12. 207 Collijn II S.115; Holmquist 1933 S.314. 208 Er war der jüngere Bruder von Olavus, geb. 1499. 1527 hatte er sich zu Studien nach Wittenberg begeben.
71
aus genannten Gründen – daß hiernach irgendein Druck herauskomme, ohne daß wir ihn
vorher durchgesehen und beschlossen hätten“.209
Das wird sich wohl auch auf die Arbeit an der Bibel ausgewirkt haben. So heißt es in ei-
nem Konzept des Kanzlers vom Herbst des Jahres: damit dem mit großen Unkosten einberu-
fenen Drucker nicht unnötige Verluste und der königlichen Majestät kein Nachteil entstün-
den, „so ist es ihm rath fur gouth angesehen whorden, das dij bischoff, vnd samptlicher dij
sich der sachn ihm anfang tamquam publicum negotium pro salute regni vnderwhunden vnd
angenommen haben, sollen vnder yren aydspflichten schweren vnd angeloben genugsamlich
aufzemercken vnd dij sach dermasen bestellen, das in der translation kayn jrsal noch aynige
gefahr zwentgegen der Schrift vormarck beleib drumb sie der ko.mt zwr antwhort hafften
vnd gepunden sein sollen diweil dan der ertzbischoff bey seynen aydspflichten sollichs gewil-
liges mit hand vnd mund zugesagtt vnd dij sach allein auf sych genomen, so lasens dij Rethe
biss auf weythern der ko.mt beschayd dabey auch beleyben“.210
Mit der oben erwähnten staatlichen Oberaufsicht oder Zensur hängt es wohl auch zu-
sammen, daß die Bistumsbeiträge für den Druck nun nicht mehr von Olavus Petri, sondern
Bischof Henrik211 quittiert werden, dem späteren Adjunkt Georg Normans. Letzterer wurde
am 8.12.1539 vom König zum Superintendenten für die schwedische Kirche ernannt. Damit
wurde er auch verantwortlich für die Herausgabe der Bibel.
Mit diesen Bemühungen des Königs, die Selbständigkeit der Kirche und ihrer leitenden
Männer zu beschneiden, hängt es vielleicht zusammen, daß Olavus Petri sich nun von Bi-
schof Botvid zum Priester weihen ließ (30.8.1539); bisher hatte er nur die Diakonenweihe
erhalten. Im Kampf gegen den Staat wuchs die Bedeutung des kirchlichen Amtes.
Und nun war ein Superintendent eingesetzt worden, der als Repräsentant des Königs
über allen Bischöfen stehen sollte. Dies ging nur durchzuführen, wenn die bedeutendsten
Männer des kirchlichen Widerstandes – neben dem durch seine Stellung fast unangreifbaren
Erzbischof - Laurentius Andreae und Olavus Petri, wirksam eingeschüchtert werden konnten.
Das ist der Hintergrund des Prozesses gegen die beiden Reformatoren, der an der Jah-
reswende 1539/40 in Örebro geführt wurde und mit dem Todesurteil endete. Die Berechti-
gung der vielfältigen Anklagen braucht uns hier nicht zu interessieren; es ist allerdings wahr-
scheinlich, daß Olavus Petri von einem Attentat wußte, das 1536 in Stockholm gegen das
209 Gustav Vasas registratur 12, S.187f; vgl. I. Svalenius, Georg Norman, 1937, S.59f. 210 Riksarkiv, Rådets handlingar och brev 1. Text abgedruckt bei Collijn 1938, S.4. 211 Bischof Erik von Västerås war zeitweise auch Mitarbeiter des Kanzlers Konrad von Puhy gewesen.
72
Leben des Königs geplant wurde. Wichtiger ist es, zu sehen, daß der König sein Ziel mit die-
sem Prozeß erreichte. Die Widerstandskraft der Kirche war gebrochen. Ja, er konnte nach
einiger Zeit die beiden Reformatoren sogar wieder freigeben, wenn auch nur gegen hohe
Ablösungssummen.
Inzwischen ging die Arbeit an der Bibelübersetzung weiter. Wenn auch der neue Supe-
rintendent mangels schwedischer Sprachkenntnisse nicht an der Übersetzung selbst mitwir-
ken konnte, so folgte er doch der Arbeit mit Interesse. So stellte er z.B. Laurentius Petri, der
offensichtlich der Leiter der Unternehmung war, einige literarische Hilfsmittel zur Verfügung.
In einem nun verlorenen Brief vom Herbst 1540 verlangte er diese Bücher zurück und fragte
nach dem Stand der Druckarbeit, die Ende 1539 oder Anfang 1540 begonnen hatte. Lauren-
tius antwortete am 12.11.1540: „Die Bücher, die ich mit einigen anderen, die an dieser Ar-
beit beteiligt sind, von Ihrer Hoheit schon bald ein Jahr ausgeliehen habe, gab ich Ihrem spe-
ziellen Boten, wie Sie begehrten, und danke ganz herzlich für die Unterstützung, denn man
hat davon große Hilfe zur Entscheidung und Berichtigung („stoort welkor och rettelse“) ge-
habt, die man nun desto eher entbehren kann, als ich selbst in diesem Maß Hilfe bekommen
habe. Da Sie auch wissen wollen, wie weit wir mit dieser Arbeit gekommen sind, so sind wir
nun bis zum Psalter gekommen, den man nun zu drucken vorhat, und wollen gerne vorbrin-
gen, ob man so viel Vorschuss bekommen kann, womit ich Sie am besten vor unserem lieben
gnädigen Herrn betraue“.212
Einige Zeit vorher war der Drucker für die Bibel ins Land gerufen worden. Es war wie-
der Jürgen Richolff d.J. aus Lübeck. Er hatte auch schon 1537 in seiner Heimatstadt die Post-
ille Olavus Petris gedruckt.213 1539 ist er in Uppsala durch einen (nun verlorenen) Kalender-
druck nachgewiesen.214 Also war schon damals die königliche Druckerei von Stockholm an
den Sitz des Erzbischofs verlegt worden.
Ende 1539 oder Anfang 1540 begann der Druck. Nach dem Vorbild der Lutherbibeln
teilte man die ganze Bibel in sechs etwa gleichgroße Abschnitte ein. Der erste Teil des Alten
Testaments trägt am Schluß die Jahreszahl 1540, der 2. und 3.Teil je vorne und hinten eben-
falls 1540. Das passt zu der Angabe Laurentius Petris in dem oben erwähnten Brief an Nor-
man, dass man nun (12.11.1540) vor Druck des Psalters stehe. Der Prophetenteil trägt am
212 Handlingar II, S.241f. 213 Nach dem Druck des Neuen Testaments hatte er Schweden wohl bald verlassen, denn am 4.1.1527 schreibt Gustav Vasa an Bischof Brask, daß er die Druckerei nun versehen hätte „mit guten schwedischen Männern, so daß wir nach diesem Tag dazu keine Deutschen mehr holen müssen“ (Gustav Vasas registratur 4, S.3). 214 Collijn II, S.81.
73
Anfang die Jahreszahl 1540, dagegen keine Angabe am Schluß. Die Apokryphen und das
Neue Testament sind 1541 gedruckt. Auch das Titelblatt der ganzen Bibel trägt die Jahres-
zahl 1541.
Diese Bibel („Gustav-Vasas-Bibel“)215 ist das größte gedruckte Werk Schwedens im 16.
Jahrhundert. Es umfaßt 762 Blätter und ist reich mit Illustrationen geschmückt. Diese Holz-
schnitte stammen meist aus Deutschland, zum großen Teil von Georg Lemberger, weiterhin
sind besonders zahlreich Kopien von Werken von Erhard Altdorffer und Lukas Cranach ver-
treten.216
Am 10.8.1541 bekam Richolff seinen Paß und verließ Schweden wieder.217 Inzwischen
hatte er auch noch Neuauflagen des Handbuchs und der Messe gedruckt.
Nun konnte die Bibel verteilt werden. Das Exemplar kostete 10 Mark.218 Anscheinend
hat jede Kirche im Reich eines bekommen.219
II. Die Übersetzung des Bibeltextes
a. Die Vorlagen
Dass Luthers Übersetzung die Hauptvorlage war, spricht die Vorrede zur GVB deutlich
aus.220 Weiter wurden natürlich das Neue Testament von 1526 und die Teilübersetzungen
von 1536 verwendet. Dazu kommen die Vulgata und das lateinische Neue Testament des
Erasmus. Darüber hinaus sind die Benutzung des griechischen221 und des hebräischen222 Ur-
textes behauptet worden; dem ist bisher nie widersprochen worden.
215 Bibliographische Angaben bei Collijn II. Es sind heute noch viele Exemplare erhalten.Eine Faksimileausgabe erschien 1938. 216 Vgl. dazu H. Zimmermann, Die Illustrationen in Gustav Vasas Bibel von 1540-41 und ihre Meister, in: Nordisk tidskrift för bok- och biblioteksväsen 1927, S.101-129. 217 Svalenius 1937, S.59 Anm.2. 218 Kjöllerström 1941, S.18. 219 Jedenfalls erklärt Bischof Botvid in Strängnäs in einem Brief vom 5.3.1542, er habe 100 Exemplare vom Er-zbischof geschickt bekommen (Kjöllerström 1941, S.12); im Bistum Strängnäs gab es damals knapp 100 Pfarr-stellen (O. Petri Samlade skrifter 4,559). 220 S.u. Kap C.III “Die Vorreden”. 221 E. Stave, Om källorna till 1541 års bibelöfversättning, 1896, S.216. 222 J. Lindblom, Till frågan om förlagorna för 1541 års översättning av Gamla testamentet, LUÅ 1941, S.35.
74
1. Versuchen wir nun als erstes festzustellen, welche Lutherauflagen verwendet wurden.223
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, da Luthers Übersetzung in zahlreichen Witten-
berger Teilausgaben und Vollbibeln sowie in vielen hoch- und niederdeutschen Nachdrucken
verbreitet worden war. Bei der Arbeit an der GVB sind mehrere dieser verschiedenen Ausga-
ben benützt worden. Dazu muß man wohl meist zwischen einer Urübersetzung und einer
Überarbeitung an Hand einer neueren Lutherausgabe unterscheiden.
Im Allgemeinen sind es hochdeutsche Ausgaben, die benützt wurden. Es konnten von
mir nur die Wittenberger Originalausgaben (nach der deutschen Bibel in der Weimarer Aus-
gabe von Luthers Werken – WADB) verglichen werden. Die eventuelle Benutzung von Nach-
drucken ist also nicht ausgeschlossen.
Daneben wurde aber als Vorlage auch eine niederdeutsche Bibel 1533/34 (Lübeck)
verwendet. Sie wird hier als N34 zitiert. Zu ihr ist in Kürze Folgendes zu sagen: Anfang 1534
lagen fast sämtliche Bücher der Bibel in Luthers Übersetzung vor. Es fehlten nur noch einige
Apokryphen: Judith, Tobias, Baruch, 2.Makkabäer, Stücke zu Esther, Gebet Asarjas, Gesang
und Gebet Manasses. Aber auch diese waren, bis auf das Gebet Manasses, im Manuskript im
Frühjahr fertig. (Die Aufnahme des Gebetes Manasses wurde wohl erst während des Druckes
der Apokryphen beschlossen, da es im Inhaltsverzeichnis am Anfang dieses Teils noch fehlt).
Dieses Manuskript – samt den Drucken der übrigen Bibelteile – lag den Männern vor,
die unter der Leitung Bugenhagens die Lutherbibel ins Niederdeutsche übertrugen.224 Diese
Ausgabe wurde bei Ludwig Dietz in Lübeck gedruckt und erschien am 1. April 1534 – also vor
Luthers hochdeutscher Gesamtbibel! (Das Gebet Manasses wurde für N34 aus Luthers Bet-
büchlein, 1525, übernommen.) Das Apokryphenmanuskript wurde für die hochdeutsche
Ausgabe noch einmal überarbeitet.
Der Gebrauch dieser niederdeutschen Lutherausgabe ist im Pentateuch und in den
Apokryphen der GVB zu spüren.
223 Meist wird einfach die Lutherbibel vom 1534 angegeben. Jedoch sah schon Lindblom 1941, S.34, dass die Vorlage der endgültigen Form die Lutherbibel von 1538/39 war. 224 Vgl. das Vorwort in WADB 12. M.W. ist es bisher nicht bemerkt worden, dass das Manuskript bzw. die Ver-bessserungsbeschlüsse für die Wittenberger hochdeutsche Bibel 1534 in Lübeck nicht nur für die im Druck bisher fehlenden Apokryphen als Vorlage gedient hat, sondern auch für andere Bibelteile. Wie wäre es sonst erklärlich, daß N34 z.B. in der Genesis manche Formulierungen hat, die sonst erst in der hochdeutschen Bibel 1534 auftauchen (z.B. Genesis 2,4; 3,1 und 5.13)?
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Auf Grund von Stichproben kann folgende Übersicht über die benutzten Lutherausga-
ben und den Verlauf der Übersetzungsarbeit der GVB gegeben werden. Sie ist nur vorläufig,
da außer N34 keine niederdeutsche Ausgabe eingesehen werden konnte und von den hoch-
deutschen Ausgaben nur die Wittenberger Auflagen (nach WADB) zur Verfügung standen.
Übersicht über die Vorlagen der Gustav-Vasa-Bibel
Urübersetzung Revision Typographie
Pentateuch
Genesis N 34?225 Lu 34226
Exodus Lu 23 1.Ausg.?227 Lu 34
Leviticus Lu 28 o. N 34 Lu 34228 N 34229
Deutoronomium Lu 28 o. N 34230 Lu 34
Historische Bücher
Josua Lu 27 Lu 34
Richter Lu 27231 Lu 34 o. 36232
Ruth Lu 27 Lu 34
Samuel Lu 27 Lu 38?233
Könige Lu 27 Lu 34 Lu 34
Chronik Lu 38 ?
Esra Lu 38 ?
Nehemia Lu 38 ?
Esther Lu 38 ?
225 N34 stimmt meistens mit Lu >28 (seltener mit Lu 34<, vgl. S.00) überein. Aber Genesis 1,4 und 2,8 machen die Benutzung von N34 wahrscheinlich. 226 d.h. die Wittenberger hochdeutsche Bibelausgabe von 1534 und später (bis 1538/39). Entsprechend sind ähnliche Abkürzungen aufzulösen. 227 Einzige Belegstelle ist 3,8. Da sie nicht völlig ausreichend ist, kommen als Vorlage auch Lu >28 oder N34 in Betracht. 228 Der einzige Beleg (3,9) ist nur schwach, möglicherweise daher: 34<. 229 Überschrift des 1.Teils des Alten Testaments, Seitenüberschriften, Schlussbemerkung. 230 Einziger, schwacher Beleg: 1,29. 231 Alle Stellen, die Lindblom 1941, S.17ff als Beleg für die Benutzung von Lu24 nennt, bleiben bis 1527 gleich. 232 Lu38 (von Lindbblom 1941 angenommen) ist wahrscheinlich wegen 19,7. 233 2.Samuel 8,18.
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Urübersetzung Revision Typographie
Poet.Bücher
Hiob Lu 25 Lu 34
Psalmen S36 u. Lu 31
Sprüche S36 u. Lu 34 Lu 36 o.38234
Prediger Lu 25?235 Lu 34
Hoheslied Lu 38236
Propheten
Jesaja Lu 36 Lu 38
Jeremia Lu 36 Lu 38
Hesekiel Lu 36 Lu 38 Lu 34
Daniel Lu 36? Lu 38
12 Propheten Lu 36 Lu 38
Apokyphen237
Judith N34 Lu38 Lu 34
Weisheit S36 u. Lu 38 Lu 34
Tobias N34 Lu 38? Lu 38 o. N34
Sirach S36 u. Lu 34
unklar238
Baruch N34 Lu 34 o 35239 Lu 34 u.N34240
1.Makkabäer unklar Lu 36 Lu 34
2.Makkabäer N34 Lu 36241
Stücke zu Ester Lu 38? Lu 34
Susanna Unklar242 unklar
234 Inhaltsverzeichnis. 235 Vgl. 1,35. 236 1,6. 237 Die Überschrift zum Apokryphenteil ist zusammengesetzt aus Lu 34 und N34. Die Schlussvorlage (vgl. die Reihenfolge und die Aufteilung der Bücher) war Lu38. Für die Sprüche Salomos fand Milton 1984 etwa 9 Stell-len, wo die GVB der Lübecker Bibel N34 folgt (S, 34-36). 238 Vgl. die Überschrift: Lu33 und GVB: Jesu(s) Syrach; Lu 34: Das Buch Jesus Syrach; N34: Ecclesiasticus. Dat Böck Jesus Syrach. 239 Lu36 und 38 sind wegen 2,4 und 7 unwahrscheinlich. 240 Vorredenüberschrift nach Lu34 , Seitenüberschriften nach N34. 241 Lu38 unwahrscheinlich wegen 3,9 sowie 4,10 und 27. Aber vgl. die Namenformen in 4,2.
77
Urübersetzung Revision Typographie
Bel, Drache unklar Lu 38
Gesang N34? Lu 38 Lu 38
Gebet Manasses N34 Lu 34 Lu 38
Neues Testament Lu 38/39243
Vorlage der letzten Überarbeitung nach Inhalt und Form war deutlich die Bibel
1538/39. Außer im Text der in der Tabelle angezeigten Bücher ist sie an den vielen kurzen
Parallelstellen und Inhaltsangaben am Rand, die Luthers Korrektor Rörer 1538 dazugesetzt
hatte, leicht zu erkennen. Anmerkenswert ist, daß Rörer (wie Luther auch oft) bei der Anga-
be der Parallelstellen noch die alte Aufteilung in vier Königsbücher gebraucht. Der schwedi-
sche Übersetzer übernimmt diese Form der „allegationes“, weist aber in einer Sonderglosse
zur Überschrift des 1.Samuel besonders darauf hin.
2. Das Neue Testament 1526 und die 1536 übersetzten Teile wurden für die GVB häufig zu
Rate gezogen. Für die Sprüche Salomos fand Milton 1984 31 Stellen, wo sich die GVB gegen
Luther und für die Version von 1536 entschied.244
3. Die Vulgata verschwindet 1541 im Neuen Testament völlig. Sie ist nur noch bei Markus
16,19 (Zufügung von „Jeses“), Lukas 1,28 (gratia plena), 1,54, Johannes 10,14 und Römer
1,28 zu spüren.245 Das Alte Testament ist noch nicht vollständig unter diesem Aspekt durch-
gesehen worden. Lindblom246 untersuchte Richter und Psalmen 1-50. Er fand dabei nur ein-
zelne Stellen; z.B. erwog er die Benutzung bei den untersuchten Psalmen für 2,2; 5,6; 7,1.11;
18,8.32; 19,13; 22,14; 24,1; 25,7; 30,12; 34,1 und 49,4. Milton247 fand im Buch der Sprücne 6
Stellen, wo er die Vulgata als Vorlage sieht.
Dazu wäre z.B. die Übersetzung zweier häufig vorkommender Begriffe zu nennen:
„rödha haffuet“ (Deuteronomium 1,1 u.ö.) nach „mare rubrum“ (Luther: „schilf meer“ 28
und 41, bzw. „Sumpf“ 34-40) und „witnesbyrdzens tabernakel“ (Exodus 33,7 u.ö.) nach „ta-
242 V.5 spricht für Lu33, V.35 für Lu34. 243 Vgl. Lukas 7,49. Luther änderte im Neuen Testament wenig zwischen 1534 und 1539. 244 Milton 1984, S.29-33. 245 Stave 1896, S.205, nennt mehrere Stellen, wo die Vulgata den schwedischen Text „mehr oder weniger“ bestimmt haben soll. Nur die genannten drei sind überzeugend. 246 Lindblom 1941, S.17ff. 247 Milton 1984, S. 33f.
78
bernaculum foederis“ (Luther: „hutten des zeugnis“ 28, 34 „Hütten des Stiffts“). - Es fällt auf,
daß die Vulgatabelege von S1536 in GVB fast völlig verschwunden sind. Z.B. ist in den Psal-
men nur noch 8,1 übrig („HErre war herre“ nach „Domine dominus noster“).
4. Der lateinische Text des Erasmus spielt für das Neue Testament immer noch eine große
Rolle, wird aber oft von Luthers Übersetzung verdrängt,248 so dass bei der GVB nicht mehr
der lateinische Text des Erasmus, sondern die Lutherbibel als Hauptvorlage bezeichnet wer-
den muß.
5. Zu vier aus S1526 wörtlich übernommenen Stellen (Markus 3,21, Apostelgeschichte 20,1,
2.Korinther 8,9 und 2.Petrus 3,12) hat man gemeint, hier komme immer noch als Überset-
zungsvorlage allein der griechische Text des Erasmus in Frage.249 Ich habe schon oben250 die
Beweiskraft dieser Stellen bezweifelt.
6. Wie steht es aber mit der von Lindblom behaupteten Benützung des hebräischen Textes
für das Alte Testament?
Als Beweis kann er nach der Untersuchung von Richter und Psalm 1-50 nur Richter 7,19
16,13f, Psalm 37,1 und (weniger sicher) Psalm 22,14 vorlegen.251
Bei Psalm 22,14 geht es um die Reihenfolge der Worte „itt glupande och rytande
Leyon“ gegenüber Luthers „eyn brullender und reyssender lewe“. Aber hier hat die Vulgata
dieselbe Reihenfolge wie der hebräische Text. 252
Bei Psalm 37,1 geht es um die Klammer in der Überschrift „(En Psalm) Dauidz“. Luther
hat hier keine Klammer, aber der hebräische Text schreibt nur „ledawid“. Auch dies reicht
wohl schwerlich als Beweis.253
Schwerwiegender sind die beiden anderen Stellen. Richter 7,19 liest Luther „an den ort
des Heers“, Vulgata „in partem castrorum“, GVB aber „till thet ytersta pa hären“ (zu dem
Äußersten des Heeres), was dem hebräischen „biqse hammachanae“ entspricht.
248 Stave 1896, S.210. 249 Stave 1896, S.216. Neue Stellen für die Einwirkung des griechischen Textes hat er in GVB nicht gefunden. 250 S.o. Kap. A.II.a „Die Vorlagen der Übersetzung“. 251 Lindblom 1941, S.20, 23 und 27f. 252 Vgl. auch die als Vorlage in Betracht kommende N34: „brummender vnd ritender“ und den Psalmenkom-mentar Bugenhagens, 1524: „rapiens et rugiens“. 253 Zwar lesen die mir zugänglichen Vulgataausgaben alle „Psalmus dauid“ oder ähnlich, aber Bugenhagen schreibt in seinem Psalmenkommentar als „titulus“ nur „Dauid“!
79
Und Richter 16,13 schreibt GVB statt Luthers „vnd hefftest sie mit einem Nagel ein“
„Und sie befestigte sie mit einem Nagel“, was allein im hebräischen Text seine Parallele hat.
Doch könnte man an beiden Stellen auch Freiheiten des Übersetzers annehmen, denn
beide Abänderungen des Luthertextes sind sinnvoll, und der neue Text paßt so besser in den
Zusammenhang. Die Frage der Benützung des hebräischen Textes scheint mir auf alle Fälle
durch den Verweis auf diese vier Stellen noch nicht gelöst zu sein.
b. Die Übersetzung
Im Allgemeinen ist im Neuen Testament eine deutliche Annäherung an Luthers Über-
setzung festzustellen.254 Dies betrifft nicht nur die allgemeine Übersetzung, sondern auch die
Stellen, wo man hinter den Abweichungen in S1526 theologische Differenzen vermuten
konnte. So verschwinden die oben255 erwähnten Abweichungen in Römer 10,4 (nun: Christus
des Gesetzes Ende) und Jakobus 2,18 (nun: die Gerechtigkeit, die er mit dem Glauben be-
kam).
Im Alten Testament folgt der Übersetzer Luther auch bei dessen freiesten Übersetzun-
gen. Die Stellen, wo er die Vulgata bevorzugt, sind theologisch belanglos.
Viele der Abweichungen des Neuen Testaments bleiben jedoch auch erhalten, wie z.B.
die Auslassung von Luthers Zufügungen „allein“ (Römer 3,28 4,6) und „nur“ (Römer 3,20
4,15) oder auch die Übersetzung doppeldeutiger Genitive mit „Glaube Jesu“ (Römer 3,26)
und „Gerechtigkeit Gottes“ (Römer 1,17 3,25f 10,3). Hier ist aber die Sonderglosse zu Römer
1,17 zu beachten: „Gottes Gerechtigkeit ist die Gerechtigkeit die vor Gott gilt“! Sie zeigt, wie
der Übersetzer den unklaren, aber seiner Meinung nach grammatisch richtig wiedergegebe-
nen Text verstanden wissen will.
Neue, interessante Abweichungen tauchen an einigen Stellen auf, an denen das Neue
Testament von der Kirche und ihren Ämtern spricht.
254 Natürlich wurden auch die fehlerhaften Auslassungen der früheren Ausgaben berichtigt, z.B. Epheser 1,10 und Sirach 40,13f. 255 S.o. Kap. A.II.b „Die Theologie der Bibelübersetrung“.
80
1. Die Stellen, wo von den presbu,teroi der christlichen Gemeinden die Rede ist,256 werden
von Erasmus meist mit „presbyteros“ wiedergegeben, nur viermal übersetzt er „senior“
(Apostelgeschichte 11,30 1.Petrus 5,5 2.Johannes 1,1 3,Johannes 1,1). Luther schreibt immer
„Elltister“. S1526 folgt Luther mit der Übersetzung „aldersman“, nur 1.Petrus 5,5 (die Jungen
sollen den presbu,teroi untertan sein) wählt er „gamblom“ (Alte). Und in einer Sonderglosse
zu Apostelgeschichte 14,23 erklärt er „äldhersmän. Aaldersmän waren die, die man nun
prester nennt, da sie auf griechisch presbyteri genannt werden, was doch auf schwedisch
nichts anderes als aldersmän heißt“.
S 1541 dagegen berücksichtigt Luther überhaupt nicht! Die Normalübersetzung ist
„Prest“, nur Apostelgeschichte 11,30 gebraucht er „Äldste“ (Erasmus: senior), und in
1.Petrus 5,5 weiterhin „gamlom“.257 Die Glosse zu Apostelgeschichte 14,23 fällt weg.
2. Die Apostelgeschichte 20,28 hatte Luther mit „weyden“ übersetzt, um so die Aufgabe der
Bischöfe zu beschreiben. S1526 war ihm mit der Übersetzung „acht haben auf“ gefolgt und
hatte die Sonderglosse dazugesetzt: „biscopar. Auf griechisch steht Episcopar da und das ist
nichts anderes als atwaetare (Wächter) oder tilsiyare (Aufseher), so heißen die prester nicht
allein aldersmän, sondern auch tillsyare, die hier biscopar genannt werden.“ S1541 dagegen
übersetzt hier „regieren“! Die Glosse bleibt jedoch stehen.
In der Textänderung ist eine Spitze gegen den König zu sehen, der die Führung der Kir-
che möglichst weitgehend in seine Hände bekommen wollte. Daß Olavus in dieser Zeit den
Schutz der priesterlichen Weihe sucht und daß in der Bibelübersetzung die Gewalt der Bi-
schöfe gestärkt wird, gehört eng zusammen.
Nicht so von der Kirchenpolitik geprägt ist dagegen die erste Änderung. Hier liegt eine
theologische Aufwertung des Priestertums gegenüber 1526 vor. Dies wird besonders deut-
lich, wenn man vergleicht, wie in einigen Worterklärungen der Sondervorrede 1526 das all-
gemeine Priestertum betont wurde: „alle Christen heißen prester nach 1.Petrus 2, und des-
halb ist jeder verpflichtet, seinen Nächsten zu lehren“ (Worterklärung zu „Prester“) und
„deshalb sind alle kyrkoprester nach der Schrift biscopa, wie auch Hieronimus sagt. Aber der
Sitte nach sind nun allein die obersten prester biscopa“ (Worterklärung zu „Biscop“).
256 Das Wort presbu,teroi wird im Neuen Testament auch in anderem Zusammenhang gebraucht. Diese Stellen
interessieren uns hier nicht.
257 Vgl. das 1538 in Stockholm anonym herausgegebene Lexikon Variarum rerum vocabula cum suecana inter-pretatione (hrsg. von A. Andersson, 1890): „Sacerdos: prest; Presbyter: idem, aldersman“.
81
Der Sprachgebrauch in der GVB lässt demgegenüber eine theologische Aufwertung des
kirchlichen Amtes vermuten. Stave spricht mit Bezug auf die Apostelgeschichte 20,28 sogar
von einer „katholisierenden Auffassung“.258
III. Die Vorreden
a. Altes Testament
Die Behandlung von Luthers Vorreden ist bei den einzelnen Büchern unterschiedlich.
Völlig und wörtlich übersetzt wurden nur die Vorreden von Hiob, Salomonische Bücher, Je-
remia, Hesekiel, Kleine Propheten (außer Amos und Obadja) und 2.Makkabäer. Bei den an-
deren gibt es freie Übersetzungen (Psalmen), lange (Daniel) oder kurze Auslassungen (All-
gemeine Vorrede, Jesaja, Amos, Obadja, Judith, Weisheit, Tobias, Sirach, Baruch,
1.Makkabäer und Stücke zu Esther). Ganz weggefallen ist nur die Allgemeine Prophetenvor-
rede. Einen langen Zusatz gibt es in der Allgemeinen Vorrede, kürzere in der Allgemeinen
Vorrede, in der Psalmenvorrede und bei den Apokryphen Judith, Tobias und Baruch.
Im Folgenden sollen zunächst die Abweichungen von Luther untersucht werden,
geordnet nach Themenkreisen, dann die Zufügungen der schwedischen Ausgabe.
1. Das Gesetz und seine Aufgabe.
Wir können hier von drei Änderungen ausgehen, die der schwedische Übersetzer an
der Allgemeinen Vorrede zum Alten Testament vornimmt. Einmal259 verkürzt er „Moses ge-
setz“ zu „das Gesetz“. Dann260 schrieb Luther, das Gesetz sei gegeben, damit der Mensch
„durchs gesetz genöttiget vnd gedrungen wurde, etwas weytters zu suchen, denn das gesetz
vnd eygen vermugen“; in GVB fehlt hier „durchs gesetz“. Schließlich261 meint Luther, die
Propheten hätten dasselbe Amt wie Mose, nämlich „das sie durchs gesetz yderman zu Chris-
258 Stave 1896, S.206. 259 WADB 8,12,26. 260 WADB 8,24,11. 261 WADB 8,28,22f.
82
to bringen“. GVB stellt hier die Beziehung zwischen Mose und den Propheten auf eine ande-
re Weise her, nämlich durch eine historische Bemerkung, die aus Luthers nächstem Ab-
schnitt geholt ist.
Dieses Material reicht, um zweierlei festzustellen: Nach GVB ist das alttestamentliche
Gesetz Gottes Gesetz, nicht das des Mose. Und seine Hauptaufgabe ist es nicht, über sich
selbst hinauszuweisen.
Zwar kann GVB auch mit Luther sagen, daß die Propheten mahnen, „fest bei des Ge-
setzes richtigem Sinn und Inhalt zu bleiben, d.h. daß man dadurch seine Schwachheit er-
kennt und dann Hilfe bei Christus sucht“.262 Aber die Änderung am kurz vorhergehenden
Luthertext zeigt, wo das wahre Interesse des schwedischen Bearbeiters liegt: da263 hatte
Luther geschrieben, die rechten Propheten wehren den falschen, „dass sie das volck nicht
auff die werck furen“. GVB meint, die Propheten bemühen sich, „daß das Volk nicht durch
falsche Propheten und Prediger weg vom rechten Gebrauch des Gesetzes zu eigenen Wer-
ken und abgöttischen Erfindungen geführt werde“.
Gesetz und Gesetzespredigt wenden sich also nach dem schwedischen Wortlaut gegen
die falschen, selbstersonnenen Werke, nicht wie für Luther gegen das Vertrauen auf Werke!
Auf Christus weist das Gesetz nur in zweiter Linie hin, nämlich dadurch, dass derMensch er-
kennt, daß er die geforderten rechten Werke nicht vollbringen kann. Luthers dahingehende
Stellen werden übersetzt.264
In dieselbe Richtung weist eine Änderung in der Jesajavorrede,265 wo es bei Luther
heißt “erwelete götzendienst vnd eigen werck“, in GVB „falschen Gottesdienst und Abgötte-
rei“.
2. Allegorie, Typologie und der Bezug auf die Gegenwart
Grundsätzlich gilt für Luther in Bezug auf das Alte Testament, was er einmal hinsicht-
lich des Pentateuch sagt: „Wenn du wilt wol vnd sicher deutten, so nym Christum fur dich,
denn das ist der man, dem es alles vnd gantz vnd gar gilt,“266 oder wie er in der Jesajavorre-
de ausdrückt: „es ist ihm alles umb den Christum zu thun.“267 GVB läßt diese beiden grund-
262 nach WADB 8,28,16-18. 263 WADB 8,28,15f. 264 wie z.B. WADB 8,20,14ff. 265 WADB 11/1,24,3. 266 WADB 8,28,32f. 267 WADB 11,I,20,27f.
83
sätzlichen Stellen aus. Dazu passt die Behandlung der Stellen, in denen Luther von der „geist-
lichen Bedeutung“ handelt oder das Alte Testament direkt in unsere Zeit hineinsprechen
lässt.
In der Allgemeinen Vorrede zum Alten Testament spricht Luther von der „geystlichen
bedeuttung“ (GVB: „hemlighit sinne“) des Pentateuch und gibt einige Beispiele dazu. Über-
nommen werden dabei von GVB die Gleichsetzung des Hohenpriesters Aaron mit Christus,
die Deutung Christi als Opfer und Altar und die Parallele zwischen den Söhnen des Hohen-
priesters und den Christen, denn hier kann sich Luther auf den Hebräerbrief stützen.268 Kriti-
siert d.h. ausgelassen wird dagegen Luthers Auslegung, das Opfer der Söhne des Hohenp-
riesters „bedeut nichts anderes denn das euangelion predigen.“ GVB sieht hier die Typologie
des Opfers nur in Bezug auf das, was Luther als den Inhalt der Predigt bezeichnet: sich selbst
opfern und den alten Menschen im Feuer verzehren - und nur dies wird von der zitierten
Stelle (Römer 12) gedeckt.269
Der schwedische Bearbeiter findet einen „heimlichen Sinn“ im Alten Testament also
nur dort, wo ihm das Neue Testament mit dieser Deutung vorangegangen ist.
Einige Stellen zeigen jedoch, daß GVB in dieser Kritik an Luther nicht konsequent war.
So übersetzt er z.B. in der Joelvorrede die Vermutung, dass mit dem Tal Josaphat die christli-
che Kirche gemeint sein könne, „denn die ganze Welt wird durch das Wort in die christliche
Kirche gerufen, in ihr verurteilt und durch die Predigt gestraft, daß sie alle vor Gott Sünder
seien.“
In vielen Vorreden macht Luther ohne jede Allegorie deutlich, wie die alttestamentli-
chen Verfasser für ihn direkt in seine Zeit hinein sprechen: damals wie heute wird verkündet,
„wie Gott drewet vnd tröstet.“270 GVB übernimmt die hier von Luther verwandten Katego-
rien (Aufweis der Sünden und Verheißung Christi), soweit es sich um die Einteilung des Inhal-
tes der Prophetenpredigt handelt (so in den Vorreden zu Jesaja, Jeremia und Hosea). Aber
für Luther bedeutet dieses Paar viel mehr; weil er alle Geschichte unter dieser Spannung
sieht, kann er den Zeitunterschied vernachlässigen und die alttestamentliche Predigt aktuali-
sieren.
Ein Beispiel dafür ist die Prophetenvorrede. Nachdem Luther die zwei Seiten der pro-
phetischen Verkündigung dargelegt hat, kann er von da aus den gleichbleibenden Grundzug 268 WADB 8,28,33-30,10. 269 WADB 8,30,12 und dieselbe Auslassung nocheinmal Z.16f. Vgl. auch die Auslassung des Abschnittes „Ist alles leichtlich zu deuten auff…“ aus der Vorrede zu Stücke zu Esther, WADB 12,493,13f. 270 WADB 11/I,4,12 (Prophetenvorrede).
84
alles falschen Gottesdienstes bei Juden und Christen herausarbeiten: „welcher Gottes dienst
pflegt, der kein Gottes zeugnis hat, der sol wissen, das er nicht dem rechten Gott,sondern
seinem eigen ertichten abgotte, das ist … dem teuffel selbs, dienet, vnd gehen aller Prophe-
ten wort widder jn.“271 So weit geht GVB nicht. Die ganze Vorrede fällt bei ihm weg.272
Dasselbe zeigt sich an einer Stelle in der Jesajavorrede, wo Luther „Gesetz“ und „Evan-
gelium“ nicht nur als Stichwort zur Stoffeinteilung verwendet. Er schreibt, jede Predigt hätte
heute ebenso wie bei Jesaja als Hauptstück „die leute zu straffen vnd von Christo zu predi-
gen“. Auch dieser Absatz273 wird ausgelassen.
Aufgenommen werden dagegen einige Stellen, wo es deutlich ist, dass hier die Verbin-
dung zur Gegenwart nicht als Exegese gemeint ist. Z.B. in der Habakukvorrede „So müssen
auch wir die Christen mit Gottes Wort trösten und stärken“274 und in der Haggaivorrede „So
findet man es auch in der Geschichte: wo man die Diener Gottes nicht ernähren wollte …“275
3. Verschiedenes
a) Exkurse zu Geschichte und Geographie.
In der Danielvorrede hat GVB die kurzen Inhaltsangaben für die einzelnen Kapitel von
Luther übernommen. Aber die langen exegetischen Exkurse streicht er. In der Vorrede zu
Obadja übergeht GVB Luthers Erwähnung einiger geographischer Vermutungen der Juden
über die Lage von Zarpath und Sapharad.276
b) Etymologische Deutungen.
GVB übernimmt einzelne Namensdeutungen (z.B. bei Amos und Habakuk), streicht
aber den ganzen Abschnitt, wenn sie gehäuft auftreten (Judith, Tobias, Stücke zu Esther).
c) Zahlenspielereien.
Luther versucht in der Amosvorrede die Aufzählung von „drei und vier“ Sünden in
Amos 1 zu erklären: „drey vnd vier machen sieben…“ Wichtig ist für ihn der Begriff „umkeh-
271 WADB 11/I,14,15-18. 272 Dabei dürfte es aber auch eine Rolle spielen, dass diese Vorrede keinem Buch direkt zugeordnet war. 273 WADB 11/I,22,7-11. 274 nach WADB 11/I,298,13f. 275 nach WADB 11/II,320,20f. 276 WADB 11/II,250,29-252,4.
85
ren“, denn die Feinde der Israeliten kehren ihre Sünde um und meinen, es wäre ein „heilig,
göttlich werk“.277 GVB lässt den Abschnitt aus.
d) Persönliche Bemerkungen.
Luthers Bemerkungen über die Schwierigkeiten der Übersetzung von Jesaja278 und Si-
rach279 werden ausgelassen. In der Michavorrede wird die Bemerkung über Wittenberg aus-
gelassen.280
e) Vermutungen über Aufführung.
Bei Judith und Tobias vermutete Luther, diese Stücke seien früher aufgeführt worden.
Judith als „Tragedien“, Tobias als „Comedien“.281 GVB läßt dies aus.
f) Tyrannenstellen.
Bei der Inhaltsangabe von Daniel 4 und 5 übernimmt GVB den Ausdruck „Tyrannen“
für die Gestalten des Buches. Als aber Luther dann auf die Gegenwart zu sprechen kommt,282
betont GVB nur die positiven Seiten der Obrigkeit, die negativen – die Luther auch kräftig
ausmalt – werden gestrichen. So braucht GVB auch nicht Luthers Trennung von Amt und
Person bei den Tyrannen zu erwähnen und die Mahnung zu übersetzen, daß wir die Tyran-
nen erdulden sollen.
Auf ähnliche Weise übernimmt GVB in der Vorrede zur Weisheit Luthers Aussagen
über die Tyrannen, wo es um vergangene Zeiten geht. Er sagt auch allgemein, daß dieses
Buch gegen die Tyrannen gehe, lässt aber Luthers Satz aus, dass „dis buch nicht vneben zu
vnser zeit an den tag“ komme, „die weil itzt auch die tyrannen getrost yhrer öberkeit mis-
sebrauchen.“283 - Ist es Theologie oder Politik, die hinter dieser Auslassung steht?
277 WADB 11/II,226,23ff. 278 WADB 11/I,22,12-19. 279 WADB 12,148. 280 WADB 11/II,270,22. 281 WADB 12,108,13f (Tobiasvorrede) und 12,6,21ff (Judithvorrede). 282 WADB 11,8. 283 WADB 12,52,20f. Im Örebroer Prozess 1539/40 wurde O. Petri und L. Adreae u.a. vorgeworfen, daß sie un-passende Vergleiche zwischen alttestamentlichen Tyrannen und Gustav Vasas Regierung angestellt hätten (Handlinger från rättegången med Olaus Petri och Laurentius Andreae i Örebro 1539/40, in: Kyrkohistorisk Årskrift 1909, Meddelanden och aktstycken, S. 81).
86
g) Drastische Sprache.
Luthers oft drastische Sprache wird auch hier durchgehend gemildert. Nur ein Beispiel
aus der Hesekielvorrede: „manchen weidlichen fluch“ schwächt GVB zu „viel böses“ ab.284
4. Die Zufügungen
Hier ist vor allem der selbständige Schlußabschnitt in der Allgemeinen Vorrede zu
erwähnen. GVB warnt zunächst den Leser, der meint, hier etwas Falsches zu finden, er solle
nicht zu schnell kritisieren oder nach seinem Gutdünken verbessern. Sonst könne er sich
ebenso schnell irren wie der Übersetzer, der aber doch „sich der Sache mehr und reichlicher
befleißigt habe, um zu erforschen, was am richtigsten sei“. So sei man auch nicht der lateini-
schen Bibel, sondern der deutschen D. Martin Luthers gefolgt, „sa wel j Förspråk, Gloser,
Notuler, Concordantier och Ordning, som j sielffua Texten“. Denn Luthers Bibel sei nicht nur
klarer und verständlicher, sondern stehe auch näher beim hebräischen Text. „Was jeder zu-
geben muß, der beide eifrig mit Verstand liest.“ Diese Arbeit sei gemacht Gott zur Ehre und
für die armen, einfältigen Christen hier im Reich, die Lust und Liebe zu Gottes Wort haben,
aber wegen mangelnder Sprachkenntnis aus der lateinischen Bibel keinen festen Grund ho-
len können. Diese Übersetzung soll dem Lerneifrigen als Hilfsmittel dienen, bis ein anderer,
besserer Übersetzer komme.285
Zu dem offenen Hinweis auf Luther ist auch eine kleine Einfügung in der Baruchvorrede
zu vergleichen. Luther schreibt hier, weshalb er das 3. und 4. Buch Esra der Vulgata nicht
übersetzt habe. Er führt neben historischen Gründen (sie stehen nicht in der griechischen
Bibel) auch inhaltliche an: es stehe nichts darin, was nicht viel besser bei Äsop oder noch
geringeren Büchern zu lesen sei, und im 4.Esra stünden nur eitel Träume. GVB erwähnt nur
die historische Kritik und fügt hinzu: „Deswegen sind sie auch in der deutschen Bibel ausge-
lassen“.
Mit der Kanonabgrenzung beschäftigen sich noch zwei weitere Zufügungen.
In der Judithvorrede berichtet GVB nach dem Vorbild Luthers von den kritischen An-
merkungen, die zu diesem Buch gemacht worden sind: es stimme nicht mit der Geschichte
284 WADB 11/II,392,21. 285 Diese Argumentierung kennen wir aus der Vorrede zum Schwedischen Neuen Testament von 1526, vgl. oben Kap. A.III „Die Vorreden“.
87
und es sei wohl nur ein schönes Gedicht eines heiligen, geistreichen Mannes.286 Luther emp-
fiehlt schließlich das Buch, weil es dazu anleite, „Gott vertrawen, from sein, vnnd alle hülff
vnd trost von Gott hoffen“.287 Aber das genügt dem Übersetzer nicht, um der vorher ange-
führten Kritik zu begegnen. So setzt er davor: „Doch haben die Väter in der Vorzeit bekräftigt
und gewollt, daß dieses Buch in einer christlichen Gemeinde gelesen und gebraucht werden
solle, wegen der vielfältigen nützlichen Lehre, die hier gegeben wird“.
In der Tobiasvorrede ist die historische Kritik im schwedischen Text schärfer als bei Lu-
ther, der das Buch von einem „feinen Ebreischen Poeten“ geschrieben sein läßt. GVB dage-
gen führt ausdrücklich an, es stehe weder in der hebräischen Bibel noch sei es auf hebräisch
geschrieben. Auch hier reicht der christliche Gehalt allein nicht aus, das Buch heute im Ka-
non zu behalten, sondern wieder fügt GVB hinzu: „Dennoch haben die Väter gewollt, daß es
in einer christlichen Gemeinde gelesen und gebraucht werden solle, da es so viele schöne
und nützliche Stücke enthalte“.
Wenn GVB sich auch solchermaßen ausdrücklich auf die „Väter“ beruft, so ist es doch
eigentlich Luther, der die Kanongrenze bestimmt. Vom Vorbild Luthers sei hier nur noch die
Auswahl und Anordnung der Apokryphen erwähnt, die von Septuaginta und Vulgata ab-
weicht.288 Die Stücke der Vorreden, die indirekt Luthers Begründung für seine Reihenfolge
geben, werden von GVB übernommen (Judith- und Tobiasvorrede).
Aber Luthers Autorität reicht allein nicht aus, besonders bei den Apokryphen. Denn
GVB hatte ja auch in der Allgemeinen Vorrede betont, er folge Luther, weil dieser sich an den
hebräischen Text halte. So muß hier die Autorität der Väter die Christlichkeit des Inhaltes
feststellen und die Stellung im Kanon stützen.
Von ganz anderer Art ist eine Zufügung in der Psalmenvorrede. Hier ist unter anderem
davon die Rede, daß dieses Buch bei den Hebräern „Sepher tehillim“ genannt wurde. Wäh-
rend bei den anderen Zufügungen in den alttestamentlichen Vorreden keine besonderen
Quellen zu vermuten sind, stammt dieser Abschnitt aus Luthers Summarien über die Psal-
men, die 1533 erschienen.289 Diese wurden bald in Psaltersonderdrucken290 (niederdeut-
286 Dabei werden aber Luthers Erläuterungen sehr zusammengestrichen. Dazu kommen die erwähnten Auslas-sungen der Namensethymologien und der Vermutungen über die Aufführung. 287 WADB 12,6,23f. 288 Vgl. WADB 12,LVIIf. 289 WA 38,18,15.69,11. 290 WADB 10/I,107.
88
scher Psalter Wittenberg 1533,291 hochdeutscher Psalter Wittenberg 1535) und auch z.B. in
der niederdeutschen Bibel Lübeck 1534 (N 34) mitgedruckt.
b. Das Verhältnis der Vorreden zu Psalmen, Sprüche, Weisheit und Sirach in
den Ausgaben 1536 und 1541
Psalmen und Sprüche haben von Luther 1528 bzw. 1534 neue Vorreden bekommen.
Da der schwedische Bearbeiter sich nach diesen neuen Vorreden orientiert, ist kein Vergleich
mit der Ausgabe von 1536 möglich. Aus einem anderen Grunde ist es bei der Vorrede zu Si-
rach unmöglich: S 1536 hatte hier eine eigene Vorrede, während sich GVB nach Luther rich-
tet.
Allein bei der Vorrede zur Weisheit, die bei Luther im allgemeinen ihre ursprüngliche
Form (1529) behält, ist ein Vergleich möglich. - Dem Inhalt nach unterscheiden sich die Vor-
reden 1536 und 1541 kaum. Die einzigen Abweichungen sind die Auslassungen zweier Stü-
cke: den einen Abschnitt ließ Luther selber auch ab 1534 aus292, der andere fiel wohl wegen
des darin enthaltenen scharfen Angriffs auf die Obrigkeit, die auch heute noch ihre Macht
missbrauche.293
Anders ist es bei der Sprache. Sie ist trotz der gleichen Vorlage völlig verschieden. In
einem kurzen Stück294 kann man z.B. etwa 37 Abweichungen der GVB von der Form in S
1536 zählen. Davon sind 16 (3 nur in der Wortstellung) als eine Annäherung an Luther, 7
(eine in der Wortstellung) als Entfernung von ihm zu beurteilen. Der Übersetzer hat also au-
ßer der neuen Lutherbibel (1534 oder später) auch die Übersetzung der Weisheit von 1536
vor sich gehabt, es aber für nötig befunden, die Formulierungen an vielen Stellen abzuän-
dern.
Die große Verschiedenheit der Sprache scheint mir deutlich zu zeigen, daß für S 1536
und GVB – mindestens an dieser Stelle – nicht der gleiche Übersetzer am Werk war. Zum
Vergleich eine Probe,295 wo der Wortlaut von Luther selbst nur an den eingeklammerten
Stellen geändert wurde:
291 Borchling und Claussen, Niederdeutsche Bibliographie, 1931-36, Nr.1163 = 3.Teil des Alten Testemants, Nr.1172. 292 WADB 12,50,25-28. 293 WADB 12,52,20-25. 294 WADB 12,48,14-50,13. 295 WADB 12,48,12ff.
89
(OM thessa bok som pläghar kallas
Salomos wijsheet haffuer wel) itt
twijffuelsmål warit / om hon ibland then
helliga scrifftz böker j gamla testamentit
reknas skal eller ey /
besunderliga medhan hennes dictare j
niyonde Capitelit sich höra låter såsom
konning Salomo talade j allo thenna book /
huilkin ock j konninga bokenne aff
wijsheet högt loffuat warder /
Men the gamle fädher haffua plat skilt
henne (vth ifra then helliga scrifft) / och
hallet thet så före / at hon är vnder
konning Salomos persona giord / på thet
at hon för en sådana högtprijsat konnings
nampn och persona skull / motte
testameer actat warda och tess större
anseende haffua när the weldigha på
iordenne / till huilka hon som fremmist
scriffuin är /
och til euenturs hade longo sedhan
förkommit och niderlagt wordet om
hennes mestare then aff ringa anseende
war hade henne vnder sitt egit nampn
vtgå låtit.
(OM thenna book haffuer lenge)
Itt twiffuel warit / hwadh hon skal reknas
jbland then helgha Scrifft /
eller icke /
Besynnerligha / at hennes Mestare låter
sigh höra j ix. Cap. såsom Konung Salomo
taladhe offuer hela bokena / hwilken ock
aff wijsheet j Konungabokenne högdt
beprijsat warder /
Men the gamle fädher haffua slett söndrat
henne (jfrå then helgha Scrifft) / och hållet
/
at hon vnder
Konung Salomos nampn giord är / På thet
at hon vnder eens sådana höghberömd
Konungs nampn och person / måtte thes
meer achtat och ansedd warda /
när the weldigha på
iordenne / til hwilka hon först och fremst
scriffuin är /
Och wore til ewentyrs allaredho lenge
sedhan förkommen /
om hennes Mestare / then ringa til
anseende warit haffuer / hadhe henne
vnder sitt eghet nampn vthgå låtit.
90
c. Neues Testament
1. Übersicht
Wie Luther ab 1534 läßt GVB den Anfangsabschnitt der Allgemeinen Vorrede zum
Neuen Testament und den Schlußabschnitt („Wilchs die rechten…“)296 aus. Die Sondervorre-
de von S 1526 mit den Worterklärungen fällt weg.
Die Vorrede zur Apostelgeschichte, die Luther erst 1533 einfügt, wird nicht übersetzt.
Luther charakterisiert in ihr das Buch, indem er sagt, „das Sanct Lucas mit diesem buch, die
gantze Christenheit leret, bis an der Welt ende, das rechte heubtstück Christlicher lere, Nem-
lich, wie wir alle müssen gerecht werden, allein durch den glauben an Jhesu Christo, on alles
zuthun des Gesetzes, odder hülffe vnser werck“.297
Aus der Römervorrede werden die beiden langen Einschübe entfernt, die S 1526 aus
den Glossen entnommen hatte.
Den Anfang der Vorrede zum 1.Korinther hat Luther 1530 sehr erweitert. GVB orien-
tiert sich daran, übersetzt aber sehr frei.298
Seit 1530 setzt Luther vor die Offenbarung eine neue, längere Vorrede. In ihr redet er
zunächst allgemein über die Weissagung, fügt daran eine milde Kritik des Buches an und
versucht dann eine (stark antipäpstliche) Auslegung. GVB lässt die Vorrede ganz aus.
Mehrere Stellen in der Allgemeinen Vorrede299 und in der Römerbriefvorrede300 zei-
gen, daß die Vorlage für die Vorreden (d.h. mindestens für diese beiden) die Lutherbibel von
1536 war.
2. Die Abweichungen von Luther und von S 1526
Im Allgemeinen richtet sich GVB in allem (d.h. in Sprache und theologisch wie nicht-
theologisch bedingten Änderungen) nach S 1526. Jedoch wird der Text an der neuen Luther-
296 WADB 6,2,1-16 und 10,7-11,6. 297 Vgl. die Behandlung der Glossen der Apostelgeschichte, Kap. C.IV.c „Die Glossen zum NT“. 298 Im 2.Teil schließt sie sich näher an S 1526 an, aus dem sie zwei kleine verdeutlichende Einschübe über-nimmt: „und hielten sich für stark“ und „in Jerusalem“. 299 WADB 6,6,2 6,11 6,12f 6,18 und 6,20. 300 Die Klammer in WADB 7,18,26f. Doch ist diese Stelle kein sicherer Beweis, da GVB manchmal von selbst Klammern setzt, z.B. 18,12.
91
bibel kontrolliert,301 und inzwischen eingetretene Änderungen werden zum größten Teil
übernommen.302
In der Sprache nähert sich GVB inhaltlich mehr Luther,303 in den Formulierungen, be-
sonders der Wortfolge, folgt sie mehr dem schwedischen Sprachgebrauch. In der Allgemei-
nen Vorrede ist z.B. GVB an 16 Stellen näher bei Luther als bei S 1526; umgekehrt sind es
allerdings auch 11 Stellen; an noch mehr Stellen übernimmt GVB kleine Übersetzungsunge-
nauigkeiten aus S 1526.
Ein Beispiel dafür, wie GVB frühere undeutliche Übersetzungen verbessert, ist der Satz
Luthers: „Alßo das, wie der glawbe alleyn rechtfertiget, den geyst vnd lust bringt zu gutten
euserlichen wercken“.304 In S 1526 wird Luther mißverstanden und falsch übersetzt: „so daß,
so wie der Glaube alleine den Geist rechtfertigt und Lust gibt zu guten äußeren Taten“. GVB
berichtigt den Text.
Trotz dieser größeren Annäherung an Luther bemüht sich der schwedische Übersetzer
weiterhin, dessen oft drastische Sprache zu mildern. Ein schönes Beispiel hierfür ist ein Stück
aus der Römerbriefvorrede,305 wo Luther geschrieben hatte: „der on gnade, von hohen
geystlichen sachen viel tichtet, lebet vnd schwetzet“; S 1526 hatte verkürzt zu „wo keine
Gnade ist“; GVB nähert sich wieder Luther, formuliert aber doch vorsichtiger „der ohne Gna-
de von hohen geistlichen Sachen vieles redet oder lehrt“.
Die theologisch bedingten Abweichungen in den Vorreden wurden für S 1526 einge-
hend behandelt. So brauchen hier nur die Abweichungen der schwedischen Vorreden unte-
reinander angemerkt zu werden.
1. Der Komplex Gesetz-Evangelium306. Hier überrascht es auf den ersten Blick, in dem abge-
änderten Schlusssatz der Allgemeinen Vorrede307 die Mahnung zu finden „Deshalb befleißige
sich jeder Christ, daß er nicht Gesetz und Evangelium mit einander vermenge“. Eine solche
Mahnung (ohne direkte Anleitung durch Luther) begegnet uns im schwedischen Text sonst
301 Z.B. wird WADB 7,314,20 das früher als Fremdwort ausgelassene „Epicureer“ nun aufgenommen. 302 Übernommen wird z.B. die Zufügung (seit 1530) in WADB 7,284,11. Seltener ist, daß GVB Luther nicht folgt, wie zu WADB 7,298,24, wo Luther ab 1527 „unter den Christen“ streicht, GVB es aber beibehält; ähnlich 314,18f. 303 Z.B. WADB 7,172,10 und 258,14f. 304 WADB 7,6,34f. 305 WADB 7,12,10f. 306 Vgl. den Abschnitt „Gesetz und Evangelium“ in Kap. A.III.c „Die theologisch bedingten Änderungen in den Vorreden“ 307 WADB 6,10f.
92
nirgends. Hier ist sie aber wohl als Ersatz für den (allerdings auch bei Luther seit 1543) fort-
gefallenen ersten Absatz dieser Vorrede308 zu verstehen, wo dasselbe eingeschärft wird –
also nicht als selbständige Neubildung des Übersetzers.
2. Kanonkritik309. Diese hatte bei Luther ihren Platz in den Vorreden zu Hebräer, Jakobus,
Offenbarung und in der Allgemeinen Vorrede. Die beiden letzteren sind in GVB vollständig
bzw. in diesem Teil verschwunden. Die beiden restlichen Stellen zeigen kein einheitliches
Bild!
Beim Hebräerbrief hat Luther ab 1530 seine Kritik gemildert. Früher hatte er zu der
Feststellung des Briefes, Esau habe Buße gesucht und nicht gefunden, angemerkt „Wilchs
widder alle Euangeli vnd Epistel Sanct Pauli ist“. Nun schreibt er „Welchs, wie es lautet,
scheint widder alle Euangeli und Epistel sanct Pauli sein“. Diese doppelte Milderung erklärt
sich wohl aus Luthers sonst günstigem Urteil über diesen Brief.310 GVB macht diese Milde-
rung nicht mit.
In der Jakobus- und Judasvorrede dagegen wird die Kritik Luthers noch mehr gemildert
als es schon 1526 der Fall war. Sie wurde noch stärker verkürzt (20 Zeilen; S 1526: 35; Lu-
ther: 62). Es bleibt fast nicht einmal je ein Satz für jeden ursprünglichen Absatz. Vieles ist
ganz weggefallen. Als Vorlage scheint nur S 1526 gedient zu haben; Lutherwendungen tau-
chen nirgends neu auf. Negativ äußert sich fast nur noch der Schlußsatz: „Dennoch soll man
sie nicht mit den anderen Büchern der Schrift gleichrechnen“.
Die Haupteinwände Luthers gegen den Brief sind noch da: die Rechtfertigung und das
Reden von Christus, aber nur noch sehr abgeschwächt: a) In Bezug auf Abraham hieß es bei
Luther: „das Abraham on werk sey rechtfertigt worden, alleyn durch seynen glauben“. In S
1526 hieß es: „Daß er allein durch den Glauben gerecht wurde“ (die Ausschließung der Wer-
ke fehlt schon), in GVB heißt es nur noch allgemein, „dass der Glaube die Menschen gerecht
macht“ (auch das „allein“ ist weggefallen). b) In Bezug auf Christus heißt es nur, es würde
nicht „so viel und häufig“ von ihm gesprochen, „wie es sich gehörte und eines Apostels Amt
rechtmäßig fordere“.
Interessant ist die Begründung für die Schätzung des Briefes. S 1526 konnte nur anfüh-
ren, es seien doch „viele gute Worte“ dabei. Jetzt heißt es „Doch weil hier keine Menschen-
308 WADB 6,2,1-16. 309 Vgl. den Abschnitt „Kanonkritik“ in Kap. A.III.c „Die theologisch bedingten Änderungen in den Vorreden“. 310 Vgl. Zeile 20 ff.
93
gebote, sondern reines Gottesgebot und –gesetz gegeben werden – und das wird auch in
einer christlichen Gemeinde gebraucht – werfe man diese Epistel nicht so einfach weg, ob-
wohl man sie nicht als mit den anderen Büchern der Schrift gleich rechnen soll“.
Auch die Judasvorrede ist etwas gemildert.
Dagegen richtet sich der Aufbau des Inhaltsverzeichnisses nun ganz nach Luther: die
letzten vier Bücher werden eingerückt und sind nicht numeriert.
d. Zusammenfassung
In dem selbständigen Teil der Allgemeinen Vorrede zum Alten Testament schreibt der
Bearbeiter über die schwedische Bibelübersetzung, man habe sie gemacht „Gott zur Ehre
und den armen einfältigen Christen hier im Reich zu Dienst, die Lust und Liebe zu Gottes
Wort haben, aber doch im Lateinischen oder einer anderen Sprache, in der die Heilige Schrift
geschrieben ist, nicht so erfahren sind, dass sie daraus einen gewissen Grund nehmen kön-
nen“.
Dieses Ziel erklärt vieles, was die Besonderheit der schwedischen Vorreden ausmacht.
Denn unter diesem Vorzeichen müssen die Beigaben des Übersetzers auf das beschränkt
werden, was nach seiner Ansicht wirklich zur Einführung in den Text selbst notwendig ist. So
fallen also historische Exkurse jeder Art, theologische Assoziationen, Allegorien, polemische
Äußerungen und die meisten Anspielungen auf heutige Verhältnisse weg (dabei verschwin-
den völlig die Vorreden Luthers zu Propheten, Apostelgeschichte und Offenbarung). Gedan-
ken über die Kanonabgrenzung werden nun nötig, nicht dagegen über die Einheit von
Neuem und Altem Testament. Und eine solche Auffassung des Bibelwortes als „Grund“ des
Glaubens verbietet dem Bearbeiter dann auch eine solche Anschauung vom Gesetz wie Lu-
ther sie äußert. Diese Abweichungen von Luther werden im Alten Testament deutlicher als
im Neuen, wo viele Änderungen von S 1526 zurückgenommen werden.
Dabei ist zu beachten, daß Luther bei der Zugabe aller dieser Stücke auch von einem
theologischen Gesichtspunkt geleitet wurde. Auch ihm geht es um den „gewissen Grund“.
Aber das ist für ihn nicht der Bibeltext als solcher, sondern dieser Text verstanden als Gottes
Wort in Gesetz und Evangelium. Diese Spannung stellt für Luther die Einheit von Altem und
Neuem Testament mit der ganzen Kirchengeschichte und der gegenwärtigen Zeit her. Und
94
alles, was irgendwie diese Einheit darstellen und beleuchten kann, alles was irgendwie zu
Christus hinführen kann, hat seinen legitimen Platz in den Vorreden. Darin liegt ihre Einheit,
auch wenn die einzelnen Vorreden oft sehr durch die Situation der Abfassung geprägt sind,
vgl. z.B. den ersten Absatz der Weisheitsvorrede oder die Vorrede (und die Glossen) zur
Apostelgeschichte, die mit dem gleichzeiten Plan eines Buches über die Rechtfertigung zu-
sammenhängen.
IV. Die Glossen
a. Altes Testament
Auch hier das übliche Bild: im allgemeinen werden die Glossen Luthers übernommen,
aber einige werden verändert, ausgelassen oder dazugefügt. Diese Verschiebungen lassen
sich in folgende Gruppen einteilen.
1. Unnötige und drastische Glossen
Unnötige oder drastische Glossen werden ausgeschlossen, z.B. Genesis 1,28
4,7.8 5,22 6,3.4
2. Bezug auf Verhältnisse in Deutschland
Bezugnahmen auf besondere Verhältnisse in Deutschland werden gestrichen,
bzw. Anspielungen auf Schweden eingefügt. Z.B. werden aus der Glosse zu Genesis
1,14 die Quatembertage gestrichen, da es gerade zur Zerit der Bibelausgabe das Be-
streben der schwedischen Reformatoren war, diese Feiertage zu unterdrücken.311
3. Allegoresen und „geistliche Auslegungen“
Die Allegoresen und „geistlichen Auslegungen“ Luthers werden fast immer aus-
gelassen. Diese waren besonders häufig in Genesis und Exodus. Aber so sind z.B. von
311 Vgl. Å. Andrén, Nattvardsberedelsen i reformationstidens svenska kyrkoliv, 1952, S.225f.
95
den etwa 11 allegorischen Ausdeutungen Luthers zur Genesis nur die Glosse zu 5,11
und 28,13 übriggeblieben. Und die erstere wohl auch nur, weil der Glossator hier
meint, in V. 13ff eine Stütze für diese Auslegung zu haben und deshalb schreiben kann
„… wie der HERR es hier selbst ausdeutet…“
Dagegen gibt es keine solche Erklärung für die Übernahme der Glosse zu Gene-
sis 28,13. Luther deutet hier die Jakob verheißene Nachkommenschaft auf Christus
und meint, die Engel auf der Leiter bedeuteten, daß Christus in allen Landen gepredigt
werden solle. GVB teilt die Glosse, um ihre beiden Teile je zum richtigen Vers stellen zu
können, übersetzt aber alles.
Die wenigen weiteren übernommenen Allegorien312 sind im Pentateuch nur
noch Exodus 12,43 (Passah – Christus) 16,15 22,29 und 32,4.
4. Theologische Exkurse
Allgemeine theologische Exkurse Luthers werden meist ausgelassen, z.B. der
Teil der Glosse zu Genesis 3,15, in dem gesagt wird, Adam hätte an den hier verheiße-
nen Christus geglaubt und sei damit selig geworden. GVB übernimmt nur den Hinweis
auf die Christusverheißung.313
5. Die Sonderglossen
Die drei Sonderglossen aus den Ausgaben von 1536 (zu Psalmen 8,6 und 18,14
sowie Sprüche 27,19) sind in GVB verschwunden.
Die neuen Sonderglossen enthalten meist einfache Worterklärungen, z.B. wird
zu Genesis 28,19 Beth El mit „Gottes Haus“ erklärt; zu Deuteronomium 20,6 wird er-
läutert, was es heißt, wenn ein Weinberg „gemein“ wird; zu Psalm 84,3 wird „gardar“
(Vorhöfe) erklärt usw.
Von den andersartigen Sonderglossen seien die zu 2.Könige 4,16 und 1.Samuel
1,1 erwähnt. In der ersten wird angemerkt, dass diese schwierige Stelle verschieden
erklärt werde. Am Anfang des 1.Samuelbuches wird die neue Bücherbenennung mit
Hinweis auf die hebräische Bibel erläutert und darauf hingewiesen, dass die Verweise
(„allegationes“) noch nach den alten Benennungen gemacht sind. 312 Die Aufteilung zwischen philologischer Exegese, historischer Exegese auf Christus, „geistlicher Deutung“ und Allegorie ist nicht immer klar durchzuführen. 313 Vgl. dagegen die Glosse zu Johannes 8,56 „Die Heiligen aller Zeiten haben den gleichen Glauben gehabt…“ Diese Glosse wird von GVB übernommen, da sie eine Stütze im Text hat.
96
Sämtliche Sonderglossen des Pentateuch314 (zu Genesis 13,11 28,19 Exodus
12,40 16,13 und Deuteronomium 20,6) sowie die Erweiterung bzw. Umformulierung
derer zu Genesis 26,4 bzw. 35,18 hat der Bearbeiter aus N34 übernommen. Es sind nur
kleine Inhaltsangaben, z.B. „Lot wählt Sodom“ (Genesis 13,11) und „Die Kinder Israel
wohnten in Ägypten 430 Jahre, Galater 3“ (Exodus 12,40), oder eine kurze Erklärung
wie die von Beth El als „Gottes Haus“ (Genesis 28,19). N 34 enthält allerdings in Penta-
teuch noch viel mehr Sonderglossen.
b. Das Verhältnis der Glossen zu Psalter, Sprüche, Weisheit und Sirach in
den Ausgaben 1536 und 1541
Der Befund ist für die verschiedenen Bücher nicht einheitlich.
In Weisheit und Sirach, den beiden Apokryphen, finden sich in S 1536 und GVB fast die
gleichen Glossen, die Sprache ist nur sehr geringfügig verändert. Einige Glossen sind gege-
nüber S 1536 (und Luther) in GVB etwas verkürzt (z.B. Weisheit 2,7 und 11,7) oder ausgelas-
sen, nämlich alle, die bei Luther ab 1534 fehlen (z.B. Weisheit 1,5 und 13,9), aber auch darü-
ber hinaus (z.B. Weisheit 16,26 und 27). Von den durch Luther seit 1534 neu dazugefügten
Glossen ist kaum eine aufgenommen! Ausnahmen: Weisheit 1,16 und die zweite Glosse zu
10,5, Sirach 39,1. Hauptvorlage waren also die Glossen von S 1536, die nach einer Luther-
ausgabe 1534 oder später (für Weisheit sicher 1538, vgl. Weisheit 1,16) kontrolliert, etwas
verbessert (z.B. Weisheit 12,5.14) und vervollständigt wurden.
Bei den Psalmen ist es insofern etwas anders, als hier Luthers Glossen zum großen Teil
wechseln. Doch die wenigen Glossen, die bei ihm gleich bleiben und also sowohl von S 1536
als von GVB übernommen werden (7,9 21,13 32,3 38,11 51,9 usw.) zeigen, daß auch hier S
1536 vorgelegen hat. Hauptvorlage war diesmal eine Lutherbibel 1534 oder später. Aus S
1536 wird keine Glosse übernommen, die Luther in der Bibel 1534 beseitigt hat.
Schwieriger ist das Verhältnis bei den Sprüchen zu beurteilen. Auch hier hat Luther den
Glossenbestand sehr verändert. Bei den Glossen, die sowohl in S 1536 als in GVB auftauchen
(10,5.12.16; 1,25; 23,5; 26,1; 27,24; 29,18; 30,1 und 31,1.17), ist aber diesmal die Sprache so
314 Außer Exodus 19,3.
97
verschieden, daß man die Vorlage von S 1536 nicht sicher behaupten kann. Von Luther ab
1534 beseitigte Glossen sind auch hier nicht mehr zu finden.
c. Neues Testament
Im Vergleich zu 1526 ist eine deutliche Annäherung an Luther zu beobachten, da man-
che früher frei übertragenen Glossen nun wörtlich übernommen werden, viele damals aus-
gelassene Glossen nun übersetzt werden und eine Reihe Sonderglossen wegfallen, jedoch
kaum neue eingefügt werden.
Da neue Abweichungen von Luther kaum vorliegen, ist es wohl sinnvoll, mit dem
Schicksal der im Neuen Testament 1526 festgestellten Abweichungen zu beginnen.315
1. Rechtfertigung und die Rolle des Gesetzes
Wir hatten beim Neuen Testament von 1526 gesehen, dass der Übersetzer zwar die
Rechtfertigung allein aus Gnade und Glaube bejaht, aber doch großes Gewicht darauf legt,
dass der Gerechtfertigte sodann „aus einem guten Herzen tut, was das Gesetz befiehlt“. Die-
ser Zug bleibt erhalten. Die Änderung der Glosse zu Römer 3,31, aus der obiges Zitat
stammt, ist dieselbe wie 1526. Auch die in dieselbe Richtung weisende Verkürzung der Glos-
se zu Matthäus 13,31 bleibt gleich.
Immer noch ist eine Abneigung gegen die Formel „allein durch Glauben“ zu spüren.
Z.B. verschwindet sie jetzt aus der Glosse zu 1.Korinther 13,2. Hier hat GVB nun eine Sonder-
glosse, die beginnt „Die Liebe macht den Menschen nicht gerecht, sondern der Glaube…“.
Dagegen wird die 1526 ausgelassene zweite Glosse zu 2.Korinther 3,6 („… ohn Gesetz und
Verdienst…“) jetzt übersetzt.
Dass das Gesetz Gottes buchstäblich zu erfüllender Wille ist, wird nun nicht mehr so
sehr betont. Die Änderung der Glosse zu Markus 1,22, die von der Vollmacht Christi sprach,
etwas im Gesetz zu ändern (und gerade dadurch die wörtliche Befolgung des Gesetzes ein-
schärfte) fällt weg. Es bleibt allerdings die Änderung bei der Glosse zu Matthäus 11,30, die
sagt, dass das Gesetz und die Gebote eigentlich schwer und drückend seien, aber durch
Christus, der den Heiligen Geist und den Glauben gebe, würden sie leicht gemacht.
315 Vgl. Kap. A.IV.a „Die Änderungen von Luthers Glossen“.
98
Mit Luther wird nunmehr betont, dass es die Aufgabe des Gesetzes ist, die Sünde auf-
zuzeigen. Die 1526 ausgelassenen Glossen zu Römer 6,14 („… das Gesetz verurteilt das Ge-
wissen…“) und Römer 2,14 werden nun übersetzt.
Auch in GVB wird das Streben des Menschen, die Gerechtigkeit aus eigener Kraft zu er-
reichen, nicht ganz so negativ beurteilt wie von Luther: die Glosse zu Matthäus 3,15 bleibt
geändert.
Neu ist eine Glosse zu Röm 1,17 „Gottes Gerechtigkeit ist die Gerechtigkeit, die vor
Gott gilt“. Diese Definition stand so 1526 in den Worterklärungen der Sondervorrede.316
2. Menschenlehre
1526 hatte der Übersetzer betont, daß Gesetz und Evangelium das eine Wort Gottes
sind, dem als Gegenbegriff die Menschenlehre gegenübertritt. Um die geringe Autorität der
Menschenlehre nachzuweisen, hatte er auch zweimal (Glossen zu Matthäus 15,13 und 23,2)
Kirchenväter zitiert.
Bei Matthäus 15,13 fällt diese Sonderglosse zugunsten von Luthers Glosse mit einem
negativen Urteil über den freien Willen weg. Bei Matthäus 23,2 dagegen wird die Glosse aus
S 1526 (eine sehr ausgeweitete Lutherglosse) wörtlich übernommen – außer den drei Wör-
tern „wie Theophilactus sagt“. Dazu wird die frühere Veränderung der Glosse zu Matthäus
12,32 von GVB nicht mehr mitgemacht.
3. Gutes Herz und gute Werke
In S 1526 hatte der Übersetzer oft die Kritik Luthers an den „guten Werken“ gestri-
chen. Stattdessen betonte er lieber positiv, dass wahrhaft gute Werke nur aus einem guten
Herzen (oder durch den Heiligen Geist) kommen.
Von den vier 1526 gestrichenen Stellen lässt GVB nur noch die Glosse zu Lukas 13,24
aus. Auch sonst wird Luther vollständiger aufgenommen, z.B. wird die Glosse zu Matthäus
7,24 nun vollständig übersetzt („…und alle Werke, ohne den Glauben gemacht – so gut sie
auch scheinen mögen – sind Sünde…“).
Dagegen bleiben die Zufügungen, die die Notwendigkeit des guten Herzens betonen
(Matthäus 6,22 7,22 Römer 3,31) stehen. Nur bei Lukas 17,10 wird diese Bemerkung gestri-
chen.
316 Kap. A.III „Die Vorreden“.
99
4. Christologie
Von den Änderungen und Zufügungen von 1526 bleibt nur noch die Erklärung zu Jo-
hannes 1,1.
5. Kirchenpolemik
Von den Abschwächungen wird nichts zurückgenommen.
6. Hermeneutik
Auch GVB hat zu Johannes 20,17 den Begriff „geistliche Deutung“ von Luther über-
nommen. Und eine solche Deutung ist in GVB häufiger als 1526. Sogar solche allegorischen
Bilder wie in der Glosse zu Matthäus 25,1 („Die Lampen ohne Öl sind die guten Werke ohne
Glauben…“) kann GVB nun übernehmen. Ausgeschlossen sind nur noch die Glossen zu Mat-
thäus 2,6.8 24,23 und 26,12.
7. Sonderglossen
Die Sonderglossen von 1526317 verschwinden zum großen Teil. Betrachten wir z.B. das
Matthäusevangelium und die Apostelgeschichte.
Von den 26 Sonderglossen zu Matthäus wurden in GVB 8 gestrichen, darunter z.B. die
Erklärungen zum Begriff „Kirche“ (16,18 und 18,17) oder zu „tenkeskriffter“.
In der Apostelgeschichte hatte S 1526 Luthers 4 Glossen durch eigene Worterklärun-
gen ersetzt. Von diesen übernimmt GVB nur 2 („församling“ 8,1 und „biscopar“ 20,28, letzte-
re aber verändert).
„Quaternioner“ 12,4 wird durch die Übernahme einer neuen Lutherglosse überflüssig.
Bei 14,23 („aldersman“) lautet in GVB der Bibeltext anders. Die Glosse zu 11,3 („förhwdh“)
fällt ohne einsehbaren Grund weg.
Es gibt dafür einige wenige neue Sonderglossen. Im Neuen Testament sind es nur 6
neue Glossen, die keine Entsprechung bei Luther haben:
- Apostelgeschichte 19,24 „Diana ist eine Abgöttin“
- Römer 1,14 „(Barbari) wurden alle fremden Völker genannt, die nicht Griechen
waren“ (Luther übersetzt im Text „vnkriechen“, S 1526 „Barbarsker“, GVB „Barba-
rer“)
- Römer 1,17 „Gottes Gerechtigkeit, ist die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt“ (so
schon in der Worterklärung der Sondervorreden S 1526)
317 Kap. A.IV.b.
100
- Römer 8,23 „(Kindschaft) Das heißt, als Gottes Kind angenommen“
- Römer 11,16 „(Erstling) wird hier genannt, was man zuerst vom Teig nimmt“ (Lu-
ther übersetzt „anbruch“, S 1526 „die erste Entnahme“).
Die neutestamentlichen Glossen schließen sich 1541 deutlicher an Luther an als es
1526 der Fall war. Die theologischen Abweichungen sind durch teilweise Zurücknahmen
nicht mehr so deutlich, die Sonderglossen fallen zum Teil weg und werden nur selten durch
neue ersetzt.
Doch auch jetzt ist der Anschluss an Luther nicht vollständig. Deutlich wird dies z.B. an
der Apostelgeschichte. Luther hatte hier 1530 und 1533 etwa 34 neue Glossen eingefügt, die
fast alle auf verschiedene Weise auf eine Stelle aufmerksam machen sollen, wo die Rechtfer-
tigung allein aus Glauben deutlich wird.318 Nur wenige bieten eine Erklärung zum Text. Aber
nur diese übernimmt der Übersetzer: 3,15.16.20.25.26 8,33 12,4 13.20 15,17 17,28 19,18.19.
Dass die Arbeit an den Glossen nicht immer sehr sorgfältig vorgenommen wurde, zei-
gen die Glossen der GVB Römer 2,12 und 14. Luthers Glosse zu V.14 wurde in S 1526 bear-
beitet und erweitert und zu V.12 gestellt. So wurde sie von GVB übernommen, die aber auch
noch einmal Luthers Glosse wörtlich übersetzte. So überschneidet sich der Inhalt der beiden
Glossen in GVB.
d. Zusammenfassung
Treuer als 1526 folgt der Übersetzer 1541 Luthers Glossen. Theologische Abweichun-
gen sind nicht mehr so deutlich, besonders im Neuen Testament. Wie früher bemüht er sich,
Luthers scharfe Urteile zu mildern, seien sie gegen die römische Kirche als Institution, seien
sie gegen die von ihr vertretene Theologie gerichtet. Ihm ist die aufbauende Arbeit allein
wichtig: er will dem Christen den Gebrauch der Bibel an einigen schwierigen Stellen durch
kleine philologische, historische oder theologische Hinweise erleichtern. Alles, was bei Lu-
ther darüber hinausgeht, bemüht er sich einzuschränken.
318 Vgl. Luthers Vorrede, die 1533 eingefügt wurde und denselben Skopus hat. Sie wurde 1541 nicht übernom-men.
101
V. Die Sprache
Die nichtgermanischen Fremdwörter sind seltener als 1526. Im Neuen Testament ver-
schwinden sie oft durch Annäherung an Luther, z.B. Apostelgeschichte 17,34 en aff Radhet (S
1526: Ariopagita, Luther: einer aus dem Rat); Matthäus 21,9 welsignat und 2.Korinther 11,31
(S 1526: benediet, Luther: gelobt). Auch über Luther hinaus werden Fremdwörter beseitigt,
z.B. Glosse zu Psalm 51,9 afflösa (S 1526 absoluera, Luther: absoluiren); Psalm 2,9 Spira (S
1536: Scepter, Luther: Zepter). Die Tendenz, Fremdwörter ins schwedische Beugungssystem
einzubauen, ist noch weiter geführt als 1526.319
Dennoch bleibt eine Reihe Fremdwörter stehen, auch an Stellen, wo Luther eine freie-
re Übersetzung hat, z.B. Apostelgeschichte 2,11 u.ö. Proselit (Luther: Judgenoß). Durch An-
näherung an Luther werden sogar einige neu eingeführt, z.B. Offenbarung 16,21 Centener.
Aufs Ganze gesehen ist jedoch der Unterschied in der Häufigkeit der Fremdwörter zu S
1526 deutlich. Da dazu inzwischen wohl viele der erhaltenen Wörter im Lande bekannt ge-
worden sind, wird die 1526 aufgestellte Wortliste ausgelassen. Doch bleiben die vielen
worterklärenden Glossen erhalten.
Bei den niederdeutschen Lehnwörtern werden die oben erwähnten termini technici
der religiösen Sprache in ihrer Stellung noch mehr durch Entfernung schwedischer Synony-
me gestärkt, z.B. saligh, retferdigh, bekenna. Die nichtreligiösen bleiben zum Teil, wenige
neue werden aufgenommen. Oft werden sie gegen einheimische Begriffe oder bekanntere
Lehnwörter ausgetauscht.
Zusammenfassend kann man über die Behandlung der Fremd- und Lehnwörter sagen:
„GVB versucht, so weit wie möglich mit einheimischen Worten, oder wenigstens naturalisier-
ten und wohlbekannten Lehnwörtern auszukommen“.320
Da dazu die Zahl der Synonyme eingeschränkt wird,321 manche einheimischen Wörter,
die nur der Umgangssprache angehörten oder „unmodern“ geworden waren, ausgetauscht
319 Sjögren 1949, S.80. 320 Sjögren 1949, S.94. Ebenso Ståhle 1984, 1970, S. 12-17. 321 Z.B. hat GVB statt wedherläggia, förgella und wedhergella in den früheren Übersetzungen nur noch wedher-gella. Von den drei Stellen (in Matthäus und Lukas), wo S 1526 di,kaioj nicht gemäß Luther mit „retferdugh“, sondern aus guten Gründen mit „rättwis“, „meenlös“ oder „vskylligh“ übersetzte (s.o. Kap. A.II.b „Die Theologie der Bibelübersetzung“), wurden nun die beiden letzteren Stellen (Matthäus 27,14 und 27,19) der Normalüber-setzung angepasst.
102
wurden322, Wortbeugung, Orthographie323 und der Gebrauch des Dativs324 vereinheitlicht
wurden, so kann als Gesamturteil gesagt werden, daß die Sprache der GVB im Ganzen ein
bedeutendes Stück einheitlicher und verständlicher ist als in S 1526.
Im Alten Testament schließt sich die Sprache fast überall an Luther an. Die Stellen, wo
der Übersetzer ein ihm unumgänglich erscheinendes Fremdwort vorzieht, um es dann durch
eine Glosse zu erklären, sind selten, z.B. Richter 13,5 mit dem Text „Gudz Nazir“ und der
Glosse „(Nazir) Gott verlobt oder verpflichtet“. Quelle ist hier wohl Luthers Übersetzung: bis
1527 „Nazir Gottes“, ab 1534 „Verlobter Gottes“.
Die ganze Übersetzung der GVB ist durch Vermeidung der früher häufigen Umschrei-
bungen viel weniger umständlich als die älteren Ausgaben.325 Da zudem im Anschluß an die
neueren Lutherbibeln Punkt am Satzschluß und große Buchstaben häufiger gebraucht wer-
den, ist diese Bibel leichter zu rezitieren und damit auch als „Kirchenbibel“ leichter zu ge-
brauchen. Sie wurde prägend für die Ausformung der schwedischen Sprache: „Bibeln var ...
länge den enda bok som erbjöd en fast språknorm, och den fick darför en grundläggande
betydelse för svenska språkets yttre dräkt.”326
VI. Zusammenfassung
Die GVB schließt sich in Text und Beigaben enger an die Lutherbibel an als das Neue
Testament von 1526.327 Die theologische Kritik an Luther – und damit der Ausdruck einer
eigenen theologischen Haltung – ist nicht mehr so deutlich und einheitlich wie 1526. Vor
allem fällt aber die ausdrückliche Berufung auf Luther und die Väter der Alten Kirche bei der
Kanonfrage auf. Dies ist doch wohl als Rückschritt gegenüber dem Neuen Testament von
322 Sjögren 1949, S.107, widerspricht Lindqvist, Bibelsvenskans medeltida ursprung, 1929, S.48 und 60 (und ähnlich A. Bengtson, Nils Ragvaldi, 1947, S.239f), der hier eine bewusste „Archaisierung“ mit Berücksichtigung der mittelalterlichen Bibelübersetzungen (bei gleichzeitiger Ausmusterung niederdeutscher und dänischer Lehnwörter) fand. 323 E. Wessen, Studier över språket i Gustav Vasas bibel, Nysvenska studier 1927, S.251-263. 324 Sjögren 1949, S.143f. 325 N. Lindqvist, Lukas evangelium i Gustav Vasas Bibel, Svenska texter 1, 1957, S.26ff. 326 Ståhle 1970, S. 44. 327 Stave 1896, S.215 beurteilt den näheren Anschluß an Luthers Text positiv: „daß er im großen gesehen für den schwedischen Text Gewinn brachte“.
103
1526 zu beurteilen, das die alleinige Autorität der Bibel als Gotteswort gegenüber jedem
Menschenwort überall in den Mittelpunkt stellte. Aber wenn man – wie die schwedischen
Reformatoren – nicht nach der Mitte der Schrift fragt, um von dort her die Kanongrenze zu
bestimmen, ist dieser Rückzug auf Autoritäten unumgänglich. Im Übrigen ist jedoch immer
noch das Bestreben der Bearbeiter zu spüren, ihre Textvorlagen sorgsam gegeneinander
abzuwägen und Luthers Beigaben kritisch zu mustern.
Diese Übersetzung und Bearbeitung muß eine längere Zeit in Anspruch genommen ha-
ben, auch wenn wahrscheinlich mehrere Hände mitgearbeitet haben. Da die historischen
Nachrichten uns nichts über den Beginn der Arbeit am Alten Testament sagen, haben wir nur
die vier Teilausgaben von 1536 und die Wahrscheinlichkeit, daß bei manchen Büchern der
GVB mit einer Überarbeitung einer Urübersetzung zu rechnen ist, als Anhaltspunkte.
Darauf wurden verschiedene Hypothesen gebaut: Collijn328 vermutet, die Vorbereitun-
gen zur Übersetzung des Alten Testaments hätten spätestens 1534 begonnen, Schück329
meint, der Pentateuch sowie die historischen und poetischen Bücher seien schon vor 1534
übersetzt worden, Lindblom330 will einen Entwurf des ganzen Alten Testaments vor 1534
vermuten, und Sjögren331 behauptet, 1534 sei schon alles fertig übersetzt gewesen, was Lu-
ther bisher herausgegeben hatte. Dann hätte man aber nach Erscheinen der Bibel 1534 die
vielen Verbesserungen Luthers gesehen und sei zu einer Überarbeitung geschritten.
Die mannigfaltigen Ergebnisse der erneuten Suche nach den genauen Vorlagen der
einzelnen Bücher lassen ahnen, dass der Arbeitsgang noch komplizierter war. Es ist wahr-
scheinlich, daß einige Bücher schon 1534 übersetzt waren und daß mehrere noch einmal
nach einer späteren Lutherauflage überarbeitet wurden – mehr läßt sich nicht sagen.
Die Frage des Übersetzers ist ebenso schwer zu lösen wie die des Übersetzungsverlau-
fes. Auf Grund der historischen Nachrichten ist mit ziemlicher Sicherheit als Leiter des Über-
setzungsunternehmens Laurentius Petri namhaft zu machen. Sein Bruder Olavus wird meist
als Mithelfer genannt. Wie aber die Arbeit im Einzelnen verteilt war und welche der jungen
Schweden, die in den vorangegangenen Jahren in Deutschland studiert hatten332, noch dabei
beteiligt gewesen sein könnten, ist noch nicht untersucht.
328 Collijn II, S.101. 329 H. Schück und K. Wartburg, Illustrerad svensk litteraturhistoria, 2.Aufl., Bd.I, S.283. 330 Lindblom 1941, S.34. 331 Sjögren 1949, S,76. 332 Allein für Wittenberg verzeichnet Christian Callmer zwischen 1515 und 1540 die Zahl von 58 schwedischen Studenten (Svenska studenter i Wittenberg, Personhistorisk tidskrift 72, 1976, 1-2).
104
Erschwerend kommt hinzu, daß noch nicht sicher festgestellt ist, wer die Bibelteile
1536 übersetzt hat.333 Beide Übersetzungsunternehmen in erster Linie Laurentius Petri zuzu-
schreiben, scheint mir die Ungleichheit der Sprache in der Vorrede zur Weisheit334 zu verbie-
ten.
Das Ergebnis der Übersetzungs- und Revisionsarbeit muß äußerst positiv beurteilt
werden, und man kann verstehen, daß E.Stave beim Vergleich der GVB mit Luthers Bibel
urteilte, „daß sie (sc. die GVB) fast alle ihre Vorteile hat, aber viele ihrer Fehler übergeht“.335
Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, daß Luther der Bahnbrecher und in fast allem
Wesentlichen die Vorlage für die schwedischen Bearbeiter und Übersetzer war. Man kann
jedoch verstehen, wieso die GVB in fast unveränderter Form bis 1917 die schwedische „Kir-
chenbibel“ geblieben ist.
333 S.o. Kap. B.VI „Zusammenfassung der Untersuchung der Teilausgaben 1536“. 334 S.o. Kap. C.IV.b „Das Verhältnis der Glossen 1536 – 1541“. Palmér, LUÅ 1939, S.173 behauptet, daß die Vorreden 1536 nicht vom Übersetzer der Bibelbücher geschrieben worden seien. Leider gibt er aber keinerlei Begründung für diese Behauptung. 335 Stave 1896, S.215.
105
Summary
In der Reformationszeit wurden in Schweden drei Bibelausgaben gedruckt: das Neue
Testament 1526; Einzelausgaben von Psalmen, Sprüche, Weisheit und Sirach 1636 und die
ganze Bibel 1541. Vorbild und wichtigstes Hilfsmittel waren dabei die deutschen Bibelausga-
ben mit Luthers Übersetzung, Vorreden und Glossen.
Bisherige Untersuchungen der schwedischen Bibelausgaben der Reformationszeit be-
schäftigten sich vor allem mit der Frage, wer die Übersetzung bewerkstelligt hat. So haben
sich vor allem Philologen des Themas angenommen. Die inhaltliche Frage, wo der Übersetzer
oder die Übersetzer Luther in der Übersetzung und Bearbeitung folgen bzw. von ihm abwei-
chen, wurde wenig berücksichtigt. Hier liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit. Dargestellt wer-
den zu den drei Bibelausgaben jeweils die historischen Nachrichten über die Arbeit an der
Bibel, die Übersetzung des Bibeltextes, die Vorreden, die Glossen und einige Aspekte der
Sprache.
Wo schließen sich die schwedischen Bibelausgaben den Vorgaben Luthers an bzw. wo
weichen sie davon ab? Welche theologischen, politischen oder seelsorgerlichen Gründe sind
dafür zu vermuten? - Es sind charakteristische Differenzen festzustellen, auch wenn sie nicht
immer konsequent durchgehalten werden. Ob dies auf unterschiedliche Mitwirkende zu-
rückzuführen ist oder ob den Bearbeitern eine ganz konsequente Linie nicht so wichtig war,
muss offen blieben.
Die Annäherung an Luthers Formulierungen und Anschauungen wird im Laufe der Jah-
re immer stärker, eine kritische Haltung und bewusste Auswahl ist aber in allen drei Ausga-
ben deutlich spürbar. So kann man mit Recht über das Unternehmen der schwedischen Bi-
belübersetzung der Reformationszeit sagen:„lutherisch, aber mit eigenen Akzenten“.
Die festgestellten Unterschiede zu Luther stimmen überein mit der von Sven Ingebrand
und Christer Gardemeister herausgearbeiteten reformatorischen Anschauung von Olavus
Petri. Damit ist aber noch nicht geklärt, wie umfassend sein Anteil an der gesamten Arbeit
der Bibelausgaben war. Sein Bruder Laurentius Petri und andere mögliche Beteiligte teilten
vermutlich diese Anschauungen.
106
Nachwort: Schwedische Bibelvorreden 1526 – 1900
Auch wenn der Bibeltext von 1541 bis 1917 weithin unverändert blieb, so änderten
sich die Beigaben im Laufe der Jahre. Eine Durchsicht der Bibeln, die mir zur Verfügung stan-
den, ergab folgendes – sicherlich unvollständiges – Ergebnis336:
1526 Neues Testament Luthers Vorreden übersetzt, bearbeitet und durch eine eigene
Vorrede erweitert
1536 Pss, Spr, Weish, Sir Luthers Vorreden übersetzt und bearbeitet
1541 Bibel (Gustav Vasas Bibel) Luthers Vorreden übersetzt und bearbeitet
1605 Neues Testament Luthers Vorreden337
1625 Pss Joh. Rudbeckius
1633 Bibel Jacobus Marci
1655 Bibel E.G. Emporagrius
1703 Bibel (Karl XII. Bibel) E. Benzelius sen.
1711-28 Bibelwerk J. Gezelius sen. und jun.
1719 Neues Testament J.A. Nordberg
1728 Bibel R. Brooman
1729 Bibel B.G. Schneider
1747 Bibel A. Bergius
1752 Bibel (Linköping) A.O. Rhyzelius
1752 Bibel (Göteborg) J. Wallin
1794 Bibel A.H. Francke (übersetzt)
1796 Neues Testament J.A. Lindblom
1816 Neues Testament S. Ödman u.a.
1830 Neues Testament H. Schartau
1835 Neues Testament338 Thomander
1849-55 Bibelwerk P. Fjellstedt
336 Aufgenommen wurden nur Vorreden zu Bibeln, Bibelteilen und Bibelwerken, die sich mit dem Verständnis und der Bedeutung der Bibel befassen. Nicht aufgenommen wurden Vorreden zur Einrichtung des Bibeldrucks und zu Prinzipien einer Neuübersetzung. 337 Jetzt auch die 1541 ausgelassenen Vorreden zur Apostelgeschichte und zur Offenbarung. In den folgenden Jahren werden Luthers Vorreden zum Teil vollständig, zum Teil in Auswahl abgedruckt. In einigen Ausgaben fehlen sie. 338 Neue Übersetzung.
107
1858-65 Bibelwerk H.M. Melin
1885 Neues Testament339 M. Åkeson
1889 Bibel anonym
1897 Neues Testament anonym
339 Neue Übersetzung.
108
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Abkürzungen:
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HSH Handlingar rörande Skandinaviens historia, Hrsg. Kungl. Samfundet för utgivande av hand-
skrifter rörande Skandinaviens historia, Stockholm 1816-1860.
LUÅ Lunds Universitets Årsskrift.
UUÅ Uppsala Universitets Årsskrift, Uppsala, seit 1861.
KÅ Kyrkohistorisk årsskrift , Hrsg. Kyrkohistoriska föreningen, Uppsala , seit 1900 .
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MPL Jaques Paul Migne, Patrologia Series Latina, Paris seit 1844.
OPSS Olavus Petri, Samlade Skrifter, 4 Bde, 1914-17.
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Nachdruck: That nyia Testamentit på Swensko af r 1526, utg. af Aksel Andersson, 1893.
Dauids Psalatere, Salomons ordspråk, Salomos Wijsheet, Jesu Syrach book, Stockholm 1536
(Bibliographische Angaben der Originale bei Collijn II, S. 101, und Kjöllerström 1941 S. 9f ) (S. 96)
(zitiert: S1536).
Faksimile-Ausgaben: als Band 62 der Skrifter utg. av Svenska Fornskrift-sällskapet mit Nachworten
von G. Sjögren, 1956-60.
Biblia, thet är, All then Helgha Scrifft, på Swensko, Uppsala 1540-41 (zitiert: GVB).
Faksimile-Ausgabe: Malmö 1938 mit einem Nachwort von Isak Collijn.
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