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Die ganze Vielfalt der Wasserstoffbrückenbindungen

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Page 1: Die Wasserstoffbrücke im Festkörper

Die ganze Vielfalt der Wasserstoffbrückenbindungen

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1. Einleitung

Die Wasserstoffbr¸cke (Wasserstoffbr¸ckenbindung; engl. :hydrogen bond, gelegentlich hydrogen bridge) ist schon vor¸ber 100 Jahren entdeckt worden,[1] wird aber nach wie vorintensiv untersucht. Der Grund f¸r dieses lang anhaltendeInteresse liegt in ihrer Bedeutung f¸r die Struktur, Funktionund Dynamik einer sehr gro˚en Zahl chemischer Systeme, dievon der Anorganischen Chemie bis zur Biologie reichen.Diese Gebiete umfassen Mineralogie und Materialwissen-schaften ebenso wie allgemeine Anorganische und Organi-sche Chemie, Supramolekulare Chemie, Biochemie, Moleku-lare Medizin und Pharmazie. Die st‰ndige Weiterentwicklungaller dieser Gebiete h‰lt auch die Untersuchung von Wasser-stoffbr¸cken in Bewegung. Vor allem in den letzen Jahrenwurde die Forschung ¸berWasserstoffbr¸cken sowohl vertieftals auch in der Breite ausgedehnt, neue Konzepte wurdenentwickelt, und die Komplexit‰t der untersuchten Ph‰nome-

ne hat sich betr‰chtlich erhˆht. Der vorliegende Aufsatzversucht, einen zusammenh‰ngenden ‹berblick ¸ber denaktuellen Forschungsstand zu geben. Dabei wird der Schwer-punkt auf Festkˆrperstrukturen und ihre Grundlagen gelegt.Es sind bereits mehrere B¸cher[2±9] und zahlreiche ‹ber-sichtsartikel zu diesem Thema erschienen, sodass ein histo-rischer ‹berblick nicht notwendig ist. Teile des publiziertenZahlenmaterials sind inzwischen etwas ¸berholt, sodass dervorliegende Aufsatz neue Daten enth‰lt, die aus der Cam-bridge Structural Database (CSD)[10] entnommen wurden.Es ist hilfreich, hier an die fr¸here, πklassische™ Vorstellung

von der Wasserstoffbr¸cke zu erin-nern. Hierzu mag das Beispiel dergerichteten Wechselwirkung zwischenzwei Wassermolek¸len dienen (Sche-ma 1, das Schema enth‰lt auch Defini-tionen von geometrischen Parame-tern). Die Elektronegativit‰ten derAtome H und O sind sehr verschieden,sodass die O-H-Bindungen in H2O mitPartialladungen von ca. �0.4 auf je-dem H- und �0.8 auf dem O-Atomstark polar sind. Benachbarte Wasser-molek¸le orientieren sich so, dass lo-

Die Wasserstoffbr¸cke im Festkˆrper

Thomas Steiner*

In memoriam Jan Kroon

[*] Dr. T. SteinerInstitut f¸r Chemie ± KristallographieFreie Universit‰t BerlinTakustra˚e 6, 14195 Berlin (Deutschland)Fax: (�49)30-838-56702E-mail : [email protected]

AUFSæTZE

Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80 ¹ WILEY-VCH Verlag GmbH, 69451 Weinheim, Germany, 2002 0044-8249/02/11401-0051 $ 17.50+.50/0 51

Die Wasserstoffbr¸cke ist die wichtigs-te der gerichteten intermolekularenWechselwirkungen. Sie spielt f¸r diemolekulare Konformation, Aggrega-tion und Funktion einer gro˚en An-zahl chemischer Systeme, die vomanorganischen bis zum biologischenSektor reichen, wichtige Rollen. DieForschung ¸ber Wasserstoffbr¸ckenstagnierte in den 1980er Jahren, wurdeum 1990 aber wieder belebt und istseither in schneller Bewegung. DieWasserstoffbr¸cke wird heute als einsehr breites Ph‰nomen mit offenenGrenzen zu anderen Effekten begrif-fen. In den kondensierten Phasen gibt

es dutzende Arten von h‰ufig vor-kommenden X�H ¥¥¥A-Wasserstoff-br¸cken und zus‰tzlich sehr viele we-niger h‰ufige Typen. Die Dissozia-tionsenergien ¸berstreichen mehr alszwei Grˆ˚enordnungen (etwa 0.2 bis40 kcalmol�1). Innerhalb dieses Berei-ches ist die Natur der Wechselwirkungnicht konstant, sondern ihre elektro-statischen, kovalenten und dispersivenAnteile variieren in ihren relativenBeitr‰gen. Die Wasserstoffbr¸cke hatbreite ‹bergangsbereiche zur kovalen-ten Bindung, zur Van-der-Waals-Wechselwirkung, zur ionischen Wech-selwirkung und zur Kation-�-Wechsel-

wirkung. Wasserstoffbr¸cken kˆnnenals beginnende Protonentransferreak-tion aufgefasst werden, und f¸r starkeWasserstoffbr¸cken kann diese Reak-tion bereits in einem fortgeschrittenenStadium sein. In diesem Aufsatz wirdversucht, einen zusammenh‰ngenden‹berblick ¸ber alle diese Aspekte zugeben.

Stichwˆrter: Donor-Acceptor-Syste-me ¥ Elektrostatische Wechselwirkun-gen ¥ Nichtkovalente Wechselwirkun-gen ¥ Protonentransfer ¥ Wasserstoff-br¸cken

Schema 1. Das Was-serdimer als Beispieleiner typischen Was-serstoffbr¸cke. Defini-tion der geometri-schen Parameter: d�H ¥¥¥O-Abstand, D�O ¥¥¥O-Abstand, ��O�H ¥¥¥O-Winkel.

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AUFSæTZE T. Steiner

kale Dipole O���H�� auf negative Partialladungen O��

zeigen, also auf die freien Elektronenpaare der gef¸lltenp-Orbitale, O�H ¥¥¥ �O. Dabei verk¸rzt sich der intermoleku-lare Abstand im Vergleich zur Summe der Van-der-Waals-Radien von H und O[11] um ca. 1 ä (1 ä� 100 pm), was aufeine signifikante ‹berlappung von Orbitalen und die Bildungeiner chemischen Drei-Zentren-vier-Elektronen-Bindunghinweist. Trotz eines gewissen Ladungstransfers ist dieWechselwirkung elektrostatisch dominiert, und dies f¸hrt zueiner ausgepr‰gten Flexibilit‰t der Bindungsl‰ngen und-winkel. Die Dissoziationsenergie liegt im Bereich von ca.3 ± 5 kcalmol�1.Diese kurze Beschreibung der Wasserstoffbr¸cke zwischen

Wassermolek¸len kann mit nur geringf¸gigen ænderungenauf analoge X�H ¥¥¥A-Wechselwirkungen ¸bertragen wer-den, die sich zwischen stark polaren Gruppen X���H�� aufder einen und Atomen A�� auf der anderen Seite bilden (X�O, N, Halogen; A�O, N, S, Halogenid etc.). Viele Aspektevon Wasserstoffbr¸cken in der Strukturchemie und derStrukturbiologie kˆnnen zwanglos auf dieser Ebene erkl‰rtwerden ± ein unbestrittener Erfolg, der zu einer jahrzehnte-langen Dominanz dieser Vorstellungen f¸hrte. Die Dominanzwar zeitweise so stark, dass die Forschung ¸ber Wasserstoff-br¸cken, die sich wesentlich von der zwischen Wassermole-k¸len unterscheiden, behindert wurde.[8]

Heute wei˚ man, dass die Wasserstoffbr¸cke ein vielallgemeineres Ph‰nomen ist als oben skizziert. Was man dieπklassische Wasserstoffbr¸cke™ nennen kann, ist nur einTypus unter vielen (allerdings ein sehr h‰ufiger und wichti-ger). Man kennt Wasserstoffbr¸cken, die so stark sind, dasssie wie kovalente Bindungen erscheinen, w‰hrend andere soschwach sind, dass man sie kaum von der Van-der-Waals-Wechselwirkung unterscheiden kann. Die Wasserstoffbr¸ckehat flie˚ende ‹berg‰nge zu so unterschiedlichen Effektenwie der kovalenten Bindung, der rein ionischen, der Kation-�-und der Van-der-Waals-Wechselwirkung. Die Wasserstoff-br¸cke ist nur in bestimmten Konformationen elektrostatischdominiert, w‰hrend dieses Kriterium in anderen nicht erf¸lltist. Die H ¥¥¥A-Bindungsl‰nge ist nicht in allen Wasserstoff-br¸cken k¸rzer als die Summe der Van-der-Waals-Radien.Damit eine X-H-Gruppe Wasserstoffbr¸cken bilden kann,muss X nicht unbedingt πsehr elektronegativ™ sein, sondern esist nur eine leichte Polarit‰t der X-H-Bindung erforderlich.

Dies schlie˚t X-H-Gruppen wie C-H und P-H ein sowie einigeMetallhydride. X-H-Gruppen mit der umgekehrten Polarit‰t,X���H��, kˆnnen intermolekulare Wechselwirkungen einge-hen, die viele Parallelen zu Wasserstoffbr¸cken aufweisen(man sollte sie aber besser nicht als solche bezeichnen).Auch der Bindungspartner A muss nicht unbedingt einsehr elektronegatives Atom oder ein Anion sein, sondernmuss nur eine sterisch zug‰ngliche Konzentration negativerLadung tragen. Der Bereich der Dissoziationsenergien ¸ber-streicht mehr als zwei Zehnerpotenzen, ca. 0.2 bis40 kcalmol�1, und die Funktionen eines bestimmten Typsvon Wasserstoffbr¸cke h‰ngen von der Position auf dieserSkala ab. All diese Umst‰nde werden im Folgenden genauerdiskutiert.Aus Platzgr¸nden kann der Aufsatz nicht alle Aspekte der

Wasserstoffbr¸cke in gleicher Ausf¸hrlichkeit behandeln.Teilgebiete, f¸r die aktuelle ‹bersichtsartikel zur Verf¸gungstehen, werden deshalb nicht im Detail diskutiert. Ein Bei-spiel daf¸r ist die Rolle der Wasserstoffbr¸cke in molekularenErkennungsmustern, in πSupramolekularen Synthonen™[12]

und im Einsatz hinreichend robuster Wechselwirkungsmotivef¸r die Konstruktion kristalliner Architekturen mit gew¸nsch-ten Eigenschaften (πKristall-Engineering™).[13, 14] Diesschlie˚t auch das Wechselspiel von Wasserstoffbr¸cken mitanderen intermolekularen Kr‰ften und mit ganzen Netzwer-ken solcher Kr‰fte ein, ebenso wie Hierarchien innerhalbsolcher Wechselbeziehungen. Leser mit Interesse an diesemkomplexen Gebiet werden auf die Arbeiten von Desira-ju,[12, 13] Leiserowitz et al.[15] und anderen Arbeitsgruppen[16]

verwiesen. Ein weiteres Thema, das hier nicht behandelt wird,ist die symbolische Beschreibung von Wasserstoffbr¸cken-netzwerken mit den Methoden der Graphentheorie,[17] insbe-sondere der Graphensatzanalyse.[18] Auch hierzu gibt es einenausgezeichneten ‹bersichtsartikel.[19] Zum Thema der Was-serstoffbr¸cken in biologischen Strukturen wird auf das Buchvon Jeffrey und Saenger verwiesen,[5] f¸r theoretische Aspek-te auf das Buch von Scheiner[7] und eine Reihe von ‹ber-sichtsartikeln.[20] Auf anderen experimentellen Methoden alsder Diffraktion basierende Ergebnisse werden eher kurzbehandelt, was mˆglicherweise manche Leser unbefriedigtlassen wird. Die Rolle von Wasserstoffbr¸cken in speziellenchemischen Systemen wird gar nicht behandelt, einfach weiles zu viele solcher Systeme gibt.

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Thomas Steiner, geboren 1961 in der N‰he von Reutte/Tirol (÷sterreich), studierte TechnischePhysik an der Technischen Universit‰t Graz, promovierte 1990 an der Freien Universit‰tBerlin bei Prof. Wolfram Saenger und habilitierte sich dort 1996 im damaligen FachbereichChemie. Er arbeitete 1995 als Gastwissenschaftler bei Prof. Jan Kroon am Bijvoet Center forBiomolecular Research der Universit‰t Utrecht (Niederlande) und 1997/98 bei Prof. Joel L.Sussman am Department of Structural Biology des Weizmann Institute of Science (Israel).Seine Forschungsinteressen liegen auf dem Gebiet der Wasserstoffbr¸cken und andererintermolekularer Wechselwirkungen in Strukturchemie und -biologie. Die Untersuchungs-methoden umfassen Neutronen- und Rˆntgenbeugung, Neutronenstreuung, Kristall-En-gineering, IR-Spektroskopie, Datenbankanalyse und Kristallkorrelation; die untersuchtenSysteme reichen vom organischen (terminale Alkine, bin‰re Protonentransferkomplexe) undbioorganischen (Peptide, Steroide) bis zum biologischen Bereich (Proteine). Zusammen mitProf. Gautam R. Desiraju ist er Verfasser eines Buches ¸ber schwache Wasserstoffbr¸cken.

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AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

2. Grundlagen

2.1. Definition der Wasserstoffbr¸cke

Bevor die Wasserstoffbr¸cke besprochen werden kann,muss der Begriff selbst definiert werden; da Definitionen oftdie Grenzen ganzer Gebiete bestimmen, ist dies ein wichtigerPunkt. Dar¸ber hinaus ist es auch ein schwieriger Punkt: Essind sehr unterschiedliche Definitionen der Wasserstoff-br¸cke vorgeschlagen worden, und teilweise wird in derFachliteratur recht unkritisch auf den Wert oder die G¸ltig-keit einer gerade bevorzugten Formulierung vertraut.Aller Erfahrung nach kˆnnen nur sehr allgemeine und

flexible Definitionen des Begriffs πWasserstoffbr¸cke™ dieseskomplexe und chemisch variable Ph‰nomen angemessenerfassen. Es sollen ja die st‰rksten wie die schw‰chsten undinter- ebenso wie intramolekulare Br¸cken eingeschlossenwerden. Eine fr¸he weitblickende Definition stammt vonPimentel und McClellan, die imWesentlichen schreiben π.. . ahydrogen bond exists if (1) there is evidence of a bond and (2)there is evidence that this bond sterically involves a hydrogenatom already bonded to another atom.™[2] Diese Definitionl‰sst die chemische Natur der Bindungspartner offen, ebensoihre Polarit‰ten und Ladungen. Die Geometrie der Wechsel-wirkung wird auf nichts weiter beschr‰nkt, als dass dasH-Atom auf irgendeine Weise πbeteiligt™ sein muss. Diewesentliche Bedingung ist die Bildung einer πBindung™ ± einBegriff, der selbst nicht leicht zu definieren ist. Es gibt nurbeschr‰nkte Mˆglichkeiten, experimentell festzustellen, obdie Bedingungen 1 und 2 erf¸llt sind. F¸r kristalline Sub-stanzen kˆnnen Diffraktionsexperimente meist kl‰ren, ob einH-Atom an einer Bindung beteiligt ist, aber es ist schwer zuzeigen, dass ein gegebener Kontakt tats‰chlich eine Bindungdarstellt.Die Pimentel-McClellan-Definition hat den Nachteil, dass

sie, genaugenommen, reine Van-der-Waals-Wechselwirkun-gen einschlie˚t (die eindeutig πbindend™ mit Dissoziations-energien von mehreren zehntel kcalmol�1 sein kˆnnen). Sieschlie˚t weiterhin Drei-Zentren-Zwei-Elektronen-Bindun-gen ein, bei denen Elektronendichte einer X-H-Bindungseitlich an ein elektronenarmes Zentrum abgegeben wird(πagostische Wechselwirkung™). Es sollte daher Punkt 2 derDefinition modifiziert werden, etwa indem gefordert wird,dass X-H eine Rolle als Protonendonor (nicht Elektronen-donor) spielt. In diesem Sinne wird hier folgende Definitionder Wasserstoffbr¸cke vorgeschlagen:

Eine X�H ¥¥¥A-Wechselwirkung wird πWasserstoff-br¸cke™ genannt, wenn sie 1. eine lokale Bindung darstelltund wenn 2. X�H als Protonendonor gegen¸ber A agiert.

Die zweite Forderung steht mit den S‰ure-Base-Eigen-schaften von X-H und A in Beziehung und hat zur Folge, dasseine Wasserstoffbr¸cke zumindest im Prinzip als beginnendeProtonentransferreaktion von X-H zu A aufgefasst werdenkann. Sie schlie˚t beispielsweise reine Van-der-Waals-Kon-takte, agostische Wechselwirkungen, die sogenannten πinver-sen Wasserstoffbr¸cken™ (siehe Abschnitt 8), und B-H-B-Br¸cken aus. Selbstverst‰ndlich sollte Punkt 2 ausreichendliberal interpretiert werden, um symmetrische Wasserstoff-

br¸cken X-H-X einzuschlie˚en, bei denen man nicht zwi-schen Donor und Acceptor unterscheiden kann. Die Richtungdes formalen oder realen Elekronentransfers in der Wasser-stoffbr¸cke ist entgegengesetzt zur Richtung der Protonen-donierung.Neben den allgemeinen chemischen Definitionen gibt es

viele spezielle Definitionen der Wasserstoffbr¸cke, die aufgewissen Eigenschaften (oder Gruppen von Eigenschaften)basieren, die man mit einer speziellen Methode erfassenkann. Beispielsweise wurden Wasserstoffbr¸cken oft auf derGrundlage von Wechselwirkungsgeometrien in Kristallstruk-turen definiert (kurze interatomare Abst‰nde, relativ πlineareWinkel™ �, auf der Grundlage von IR-Absorptionsspektren(Rotverschiebung und Intensit‰tszuwachs von �XH etc.) oderanhand von experimentell bestimmten Elektronendichtever-teilungen (Existenz eines πbindungkritischen Punktes™ zwi-schen H und A mit numerischen Parametern innerhalbgewisser Grenzen). Alle derartigen Definitionen sind mitspeziellen experimentellen Methoden eng verbunden. ImBereich, der der entsprechenden Methode zug‰nglich ist,kˆnnen sie sehr n¸tzlich sein. Au˚erhalb des methodischzug‰nglichen Bereichs sind sie dagegen unbrauchbar, undviele Missverst‰ndnisse (und fehlerhafte Aussagen) in derLiteratur ¸ber Wasserstoffbr¸cken beruhen auf der Verwen-dung von speziellen Definitionen jenseits des Horizonts ihrerAnwendbarkeit.In der Praxis werden technische Definitionen der Wasser-

stoffbr¸cke aber oft wirklich gebraucht, insbesondere inautomatisierten Methoden der Datenverarbeitung. In diesemAufsatz sollen keine numerischen Kriterien diskutiert wer-den, die eine Wechselwirkung erf¸llen muss, damit sie nachdieser oder jener technischen Definition als πWasserstoff-br¸cke™ gelten kann. Es sei nur erw‰hnt, dass das sogenannteπVan-der-Waals-Grenzwert™-Kriterium[21] zur IdentifizierungvonWasserstoffbr¸cken in Kristallstrukturen viel zu restriktivist[5, 6, 8] und nicht mehr verwendet werden sollte. (DieseDefinition erfordert, dass der H ¥¥¥A-Abstand wesentlichk¸rzer ist als die Summe der Van-der-Waals-Radien von Hund A.) Wenn Abstandskriterien verwendet werden m¸ssen,sollten X�H ¥¥¥A-Wechselwirkungen mit H ¥¥¥A-Abst‰ndenbis zu 3.0 oder sogar 3.2 ä als potentielle Wasserstoffbr¸ckenber¸cksichtigt werden.[6] Der Winkel � kann auf Werte �90�oder, etwas konservativer, auf �110� begrenzt werden. Einnotwendiges Kriterium f¸r eine Wasserstoffbr¸cke als solcheist eine positive Richtungspr‰ferenz, das hei˚t, dass weitge-hend lineare Winkel � statistisch bevorzugt sein m¸ssen; diesist eine Konsequenz von Punkt 2 der hier benutzten Defini-tion der Wasserstoffbr¸cke.[22]

2.2. Weitere Terminologie

Ein Teil der Terminologie von Wasserstoffbr¸cken wird inder Literatur nicht einheitlich gebraucht, und terminologischeInkonsistenzen f¸hren bis heute zu Missverst‰ndnissen zwi-schen verschiedenen Autoren. Um dem vorzubeugen ist f¸reinige Begriffe eindeutig zu definieren, wie sie in diesemAufsatz verwendet werden.

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In einer Wasserstoffbr¸ckeX�H ¥¥¥A wird die X-H-GruppeDonor genannt und A Acceptor(kurz f¸r Protonendonor bzw. Pro-tonenacceptor). Im Deutschen wirdX-H oft πDonator™ genannt, wasaber keinen Vorteil gegen¸ber demk¸rzeren πDonor™ bedeutet. EinigeAutoren bevorzugen eine umge-kehrte Nomenklatur (X-H�Elek-tronenacceptor und A�Elektro-nendonor), die ebenfalls gerechtfer-tigt ist.Eine πnormale™ Wasserstoff-

br¸cke ist eine Wechselwirkungvon einem Donor mit einem Ac-ceptor (Schema 2a). Wegen dergro˚en Reichweite der Wasserstoff-br¸cke kann aber ein Donor auchmit mehr als einem Acceptor wech-selwirken (Schema 2b, c). Wasser-stoffbr¸cken mit mehr als drei Ac-ceptoren sind prinzipiell mˆglich,benˆtigen aber eine sehr hohe lo-kale Dichte von Acceptoren undkommen daher in der Praxis nurselten vor. Im Deutschen werdendie Anordnungen in Schema 2b

und c meist πgegabelt™ bzw. πmehrfach gegabelt™ genannt(engl. : πbifurcated™ f¸r den in Schema 2b und πtrifurcated™f¸r den in Schema 2c dargestellten, πmultifurcated™ f¸r denallgemeinen Fall). Als alternative Beschreibung wurden dieBegriffe πZwei-Zentren™-, πDrei-Zentren™- und πVier-Zent-ren™-Wasserstoffbr¸cke f¸r die Anordnungen in Sche-ma 2a, b bzw. c vorgeschlagen (das H-Atom ist an zwei, dreibzw. vier andere Atome gebunden und wird selbst nicht alsZentrum gez‰hlt).[5, 6] Diese Terminologie ist logisch, f¸hrtaber zu einem Konflikt mit der Bezeichnung der normalenWasserstoffbr¸cke O�H ¥¥¥O als πDrei-Zentren-Vier-Elek-tronen-Bindung™, bei der das H-Atom sehr wohl als Zentrumgez‰hlt wird. Eine gegabelte Wasserstoffbr¸cke (Schema 2b)w‰re demnach einerseits eine πDrei-Zentren-Br¸cke™ undandererseits eine πVier-Zentren-sechs-Elektronen-Wechsel-wirkung™. Um solche Konflikte zu vermeiden, wird hier der‰ltere Begriff πgegabelt™ vorgezogen.Auch bei der Verwendung der Begriffe πanziehend™ und

πabsto˚end™ gibt es betr‰chtliche Unstimmigkeiten, beson-ders im englischen Sprachgebrauch (πattractive™ bzw. πrepul-sive™). Diese Begriffe beschreiben Kr‰fte, w‰hrend einigeAutoren damit Energien charakterisieren wollen. Dabei wirddas Wort πanziehend™ f‰lschlich als Synonym f¸r πbindend™verwendet (diese Praxis wird z.B. in Lit. [23] ausf¸hrlichkritisiert). Im vorliegenden Aufsatz werden die Worte πan-ziehend™ und πabsto˚end™ ausschlie˚lich zur Bezeichnungvon Kr‰ften gebraucht. Negative und positive Bindungs-energien werden durch die Worte πstabilisierend™ (oderπbindend™) und πdestabilisierend™ angezeigt. Abbildung 1zeigt ein schematisiertes Wasserstoffbr¸ckenpotential, unddaran ist zu erkennen, dass eine stabilisierende Wechselwir-

Abbildung 1. Schematische Darstellung eines typischen Wasserstoffbr¸-ckenpotentials.[8] Eine von d0 verschiedene Bindungsl‰nge verursacht eineKraft in Richtung auf eine Geometrie mit niedrigerer Energie, d.h. bei d�d0 tritt Anziehung, bei d� d0 Absto˚ung auf. Man beachte, dass dieWechselwirkung zugleich stabilisierend und absto˚end sein kann! In realenSystemen sind die vorkommenden Verzerrungen gegen¸ber d0 durch dieaufzuwendende Energiedifferenz begrenzt. In Kristallen haben Wasser-stoffbr¸cken nur selten Energien, die sich mehr als 1 kcalmol�1 vomOptimum unterscheiden.

kung (d.h. mitE� 0) mit einer absto˚enden Kraft einhergeht,wenn die Bindungsl‰nge k¸rzer als der Gleichgewichtsab-stand ist (weitere Details siehe Abbildungslegende).[8]

Manchmal werden Wasserstoffbr¸cken als πnichtbindendeWechselwirkungen™ bezeichnet (πnonbonded interaction™).Dies erscheint dem Autor als innerer Widerspruch, weshalbdieser Terminus vermieden werden sollte.

2.3. Zur Wasserstoffbr¸cke beitragendeWechselwirkungen

Die Wasserstoffbr¸cke ist aus mehreren Beitr‰gen zusam-mengesetzt, die sich in ihrer Natur unterscheiden.[6, 7] DieseBeitr‰ge kˆnnen theoretisch separiert werden, und ampopul‰rsten sind Separationsmoden nach Morokuma.[24] DieGesamtenergie einer Wasserstoffbr¸cke (Etot) wird dabei inBeitr‰ge von Elektrostatik (Eel), Polarisation (Epol), Ladungs-transfer (Ect), Dispersion (Edisp) und Austauschabsto˚ung(exchange repulsion; Eer) aufgespalten (es gibt auch nochandere, aber doch eng verwandte Separationsmˆglichkeiten).Die Abstands- und Winkeleigenschaften dieser Beitr‰ge sindsehr verschieden. Der elektrostatische Beitrag ist gerichtetund hat eine lange Reichweite (langsames Abnehmen mit� r�3 f¸r Dipol-Dipol- und mit � r�2 f¸r Dipol-Monopol-Wechselwirkungen). Die Polarisation nimmt mit steigendemAbstand schneller ab (� r�4) und der Ladungstransfer nochschneller (ungef‰hr mit e�r ; nach der πNatural-Bond-Orbi-tal™-Analyse geht der Ladungstransfer von einem freienElektronenpaar von A zu einem antibindenden Orbital vonX-H vor sich,[25] also nA��*X-H�. Der Dispersionsbeitrag istisotrop mit einer Abstandsabh‰ngigkeit gem‰˚ � r�6. DerBeitrag der Austauschabsto˚ung steigt mit sinkendem Ab-stand sehr schnell an (mit� r�12). Die Beitr‰ge von Dispersionund Austauschabsto˚ung werden oft zu einem isotropenπVan-der-Waals™-Term kombiniert, der durch das bekannte

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X H A

X HA

X H A

A

A

A

b)

c)

a)d

d1

d2

d1

d2

d3

Schema 2. VerschiedeneTypen von Wasserstoff-br¸cken. a) Wasserstoff-br¸cke mit nur einem Ac-ceptor. b) Gegabelte (πbi-furcated™) Wasserstoff-br¸cke; wenn die beidenH ¥¥¥A-Abst‰nde deutlichverschieden sind, nenntman den k¸rzeren Kon-takt die Hauptkomponen-te (πmajor component™)und den l‰ngeren die Ne-benkomponente (πminorcomponent™) der gegabel-ten Br¸cke. c) Zweifachgegabelte (πtrifurcated™)Wasserstoffbr¸cke.

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AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

Lenard-Jones-Potential n‰herungsweise beschrieben wird(EvdW�A r�12�Br�6). F¸r Kombinationen verschiedener Do-noren und Acceptoren sowie f¸r verschiedene Kontaktge-ometrien haben diese Beitr‰ge unterschiedliche relativeGewichte. Es kann nicht global festgestellt werden, dass dieWasserstoffbr¸cke an sich von diesem oder jenem Termdominiert ist.Aus den Abstandseigenschaften kˆnnen einige allgemeine

Schl¸sse gezogen werden. Insbesondere ist es wichtig, dassmit steigendem Abstand der elektrostatische Beitrag amlangsamsten abnimmt. Daher wird das Wasserstoffbr¸cken-potential (Abbildung 1) f¸r jede beliebige Kombination vonDonor und Acceptor bei gro˚en Abst‰nden von der Elek-trostatik dominiert. Dies gilt auch, wenn bei optimalengeometrischen Gegebenheiten der Ladungstransfer einegro˚e Rolle spielt. Die Streckung einer Wasserstoffbr¸ckeaus ihrer Gleichgewichtsgeometrie macht sie in jedem Fallelektrostatischer.In denmeistenWasserstoffbr¸cken istEel der Termmit dem

grˆ˚ten Gewicht, aber ein gewisser Ladungstransfer findetebenfalls statt. Der Van-der-Waals-Term ist immer signifi-kant, und bei den schw‰chsten Arten der Wasserstoffbr¸ckekann die Dispersion ebenso viel wie die Elektrostatik zurGesamtenergie beitragen. F¸r Wasserstoffbr¸cken im mitt-leren Energiebereich kˆnnen reine πElektrostatik-plus-van-der-Waals™-Modelle trotz ihrer Einfachheit erstaunlicherfolgreich sein.[26] F¸r die st‰rksten Wasserstoffbr¸ckenscheitern solche einfachen Modelle, und ihre quasikovalenteNatur muss vollst‰ndig ber¸cksichtigt werden (siehe Ab-schnitt 7).

2.4. Energien

Die Energie von Wasserstoffbr¸cken im Festkˆrper kannnicht direkt gemessen werden, und bei vielen Strukturunter-suchungen bleiben dadurch Fragen offen. Andererseits liefertdie computergest¸tzte Theoretische Chemie Berechnungenvon Wasserstoffbr¸ckenenergien in geradezu inflation‰remTempo,[7, 20] manche auf hohem theoretischem Niveau undandere nach reinen Routineverfahren. Theoretische Metho-den gehˆren nicht zum Thema dieses Aufsatzes, aber es solltedoch zumindest eine Vorstellung von den auf diesem Wegeerhaltenen Ergebnissen gegeben werden. In Tabelle 1 sinddaher berechnete Energien einiger Wasserstoffbr¸cken auf-gez‰hlt.[27] Die berechneten Energien ¸berstreichen mehr alszwei Grˆ˚enordnungen, ca. �0.2 bis �40 kcalmol�1. Aufeiner logarithmischen Skala w¸rde das Wasserdimer etwa inder Mitte dieses Bereichs liegen.Die Werte in Tabelle 1 wurden durchwegs f¸r Dimere mit

optimaler Geometrie berechnet, die von der Umgebung nichtbeeinflusst werden. Im Festkˆrper weisen Wasserstoff-br¸cken aber so gut wie nie eine optimale Geometrie aufund werden immer von ihrer Umgebung beeinflusst. Es gibtverschiedene Einfl¸sse der nahen und auch der fernerenUmgebung, die Wasserstoffbr¸ckenenergien betr‰chtlich he-ben oder senken kˆnnen (πKristallfeldeffekte™). Wasserstoff-br¸cken kommen meist nicht als isolierte Einheiten vor,sondern sie bilden Netzwerke, in denen die Energien nicht

additiv sind (siehe Abschnitt 4). Es ist nicht sehr sinnvoll, einsolches Netzwerk in seine Einzelteile aufzuspalten und dieEnergien der einzelnen Br¸cken zu berechnen. In diesemSinne sind berechnete Energien von Wasserstoffbr¸ckenimmer mit Vorsicht zu betrachten.

2.5. ‹bergang zu anderen Wechselwirkungsarten

Wie in Abschnitt 2.3 erw‰hnt ist die Wasserstoffbr¸cke ausverschiedenen Beitr‰gen zusammengesetzt, die in ihremrelativen Gewicht ver‰nderlich sind. Durch chemische Varia-tion von Donor und/oder Acceptor oder auch der Umgebungkann man den kontinuierlichen ‹bergang einer Wasserstoff-br¸cke zu einer anderen Wechselwirkungsart bewirken. Diessoll hier f¸r die wichtigsten F‰lle dargelegt werden.Sehr h‰ufig ist der ‹bergang zur reinen Van-der-Waals-

Wechselwirkung. In der Anordnung X���H�� ¥ ¥ ¥ A�� kann diePolarit‰t von X-H oder A (oder von beiden) durch geeigneteVariation von X oder A verringert werden. Dies verringertden elektrostatischen Beitrag der Wechselwirkung, w‰hrendder Van-der-Waals-Anteil weniger betroffen ist. Das relativeGewicht des Van-der-Waals-Anteils steigt daher, und dieWinkeleigenschaft ‰ndert sich von gerichtet nach isotrop. DiePolarit‰ten von X��-H�� und A�� kˆnnen kontinuierlich bisauf Null verringert werden, und daher gibt es einen entspre-chend kontinuierlichen ‹bergang zwischen der Wasserstoff-br¸cke und der reinen Van-der-Waals-Wechselwirkung. Die-ses Verhalten wurde f¸r die Richtungseigenschaft vonC�H ¥¥¥O�C-Wechselwirkungen tats‰chlich demonstriert,die bei der Variation des Donors von C�C�H ¸ber C�CH2

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Tabelle 1. Berechnete Dissoziationsenergien von Wasserstoffbr¸cken (inkcalmol�1) f¸r einige Dimere in der Gasphase.[a]

Dimer Energie Lit.

[F�H�F]� 39 [27a][H2O�H�OH2]� 33 [27b][H3N�H�NH3]� 24 [27b][HO�H�OH]� 23 [27a]NH4

� ¥ ¥ ¥ OH2 19 [27c]NH4

� ¥ ¥ ¥ Bz 17 [27d]HOH ¥¥¥ Cl� 13.5 [27c]O�C�OH ¥¥¥O�C�OH 7.4 [27e]HOH ¥¥¥OH2 4.7; 5.0 [27f,g]N�C�H ¥¥¥OH2 3.8 [27h]HOH ¥¥¥ Bz 3.2 [27i]F3C�H ¥¥¥OH2 3.1 [27j]Me�OH ¥¥¥ Bz 2.8 [27k]F2HC�H ¥¥¥OH2 2.1; 2.5 [27j,f]NH3 ¥¥¥ Bz 2.2 [27i]HC�CH ¥¥¥OH2 2.2 [27h]CH4 ¥¥¥ Bz 1.4 [27i]FH2C�H ¥¥¥OH2 1.3 [27f,j]HC�CH ¥¥¥ C�CH� 1.2 [27l]HSH ¥¥¥ SH2 1.1 [27m]H2C�CH2 ¥¥¥OH2 1.0 [27l]CH4 ¥¥¥ OH2 0.3; 0.5; 0.6; 0.8 [27f,n ± p]C�CH2 ¥¥¥ C�C 0.5 [27l]CH4 ¥¥¥ F�CH3 0.2 [27q]

[a] F¸r Details der Rechnungen wird auf die Originalliteratur verwiesen. ±Bz�Benzol.

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zu C�CH3 schrittweise die Bevorzugung der Linearit‰tverliert (siehe Abbildung 8, Abschnitt 3.2).[22] Auf der Ac-ceptorseite ist S ein typisches Beispiel f¸r ein Atom, dessenPartialladung kontinuierlich von A�� nach A�� variiertwerden kann. Es gibt daher ein Kontinuum von chemischenSituationen zwischen den beiden F‰llen, dass S als rechtstarker Acceptor wirkt oder vˆllig inert gegen¸ber derBildung von Wasserstoffbr¸cken ist (die Extremf‰lle sindionische Spezies wie X�S� und X�S��Y).Am anderen Ende der Energieskala gibt es einen kon-

tinuierlichen ‹bergang von der Wasserstoffbr¸cke zur kova-lenten Bindung.[28] In der sogenannten symmetrischen Was-serstoffbr¸cke wird das H-Atom zu gleichen Teilen zwischenzwei chemisch ‰quivalenten Atomen X πaufgeteilt™, X�H�X.Es kann dann kein Unterschied zwischen einem Donor undeinem Acceptor oder einer πkovalenten™ X-H- und einerπnichtkovalenten™ H ¥¥¥A-Bindung gemacht werden (experi-mentell gefunden f¸r X�F, O und wahrscheinlich auch N).Diese Situation kann zwanglos so aufgefasst werden, dass dasH-Atom zwei kovalente Bindungen mit Bindungsordnungenvon s� 1³2 bildet. In Kristallen (und auch in Lˆsung) gibt es einKontinuum von Situationen zwischen den Extremf‰llenX�H ¥¥¥X und X�H�X. Stark kovalente Wasserstoffbr¸ckenwerden in Abschnitt 7 ausf¸hrlich diskutiert, und in Ab-schnitt 9 werden die Bindungsordnungen von H ¥¥¥O ¸bereinen gro˚en Bereich von Bindungsl‰ngen angegeben (Ta-belle 7).Weiterhin gibt es einen kontinuierlichen ‹bergang von der

Wasserstoffbr¸cke zur rein ionischen Wechselwirkung. DieElektrostatik einer X���H�� ¥ ¥ ¥ Y���H��-Wechselwirkung mitNettoladungen von Null f¸r X-H und Y-H ist vom Dipol-Dipol-Typ. Im Allgemeinen sind die Nettoladungen aber vonNull verschieden. Alkoholische O-H-Gruppen tragen au˚erihrem Dipolmoment noch eine negative Nettopartialladung,Ammoniumgruppen tragen eine positive Nettoladung usw.Dies f¸hrt zu einer ionischen Wechselwirkung zwischen denLadungsschwerpunkten mit einer � r�1-Abstandseigenschaftder Energie. Bei gro˚en Nettoladungen wird das ionischeVerhalten dominant. Wenn beide Partner einer Wasserstoff-br¸cke eine vollst‰ndige Ladung tragen, werden die Energie-verh‰ltnisse normalerweise von der Coulomb-Wechselwir-kung der Ladungszentren bestimmt; die Wasserstoffbr¸ckebleibt dabei aber sehr wohl gerichtet, d.h., der X-H-Vektor istnicht zuf‰llig orientiert, sondern zeigt auf A. Ein wichtigesBeispiel sind die so genannten Salzbr¸cken zwischen prim‰-ren Ammonium- und Carboxylatgruppen in Strukturen vonBiomakromolek¸len,[5] N��H ¥¥¥O�. Wenn schwach polareX-H-Gruppen an ein geladenes Atom gebunden sind, wieetwa die Methylgruppen in Me4N�, bilden sie oft kurzeKontakte zu einem Gegenion, N��X�H ¥¥¥A�.[8] Solch eineWechselwirkung ist zwar gerichtet und kann als eine Art vonWasserstoffbr¸cke angesehen werden, aber ihr dominieren-der Anteil ist nat¸rlich die ionische WechselwirkungN� ¥ ¥ ¥ A�.Schlie˚lich gibt es auch einen ‹bergangsbereich zwischen

der Wasserstoffbr¸cke und der Kation-�-Wechselwirkung. Ineiner reinen Kation-�-Wechselwirkung steht ein sph‰rischesKation wie K� in Kontakt mit der Ansammlung negativerLadung in �-Bindungen, wie etwa in Phenylringen. Dies kann

als elektrostatische Monopol-Quadrupol-Wechselwirkungaufgefasst werden.[29] F¸r das Beispiel K� ¥ ¥ ¥ Benzol(Bz)betr‰gt die Bindungsenergie �19.2 kcalmol�1. Reine �-Was-serstoffbr¸cken dagegen, X���H�� ¥ ¥ ¥ Ph, sind formal betrach-tet Dipol-Quadrupol-Wechselwirkungen und haben viel ge-ringere Bindungsenergien im Bereich von wenigen kcalmol�1

(Tabelle 1). Wenn nun ein geladener Donor wie NH4� in

Kontakt mit einer �-Elektronenwolke steht, orientieren sichseine lokalen Dipole in Richtung der �-Elektronen,[30] w‰h-rend die Energie von der Monopol-Quadrupol-Wechselwir-kung dominiert wird[27d] (experimenteller Wert f¸r NH4

� ¥ ¥ ¥Bz: �19.3 kcalmol�1).[29] Wenn X-H-Gruppen eines Kationsnur schwach polar sind, werden sie sich ebenfalls in Richtungder �-Elektronen orientieren und damit eine gewisse Modu-lation der dominanten Kation-�-Wechselwirkung verursa-chen, aber diese Modulation verschwindet mit fallenderPolarit‰t von X-H.

2.6. Die Wasserstoffbr¸cke als beginnendeProtonentransferreaktion

Man kann die Wasserstoffbr¸cke als beginnende Protonen-transferreaktion auffassen. Die stabile WechselwirkungX�H ¥¥¥Y wird dabei als ein πeingefrorenes™ Stadium derchemischen Reaktion X�H Y�X� H–��Y (oderX��H Y�X H–��Y etc.) angesehen. Dabei ist einepartielle Bindung H Y bereits gebildet, w‰hrend X-Hentsprechend geschw‰cht ist.[31] In starken Wasserstoff-br¸cken kann das Stadium der Protonentransferreaktionschon recht fortgeschritten sein. In manchen Wasserstoff-br¸cken ist die Lage des Protons nicht stabil, entweder bei Xoder bei Y, sondern ein Transfer zwischen zwei Positionenfindet tats‰chlich mit hohen Geschwindigkeiten statt. Inanderen F‰llen sind die realen Transfergeschwindigkeitensehr klein oder vernachl‰ssigbar.Die Interpretation als beginnende chemische Reaktion ist

komplement‰r zu elektrostatischen Bildern der Wasserstoff-br¸cke. Sie bringt S‰ure-Base-Betrachtungen, Protonenaffi-nit‰ten sowie die partiell kovalente Natur der H ¥¥¥ Y-Bindungins Spiel und ist besonders f¸r das Verst‰ndnis der st‰rkstenWasserstoffbr¸cken ein sehr wichtiges Konzept. Beispielswei-se folgt daraus zwanglos, dass die H ¥¥¥ Y-Bindung nur dannstark werden kann, wenn ihre Orientierung zumindest grobmit der Orientierung der fertigen H-Y-Bindung ¸berein-stimmt, die bei einem Protonentransfer gebildet w¸rde.Ann‰herung in einer anderen Richtung kann zwar elektro-statisch g¸nstig sein, f¸hrt aber nur zu einer m‰˚ig starkenWasserstoffbr¸cke.Die Interpretation der Wasserstoffbr¸cke als Beginn einer

Protonentransferreaktion kann auch bei der Entscheidunghelfen, ob eine bestimmte Art von X�H ¥¥¥A-Wechselwir-kung ¸berhaupt als Wasserstoffbr¸cke bezeichnet werdenkann oder nicht (vergleiche die Definition in Abschnitt 2.1).Nur wenn sie als eingefrorene Protonentransferreaktionaufgefasst werden kann, darf sie Wasserstoffbr¸cke genanntwerden.

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2.7. Aufenthaltsort des H-Atoms

Ein Atom besteht aus dem Kern und seiner Elektronen-h¸lle. In der Regel fallen die Schwerpunkte von Kern undH¸lle zusammen, und dieser gemeinsame Schwerpunkt wirdals πLage™ des Atoms bezeichnet. F¸r H-Atome ist diesallerdings oft nicht der Fall. Wenn ein H-Atom eine kovalenteBindung mit einem elektronegativeren Atom eingeht, wirdder Schwerpunkt seines Elektrons in Richtung auf das andereAtom verschoben, und die Schwerpunkte von Kern und H¸llefallen nicht mehr zusammen. Dann stellt sich die Frage: Wasist die πLage™ des Atoms? Es ist vom chemischen Stand-punkt her nicht sinnvoll, einen der beiden Schwerpunkteals die πrichtige™ Lage des Atoms anzusehen und den an-deren als eine πfalsche™, sondern man muss akzeptieren,dass das Modell einer atomaren Punktlage in dieser Situationzu einfach ist.[32, 33] In der Praxis f¸hrt das zu recht un-angenehmen Komplikationen. Bei Rˆntgendiffraktionsexpe-rimenten werden Elektronendichteverteilungen bestimmtund damit die Schwerpunkte der atomaren Elektronenh¸l-len lokalisiert. Mit Neutronendiffraktionsexperimentenwerden dagegen die Schwerpunkte der Kerne gefunden.F¸r H-Atome weichen die Ergebnisse beider Methodenoft um ¸ber 0.1 ä voneinander ab.[34] Keines derbeiden Ergebnisse ist richtiger als das andere, sondernsie sind komplement‰r, und beide stellen n¸tzliche In-formation ¸ber das untersuchte System dar. Die Neutronen-diffraktion liefert allerdings wesentlich genauere undzuverl‰ssigere Daten und gestattet die Bestimmung derProtonenpositionen mit ‰hnlicher Genauigkeit wie f¸randere Kerne.Bei der Auswertung von Rˆntgenstrukturanalysen ist es

eine g‰ngige Praxis geworden, X-H-Bindungen zu πnormali-sieren™, indem die beobachtete Lage des H-Atoms (also desSchwerpunkts seiner Elektronendichte) entlang des X-H-Vektors bis zum Durchschnittswert der beobachteten inter-nuclearen Abst‰nde verschoben wird (also etwa zur Positiondes Protons).[35] Diese theoretische Position wird dann zurBerechnung der Wasserstoffbr¸ckengeometrie verwendet.Die gegenw‰rtigen Standardwerte f¸r X-H-Bindungsl‰ngensind: O�H� 0.983, N�H� 1.009, C�H� 1.083, B�H� 1.19,S�H� 1.34 ä; eine vollst‰ndige Auflistung ist in Lit. [8] zufinden. Das Verfahren der Normalisierung ist vern¸nftig undgut geeignet, um die gro˚en statistischen Fluktuationen vonX-H-Bindungsl‰ngen bei Rˆntgenstrukturanalysen zu gl‰t-ten. Besonders n¸tzlich ist es bei statistischen Datenbank-analysen. Allerdings muss man sich bei seiner Anwendungdessen bewusst sein, dass es keine Korrektur im eigentlichenSinn darstellt, sondern dass eine gewisse Struktureigen-schaft (Position eines Elektronendichtemaximums) durcheine chemisch andere (Position des Protons) ersetzt wird.Des Weiteren ist die internucleare X-H-Bindungsl‰nge nurin schwachen und m‰˚ig starken Wasserstoffbr¸cken einiger-ma˚en konstant, w‰hrend sie in starken signifikant ge-streckt wird. Diese Streckung sollte zumindest im Prinzipbei der Normalisierung ber¸cksichtigt werden. Dazu mussallerdings der entsprechende Zusammenhang zwischen denX-H- und H ¥¥¥A-Bindungsl‰ngen bekannt sein (siehe Ab-schnitt 3.6).[36]

2.8. Eigenschaften der Ladungsdichte

Die Ladungsdichteverteilung innerhalb von Wasserstoff-br¸cken kann mit hochauflˆsenden Methoden der Struktur-chemie experimentell ermittelt werden,[37] und es gibt einegro˚e Zahl von Einzelstudien hierzu.[38] Zur formalen Analy-se von Ladungsdichten wird gegenw‰rtig meist BadersKonzept der πAtome in Molek¸len™ (AIM) verwendet.[39]

Jeder Punkt im Raum wird durch eine Ladungsdichte �(r)und weitere Grˆ˚en wie den Gradienten von �(r), dieLaplace-Funktion von �(r) und die Matrix der zweitenAbleitungen von �(r) (Hessesche Matrix) charakterisiert.Wichtige Definitionen und die Topologie von �(r) in einemMolek¸l oder einem Molek¸laddukt kˆnnen am bestenanhand einer Illustration verstanden werden (Abbildung 2;Details siehe Abbildungslegende).[40] Die d¸nnen Linien sind

Abbildung 2. Topologie einer Elektronendichteverteilung am Beispiel desAddukts aus Chloroform und Formaldehyd, das durch eine C�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cke verbunden ist.[40] Die Linien steilsten Anstiegs durch�(r) (Trajektorien) sind d¸nn gezeichnet. Kritische Punkte (critical points,CP) von �(r) sind Maxima und Punkte, an denen die erste Ableitungverschwindet. Im dreidimensionalen Raum gibt es vier Arten vonkritischen Punkten (Rang 3, also nichtentartet). Maxima werden mit (3,�3) bezeichnet und Minima mit (3, �3). Minima werden auch πK‰fig-kritische Punkte™ (cage critical points, CCP) genannt. Sattelpunkte, die ineine Richtung ein Minimum und in zwei dazu orthogonalen RichtungenMaxima darstellen, werden πBindungs-kritische Punkte™ (bond criticalpoints, BCP) genannt und mit (3, �1) bezeichnet. Sattelpunkte, die in zweiorthogonalen Richtungen Minima darstellen und in der dritten Richtungein Maximum, werden πRing-kritische Punkte™ (ring critical points, RCP)genannt und mit (3, �1) bezeichnet. Die an einem Atomkern endendenTrajektorien bilden eine πmolekulare Senke™. Die Senken benachbarterAtome werden durch Trajektorien getrennt, die nicht an Atomkernenenden (also durch die πinteratomare Oberfl‰che™). Trajektorien, dieAtomkerne ¸ber einen BCP verbinden, werden Bindungspfad genannt.Die Elektronendichten an BCPs sind Minima entlang des Bindungspfadesund lokale Maxima in der interatomaren Oberfl‰che. In der Abbildungwerden BCPs als Quadrate gezeigt.

die Linien des steilsten Anstiegs durch �(r) (Trajektorien).Wenn eine chemische Bindung zwischen zwei Atomenexistiert (wie etwa eine Wasserstoffbr¸cke), sind sie direktdurch eine Trajektorie verbunden, die Bindungspfad (πbondpath™) genannt wird. Der Punkt mit dem niedrigstem �-Wertentlang des Bindungspfads stellt einen Sattelpunkt von �(r)dar und wird als bindungskritischer Punkt bezeichnet (πbondcritical point™, BCP; genau genommen enden Trajektorienam BCP, sodass der Bindungspfad ein Paar von Trajektorien

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darstellt, von denen jede einen Kern mit dem BCP verbindet).Unterschiedliche Arten von chemischer Bindung haben BCPsmit unterschiedlichen charakteristischen Zahlenwerten, wieetwa unterschiedlichen Elektronendichten �BCP und unter-schiedlichen Werten der Laplace-Funktion (negativ f¸r kova-lente Bindungen und die H ¥¥¥A-Wechselwirkung von sehrstarken Wasserstoffbr¸cken, positiv f¸r ionische Bindungen,Van-der-Waals-Wechselwirkungen und die H ¥¥¥A-Wechsel-wirkung von m‰˚ig starken und schwachen Wasserstoff-br¸cken).In starken Bindungen ist die Elektronendichte am BCP,

�BCP, hˆher als in schwachen. In einer Wasserstoffbr¸ckeX�H ¥¥¥A gibt es zwei BCPs, einen zwischen X und H undeinen anderen zwischen H und A. In m‰˚ig starken Wasser-stoffbr¸cken ist �BCP f¸r die X�H-Bindung viel hˆher als f¸rdie H ¥¥¥A-Wechselwirkung. Mit zunehmender St‰rke derWasserstoffbr¸cke nimmt �BCP von H ¥¥¥A zu, w‰hrend �BCPvon X�H gleichzeitig abnimmt. Im Fall genauer Symmetrie,X-H-X, ist �BCP f¸r beide Bindungen gleich. Dieses Verhaltenwurde f¸r O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken sehr schˆndemonstriert (Abbildung 3).[41] Bindungspfade mit signifikan-ten Werten von �BCP wurden auch f¸r schwache Wasserstoff-br¸cken der Typen C�H ¥¥¥O[40] und C�H ¥¥¥�[27l] sowie f¸rπDiwasserstoffbr¸cken™ (πdihydrogen bonds™)[42] berechnet.Die Eigenschaften der Ladungsdichte bei agostischen Wech-selwirkungen wurde ebenfalls berechnet und denen in Was-serstoffbr¸cken gegen¸bergestellt.[43]

Abbildung 3. Elektronendichte an den Bindungs-kritischen Punkten, �BCP,einiger O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken, zusammen mit angepassten loga-rithmischen Beziehungen f¸r experimentelle und theoretische Daten. (MitVer‰nderungen aus Lit. [41] ¸bernommen.)

Gelegentlich werdenWasserstoffbr¸cken ausschlie˚lich aufder Basis einer topologischen Analyse von theoretischen �(r)-Verteilungen diskutiert. Trotz der Vorteile der Methodewerden solche Diskussionen leicht sehr formalistisch undnehmen eventuell sogar Konflikte mit den experimentellenDaten in Kauf.

2.9. IR- und NMR-spektroskopische Eigenschaften

IR- und NMR-Spektroskopie z‰hlen zu den experimen-tellen Standardmethoden f¸r die Untersuchung von Wasser-stoffbr¸cken im Festkˆrper.[6] Sie stehen allerdings nicht imBlickpunkt dieses Aufsatzes und kˆnnen daher nur kurzbehandelt werden.

Die Bildung einer Wasserstoffbr¸cke beinflusst die Eigen-schwingungsmoden der beteiligten Molek¸le auf vielf‰ltigeWeise.[44] F¸r einfache Systeme kˆnnen diese Effekte mitFestkˆrper-IR-Spektroskopie quantitativ untersucht werden.Wenn ein System aber viele symmetrieunabh‰ngige Wasser-stoffbr¸cken enth‰lt, verhindert die ‹berlappung der einzel-nen Absorptionsbanden meist eine detaillierte Analyse. DieFrequenz der X�H-Streckschwingung des Donors, ��X�H, istleicht in Absorptionsspektren zu identifizieren (zumindest beipolaren X-H-Gruppen) und reagiert meist sehr empfindlichauf die Bildung einer Wasserstoffbr¸cke (Rotverschiebungder Absorptionsbande, Bandenverbreiterung oder -intensi-vierung), weshalb sie gerne f¸r die Untersuchung herange-zogen wird. F¸r O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken ist ��O�H mitdem O ¥¥¥O-Abstand korreliert (Abbildung 4).[45, 46] AnalogeKorrelationen wurden auch f¸r weniger h‰ufige Wasserstoff-br¸cken aufgestellt, wie etwa zwischen dem Donor C�C�Hund den Acceptoren O,[47] N[48] und C�C.[49] Bei diesenKorrelationen weisen die Daten eine betr‰chtliche Streuungauf, die nicht allein durch die experimentelle Ungenauigkeitverursacht ist. Die Korrelationen stellen also nur Trendszwischen verschiedenen physikalischen Grˆ˚en dar, aberkeine strengen Gesetzm‰˚igkeiten (ein spezielles Beispielwird in Fu˚note [50] diskutiert).

Abbildung 4. Zusammenhang von IR-Streckfrequenzen ��OH mit O ¥¥¥O-Abst‰nden in O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken (Quadrate: Kombinationenaus S‰uren und konjugaten Basen; schwarze Kreise: resonanzunterst¸tzteWasserstoffbr¸cken (RAHB); Dreiecke: Wasserstoffbr¸cken mit �-Bin-dungs-Kooperativit‰t; Kreuze: isolierte Wasserstoffbr¸cken).[46] (Die IR-spektroskopischen Daten wurden aus Lit. [45a] ¸bernommen.)

Die Differenz der ��X�H-Werte von freien und in Wasser-stoffbr¸cken gebundenen X-H-Gruppen, ���X�H, steigt sys-tematisch mit fallender Bindungsl‰nge von H ¥¥¥A (oderX ¥¥¥A). Es wurde sogar eine allgemeine Korrelation ���X�H�f(H ¥¥¥A) vorgeschlagen, die f¸r eine Reihe von unterschied-lichen X�H ¥¥¥A-Wasserstoffbr¸ckenarten n‰herungsweiseg¸ltig ist.[51] Aus einem Satz organischer und anorganischerKristallstrukturen wurde sie wie folgt parametrisiert: ���X�H�0.011dHA�6.1 (��X�H in cm�1, d in nm).[51] F¸r den Sonderfallder O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken wurde ein n‰herungswei-ser Zusammenhang mit den Bindungsenthalpien vorgeschla-gen, ��H� 0.134dHA�3.05 (H in kJmol�1, d in nm; der‰quivalente Zusammenhang mit der Verschiebung von ��X�Hist: ��H� 1.3 (���X�H)0.5).[51] Die Vorhersagekraft aller dieser

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Korrelationen in der Praxis ist durch ihre gro˚e Streuungbegrenzt.Weitere wichtige Eigenschaften von �X�H sind die Banden-

breite und die integrierte Bandenintensit‰t I(�X�H). DieBildung einer Wasserstoffbr¸cke f¸hrt zu einer Verbreiterungder Bande und zu einem starken Anstieg von I(�X�H), und dieswird oft als ein verl‰sslicherer Indikator f¸r eine Wasserstoff-br¸cke angesehen als eine Rotverschiebung von ��X�H. F¸rC�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken gibt es F‰lle, in denen ���X�Hkaum gemessen werden kann, w‰hrend ein Anstieg vonI(�X�H) klar zu beobachten ist.[52] Die Zunahme von I(�X�H)wurde mit der St‰rke von Wasserstoffbr¸cken korreliert, undder n‰herungsweise Zusammenhang ��H� 12.2�I(�X�H)0.5wurde vorgeschlagen.[53]

Im Prinzip ist die Beobachtung einer H ¥¥¥A-Streckschwin-gung der direkteste spektroskopische Indikator f¸r dieBildung einer Wasserstoffbr¸cke. F¸r die meisten Wasser-stoffbr¸cken liegt diese Bande allerings im fernen IR-Bereichund wird dann meist nicht untersucht. Oft kann ein direkterEffekt der Bildung einer Wasserstoffbr¸cke auch auf derAcceptorseite beobachtet werden. In X�H ¥¥¥O�C-Wasser-stoffbr¸cken wird beispielsweise die O�C-Bindung ge-schw‰cht, sodass die Frequenz ihrer Streckschwingung sinkt.Die oben skizzierten Effekte haben viele Anomalien.

Beispielsweise sind die Bindungsenergien und Dissoziations-konstanten von C�H ¥¥¥O-Wechselwirkungen des Chloro-formmolek¸ls betr‰chtlich, w‰hrend sich ��X�H sogar zu etwashˆheren Frequenzen verschieben kann. Die Intensit‰t steigtdagegen immer wie ¸blich an.[54] Dieser Effekt, der langelediglich als eine exotische Anomalie angesehen wurde, hatvor kurzem grˆ˚ere Beachtung gefunden. Nach theoretischenBerechnungen zeigt eine Blauverschiebung von ��X�H dasVorhandensein einer anderen elektronischen Wechselwir-kung als in der normalen Wasserstoffbr¸cke an.[55] Demnachwird Elektronendichte des Acceptors nicht wie ¸blich in einantibindendes �*-Orbital des Donors X-H transferiert, son-dern in weiter entfernte Teile des Donormolek¸ls (wie etwaden C�Cl-Teil von CHCl3). Dies wird von einer Verk¸rzungder X-H-Bindung begleitet. Um diese Wechselwirkung vonπnormalen™ Wasserstoffbr¸cken zu unterscheiden, wurdeder Begriff πungewˆhnlich blauverschobene Wasserstoff-br¸cken™ (improper blue-shifting hydrogen bonds) einge-f¸hrt.[55]

In den meisten Wasserstoffbr¸cken sind verschiedeneKerne einer Beobachtung durch NMR-spektroskopischeMethoden zug‰nglich. Insbesondere das Proton ist mitzunehmender St‰rke der Wasserstoffbr¸cke immer wenigerabgeschirmt, und dies f¸hrt zu 1H-Verschiebungen, die mitder L‰nge der Wasserstoffbr¸cke korreliert sind (Abbil-dung 5).[6, 56] Anhand solcher Korrelationen kann die L‰ngeeiner Wasserstoffbr¸cke aus NMR-Daten abgesch‰tzt wer-den. Chemische Verschiebungen von X und A (z.B. 15N),X/H- und X/A-Kopplungskonstanten und Unterschiede zwi-schen 1H- und 2H-Signalen in H/D-Austauschexperimentenenthalten weitere wichtige Informationen ¸ber X�H ¥¥¥A-Wasserstoffbr¸cken. So wurde zum Beispiel f¸r O�C�OH ¥¥¥N(Py)-Wasserstoffbr¸cken (in Lˆsung; Py�Pyridin) die 15N-Verschiebung verwendet, um den Protonierungsgrad desN-Atoms zu bestimmen: In m‰˚ig starken O�H ¥¥¥ N-Wasser-

Abbildung 5. Typische Korrelation von 1H-NMR-spektroskopischer che-mischer Verschiebung � und O ¥¥¥O-Abst‰nden in O�H ¥¥¥O-Wasserstoff-br¸cken.[56c] Andere Autoren haben mit anderen Stichproben ‰hnlicheBilder erhalten.[6, 56a, 56b]

stoffbr¸cken ist die Verschiebung �� 20, bei symmetrischenBindungen O-H-N betr‰gt sie �� 60 und steigt schlie˚lichin ionischen Bindungen des Typs O� ¥ ¥ ¥ H�N� auf bis zu ���100 an.[57] Die Zeitskala der Protonendynamik in fehlgeord-neten Wasserstoffbr¸cken kann ebenfalls mit NMR-spektro-skopischen Methoden ermittelt werden, sofern sie im expe-rimentell zug‰nglichen Bereich (im �s-Bereich) liegt.

2.10. Die Kategorien der πstarken™, πm‰˚ig starken™ undπschwachen™ Wasserstoffbr¸cken

Bie Bindungsst‰rken von Wasserstoffbr¸cken ¸berstrei-chen ein breites Kontinuum. Es kann aus praktischenGr¸nden durchaus sinnvoll sein, eine Einteilung in St‰rkeka-tegorien vorzunehmen, z.B. in πstarke™ und πschwache™Wasserstoffbr¸cken, und mˆglicherweise noch in eine dazwi-schen liegende Kategorie. In diesem Aufsatz wird die Ein-teilung von Jeffrey verwendet,[6] der Wasserstoffbr¸ckenm‰˚ig stark nennt, wenn sie etwa denen zwischen Wasser-molek¸len oder in Kohlenhydraten ‰hnlich sind (man kˆnntesie auch als πgewˆhnlich™ bezeichnen) und Dissoziations-energien im Bereich 4 ± 15 kcalmol�1 haben. Wasserstoff-br¸cken mit Energien ober- und unterhalb dieses Bereichswerden stark bzw. schwach genannt. Einige allgemeineEigenschaften dieser Kategorien sind in Tabelle 2 aufgef¸hrt.Es muss ausdr¸cklich betont werden, dass es keine πnat¸r-liche™ Grenzen zwischen diesen Kategorien gibt und dass esnicht sinnvoll ist, dieses oder ein verwandtes System in einemstrengen Sinn auszulegen. Die Namensgebung der Kategorienist in Fu˚note [58] kommentiert.

3. Geometrie

Die Geometrie von Wasserstoffbr¸cken, und auch die ihrerUmgebung, ist in Kristallen wohl definiert. Die ¸ber 200000publizierten organischen und metallorganischen Kristall-strukturen enthalten einen gro˚en Schatz an experimentellen

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Befunden ¸ber Wasserstoffbr¸cken, anhand derer die Geo-metrien auf einem hohen statistischen Niveau analysiertwerden kˆnnen.[10] Die wichtigsten Ergebnisse solcher Analy-sen werden in diesem Abschnitt besprochen.

3.1. Richtungseigenschaften des Donors

Das Hauptstrukturmerkmal, in dem sich die Wasserstoff-br¸cke von der Van-der-Waals-Wechselwirkung unterschei-det, ist ihre Richtungspr‰ferenz (insbesondere ihre Bevor-zugung der Linearit‰t). Als typisches Beispiel zeigt Abbil-dung 6 die Verteilung der Winkel � in Kohlenhydraten

Abbildung 6. Richtungspr‰ferenz von O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken inKohlenhydraten (H ¥¥¥O� 2.0 ä). a) Konventionelles Histogramm mitdem Maximum bei leicht gewinkeltem �. b) Histogramm nach einerπKegelkorrektur™ (Wichtung mit 1/sin�), das die H‰ufigkeit pro Raum-winkeleinheit darstellt.[59] Die Bevorzugung bestimmter Winkel kann nurnach der Korrektur beurteilt werden.

(H ¥¥¥ O� 2.0 ä). Die absolute H‰ufigkeit ist zwischen 160�und 170� am hˆchsten (Abbildung 6a). Um die eigentlichrelevante H‰ufigkeit per Raumwinkeleinheit zu erhalten,muss man die absoluten Werte mit 1/sin� wichten (πKegel-korrektur™; engl. : πcone correction™ oder πKroon correc-tion™).[59] Die so gewichteten H‰ufigkeiten haben ihr Maxi-mum bei linearen Winkeln (Abbildung 6b).

Die Histogramme in Abbildung 6 haben denNachteil, dass sie keine Information ¸ber Bindungs-l‰ngen enthalten. Bei einer besseren (aber auf-wendigeren) Methode, Richtungspr‰ferenzen zuanalysieren, werden die Winkel � in Streudiagram-men gegen die L‰ngen d aufgetragen (πd-�-Dia-gramm™). Als Beispiel werden in Abbildung 7solche Streudiagramme f¸r X�H ¥¥¥ Cl�-Wasser-stoffbr¸cken gezeigt (f¸r Hydroxy-Donoren in Ab-bildung 7a, f¸r �NH3

�-Donoren in Abbil-dung 7b).[60] Diese Diagramme enthalten alle Kon-takte mit d� 4.0 ä bei beliebigem Winkelungeachtet dessen, ob es sich dabei umWasserstoff-br¸cken handelt oder nicht. Bei kleinen d-Wertenund grob linearem � liegt eine dichte Punktwolke, inder jeder Punkt eine Wasserstoffbr¸cke repr‰sen-tiert. Die Streuung innerhalb dieser Wolke ist

betr‰chtlich, und ihre R‰nder sind diffus. Die kleinstenAbst‰nde kommen bei relativ linearem � vor, w‰hrendl‰ngere Bindungen in einem grˆ˚eren Winkelbereich auf-treten. Die Nebenkomponenten von gegabelten Wasserstoff-br¸cken (Schema 2) haben grˆ˚ere Bindungsl‰ngen undst‰rker gewinkeltes �. Das Gebiet rechts der Punktwolke ist

Abbildung 7. d-�-Streudiagramm von X�H ¥¥¥ Cl�-Winkeln gegen H ¥¥¥Cl�-Abst‰nde von a) Hydroxydonoren und b) �NH3

�-Donoren (X-H-Bindungen normalisiert).[60] Es sind alle Kontakte mit H ¥¥¥ Cl�� 4.0 äeingetragen, unabh‰ngig davon, ob sie eine Wasserstoffbr¸cke repr‰sen-tieren oder nicht.

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Tabelle 2. Starke, m‰˚ig starke und schwache Wasserstoffbr¸cken gem‰˚ der Klassi-fizierung nach Jeffrey.[6] Die Zahlenangaben sind nur als Leitwerte zu verstehen.

Parameter starkeH-Br¸cke

m‰˚ig starkeH-Br¸cke

schwacheH-Br¸cke

Wechselwirkungstyp starkkovalent

haupts‰chlichelektrostat.

elektrostat./dispersiv

Bindungsl‰ngen [ä]H ¥¥¥A 1.2 ± 1.5 1.5 ± 2.2 � 2.2Streckung von X�H [ä] 0.08 ± 0.25 0.02 ± 0.08 � 0.02X�H gegen¸ber H ¥¥¥A X�HH ¥¥¥A X�H�H ¥¥¥A X�H�H ¥¥¥AX ¥¥¥A [ä] 2.2 ± 2.5 2.5 ± 3.2 � 3.2

Richtungspr‰ferenz stark m‰˚ig stark schwach

Bindungswinkel [�] 170 ± 180 � 130 � 90

Dissoziationsenergie [kcalmol�1] 15 ± 40 4 ± 15 � 4

rel. IR-Verschiebung ���XH [cm�1] 25% 10 ± 25% � 10%1H-NMR-Verschiebung 14 ± 22 � 14

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AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

beinahe leer: Lineare, aber lange Wasserstoffbr¸cken kom-men fast nicht vor (vergleiche Abbildung 1). Bei sehr gro˚enAbst‰nden d gibt es ein Gebiet mit zuf‰lliger Streuung, dasX-H-Gruppen und Chloridionen repr‰sentiert, zwischendenen keine direkte Wasserstoffbr¸cke besteht. Bei kleinenAbst‰nden d sind die Diagramme leer, weil die Austauschab-sto˚ung eine weitere Ann‰herung verhindert.Die Details der d-�-Streudiagrammen h‰ngen vom Donor-

typ ab. F¸r den Hydroxy-Donor (Abbildung 7a) enth‰lt dasSchaubild nur die oben erw‰hnten Bereiche, und die Punkt-wolke der Wasserstoffbr¸cken ist vom Bereich der zuf‰lligenStreuung klar getrennt. Bei dem komplizierteren Donor�NH3

� (Abbildung 7b) gibt es eine zus‰tzliche dichte undlanggestreckte Punktwolke bei gro˚en Abst‰nden d und starkgewinkeltem � (�90�). Diese zus‰tzliche Wolke stammt vonden beiden H-Atomen der �NH3

�-Gruppe, die bei Bildungeiner �NH3

� ¥ ¥ ¥ Cl�-Wasserstoffbr¸cke vom Chloridion wegorientiert sind. Weiterhin enth‰lt Abbildung 7b einen vielhˆheren Anteil von gegabelten Wasserstoffbr¸cken als Ab-bildung 7a, und alle von Punkten besetzten Bereiche gehenkontinuierlich ineinander ¸ber. Zu Abbildung 7 analogeSchaubilder wurden f¸r viele andere Sonderf‰lle verˆffent-licht, etwa f¸r O�H ¥¥¥O-[61] und C�H ¥¥¥O-Wasserstoff-br¸cken[62] in Kohlenhydraten, und mit enger begrenztenWinkelbereichen f¸r allgemeine O�H ¥¥¥O- und N�H ¥¥¥O-,[63] Wassermolek¸l-Wassermolek¸l-,[64] N/O�H ¥¥¥ Ph-,[65]C�H ¥¥¥ Cl-[66] und sogar C�H ¥¥¥ F(C)-Wasserstoffbr¸cken.[67]Die Bilder zeigen alle ein ‰hnliches Verhalten (Pr‰ferenz f¸rLinearit‰t) bei Variationen in den Details, und dies bedeutet,dass die Winkeleigenschaften aller Typen von Wasserstoff-br¸cken verwandt sind.Der Grad der Richtungspr‰ferenz h‰ngt von der Polarit‰t

des Donors ab. Dieser Effekt wird in Abbildung 8 mit �-Histogrammen von normalen O�H ¥¥¥O�C-Wasserstoff-br¸cken und C�H ¥¥¥O�C-Wechselwirkungen dreier C-H-Typen unterschiedlicher Polarit‰t gezeigt.[22] Zum Vergleichsind auch entsprechende Daten f¸r C�H ¥¥¥H�C-Van-der-Waals-Kontakte dargestellt. Die Richtungspr‰ferenz f‰llt mitfallender Polarit‰t der X-H-Gruppe, also gem‰˚ O�H�

C�C�H�C�CH2��CH3. Es ist zu beachten, dass auch beiC�H ¥¥¥O-Wechselwirkungen von Methylgruppen eine linea-re Geometrie bevorzugt wird, deutlich anders als im Fall vonVan-der-Waals-Kontakten. Dies ist ein experimenteller Nach-weis daf¸r, dass C�H ¥¥¥O-Wechselwirkungen von Methyl-gruppen tats‰chlich als Wasserstoffbr¸cken eingestuft werdenkˆnnen, wenn auch nur als sehr schwache.

3.2. Richtungseigenschaften des Acceptors

Wasserstoffbr¸cken sind auch auf der Acceptorseite ge-richtet. Bei starken Wasserstoffbr¸cken (aber nur bei diesennotwendigerweise) entspricht die Orientierung am Acceptorder Geometrie des kovalenten Produktes einer hypotheti-schen Protonentransferreaktion. F¸r m‰˚ig starke und f¸rschwache Wasserstoffbr¸cken ist die Richtungspr‰ferenz vielgeringer ausgepr‰gt, f‰llt aber immer noch mit der Orientie-rung der freien Elektronenpaare zusammen (in wenigenF‰llen[68] auch mit der von gef¸llten dz2-Orbitalen von ‹ber-

Abbildung 8. Richtungspr‰ferenz von X�H ¥¥¥O�C-Wasserstoffbr¸ckenmit X-H-Donoren verschiedener Polarit‰ten (kegelkorrigierte Histogram-me). a) Hydroxy-, b) C�C�H-, c) C�CH2-, d)�CH3-Donoren, e) C�H ¥¥¥H�C-Van-der-Waals-Kontakte. Der Grad der Richtungspr‰ferenz f‰lltallm‰hlich von a) nach d), und ist in e) ¸ber einen weiten Winkelbereichisotrop. Man beachte, dass das Bild f¸r C�C�H dem des konventionellenDonors O�H sehr ‰hnlich ist. C�H ¥¥¥O�C-Wechselwirkungen von Me-thylgruppen sind zu einem viel geringeren Grad als C�C�H¥¥¥O�C-Wasserstoffbr¸cken gerichtet.[22]

gangsmetallatomen). Beim klassischen Beispiel der Carbo-nylgruppen liegen die freien Elektronenpaare in der R2C�O-Ebene und bilden Winkel von etwa 120� mit der C�O-Bindung. In einem Winkelhistogramm ist f¸r N/O-H-Dono-ren tats‰chlich eine entsprechende Richtungspr‰ferenz vonWasserstoffbr¸cken zu sehen (Abbildung 9, unten),[69] sie istaber schw‰cher, als oft angenommen wird. Ein ‰hnliches Bildwurde auch f¸r st‰rkere C-H-Donortypen erhalten (C�C�H,Cl3CH, Cl2CH2).[70] F¸r Thiocarbonylgruppen ist die Rich-tungspr‰ferenz interessanterweise viel ausgepr‰gter, wobeidie bevorzugte Richtung (also die Orientierung der freienElektronenpaare) einen Winkel von nur 105� mit der C�S-Bindung einschlie˚t (Abbildung 9, oben).[69] F¸r Selenocar-bonyl-Acceptoren liegt der bevorzugte C�Se ¥¥¥ H-Winkelnoch n‰her bei 90�.[8]

F¸r Hydroxygruppen und Wassermolek¸le als Acceptorenl‰sst die elektronische Struktur eine bimodale Verteilung mitzwei bevorzugten Richtungen erwarten, die in Bezug auf diebeiden kovalenten Bindungen eine n‰herungsweise tetrae-drische Geometrie ergeben. Die tats‰chliche Richtungspr‰fe-renz in Kristallen ist aber so schwach, dass nur eine Kon-zentration in der Ebene senkrecht zu R1-O-R2 festzustellenist, ohne eine Trennung in zwei Moden.[71] Die Richtungspr‰-ferenz f¸r das Pyridyl-N-Atom als Acceptor wurde ebenfallsstatistisch charakterisiert.[72]

In den letzten Jahren haben Wasserstoffbr¸cken mitHalogen-Acceptoren Interesse gefunden. MetallgebundeneHalogenatome sind stark polar und gute Acceptoren. Die

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AUFSæTZE T. Steiner

Abbildung 9. Acceptor-Richtungspr‰ferenz von C�O- (unten) und C�S-Gruppen (oben) in N/O�H ¥¥¥O/S�C-Wasserstoffbr¸cken.[69] Man beachtedie viel weniger scharf ausgepr‰gte Richtungspr‰ferenz von C�O.

Basizit‰ten der freien Elektronenpaare sind unterschiedlich(Schema 3),[73] und X�H ¥¥¥ Cl�M-Wasserstoffbr¸cken wer-den in Kristallen meistens ungef‰hr senkrecht zur M-Cl-Bindung gebildet (Winkelbereich 80� ± 140�).[73, 74] Als Aus-nahme unter den metallgebundenen Halogenatomen weistFluor ein deutlich isotroperes Verhalten auf.[75]

Das komplizierteste ± und noch nicht vollst‰ndig beschrie-bene ± Richtungsverhalten weisen die �-Acceptoren auf. F¸rden einfachsten dieser Acceptoren, C�C, sind Wasser-stoffbr¸cken anscheinend vorzugsweise auf den Mit-

M Hal

freies sp-artiges Elektronen-paar (weniger basisch)

freies p-artiges Elektronen-paar (basisch)

Schema 3. Die freien Elektronenpaare von metallgebundenen Halogen-atomen.[73]

telpunkt der Dreifachbindung gerichtet, sie kˆnnen aber auchauf eines der beiden C-Atome zeigen.[8] F¸r die Phenylgrup-pe, den wichtigsten �-Acceptor, ist die Potentialoberfl‰chevon X�H ¥¥¥ Ph-Wechselwirkungen sehr flach und ermˆglichtweite Bewegungen des Donors ¸ber der �-Bindungs-Fl‰che,ohne dass sich die Energie wesentlich ‰ndert.[27i, 27k, 76] Esbesteht noch kein Konsens ¸ber die Position des globalenEnergieminimums: Liegt dort X-H senkrecht ¸ber demRingmittelpunkt (dann kann X-H mit allen Elektronen des�-Systems wechselwirken), oder zeigt X-H auf eine C-C-Bindung oder sogar auf ein einzelnes C-Atom? In Kristall-strukturen kommen diese Orientierungen alle vor, und auchalle dazwischen liegenden F‰lle. In Abbildung 10 sind zwei

Abbildung 10. O�H ¥¥¥ Ph-Wasserstoffbr¸cken verschiedener Geome-trien. a) Mit einem fast genau ¸ber einem aromatischen Mittelpunkt Mplatzierten Donor; die sechs H ¥¥¥ C-Abst‰nde liegen im Bereich 2.49 ±2.70 ä; H ¥¥ ¥M ist viel k¸rzer, 2.17 ä, und der O�H ¥¥¥M-Winkel betr‰gt160� (Rˆntgenkristallstruktur von Cholintetraphenylborat).[77] b) Mit ei-nem Donor, der auf ein einzelnes C-Atom zeigt, H ¥¥¥ C� 2.34 ä, O�H ¥¥¥C-Winkel� 174� (Neutronendiffraktionsstudie von 5-Ethynyl-5H-diben-zo[a,d]cyclohepten-5-ol).[78]

Beispiele f¸r extreme Grenzf‰lle gezeigt (Details siehe Ab-bildungslegende).[77, 78] Die gro˚e �-Bindungs-Fl‰che machtden Ph-Acceptor zu einem πZiel, das sehr leicht zu treffenist™.[79] Dieser Umstand hat wichtige Konsequenzen f¸r dieRolle der Phenylgruppe bei der Packung organischer Kristalleund auch f¸r ihre Rolle als Ersatz-Acceptor in biologischenMakromolek¸len.[80] Besteht ein lokaler Mangel an st‰rkerenAcceptoren, kann ein Donor relativ leicht auf die Bildungeiner X�H ¥¥¥ Ph-Wasserstoffbr¸cke ausweichen, wenn einePhenylgruppe in auch nur ann‰hernd geeigneter Orientierungverf¸gbar ist.

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AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

3.3. Verteilung und Mittelwerte derH ¥¥¥A-Bindungsl‰ngen

Die L‰ngen d von Wasserstoffbr¸cken im Festkˆrper sindsehr variabel. Sogar bei einer gegebenen Donor-Acceptor-Kombination streuen Abst‰nde und Winkel ¸ber weiteBereiche, wie bereits am Beispiel des d-�-Streudiagrammsf¸r C�OH ¥¥¥ Cl�-Wasserstoffbr¸cken in Abbildung 7a ge-zeigt wurde. In diesem Fall kann die Streuung nicht durchchemische Variationen der Molek¸le verursacht sein, sondernnur durch Kristallpackungseffekte, die auf jede einzelneWasserstoffbr¸cke in verschiedener Weise wirken (dieserUmstand wird in Abschnitt 5 genauer diskutiert).Will man Bindungsl‰ngen in einem Histogramm darstellen,

muss ein Grenzwert der ber¸cksichtigten Winkel � gew‰hltwerden. Wenn nur relativ lineare Wasserstoffbr¸cken vonInteresse sind, kann man etwa �� 135�w‰hlen und so zu einerVerteilung gelangen, wie sie in Abbildung 11a f¸r das Bei-spiel von�N�H3 ¥¥ ¥ Cl�-Wasserstoffbr¸cken gezeigt ist. Diese

Abbildung 11. Typische Verteilungen von H¥¥¥A-Bindungsl‰ngen in Wasser-stoffbr¸cken bis zu einem Grenzwert von d� 3.0 ä (Daten f¸r �NH3

� ¥ ¥ ¥Cl�-Wasserstoffbr¸cken wie in Abbildung 7b). a) Nur relativ lineareWasserstoffbr¸cken mit �� 135�. Dieses Histogramm enth‰lt die Daten ausdem horizontalen Ausschnitt 180��� 135� von Abbildung 7b. b) Mit demgro˚z¸gigen Winkelkriterium �� 90�. Dieses Histogramm enth‰lt dieDaten aus dem horizontalen Ausschnitt 180� �� 90� von Abbildung 7b.

hat ein klares Maximum, und Anfang und Ende sind relativgut definiert. Nur f¸r schwache (oder sterisch stark gehin-derte) Wasserstoffbr¸cken f‰llt die Verteilung mit steigenderBindungsl‰nge nicht auf Null, sondern geht in das Kontinuumder Zufallskontakte ¸ber.[81] Bei einem gro˚z¸gigeren Win-kelkriterium, wie etwa �� 110� oder 90�, sehen die Vertei-lungen allerdings wie die in Abbildung 11b gezeigte aus. Danun Nebenkomponenten von gegabelten Wasserstoffbr¸ckeneingeschlossen werden, f‰llt die Verteilung mit steigendenAbst‰nden nicht mehr auf Null: Nach einem mehr oderweniger ausgepr‰gten Minimum steigen die H‰ufigkeitenwieder an und gehen schlie˚lich in die Zufallskontakte ¸ber.Da der relative Anteil an gegabelten Wasserstoffbr¸ckenstark vom speziellen System abh‰ngt (siehe Abschnitt 3.4),h‰ngt die genaue Form der Abstandsverteilung ebenfalls vomgew‰hlten System ab. Die statistische Charakterisierung vonVerteilungen wie der in Abbildung 11b gezeigten ist pro-blematisch.[82]

Die Abbildungen 7 und 11 zeigen Variationen der Geomet-rie f¸r konstante Donor-Acceptor-Kombinationen. Wenn nunDonor und/oder Acceptor chemisch variiert werden, erh‰ltman neue Verteilungen mit anderen mittleren Abst‰nden undanderen Graden der Richtungspr‰ferenz. Um die allgemei-nen Regeln zu erl‰utern, die die mittlere L‰nge von

Wasserstoffbr¸cken bestimmen, wurde in den Tabellen 3und 4 relativ umfangreiches (und neues) Material ¸berWasserstoffbr¸cken zusammengetragen, an denen Wasser-molek¸le beteiligt sind.[10]

In Tabelle 3 sind die mittleren L‰ngen d und D (Schema 1)f¸r relativ lineare X�H ¥¥¥OW-Wasserstoffbr¸cken (W�Was-sermolek¸l) mit 47 X-H-Donortypen (X�O, N, S, C) auf-gelistet. Wenn man die Rangfolge der L‰ngen als Definitionvon πDonorst‰rke™ verwendet, findet man eine Rangfolge derSt‰rke gem‰˚ O�H�N�H� S�H�C�H. Dies sind aber nurgrobe Kategorien mit sehr starken internen Variationen.Beispielsweise sind Wasserstoffbr¸cken der am st‰rkstenpolaren C�H-Gruppen (Cl3CH, C�C�H) im Mittel deutlichk¸rzer als die der schw‰chsten N-H-Donoren (Csp2�NH2,N�NH2). Die Rangfolge innerhalb der einzelnen X�H-Gruppen gen¸gt einer einfachen Regel: Die Donorst‰rkewird durch benachbarte elektronenziehende Gruppen ange-hoben und durch elektronenliefernde Gruppen gesenkt. DieRangfolge der O�H-Donorst‰rken ist daher H3O��O�C�OH�Ph�OH�Csp3�OH�H2O�OH�. Die Diffe-renz der mittleren Bindungsl‰ngen D innerhalb dieser Seriebetr‰gt 0.7 ä! Man darf dabei allerdings nicht vergessen, dassjede Zeile in Tabelle 3 einem breiten Histogramm (wie dem inAbbildung 11a gezeigten) entspricht. Die zugehˆrigen Be-reiche der mittleren 95% erstrecken sich meist ¸ber 0.3 ä(die letzten beiden Spalten in Tabelle 3), sodass es breite‹berlappungsbereiche der Wasserstoffbr¸ckengeometrienverschiedener Donortypen gibt.In Tabelle 4 ist eine analoge Liste f¸r Wasserstoffbr¸cken

von H2O-Donoren zu 61 verschiedenen Acceptoren zusam-mengetragen, OW�H ¥¥¥A (A�O, N, S, Se, Halogen, �-System). Die Acceptorst‰rken werden durch benachbarteelektronenliefernde Gruppen erhˆht und durch elektronen-ziehende Gruppen erniedrigt. Die Rangfolge f¸r O-Accepto-ren ist daher �OH��COO��H2O�Csp3�OH�Ph�OH�

C�NO2�M�CO, mit einer Variation der mittleren Bindungs-l‰ngen von ca. 0.6 ä. Auch f¸r Fluor wird eine breiteVariation der Acceptorst‰rke beobachtet, F��M�F�BF4��C�F.Die Tabellen 3 und 4 enthalten nur Daten mit H2O als

Donor oder Acceptor. Ein vollst‰ndiges Bild m¸sste Datenaller Donor-Acceptor-Kombinationen enthalten. Allein dieX-H- und A-Gruppen aus den Tabellen 3 und 4 w¸rden dabeieine 48� 61-Matrix mit ¸ber 3000 Feldern bilden, viel mehr,als man in der Praxis diskutieren kann. Es wurden allerdingsDaten f¸r einige Ausschnitte dieser Matrix publiziert, undzwar f¸r die Sonderf‰lle der X�H ¥¥¥Hal�-,[60] C�H ¥¥¥O- undC�H ¥¥¥N-[83] sowie der C�H ¥¥¥�-Wasserstoffbr¸cken.[84]Allgemeine Eigenschaften von Donor-Acceptor-Matrizen

kˆnnen am besten anhand ausgew‰hlter Beispiele erl‰utertwerden, wie sie in den Tabellen 5 und 6 gezeigt sind. InTabelle 5 ist ein kleiner Teil der O�H ¥¥¥O-Matrix gezeigt,und zwar mit vier Donoren gegen¸ber vier Acceptoren,welche nicht gleichzeitig als Donor wirken kˆnnen (C�Oetc.). Die Rangfolge der Donorst‰rken ist hier unabh‰ngigvom Acceptor, und die Rangfolge der Acceptorst‰rke istunabh‰ngig vom Donor.Tabelle 6 zeigt eine verwandte Matrix mit vier O-H-

Gruppen, die sowohl als Donor als auch als Acceptor wirken

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AUFSæTZE T. Steiner

kˆnnen. Die zentrale Beobachtung ist hier, dass starkeDonoren schwache Acceptoren sind und umgekehrt. DieO-H-Gruppe der Carbons‰uren ist beispielsweise ein sehrstarker Donor und zugleich ein sehr schwacher Acceptor. DasWassermolek¸l ist dagegen ein guter Acceptor und einvergleichsweise m‰˚iger Donor.Nach den skizzierten Eigenschaften der L‰ngen d und D

kˆnnte man vermuten, dass Donor- und Acceptorπst‰rken™integrale Eigenschaften jeder Gruppe X-H und A sind. Dann

kˆnnte man die k¸rzesten Wasserstoffbr¸cken einfach durchKombination des st‰rksten Donors mit dem st‰rksten Accep-tor erzeugen. Diese Ansicht ist im Bereich der elektrostati-schen Dominanz der Wasserstoffbr¸cke tats‰chlich korrekt,also f¸r jene Wasserstoffbr¸cken, die in Abschnitt 2.10 alsπm‰˚ig stark™ und πschwach™ bezeichnet wurden. Sie istdagegen nicht korrekt f¸r starke Wasserstoffbr¸cken, f¸r diedie Gesetze der kovalenten Bindung und von Protonentrans-ferph‰nomenen dominant sind (siehe Abschnitt 7). Wenn

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Tabelle 3. Wasserstoffbr¸cken mit Wassermolek¸len als Acceptor (X�H ¥¥¥OW): Geometrie von relativ linearen Wechselwirkungen (�� 135�) mitverschiedenen Donoren (Abst‰nde in ä). (F¸r diesen Aufsatz zusammengestellte Datenbankinformation.[10a])

Donor n mittlerer mittlerer H ¥¥¥OW-Abstand X ¥¥ ¥OW-AbstandH ¥¥¥OW-Abstand X ¥¥¥OW-Abstand (95%)[a] (95%)[a]

O�H-DonorenH3O� 21 1.54(2) 2.49(2) ± ±N��OH 1 1.57( ± ) 2.55( ± ) ± ±S�OH 4 1.58( ± ) 2.55( ± ) ± ±P�OH 73 1.61(1) 2.575(9) 1.44 ± 1.77 2.42 ± 2.72Se�OH 4 1.62( ± ) 2.59( ± ) ± ±O�C�OH 244 1.629(4) 2.591(4) 1.51 ± 1.78 2.49 ± 2.75N�C�OH 6 1.69(3) 2.60(3) ± ±N�OH 46 1.68(1) 2.65(1) ± ±C�C�OH, Ph�OH 162 1.724(8) 2.679(7) 1.55 ± 1.96 2.52 ± 2.88As�OH 4 1.75( ± ) 2.68( ± ) ± ±O�OH 2 1.76( ± ) 2.69( ± ) ± ±Csp3�OH 763 1.804(4) 2.753(3) 1.64 ± 2.06 2.61 ± 2.973(‹M)OH[b] 6 1.81(5) 2.76(4) ± ±2(‹M)OH[b] 14 1.85(4) 2.79(4) ± ±H2O 2505 1.880(2) 2.825(2) 1.72 ± 2.19 2.68 ± 3.11B��OH 5 1.91( ± ) 2.86( ± ) ± ±‹M�OH[b] 5 1.96( ± ) 2.89( ± ) ± ±�OH 2 2.27( ± ) 3.22( ± ) ± ±

N�H-Donoren(SO2,SO2)NH 7 1.71(1) 2.70(1) ± ±Im�N�H 20 1.74(2) 2.73(2) ± ±Py�N�H 67 1.78(1) 2.75(1) 1.63 ± 2.05 2.63 ± 2.96(C,C,C)N��H 40 1.82(2) 2.77(1) ± ±(C,C)N�H2 108 1.87(1) 2.83(1) 1.68 ± 2.19 2.68 ± 3.06(Csp2,Csp2)N�H 316 1.860(8) 2.835(7) 1.69 ± 2.20 2.69 ± 3.13C�NH3

� 370 1.878(6) 2.840(5) 1.71 ± 2.17 2.71 ± 3.08NH4

� 86 1.95(1) 2.91(1) 1.74 ± 2.24 2.73 ± 3.11(Csp2,Csp3)N�H 178 1.988(9) 2.937(8) 1.79 ± 2.25 2.77 ± 3.18(Peptid)N�H 118 1.99(1) 2.94(1) 1.80 ± 2.31 2.77 ± 3.18Csp2�NH2 508 2.016(6) 2.963(5) 1.81 ± 2.31 2.78 ± 3.21(‹M,C,C)N�H[b] 128 2.05(1) 2.99(1) 1.82 ± 2.35 2.82 ± 3.24(‹M, Csp2)N�H[b] 18 2.07(3) 3.03(3) ± ±(‹M,C)NH2

[b] 467 2.084(6) 3.031(5) 1.88 ± 2.35 2.86 ± 3.27‹M�NH3

[b] 68 2.09(2) 3.03(1) 1.90 ± 2.35 2.89 ± 3.28(Csp3,Csp3)N�H 13 2.14(3) 3.08(2)

± ±

Csp3�NH2 20 2.12(4) 3.09(4) ± ±N�NH2 5 2.16( ± ) 3.09( ± ) ± ±

S�H-DonorenC�SH 1 2.16( ± ) 3.48( ± ) ± ±

C�H-DonorenCl3C�H 2 2.06( ± ) 3.07( ± ) ± ±C�C�H 3 2.10( ± ) 3.16( ± ) ± ±Cl2CH2 2 2.16( ± ) 3.22( ± ) ± ±(N,N)Csp2�H 32 2.41(3) 3.38(3) ± ±(Cl,C)Csp3�H 6 2.46(9) 3.44(5) ± ±(N,C)Csp2�H 276 2.48(1) 3.47(1) � 2.12 � 3.14(C,C)Csp2�H 1369 2.553(4) 3.540(4) � 2.22 � 3.23(C,C,C)Csp3�H 29 2.59(2) 3.59(2) ± ±O�CH3 80 2.59(2) 3.59(2) � 2.32 � 3.32Csp3�CH3 533 2.632(6) 3.613(6) � 2.37 � 3.35

[a] Die Bereiche der mittleren 95% der H ¥¥¥OW- und X ¥¥¥OW-Abst‰nde enthalten 95% der Wasserstoffbr¸cken und sind nur angegeben f¸r n� 50. F¸rVerteilungen ohne ausgepr‰gtes Maximum wird das 2.5te Perzentil anstelle der zentralen 95% angegeben. [b] ‹M�‹bergangsmetallatom.

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AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

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Tabelle 4. OW-H ¥¥¥A-Wasserstoffbr¸cken mit Wassermolek¸len als Donor, die nicht an Metallatome koordiniert sind: Geometrie von relativ linearenWechselwirkungen (�� 135�) mit verschiedenen Acceptoren (Abst‰nde in ä). (F¸r diesen Aufsatz zusammengestellte Datenbankinformation.[10b])

Acceptor n mittlerer mittlerer H ¥¥¥A-Abstand OW ¥¥¥A-AbstandH ¥¥¥A-Abstand OW ¥¥¥A-Abstand (95%)[a] (95%)[a]

O-AcceptorenHO� 8 1.71(3) 2.69(3) ± ±Se�O 6 1.79(2) 2.74(2) ± ±As�O 11 1.84(3) 2.76(2) ± ±P�O, P�O� 664 1.846(4) 2.793(4) 1.69 ± 2.09 2.65 ± 3.01N��O� 50 1.84(2) 2.80(1) 1.66 ± 2.12 2.64 ± 3.03(C,C)C�O� 95 1.85(1) 2.80(1) 1.62 ± 2.17 2.59 ± 3.11�COO� 1035 1.859(4) 2.807(3) 1.72 ± 2.07 2.69 ± 2.99H2O 2505 1.880(2) 2.825(2) 1.72 ± 2.19 2.68 ± 3.11R2C�O 2485 1.900(3) 2.840(2) 1.73 ± 2.23 2.69 ± 3.11Csp3�OH 757 1.891(4) 2.831(4) 1.73 ± 2.19 2.69 ± 3.07‹M�O�C[b] 560 1.902(6) 2.842(6) 1.66 ± 2.24 2.63 ± 3.12S�O, S�O� 668 1.914(5) 2.854(4) 1.74 ± 2.27 2.70 ± 3.15B��O�C 23 1.92(3) 2.86(2) ± ±‹M�O, ‹M�O�[b] 218 1.94(1) 2.877(8) 1.73 ± 2.30 2.70 ± 3.16‹M�O2

[b] 16 1.95(3) 2.88(2) ± ±Ph�OH 89 1.97(1) 2.89(1) 1.72 ± 2.27 2.62 ± 3.17C�O�C 254 1.978(9) 2.910(7) 1.78 ± 2.33 2.74 ± 3.17N�OH 20 1.99(3) 2.91(2) ± ±P�OH 34 1.97(2) 2.91(2) ± ±NO3

� 195 2.00(1) 2.927(9) 1.77 ± 2.36 2.69 ± 3.24(O�C)�OH 35 2.01(3) 2.94(3) ± ±Sb�O�C 20 2.03(4) 2.95(3) ± ±ClO4

� 180 2.07(1) 2.98(1) 1.80 ± 2.36 2.73 ± 3.25Te�OH 5 2.07( ± ) 2.99( ± ) ± ±C�NO2 57 2.13(2) 3.04(2) 1.85 ± 2.38 2.80 ± 3.17‹M�CO[b] 4 2.30( ± ) 3.11( ± ) ± ±N-AcceptorenCsp3�NH2 17 1.88(2) 2.84(1) ± ±C2sp3NH 23 1.93(3) 2.89(2) ± ±N�N�N 13 1.94(2) 2.89(2) ± ±C3sp3N 78 1.96(1) 2.90(1) 1.78 ± 2.27 2.76 ± 3.20C�N�C 345 1.959(6) 2.905(6) 1.79 ± 2.26 2.75 ± 3.17C�N�O 24 1.99(3) 2.94(2) ± ±�C�N 43 2.00(2) 2.94(2) ± ±Csp2�NH2 25 2.03(3) 2.95(2) ± ±C�N�N 50 2.03(2) 2.96(2) ± ±C�N�S 9 2.09(6) 3.03(5) ± ±

S-AcceptorenC�S� 68 2.38(1) 3.31(1) 2.22 ± 2.61 3.19 ± 3.51P�S, P�S� 12 2.35(2) 3.31(1) ± ±Sn�S� 7 2.41(2) 3.33(3) ± ±R2C�S 73 2.42(1) 3.36(1) 2.26 ± 2.65 3.24 ± 3.58‹M�S�C[b] 16 2.51(3) 3.43(3) ± ±C�S�C 2 2.60( ± ) 3.53( ± ) ± ±

Se-AcceptorenSe 3 2.45( ± ) 3.40( ± ) ± ±

Halogen-AcceptorenF� 13 1.70(2) 2.67(2) ± ±SiF62� 12 1.84(2) 2.79(2) ± ±‹M�F[b] 45 1.85(3) 2.80(2) ± ±BF4� 34 2.01(3) 2.94(3) ± ±PF6� 18 2.08(3) 2.98(3) ± ±C�F 5 2.19( ± ) 3.07( ± ) ± ±Cl� 1013 2.245(3) 3.196(3) 2.10 ± 2.46 3.06 ± 3.38‹M�Cl[b] 232 2.349(9) 3.272(8) 2.15 ± 2.62 3.11 ± 3.51C�Cl 30 2.77(5) 3.62(5) ± ±Br� 233 2.415(8) 3.350(7) 2.25 ± 2.66 3.21 ± 3.61‹M�Br[b] 17 2.56(4) 3.47(4) ± ±C�Br 1 2.83( ± ) 3.66( ± ) ± ±I� 47 2.68(1) 3.61(1) ± ±‹M�I 6 2.90(8) 3.74(6) ± ±�-AcceptorenPh 25 2.50(4) 3.38(4) ± ±C�C 2 2.51( ± ) 3.35( ± ) ± ±C�C 20 2.73(4) 3.57(4) ± ±Py 4 2.79( ± ) 3.72( ± ) ± ±

[a] Die Bereiche der mittleren 95% der H ¥¥¥A- und OW¥¥¥A-Abst‰nde enthalten 95% der Wasserstoffbr¸cken und sind nur angegeben f¸r n� 50. F¸rVerteilungen ohne ausgepr‰gtes Maximum wird das 2.5te Perzentil anstelle der zentralen 95% angegeben. [b] ‹M�‹bergangsmetallatom.

Page 17: Die Wasserstoffbrücke im Festkörper

AUFSæTZE T. Steiner

man bespielsweise versucht, eine kurze O�H ¥¥¥O-Wasser-stoffbr¸cke durch Kombination des st‰rksten Donors inTabelle 3, H3O�, mit dem st‰rksten Acceptor in Tabelle 4,OH�, zu erhalten, so f¸hrt dies zu einem Protonentransfer,H2O��H ¥¥¥OH��H2O ¥¥¥H�OH, und einer m‰˚ig starkenWasserstoffbr¸cke zwischen Wassermolek¸len. Es w‰re auchfalsch, einen strikten Zusammenhang von Wasserstoffbr¸-ckenl‰nge und -energie zu vermuten. Wasserstoffbr¸ckenzwischen Ionen haben viel hˆhere Dissoziationsenergien alssolche zwischen neutralen Molek¸len (dies ist eine trivialeFolge der Coulomb-Anziehung zwischen den Nettoladungen),m¸ssen aber keineswegs k¸rzere Bindungsl‰ngen aufweisen(siehe z.B. den geladenen Acceptor NO3

� in Tabelle 4 mitseinem sehr gro˚en mittleren O ¥¥¥OW-Abstand von 2.97 ä).

3.4. Gegabelte Wasserstoffbr¸cken

In gegabelten Wasserstoffbr¸cken bindet ein Donor mehrals einen Acceptor. Dies ist nur bei hohen lokalen Acceptor-konzentrationen mˆglich (Schema 2). In Kohlenhydraten sind¸ber 25% aller O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken gegabelt, undin Aminos‰uren ist dieser Anteil sogar noch hˆher.[6] AuchProteine enthalten viele gegabelte Wasserstoffbr¸cken.[85] Esist nicht immer leicht zu zeigen, dass alle Komponententats‰chlich Bindungen darstellen, insbesondere bei sehr nicht-linearen Winkeln � und/oder wenn einige der potentiellenAcceptoren nur durch stereochemische Zw‰nge in der N‰hedes Donors gehalten werden. F¸r eine Reihe von gegabeltenWasserstoffbr¸cken wurden aber in theoretischen Elektro-nendichteverteilungen eindeutig Bindungspfade f¸r beideKomponenten gefunden.[86]

Aufgrund ihrer Geometrie sind manche chemische Grup-pen h‰ufiger an gegabelten Wasserstoffbr¸cken beteiligt alsandere. Als typisches Beispiel ist in Schema 4 die ortho-Dimethoxyphenylgruppe gezeigt. Bei einer Datenbankanaly-se wurden 31 O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken mit dieser Grup-pe als Acceptor gefunden, und davon sind 21 (�68%)

gegabelt, w‰hrend nur 10 auf eineinzelnes O-Atom gerichtet sind.Von den gegabelten Br¸cken sind 8beinahe symmetrisch mit einer Diffe-renz der beiden Bindungsl‰ngen dkleiner als 0.2 ä.Die meisten, aber nicht alle gega-

belten Wasserstoffbr¸cken haben ei-ne eindeutig st‰rkste πHauptkompo-nente™. Sogar doppelt gegabelte(πtrifurcated™) Wasserstoffbr¸ckenweisen allerdings gelegentlich nahezudreiz‰hlige Symmetrie auf. Ein Bei-spiel ist das Triethanolammoniumion,das in Kristallstrukturen immer ineiner sch¸sselartigen Konformationvorkommt, in der die O-Atome der drei Hydroxygruppen insehr ‰hnlicher Orientierung in Richtung des N�-H-Donorsweisen (Abbildung 12).[77, 87]

Abbildung 12. Doppelt gegabelte (trifurcated) Wasserstoffbr¸cke imTriethanolammoniumkation (Neutronendiffraktionsstudie von Triethanol-ammoniumtetraphenylborat-Dihydrat).[87] Die drei N��H ¥¥¥O-Wasser-stoffbr¸cken haben sehr ‰hnliche Geometrien (H ¥¥¥O� 2.14 ± 2.35, N ¥¥ ¥O� 2.71 ± 2.86 ä, N�H¥¥¥O� 108 ± 112�).

H‰ufig sind die beiden Acceptoren A1 und A2 einergegabelten Wasserstoffbr¸cke chemisch verschieden. Wenneiner der beiden ein viel schw‰cherer Acceptor ist als derandere (wie etwa A1�O, N, und A2�Hal�C, � etc.) kann esschwierig zu beurteilen sein, ob diese Komponente tats‰chlicheine strukturrelevante Bedeutung hat. In jedem Fall wurdenaber zahlreiche Beispiele von signifikant gegabelten Wasser-stoffbr¸cken mit einem starken und einem schwachen Accep-tor gefunden, gelegentlich sogar mit einer g¸nstigeren Ge-omerie in Bezug auf den schw‰cheren Acceptor (Schema 5).[88]

3.5. H ¥¥¥ H-Wechselwirkungen

Bei der Interpretation von Wasserstoffbr¸ckengeometrienwerden kurze absto˚ende H ¥¥¥H-Wechselwirkungen oft¸bersehen. Wenn sich eine Wasserstoffbr¸cke zwischen zweiX-H-Gruppen (oder einer X-H- und einer Y-H-Gruppe)

66 Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80

Tabelle 5. Intermolekulare O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken mit Acceptoren, dienicht als Donoren wirken kˆnnen (mittlere O ¥¥¥O-Abst‰nde in ä, Stichpro-bengrˆ˚e in eckigen Klammern). (F¸r diesen Aufsatz zusammengestellteDatenbankinformation.[10a])

Donor Acceptor�COO� R2C�O C�O�C C�NO2

O�C�OH 2.544(3) [421] 2.644(1) [1491] 2.72(2) [29] 2.80( ± ) [3]Ph�OH 2.65(1) [57] 2.734(5) [412] 2.812(2) [58] 2.96(3) [11]Csp3�OH 2.736(5) [354] 2.824(2) [2567] 2.885(4) [764] 3.00(1) [74]

Tabelle 6. Intermolekulare O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken: Donor-Acceptor-Matrix mit O-H-Gruppen, die sowohl als Donor als auch als Acceptor wirkenkˆnnen (mittlere O ¥¥¥O-Abst‰nde in ä, Stichprobengrˆ˚e in eckigen Klam-mern). (F¸r diesen Aufsatz zusammengestellte Datenbankinformation.[10a])

Donor AcceptorH�O�H Csp3�O�H Ph�O�H (O�C)�O�H

H�O�H 2.825(2) [2505] 2.831(4) [757] 2.89(1) [89] 2.94(3) [35]Csp3�O�H 2.753(3) [763] 2.792(2) [4249] 2.84(1) [94] 2.89( ± ) [3]Ph�O�H 2.679(7) [144] 2.721(7) [145] 2.807(6) [305] 2.97( ± ) [2]O�C�O�H 2.591(4) [244] 2.646(6) [162] 2.69(2) [8] ±

OO MeMe

O

H

Schema 4. Beispiel einerfunktionellen Gruppemit einer starken Ten-denz zur Bildung vongegabelten Wasserstoff-br¸cken (bei einer CSD-Analyse waren 21 von 31Wasserstoffbr¸cken ge-gabelt).[10c]

Page 18: Die Wasserstoffbrücke im Festkörper

AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

O H

O

X H

O

H

O

O H

O

F

a) b) c)

Schema 5. Beispiele von gegabelten Wasserstoffbr¸cken mit einem star-ken und einem schwachen Acceptor. a) Mit den Acceptoren O undC�C;[8, 88a, 88b] b) mit den Acceptoren O und Ph;[80, 80c] c) mit denAcceptoren O und F-C.[88d]

bildet, kˆnnen diese eine gerade Linie bilden, sodass diebeiden H-Atome weit voneinander entfernt sind. Sie kˆnnenaber auch gewinkelt angeordnet sein, und dann kommen sichdie beiden H-Atome recht nahe (Abbildung 13). In Daten-bankanalysen von anorganischen[89] und organischen Kristall-

Abbildung 13. Typische Beispiele f¸r kurze H ¥¥ ¥H-Abst‰nde in O�H ¥¥¥O�H-Wasserstoffbr¸cken, wie sie bei Neutronendiffraktionsstudien vonKohlenhydraten gefunden werden.[90]

strukturen[90] wurde f¸r die H ¥¥¥H-Abst‰nde in diesenAnordnungen eine Untergrenze von 2.05 ä gefunden. SolcheH ¥¥¥H-Wechselwirkungen betreffen lineare Ketten von Was-

serstoffbr¸cken nicht sehr stark,bilden aber einen wichtigen be-grenzenden Faktor f¸r die Geo-metrie von cyclischen Konfigu-rationen. Insbesondere kˆnnenin Ringen aus drei Hydroxy-gruppen oder Wassermolek¸lenkurze H ¥¥¥H-Abst‰nde nichtvermieden werden (Schema 6).Diese Wechselwirkungen wei-ten die Winkel � auf und sindwahrscheinlich der Grund f¸rdas relativ seltene Auftretensolcher Ringe. Kurze H ¥¥¥H-Abst‰nde kommen auch in cyc-lischen Dimeren vor, die durchdie Bildung von Wasserstoff-br¸cken entstehen. Sie de-stabilisieren die Dimere, z.B.ein Carbons‰uredimer mit ei-nem H ¥¥¥H-Abstand von etwa2.34 ä (Schema 7), und vieleandere Addukte mit verwand-tem Bindungsmuster.

3.6. Einfluss auf die Geometrie der kovalentenBindungen

Wasserstoffbr¸cken beeinflussen die Geometrie der kova-lenten Bindungen der beteiligten Molek¸le. Eine Streckungder X-H-Bindung wurde schon in den 1950er Jahren beob-achtet,[91] und der Zusammenhang der O�H- und H ¥¥¥O-Bindungsl‰ngen wurde oft und mit immer steigender Genau-igkeit beschrieben. Die aktuelle Korrelation auf der Basis vonTieftemperatur-Neutronendiffraktionsdaten ist in Abbil-dung 14a gezeigt.[92] Mit fallender H ¥¥¥O-L‰nge wird dieO�H-Bindung kontinuierlich gestreckt, bis die symmetrische

Abbildung 14. Streckung der X-H-Bindung in X�H ¥¥¥A-Wasserstoff-br¸cken. a) Zusammenhang der O-H- und H ¥¥¥O-Bindungsl‰ngen inO�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken.[92] Die Auftragung ist symmetrisch bez¸g-lich der beiden O-Atome.[31b] b) Zusammenhang der N-H- mit der H ¥¥¥O-Bindungsl‰nge und der O-H- mit der H ¥¥¥ N-Bindungsl‰nge.[93] Der rechteZweig zeigt N�H ¥¥¥O-, der linke Zweig zeigt O�H¥¥¥ N-Wasserstoff-br¸cken. Beide Auftragungen repr‰sentieren Neutronendiffraktionsdaten.

Geometrie O-H-O bei einem O ¥¥¥O-Abstand von etwa2.39 ä erreicht ist. Die Korrelation ist vˆllig glatt, und es gibtkeinen Hinweis auf einen kritischen Abstand, bei dem derCharakter derWasserstoffbr¸cke von einem Typ zum anderenπumgeschaltet™ w¸rde. F¸r m‰˚ig starke Wasserstoffbr¸ckenliegt die Streckung im Bereich 0.02 ± 0.08 ä (Tabelle 2), aber

Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80 67

O O

OH

H

H

2.07

2.21

Schema 6. In Ringen aus dreiO�H¥¥¥O-Wasserstoffbr¸ckenkˆnnen kurze H ¥¥¥H-Abst‰n-de nicht vermieden werden.Die mittleren geometrischenParameter solcher Ringe inKristallen sind: d� 2.07(3),D� 2.89(2) ä, �� 143(2)�,H ¥¥¥H� 2.21(3) ä.[10d]

O H

O

O

H O

2.34

1.225

1.316

113.6o

123.1o

1.64

Schema 7. Mittlere Geomet-rie eines Carbons‰uredimersin Kristallen.[10e] Man beachteden kurzen destabilisierendenH ¥¥¥H-Abstand. Der mitt-lere O ¥¥¥O-Abstand betr‰gt2.644 ä.

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AUFSæTZE T. Steiner

f¸r starkeWasserstoffbr¸cken kann sie bis zu 0.25 ä betragen.Ein analoges Diagramm f¸r N�H ¥¥¥O- und O�H ¥¥¥N-Wasserstoffbr¸cken zeigt ebenfalls eine glatte Korrelation(Abbildung 14b),[93] bei der der Symmetriefall bei einemO ¥¥¥N-Abstand von etwa 2.50 ä auftritt. Eine alternative Dar-stellung solcher Zusammenh‰nge erh‰lt man durch Auftragender X�H- und H ¥¥¥A-Bindungsl‰ngen gegen den X ¥¥¥A-Abstand, wie in Abbildung 15 f¸r das Beispiel der O/N�H ¥¥¥N/O-Wasserstoffbr¸cken gezeigt ist.

Abbildung 15. Zusammenhang der O�H- und H ¥¥¥O-Bindungsl‰ngen mitdem O ¥¥¥ N-Abstand in heteronuclearen O/N�H ¥¥¥ N/O-Wasserstoff-br¸cken (Neutronendiffraktionsdaten).[93]

Eine Streckung der X-H-Bindung wurde auch f¸r vieleandere Typen von X�H ¥¥¥A-Wasserstoffbr¸cken gefundenund scheint eine allgemeine Eigenschaft der Wasserstoff-br¸cke zu sein. Aus Neutronendiffraktionsdaten wurde derEffekt f¸r N�H ¥¥¥N-,[94] O�H ¥¥¥ S-,[36] O�H ¥¥¥ Cl�-,[36]N�H ¥¥¥ Cl�-[36] und C�H ¥¥¥O-Wechselwirkungen[95] beschrie-ben, wobei allerdings der volle Bereich der mˆglichenGeometrien bisher nur f¸r die in Abbildung 14 gezeigtenF‰lle erfasst ist. F¸r einige spezielle Systeme erh‰lt man inquantenchemischen Berechnungen eine Verk¸rzung derX-H-Bindung statt einer Streckung,[55, 96] aber es bestehthier¸ber noch kein Konsens in der Theorie,[27l] und experi-mentelle Belege f¸r Festkˆrper fehlen noch.X�H ¥¥¥A-Wasserstoffbr¸cken beeinflussen auch die Win-

kel an X (Schema 8). In Abbildung 16 ist f¸r das Beispiel der�NH3

� ¥ ¥ ¥ Cl�-Wasserstoffbr¸cke das Verbiegen des C-N-H-Winkels als Funktion des C�N� ¥ ¥ ¥ Cl�-Koordinationswinkelsgezeigt.[36] Der Winkel zwischen den kovalenten Bindungenfolgt dem Koordinationswinkel, dabei ist nur die ænderungnumerisch kleiner. æhnliche Bilder wurden f¸r die Verbie-gung des C-O-H-Winkels und das ÷ffnen und Schlie˚en desH-O-H-Winkels von Wassermolek¸len durch O�H ¥¥¥O- und

O H O O H

O

O H

O

Schema 8. Verbiegung des X-O-H-Winkels in O�H ¥¥¥A-Wasserstoff-br¸cken.

Abbildung 16. Verbiegung des C-N-H-Winkels in N�H ¥¥¥ Cl�-Wasser-stoffbr¸cken (�NH3

�-Donoren, Neutronendiffraktionsdaten).[36]

O�H ¥¥¥ Cl�-Wasserstoffbr¸cken erhalten.[97] Die Verbiegungbetr‰gt normalerweise nur einige Grad; dies ist mit derNeutronendiffraktion gut, in der Rˆntgenstrukturanalyseaber nur schlecht zu erkennen.Interne Torsionswinkel von Molek¸len kˆnnen durch

Wasserstoffbr¸cken in einem Ma˚ beeinflusst werden, dasdurch die Hˆhe der Torsionsbarriere zwischen Energiemini-ma bestimmt wird. Zum Beispiel ist der O-H-Vektor in Csp3-OH-Hydroxygruppen bevorzugt gestaffelt bez¸glich der Sub-stituenten am C-Atom orientiert, Schema 9a. In Kristall-strukturen werden f¸r den Torsionswinkel aber alle nur

X O H X OH

Oa) b)

Schema 9. Einfluss von Wasserstoffbr¸cken auf Torsionswinkel. a) Freie,b) durch eine Wasserstoffbr¸cke gebundene Hydroxygruppe.

mˆglichen Werte gefunden. Wenn er gegen den X-C-O ¥¥¥O-Koordinations-Diederwinkel in Wasserstoffbr¸cken aufgetra-gen wird, erkennt man, dass der O-H-Vektor immer inRichtung des Acceptors orientiert ist, selbst wenn dies zueiner ekliptischen Orientierung bez¸glich Csp3 f¸hrt (Abbil-dung 17).[98] Die gleiche Analyse wurde auch f¸r Methylgrup-pen des Typs Csp3-CH3 durchgef¸hrt, die C�H ¥¥¥O-Wechsel-wirkungen bilden. In diesem Fall ist die Torsionsbarriere vielzu hoch (typischerweise 3 ± 5 kcalmol�1), um eine ekliptischeKonformation zuzulassen. Dennoch wurden Rotationen umbis zu 10� ± 15� aus der ideal gestaffelten Konformationgefunden.[98] In einem einzigen Fall wurde eine ekliptischorientierte Methylgruppe gefunden, die drei C�H ¥¥¥O-Br¸-cken bildet.[99] Durch Berechnungen wurde allerdings gezeigt,dass dies nur mˆglich ist, weil die Torsionsbarriere in diesemspeziellen Molek¸l mit 1.5 kcalmol�1 ungewˆhnlich niedrigist.[100]

Die oben skizzierten Effekte betreffen Bindungsl‰ngen und-winkel, an denen das H-Atom einer Wasserstoffbr¸ckedirekt beteiligt ist. Es gibt aber auch ænderungen in der

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AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

Abbildung 17. Rotation von Hydroxygruppen aus der gestaffelten Kon-formation: In Wasserstoffbr¸cken passt sich der X-C-O�H-Torsionswinkeldem X-C-C ¥¥¥O-Koordinationswinkel an.[98]

Geometrie der Nichtwasserstoffger¸ste beider beteiligtenMolek¸le. Diese Effekte sind f¸r m‰˚ig starke Wasserstoff-br¸cken relativ klein und f¸r schwache praktisch vernach-l‰ssigbar. F¸r starke Wasserstoffbr¸cken kˆnnen sie aber sehrstark werden. Zum Beispiel wird in C�O�H ¥¥¥O�C-Wasser-stoffbr¸cken die C-O-Bindung im Vergleich zu den freienMolek¸len verk¸rzt, w‰hrend die C�O-Bindung verl‰ngertwird.[101] Im Extremfall der symmetrischen Wasserstoffbr¸ckesind die beiden C�O-Bindungsl‰ngen gleich. In Abbil-dung 18 ist gezeigt, dass der Unterschied der beiden C�O-Bindungsl‰ngen linear vom O ¥¥¥O-Abstand abh‰ngt (manbeachte, dass der Effekt bereits bei O ¥¥¥O� 2.6 ä recht gro˚ist).[46] Analog werden Carboxylatgruppen, die als Acceptor ineiner Wasserstoffbr¸cke fungieren, unsymmetrisch. Dabeiwird die C�O-Bindung am O-Atom, das die Wasserstoff-br¸cke akzeptiert, um einige Hundertstel ä l‰nger als dieandere (siehe z.B. Lit. [102]).

Abbildung 18. Einfluss von C�O�H¥¥¥O�C-Wasserstoffbr¸cken auf C�O-Bindungsl‰ngen. Die Grˆ˚e �d ist die Differenz zwischen der C-O-Bindungsl‰nge des Donors und der O�C-Bindungsl‰nge des Acceptors(d0�Wert f¸r Fragmente, die keine Wasserstoffbr¸cke bilden; Quadrate:Kombination aus S‰ure und konjugater Base; Punkte: resonanzunterst¸tz-te Wasserstoffbr¸cken).[46]

Alle diese Zusammenh‰nge kˆnnen leicht verstandenwerden, wenn man sie in den Zusammenhang einer Pro-tonentransferreaktion setzt. Die Geometrie des Donormole-k¸ls n‰hert sich der Geometrie des deprotonierten Molek¸lsan, die des Acceptormolek¸ls der des protonierten Molek¸ls.Dies wurde zum Beispiel durch geeignete chemische Varia-tionen von Phenol-Amin-Addukten eindrucksvoll demon-striert,[103] die als molekulare genauso wie als ionischeAddukte erhalten werden kˆnnen sowie als Addukte mitzwischen diesen Extremf‰llen liegenden Bindungssituatio-nen.[104] Wenn man die phenolische C-O-Bindungsl‰nge gegenden O ¥¥¥ N-Abstand auftr‰gt, erh‰lt man das in Abbildung 19gezeigte Bild. Die Daten in der rechten oberen Ecke

Abbildung 19. Einfluss von Wasserstoffbr¸cken auf die C-O-Bindungs-l‰nge von Phenol. Daten f¸r Addukte aus Phenolen und Aminen.[103]

stammen von m‰˚ig starken O�H ¥¥¥ N-Wasserstoffbr¸ckenund weisen normale phenolische C-O-Bindungsl‰ngen um1.34 ä auf. Bei k¸rzer werdenden Wasserstoffbr¸cken wirddas H-Atom allm‰hlich abstrahiert, und die C-O-Bindungwird k¸rzer. Die Daten in der rechten unteren Ecke stammenvon ionischenWasserstoffbr¸cken N��H ¥¥¥O��C und weisendie C-O-Bindungsl‰nge des Phenolations (1.25 ä) auf. Derzentrische Fall, C�O ¥¥¥H ¥¥ ¥ N, tritt bei einem N ¥¥¥O-Abstandvon etwa 2.50 ä auf.Der C-N-C-Winkel des Pyridinmolek¸ls zeigt einen ver-

wandten Effekt (Abbildung 20).[10f] Das neutrale Pyridinmo-lek¸l hat einen Winkel an N von 116.6�,[106] w‰hrend er imPyridiniumion auf 122� ± 123� aufgeweitet ist (z.B. 122.6� in

Abbildung 20. Einfluss von Wasserstoffbr¸cken auf den C-N�C-Winkelvon Pyridin.[10f]

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AUFSæTZE T. Steiner

Py ¥HCl[106]). In O�H ¥¥¥ N-Wasserstoffbr¸cken wird dieserWinkel mit k¸rzer werdendem O ¥¥¥ N-Abstand immer mehraufgeweitet (unterer Zweig der Kurve), und in N��H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken wird er mit sinkendem Abstand enger.Die beiden Zweige treffen sich bei O ¥¥¥ N� 2.50 ä und einemWinkel von 120� an N. Auch bei resonanzunterst¸tztenWasserstoffbr¸cken (Abschnitt 4.2) spielen ænderungen derGeometrie kovalenter Bindungen eine bedeutende Rolle.

3.7. H/D-Isotopeneffekte

Die H/D-Isotopeneffekte sind eines der sonderbarstenPh‰nomene im Gebiet der Wasserstoffbr¸cken. Beim klassi-schen Ubbelohde-Effekt werden Wasserstoffbr¸cken beiDeuterierung etwas l‰nger.[107] Die Schwingung der O-D-Bindung hat eine niedrigere Nullpunktsenergie im Vergleichzu O-H, und die O-D-Bindung ist dadurch etwas stabiler.Daher ist D schwerer von O zu abstrahieren als H, und seineWasserstoffbr¸cken sind etwas schw‰cher. Der Ubbelohde-Effekt wurde leider nur f¸r relativ wenige O�H/D ¥¥¥O-Paareexperimentell untersucht, und die Details der zugrundelie-genden Effekte sind noch nicht vollst‰ndig verstanden. Nacheinem aktuellen ‹bersichtsartikel ist der Effekt bei O ¥¥¥O-Abst‰nden im Bereich 2.5 ± 2.6 ä am grˆ˚ten (Abbil-dung 21).[108] F¸r lange Wasserstoffbr¸cken ist er kleiner,und auch f¸r sehr kurze geht er gegen Null (eventuell sindsogar negative Werte mˆglich).

Abbildung 21. H/D-Isotopeneffekt auf Wasserstoffbr¸ckenl‰ngen. DerUnterschied der O ¥¥¥O-Abst‰nde in Paaren von D- und H-Verbindungenist gegen den O ¥¥¥O-Abstand der H-Verbindung aufgetragen. Ein Wertvon �� 0 bedeutet, dass die Wasserstoffbr¸cke in der D-Verbindungl‰nger ist.[108]

Gelegentlich f¸hrt Isotopenaustausch auch zu drastischenStruktur‰nderungen. Ein bekanntes Beispiel ist Trifluores-sigs‰uretetrahydrat, das in der protonierten Form ionisch ist,F3C�COO� ¥ 3H2O ¥H3O�, w‰hrend es in der deuteriertenForm als Molek¸laddukt vorliegt, F3C�COOD ¥ 4D2O.[109]

4. Nichtadditivit‰t

Viele Eigenschaften von n vernetzten Wasserstoffbr¸ckensind nicht einfach die Summe der n isolierten Br¸cken. F¸r

diese Nichtadditivit‰t sind in erster Linie zwei Effekteverantwortlich, und beide verursachen eine gegenseitigePolarisierung der beteiligten Gruppen.

4.1. �-Bindungs-Kooperativit‰t

Durch die Bildung einer X���H�� ¥ ¥ ¥ A��-Wasserstoff-br¸cke wird X���H�� st‰rker polar, und dies gilt auch, wennX�H eine Wasserstoffbr¸cke akzeptiert, Y���H�� ¥ ¥ ¥X���H��. In einer Kette aus zwei Wasserstoffbr¸cken,Y�H ¥¥¥X�H ¥¥¥A, sind also beide Br¸cken st‰rker, als sie eseinzeln w‰ren. Da der Ladungsfluss der Polarisierung durchdie X�H-�-Bindungen erfolgt, spricht man oft von π�-Bindungs-Kooperativit‰t™ (�-bond cooperativity);[6] es wur-den aber auch die alternativen Bezeichnungen πpolarization-enhanced hydrogen bonding™[110] und πpolarization-assistedhydrogen bonding™ (als Gegenst¸ck zum πresonance-assistedhydrogen bonding™)[46] vorgeschlagen. F¸r m‰˚ig starkeWasserstoffbr¸cken ergebenModellrechnungen typische Ener-giegewinne um 20% im Vergleich zu isolierten Br¸cken.[7]

Die �-Bindungs-Kooperativit‰t fˆrdert die Aggregationvon polaren Gruppen. In den kondensierten Phasen bildensich Ketten und Ringe aus Wasserstoffbr¸cken, X�H ¥¥¥X�H ¥¥¥X�H. Dies ist besonders ausgepr‰gt f¸r X�O,kommt aber auch mit X�N oder S vor. Wenn Doppeldo-noren (wie H2O) und/oder Doppelacceptoren beteiligt sind,kˆnnen sie Ketten und Ringezu komplexen Netzwerkenverkn¸pfen. F¸r die OH-rei-chen Kohlenhydrate wurdedie Topologie solcher Netz-werke sehr detailreich doku-mentiert.[5, 111, 112]

Ein ungewˆhnlicher, aberinteressanter Verband, der �-Bindungs-Kooperativit‰t auf-weist, ist in Schema 10 gezeigt.Die Polarit‰t des Wassermol-k¸ls wird durch die beiden mitO�P-Acceptoren gebildetenWasserstoffbr¸cken stark er-hˆht, sodass die akzeptierte C�C�H ¥¥¥O-Wassserstoffbr¸ckesehr kurz wird; sie ist sogar die k¸rzeste, die bisher f¸r einterminales Alkin gefunden wurde.[113]

4.2. �-Bindungs-Kooperativit‰t oderresonanzunterst¸tzte Wasserstoffbr¸cken (RAHB)

X-H-Gruppen kˆnnen auch ¸ber Ladungsfluss durch �-Bindungen polarisiert werden. Zum Beispiel steigt dieDonorst‰rke der Amidgruppe, wenn das O-Atom der Gruppeeine Wasserstoffbr¸cke akzeptiert, X�H ¥¥¥O�C�N�H. DerGrund liegt in der Stabilisierung der zwitterionischen Reso-nanzform (Schema 11). Der gleiche Effekt tritt auch in Thio-und Selenoamiden auf.[8] Wegen ihrer dualen Donor- undAcceptorkapazit‰t bilden Amidgruppen oft durch Wasser-stoffbr¸cken verbundene Ketten oder Ringe (z.B. in der

70 Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80

C C H OH

H

O

O

P

P

1.96

Schema 10. Eine sehr kurzeC�C�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cke.Die Acceptorst‰rke des Wasser-molek¸ls wird durch �-Bin-dungs-Kooperativit‰t angeho-ben (C ¥¥¥O� 3.02 ä).[113]

Page 22: Die Wasserstoffbrücke im Festkörper

AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

X

N H

X

N HX = O, S, Se+

_

Schema 11. Resonanzformen der Amid-, Thioamid- und Selenoamidgrup-pen. Die neutrale Form dominiert immer, Wasserstoffbr¸cken erhˆhenaber das Gewicht der zwitterionischen Form (sowohl in Donor- als auch inAcceptorfunktion).

Sekund‰rstruktur von Proteinen; Schema 12), in denen sichdie Wasserstoffbr¸cken gegenseitig verst‰rken. Da die Pola-risierung durch die �-Bindungen erfolgt, wird der Effekt oft�-Bindungs-Kooperativit‰t genannt.[6]

X

N H X

N H

N

X N

XH

H

X = O, S, Se

Schema 12. Ketten und Ringe aus Amiden, Thioamiden und Selenoami-den, die durch �-Bindungs-Kooperativit‰t verst‰rkt werden.

Auf der Basis seiner Untersuchun-gen von intramolekularen Wasser-stoffbr¸cken in �-Diketon-Enolennennt Gilli diesen Effekt πresonanz-unterst¸tzte Wasserstoffbr¸cken™(resonance-assisted hydrogen bon-ding, RAHB).[114] In �-Diketon-Eno-len f¸hrt Ladungsfluss durch diekonjugierten Doppelbindungen zurBildung von sehr kurzen Wasser-

stoffbr¸cken (Schema 13). Die C-O- und C-C-Bindungenbekommen partiellen Doppelbindungscharakter und werdenentsprechend verk¸rzt, w‰hrend die C�O- und C�C-Bindun-gen geschw‰cht werden. Wenn man einen als Q� (d1� d4) �(d3� d2) definierten Delokalisationsparameter gegen denO ¥¥¥O-Abstand auftr‰gt, wird klar, dass die Delokalisationmit kleiner werdender Wasserstoffbr¸ckenl‰nge zunimmt(Abbildung 22). Im Extremfall einer symmetrischen Lagedes H-Atoms wird Q gleich Null, und das ganze Fragmentwird symmetrisch. Vˆllig analoge Effekte treten in l‰ngerenKetten konjugierter Doppelbindungen auf, sowohl bei intra-als auch bei intermolekularen Wasserstoffbr¸cken.[115] Das ambesten bekannte Beispiel ist das Dimer aus zwei Carbons‰u-remolek¸len (Schema 7). Jedes andere geeignete Donor-Ac-ceptor-Paar, das durch ein resonanzf‰higes �-System verbun-den ist, kann einen solchen Effekt aufweisen. Die BeispieleN�H O und O�H N,[116] N�H S/Se,[8] O�H S[117]und S�H¥¥¥ S[118] (Schemata 12 und 14) sollen die chemischeVielfalt illustrieren, f¸r die �-Bindungs-Kooperativit‰t bereitsexperimentell nachgewiesen worden ist.

4.3. Antikooperativit‰t

Wasserstoffbr¸cken kˆnnen sich nicht nur gegenseitigverst‰rken, sondern auch abschw‰chen. Dies geschieht bei-

Abbildung 22. Resonanzunterst¸tzte Wasserstoffbr¸cken (RAHB) inEnolonen nach Gilli et al.[114] Der Parameter Q, der den Grad der �-Delokalisation anzeigt, f‰llt mit fallendem O ¥¥¥O-Abstand (Q� 0 zeigt einvollst‰ndig delokalisiertes �-System an). Sterne repr‰sentieren intramole-kulare und Quadrate repr‰sentieren intermolekulare Wasserstoffbr¸cken.

O NH

O SH

P

S

S S

S

P

H

H

Schema 14. Beispiele von anderen resonanzunterst¸tzten Wasserstoff-br¸cken als dem Fall O�H¥¥¥O.Weitere Beispiele sind in Schema 12 gezeigt.

spielsweise bei Doppelacceptoren, an denen sich zwei an-n‰hernd parallele Donordipole gegenseitig absto˚en (Sche-ma 15). Dieser Effekt ist vermutlich f¸r die Bevorzugung vonπhomodromen™ gegen¸ber πantidromen™ Ringen aus Was-serstoffbr¸cken (Schema 16) verantwortlich.[119] Wenn manihre Wichtigkeit bei der Bildung intermolekularer Strukturenbedenkt, ist es erstaunlich, wie wenigantikooperative Effekte bisher untersuchtworden sind.

5. Streckung und Stauchung durchandere Kr‰fte

In den kondensierten Phasen kˆnnenWasserstoffbr¸cken fast nie eine idealeGeometrie annehmen. Kristallpackungs-kr‰fte kˆnnen sie leicht biegen, strecken

Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80 71

O OH

d1

d2 d3

d4

Schema 13. Resonanz-unterst¸tzteWasserstoff-br¸cken (resonance-assis-ted hydrogen bonding,RAHB) in �-Diketon-Enolen.[114]

OH

O

HO

δ-

δ+

δ-δ+

δ-

Schema 15. Anti-kooperative Was-serstoffbr¸cken.Die beiden Dono-ren stellen ann‰-hernd paralleleDipole dar, diesich absto˚en.

Page 23: Die Wasserstoffbrücke im Festkörper

AUFSæTZE T. Steiner

O O

O

O

O

H

H

H

H

H

O O

O

O

O

H H

H H

H

Antikooperativität

b)a)

Schema 16. Ringe aus f¸nf Wasserstoffbr¸cken.[119] In der bevorzugtenπhomodromen™ Anordnung (a) sind alle Wasserstoffbr¸cken in derselbenWeise orientiert. In der weniger h‰ufigen πantidromen™ Anordnung (b)f¸hrt ein Wechsel der Orientierung zu lokaler Antikooperativit‰t.

und auch stauchen. Alle diese Verzerrungen bedeuten eineSchw‰chung (typischerweise um nur wenige Zehntelkcalmol�1, selten ¸ber 1 kcalmol�1). Es ist ein weit verbrei-teter Fehler zu glauben, dass in einem Satz von Wasserstoff-br¸cken zwischen chemisch gleichen Gruppen die k¸rzestenauch die st‰rksten seien. Das ist nicht der Fall. In einemsolchen Satz von Wasserstoffbr¸cken sind die st‰rksten jene,die der idealen Geometrie am n‰chsten sind. F¸r diek¸rzesten muss mit einer gewissen Stauchung gerechnetwerden.F¸r m‰˚ig starke und starke Wasserstoffbr¸cken ist die

Potentialmulde tief genug (� � 4 kcalmol�1), um die Verzer-rungen relativ begrenzt zu halten (Abbildung 23). Die Ver-teilung der Geometrien l‰sst dann Pr‰ferenzen klar erkennen(siehe z.B. Abbildungen 7 und 11). Auch die am st‰rkstengestauchten Kontakte sind noch tief im Bereich bindenderWechselwirkungen. F¸r schwache Wasserstoffbr¸cken mitDissoziationsenergien 1 kcalmol�1 ist dagegen der gesamteBereich der bindenden Geometrie zug‰nglich, und ge-

Abbildung 23. Schematische Potentialenergiekurven und Verteilungender Bindungsl‰ngen in Kristallen f¸r drei Wasserstoffbr¸ckentypen. DieEnergien der meisten Wasserstoffbr¸cken unterscheiden sich weniger als1 kcalmol�1 von der am Minimum. Der einer Destabilisierung entspre-chende Bereich ist nur f¸r sehr schwache Arten der Wasserstoffbr¸ckezug‰nglich. Der H ¥¥¥O-Van-der-Waals-Abstand ist ebenfalls eingezeichnetund soll illustrieren, dass das Van-der-Waals-Abstandskriterium[21] f¸rstarke Wasserstoffbr¸cken ziemlich harmlos ist, w‰hrend es bei schwachenWasserstoffbr¸cken zum Ausschluss eines gro˚en Teils der Kontaktef¸hrt.[8]

stauchte Kontakte kˆnnen sogar in den destabilisierendenBereich geschoben sein (Abbildung 23c).[8]

Statistische Abstandsverteilungen von m‰˚ig starken undstarkenWasserstoffbr¸cken gleichen oft umgedrehten Morse-Potentialen (vergleiche Abbildungen 1 und 11). Es ist verlo-ckend, solche Abstandsverteilungen als Bild einer Boltz-mann-Besetzung eines Wasserstoffbr¸ckenpotentials zu in-terpretieren. Dies w¸rde bedeuten, dass sich die Verzerrun-gen einer bestimmten flexiblen Einheit (in diesem Fall einerWasserstoffbr¸cke) in den Kristallfeldern einer gro˚en Zahlvon Kristallstrukturen statistisch gleich verhalten wie dieVerzerrungen im thermischen Bad einer Lˆsung. DieseAnsicht wurde tats‰chlich von einer ganzen Reihe vonAutoren vertreten.[71, 72, 120] Bei quantitativen Berechungenkann aber eine brauchbare Anpassung von Modellfunktionenan statistische Daten nur durch Einf¸hrung recht willk¸rli-cher Zusatzannahmen erhalten werden.[120e] F¸r schwacheWasserstoffbr¸cken sehen die Abstandsverteilungen ¸ber-haupt nicht so aus wie Boltzmann-Populationen von Morse-Potentialen (Abbildung 23).[8, 81] Schlie˚lich wurde von B¸rgiund Dunitz starke Kritik dahingehend ge¸bt, der ganzeAnsatz sei grunds‰tzlich falsch da π.. . ein Ensemble vonStrukturparametern aus verschiedenen Kristallstrukturenchemisch verschiedener Verbindungen nicht einmal entfernteinem geschlossenen System im thermischen Gleichgewicht‰hnlich ist und daher die f¸r die Anwendung der Boltzmann-Verteilung notwendigen Bedingungen nicht erf¸llt.™[121]

In den Abschnitten 3 und 4 wurden mehrere Effektediskutiert, die Wasserstoffbr¸cken verk¸rzen und dabei auchtats‰chlich verst‰rken (Erhˆhung der Polarit‰t von X-H oderA, Kooperativit‰t etc.). Solche Effekte kˆnnen nur in gro˚enDatenmengen erkannt werden, in denen die systematischenTrends trotz der statistischen Streuungseffekte klar hervor-treten kˆnnen. Scheinbar πzuf‰llige™ Verzerrungen in einzel-nen Kristallstrukturen sind immer chemisch begr¸ndet, auchwenn sie oft schwer zu erkl‰ren sind.

6. Wahrscheinlichkeit der Bildung vonWasserstoffbr¸cken

Es ist meist schwer vorherzusagen, ob ein bestimmterDonor und ein bestimmter Acceptor in einem gegebenenSystem miteinander eine Wasserstoffbr¸cke bilden werdenoder nicht. Man kann nur eine πglobale™ Bildungswahrschein-lichkeit definieren, d.h. die Zahl der X�H ¥¥¥A-Wasserstoff-br¸cken in einer grˆ˚eren Menge von Strukturen bezogen aufdie Anzahl solcher Wasserstoffbr¸cken, die im Prinzip h‰ttengebildet werden kˆnnen. Diese Eigenschaft stellt einenMittelwert ¸ber alle chemischen und strukturellen Situatio-nen in der zugrunde liegenden Datenmenge dar. Die globaleBildungswahrscheinlichkeit ist ein wichtiger Parameter f¸rdie Beurteilung, ob eine bestimmte Art von Wasserstoff-br¸cke allgemeine Bedeutung hat oder nur ein exotischerEinzelfall ist. Nur wenn eine Wasserstoffbr¸cke (oder eineAnordnung vonWasserstoffbr¸cken) eine einigerma˚en hoheBildungswahrscheinlichkeit hat, kann sie beim rationalenEntwurf von Kristallstrukturen (πKristall-Engineering™) ver-wendet werden. Wasserstoffbr¸cken, die nur gelegentlich

72 Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80

Page 24: Die Wasserstoffbrücke im Festkörper

AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

gebildet werden, sind dagegen kaum kontrollierbar (wennman sie auch verstehen muss, um die Kristallstrukturen zuverstehen, in denen sie trotzdem gebildet werden).Bildungswahrscheinlichkeiten kˆnnen f¸r einzelne Wasser-

stoffbr¸cken bestimmt werden, aber auch f¸r grˆ˚ere An-ordnungen. In einer wichtigen Pionierarbeit haben Allen undMitarbeiter die globalen Bildungswahrscheinlichkeiten f¸r 75bimolekulare Ringmotive bestimmt;[122] einige der Ergebnissesind in Schema 17 gezeigt. Die ¸berraschend kleinen Wertef¸r bekannte Motive wie etwa das Carbons‰uredimer kann

N

N H

N H

O

H

O

N

O

O H N

HO

N H

N H

O

O

N

N

H

H

O

O

O H

O

O

H O

N

O H

N

H O

a) Pm = 97 % b) Pm = 90 %

c) Pm = 82 % d) Pm = 51 %

e) Pm = 33 % f) Pm = 27 %

+_

+ _

O

O

H O

H N O

O H O

H O

g) Pm = 10 % h) Pm = 5 %

Schema 17. Acht Beispiele intermolekularer Wasserstoffbr¸ckenmotivemit ihrer Bildungswahrscheinlichkeit (Pm) in Kristallen.[122] Man beachte,dass Pm des Carboxy-Oxim-Heterodimers (b) viel hˆher ist als Pm derCarbons‰ure- (e) und Oxim-Homodimere (f).

durch Konkurrenz alternativer Motive erkl‰rt werden. Ineiner sp‰teren Arbeit wurde die Bildungswahrscheinlichkeitvon 50 Typen intramolekularer Wasserstoffbr¸cken be-stimmt.[123] Die Ergebnisse f¸r drei topologisch verwandteRinge mit O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken sind in Schema 18gezeigt. F¸r �-Diketon-Enole (Schema 18a) betr‰gt dieBildungswahrscheinlichkeit beinahe 100% (wegen RAHB),w‰hrend sie f¸r die nichtresonanten Systeme (Schema 18bund c) sehr niedrig ist.Die Bildungswahrscheinlichkeiten f¸r Wasserstoffbr¸cken

des Carbons‰uredonors wurden im Detail untersucht.[124] Esmag ¸berraschen, dass in Kristallen nur 29% aller Carbon-

O OH

O OH

O OH

Pm = 97 % Pm = 9 % Pm = 5 %a) c)b)

Schema 18. Drei intramolekulare O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken mit ihrerBildungswahrscheinlichkeit Pm.[123] Wegen seiner Resonanzunterst¸tzung(Schema 13) hat Beispiel a) die mit Abstand hˆchste Bildungswahrschein-lichkeit. Die nichtresonanten Gruppen in b) und c) sind flexibel undkˆnnen die Bildung der Wasserstoffbr¸cke vermeiden.

s‰uredonoren eine Wasserstoffbr¸cke mit einem Carbons‰u-reacceptor bilden (haupts‰chlich Dimere). Die verbleibenden71% bilden Wasserstoffbr¸cken mit einer Vielzahl andererAcceptoren. Der πrelative Erfolg™ eines mit dem Carbons‰u-reacceptor konkurrierenden alternativen Acceptors A wurdedefiniert als:

Erfolg(A)� n (OH ¥¥¥A)/[n (OH ¥¥¥A) � n (OH ¥¥¥OCarboxy)]

Diese Erfolgsrate ist f¸r die st‰rksten Acceptoren ¸ber 90%(COO�, P�O, N(Py), F�, Cl�). Auch Wasser ist ein erfolg-reicher Konkurrent (Erfolg(OW)� 84%). In Abbildung 24sind f¸r O-Acceptoren die Erfolgsraten gegen

Abbildung 24. Zusammenhang zwischen der mittleren Wasserstoffbr¸-ckenl‰nge und dem relativen Erfolg von Acceptoren A, die um eineBindung an den Carbons‰uredonor konkurrieren.[124]

die mittleren Abst‰nde D aufgetragen, und eine klareKorrelation der beiden Grˆ˚en ist offensichtlich. Es istbemerkenswert, dass auch schwache Acceptoren wie C-O-C(13%) und�NO2 (2%) eine signifikante Aussicht haben, denstarken Carbons‰uredonor zu binden. Wenn die Bildung desCarbons‰uredimers gezielt gefˆrdert werden soll, sollte dieAnwesenheit der starken Konkurrenten offensichtlich ver-mieden werden. Wenn beispielsweise ein Pyridyl-N-Atom alsKonkurrent auftritt (Erfolg(NPy)� 91%), ist die Bildungeines Carbons‰ure-Pyridin-Dimers (Schema 19) viel wahr-scheinlicher als die eines Carbons‰uredimers.Es gibt den allgemeinen Befund, dass die Bildungswahr-

scheinlichkeit eines Erkennungsmusters mit der Anzahl derWasserstoffbr¸cken innerhalb des Motivs ansteigt. So istπZwei-Punkt-Erkennung™ meist nur m‰˚ig erfolgreich,πDrei-Punkt-Erkennung™ deutlich besser, und πVier-Punkt-Erkennung™ sehr erfolgreich.[125]

Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80 73

Page 25: Die Wasserstoffbrücke im Festkörper

AUFSæTZE T. Steiner

O H

O

N

H

O ··· O = 2.65

C ··· O = 3.35

Schema 19. Wasserstoffbr¸ckendimer einer Carboxylat- und einer Pyri-dylgruppe; man beachte die C�H ¥¥¥O-Wechselwirkung, die zus‰tzlich zur(viel st‰rkeren) O�H ¥¥¥ N-Wasserstoffbr¸cke gebildet wird. Mittleregeometrische Parameter aus einer CSD-Analyse (n� 32) f¸r O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken: d� 1.68(1) ä, D� 2.65(1) ä, �� 171(1)� ; f¸r C�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken: d� 2.53(3) ä, D� 3.35(2) ä, �� 27(1)�.[10c]

7. Sehr starke Wasserstoffbr¸cken

Anders als m‰˚ig starke und schwache Wasserstoffbr¸ckensind die sehr starken Spezies quasikovalent[28] und verdieneneine eigene Diskussion. Wenn man die Wasserstoffbr¸cke alsbeginnende Protonentransferreaktion ansieht, stellt einem‰˚ig starke Wasserstoffbr¸cke ein Fr¸hstadium und einestarke Wasserstoffbr¸cke ein fortgeschrittenes Stadium einersolchen Reaktion dar. Es ist anzumerken, dass bei dieserInterpretation Wasserstoffbr¸cken mit dominant ionischerund nur m‰˚ig kovalenter Natur nicht als πstark™ klassifiziertwerden, obwohl ihre Dissoziationsenergie hoch ist (�NH3

� ¥ ¥ ¥Cl� etc.). Stattdessen kˆnnte man sie als ionische Wechsel-wirkungen mit einer zus‰tzlichen m‰˚ig starken Wasserstoff-br¸cke bezeichnen.Die Untersuchung der starken Wasserstoffbr¸cken wurde

zun‰chst durch Schwingungsspektroskopie von Lˆsungenvorangetrieben[44, 104, 126] und wurde erst vor wenigen Jahrenvon Strukturchemikern wiederentdeckt. Ein zentraler Befundder spektroskopischen Untersuchungen ist der, dass sehrstarke Wasserstoffbr¸cken nur gebildet werden, wenn diepKa-Werte der Partner in geeigneter Weise zusammenpassen.Wenn die pKa-Werte sehr verschieden sind, bilden sichentweder m‰˚ig starke X�H ¥¥¥Y- oder ionische X� ¥ ¥ ¥H�Y�-Wasserstoffbr¸cken, und beide sind nicht sehr kova-lent. Der quasikovalente Fall kommt in einem gewissenπkritischen™ �pKa-Bereich vor, dessen numerische Charakte-ristika vom jeweiligen System abh‰ngen (tabelliert z.B. inLit. [126]). Nun ist aber der pKa-Wert eine Eigenschaft inLˆsung, die in Kristallen noch nicht einmal definiert ist, undseine Beziehungen zu Wasserstoffbr¸cken (und verwandteBeziehungen ¸ber das Zusammenpassen von Protonenaffini-t‰ten) kˆnnen nicht in allgemeiner Weise auf den Festkˆrper-zustand ¸bertragen werden. Eine polare Umgebung beg¸ns-tigt eine polare Form der Wasserstoffbr¸cke, und eineWasserstoffbr¸cke, die etwa in CCl4-Lˆsung quasikovalentist, kann in einer polaren Umgebung im Kristall durchausionisch werden. In einer unpolaren Kristallumgebung kannsie aber in einem ‰hnlichen Zustand wie in unpolarer Lˆsungbleiben.In diesem Zusammenhang sind Verbindungen mit einer

unpolaren Oberfl‰che interessant, die eine einzelne Wasser-stoffbr¸cke mehr oder weniger im Inneren verborgen haben.Die Eigenschaften einer solchen Wasserstoffbr¸cke kˆnnendann in Lˆsung und im Festkˆrper erstaunlich gut ¸berein-stimmen. Ein Beispiel daf¸r sind Addukte von Pentachlor-phenol und Pyridinen, f¸r die der �pKa-Wert den Protonie-rungszustand auch im Kristall bestimmt (Abbildung 25).[104]

Abbildung 25. Zusammenhang zwischen �pKa und den IR-spektroskopi-schen O/N-H-Streckfrequenzen in kristallinen Addukten aus Pentachlor-phenol und Aminen. Die Symbole � zeigen Ausrei˚er, die vermutlichdurch Kristallpackungseffekte verursacht sind. Sehr starke Wasserstoff-br¸cken kommen nur in einem bestimmten πkritischen Bereich™ von�pKa-Werten vor.[104a]

StarkeWasserstoffbr¸cken kˆnnen in verschiedene Klasseneingeteilt werden. Am besten bekannt ist die Kombinationvon S‰uren mit ihrer konjugaten Base (Schema 20). Hierstimmen die pKa-Werte offensichtlich genau ¸berein,und Protonentransfer f¸hrt zu einer chemisch ‰quivalen-ten Situation (X�H ¥¥¥ X��X� ¥ ¥ ¥ H�X oder X��H ¥¥¥ X�X ¥¥¥H�X�). Gilli et al. nannten diese Kategorien πnegativ™und πpositiv ladungsunterst¸tzte Wasserstoffbr¸cken™ undtrugen die strukturellen und teilweise auch spektroskopischenEigenschaften zahlreicher Beispiele zusammen.[28, 46, 116] Star-ke Wasserstoffbr¸cken dieser Art werden sowohl inter- alsauch intramolekular leicht gebildet. Beispiele f¸r intramole-kulare Br¸cken findet man in Hydrogenmaleat- und Hydro-genphthalationen,[128] und den Kationen der so genanntenProtonenschw‰mme.[129]

R

O H

O

O

O

R

O H

H

O

H

S H SF H F

N

O O

N

H

OH

O

H

H

P

O O

P

N NN N

P

O H O

P

H

H

H

H

H

+_

_

_

+

_

+

__

+

+

+

Schema 20. Beispiele von starken Wasserstoffbr¸cken zwischen S‰urenund ihrer konjugaten Base.

74 Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80

Page 26: Die Wasserstoffbrücke im Festkörper

AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

Auch in Systemen mit resonanzunterst¸tzen Wasserstoff-br¸cken (RAHB), wie etwa den �-Diketon-Enolen, f¸hrtProtonentransfer zu einer ‰quivalenten Situation (Abbil-dung 22). RAHB ermˆglicht damit Bildung von sehr starkenWasserstoffbr¸cken in ungeladenen Systemen.[28] Substituen-ten an den C-Atomen kˆnnen die chemische Symmetriestˆren und neigen daher dazu, die Wasserstoffbr¸cke zuschw‰chen. Als Beispiel einer genauen Fallstudie sei auf dieNeutronenkristallstruktur von Nitromalonamid verwiesen.[130]

Chemisch nicht verwandte Partner kˆnnen starke Wasser-stoffbr¸cken nur dann bilden, wenn ihre pKa-Werte zumin-dest grob ¸bereinstimmen. Ein Beispiel daf¸r sind Adduktevon Carbons‰uren und N-Oxiden. Durch geeignete chemi-sche Substitutionen kˆnnen diese Systeme zu molekularenAddukten des Typs O�C�O�H ¥¥¥O��N� gemacht werden,zu ionischen Addukten �CO2

� ¥ ¥ ¥ H�O�N� oder auch demdazwischen liegenden quasikovalenten Fall, bei dem dasH-Atom in der Mitte zwischen den beiden O-Atome liegt.Der letzte Fall kommt nicht nur inter-, sondern auchintramolekular vor (Schema 21), mit O ¥¥¥O-Abst‰nden bishinab zum k¸rzestmˆglichen Wert von 2.39 ä.[131, 132]

N

O O

O

H

N

O H O

O

Cl

Cl

Cl

O ··· O = 2.435

a)

O ··· O = 2.430

1.284

b)

1.148

+

_

+

_

Schema 21. Sehr kurze O-H-O-Wasserstoffbr¸cken zwischen Carbons‰u-ren und N-O-Gruppen. a) Intramolekulare Wasserstoffbr¸cke in Picolin-s‰ure-N-oxid.[131] b) Intermolekulare Wasserstoffbr¸cke im Addukt ausPyridin-N-oxid und Trichloressigs‰ure[132] (Zahlenwerte aus einer Neu-tronendiffraktionsstudie[132b]).

Man kennt nicht allzu viele Beispiele von starken odersogar geometrisch zentrierten Wasserstoffbr¸cken zwischenverschiedenen Atomtypen. Obwohl sehr kurze N-H-O-Was-serstoffbr¸cken in einer Reihe von Systemen spektroskopischvorhergesagt worden sind,[126] wurde das erste Beispiel inKristallen erst k¸rzlich f¸r das Addukt von Pentachlorphenolund 4-Methylpyridin mit Neutronendiffraktion gefunden(Abbildung 26).[93] Schon sehr kleine chemische Variationendieses Systems f¸hren zum Verlust der Symmetrie und zurBildung entweder molekularer O�H ¥¥¥ N- oder ionischer O� ¥¥ ¥ H�N�-Wasserstoffbr¸cken.[133]

8. Schwache und ungewˆhnlicheWasserstoffbr¸cken

In den letzten Jahren standen die schwachen und unge-wˆhnlichen Arten im Mittelpunkt der Untersuchung vonWasserstoffbr¸cken. Diese Arbeiten sind bereits in einigen‹bersichtsartikeln und einem Buch[8] zusammengefasst wor-den und brauchen daher nicht mehr im Detail besprochen zuwerden. Der nachfolgende Abschnitt wird deshalb nur sehr

Abbildung 26. Erstes Beispiel einer O-H-N-Wasserstoffbr¸cke mit einerzentrischen Lage des Protons: Pentachlorphenol/4-Methylpyridin bei100 K (O ¥¥¥ N� 2.51 ä; Neutronendiffraktionsstudie).[93]

kurz durch die gro˚e Menge der modernen Literatur zumThema f¸hren.Von allen schwachen Wasserstoffbr¸cken sind die mit C-H-

Gruppen als Donoren am besten untersucht worden. Fr¸herwurden sie als πungewˆhnlich™ oder πnichtkonventionell™angesehen, werden heute aber in den meisten Gebieten derStrukturchemie und -biologie als recht πnormal™ diskutiert.Die Dissoziationsenergien liegen etwa im Bereich 0.4 ±4 kcalmol�1, meist�2 kcalmol�1. Am unteren Ende der Skalagehen die C�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken in die Van-der-Waals-Wechselwirkungen ¸ber. Das obere Ende der Skalamit starken Wechselwirkungen ist noch nicht gut erforscht;man kann aber ohne weiteres C�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸ckenvorhersagen, die unter Beteiligung von sehr aciden C-H-Donoren oder sehr basischen Acceptoren st‰rker als4 kcalmol�1 sind. Viele Eigenschaften von C�H ¥¥¥O/N/Hal-Wechselwirkungen wurden schon in den vorhergehendenAbschnitten diskutiert (Tabellen 1 ± 3; Abbildungen 2, 8, 23;Schemata 10, 19). C�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken in biologi-schen Systemen wurden ebenfalls intensiv behandelt.[134] ZumGesamtgebiet gibt es einige ‹bersichtsartikel.[81, 135±137]

Als weiterer Typ von schwachenWasserstoffbr¸cken sind inden letzten Jahren solche mit �-Acceptoren h‰ufig untersuchtworden (��Ph, C�C, C�C, Py, Im etc.; siehe Tabellen 1 ± 3,Abbildung 10). F¸r starke O/N-H-Donoren sind die Dissozia-tionsenergien mit etwa 2 ± 4 kcalmol�1 hˆher als f¸r C�H ¥¥¥A-Br¸cken und kˆnnen bei geladenen Donoren ¸ber15 kcalmol�1 liegen. Im letzteren Fall liegt die X�H ¥¥¥�-Wasserstoffbr¸cke im Grenzbereich zur Kation-�-Wechsel-wirkung (siehe Abschnitt 2.6). X�H ¥¥¥�-Wasserstoffbr¸ckenkommen in vielen Gebieten der Strukturchemie und -biologievor, und es gibt einige moderne ‹bersichtsartikel, die einegenauere Diskussion ¸berfl¸ssig machen.[8, 27k, 138] Als repr‰-sentatives Beispiel ist in Abbildung 27 eine N�H ¥¥¥�-Was-serstoffbr¸cke gezeigt, die einen 310-Turn in einem Proteinstabilisiert.[80]

X�H ¥¥¥�-Wechselwirkungen mit C-H-Donoren sind inter-essant, da C-H-Gruppen einen weiten Bereich von Polarit‰-ten ¸berstreichen. Mit aciden Donoren wie C�C-H hat dieC�H ¥¥¥�-Wechselwirkung die spektroskopischen Eigenschaf-ten einer πrichtigen™ Wasserstoffbr¸cke,[139] und berechneteEnergien liegen im Bereich von 2 ± 3 kcalmol�1 (Tabelle 1).

Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80 75

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AUFSæTZE T. Steiner

Abbildung 27. Beispiel einer N�H ¥¥¥�(Ph)-Wasserstoffbr¸cke in einemProtein, die einen 310-Turn stabilisiert. Es wurden viele verwandteWasserstoffbr¸cken bei der Stabilisierung von Sekund‰rstrukturelementengefunden.[80]

C�C-H ist eine besonders interessante Gruppe, da sie gleich-zeitig Donor und Acceptor sein kann. Das kann zur Bildungvon Wasserstoffbr¸ckenketten und -ringen f¸hren, C�C�H ¥¥¥C�C�H ¥¥¥ C�C�H oder O�H ¥¥¥ C�C�H ¥¥¥O�H, die zu vonO�H-Gruppen gebildeten Ketten und Ringen topologisch‰quivalent sind.[8, 50, 139, 140]

Mit fallender C-H-Polarit‰t beh‰lt die Wechselwirkungzwar ihre strukturbestimmende Eigenschaft, aber es wird zueiner Ansichtssache, ob sie immer noch πWasserstoffbr¸cke™genannt werden sollte.[8] Nach der in Abschnitt 2.1 vorge-schlagenen Definition w‰re dies gerechtfertigt, solange f¸rC-H die Eigenschaft als Protonendonor nachgewiesen werdenkann. Auch wenn die Definition gro˚z¸gig ausgelegt wird,gehˆren (Ph)C�H ¥¥¥ Ph- und �CH3 ¥¥ ¥ Ph-WechselwirkungenzumGrenzbereich der Wasserstoffbr¸cke. Das Ph‰nomen derπCH/�-Wechselwirkung™ in der organischen und biologischenChemie wurde von Nishio et al. auf interessante Weiseuntersucht und zusammengefasst.[141, 142] Auch f¸r S-H-Grup-pen wurden Wasserstoffbr¸cken zu �-Acceptoren gefunden,aber die Dissoziationsenergien sind mit �1 kcalmol�1 an-scheinend sehr niedrig.[143]

In Strukturen von metallorganischen Verbindungen wur-den Wasserstoffbr¸cken mit Metallhydriden als Donoren,M�H ¥¥¥A, und ‹bergangsmetallatomen als Acceptoren,X�H ¥¥¥M, gefunden.[8, 68, 144] Die πDiwasserstoffbr¸cke™ (πdi-hydrogen bond™) wird zwischen einer protischen X-H- undeiner hydridischen H-Y-Gruppe gebildet, X���H�� ¥ ¥ ¥H���Y��, wie etwa zwischen N-H und H-B.[145] Viele andereSonderf‰lle von Wasserstoffbr¸cken wurden in Kristallstruk-turen gefunden[8] und/oder theoretisch untersucht.[146] DieRolle von organischem Fluor als Wasserstoffbr¸ckenacceptorist dabei besonders interessant.[27q, 67, 147]

Schlie˚lich m¸ssen noch X-H-Gruppen mit umgekehrterPolarit‰t erw‰hnt werden, X���H��. Diese kˆnnen gerichteteWechselwirkungen X���H�� ¥ ¥ ¥ A�� bilden, die in vieler Hin-sicht normalen Wasserstoffbr¸cken ‰hnlich sind. Da X-Hnicht als Protonendonor wirkt, ist der Begriff πWasserstoff-br¸cke™ wie in Abschnitt 2.1 definiert hier aber nichtzutreffend. Der alternative Begriff πinverse Wasserstoff-

br¸cke™, der in einer theoretischen Arbeit vorgeschla-gen wurde,[148] beschreibt die chemische Situation rechttreffend.

9. Das Konzept der Bindungsordnungen

Die Vorstellung einer mehr oder wenig strengen Beziehungzwischen Bindungsl‰nge und πBindungsordnung™ oder πBin-dungsvalenz™ s geht auf Pauling zur¸ck.[3] Es wurden ver-schiedene Ausdr¸cke f¸r s� f(d) vorgeschlagen,[149, 150] aberder immer noch beliebteste ist Paulings exponentielle Bezie-hung [Gl. (1)],

s � exp[(d0�d)/b] (1)

in der d0 die L‰nge einer Einfachbindung mit s� 1 und beine Konstante ist (meist ca. 0.37 ä[149]). Die Regel derErhaltung der Bindungsordnung besagt, dass f¸r jede Atom-sorte die Summe der Bindungsordnungen (�s) in allenBindungssituationen konstant ist (z.B. �s� 4 f¸r C, �s� 2f¸r O etc.).In einer Wasserstoffbr¸cke X�H ¥¥¥A gibt es zwei chemi-

sche Bindungen, X�H und H ¥¥¥A, und die Summe ihrerBindungsordnungen muss 1 sein, also sXH � sHA� 1. Zusam-men mit Gleichung (1) folgt daraus eine Beziehung zwischenden X�H- und H ¥¥¥A-Bindungsl‰ngen. F¸r den homonuc-learen Fall, X�A, wird dies durch Gleichung (2) ausge-dr¸ckt:

rXH � r0�b ln {1� exp[(r0� rHX)/b]} (2)

In gegabelten Wasserstoffbr¸cken (Schema 2) m¸ssen dieBindungsordnungen aller H ¥¥¥A-Komponenten in der Sum-me �s� 1 mitgez‰hlt werden. Die Parameter r0 und b kˆnnendurch Anpassung von Gleichung (2) an experimentelle Struk-turdaten erhalten werden,[31a] wie etwa an die in Abbildung 14gezeigten. F¸r O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken liefern dieWerte r0� 0.928 ä und b� 0.393,[36, 92] eine gute Anpassung¸ber den ganzen Abstandsbereich (durchgezogene Linie inAbbildung 14a; es gibt leichte aber systematische Abweich-ungen bei langen Abst‰nden, die nur durch Anwendung einerkomplizierteren Modellfunktion behoben werden kˆnnen).In Tabelle 7 sind die so erhaltenen Bindungsordnungen s f¸r

76 Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80

Tabelle 7. Bindungsordnungen von O-H- und H ¥¥¥O-Bindungen gem‰˚Gleichung (1) unter Verwendung der Parameter r0,OH� 0.927 ä, bOH�0.395 ä.[92]

O�H s H ¥¥¥O s

0.97 0.90 1.20 0.500.98 0.87 1.30 0.390.99 0.85 1.40 0.301.0 0.83 1.50 0.231.02 0.79 1.60 0.181.04 0.75 1.70 0.141.06 0.71 1.80 0.111.08 0.69 1.90 0.081.10 0.65 2.00 0.071.15 0.57 2.20 0.041.20 0.50 2.40 0.02

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AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

O-H- und H ¥¥¥O-Bindungen ¸ber einen gro˚en L‰ngenbe-reich angegeben. Es ist interessant, dass die H ¥¥¥O-Bindungs-ordnung in einer Wasserstoffbr¸cke mit d� 1.8 ä bereitsrecht hoch ist, sHO� 0.11. Entsprechend ist die der O-H-Bindung auf nur 0.89 verringert. Dies kann man als Zeicheneines signifikanten kovalenten Beitrags auch zu m‰˚igstarken Wasserstoffbr¸cken werten. Ein solcher kovalenterBeitrag zu den Wasserstoffbr¸cken in Eis wurde k¸rzlich mitCompton-Streumethoden untersucht (eine Arbeit, die aller-dings auch kritisiert wurde).[151]

F¸r N�H ¥¥¥N-Wasserstoffbr¸cken gibt es viel wenigerexperimentelle Daten; insbesondere ist der zentrale Bereichder entsprechenden Korrelation in Abbildung 14a nicht mitDatenpunkten besetzt. Die Parameter r0,NH� 0.996 ä undbNH� 0.381 sind daher weniger zuverl‰ssig, und man solltenicht erwarten, dass sie kurze Wasserstoffbr¸cken besondersgenau beschreiben.[94] Aus den gleichen Gr¸nden sind auchf¸r heteronucleare Wasserstoffbr¸cken die entsprechendenParamter relativ ungenau.[36]

Mit dem Konzept der Bindungsordnungen kann man auchEinfl¸sse von Wasserstoffbr¸cken auf die Nichtwasserstoff-ger¸ste verstehen und oft sogar brauchbare numerischeAbsch‰tzungen machen. Zum Beispiel erfordert die Erhal-tung der Bindungsordnung in C�O�H ¥¥¥O�C-Wasserstoff-br¸cken, dass die O�C-Bindung um den Betrag sHO ge-schw‰cht und entsprechend verl‰ngert ist.[152]

F¸r kovalente Bindungen ist s proportional zur Elektro-nendichte am Bindungs-kritischen Punkt, �BCP.[39a] In O�H ¥¥¥O-Wasserstoffbr¸cken h‰ngen sowohl �BCP als auch s expo-nentiell von d ab [Abbildung 3 und Gleichung (1)], unddaraus m¸sste folgen, dass eine Beziehung s� �BCP zumindestn‰herungsweise erf¸llt ist.

10. Zusammenfassung und Ausblick

In diesem Aufsatz wurde ein ‹berblick ¸ber die Wasser-stoffbr¸cke im Festkˆrper mit dem Schwerpunkt auf denStruktureigenschaften gegeben. Allein wegen des Umfangsder verˆffentlichten Literatur muss sich der Text auf dieGrundlagen konzentrieren. Es wurde gezeigt, dass die Was-serstoffbr¸cke ein sehr breit gef‰chertes Ph‰nomen darstellt :Es gibt Dutzende verschiedener X�H ¥¥¥A-Wechselwirkun-gen, die h‰ufig in den kondensierten Phasen vorkommen, undzus‰tzlich gibt es sehr viele weniger h‰ufige. Die Dissozia-tionsenergien ¸berstreichen mehr als zwei Grˆ˚enordnungen,0.2 ± 40 kcalmol�1. Innerhalb dieses Bereichs ist die Natur derWechselwirkung nicht konstant, sondern beinhaltet elektro-statische, kovalente und dispersive Beitr‰ge mit ver‰nderli-chen relativen Gewichten. Die Komplexit‰t wird durchBereiche des ‹bergangs zu anderen Wechselwirkungenerhˆht ± Grauzonen, die keine klare Abgrenzung zurkovalenten Bindung, zur Van-der-Waals-, zur ionischen undzur Kation-�-Wechselwirkung zulassen.Es ist immer schwierig, in die Zukunft eines komplexen

Gebietes zu schauen; manchmal hilft dabei ein kurzerhistorischer R¸ckblick. Das Gebiet der Wasserstoffbr¸ckenhat sich nicht kontinuierlich entwickelt, sondern erlebtePerioden schneller Entwicklung und Perioden der Stagnation.

Vor allem in den 1980er Jahren erschien das Gebiet vielenAutoren als mehr oder weniger abgeschlossen. Um 1990ˆffnete sich das Gebiet wieder und ist seither in schnellerBewegung. Der gegenw‰rtige Boom h‰ngt mit dem breitenSpektrum der Sparten zusammen, in denen Wasserstoff-br¸cken eine Rolle spielen: Materialwissenschaft, Anorgani-sche und Organische Chemie, Biologie und Pharmazie. Inkeinem dieser Gebiete wurde die Wasserstoffbr¸cke bisherwirklich zufriedenstellend erforscht, und insbesondere wurdenoch kein Niveau erreicht, das eine Kontrolle der Wechsel-wirkung ermˆglichen w¸rde (vielleicht mit der Ausnahmeeiniger Aspekte des Kristall-Engineerings). Vor diesem Hin-tergrund kann man das n‰chste Ziel angeben: Es mussversucht werden, Kontrolle ¸ber Wasserstoffbr¸cken zugewinnen. Daf¸r sind die geeigneten Werkzeuge noch inallen oben aufgez‰hlten Sparten zu entwickeln.

Ich mˆchte den vielen Koautoren meiner anderen Verˆffent-lichungen ¸ber Wasserstoffbr¸cken danken. Es w‰ren zu vieleNamen einzeln aufzuz‰hlen, insgesamt ¸ber 50, sodass ich nureinige erw‰hne: G. R. Desiraju, G. Koellner, J. Kroon, W.Saenger und J. L. Sussman. Im Lauf der Jahre haben einigeInstitutionen finanzielle Unterst¸tzung geleistet, und ich mˆch-te hier insbesondere der Deutschen Forschungsgemeinschaftund der Minerva-Gesellschaft danken. Ein Gutachter diesesAufsatzes hat eine ungewˆhnlich gro˚e Anzahl von hilfreichenVerbesserungsvorschl‰gen gegeben. Ich mˆchte diesem ano-nymen Kollegen f¸r die sehr sorgf‰ltige Lekt¸re und die vieleaufgewendete Zeit danken.

Eingegangen am 6. M‰rz 2001 [A456]

[1] Die Entdeckung der Wasserstoffbr¸cke kann keinem einzelnenAutor zugesprochen werden, und es gibt keine bestimmte πErst-verˆffentlichung™. Die relevanten Vorstellungen wurden langsam ineiner Reihe von spezialisierten Artikeln entwickelt, die ab demBeginn des 20. Jahrhunderts vor allem in der deutschen und eng-lischen Fachliteratur zu erscheinen begannen. Die weit reichendeBedeutung der Wasserstoffbr¸cke wurde aber noch nicht erkannt.Allgemeinere Studien und klare Konzepte wurden seit den 1920erJahren verˆffentlicht, und die Pionierrollen werden ¸blicherweiseLatimer und Rodebush, Huggins sowie Pauling zugesprochen. Biszum Ende der 1930er Jahre war ein πklassisches™ Bild der Wasser-stoffbr¸cke entstanden, das dann etwa ein halbes Jahrhundert langdas Feld bestimmte. Die Untersuchung von Wasserstoffbr¸ckenerlebte in den 1950er und 1960er Jahren einen Hˆhepunkt, dem einerelative Stagnation von der Mitte der 1970er bis in die sp‰ten 1980erJahre folgte. Um das Jahr 1990 efolgte ein intensives Wiederauflebender Forschung. Die theoretischen Konzepte wurden lange vonCoulsons Aufteilung in Resonanzformen dominiert, die sp‰ter durchmoderne quantenchemische Modelle ersetzt wurden. Historische‹berblicke kˆnnen in den im Folgenden zitierten B¸chern gefundenwerden.[2±9]

[2] G. C. Pimentel, A. L. McClellan, The Hydrogen Bond, Freeman, SanFrancisco, 1960.

[3] L. Pauling, The Nature of the Chemical Bond, 3rd ed., CornellUniversity Press, Ithaca, 1963.

[4] W. C. Hamilton, J. A. Ibers, Hydrogen Bonding in Solids, Benjamin,New York, 1968.

[5] G. A. Jeffrey, W. Saenger, Hydrogen Bonding in Biological Structu-res, Springer, Berlin, 1991.

[6] G. A. Jeffrey, An Introduction to Hydrogen Bonding, OxfordUniversity Press, Oxford, 1997.

[7] S. Scheiner, Hydrogen Bonding. A Theoretical Perspective, OxfordUniversity Press, Oxford, 1997.

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AUFSæTZE T. Steiner

[8] G. R. Desiraju, T. Steiner, The Weak Hydrogen Bond in StructuralChemistry and Biology, Oxford University Press, Oxford, 1999.

[9] Monographien: a) The Hydrogen Bond (Hrsg.: D. Hadzi), Perga-mon, New York, 1957; b) The Hydrogen Bond. Recent Developmentsin Theory and Experiment, Vols. 1 ± 3 (Hrsg.: P. Schuster, G. Zundel,C. Sandorfy), North-Holland, Amsterdam, 1976 ; c) TheoreticalTreatments of Hydrogen Bonding (Hrsg.: D. Hadzi), Wiley, Chiche-ster, 1997.

[10] F¸r diesen Aufsatz wurde Datenbankinformationen aus der Cam-bridge Structural Database (CSD; F. H. Allen, O. Kennard, Chem.Des. Autom. News 1993, 8, 1) zusammengestellt : Update 5.20(Oktober 2000) mit 224400 Eintr‰gen, geordnete und fehlerfreieorganische und metallorganische Kristallstrukturen mit R-Werten�0.06 und normalisierten X-H-Bindungsl‰ngen. Standardunsicher-heiten von Mittelwerten wurden nur berechnet f¸r n� 5. Geome-trische Grenzwertkriterien wurden wie folgt angewendet:a) Tabellen 3, 5, 6: f¸r X�O, N: d� 2.4 ä; f¸r X� S, C: d� 2.8 ä,�� 135�. b) Tabelle 4: d(O/N/F�/F-X�/F-‹M)� 2.4 ä, d(S/Se/Cl�/Cl-X�/Cl-‹M) �2.8 ä, d(Br�/Br-‹M)� 3.0 ä, d(I�/I-‹M/Cl-C)�3.2 ä, d(�)� 3.0 ä, wobei � das Zentroid der �-Bindung darstellt(‹M�‹bergangsmetallatom); Winkel � in allen F‰llen �135�.c) Schemata 4 und 19: d� 3.0 ä, �� 90�. d) Schema 6: d� 2.4 ä, ��90�, n� 26. e) Schema 7: Neutronendiffraktionsdaten, R� 0.08, d�2.4 ä, n� 7. Standardunsicherheiten/abweichungen betragen ca.0.003 ä und 0.4� f¸r Werte, die kein H-Atom betreffen.f) Abbildung 20: nur 4-Me-Py-Acceptoren.

[11] Die immer noch popul‰rste Quelle von Van-der-Waals-Radien ist einArtikel von A. Bondi, J. Phys. Chem. 1964, 68, 441 ± 451, der Wertevon 1.2 ä f¸r H, 1.52 ä f¸r O, 1.55 ä f¸r N, 1.70 ä f¸r C, 1.75 ä f¸r Clund 1.80 ä f¸r S angibt. Die Summe der Van-der-Waals-Radienbetr‰gt dann z.B. 2.72 ä f¸r H ¥¥¥O. In einer neuen Untersuchung aufder Basis von Kristallstrukturdaten wurden sehr ‰hnliche Werteerhalten, nur f¸r das H-Atom wurde ein etwas kleinerer Radius von1.1 ä gefunden (R. S. Rowland, T. Taylor, J. Phys. Chem. 1996, 100,7384 ± 7391).

[12] G. R. Desiraju, Angew. Chem. 1995, 107, 2541 ± 2558; Angew. Chem.Int. Ed. Engl. 1995, 34, 2311 ± 2327.

[13] a) G. R. Desiraju, Crystal Engineering. The Design of Organic Solids,Elsevier, Amsterdam, 1989 ; b) G. R. Desiraju, Chem. Commun.1997, 1475 ± 1482.

[14] Der Begriff πKristall-Engineering™ wurde von Gerhard Schmidt amWeizmann Institute of Science gepr‰gt. Er arbeitete an der Kon-struktion von Kristallpackungen mit dem Ziel, reaktive Gruppen imKristall so anzuordnen, dass eine topochemische Reaktion stattfin-den kann. Als ‹bersichtartikel ist zu empfehlen: G. M. J. Schmidt,Pure Appl. Chem. 1971, 27, 647 ± 678.

[15] a) L. Leiserowitz, Acta Crystallogr. Sect. B 1976, 32, 775 ± 802; b) Z.Berkovitch-Yellin, L. Leiserowitz, J. Am. Chem. Soc. 1982, 104,4052 ± 4064; c) J. Bernstein, M. C. Etter, L. Leiserowitz in StructureCorrelation, Vol. 2 (Hrsg.: H.-B. B¸rgi, J. D. Dunitz), VCH, Wein-heim, 1994, S. 431 ± 507; d) I. Weissbuch, R. Popovitz-Biro, M. Lahav,L. Leiserowitz, Acta Crystallogr. Sect. B 1995, 51, 115 ± 148.

[16] a) J. C. McDonald, G. M. Whitesides, Chem. Rev. 1994, 94, 2383 ±2420; b) C. B. Aakerˆy, Acta Crystallogr. Sect. B 1997, 53, 569 ± 583;c) L. R. McGillivray, J. L. Atwood, Angew. Chem. 1998, 110, 1029 ±1031; Angew. Chem. Int. Ed. 1998, 38, 1019 ± 1034; d) M. J. Zawor-otko, Chem. Commun. 2001, 1 ± 9.

[17] L. N. Kuleshova, P. M. Zorkii, Acta Crystallogr. Sect. B 1980, 36,2113 ± 2115.

[18] a) M. C. Etter, Acc. Chem. Res. 1990, 23, 120 ± 126; b) M. C. Etter,J. C. MacDonald, J. Bernstein, Acta Crystallogr. Sect. B 1990, 256 ±262; c) W. D. S. Motherwell, G. P. Shields, F. H. Allen, Acta Cry-stallogr. Sect. B 1999, 55, 1044 ± 1056.

[19] J. Bernstein, R. E. Davis, L. Shimoni, N.-L. Chang, Angew. Chem.1995, 107, 1689 ± 1708; Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 1995, 34, 1555 ±1573.

[20] a) A. K. Rappe¬, E. R. Bernstein, J. Phys. Chem. A 2000, 104, 6117 ±6128; b) K. M¸ller-Dethlefs, P. Hobza, Chem. Rev. 2000, 100, 143 ±167; c) M. J. Calhorda, Chem. Commun. 2000, 801 ± 809.

[21] In der sogenannten Van-der-Waals-Definition derWasserstoffbr¸cke(van der Waals tr‰gt hierf¸r keine Verantwortung) wird gefordert,dass der H ¥¥¥A-Abstand (oder der X ¥¥¥A-Abstand) k¸rzer als die

Summe der Van-der-Waals-Radien ist. F¸r X�H ¥¥¥O-Wechselwir-kungen bedeutet das etwa: H ¥¥¥O� 2.6 ± 2.7 ä.[11] Bei diesem Ab-stand soll die Wechselwirkung vom πWasserstoffbr¸cken-Typ™ zumπVan-der-Waals-Typ™ ¸bergehen. Die Definition ist grunds‰tzlichfalsch und irref¸hrend:[5, 6] Das elektrostatische Feld von Dipolen(oder von ganzen Ladungen, wenn Ionen beteiligt sind), endet nichtbei irgendeiner kritischen Grenze, und die Wasserstoffbr¸cke kannauch bei Abst‰nden experimentell nachgewiesen werden, diewesentlich grˆ˚er als die Summe der Van-der-Waals-Radien sind.[8]

Die Rezeption des Van-der-Waals-Abstandskriteriums im Kontextder Wasserstoffbr¸cken-Diskussion ist sogar f¸r die Naturwissen-schaft imAllgemeinen von historischem Interesse. Sie ist ein Beispieldaf¸r, dass sich ein Konzept ohne jede experimentelle Basis ¸berJahrzehnte in der Fachliteratur halten und sogar zu einer Art Dogmaaufsteigen kann. Im grˆ˚ten Teil der Literatur ¸ber Wasserstoff-br¸cken im Zeitraum von 1970 bis 1990 wird das Konzept unkritischals die πnat¸rliche™ Definition der Wasserstoffbr¸cke verwendet,obwohl weder experimentelle noch theoretische Beweise verf¸gbarwaren. Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass diese Definitionallm‰hlich aus der Literatur verschwindet.

[22] T. Steiner, G. R. Desiraju, Chem. Commun. 1998, 891 ± 892.[23] J. D. Dunitz, A. Gavezzotti, Acc. Chem. Res. 1999, 32, 677 ± 684.[24] K. Morokuma, Acc. Chem. Res. 1977, 10, 294 ± 300.[25] A. E. Reed, L. A. Curtiss, F. Weinhold, Chem. Rev. 1988, 88, 899 ±

926.[26] D. S. Coombes, S. L. Price, D. J. Willock, M. Leslie, J. Phys. Chem.

1996, 100, 7352 ± 7360.[27] a) S. Gronert, J. Am. Chem. Soc. 1993, 115, 10258 ± 10266; b) J. E.

Del Bene, M. J. Frisch, J. A. Pople, J. Phys. Chem. 1988, 89, 3669 ±3674; c) J. E. Del Bene, J. Phys. Chem. 1988, 92, 2874 ± 2880; d) W.-L.Zhu, X.-J. Tan, C. M. Puah, J.-D. Gu, H.-L. Jiang, K.-X. Chen, C. E.Felder, I. Silman, J. L. Sussman, J. Phys. Chem. A 2000, 104, 9573 ±9580; e) T. Neuheuser, B. A. Hess, C. Reutel, E. Weber, J. Phys.Chem. 1994, 98, 6459 ± 6467; f) Y. Gu, T. Kar, S. Scheiner, J. Am.Chem. Soc. 1999, 121, 9411 ± 9422; g) M. W. Feyereisen, D. Feller,D. A. Dixon, J. Phys. Chem. 1996, 100, 2993 ± 2997; h) L. Turi, J. J.Dannenberg, J. Phys. Chem. 1993, 97, 7899 ± 7909; i) S. Tsuzuki, K.Honda, T. Uchimaru, M.Mikami, K. Tanabe, J. Am. Chem. Soc. 2000,122, 11450 ± 11458; j) I. Alkorta, S. Maluendes, J. Phys. Chem. 1995,99, 6457 ± 6460; k) J. F. Malone, C. M. Murray, M. H. Charlton, R.Docherty, A. J. Lavery, J. Chem. Soc. Faraday Trans. 1997, 93, 3429 ±3436; l) J. J. Novoa, F. Mota, Chem. Phys. Lett. 2000, 318, 345 ± 354;m) E. L.Woodbridge, T.-L. Tso,M. P. McGrath,W. J. Hehre, E. K. C.Lee, J. Chem. Phys. 1986, 85, 6991 ± 6994; n) T. van Mourik, F. B.van Duijneveldt, J. Mol. Struct. 1995, 341, 63 ± 73; o) J. J. Novoa, B.Tarron, M. H. Whangbo, J. M. Williams, J. Chem. Phys. 1991, 95,5179 ± 5186; p) M. M. Szczesniak, G. Chalasinski, S. M. Cybulski, P.Cieplak, J. Chem. Phys. 1993, 98, 3078 ± 3089; q) J. A. K. Howard,V. J. Hoy, D. O×Hagan, G. T. Smith, Tetrahedron 1996, 52, 12613 ±12622.

[28] P. Gilli, V. Ferretti, V. Bertolasi, G. Gilli, J. Am. Chem. Soc. 1994, 116,909 ± 915.

[29] J. C. Ma, D. A. Dougherty, Chem. Rev. 1997, 97, 1303 ± 132.[30] T. Steiner, S. A. Mason, Acta Crystallogr. Sect. B 2000, 56, 254 ± 260.[31] a) H.-B. B¸rgi, Angew. Chem. 1975, 87, 461 ± 475; H.-B. B¸rgi,

Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 1975, 14, 460 ± 474; b) H.-B. B¸rgi, J. D.Dunitz, Acc. Chem. Res. 1983, 16, 153 ± 161.

[32] F. A. Cotton, R. L. Luck, Inorg. Chem. 1989, 28, 3210 ± 3213.[33] C. B. Aakeroy, K. R. Seddon, Chem. Soc. Rev. 1993, 2, 397 ± 407.[34] F. H. Allen, Acta Crystallogr. Sect. B 1986, 42, 515 ± 522.[35] G. A. Jeffrey, L. Lewis, Carbohydr. Res. 1978, 60, 179 ± 182.[36] T. Steiner, J. Phys. Chem. A 1998, 102, 7041 ± 7052.[37] P. Coppens, X-Ray Charge Densities and Chemical Bonding, Oxford

University Press, Oxford, 1997.[38] Hier kann kein vollst‰ndiger ‹berblick ¸ber Ladungsdichtestudien

imKontext derWasserstoffbr¸cken gegeben, sondern nur eine kleineAuswahl von aktuellen Verˆffentlichungen vorgestellt werden:a) P. R. Mallison, K. Wozniak, C. C. Wilson, K. L. McCormack,D. S. Yufit, J. Am. Chem. Soc. 1999, 121, 4640 ± 4646; b) W. D.Arnold, L. K. Sanders, M. T. McMahon, A. V. Volkov, G. Wu, P.Coppens, S. R. Wilson, N. Godbout, E. Oldfield, J. Am. Chem. Soc.2000, 122, 4708 ± 4717; c) P. Macchi, B. Iversen, A. Sironi, B. C.

78 Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80

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AUFSæTZEH-Br¸cken im Festkˆrper

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b) B. T. G. Lutz, J. H. van der Maas, J. A. Kanters, J. Mol. Struct.1994, 325, 203 ± 214; c) ein aktualisiertes Schaubild ist in Lit. [8],S. 42, zu finden.

[48] S. Borycka, M. Rozenberg, A. M. M. Schreurs, J. Kroon, E. B.Starikov, T. Steiner, New J. Chem. 2001, 25, 1111 ± 1113.

[49] B. Lutz, J. A. Kanters, J. van der Maas, J. Kroon, T. Steiner, J. Mol.Struct. 1998, 440, 81 ± 87.

[50] Eine Modellstudie wurde am kristallinen Ethinylsteroid Mestranoldurchgef¸hrt, das zwei Molek¸le in der asymmetrischen Einheitenth‰lt. Trotz sehr ‰hnlicher C�C�H¥¥¥O-Wasserstoffbr¸ckenl‰n-gen (H ¥¥¥O� 2.44 und 2.48 ä) unterscheiden sich die ���CH-Werteder beiden Ethinylgruppen um einen Faktor von beinahe drei (21.3und 59.8 cm�1). Dies wird durch verschiedene Funktionen in einemheterogenen Wasserstoffbr¸ckennetzwerk erkl‰rt: Eine Ethinyl-gruppe ist Teil einer kooperativen und die andere Teil einerantikooperativen Anordnung (T. Steiner, B. Lutz, J. van der Maas,N. Veldman, A. M. M. Schreurs, J. Kroon, J. A. Kanters, Chem.Commun. 1997, 191 ± 192).

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Hobza, Phys. Chem. Chem. Phys. 2001, 3, 2555 ± 2556.[56] Korrelationen der chemischen Verschiebung (�(1H)) mit der O ¥¥¥O-

Bindungsl‰nge wurden von verschiedenen Autoren f¸r chemischverschiedene Systeme aufgestellt. Die Ergebnisse sind im Wesent-lichen immer die gleichen, sodass die Korrelation vermutlichuniverselle G¸ltigkeit hat. Beispiele sind in folgenden Artikeln zufinden: a) f¸r wasserhaltige Silicate: H. Eckert, J. P. Yesinowski,L. A. Silver, E. M. Stolper, J. Phys. Chem. 1988, 92, 2055 ± 2064;b) f¸r organische Molek¸le mit intramolekularen resonanzunter-st¸tzten Wasserstoffbr¸cken: V. Bertolasi, P. Gilli, V. Ferretti, G.Gilli, J. Chem. Soc. Perkin Trans. 2 1997, 945 ± 952; c) f¸r biologischeFestkˆrper: T. K. Harris, Q. Zhao, A. S. Mildvan, J. Mol. Struct. 2000,552, 97 ± 109.

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[58] Wasserstoffbr¸cken kˆnnen auf verschiedene Weise in drei St‰rke-kategorien eingeteilt werden, also mit unterschiedlich gezogenenGrenzen zwischen den und verschiedenen Namen f¸r die Katego-rien. In der Literatur findet man Bezeichnungen wie πsehr stark,stark, schwach™, πstark, moderat, schwach™ und πstark, schwach, sehrschwach™. Offensichtlich werden Wasserstoffbr¸cken zwischen z.B.Wassermolek¸len von manchen Autoren als recht πstark™ angese-

hen, w‰hrend andere sie f¸r ziemlich πschwach™ halten, je nachpersˆnlichem Interesse und Arbeitsgebiet. Mit einem allgemeinenBlick auf das Gesamtgebiet scheint es angemessen, Jeffrey[6] zufolgen und die Extrema der Skala πstark™ und πschwach™ zubenennen und den dazwischen liegenden Bereich mit einem Begriffwie πmoderat™. Es ist noch anzumerken, dass der chemischeUnterschied zwischen πstark™ (quasikovalente Bindung) und πmo-derat™ (haupts‰chlich elektrostatische Kr‰fte) grˆ˚er ist als derzwischen πmoderat™ (elektrostatisch) und πschwach™ (elektrosta-tisch/dispersiv).

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Wechselwirkunges wird kontrovers diskutiert: a) C. B. Aakerˆy,T. A. Evans, K. R. Seddon, I. Pa¬ linko, New J. Chem. 1999, 23,145 ± 152; b) P. K. Thallapally, A. Nangia, CrystEngComm 2001, 2 ± 7.

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dung 11a mit den ¸blichen statistischen Ma˚zahlen wie Mittelwert,Lage des Maximums, Standardabweichung und Bereich der mitt-leren 90% angemessen beschrieben werden. Die Verteilung inAbbildung 11b hat zwar ein klares Maximum, wenn aber der Anteilvon gegabelten Wasserstoffbr¸cken gro˚ ist, sind die anderenMa˚zahlen mehr oder weniger nutzlos. Zum Beispiel wird dernumerische Mittelwert stark vom gew‰hlten d-Grenzwert abh‰ngenund au˚erdem stichprobenabh‰ngig sein. Um numerische Daten vonallgemeiner Aussagekraft zu erhalten, ist es daher gerechtfertigt, sichauf relativ lineare Wasserstoffbr¸cken wie in Abbildung 11a zukonzentrieren (dabei darf man nicht vergessen, dass zus‰tzlich nochNebenkomponenten von gegabelten Wasserstoffbr¸cken gebildetwerden kˆnnen). Dies entspricht der Vorgehensweise, die dichtbesetzten Punktwolken aus Abbildung 7 auszuschneiden und nurdiese zu analysieren.

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Page 31: Die Wasserstoffbrücke im Festkörper

AUFSæTZE T. Steiner

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[146] I. Alkorta, I. Rozas, J. Elguero, Chem. Soc. Rev. 1998, 27, 163 ± 179.[147] J. D. Dunitz, R. Taylor, Chem. Eur. J. 1997, 3, 89 ± 98.[148] I. Rozas, I. Alkorta, J. Elguero, J. Phys. Chem. A 1997, 101, 4236 ±

4244.[149] I. D. Brown, Acta Crystallogr. Sect. B 1992, 48, 553 ± 572.[150] F. Mohri, Acta Crystallogr. Sect. B 2000, 56, 626 ± 638.[151] E. D. Isaacs, A. Shulka, P. M. Platzman, D. R. Hamann, B. Barbellini,

C. A. Rulk, Phys. Rev. Lett. 1999, 82, 600 ± 603. Es sollten jedoch auchdie kritischen Ansichten hierzu ber¸cksichtigt werden: A. H. Ro-mero, P. L. Silvestrelli, M. Parrinello, Phys. Status Solidi B 2000, 220,703 ± 708; T. K. Ghanty, V. N. Staroverov, P. R. Koren, E. R. David-son, J. Am. Chem. Soc. 2000, 122, 1210 ± 1214, zit. Lit.

[152] S. J. Grabowski, Tetrahedron 1998, 54, 10153 ± 10160.

80 Angew. Chem. 2002, 114, 50 ± 80