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Page 1: FOTOS: PANTHERMEDIA (2) „Länger leben – in gutem Zustand“ · 2017-01-25 · FOTOS: PANTHERMEDIA (2) „Länger leben – in gutem Zustand“ Der Arzt und sein Patient: Das

STIEFS SPRECHSTUNDE

Leser fragen – Experten antworten

Prof. Dr. Christian Stief

Liebe Leserinnen und Leser, als Chefarzt im MünchnerKlinikum Großhadern erlebe ich täglich, wie wichtigmedizinische Aufklärung ist. Doch im hektischen All-tag von Klinik und Praxis bleiben manchmal Fragenoffen. Und: Geht es um ein „Tabuthema“, trauen sichPatienten häufig gar nicht erst nachzufragen. MeineKollegen und ich wollen Ihnen daher an dieser StelleAntworten geben. Sie haben auch eine Frage zu einemmedizinischen Thema? Dann zögern Sie bitte nicht undschicken uns diese zu! Bitte fassen Sie Ihr Anliegendabei in wenigen Sätzen zusammen und geben auchmöglichst Ihr Alter an. Ein letzter wichtiger Hinweis:Bitte schicken Sie uns keine Krankenakten zu.

Haben Sie Fragen an unsere Ärzte? Schreiben Sie uns!Per Mail: [email protected] Post: Münchner Merkur, Redaktion Gesundheit,Paul-Heyse-Straße 2-4, 80336 München

Leser, 83: Seit einer schweren Dickdarm-OP vor fünfJahren kann ich nicht mehr normal gehen. Laut Be-fund habe ich eine Polyneuropathie. Muss ich micheinfach damit abfinden – oder was kann mir helfen?

Was tun bei einer Polyneuropathie?

Bei einer Polyneuropathie handelt es sich um eine Stoff-wechselstörung der peripheren Nerven, also der Nervenaußerhalb von Gehirn und Rückenmark. Sie kann zumBeispiel durch Diabetes oder Vitaminmangel-Zuständeausgelöst werden und tritt vor allem im Alter häufigerauf. Ursachen gibt es sehr viele. Um diese zu klären,muss der Neurologe die Nerven und Muskeln unter-suchen, unter anderem mit einer Elektroneurographie(Messung der Nervenleit-Geschwindigkeiten). In 40 Pro-zent der Fälle bleibt die Ursache aber trotz ausführlicherDiagnostik unklar. Hier handelt es sich zum Teil auch umangeborene Formen, die sich erst mit zunehmendemAlter zeigen. Es kann sinnvoll sein, dies noch einmal voneinem Spezialisten untersuchen zu lassen, etwa amFriedrich-Baur-Institut für Muskel- und Nervenerkran-kungen am Klinikum der Universität München. GegenSchmerzen und Gefühlsstörungen bei Polyneuro-pathien wird oft das Mittel „Lyrica“ eingesetzt mit– richtig dosiert – insgesamt guter Wirksamkeit. Die Do-sis sollte schrittweise auf zweimal täglich 75 bis 100 mggesteigert und diese Dosis dann mindestens zwei bisdrei Monate so belassen werden. Danach sollte manerneut zum Neurologen gehen.

Prof. Marianne Dieterich

ist Fachärztin für Neurologie und Direktorinder Klinik und Poliklinik für Neurologie amKlinikum der Universität München.

Leser, 72: Ich hatte vor zehn Jahren einen Kreuzban-driss, der nicht operiert wurde. Dank Muskelaufbauund Physiotherapie konnte ich wieder Tennisspielen.Seit einer falschen Bewegung habe ich Schmerzen imKnie, kann es kaum belasten. Im MRT wurde eine leich-te Beschädigung des Meniskus festgestellt. Was kannich tun, damit ich wieder Tennisspielen kann?

Kreuzband und Meniskus: Was hilft mir?

Eine nicht operierte Verletzung des Kreuzbandesführt zu einer gewissen Instabilität bei Rotationsbe-wegungen, also bei Drehbewegungen. Diese lässt sichmit Muskelaufbau und Physiotherapie manchmalkompensieren. Da die Rotationsstabilität aber meistnicht gegeben ist, kommt es sehr oft zu sekundärenSchäden am Meniskus und in der Folge am Knorpel.Meniskusverletzungen sind also häufig. Deshalb mussman nun abklären, ob der Meniskus allein arthrosko-pisch (gewebeschonende Methode, operiert wird da-bei durch einen kleinen Einschnitt) behandelt werdenkann oder ob weitere Maßnahmen zur Stabilisierungdes Kniegelenks notwendig sind.

Prof. Andreas Imhoff

Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie undSportmedizin, Leiter der Abt. für Sportortho-pädie am Klinikum rechts der Isar in München.

DIE ZAHL DER WOCHE

48%Geht es um ihre Gesundheit, sind viele Menschen lautStada-Gesundheitsreport schlecht informiert: Dem-nach wissen 48 Prozent der Deutschen nicht, dass An-tibiotika gegen Bakterien wirken, nicht gegen Viren.Viele wissen auch nicht, was Fieber ist; 38 Prozenthalten schon Werte unter 38,5 Grad für bedenklich.

Ein Tumor in der Prostata– und Metastasen. Früherwar sofort klar: Eine OPist ausgeschlossen. Karl-Heinz Vierling wurdedie Prostata trotzdementfernt. Heute hat erden Krebs gut im Griff.

VON NADJA KATZENBERGER

Als Karl-Heinz Vierling beimTennisspielen immer wiederdie Kraft ausgeht, da ahnt der73-Jährige aus Unterwössen(Kreis Traunstein) noch nicht,dass er in wenigen Wochen ei-nen OP-Termin in der Urolo-gie haben wird. Wegen einerDiagnose – Prostatakrebs.

Heute, rund zweieinhalbJahre später, sind VierlingsWerte in Ordnung. Im Som-mer will er sogar wieder mitdem Tennisspielen anfangen.Wenn ihm damals jemand ge-sagt hätte, seine Schulter-schmerzen kämen von derProstata – er hätte es nicht ge-glaubt. Doch genau so war es.

Es ist Sommer 2013, alsVierling zum Orthopädengeht. Die rechte Schultermacht Probleme, vor allembeim Aufschlag. Der Arztröntgt die Schulter – und run-zelt die Stirn. „Da sind Verän-derungen im Knochen. Diesind bedenklich“, sagt er.

Aber: Er sei nicht zuständig.Deshalb überweist er Vierlingans Münchner KlinikumGroßhadern. Dort kommt derPatient auch erst mal zu denExperten fürs Knochengerüst:in die Orthopädie. Die zögernaber nicht lange und macheneine Biopsie. Dabei wird miteiner Nadel Gewebe aus dembetroffenen Knochen gestanzt– eine unangenehme Proze-dur, trotz örtlicher Betäubung.Die Gewebeprobe wird unterdem Mikroskop untersucht,um veränderte Zellen oderEntzündungen zu sehen. Ärz-te stellen fest: Vierling hat Me-tastasen. Und die kommen ausder Prostata.

Diese Drüse produziertbeim Mann einen Teil der Sa-menflüssigkeit, ist so groß wieeine Kastanie und liegt unter-halb der Harnblase. Im Alterist sie oft vergrößert, entzün-det sich oder bildet Tumoren,sowohl gutartige als auch bös-artige. Der Prostatatumor istder häufigste Krebs bei Män-nern. Meistens jedoch wird erfrüh entdeckt.

Männer, bei denen der Tu-mor noch auf die Prostata be-grenzt ist, werden operiert –

KREBS-SERIE – HEUTE TEIL 2: PROSTATAKREBS .......................................................................................................................................................................................................

tumor minimal-invasiv zu ent-fernen – dabei kommt derOperations-Roboter „DaVin-ci“ zum Einsatz. Die Risiken,die so ein Eingriff mit sichbringt, hätten ihm vorherschon Sorgen gemacht, sagtVierling. „Deshalb habe ichdanach gleich gefragt: Bin ichjetzt inkontinent? Habe ich ei-nen künstlichen Darmaus-gang? Aber: Alles war gut.“ Ei-ne schwache Blase und Pro-bleme mit der Erektion kön-nen nach der OP auftauchen,doch bei vielen Männern ver-schwinden sie wieder.

In einer Studie haben dieÄrzte am Klinikum Großha-dern später verglichen, ob dieOP bei Patienten mit Metasta-sen andere Auswirkungen hatals bei Männern, deren Tumorauf die Prostata begrenzt ist.Auch Vierling nahm an dieserStudie teil, zusammen mitmehr als 100 anderen. Das Er-gebnis: „Die Operation istmöglich und sie schadet nicht,Herr Vierling ist das beste Bei-spiel“, sagt sein Chirurg Gratz-ke. Heute werden Patientenmit Prostatatumor und Metas-tasen nur noch innerhalb ei-ner weiteren, deutschlandwei-ten Studie operiert. Sie sollzeigen, ob der Eingriff wirk-lich dazu beiträgt, das Lebender Betroffenen zu verlängern.

Heute ist Gratzke zufriedenmit seinem Patienten: „Sein

Zustand ist stabil, die Metasta-sen haben nicht zugenom-men.“ Er weiß aber auch: „Wirkönnen den Krebs in diesemStadium nicht heilen. Aber wirkönnen dafür sorgen, dass esdem Patienten gut geht und erdie Schmerzen im Griff hat.“Entscheidend dafür war dieOP. Ohne Medikamente gehtes allerdings nicht: Alle dreiMonate bekommt Vierling imKlinikum Großhadern eineSpritze, um das Hormon Tes-tosteron in seinem Körper zuunterdrücken – es könnteneue Tumoren auslösen. Zu-dem nimmt er Medikamentefür seine Knochen. Sechs Malwurden ihm auch sogenannteAlphastrahler gespritzt, eineneue Therapie bei Knochen-metastasen. Diese winzigen,radio-aktiven Partikel wan-dern direkt zum Knochen undbekämpfen dort die Metasta-sen. Bei Vierling hat diese Be-handlung gut angeschlagen.Seine Werte sind in Ordnung.

In wenigen Monaten will erzurück auf den Tennisplatz.„Der Trainingsrückstand istschwer aufzuholen“, sagt er.Aber: Er will es zumindestprobieren.

Monate gegangen.“ Man hätteihn mit Medikamenten behan-deln können, um die Metasta-sen einzudämmen – doch de-ren Wirkung lässt irgendwannnach – und der Krebs breitetsich weiter aus. Vierling willsich damit nicht abfinden, sei-ne Ärzte auch nicht. „Es mussfür diese Patienten mehr Mög-lichkeiten geben – so dass sielänger und in gutem Zustandleben können“, sagt Gratzke.

Weil es Hinweise daraufgibt, dass eine OP auch beiMetastasen das Leben verlän-gern kann, schlagen die Medi-ziner Vierling diese Möglich-keit vor. „Es ist ein experimen-telles Verfahren und kommtauch nicht für jeden Patienteninfrage“, erklärt Gratzke. Ent-scheidend sei vor allem Vier-lings guter Allgemeinzustandgewesen: Trotz Tumor undMetastasen ist er fit, er möchtedie Operation. Ende August2013 wird ihm die Prostata-drüse komplett entfernt.

„Radikal“ operieren nennendas die Mediziner. Gratzkeoperiert „offen“, über einenSchnitt unterhalb des Bauch-nabels. In Großhadern ist esauch möglich, einen Prostata-

tenen Stadium kommt eineOperation und damit die Ent-fernung der Prostata eigent-lich nicht infrage“, sagt Exper-te Gratzke. Metastasen sinddas Ausschlusskriterium.

Vierling sagt: „Aber dannwär’s vielleicht nur noch sechs

und die Drüse wird entfernt.So können die meisten denKrebs besiegen. Bei Vierlingist schnell klar: Die Krebszel-len haben ihren Entstehungs-ort, die Prostata, verlassen und„gestreut“. Die bösartigen Zel-len sind in die Knochen ge-wandert. „Patienten, bei de-nen man den Krebs spät ent-deckt, haben fast alle Metasta-sen in den Knochen“, sagtProfessor Dr. Christian Gratz-ke, Leiter des Prostatazen-trums am Klinikum Großha-dern. Knochenmetastasen ma-chen sich oft als Rücken-schmerzen bemerkbar, wes-halb viele Patienten – so wieVierling – erst mal zum Ortho-päden gehen.

Nach der Knochen-Biopsiewird bei Vierling Prostata-krebs diagnostiziert. Ein ag-gressiver Tumor, der sich aus-gebreitet hat. Außerdem istsein PSA-Wert (siehe Kasten)im Blut sehr hoch – ein ersterHinweis auf einen Tumor. FürVierling ist jetzt die Urologi-sche Klinik zuständig. Nocham gleichen Tag wird auch ausder Prostata Gewebe entnom-men und untersucht. „Für Pa-tienten in diesem fortgeschrit-

Zeichen von Verbundenheit: Die blaue Schleife gilt als Symbol für die Solidarität mit Männern, die an Prostatakrebs erkrankt sind. FOTOS: PANTHERMEDIA (2)

„Länger leben – in gutem Zustand“

Der Arzt und sein Patient:Das Foto links zeigt Prof.Christian Gratzke bei derArbeit – auf dem Bild obenist Karl-Heinz Vierling zusehen, bei einem Winter-Spaziergang. FOTOS: KH / FKN

Bei immer mehr Männern wird Prostatakrebsdiagnostiziert – immer weniger sterben daran. Dasliegt nicht nur an verbesserten Therapien, sondernauch an der Früherkennung.Wer sollte zur Früherkennung gehen? Männer ab45 Jahren – ihnen zahlen die gesetzlichen Kasseneinmal jährlich die Untersuchung beim Allgemein-arzt oder Urologen.Was wird da gemacht? Die Untersuchung wirdrektal durchgeführt: Der Arzt tastet die Prostatavom Enddarm aus ab. Zudem untersucht er dieGenitalien und die Lymphknoten in der Leiste,fragt nach der Krankengeschichte und Beschwer-den. Nachteil: Der Arzt kann nicht die kompletteProstata abtasten. Erkennt er einen Tumor, kannes ein, dass dieser schon größer ist und sich nichtmehr im Frühstadium befindet. Eine Ultraschallun-tersuchung eignet sich nicht zur Früherkennung,weil Tumoren auch im Ultraschall erst ab einer ge-wissen Größe zu erkennen sind. Viele Ärzte bietenden sogenannten PSA-Test an. Hier wird der Wertdes Prostata-spezifischen Antigens – ein Eiweiß –im Blut gemessen. Ist dieser erhöht, kann das einHinweis auf einen Tumor sein. Der Test ist aber

umstritten, sein Nutzen ist nicht eindeutig belegt.Die Kassen übernehmen die Kosten daher nicht.Zu hoher PSA-Wert – muss operiert werden?Nein, dann wird die Prostata erst einmal „aktivüberwacht“, das heißt: Sie wird alle paar Monateabgetastet und der PSA-Wert im Blut überprüft.„Für die Beobachtung ist der PSA-Test sehr wich-tig, vor allem der Vergleich mit vorherigen Wer-ten“, sagt Professor Christian Gratzke, Leiter desProstatazentrums am Klinikum Großhadern. „Istder neue Wert erhöht, könnte das für einen Tumorsprechen – wir machen eine Biopsie.“ Dafür wirdeine Gewebeprobe aus der Prostata entnommenund auf veränderte Zellen untersucht. „Dieseregelmäßige Kontrolle ist sinnvoll bei wenigeraggressiven Tumoren. Aber viele empfinden dasauf Dauer als belastend – und entscheiden sichfür eine Operation.“Gibt es keine bessere Diagnostik? Noch nicht.Mediziner setzen derzeit auch auf die Bildgebung,also Kernspin- und Computertomografie. „UnsereHoffnung ist, dass der Kernspin irgendwann soeindeutig ist, dass man keine Biopsie mehrbraucht“, sagt Gratzke. N. KATZENBERGER

Die wichtigsten Fakten zur Früherkennung

Die Krankheit wirderst spät entdeckt

Neue Krebs-Serie

Wer die Diagnose „Krebs“bekommt, hat viele Fragen. Inunserer fünfteiligen Serie gebenwir die wichtigsten Antworten –und stellen neue Behandlungs-methoden vor. Nächste Woche,am Montag, 15.2., lesen Sie allesWissenswerte zum Gebär-mutterhalskrebs. Es folgennoch Lungenkrebs (22.2.)und Darmkrebs (29.2.)

Inzwischen sind dieWerte in Ordnung

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