fotos: panthermedia (2) „länger leben – in gutem zustand“ · 2017-01-25 · fotos:...

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STIEFS SPRECHSTUNDE Leser fragen – Experten antworten Prof. Dr. Christian Stief Liebe Leserinnen und Leser, als Chefarzt im Münchner Klinikum Großhadern erlebe ich täglich, wie wichtig medizinische Aufklärung ist. Doch im hektischen All- tag von Klinik und Praxis bleiben manchmal Fragen offen. Und: Geht es um ein „Tabuthema“, trauen sich Patienten häufig gar nicht erst nachzufragen. Meine Kollegen und ich wollen Ihnen daher an dieser Stelle Antworten geben. Sie haben auch eine Frage zu einem medizinischen Thema? Dann zögern Sie bitte nicht und schicken uns diese zu! Bitte fassen Sie Ihr Anliegen dabei in wenigen Sätzen zusammen und geben auch möglichst Ihr Alter an. Ein letzter wichtiger Hinweis: Bitte schicken Sie uns keine Krankenakten zu. Haben Sie Fragen an unsere Ärzte? Schreiben Sie uns! Per Mail: [email protected] Per Post: Münchner Merkur, Redaktion Gesundheit, Paul-Heyse-Straße 2-4, 80336 München Leser, 83: Seit einer schweren Dickdarm-OP vor fünf Jahren kann ich nicht mehr normal gehen. Laut Be- fund habe ich eine Polyneuropathie. Muss ich mich einfach damit abfinden – oder was kann mir helfen? Was tun bei einer Polyneuropathie? Bei einer Polyneuropathie handelt es sich um eine Stoff- wechselstörung der peripheren Nerven, also der Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Sie kann zum Beispiel durch Diabetes oder Vitaminmangel-Zustände ausgelöst werden und tritt vor allem im Alter häufiger auf. Ursachen gibt es sehr viele. Um diese zu klären, muss der Neurologe die Nerven und Muskeln unter- suchen, unter anderem mit einer Elektroneurographie (Messung der Nervenleit-Geschwindigkeiten). In 40 Pro- zent der Fälle bleibt die Ursache aber trotz ausführlicher Diagnostik unklar. Hier handelt es sich zum Teil auch um angeborene Formen, die sich erst mit zunehmendem Alter zeigen. Es kann sinnvoll sein, dies noch einmal von einem Spezialisten untersuchen zu lassen, etwa am Friedrich-Baur-Institut für Muskel- und Nervenerkran- kungen am Klinikum der Universität München. Gegen Schmerzen und Gefühlsstörungen bei Polyneuro- pathien wird oft das Mittel „Lyrica“ eingesetzt mit – richtig dosiert – insgesamt guter Wirksamkeit. Die Do- sis sollte schrittweise auf zweimal täglich 75 bis 100 mg gesteigert und diese Dosis dann mindestens zwei bis drei Monate so belassen werden. Danach sollte man erneut zum Neurologen gehen. Prof. Marianne Dieterich ist Fachärztin für Neurologie und Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Klinikum der Universität München. Leser, 72: Ich hatte vor zehn Jahren einen Kreuzban- driss, der nicht operiert wurde. Dank Muskelaufbau und Physiotherapie konnte ich wieder Tennisspielen. Seit einer falschen Bewegung habe ich Schmerzen im Knie, kann es kaum belasten. Im MRT wurde eine leich- te Beschädigung des Meniskus festgestellt. Was kann ich tun, damit ich wieder Tennisspielen kann? Kreuzband und Meniskus: Was hilft mir? Eine nicht operierte Verletzung des Kreuzbandes führt zu einer gewissen Instabilität bei Rotationsbe- wegungen, also bei Drehbewegungen. Diese lässt sich mit Muskelaufbau und Physiotherapie manchmal kompensieren. Da die Rotationsstabilität aber meist nicht gegeben ist, kommt es sehr oft zu sekundären Schäden am Meniskus und in der Folge am Knorpel. Meniskusverletzungen sind also häufig. Deshalb muss man nun abklären, ob der Meniskus allein arthrosko- pisch (gewebeschonende Methode, operiert wird da- bei durch einen kleinen Einschnitt) behandelt werden kann oder ob weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Kniegelenks notwendig sind. Prof. Andreas Imhoff Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Leiter der Abt. für Sportortho- pädie am Klinikum rechts der Isar in München. DIE ZAHL DER WOCHE 48% Geht es um ihre Gesundheit, sind viele Menschen laut Stada-Gesundheitsreport schlecht informiert: Dem- nach wissen 48 Prozent der Deutschen nicht, dass An- tibiotika gegen Bakterien wirken, nicht gegen Viren. Viele wissen auch nicht, was Fieber ist; 38 Prozent halten schon Werte unter 38,5 Grad für bedenklich. Ein Tumor in der Prostata – und Metastasen. Früher war sofort klar: Eine OP ist ausgeschlossen. Karl- Heinz Vierling wurde die Prostata trotzdem entfernt. Heute hat er den Krebs gut im Griff. VON NADJA KATZENBERGER Als Karl-Heinz Vierling beim Tennisspielen immer wieder die Kraft ausgeht, da ahnt der 73-Jährige aus Unterwössen (Kreis Traunstein) noch nicht, dass er in wenigen Wochen ei- nen OP-Termin in der Urolo- gie haben wird. Wegen einer Diagnose – Prostatakrebs. Heute, rund zweieinhalb Jahre später, sind Vierlings Werte in Ordnung. Im Som- mer will er sogar wieder mit dem Tennisspielen anfangen. Wenn ihm damals jemand ge- sagt hätte, seine Schulter- schmerzen kämen von der Prostata – er hätte es nicht ge- glaubt. Doch genau so war es. Es ist Sommer 2013, als Vierling zum Orthopäden geht. Die rechte Schulter macht Probleme, vor allem beim Aufschlag. Der Arzt röntgt die Schulter – und run- zelt die Stirn. „Da sind Verän- derungen im Knochen. Die sind bedenklich“, sagt er. Aber: Er sei nicht zuständig. Deshalb überweist er Vierling ans Münchner Klinikum Großhadern. Dort kommt der Patient auch erst mal zu den Experten fürs Knochengerüst: in die Orthopädie. Die zögern aber nicht lange und machen eine Biopsie. Dabei wird mit einer Nadel Gewebe aus dem betroffenen Knochen gestanzt – eine unangenehme Proze- dur, trotz örtlicher Betäubung. Die Gewebeprobe wird unter dem Mikroskop untersucht, um veränderte Zellen oder Entzündungen zu sehen. Ärz- te stellen fest: Vierling hat Me- tastasen. Und die kommen aus der Prostata. Diese Drüse produziert beim Mann einen Teil der Sa- menflüssigkeit, ist so groß wie eine Kastanie und liegt unter- halb der Harnblase. Im Alter ist sie oft vergrößert, entzün- det sich oder bildet Tumoren, sowohl gutartige als auch bös- artige. Der Prostatatumor ist der häufigste Krebs bei Män- nern. Meistens jedoch wird er früh entdeckt. Männer, bei denen der Tu- mor noch auf die Prostata be- grenzt ist, werden operiert – KREBS-SERIE – HEUTE TEIL 2: PROSTATAKREBS ....................................................................................................................................................................................................... tumor minimal-invasiv zu ent- fernen – dabei kommt der Operations-Roboter „DaVin- ci“ zum Einsatz. Die Risiken, die so ein Eingriff mit sich bringt, hätten ihm vorher schon Sorgen gemacht, sagt Vierling. „Deshalb habe ich danach gleich gefragt: Bin ich jetzt inkontinent? Habe ich ei- nen künstlichen Darmaus- gang? Aber: Alles war gut.“ Ei- ne schwache Blase und Pro- bleme mit der Erektion kön- nen nach der OP auftauchen, doch bei vielen Männern ver- schwinden sie wieder. In einer Studie haben die Ärzte am Klinikum Großha- dern später verglichen, ob die OP bei Patienten mit Metasta- sen andere Auswirkungen hat als bei Männern, deren Tumor auf die Prostata begrenzt ist. Auch Vierling nahm an dieser Studie teil, zusammen mit mehr als 100 anderen. Das Er- gebnis: „Die Operation ist möglich und sie schadet nicht, Herr Vierling ist das beste Bei- spiel“, sagt sein Chirurg Gratz- ke. Heute werden Patienten mit Prostatatumor und Metas- tasen nur noch innerhalb ei- ner weiteren, deutschlandwei- ten Studie operiert. Sie soll zeigen, ob der Eingriff wirk- lich dazu beiträgt, das Leben der Betroffenen zu verlängern. Heute ist Gratzke zufrieden mit seinem Patienten: „Sein Zustand ist stabil, die Metasta- sen haben nicht zugenom- men.“ Er weiß aber auch: „Wir können den Krebs in diesem Stadium nicht heilen. Aber wir können dafür sorgen, dass es dem Patienten gut geht und er die Schmerzen im Griff hat.“ Entscheidend dafür war die OP. Ohne Medikamente geht es allerdings nicht: Alle drei Monate bekommt Vierling im Klinikum Großhadern eine Spritze, um das Hormon Tes- tosteron in seinem Körper zu unterdrücken – es könnte neue Tumoren auslösen. Zu- dem nimmt er Medikamente für seine Knochen. Sechs Mal wurden ihm auch sogenannte Alphastrahler gespritzt, eine neue Therapie bei Knochen- metastasen. Diese winzigen, radio-aktiven Partikel wan- dern direkt zum Knochen und bekämpfen dort die Metasta- sen. Bei Vierling hat diese Be- handlung gut angeschlagen. Seine Werte sind in Ordnung. In wenigen Monaten will er zurück auf den Tennisplatz. „Der Trainingsrückstand ist schwer aufzuholen“, sagt er. Aber: Er will es zumindest probieren. Monate gegangen.“ Man hätte ihn mit Medikamenten behan- deln können, um die Metasta- sen einzudämmen – doch de- ren Wirkung lässt irgendwann nach – und der Krebs breitet sich weiter aus. Vierling will sich damit nicht abfinden, sei- ne Ärzte auch nicht. „Es muss für diese Patienten mehr Mög- lichkeiten geben – so dass sie länger und in gutem Zustand leben können“, sagt Gratzke. Weil es Hinweise darauf gibt, dass eine OP auch bei Metastasen das Leben verlän- gern kann, schlagen die Medi- ziner Vierling diese Möglich- keit vor. „Es ist ein experimen- telles Verfahren und kommt auch nicht für jeden Patienten infrage“, erklärt Gratzke. Ent- scheidend sei vor allem Vier- lings guter Allgemeinzustand gewesen: Trotz Tumor und Metastasen ist er fit, er möchte die Operation. Ende August 2013 wird ihm die Prostata- drüse komplett entfernt. „Radikal“ operieren nennen das die Mediziner. Gratzke operiert „offen“, über einen Schnitt unterhalb des Bauch- nabels. In Großhadern ist es auch möglich, einen Prostata- tenen Stadium kommt eine Operation und damit die Ent- fernung der Prostata eigent- lich nicht infrage“, sagt Exper- te Gratzke. Metastasen sind das Ausschlusskriterium. Vierling sagt: „Aber dann wär’s vielleicht nur noch sechs und die Drüse wird entfernt. So können die meisten den Krebs besiegen. Bei Vierling ist schnell klar: Die Krebszel- len haben ihren Entstehungs- ort, die Prostata, verlassen und „gestreut“. Die bösartigen Zel- len sind in die Knochen ge- wandert. „Patienten, bei de- nen man den Krebs spät ent- deckt, haben fast alle Metasta- sen in den Knochen“, sagt Professor Dr. Christian Gratz- ke, Leiter des Prostatazen- trums am Klinikum Großha- dern. Knochenmetastasen ma- chen sich oft als Rücken- schmerzen bemerkbar, wes- halb viele Patienten – so wie Vierling – erst mal zum Ortho- päden gehen. Nach der Knochen-Biopsie wird bei Vierling Prostata- krebs diagnostiziert. Ein ag- gressiver Tumor, der sich aus- gebreitet hat. Außerdem ist sein PSA-Wert (siehe Kasten) im Blut sehr hoch – ein erster Hinweis auf einen Tumor. Für Vierling ist jetzt die Urologi- sche Klinik zuständig. Noch am gleichen Tag wird auch aus der Prostata Gewebe entnom- men und untersucht. „Für Pa- tienten in diesem fortgeschrit- Zeichen von Verbundenheit: Die blaue Schleife gilt als Symbol für die Solidarität mit Männern, die an Prostatakrebs erkrankt sind. FOTOS: PANTHERMEDIA (2) „Länger leben – in gutem Zustand“ Der Arzt und sein Patient: Das Foto links zeigt Prof. Christian Gratzke bei der Arbeit – auf dem Bild oben ist Karl-Heinz Vierling zu sehen, bei einem Winter- Spaziergang. FOTOS: KH / FKN Bei immer mehr Männern wird Prostatakrebs diagnostiziert – immer weniger sterben daran. Das liegt nicht nur an verbesserten Therapien, sondern auch an der Früherkennung. Wer sollte zur Früherkennung gehen? Männer ab 45 Jahren – ihnen zahlen die gesetzlichen Kassen einmal jährlich die Untersuchung beim Allgemein- arzt oder Urologen. Was wird da gemacht? Die Untersuchung wird rektal durchgeführt: Der Arzt tastet die Prostata vom Enddarm aus ab. Zudem untersucht er die Genitalien und die Lymphknoten in der Leiste, fragt nach der Krankengeschichte und Beschwer- den. Nachteil: Der Arzt kann nicht die komplette Prostata abtasten. Erkennt er einen Tumor, kann es ein, dass dieser schon größer ist und sich nicht mehr im Frühstadium befindet. Eine Ultraschallun- tersuchung eignet sich nicht zur Früherkennung, weil Tumoren auch im Ultraschall erst ab einer ge- wissen Größe zu erkennen sind. Viele Ärzte bieten den sogenannten PSA-Test an. Hier wird der Wert des Prostata-spezifischen Antigens – ein Eiweiß – im Blut gemessen. Ist dieser erhöht, kann das ein Hinweis auf einen Tumor sein. Der Test ist aber umstritten, sein Nutzen ist nicht eindeutig belegt. Die Kassen übernehmen die Kosten daher nicht. Zu hoher PSA-Wert – muss operiert werden? Nein, dann wird die Prostata erst einmal „aktiv überwacht“, das heißt: Sie wird alle paar Monate abgetastet und der PSA-Wert im Blut überprüft. „Für die Beobachtung ist der PSA-Test sehr wich- tig, vor allem der Vergleich mit vorherigen Wer- ten“, sagt Professor Christian Gratzke, Leiter des Prostatazentrums am Klinikum Großhadern. „Ist der neue Wert erhöht, könnte das für einen Tumor sprechen – wir machen eine Biopsie.“ Dafür wird eine Gewebeprobe aus der Prostata entnommen und auf veränderte Zellen untersucht. „Diese regelmäßige Kontrolle ist sinnvoll bei weniger aggressiven Tumoren. Aber viele empfinden das auf Dauer als belastend – und entscheiden sich für eine Operation.“ Gibt es keine bessere Diagnostik? Noch nicht. Mediziner setzen derzeit auch auf die Bildgebung, also Kernspin- und Computertomografie. „Unsere Hoffnung ist, dass der Kernspin irgendwann so eindeutig ist, dass man keine Biopsie mehr braucht“, sagt Gratzke. N. KATZENBERGER Die wichtigsten Fakten zur Früherkennung Die Krankheit wird erst spät entdeckt Neue Krebs-Serie Wer die Diagnose „Krebs“ bekommt, hat viele Fragen. In unserer fünfteiligen Serie geben wir die wichtigsten Antworten – und stellen neue Behandlungs- methoden vor. Nächste Woche, am Montag, 15.2., lesen Sie alles Wissenswerte zum Gebär- mutterhalskrebs. Es folgen noch Lungenkrebs (22.2.) und Darmkrebs (29.2.) Inzwischen sind die Werte in Ordnung

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Page 1: FOTOS: PANTHERMEDIA (2) „Länger leben – in gutem Zustand“ · 2017-01-25 · FOTOS: PANTHERMEDIA (2) „Länger leben – in gutem Zustand“ Der Arzt und sein Patient: Das

STIEFS SPRECHSTUNDE

Leser fragen – Experten antworten

Prof. Dr. Christian Stief

Liebe Leserinnen und Leser, als Chefarzt im MünchnerKlinikum Großhadern erlebe ich täglich, wie wichtigmedizinische Aufklärung ist. Doch im hektischen All-tag von Klinik und Praxis bleiben manchmal Fragenoffen. Und: Geht es um ein „Tabuthema“, trauen sichPatienten häufig gar nicht erst nachzufragen. MeineKollegen und ich wollen Ihnen daher an dieser StelleAntworten geben. Sie haben auch eine Frage zu einemmedizinischen Thema? Dann zögern Sie bitte nicht undschicken uns diese zu! Bitte fassen Sie Ihr Anliegendabei in wenigen Sätzen zusammen und geben auchmöglichst Ihr Alter an. Ein letzter wichtiger Hinweis:Bitte schicken Sie uns keine Krankenakten zu.

Haben Sie Fragen an unsere Ärzte? Schreiben Sie uns!Per Mail: [email protected] Post: Münchner Merkur, Redaktion Gesundheit,Paul-Heyse-Straße 2-4, 80336 München

Leser, 83: Seit einer schweren Dickdarm-OP vor fünfJahren kann ich nicht mehr normal gehen. Laut Be-fund habe ich eine Polyneuropathie. Muss ich micheinfach damit abfinden – oder was kann mir helfen?

Was tun bei einer Polyneuropathie?

Bei einer Polyneuropathie handelt es sich um eine Stoff-wechselstörung der peripheren Nerven, also der Nervenaußerhalb von Gehirn und Rückenmark. Sie kann zumBeispiel durch Diabetes oder Vitaminmangel-Zuständeausgelöst werden und tritt vor allem im Alter häufigerauf. Ursachen gibt es sehr viele. Um diese zu klären,muss der Neurologe die Nerven und Muskeln unter-suchen, unter anderem mit einer Elektroneurographie(Messung der Nervenleit-Geschwindigkeiten). In 40 Pro-zent der Fälle bleibt die Ursache aber trotz ausführlicherDiagnostik unklar. Hier handelt es sich zum Teil auch umangeborene Formen, die sich erst mit zunehmendemAlter zeigen. Es kann sinnvoll sein, dies noch einmal voneinem Spezialisten untersuchen zu lassen, etwa amFriedrich-Baur-Institut für Muskel- und Nervenerkran-kungen am Klinikum der Universität München. GegenSchmerzen und Gefühlsstörungen bei Polyneuro-pathien wird oft das Mittel „Lyrica“ eingesetzt mit– richtig dosiert – insgesamt guter Wirksamkeit. Die Do-sis sollte schrittweise auf zweimal täglich 75 bis 100 mggesteigert und diese Dosis dann mindestens zwei bisdrei Monate so belassen werden. Danach sollte manerneut zum Neurologen gehen.

Prof. Marianne Dieterich

ist Fachärztin für Neurologie und Direktorinder Klinik und Poliklinik für Neurologie amKlinikum der Universität München.

Leser, 72: Ich hatte vor zehn Jahren einen Kreuzban-driss, der nicht operiert wurde. Dank Muskelaufbauund Physiotherapie konnte ich wieder Tennisspielen.Seit einer falschen Bewegung habe ich Schmerzen imKnie, kann es kaum belasten. Im MRT wurde eine leich-te Beschädigung des Meniskus festgestellt. Was kannich tun, damit ich wieder Tennisspielen kann?

Kreuzband und Meniskus: Was hilft mir?

Eine nicht operierte Verletzung des Kreuzbandesführt zu einer gewissen Instabilität bei Rotationsbe-wegungen, also bei Drehbewegungen. Diese lässt sichmit Muskelaufbau und Physiotherapie manchmalkompensieren. Da die Rotationsstabilität aber meistnicht gegeben ist, kommt es sehr oft zu sekundärenSchäden am Meniskus und in der Folge am Knorpel.Meniskusverletzungen sind also häufig. Deshalb mussman nun abklären, ob der Meniskus allein arthrosko-pisch (gewebeschonende Methode, operiert wird da-bei durch einen kleinen Einschnitt) behandelt werdenkann oder ob weitere Maßnahmen zur Stabilisierungdes Kniegelenks notwendig sind.

Prof. Andreas Imhoff

Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie undSportmedizin, Leiter der Abt. für Sportortho-pädie am Klinikum rechts der Isar in München.

DIE ZAHL DER WOCHE

48%Geht es um ihre Gesundheit, sind viele Menschen lautStada-Gesundheitsreport schlecht informiert: Dem-nach wissen 48 Prozent der Deutschen nicht, dass An-tibiotika gegen Bakterien wirken, nicht gegen Viren.Viele wissen auch nicht, was Fieber ist; 38 Prozenthalten schon Werte unter 38,5 Grad für bedenklich.

Ein Tumor in der Prostata– und Metastasen. Früherwar sofort klar: Eine OPist ausgeschlossen. Karl-Heinz Vierling wurdedie Prostata trotzdementfernt. Heute hat erden Krebs gut im Griff.

VON NADJA KATZENBERGER

Als Karl-Heinz Vierling beimTennisspielen immer wiederdie Kraft ausgeht, da ahnt der73-Jährige aus Unterwössen(Kreis Traunstein) noch nicht,dass er in wenigen Wochen ei-nen OP-Termin in der Urolo-gie haben wird. Wegen einerDiagnose – Prostatakrebs.

Heute, rund zweieinhalbJahre später, sind VierlingsWerte in Ordnung. Im Som-mer will er sogar wieder mitdem Tennisspielen anfangen.Wenn ihm damals jemand ge-sagt hätte, seine Schulter-schmerzen kämen von derProstata – er hätte es nicht ge-glaubt. Doch genau so war es.

Es ist Sommer 2013, alsVierling zum Orthopädengeht. Die rechte Schultermacht Probleme, vor allembeim Aufschlag. Der Arztröntgt die Schulter – und run-zelt die Stirn. „Da sind Verän-derungen im Knochen. Diesind bedenklich“, sagt er.

Aber: Er sei nicht zuständig.Deshalb überweist er Vierlingans Münchner KlinikumGroßhadern. Dort kommt derPatient auch erst mal zu denExperten fürs Knochengerüst:in die Orthopädie. Die zögernaber nicht lange und macheneine Biopsie. Dabei wird miteiner Nadel Gewebe aus dembetroffenen Knochen gestanzt– eine unangenehme Proze-dur, trotz örtlicher Betäubung.Die Gewebeprobe wird unterdem Mikroskop untersucht,um veränderte Zellen oderEntzündungen zu sehen. Ärz-te stellen fest: Vierling hat Me-tastasen. Und die kommen ausder Prostata.

Diese Drüse produziertbeim Mann einen Teil der Sa-menflüssigkeit, ist so groß wieeine Kastanie und liegt unter-halb der Harnblase. Im Alterist sie oft vergrößert, entzün-det sich oder bildet Tumoren,sowohl gutartige als auch bös-artige. Der Prostatatumor istder häufigste Krebs bei Män-nern. Meistens jedoch wird erfrüh entdeckt.

Männer, bei denen der Tu-mor noch auf die Prostata be-grenzt ist, werden operiert –

KREBS-SERIE – HEUTE TEIL 2: PROSTATAKREBS .......................................................................................................................................................................................................

tumor minimal-invasiv zu ent-fernen – dabei kommt derOperations-Roboter „DaVin-ci“ zum Einsatz. Die Risiken,die so ein Eingriff mit sichbringt, hätten ihm vorherschon Sorgen gemacht, sagtVierling. „Deshalb habe ichdanach gleich gefragt: Bin ichjetzt inkontinent? Habe ich ei-nen künstlichen Darmaus-gang? Aber: Alles war gut.“ Ei-ne schwache Blase und Pro-bleme mit der Erektion kön-nen nach der OP auftauchen,doch bei vielen Männern ver-schwinden sie wieder.

In einer Studie haben dieÄrzte am Klinikum Großha-dern später verglichen, ob dieOP bei Patienten mit Metasta-sen andere Auswirkungen hatals bei Männern, deren Tumorauf die Prostata begrenzt ist.Auch Vierling nahm an dieserStudie teil, zusammen mitmehr als 100 anderen. Das Er-gebnis: „Die Operation istmöglich und sie schadet nicht,Herr Vierling ist das beste Bei-spiel“, sagt sein Chirurg Gratz-ke. Heute werden Patientenmit Prostatatumor und Metas-tasen nur noch innerhalb ei-ner weiteren, deutschlandwei-ten Studie operiert. Sie sollzeigen, ob der Eingriff wirk-lich dazu beiträgt, das Lebender Betroffenen zu verlängern.

Heute ist Gratzke zufriedenmit seinem Patienten: „Sein

Zustand ist stabil, die Metasta-sen haben nicht zugenom-men.“ Er weiß aber auch: „Wirkönnen den Krebs in diesemStadium nicht heilen. Aber wirkönnen dafür sorgen, dass esdem Patienten gut geht und erdie Schmerzen im Griff hat.“Entscheidend dafür war dieOP. Ohne Medikamente gehtes allerdings nicht: Alle dreiMonate bekommt Vierling imKlinikum Großhadern eineSpritze, um das Hormon Tes-tosteron in seinem Körper zuunterdrücken – es könnteneue Tumoren auslösen. Zu-dem nimmt er Medikamentefür seine Knochen. Sechs Malwurden ihm auch sogenannteAlphastrahler gespritzt, eineneue Therapie bei Knochen-metastasen. Diese winzigen,radio-aktiven Partikel wan-dern direkt zum Knochen undbekämpfen dort die Metasta-sen. Bei Vierling hat diese Be-handlung gut angeschlagen.Seine Werte sind in Ordnung.

In wenigen Monaten will erzurück auf den Tennisplatz.„Der Trainingsrückstand istschwer aufzuholen“, sagt er.Aber: Er will es zumindestprobieren.

Monate gegangen.“ Man hätteihn mit Medikamenten behan-deln können, um die Metasta-sen einzudämmen – doch de-ren Wirkung lässt irgendwannnach – und der Krebs breitetsich weiter aus. Vierling willsich damit nicht abfinden, sei-ne Ärzte auch nicht. „Es mussfür diese Patienten mehr Mög-lichkeiten geben – so dass sielänger und in gutem Zustandleben können“, sagt Gratzke.

Weil es Hinweise daraufgibt, dass eine OP auch beiMetastasen das Leben verlän-gern kann, schlagen die Medi-ziner Vierling diese Möglich-keit vor. „Es ist ein experimen-telles Verfahren und kommtauch nicht für jeden Patienteninfrage“, erklärt Gratzke. Ent-scheidend sei vor allem Vier-lings guter Allgemeinzustandgewesen: Trotz Tumor undMetastasen ist er fit, er möchtedie Operation. Ende August2013 wird ihm die Prostata-drüse komplett entfernt.

„Radikal“ operieren nennendas die Mediziner. Gratzkeoperiert „offen“, über einenSchnitt unterhalb des Bauch-nabels. In Großhadern ist esauch möglich, einen Prostata-

tenen Stadium kommt eineOperation und damit die Ent-fernung der Prostata eigent-lich nicht infrage“, sagt Exper-te Gratzke. Metastasen sinddas Ausschlusskriterium.

Vierling sagt: „Aber dannwär’s vielleicht nur noch sechs

und die Drüse wird entfernt.So können die meisten denKrebs besiegen. Bei Vierlingist schnell klar: Die Krebszel-len haben ihren Entstehungs-ort, die Prostata, verlassen und„gestreut“. Die bösartigen Zel-len sind in die Knochen ge-wandert. „Patienten, bei de-nen man den Krebs spät ent-deckt, haben fast alle Metasta-sen in den Knochen“, sagtProfessor Dr. Christian Gratz-ke, Leiter des Prostatazen-trums am Klinikum Großha-dern. Knochenmetastasen ma-chen sich oft als Rücken-schmerzen bemerkbar, wes-halb viele Patienten – so wieVierling – erst mal zum Ortho-päden gehen.

Nach der Knochen-Biopsiewird bei Vierling Prostata-krebs diagnostiziert. Ein ag-gressiver Tumor, der sich aus-gebreitet hat. Außerdem istsein PSA-Wert (siehe Kasten)im Blut sehr hoch – ein ersterHinweis auf einen Tumor. FürVierling ist jetzt die Urologi-sche Klinik zuständig. Nocham gleichen Tag wird auch ausder Prostata Gewebe entnom-men und untersucht. „Für Pa-tienten in diesem fortgeschrit-

Zeichen von Verbundenheit: Die blaue Schleife gilt als Symbol für die Solidarität mit Männern, die an Prostatakrebs erkrankt sind. FOTOS: PANTHERMEDIA (2)

„Länger leben – in gutem Zustand“

Der Arzt und sein Patient:Das Foto links zeigt Prof.Christian Gratzke bei derArbeit – auf dem Bild obenist Karl-Heinz Vierling zusehen, bei einem Winter-Spaziergang. FOTOS: KH / FKN

Bei immer mehr Männern wird Prostatakrebsdiagnostiziert – immer weniger sterben daran. Dasliegt nicht nur an verbesserten Therapien, sondernauch an der Früherkennung.Wer sollte zur Früherkennung gehen? Männer ab45 Jahren – ihnen zahlen die gesetzlichen Kasseneinmal jährlich die Untersuchung beim Allgemein-arzt oder Urologen.Was wird da gemacht? Die Untersuchung wirdrektal durchgeführt: Der Arzt tastet die Prostatavom Enddarm aus ab. Zudem untersucht er dieGenitalien und die Lymphknoten in der Leiste,fragt nach der Krankengeschichte und Beschwer-den. Nachteil: Der Arzt kann nicht die kompletteProstata abtasten. Erkennt er einen Tumor, kannes ein, dass dieser schon größer ist und sich nichtmehr im Frühstadium befindet. Eine Ultraschallun-tersuchung eignet sich nicht zur Früherkennung,weil Tumoren auch im Ultraschall erst ab einer ge-wissen Größe zu erkennen sind. Viele Ärzte bietenden sogenannten PSA-Test an. Hier wird der Wertdes Prostata-spezifischen Antigens – ein Eiweiß –im Blut gemessen. Ist dieser erhöht, kann das einHinweis auf einen Tumor sein. Der Test ist aber

umstritten, sein Nutzen ist nicht eindeutig belegt.Die Kassen übernehmen die Kosten daher nicht.Zu hoher PSA-Wert – muss operiert werden?Nein, dann wird die Prostata erst einmal „aktivüberwacht“, das heißt: Sie wird alle paar Monateabgetastet und der PSA-Wert im Blut überprüft.„Für die Beobachtung ist der PSA-Test sehr wich-tig, vor allem der Vergleich mit vorherigen Wer-ten“, sagt Professor Christian Gratzke, Leiter desProstatazentrums am Klinikum Großhadern. „Istder neue Wert erhöht, könnte das für einen Tumorsprechen – wir machen eine Biopsie.“ Dafür wirdeine Gewebeprobe aus der Prostata entnommenund auf veränderte Zellen untersucht. „Dieseregelmäßige Kontrolle ist sinnvoll bei wenigeraggressiven Tumoren. Aber viele empfinden dasauf Dauer als belastend – und entscheiden sichfür eine Operation.“Gibt es keine bessere Diagnostik? Noch nicht.Mediziner setzen derzeit auch auf die Bildgebung,also Kernspin- und Computertomografie. „UnsereHoffnung ist, dass der Kernspin irgendwann soeindeutig ist, dass man keine Biopsie mehrbraucht“, sagt Gratzke. N. KATZENBERGER

Die wichtigsten Fakten zur Früherkennung

Die Krankheit wirderst spät entdeckt

Neue Krebs-Serie

Wer die Diagnose „Krebs“bekommt, hat viele Fragen. Inunserer fünfteiligen Serie gebenwir die wichtigsten Antworten –und stellen neue Behandlungs-methoden vor. Nächste Woche,am Montag, 15.2., lesen Sie allesWissenswerte zum Gebär-mutterhalskrebs. Es folgennoch Lungenkrebs (22.2.)und Darmkrebs (29.2.)

Inzwischen sind dieWerte in Ordnung