Download - Kulturexpress 22 2015
Je Woche 11. Jahrgang ISSN 1862 - 1996
Kulturexpress unabhängiges Magazin Ausgabe 22
24. – 30. Mai 2015
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USt-idNr.: 54 036 108 722
E-Mail: [email protected]
Inhalt
o Marlene Dumas - Retrospektive Fondation Beyeler
o Alibis: Sigmar Polke Retrospektive - Sammlung Ludwig in Köln
o Neue Archivschätze für das Hindemith Institut Frankfurt
o Offener Brief von Bernd Loebe zur Nichtverlängerung von Per Boye Hansen, Künstlerischer Leiter der Norwegischen Nationaloper
o Zukunft Lebensräume: Zur Vortragsreihe Architektur und Demenz
Vorstoß Windenergie o Ab 2017 soll Förderhöhe für erneuerbare Energien über
Ausschreibungen im freien Wettbewerb ermittelt werden
- The Image as Burden - bis 6. September 2015
Marlene Dumas - Retrospektive Fondation BeyelerMeldung: Fondation Beyeler
Andere Malerinnen, die auf außergewöhnliche Weise Gemaltes darstellen, zu denen
zählt die Basler Künstlerin Miriam Cahn. Die schwedische Künstlerin Cecilia Edefalk
kommt mir in den Sinn, aber auch die Portraitmalerin Elizabeth Peyton ist
hervorragend in ihrer Art. Die Ausstellung in Riehen widmet sich ausschließlich dem
umfangreichen Werk von Marlene Dumas, in dessen Zentrum die Beschäftigung mit
der menschlichen Figur steht. Es ist die bisher umfassendste Retrospektive in Europa
zum Werk der in Amsterdam lebenden Künstlerin und bietet einen einzigartigen
Überblick über ihr beachtliches Werk von der Mitte der 1970er-Jahre bis heute.
For Whom the Bell Tolls, 2008,
Öl auf Leinwand, 100 x 90 cm,
The Rachofsky Collection and the Dallas Museum of Art
through the DMA / amfAR Benefit, Auction Fund,
© Marlene Dumas, Foto: Peter Cox, © 2015, ProLitteris, Zürich
Marlene Dumas ist außerordentlich in Auftreten und Persönlichkeit, wie
ich die Künstlerin einmal während einer der "Szenenwechsel" im
Museum für Moderne Kunst in Frankfurt Ende der 1990er Jahre
erlebte. Während einer solchen Gelegenheit im Rahmen der
Museumsarbeit war auch mal die Künstlerin Cecilia Edefalk zum
Publikumsbesuch anwesend, die eine ebenso interessante
Erscheinung an sich hat wenn auch nicht so wie Marlene Dumas. Ganz
zu Schweigen von der Art der Malerei, welche diese Malerinnen in der
Gegenwart produzieren. Wovon eine ganze Menge zu lernen wäre,
wenn Zeit zum Malen ist. Gerade die Aquarellkunst in feinsten Nuancen gehört zum festen
Oeuvre dieser beiden Künstlerinnen. Das menschliche Antlitz und menschliche Figur einzeln oder
in Gruppen sind Hauptthema. Die malerische Beschäftigung ist eine künstlerische
Herausforderung schon immer gewesen, weil der menschliche Körper im Ganzen nur schwer zu
erfassen ist.
Zusätzlich zu den wichtigsten ikonischen Gemälden und Zeichnungen von Marlene Dumas werden
experimentelle Collagen aus ihrem Frühwerk sowie einige ganz neu entstandene Gemälde zu
sehen sein. Es ist eine außergewöhnliche Kombination von Unmittelbarkeit und Intimität, welches
das Werk von Marlene Dumas auszeichnet. Ohne Vorbehalt, manchmal herausfordernd, zuweilen
mit Humor, begegnet Dumas den Menschen in ihren Bildern. Dumas lässt die Autonomie der
Farbe zu, behält dabei aber immer die menschliche Figur in ihrem Blick- und Bildfeld. Ihre
Arbeiten zeigen eindrücklich, was Malerei heute noch zu leisten vermag. Marlene Dumas gehört
zu den einflussreichsten und interessantesten weiblichen Künstlern der Gegenwart.
Nuclear Family, 2013, Öl auf Leinwand, 200 x 180 cm,
Fondation Beyeler, Riehen/Basel, © Marlene Dumas,
Foto: Robert Bayer, Basel
In ihren Einzel- und Gruppenporträts dominiert eine
abwechslungsreiche Palette an Farbtönen und Kontrasten.
Expressive Farben wechseln mit fast transparenten Nuancen ab,
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die die Leinwand scheinbar von innen leuchten lassen. Dumas
setzt geschundene Körper und markante Gesichter, dann
wiederum sehr zerbrechlich oder leblos anmutende Geschöpfe
ins Bild. Sie führt vor Augen, wie malerische Schönheit auch
Schreckensszenen darstellen kann. In neuen, noch nie
gezeigten Arbeiten befasst sie sich vermehrt mit dem Verhältnis
von Figur und Raum in ihren Bildern.
Ein seit ihrer Jugend eigen angelegtes Bildarchiv nutzt Dumas als Ausgangslage für ihre Gemälde
und Aquarelle. Oft bezieht sie sich auf aktuelle Krisen und Ereignisse in der Gesellschaft, zu ihrem
Archiv gehören private Familienfotos, kunsthistorische Vorlagen und Fotografien aus der Presse.
Ausgehend von dokumentarischen Fotografien aus Zeitungen und Magazinen transformiert
Dumas mit ihrer malerischen Geste das Abbild in ein unheimliches, fesselndes und berührendes
Bild auf der Leinwand – was Stilllegung der Zeit in der Fotografie ist, erweckt Dumas in ihrer
Malerei zum Leben. Ihre Bilder strahlen eine vereinnahmende, sinnliche Kraft aus, die den
Betrachter in ihren Bann ziehen.
Missing Picasso, 2013, Öl auf Leinwand,,
175 x 87 cm, Courtesy Zeno X Gallery, Antwerpen,
© Marlene Dumas, Foto: Peter Cox,
© 2015, ProLitteris, Zürich
Die Ausstellung in der Fondation Beyeler wurde in enger Zusammenarbeit
mit der Künstlerin geplant. Sie zeichnet anhand einer groben
chronologischen Ordnung ihren künstlerischen Werdegang nach. Der
Anfang der Ausstellung bildet dabei eine Ausnahme und einen
besonderen Auftakt. Im ersten Rau werden Schlüsselwerke wie The
Painter (1994), The Sleep of Reason (2009) und The Artist and His Model
(2013) gezeigt. Auf diese Weise führt die Malerin die Besucher selbst
durch die Ausstellung, der Fokus liegt dabei auf der bis heute
ungebrochenen Faszination vom Bild des Menschen in der Malerei.
Marlene Dumas ist 1953 in der Nähe von Kapstadt (SA) geboren und
aufgewachsen. Sie lebt und arbeitet seit 1976 in den Niederlanden. Ihre
Werke sind in Museen, privaten und öffentlichen Sammlungen weltweit
vertreten. Zu den bedeutendsten Ausstellungen der letzten Jahre gehören Präsentationen im
Haus der Kunst in München (2010/2011), im Museum of Contemporary Art, L. A. und Museum of
Modern Art, New York, USA (2008) und im Marugame Genichiro-Inokuma Museum of
Contemporary Art, Marugame, Japan (2007). Dumas war an der DOCUMENTA IX, 1992 und an
der Biennale 1995 vertreten. 2012 wurde sie mit dem renommierten Johannes Vermeer-Preis
ausgezeichnet. Theodora Vischer, Senior Curator der Fondation Beyeler, kuratiert die Ausstellung
in der Fondation Beyeler. Sie ist gemeinsam mit dem Stedelijk Museum in Amsterdam und der
Tate Modern in London organisiert worden, wobei die Schwerpunkte der einzelnen
Ausstellungsorte unterschiedlich sind. Ein gemeinsamer Katalog in Deutsch und Englisch ist
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Kulturexpress ISSN 1862-1996 Ausgabe 22 - 2015
bereits erhältlich.
Die Ausstellung »Marlene Dumas – The Image as Burden« wird unterstützt durch: AMERICAN
FRIENDS OF FONDATION BEYELER BAYER HEALTHCARE BASEL, Mitzi und Warren
Eisenberg, Susan und Leonard Feinstein, Thomas Koerfer, Mondriaan Fund, Craig Robins und
Jackie Soffer
www.fondationbeyeler.ch
- v.l.n.r. Amy blue, 2011, 40,5 x 30 cm,
- The Painter, 1994, Öl auf Leinwand,200 x 100 cm, The Museum of Modern Art, New York, partielle und zugesagte Schenkung von Martin und Rebecca Eisenberg ©
Marlene Dumas, Foto: Peter Cox, © 2015, ProLitteris, Zürich
- Genetiese Heimwee / Genetic Longing, 1984, Öl auf Leinwand, 130 x 110 cm, Van Abbemuseum, Eindhoven © Marlene Dumas, Foto: Peter Cox, © 2015, ProLitteris,
Zürich
The Widow, 2013, 2 Teile, Öl auf Leinwand, 150 x 140 cm resp. 60 x 80 cm, Defares Collection, n© Marlene Dumas, Foto: Peter Cox, © 2015, ProLitteris, Zürich
Marlene Dumas – Zitate I am an artist who uses secondhand images
and firsthand experiences
1993
Ich bin eine Künstlerin die
Bilder aus zweiter Hand verwendet und Erfahrungen aus erster Hand
1993
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It was film
that taught me the rules of imagination not reality
nor painting.
1997
Es war der Film
der mich die Regeln der Vorstellung lehrte nicht die Wirklichkeit
nicht die Malerei
1997
My people were all shot by a camera, framed, before I painted them.
1985
Auf alle meine Menschen wurde abgedrückt – klick, und sie waren im Kasten, bevor ich sie malte
1985
Suspect
Looking at images does not lead us to the truth, It leads us into temptation.
It’s not that a medium dies.
It’s all media have become suspect.
It’s not the artists‘ subject matter that’s under fire, but their motivation that’s on trial.
Now that we know that images can mean Whatever, whoever wants them to mean, we don’t trust anybody anymore,
especially ourselves.
2003
Suspect
Bilder zu betrachten führt uns nicht zur
Wahrheit,
es führt uns in Versuchung.
Es ist nicht so, dass ein Medium stirbt.
Es ist so, dass alle Medien suspekt geworden sind. Es ist nicht so, dass die Inhalte der Künstler
unter Beschuss stehen,
doch ihre Motivation ist es, die auf dem
Prüfstand steht.
Jetzt, da wir wissen, dass Bilder was auch immer bedeuten können,
wer immer ihnen Bedeutung gibt, trauen wir niemandem mehr,
besonders nicht uns selbst.
2003
Kultexpress ISSN 1862-1996 vom 27. Mai 2015
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Ausgabe 22 - 2015
Die Ausstellung dauert bis zum 5. Juli 2015
Alibis: Sigmar Polke Retrospektive - Sammlung Ludwig in Köln Meldung: Sammlung Ludwig, Köln
Seit Dienstag, 28. April wurden nach nur sechs
Wochen Laufzeit bereits 50.000 Besucher gezählt,
welche die Sigmar Polke Ausstellung in Köln
besucht haben. Die Begeisterung ist deshalb groß.
Während das MoMA noch den konzeptuellen
Medienkünstler Polke präsentierte, so stellte die Tate
Modern den Maler in den Mittelpunkt. Doch erst in Köln wird
das organische Ineinandergreifen beider Fähigkeiten in der
Person Polkes belegt. Das Museum Ludwig in Köln beweist in einer umfassenden Retrospektive,
daß Sigmar Polke auch grandiose Film-Experimente produzieren konnte. Sigmar Polkes Filme,
werden im Rahmen der Retrospektive in Köln umfassend vorgestellt. Ab Mitte der 1960er Jahre
bis zu seinem Tod war die Filmkamera integraler Bestandteil seiner künstlerischen Praxis. Nur in
vereinzelten und ausgewählten Präsentationen machte er seine Filme öffentlich. Im Rahmen einer
Tagung, die das Museum Ludwig gemeinsam mit der Universität Köln vom 12. bis 14. Juni 2015
ausrichtet, werden Polkes Filme im Kontext der lebendigen Filmszene des Rheinlandes in den
1960er und 70er Jahren untersucht.
Leinwände, Fotos, Verpackungen, radioaktive Pigmente, Kartoffeln – kein Material, keine
Substanz war davor sicher, von Sigmar Polke in Kunst verwandelt zu werden. Und kein Verfahren,
keine Technik zu ungewöhnlich, als daß er sie nicht erprobt hätte. So hat Sigmar Polke ein
umfangreiches, kühnes Werk geschaffen und gehört zu den bedeutendsten Künstlern der
Gegenwart.
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Kulturexpress ISSN 1862-1996 Ausgabe 22 - 2015
Die großangelegte Retrospektive, die nach Stationen in New York und London in Polkes
Wahlheimat Köln gelandet ist, versammelt rund 250 Werke und berücksichtigt erstmals alle von
ihm genutzten künstlerischen Medien. Der Titel der Ausstellung, Alibis, spielt auf diesen neuen
Künstlertypus an, der sich allen Erwartungen widersetzt und entzieht. Zugleich lenkt der Titel den
Blick auf den gesellschaftskritischen Zusammenhang seiner Arbeiten. Polke beobachtete das
Zeitgeschehender alten Bundesrepublik und reflektierte ihre verdrängte Geschichte des
Nationalsozialismus. Fünf Jahre nach Polkes Tod wird dieses einzigartige Werk am Ort seines
Entstehens geehrt.
Sigmar Polke wurde 1941 in Oels (Schlesien)
geboren und starb 2010 in Köln. Er gehört zu den
bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Die
Ausstellung präsentiert Werke von 1963 bis 2010.
Das umfangreiche Schaffen Polkes wurde zuletzt vor
annähernd zwanzig Jahren in einer Retrospektive
vorgestellt und zwar 1997 in der Bundeskunsthalle
Bonn und dem Hamburger Bahnhof in Berlin. Sigmar
Polke hatte sich selbst immer allen kunsthistorischen
Einordnungen zu entziehen versucht. In seiner ersten
posthumen Retrospektive, die nach New York und
London seit 14. März im Museum Ludwig in Köln
gezeigt werden, stellen zum ersten Mal alle
künstlerischen Medien dar, mit denen Polke Zeit
seines Lebens intensiv arbeitete.
Nicht nur seine Malerei und Zeichnungen, mit denen
Polke bekannt wurde, sind ausgestellt, sondern auch Grafik, Skizzenbücher, Objekte, Skulpturen,
Fotografien, Filme, Diainstallation und Fotokopierarbeiten. Viele Werke wurden noch nicht in
Deutschland gezeigt. Auf diese Weise wird deutlich, wie Sigmar Polke die Medien miteinander
verknüpfte und sich gegenseitig durchdringen ließ: In seinen Gemälden setzte er fotografische
Substanzen ein; Raster aus Druckverfahren verwandelte er in Gemälde, Fotografien wurden durch
den manipulierten Entwicklungsprozesse zu Unikaten; seine filmischen Erkundungen inspirierten
sein Gesamtwerk. Der Titel der Ausstellung spielt auf diesen neuen Künstlertypus an, der sich
allen Erwartungen widersetzt und entzieht.
Fassen seine Gemälde der 1960er Jahre die Konsum- und Warenwelt des bundesdeutschen
Wirtschaftsaufschwungs ironisch auf, so lassen sich in seinen von Massenkultur aufgesogenen,
und in unterschiedlichsten Medien umgesetzten, kollaborativen Arbeiten der 1970er Jahre viele
Anspielungen auf die neuen sozialen Bewegungen und ihre Subkulturen finden. In seinen
großformatigen abstrakten Gemälden sind es seit den 1980er Jahren die neuen Materialien, wie
photochemische, wärme- und feuchtigkeitsempflindliche, aber auch giftige Substanzen, die eine
verunsichernde und ambivalente Wirkung auf den Betrachter haben.
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Ein weiterer Bezug wird durch die Sammlung des Museum Ludwig hergestellt. Denn das Museum
Ludwig wurde immer wieder mit großzügigen Schenkungen von Polke-Werken bedacht. Bereits
1974 gelangte das frühe Rasterbild "Kopf" von 1966 über eine Jubiläumsspende in die Sammlung.
Außerdem befinden sich eine unbetitelte Arbeit von 1986, "Ruine" von 1994 und aus dem gleichen
Jahr das Transparentbild "Fensterfront" in der Sammlung des Museums. 2009 erhielt das Museum
Ludwig die nahezu vollständig zusammengetragene Sammlung der Editionen von Sigmar Polke.
Diese Schenkungen sind in die Präsentation einbezogen.
Die Ausstellung wird vom Museum of Modern Art, New York zusammen mit der Tate Modern,
London organisiert. Sie wurde initiiert und kuratiert durch Kathy Halbreich, stellvertretende
Direktorin des Museum of Modern Art mit Mark Godfrey, Kurator für internationale Kunst der Tate
Modern und Lanka Tattersall, kuratorische Assistentin der Abteilung für Gemälde und Skulpturen
des Museum of Modern Art. Die Präsentation am Museum Ludwig wird von Barbara Engelbach,
Kuratorin, Sammlung Zeitgenössische Kunst, Fotografie und Medienkunst, Museum Ludwig,
organisiert. Für die Ausstellung hat die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen
Hannelore Kraft die Schirmherrschaft übernommen.
Die Frankfurter Allgemeinen Zeitung GmbH ist Medienpartner der Ausstellung. Die Deutsche
Bahn ist Mobilitätspartner. Mit dem Sparpreis Kultur innerhalb von 3 Tagen zur Ausstellung und
zurück. Ab 39 EUR. Bis zu vier Mitfahrer sparen jeweils 10 EUR. www.bahn.de/kultur
Sammlung Ludwig Köln
Kultexpress ISSN 1862-1996 vom 27. Mai 2015
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Ausgabe 22 - 2015
Neue Archivschätze für das Hindemith Institut Frankfurt Meldung: Hindemith Institut Frankfurt, 14. Dez. 2014
Die Fondation Hindemith hat sämtliche
Hindemith-Schriftstücke aus dem Archiv
des Schott-Verlags in Mainz erworben. Es
handelt sich um etwa 700 Briefe und
Herstellungsmaterialien zu Drucken,
darunter Erstausgaben der Werke. Die
Dokumente werden im Hindemith Institut
Frankfurt bibliothekarisch erfasst, archiviert
und der Öffentlichkeit zur Verfügung
gestellt.
Somit besitzt die Stiftung über 80 Prozent der
weltweit vorhandenen handschriftlichen
Dokumente des Komponisten. Sie sind für die
wissenschaftliche Arbeit am Frankfurter Institut von unschätzbarem Wert. Die Briefe Paul
Hindemiths an den Schott-Verlag von 1919 bis 1963 dokumentieren die langjährige
Zusammenarbeit und Freundschaft mit den Mainzer Verlegern Willy und Ludwig Strecker.
Sie erörtern auch musikästhetische Fragen und geben wertvolle Hinweise zur Edition seiner
Werke. Hindemiths Kompositionen, die im Exil in den USA entstanden, ließ der Schott-Verlag dort
über seine Verlagsvertretung in New York, Associated Musik Publishers Inc. (AMP),
veröffentlichen. Nach 1945 erschienen seine Werke aus dieser Zeit in Mainz in deutscher
Übersetzung. Dazu schrieb der Komponist an seinen Verleger im Juli 1961:
Warum sind eigentlich alle die originalen englischen oder zweisprachigen Titel und sonstigen
Bezeichnungen gänzlich verdeutscht worden? Wie wird denn ein zukünftiger Musikhistoriker
jemals über den Werdegang der Stücke Bescheid wissen?
Auch die handschriftlichen Korrekturen in den Erstausgaben seiner Werke gehören nun zum
Bestand der Fondation Hindemith und sind für die Edition der Notenausgaben eine gewichtige
Quelle. Das Hindemith Institut Frankfurt ist die zentrale Forschungs- und Archivstätte zu Leben
und Werk dieses großen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Hier entstehen Publikationen wie die
Hindemith-Gesamtausgabe und das Hindemith-Jahrbuch.
Kultexpress ISSN 1862-1996 vom 26. Mai 2015
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Ausgabe 22 - 2015
Offener Brief von Bernd Loebe zur Nichtverlängerung von PerBoye Hansen, Künstlerischer Leiter der NorwegischenNationaloper Oslo
Meldung: vom 28. Mai 2015
} Oper Frankfurt
Sehr geehrte Frau Kulturministerin Widvey,
diese Stellungnahme zu den empörenden Ereignissen an der Oper in Oslo schreibe ich in
meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Deutschsprachigen Opernkonferenz.
Vor einigen Jahren erhielt Norwegen ein architektonisch höchst innovatives und
internationales Aufsehen erregendes Opernhaus. Diesen vielbeachteten Bau empfand die
gesamte Musikweit als einen Startschuss für den Anschluss Norwegens an die internationale
Opernwelt. Die Augen der internationalen Presse und des Publikums richteten sich auf
dieses neue Zentrum des Musiktheaters. Per Boye Hansen als künstlerisch verantwortlicher
Leiter galt als Garant für den positiven Neubeginn: Aufgrund seiner Erfahrung als Berater in
Zürich, als Operndirektor an der Komischen Oper Berlin und vor allem wegen seiner
weltweiten, exzellenten Kontakte zu Künstlern, Agenturen und anderen Opernhäusern. Er
wurde als DIE Idealbesetzung für den Aufbruch Norwegens in eine neue Ära angesehen. Als
jahrelanger regelmäßiger Besucher der Oper in Oslo glaube ich, eine sehr persönliche
Expertise über die dortige Entwicklung und das Niveau des Hauses abgeben zu können -
bereits nächste Woche werde ich übrigens dort wieder eine Vorstellung besuchen. Per Boye
Hansen hat alle Erwartungen erfüllt und den Sprung mit seiner Arbeit und seinem Team in
die Internationale Opernliga geschafft. Das Programm ist anspruchsvoll und das Publikum
weiß das erreichte Niveau in höchstem Maße zu schätzen. Ausgerechnet in diesem Moment,
in dem das Haus an Renommee enorm hinzugewinnt, wird diese Entwicklung durch eine
völlig kunstferne Entscheidung abrupt abgebrochen. Die Leitung eines Opernhauses ist im
besonderen Maße von langfristiger Planung abhängig, und die unerwartete
Nichtverlängerung des Vertrages von Herrn Hansen, könnte dem Osloer Opernhaus große
Schäden zufügen.
Von den herausragenden Verdiensten, die Herrn Hansen zuzuschreiben sind, ist seine klare
Profilierung des Hauses als Norwegens Nationaloper hervor zu heben. Als Sängerexperte
hat er vielen jungen Sängerinnen und Sängern große Herausforderungen anvertraut, und vor
allem eine ganz neue Generation von norwegischen Regisseuren der Internationalen
Opernlandschaft vorgestellt. Die Mitglieder der Deutschsprachigen Opernkonferenz sind
über die gegenwärtige Entwicklung entsetzt und sehen die Verantwortlichen in einer äußerst
unguten Abseitsposition. Wir möchten die Norwegische Regierung ermuntern, eine
unabhängige Jury oder einen Kreis unabhängiger Opernfachleute einzusetzen, um die
getroffene Entscheidung noch einmal zu beurteilen und diese womöglich wieder rückgängig
zu machen.
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Kulturexpress ISSN 1862-1996 Ausgabe 22 - 2015
Mit freundlichen Grüßen,
Bernd Loebe
Intendant/Geschäftsführer Oper Frankfurt
Vorsitzender der deutschsprachigen Opernkonferenz
Mitglieder: Harnburgische Staatsoper, Staatsoper Berlin, Deutsche Oper Berlin, Komische Oper
Berlin, Deutsche Oper am Rhein, Oper Köln, Oper Frankfurt, Staatsoper Stuttgart, Bayerische
Staatsoper München, Sächsische Staatsoper Dresden, Oper Leipzig, Wiener Staatsoper, Opernhaus
Zürich,
assoziierte Mitglieder: Royal Opera Hause Covent Garden London, Opera National
de Paris, Teatro alla Scala Mailand
Kultexpress ISSN 1862-1996 vom 28. Mai 2015
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Ausgabe 22 - 2015
Zukunft Lebensräume: Zur Vortragsreihe Architektur undDemenz Foto (c) Kulturexpress
Allein am 30. April 2015 von 14:15 - 16:45 Uhr liefen
vier Vorträge auf dem Messe- und Konferenzmeetin
"Zukunft Lebensräume" neben zeitgleichen Workshops.
Die Konferenz mit Veranstaltungen findet auch im
nächsten Jahr mit neuen Themen und Schwerpunkten
statt. Die ersten beiden Vorträge in dieser Reihe waren
von Gesine Marquardt und Christine Degenhart und
wurden schon in den Beiträgen vorher erwähnt. Der
dritte stammt von Bettina Rudhof, ihres Zeichens
Alternswissenschaftlerin aus Frankfurt am Main, die
anhand wissenschaftlicher Erklärungsmodelle die praktische Arbeit im Umgang mit
Demenzkranken näher brachte.
Moderation dieser Folge an Nachmittagsvorträgen hatte übrigens Hans-Peter Bröckerhof, der
Herausgeber der Zeitschrift E-Health Com ist. Der vierte Vortrag wurde in englischer Sprache von
dem Belgier Patrick Verhaest vorgetragen, siehe auf dem Foto. Der kommt vom
Expertenzentrum für Demenz aus Antwerpen und befasste sich mit architektonischen
Baumodellen. Zahlreiche Gebäudeentwürfe einschließlich Grundrissen und Ansichten wurden
präsentiert und erläutert. So nannte er eine runde Bauweise förderlich in Bezug auf die
Auswirkungen der Demenzerkrankung. Eine Vernetzung der Bauweisen sei förderlich, aber auch
die wohnliche Behaglichkeit spiele eine Rolle. Eigene Möbel zählen ebenso zum Konzept wie eine
kombinierte Bauform in unterschiedlichen Teilbereichen etwas bedeuten. Letztlich entstand ein
umfassender Eindruck über die aktuelle Bauweise im belgischen Raum in Bezug auf
Einrichtungen für Demenzerkrankungen.
Doch zurück zu Bettina Rudhof, sie zitierte in ihrem Vortrag zunächst den englischen
Sozialpsychologen Tom Kitwood (1937 - 1999), der die elementare Bedeutung erkannte und damit
die Grundhaltung meinte, die einem Menschen und damit auch einem Demenz Erkrankten zu
dessen Wohlbefinden entgegengebracht wird.
Kitwood bewertete auf revolutionäre Weise ebendiese Haltung als bedeutsam im Verlauf des
Abbauprozesses als neuropathologische Veränderung. Die These, dass eine die Person
erhaltende und fördernde Umgebung, zum Beispiel eine Hausgemeinschaft für demenziell
Erkrankte, den Abbauprozess der Demenz verlangsamen kann, ja, dass es sogar zur so
genannten „Remenz“, also der Wiederkehr verlorener Fähigkeiten komme.
Wesentlich sind die Umgangsformen, um verbliebene Fähigkeiten und gute Laune zu erhalten und
wiederherzustellen. Die Person im hier und jetzt zu halten, wurde gesagt. Die räumliche und
zeitliche Vergesslichkeit rückgängig machen, sei ein großes Anliegen. Leib und Seele
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Kulturexpress ISSN 1862-1996 Ausgabe 22 - 2015
zusammenhalten. Eine Möglichkeit biete Essen und Trinken. Die Gegenwart eines anderen
Menschen empfinden, gehöre auch dazu.
Vorbildliche Pflegeinrichtungen unterhalten 10 - 12 Einzelzimmer. Die Umstellung auf
hauswirtschaftliche Versorgung sei elementar zu verstehen. Das bedeutet zugleich die
Abschaffung des Tablettsystems. So hob Bettina Rudhof am Beispiel einer Einrichtung für
Demenzkranke der Reemtsma-Stiftung in Hamburg die zeichenhafte Ausstattung der Räume
hervor. Nannte rotweiß karierte Tischdecken, die beim Gelingen der Arbeit helfen würden. Ein
Nachtcafé böte auch um 3 Uhr morgens einen Service an und sei offen für jedermann. Das soll
nur die Bereitschaft zeigen, offensiv gegen Demenz anzugehen. Lichtquellen ab 2500 Lux steigern
die positive Stimmung. Beteiligt an körperlichen Funktionen sei Melatonin und der Botenstoff
Senotonin, die Auswirkungen auf Wohlbefinden, Traurigkeit sowie den Tag-und-Nacht Rhythmus
haben.
Siehe auch: Zukunft Lebensräume: Produkte und Anwendungen vorgestellt
Siehe auch: Zukunft Lebensräume: Was altersgerechte Architektur ist
Siehe auch: Zukunft Lebensräume: Bauen für Menschen mit Demenz
Siehe auch: Zukunft Lebensräume. Messe und Kongress im Kap Europa, ein Verbund aus
Wohnungs-, Pflege- und Gesundheitswirtschaft
Kultexpress ISSN 1862-1996 vom 26. Mai 2015
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Ausgabe 22 - 2015
Vorstoß der Windenergie Meldung: Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
Ab 2017 soll die Förderhöhe für erneuerbare Energien über
Ausschreibungen im freien Wettbewerb ermittelt werden.
Aus Sorge vor ungleichen Wettbewerbsbedingungen und
um einen geographisch ausgewogenen Ausbau der
Windenergie in Deutschland sicherzustellen, haben die
zuständigen Minister und Ministerinnen Tarek Al-Wazir
(Hessen), Anke Rehlinger (Saarland), Johannes Remmel
(Nordrhein-Westfalen), Eveline Lemke (Rheinland-Pfalz),
Anja Siegesmund (Thüringen) und Franz Untersteller
(Baden-Württemberg) ein gemeinsames Positionspapier verfasst.
Darin wird gefordert, die Vergütungssystematik des aktuellen EEG, das so genannte
Referenzertragsmodell, zu modifizieren, um bei einer Ausschreibung die windstarken Standorte
nicht zu bevorteilen. Außerdem fordern sie einen regionalen Faktor in der Ausschreibung.
„Andernfalls“, so die Ministerinnen und Minister, „würde der Ausbau der Windenergie in den
mittleren und südlichen Bundesländern weitgehend zum Erliegen kommen.“
Windenergie-Ausbau ist notwendig
Die Länder bekräftigen, dass Windkraftanlagen in ganz Deutschland notwendig sind, um die
Energiewende zum Erfolg zu bringen und die Klimaschutzziele zu erreichen. Der regionale
Stromverbrauch dürfe nicht nur durch Import gedeckt werden, vielmehr müsse dem regionalen
Verbrauch auch eine regionale Stromerzeugung gegenübergestellt werden: „Ein ausgewogener
Ausbau der Windenergie erlaubt einen effizienteren Netzausbau, er sorgt für eine über das
Bundesgebiet verteilte Wertschöpfung sowie gerechtere Lastenteilung, und er leistet einen Beitrag
zur Versorgungssicherheit, weil die meteorologische Abhängigkeit der Windstromerzeugung
breiter gestreut wird.“
Vorschlag zur Anpassung des EEG
Um den flächendeckenden Ausbau der Windkraft zu gewährleisten schlagen die Klimaschutz- und
EnergieministerInnen Hessens, des Saarlandes, Nordrhein-Westfalens, Rheinland-Pfalz‘, Baden-
Württembergs und Thüringens vor, die Vergütungssystematik des EEG im Rahmen eines
reformierten Referenzertragsmodells anzupassen. Eine Möglichkeit hierfür wäre, die
Grundvergütung im EEG zu senken und windstarken Standorten, die Anfangsvergütung für
eingespeisten Strom über eine kürzere Dauer als bisher zu bezahlen. Auf diese Weise könnte es
gelingen, den Wettbewerbsnachteil weniger windhöffiger Gebiete im Bietprozess um die Höhe der
Anfangsvergütung teilweise auszugleichen. Für starke Standorte würden sich im Gegenzug
schneller als im derzeitigen EEG Chancen aus der Vermarktung des erzeugten Stroms an der
Strombörse ergeben.
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Kulturexpress ISSN 1862-1996 Ausgabe 22 - 2015
Wunsch nach regionaler Komponente im Ausschreibungsverfahren
Darüber hinaus plädieren sie für die Verankerung einer regionalen Komponente im
Ausschreibungsverfahren. Im Kern geht es darum, Deutschland in zwei Windregionen zu teilen,
eine im Norden und eine im mittleren und südlichen Teil Deutschlands. Beide Regionen sollen
einen garantierten Anspruch auf 40 Prozent der Zuschläge erhalten. Die restlichen 20 Prozent
sollen im freien Wettbewerb bleiben.
Die MinisterInnen: „Alle Standorte werden dann in einer deutschlandweiten Auktion angeboten, so
dass ein wettbewerbsstarker Markt gewährleistet bleibt. Aber es wird sichergestellt, dass jeweils
40 Prozent des Zuschlags den kostengünstigsten Standorten sowohl in den norddeutschen als
auch in den mittel- und süddeutschen Bundesländern erteilt wird. Der Zuschlag für die restlichen
20 Prozent erfolgt unabhängig von der regionalen Zuordnung. Dies entspricht der Verteilung des
Windenergiezubaus der letzten Jahre.“
Mit ihren Vorschlägen gehen die sechs Länder jetzt in die anstehenden Diskussionen auf
Bundesebene um die künftigen Ausschreibungsbedingungen für die Vergütung von Windstrom im
EEG, das in den kommenden Monaten novelliert werden soll.
Länderpositionspapier Windenergie, 20.05.2015 (PDF / 807 KB)
Kultexpress ISSN 1862-1996 vom 26. Mai 2015
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Ausgabe 22 - 2015