Luxusbekleidung und Nachhaltigkeit: Freunde oder Feinde?
Ingo Balderjahn
Luxus & LifestyleWorkshop vom 28. Juni 2013
Universität Potsdam
Subjektiv: Luxus ist das, was ein Individuum als solches empfindet.Objektiv: Luxus ist das, was sich nur sehr wenige finanziell leisten können. Luxus wird (symbolisch) durch Luxusmarken repräsentiert.
Luxus ist geprägt von der Kultur und der Geschichte.
Luxus als verschwenderischer Konsum (17./18. Jahrhundert). „Der Luxus im Sinn der Ablehnung zweckrationaler Orientierung des Verbrauchs ist für
feudale Herrschaftsschichten nichts ´Überflüssiges´, sondern eines der Mittel ihrer sozialen Selbstbehauptung“ (Weber 1921, S. 659).
„Luxury means everything that is more than one needs“*
Nicht (lebens‐)notwendiger Konsum!
2Prof. Dr. Ingo Balderjahn
Was ist Luxus und was verstehen wir unter Nachhaltigkeit?
* DUBOIS, Bernard, CZELLAR, Sandor: Prestige Brands or Luxury Brands ? An Exploratory Inquiry on Consumer Perceptions, Genf 2002.
subjektives Element objektives Element normatives Element
Luxus als ein Prestigesymbol einer Marke.
3Prof. Dr. Ingo Balderjahn
9%
12%
16%
21%
37%
Louis Vuitton
Prada
Escada
Gucci
Chanel
Quelle: Statista/KPMG, 3.000 Befragte 2009.
Sympathie für Luxusmarken
Auffälliger Konsum (Sozialprestige, Image; „Theorie der feinen Leute“, Veblen 1899; conspicious consumption)
Exklusiver Konsum (Abgrenzung & Exklusivität, Exklusivität; Snob‐Effekt) Sozial anerkennender Konsum (sozialer Status, Geltung, demonstrativer Konsum) Hedonistischer Konsum (Konsum zur emotionalen Stimulans, Verschwendung; Lust‐
Effekt) Qualitätsorientierter Konsum (Werthaltigkeit des Produkts, Ästhetik)**
4Prof. Dr. Ingo Balderjahn
Motivation zum Luxuskonsum
**Melika Husic and Muris Cicic: Luxury consumption factors, in: Journal of Fashion Marketing and Management, Vol. 13 No. 2, 2009, S. 231‐245.
Luxusbekleidung als Mittel der Selbstdarstellung und sozialen Abgrenzung (Distinktion)
Luxuskonsum wird getrieben von Streben nach Prestige, sozialer Anerkennung und Geltung, Exklusivität und Abgrenzung, Werthaltigkeit und Tradition.
Was den Luxus‐Konsumenten fasziniert
5Prof. Dr. Ingo Balderjahn
36%
48%
49%
64%
64%
65%
66%
78%
85%
Exklusivität
Prestige
Tradition
Flair
Langlebigkeit
edle Materialien
Stil
gute Verarbeitung
hohe Qualität
Quelle: Statista/IFD‐Allensbach, 4.194 Befragte 2008.
Werthaltig
keit
Segmente des Luxusgütermarktes 2008 weltweit
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Quelle: Der Markt der Luxusgüter, Focus: Fakten für Ihre Zukunft 2009.
ca. 49 Mrd. €Anteil am gesamten Bekleidungsmarkt< 15%.Größte Bekleidungs‐märkte: EU‐27, USA, Japan, Russland
Der Luxus‐Konsument
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 7
In Deutschland können 12,6 Mio. Personen als luxusaffin eingestuft werden (~ 15%)
(54% Männer und 46% Frauen).
Es sind Personen, die
Freude am Besitz schöner Dinge haben,
das Leben genießen wollen und
Spaß am Shoppen und Einkaufen haben.
Quelle: Allensbacher Markt‐ und Werbeträgeranalyse 2010
Möglichst einfach leben, wollen Luxus‐Konsumenten nicht.
Preis als Luxusrestriktion: Aufteilung des persönlichen Budgets (Frauen)
8Prof. Dr. Ingo Balderjahn
einfach, preiswert
39%
Standard‐Marken 47%
Luxus 7%
Wie viel von dem Geld, das Sie in einem Jahr für Bekleidung ausgeben, geben Sie für die genannten Bekleidungsklassen aus?
Premium 7%
KiK 4,99 €
Prada 109 €
adidas 37,95 €
Luxus‐/Premiumgüter: Louis Vuitton, Gucci, Chanel, Prada, …
Nike, adidas, Puma ….
Niedrigpreismarken und Discounter: H&M, KiK, Gap, Zara …
Quelle: Bain & Company: Why She 2010 Fashion and Beauty Study, September 2010, S. 10
Nachhaltigkeit und nachhaltiger Konsum
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Soziale Erwartung: Prinzip der Generationengerechtigkeit
Dieses Prinzip formuliert die Erwartung an den Konsumenten, seine Bedürfnisse so zu befriedigen, dass die Lebens‐, Gestaltungs‐ und Konsumchancen zukünftiger Generationen dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Motivation: Ethischer Konsum
Die Motivation zum nachhaltigen Konsum speist sich aus der Anerkennung einer moralischen Verpflichtung durch den Konsumenten, einen eigenen Beitrag für das Wohl zukünftiger Generationen zu leisten. Ethische Produktqualitäten dienen dann als Kaufentscheidungs‐kriterium.
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Nachhaltiger Konsum: Eine Systematisierung
Ethischer Konsum(Obligation for Others)
SozialerKonsum
Ökologi‐scher
Konsum
Egoistischer Konsum(Obligation for Myself)
Konsum
Tierschüt‐zenderKonsum
SimplizitätLuxus‐Konsum
Lebensnot‐wendigerKonsum
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Nachhaltiger Konsum (Obligation for future Generations)
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deutlich verschiedene Konsummotivation
Kauf von Produkten von Firmen mit CSR‐Image
Nachhaltige Konsumoptionen
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Grüne Produkte …
(Green consumption)
FaireProdukte …
(Social consumption)
(Voluntary simplicity)
WenigerProdukte …
Boycott
Buycott
Kauf nachhaltigerProdukte
Boykott von Firmen mit unethischen Praktiken
Konsumeinschränkung
… kaufen
Bildnachweis: http://www.dailygreen.de/2009/04/15/was‐bedeuten‐oko‐label‐bei‐textilien‐1199.html
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Umweltverträglicher Konsum
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Energie‐verbrauch Mobilität Konsumgüter Recycling
Konsumoptionen sind sehr unterschiedlich
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Ressourcenverbrauch Umweltschutz Klimaschutz
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Rohstoffgewinnung/Fasererzeugung(Anbau, Synthese)
Flächenerzeugung(Spinnen, Weben, Wirken)
Veredelung(Vorbehandlung, Bleichen
Färben, Ausrüsten)
Bekleidungsherstellung(Nähen, Fertigung, Design)
VertriebVerpackung
GebrauchPflege
RecyclingEntsorgung
„von der Wiegebis zur Bahre“
Produktlebenszyklus der Textilherstellung („Textile Kette“)
Handel,Verkauf
Wieder‐verwendung
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Globale textile Wertschöpfungsketten
14Quelle: Der Tagesspiegel vom 4.09.2011 Kapitel B. 4.2.
Die ökologische Dimension des Luxus‐Konsums
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Studie und Ranking von Luxusmarken, durchgeführt von (2013):
u.a.:
„Stammt das Leder für Schuhe, Gürtel, Taschen und andere Accessoires von Rinder, für die der Amazonas‐Urwald gerodet wurde?“
„Werden in der Textilproduktion umwelt‐ und gesundheitsschädliche Chemikalien eingesetzt, die wertvolle Wasserressourcen verschmutzen?“
Quelle: http://en.thefashionduel.com/wp‐content/uploads/sites/2/2013/01/TFD_RANKING1.pdf
Greenpeace‐Studie zu Luxusmarken
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Greenpeace‐Studie zu Luxusmarken
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Greenpeace‐Studie zu Luxusmarken
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Boycott
Buycott
Fairer Konsum:
Konsumieren fürfaire Arbeitsbedingungen und soziale Gerechtigkeit
Sozialer Konsum
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PhilanthropischerKonsum:
Konsumieren für einenguten Zweck
Politischer Konsum:
Konsum als politisches Instrument
Drei sehr unterschiedliche Konsumoptionen
Cause‐related Marketing Menschenrechte Arbeitsstandards Kinder‐ und Zwangsarbeit Diskriminierung /
Disziplinierung Faire Entlohnung
Konsumboykott gegen „Umweltsünder & Sweatshops“
„Konsumbuykott“ bei glaubwürdiger CSR
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Die soziale Dimension des Luxus‐Konsums
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Aktionen gegen „Billigmarken“ wie H&M, Zara, GAP und Levi´s wegen deren Lieferanten in Kambodscha, die Arbeitskräfte nicht ausreichend ernähren.
Aktionen gegen das Sandstrahlen von Jeans. Sandstrahlen ist für die Arbeitskräfte sehr gefährlich und verursacht Silikose (Lungenfibrose). H&M, Levi´s und C&A treten einer Initiative zur Ächtung der Sandstrahlung bei. Auch Armani, nicht aber der italienische Luxusanbieter Dolce & Gabbana.
Auch bekannte Luxusbekleidungsmarken lassen in Asien produzieren (z.B. Armani in China).
Resümee
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Nachhaltiges Kriterium Luxusbekleidung* Massenbekleidung
Ökologische Dimension Ressourcenverbrauch relativ höherer relativ geringerer
Rohstoffverbrauch Rohstoffverbrauchwerthaltig weniger werthaltiglanglebiger kurzlebigerRohstoffarten (z.B. toxisch)? Rohstoffarten (z.B. toxisch)?(Anteil erneuerbar?) (Anteil erneuerbar?)
Umwelt‐und Klimaschutz Produktionsmethoden? Produktionsmethoden?Wertschöpfungsketten Wertschöpfungsketten(lokal/global)? (lokal/global)?
Soziale Dimension kritisch, aber weniger teilweise sehr kritisch soziale Arbeitsstandards als bei der Masse wg. Preis‐/Kostendruck
ökonomische Dimension Simplizität nein! in der Nische ja Kollaboration nein! nein Schuldenfreiheit ja/nein ? ja/nein ?
* keine Klein‐Labels und Manufakturen/industrielle Fertigung
Resümee
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Freunde oder Feinde?
Es ist wohl keine eindeutige, klare Aussage möglich. Tendenziell scheint der
Luxuskonsum wegen der Werthaltigkeit, Langlebigkeit und wegen des geringeren
Preis‐ und Kostendruckes hinsichtlich der ökologischen und sozialen Aspekte der
Nachhaltigkeit besser da zustehen als die Massenbekleidungsbranche. Allerdings
ist der Luxuskonsument definitiv kein Simplifyer. Er/sie besitzt gern und
konsumiert viel.