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Page 1: REPORT Wer denkt schon an die Stiefmütter? · 2018. 12. 18. · Katharina Grünewald. Dazu komme, dass viele Stiefmütter, besonders nach einem Rosenkrieg, sich das Leben selbst

Sonntag, 13. Mai 2018 REPORT 3Zum Muttertag danken wir mal explizit der Zweit-Mami

Wer denkt schon anWer denkt schon andie Stiefmütter?die Stiefmütter?

D ie Gebrüder Grimm ha-ben das Bild der fiesen,eifersüchtigen Schwie-

germutter geprägt, dieAschenputtel niedermachtoder Schneewittchen tötenwill. Doch auch 200 Jahre spä-ter haben Stiefmütter immernoch keine Lobby, obwohl derKreis immer größer wird. InAmerika wird deshalb seitdem Jahr 2000 – auf Initiativeeiner Elfjährigen, die ihreStiefmutter über alles liebte –an jedem dritten Mai-Sonntagder „Stepmom-Day“ gefeiert.„Wenn man damit erreichen

könnte, dass Stiefmütter mehrBeachtung bekommen wür-den, sollte man vielleicht dar-über auch in Deutschlandnachdenken“, sagt KatharinaGrünewald zum Sonntag-EX-PRESS. Denn der „Job“ istheutzutage nicht einfach.

„Zum einen sollen sie einemütterliche Bezugspersonsein, ohne der Mutter denPlatz streitig zu machen. Zumanderen sollen sie selbst alsWochenendmutter in dasklassische Familienbild pas-sen, dass Männer unbewusstabgespeichert haben“, erklärtKatharina Grünewald.

Dazu komme, dass vieleStiefmütter, besonders nacheinem Rosenkrieg, sich dasLeben selbst schwermachen.„Sie tun oft alles, damit es demKind gutgeht, wollen dem Bild

der »guten Mutter« entspre-chen. Doch so stürzen sie dasKind in einen Loyalitätskon-flikt. Das schlägt sich auf dieSeite der leiblichen Mutter.“

Und in vielen Fällen könnenStiefmütter da leider nicht aufRückendeckung des Partnerszählen. Problematisch sei,dass Männer Konflikte tabui-sieren, statt klar Position zubeziehen. „Einige Stiefmüttererzählten mir bei der Bera-tung, dass Sie auf der Rück-bank Platz nehmen müssen,wenn der Teenie am Wochen-ende da ist, weil er das so ge-wohnt sei nach der Trennung.

Immer zurücksteckenBuhlen um die Gunst des

Partners – und immer zurück-stecken müssen. Das tut weh.Kein Wunder, dass laut Statis-tik doppelt so häufig Bezie-hungen in Patchworkfamilienscheitern als Beziehungen oh-ne Kinder. Oft sind es ver-meintliche Kleinigkeiten, diezum Pulverfass für die Bezie-hung werden. Die Psycholo-gin: „ In der einen Familie gabes strikte Grenzen, da wurdeim Bad die Tür zugemachtund die Tür abgeschlossen, inder anderen duscht man vorden Augen aller. So etwas er-zählt man sich ja nicht beimKennenlernen. Das gibt natür-lich Konflikte...“

Deshalb rät sie Stiefmüt-tern, einfach mal mehr an sichzu denken. „Wenn ich denKindern die aufwendige Spe-zial-Bolognese koche mit ab-gebrühten Bio-Tomaten, ärge-re ich mich, wenn es heißt:»Schmeckt bei Mama viel bes-ser«. Wenn ich etwas koche,worauf ich Lust habe, ist es dasSahnehäubchen obendrauf,wenn die Kinder es loben.“

Sollte man Frauen da nichtden Ratschlag geben, Väternaus dem Weg zu gehen? „Es istauf jeden Fall viel Arbeit – ansich und in der Beziehung. Ichselbst habe zeitweise vier Kin-der und erlebe es als große Be-reicherung.“

Der Seilspringreim, der auf Schulhöfen angestimmt wird,spricht Bände: „Verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden– aber wie viele Kinder wirst du kriegen?“ Das Famili-enministerium schätzt, das mindestens jedes achte Kindin einer Patchworkfamilie aufwächst. Sonntag-EXPRESSsprach mit der Kölner Psychologin Katharina Grünewald(47), die diese Familien berät. Denn am Sonntag wirdwieder ein Loblied auf die Mütter gesungen – aber wasist eigentlich mit den Tausenden von Stiefmüttern?

Blumen hat nicht immer nurdie leibliche Mutter verdient.In Deutschland dominierennach einer Statistik des Fami-lienministeriums übrigensStiefvaterfamilien. So gibt esin knapp der Hälfteder Stief- und Patchworkfa-milien einen Stiefvater,knapp ein Drittel hat eineStiefmutter. Fotos: Thinkstock, JurgaGraf, Heribert Corn, Facebook

Lob auf die Nachfolgerin erobert das Netz

Autorin Barbara Toth skiz-ziert in ihrem Buch „Stief-mütter“die Vorurteile: „Auf-opfernd, gebend, zurückste-ckend, selbstlos soll die Mut-ter sein, natürlich auch be-rufstätig und Familienma-nagerin. Von Stiefmütternwird all das wie von Mütternerwartet – und noch mehr.Sie ist ja die, die sich auf das

„Du wolltest es ja nicht anders...“Abenteuer Patchworkfami-lie eingelassen hat, schwingtda oft als leiser Vorwurf mit.Du hättest ja eine eigeneFamilie gründen oder beideinem alten Mann und derFamilie bleiben können. Duwolltest doch diese neueBeziehung, mit dem Neuen,der Kinder hat. Jetzt zeige,dass du es im Griff hast.“

E in Lob für die Nachfolgerin.Der Facebook-Post von

Audrey Nicole an Whitney,die „Stiefmutter“ ihrer kleinenTochter, sorgte im Netz für Fu-rore: „Ich bin so dankbar, siezu haben, denn wenn meineTochter ihren Dad besucht,macht sie ihr Essen, passt aufsie auf, kauft ihr Geschenkeund kümmert sich schlicht-weg um sie, als sei es ihre eige-ne Tochter. Warum sind all

diese Mütter so gehässig undeifersüchtig gegenüber ande-ren Frauen? Niemand hat ge-sagt, dass es einfach sein wür-de, für ein Kind, das nichtdeins ist, die Mutter zu sein.Also schubst sie nicht einfachweg, wenn sie es versuchen!Sie brauchen das Dramanicht... Ein Kind kann zweiMütter haben, weil es – mei-ner Meinung nach – besser ist,je mehr Menschen es lieben.“

Katharina Grünewald schrieb„Glückliche Stiefmütter“.

VON ANDREA [email protected]

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