england, frankreich, spanien, schweden …england, frankreich, spanien, schweden und dänemark haben...
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England, Frankreich, Spanien, Schweden und Dänemark haben die Hundesteuer
längst abgeschafft. Deutschland sieht Hunde weiterhin als Luxusgut. Doch jetzt klagen Rechtsanwälte gegen diese Auffassung. Sie
brauchen Unterstützung, um den Druck auf die Gerichte zu erhöhen. Helfen Sie mit!
STOPPT DIE
HUNDESTEUER!
Eine Initiative von
Deutscher Tierschutzbund,
VDH, TASSO und dem
Hundemagazin DOGS
WOZU WIRD HUNDESTEUER VERWENDET?Die Hundesteuer wurde im Mittelalter erfunden. Nach wie vor
entrichten etwa 85 Prozent der hundehaltenden Bevölkerung jedes
Jahr für ihren Liebling Steuern. Beinahe klaglos. Warum müssen
Hundehalter zahlen und die Besitzer von Katzen und Zierfischen
nicht? Ist das gerecht? Zuerst ein paar Fakten:
Die Hundesteuer ist kein Pappenstiel: Allein in Bayern nahmen
die rund 2000 Kommunen damit im Jahr 2010 etwa 22 Millionen
Euro ein. Bundesweit kamen rund 258 Millionen Euro zusammen.
Das sind rund drei Euro pro Kopf der Bevölkerung. Das Recht zur
Erhebung der Steuer haben die Gemeinden. In ihren jeweiligen
Satzungen legen sie auch die Höhe der Abgabe fest. Daher variiert
der Steuersatz von Gemeinde zu Gemeinde. So kostet es in Köln
jährlich 156 Euro, einen Hund zu halten, in Bayreuth nur 50 Euro.
Die Hundesteuer ist eine nicht zweckgebundene Abgabe,
also eine Leistung ohne konkrete Gegenleistung. Anders als häufig
vermutet, können Hundehalter für ihre Sonderabgabe in den Ge-
meindesäckel nicht erwarten, dass der Hundekot auf Gehwegen und
auf öffentlichen Plätzen entfernt wird oder dass Kotbeutelspender
aufgestellt werden. Die Gemeinden können das Geld ebenso verwen-
den, um das Rathaus zu streichen, die Straßen auszubessern oder
Schulden zu tilgen. „Insgesamt zeigt sich, dass in vielen Städten ein
Teil der Hundesteuer dafür verwendet wird, negative Begleiterschei-
nungen der Hundehaltung für die Gesellschaft zu beseitigen. Aller-
dings macht dies maximal zehn bis zwanzig Prozent der jeweiligen
Hundesteuereinnahmen aus“, schreiben Prof. Dr. Renate Ohr und
Dr. Götz Zeddies in einer Abhandlung über die ökonomische
Gesamtbetrachtung der Hundehaltung in Deutschland. Es bleibt
also noch viel Geld für allgemeine Zwecke übrig.
Doch neben der Erhöhung der Einnahmen dient die Hunde-
steuer ordnungspolitischen Maßnahmen, nämlich die Anzahl der
Hunde im Gemeindegebiet zu begrenzen und das Halten sogenann-
ter Kampfhunde zu kontrollieren. Deshalb verlangen die Kommu-
nen für bestimmte Hunderassen einen stark erhöhten Steuersatz, so-
dass das Halten eines American Staffordshire Terriers oder eines
Pitbullterriers 500 oder gar 1000 Euro im Jahr kosten kann, je nach-
dem wo er wohnt. In fast allen Städten und Gemeinden in Deutsch-
land kostet der Zweit- und Dritthund zudem mehr als der erste.
Doch der Unmut gegen diese umstrittene Sonderabgabe für
Hundebesitzer wächst. So ist mittlerweile in Hamm ein großer Streit
zwischen der Stadt und ihren Hundehaltern entbrannt. Der Grund:
„Die Steuer für zehn weitere Rassen soll von 90 Euro auf 696 Euro
jährlich erhöht werden“, schreibt DOGS-Leser Thomas Vehlow in
einem Brief an die Redaktion. „Angeblich wegen Lenkungszwecken.
Aber bei der Ratssitzung hieß es, die Stadt braucht mehr Geld. Es
sind zwar nur 85 Leute betroffen, aber auch Halter, die die neue
Regelung nicht tangiert, zeigen sich solidarisch, um etwas dagegen
zu unternehmen. Wir haben einen Protestmarsch mit 80 Leuten
und 50 Hunden organisiert und bei der Ratssitzung demonstriert.
Es kann nicht sein, dass man als Hundehalter immer nur zahlen
muss“, findet Thomas Vehlow.
WER KAM AUF DIE IDEE MIT DER HUNDESTEUER?Hundesteuer gibt es schon sehr lange. Vielleicht ist das ein Grund,
warum sie heute so wenig hinterfragt wird. Im Mittelalter war die
Jagd auf Hochwild das Privileg der Adeligen. Sie hetzten das Wild
mit Hunden, und für diese Hunde mussten andere aufkommen. Die
Fütterung und Pflege der herrschaftlichen Meuten wurde später in
eine Geldabgabe umgewandelt, den „Hundedecem“, also den Hunde-
zehnten. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums taucht um
1500 zum ersten Mal der Begriff „Hundekorn“ auf, andere Quellen
nennen das Jahr 1260. Roggen und Gerste wurden zu einer Art
Brot verbacken, welches die Bauern den Adeligen liefern mussten,
um die Hunde außerhalb der Jagdsaison zu ernähren.
Später dann, in der Neuzeit, wurde örtlich Hundesteuer
erhoben, um die Zahl der Tiere einzudämmen. Daraus entwickelte
sich im 19. Jahrhundert eine Luxussteuer für Hundehalter. Friedrich
Wilhelm III. erließ nämlich am 28. Oktober 1810 das „Edikt über
die neuen Consumptions- und Luxus-Steuern“, in dem neben Steu-
ern für Diener und Pferde auch für Hunde, Klaviere, Stubenvögel
und Katzen Sonderabgaben eingeführt wurden. Der Staat war der
Ansicht, dass jemand, der es sich leisten kann, Hunde zu halten, die
keine Nutztiere sind, daneben noch genug Geld haben muss, um
einen Sonderbeitrag für die Allgemeinheit zu leisten.
„Die Hundesteuer ist eine reine Luxussteuer, die nicht zweckgebunden
ist und daher abgeschafft gehört. Man könnte sagen, sie finanziert die
Dienstwagen der Oberbürgermeister, denn das Geld fließt in den
allgemeinen Haushalt statt in Tier-schutzprojekte oder Freilaufflächen“
,
„Ein Verzicht auf die Hundesteuer würde es vor allem weniger betuchten Menschen erleichtern, einen Hund als Familienmitglied zu beherbergen. Das käme ihrer Lebensqualität ganz gewiss zugute“
. . ,
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Von diesen kuriosen Steuern vergangener Tage blieb allein die
Hundesteuer bis heute unverändert erhalten. Nur die Begriffe haben
sich geändert: Weil „Luxussteuer“ nicht mehr zeitgemäß klingt, fällt
Hundesteuer heute unter eine „Aufwandsteuer“.
DIE HEUTIGE RECHTSGRUNDLAGENach dem Bonner Grundgesetz von 1949 fällt die Hundesteuer
in die Kategorie „Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis“
und heißt seit der Finanzreform von 1969 „örtliche Verbrauch-
und Aufwandsteuer“. Und genau das wird dieser traditionsreichen
Steuer vielleicht zum Verhängnis: Richter Dr. Andreas Decker aus
Gilching bei München kennt sich als Autor juristischer Ausbildungs-
literatur besonders gut mit dem kommunalen Abgabenrecht aus.
Als er einmal wieder an einer Klausur zu diesem Thema tüftelte,
entdeckte er eine Steuer auf Einwegverpackungen der Stadt Kassel,
die diese als örtliche Aufwandsteuer erhoben hatte und die vom
Bundesverwaltungsgericht gekippt worden war. Begründung: Ein-
wegverpackungen von Fast-Food-Ketten werden auch an Auto-
schaltern ausgegeben und der Müll wird unter Umständen in ganz
anderen Gemeinden entsorgt. Die Örtlichkeit sei also nicht gegeben.
DIE GUTE NACHRICHT VORWEG: Mit gerade mal 12 Prozent gibt es in Deutschland deutlich weniger Hundehasser! Viel mehr Menschen lieben Hunde: 18 Prozent sind Hundebesitzer und 22 Prozent nennen sich Hunde-freunde. Der Rest ist Hunden gegenüber eher neutral eingestellt.
MEINUNG ZUM HUNDEKOT: Fast alle Deutschen (82 Prozent) ärgern sich darüber, dass Hundeführer den Kot der Hunde auf Wegen und öffentli-chen Flächen liegen lassen. Die Zustimmung ist nahezu einheitlich über Geschlechter und Altersgruppen hinweg und auch darüber, ob der Befragte selbst einen oder mehrere Hunde hält oder nicht.
MEINUNG ZUR HUNDESTEUER: Die Akzeptanz der Hundesteuer ist in Deutschland immer noch hoch. Das liegt zum großen Teil an dem Irrglauben, die Steuer diene dazu, die negativen Begleiterscheinung der Hundehal- tung zu beseitigen. „Ich halte die Hundesteuer für sinnvoll, weil es für die Gemeinden teuer ist, Gehwege und öffentliche Plätze von Hundedreck zu reinigen“, sagen immerhin sogar 41 Prozent der Hundehalter, 61 Prozent der Hundefreunde und wenig überraschende 79 Prozent Hundehasser. Ältere Personen stimmen dieser Aussage häufiger zu als Jüngere (14–29 Jahre: 53 Prozent, 30–49 Jahre: 61 Prozent, ab 50 Jahre: 66 Prozent).
MEINUNG ZUR GEFAHR VON HUNDEN: Ein großer Unterschied zwi-schen den drei Teilgruppen zur Hundeaffinität zeigt sich bei der natürlichen Gefährlichkeit von Hunden. Eine Minderheit von 44 Prozent der Hundehas-ser gibt an, dass kein Hund von Natur aus gefährlich ist, sondern es immer auf den Halter ankommt. Dagegen sagen dies vier Fünftel der Hundebe- sitzer (82 Prozent) und knapp drei Viertel der Hundeliebhaber (72 Prozent).
WER DIE FAKTEN KENNT, MAG ANDERS DENKEN: Was bezahlt wird: Keine Steuereinnahme darf in Deutschland an eine konkrete Gegenleistung gebunden sein. Auch die Hundesteuer wandert in einen großen Topf, aus dem unter anderem die Betreuung von Kleinkindern oder das Flicken von Schlaglöchern bezahlt wird. Diese Hundesteuer hat nichts zwangsläufig mit Reinigungsarbeiten in Parks und auf Straßen zu
Ohne Hundesteuer hätten wir mehr Haufen auf den Straßen? Was denken Sie, hängt unsere Sauberkeit maßgeblich von der Erhebung der Hundesteuer ab? Oder werden Deutschlands Straßen sowieso gereinigt, weil beispielsweise auch Blätter, Zigarettenkippen oder Splitt entfernt werden müssen? Im Auftrag von DOGS befragte das Forsa-Institut dazu 1000 Personen aller Alters- und Bevölkerungsschichten nach ihrer Meinung. Die Ergebnisse bestätigen, dass es noch einiger Aufklärung und Meinungsbildung bedarf, um die Hundesteuer auch in Deutschland ad acta zu legen.
tun. Der Berliner Sozialforscher Prof. Dr. Dieter Rucht glaubt sogar, dass sich Hundehalter durch die vermeintliche Zwangszahlung eher von ihrer Pflicht befreit fühlen, die Tretminen ihres Hundes aufzusammeln.
Was geregelt werden soll: Hundesteuer verfolgt nicht nur einen fiskalischen Zweck, sondern hat auch ordnungspolitische Ziele. Sie soll die Bürger von der Haltung eines öffentlich kotenden Haustiers abhal-ten. Vergessen wird dabei gern, dass ein Hund ein Kultur- und kein Luxusgut ist und nicht nur Besserverdienenden vorbehalten sein sollte. Die positiven Auswirkungen der Hundehaltung, insbesondere für die körperliche und psychische Gesundheit des Menschen, sind nachgewie-sen und überwiegen die Nachteile bei Weitem. Vor allem Kinder und ältere Menschen profitieren vom Umgang mit Hunden.
Was erforscht ist: Manch einer denkt, durch Hundesteuer würde die Zahl sogenannter Listenhunde eingedämmt, weil vermeintlich gefährliche Rassen höher besteuert werden. Die anerkannte Verhaltensforscherin Dorit Feddersen-Petersen sagt dazu: „Die Rasse spielt wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle.“ Die Ergebnisse ihrer aktuellen For-schung an der Universität Kiel benennen eher Umgang und Erziehung als Ursachen für Beißunfälle und potenziell gefährliche Hunde (mehr dazu in der nächsten DOGS). Wissenschaftliche Untersuchungen und Wesenstests belegen, dass Hunde des Pitbull-Typus sich nicht generell aggressiver verhalten als zum Beispiel ein Golden Retriever.
Was Europa tut: In Dänemark fiel die Hundesteuer 1972, in Frankreich 1979 und in England im Frühjahr 1990. Dabei leben sowohl in Frank-reich als auch in England weitaus mehr Hunde als bei uns. In Schweden ist seit 1995 mit der Hundesteuer Schluss, auch Griechenland, Kroa-tien, Italien, Spanien und Belgien folgten. Vor allem ethische und verfas-sungsrechtliche Bedenken bewegten zum Handeln. Bei sogenannten Listenhunden wird ebenfalls anders gehandelt: In Frankreich werden Pit-bullterrier seit 2000 sterilisiert, der Import von Tieren dieser speziellen Rasse ist verboten, in England sind Zucht und Verkauf von Pitbulls seit 1991 verboten, in Schweden sind sie seit 1995 generell untersagt.
AKTUELLE DOGS-STUDIE
Komisch, dachte sich daraufhin der Richter, der seinen Hund
zwar in der Gemeinde Gilching versteuert, aber tagsüber mit ihm
nach München in sein Büro im Bayerischen Verwaltungsgerichts-
hof fährt und seine Freizeit im Hundesportverein der Stadt
Fürstenfeldbruck verbringt. Wo ist denn in Bezug auf meinen
Hund die Örtlichkeit gegeben?
HEUTE REISEN HUNDE MITDer Hundealltag des Richters ist kein Einzelfall, sondern eher
typisch. Konnte man in den Neunzehnfünfziger- und -sechzigerjah-
ren noch davon ausgehen, dass der Hund Haus und Hof bewacht
und das Gemeindegebiet selten verlässt, ist so etwas heute die Aus-
nahme. Daher fehlt dieser Abgabe mittlerweile der Bezug. „Örtlich-
keit ist viel eher bei Reptilien gegeben, die in Terrarien gehalten
werden, oder bei Fischen, die daheim im Aquarium schwimmen“,
findet Richter Decker und hat daher vor dem Verwaltungsgericht
München gegen den Hundesteuerbescheid der Gemeinde Gilching
geklagt. Und gewonnen! Jedoch vorerst nur aufgrund eines
HELFEN SIE MIT!Unterstützen Sie die Initiative gegen die Hundesteuer in Deutschland.
Ja, ich bin aus folgenden Gründen für die Abschaffung der Hundesteuer: • Hunde sind Sozialpartner und keine Luxusgüter.
• Es ist unethisch, Steuern auf Mitgeschöpfe zu erheben.
• Die Hundesteuer verstößt gegen den Gleichheitssatz und das Willkürverbot des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
• Die Örtlichkeit fehlt bei heutiger Haltung: Ein Hund reist auch in andere Städte und Gemeinden mit.
• Haustiere und insbesondere Hunde bereichern unser Leben und sind kein Privileg für Besserverdienende.
Mein Name:
Ort der Kommune oder Gemeinde, in der ich wohne und/oder Hundesteuer bezahle:
Jetzt abstimmen!online auf: www.stopptdiehundesteuer.de
per Post:Gruner + Jahr AG & Co KGRedaktion DOGS Kennwort: HundesteuerBrieffach 26, 20779 Hamburg
Schicken Sie uns dafür den Abschnitt rechts zu.
Formfehlers. Eine obergerichtliche Klärung des Falls steht also
noch aus. Seine Erfolgschancen schätzt der Richter auf fifty-fifty
ein. „Ich habe mir das Gehirn darüber zermartert, welche Gegen-
argumente das Gericht anführen könnte. Vielleicht wird es die
Auffassung vertreten, der Hund hätte, ähnlich wie das Auto, einen
festen Wohnsitz, und das sei Besteuerungsgrundlage genug. Ob
das allerdings mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts und des Bundesverfassungsgerichts vereinbar wäre, wage
ich einmal zu bezweifeln. Ich gehe davon aus, dass in den nächsten
ein bis zwei Jahren entsprechende Urteile vorliegen, die im Erfolgs-
fall Schule machen werden.“ Das bleibt also abzuwarten.
Fifty-fifty schätzte auch Rechtsanwalt Dr. Elmar Vitt aus Salzhau-
sen bei Lüneburg seine Chancen ein, vom Bundesverfassungsgericht
schließlich doch noch Recht zu bekommen. Dr. Vitt ist seinem Kol-
legen aus Bayern nämlich schon um einige Instanzen voraus. Die
Musterklage gegen den Hundesteuerbescheid seiner Gemeinde hatte
er sowohl vor dem Lüneburger Verwaltungsgericht als auch vor
„Steuern für Tierliebe sind unethisch“
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STOPPT DIE
HUNDESTEUER!
Eine Initiative von
Deutscher Tierschutzbund,
VDH, TASSO und dem
Hundemagazin DOGS
Die Stimmen sollen helfen, das öffentliche Interesse an den Klagen der Rechtsanwälte gegen die Hundesteuer zu belegen. Alle Namen und Angaben werden nur für diesen Zweck erhoben.
„Hunde sind Sozial- partner und begleiten den Menschen überall hin. Es gibt keine Grundlage für die Erhebung einer auf das Gemeindegebiet bezogenen Abgabe“
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dem Oberverwaltungsgericht bereits verloren und daher Beschwerde
vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben (Az. 1 BvR 1888/11).
Die lapidare Begründung der Lüneburger Richter: Die Hunde-
steuer würde den Tieren nicht wehtun (Az. 9 LA 118/10),
außerdem gab es sie schon immer, die Gemeinden brauchen
Geld und befinden selbst darüber, wie und wo sie kassieren
(Az. 2 A 105/10 und 2 A 118/09).
Rechtsanwalt Elmar Vitt ließ sich von so viel „juristischem
Sachverstand“ jedoch nicht entmutigen und hofft auf eine solide
rechtliche Klärung beim Bundesverfassungsgericht. Er argumentiert,
dass die unterschiedlichen Tarife in den Gemeinden, die „Strafsteu-
ern“ für Zweithunde, die fehlende Differenzierung nach Hunde-
größe und die unterschiedlichen Richtlinien der Befreiungs-
tatbestände dem Gleichheitssatz und dem Willkürverbot wider-
sprächen. Beides ist in Artikel 3 des Grundgesetzes verankert.
Außerdem, so Rechtsanwalt Vitt, sei nicht einzusehen, „dass Sie
zwanzig Katzen halten können oder Giftschlangen, und alles
ohne behördliche Genehmigung, Steuerpflicht oder Haftpflichtver-
sicherung. Aber für einen kleinen Hund, der nicht mal drei Kilo
wiegt, brauche ich das.“ Zudem gebe es keine wirksamen Kon-
trollen, sodass die Hundesteuer in sehr vielen Fällen einfach nicht
eingetrieben und zu einer „Dummensteuer“ für die ehrlichen
Besitzer werde. „Auch mit der verfassungsrechtlichen Stellung von
Tieren als Mitgeschöpfe nach Artikel 20 a des Grundgesetzes
ist eine staatliche Strafe für Tierliebe unvereinbar“, findet Dr. Vitt.
„Sie ist eine unethische Steuer.“
VOM RECHT AUF GLEICHHEIT„Das Recht achtet auf Gleichheit“ ist ein Grundsatz im Ver-
fassungsrecht. Er verpflichtet die öffentliche Gewalt, vergleichbare
Fälle gleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung oder Diskri-
minierung ist nicht prinzipiell verboten, muss aber durch einen
sachlichen Grund gerechtfertigt sein.
Das Willkürverbot ist wie der Gleichheitssatz in Artikel 3 des
Grundgesetzes festgehalten. Es besagt, dass der Staat nicht willkürlich
wesentlich Gleiches ungleich beziehungsweise wesentlich Unglei-
ches gleich behandeln darf, ohne einen vernünftigen oder sachlich
einleuchtenden Grund, der sich aus der Natur der Sache ergibt.
Gleichheit hin oder her, für „unethisch“ hält Rolf Hermanns,
stellvertretender Fachbereichsleiter für Steuern und Kasse der Stadt
Aachen, die Hundesteuer nicht. Im Gegenteil: „Wir alle haben
großen Bedarf an öffentlichen Leistungen, denken Sie zum Beispiel
an die Betreuung der unter Dreijährigen“, erklärt Hermanns. „Das
muss schließlich irgendwie geschultert werden. Außerdem besteuern
wir nicht nur Hundehalter, sondern auch Zweitwohnungsbesitzer,
Hauseigentümer und Gewerbetreibende. Bei der Hundesteuer,
die in bestimmten Fällen ermäßigt wird, handelt es sich im Gegen-
satz zu anderen kommunalen Abgaben um eine althergebrachte
Steuer, die auch dazu dient, die Anzahl der Tiere vor allem in den
Städten zu begrenzen, und damit Tierschutzgedanken verfolgt.
Die zuständige Stadt oder Gemeinde regelt, welche Vorausset-zungen vorliegen müssen, um von der Hundesteuer befreit zu werden. In der Stadt Aachen zum Beispiel gilt die Steuerbefreiung ausschließ-lich für Behindertenbegleithunde, also für die Hunde von Blinden, Gehörlosen oder von Menschen, die einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen B, BL, aG oder H besitzen. Zusätzlich erlässt die Stadt Bürgern, die einen Hund aus dem Aachener Tierheim bei sich aufnehmen, die Steuer für zwei Jahre.
Zusätzliche Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen sehen andere Städte und Gemeinden für Hunde mit bestandener Rettungs-hunde-, Jagd- oder Begleithundeprüfung vor und für Hunde, die Häuser in Außenbereichen bewachen sollen.
Für Hunde, die zu gewerblichen Zwecken gehalten werden, darf keine Hundesteuer erhoben werden, da die Gesetzgebungskom-petenz der Länder aus Artikel 105 Absatz 2a des Grundgesetzes (örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern) nur eine Steuer für das Halten von Hunden durch natürliche Personen zu privaten Zwecken abdeckt. Darunter zählen unter anderem professionelle Wachhunde, Polizeihunde, in Teilen Rettungshunde und die Hunde des Jägers.
WER WIRD STEUERBEFREIT?
„Die Erhebung einer Hundesteuer ist nicht nur unsozial und ungerecht, sondern auch schon lange nicht mehr zeitgemäß“
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Deutscher Tierschutzbund,
VDH, TASSO und dem
Hundemagazin DOGS
Und schließlich muss der Gesetzgeber nicht begründen, warum die
einen besteuert werden und die anderen nicht. Das ist bereits höchst
richterlich geklärt. Wir besteuern den zusätzlichen Aufwand, den
man betreibt, wenn man sich einen Hund hält, das ist der Grund.“
Mit anderen Worten: Wer sich einen Hund leisten kann, treibt
unnötigen Aufwand, dem tun zusätzliche Steuern nicht weh. Was
ist mit der älteren Frau, die von ihrer kleinen Rente ihrem Pudel das
Futter kauft? Was mit dem Besuchsdiensthund, dem Schulhund,
dem Therapiebegleithund? Und ist eine Katze zu halten kein Luxus?
Eine Katzensteuer wäre Hermanns zufolge praktisch nicht durch-
setzbar. „Ein Hund kann einem bestimmten Menschen eindeutig
zugeordnet werden, Katzen sind eher freiläufig oder werden –
das andere Extrem – nur in der Wohnung gehalten. Da wäre es
problematisch, diese Steuer wirklich durchsetzen zu können.“
Im Klartext heißt das: Hundebesitzer werden zur Kasse gebe-
ten, nur weil sie offenbar mehr Geld haben, als zum Überleben
notwendig ist, und eine erfassbare und kontrollierbare Gruppe
sind. Reicht das wirklich aus, um sie zu besteuern? Oder verstößt
die herrschende Praxis tatsächlich gegen das Willkürverbot?
„Die Städte und Gemeinden haben zwar ein Steuerfindungs-
recht, aber man braucht schon sachliche Argumente, warum die
einen zu besteuern sind, andere aber nicht. Sonst könnte man ja
hergehen und zum Beispiel ab morgen jeden besteuern, der mehr
als einen Baum im Garten stehen hat“, erläutert Dr. Christina
Baluch, Rechtsanwältin bei der Aachener Kanzlei Eßer & Kollegen.
„Ich persönlich finde das Argument, dass die Hundesteuer gegen
den Gleichheitssatz verstößt, überzeugend“, meint Baluch, „denn ich
sehe keinen Grund, warum Hunde besteuert werden, Katzen oder
Pferde aber nicht. Letztlich ist dies aber eine Frage der Abwägung.“
Doch Justitias Waagschalen bleiben vorerst leer, denn auf
ein Urteil der Bundesverfassungsrichter warten die Juristen und die
Hundehalter in Deutschland vergeblich. Das höchste deutsche
Gericht entschied am 26. Januar 2012 ohne weitere Begründung in
einem knappen Beschluss, den Fall erst gar nicht zu verhandeln
(Az. 1 BvR 1888/11). Damit ist der Weg zum Europäischen Gerichts-
hof für Menschenrechte in Straßburg frei geworden.
„Noch vor vierzig Jahren gab es in jedem europäischen Land die
Hundesteuer“, erläutert der international erfahrene Rechtsanwalt
Dr. Vitt. „Länder wie Großbritannien, Frankreich und Irland haben
diese Steuer bisher abgeschafft – aus rein rechtlichen Erwägungen.
In England ist es aufgrund einer Klage geschehen, weil diese Steuer
keine Grundlage hat und sich moralisch nicht rechtfertigen lässt.
In Frankreich war es im Wesentlichen der Druck der Bevölkerung,
die sich dagegen gewehrt hat, andere Lebewesen zu besteuern. Nur
in Deutschland und in Namibia, ehemals deutsche Kolonie, bewegt
sich in dieser Hinsicht nichts.“ Beim Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte, hofft Dr. Vitt, wird die Bundesrepublik Deutsch-
land im Weg einer Klage nach Artikel 34 der Europäischen Men-
schenrechtskonvention gerügt werden. Aus folgenden Gründen:
DER VERSTOSS GEGEN MENSCHENRECHTE• Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, MRK,
Schutz vor staatlichen Eingriffen ins Privatleben
• Art. 13 MRK, Recht auf wirksamen Rechtsschutz gegen
Maßnahmen des Staates
• Art. 14 MRK, Verbot der Diskriminierung
Derweil meldet der Bund der Steuerzahler, dass die Kosten für
die Betreuung eines Haustiers seit 2012 steuerlich geltend gemacht
werden können, „entsprechende Ausgaben werden als haushalts-
nahe Dienstleistungen anerkannt“. Die Hundesteuer dagegen bleibt.
Ob und wie schnell die Abgabe auch in Deutschland fällt und der
Hund von den Finanzbehörden vollends als Sozialpartner anerkannt
wird, hängt nicht zuletzt vom Engagement und dem politischen
Willen von uns allen ab. Wir müssen ihn nur kundtun.
Wer sich noch fragt, weshalb nur 85 Prozent der Hundehalter
Steuern zahlen: Die Halter von hochgerechnet 800 000 Hunden,
die in Deutschland keine Abgaben entrichten, begehen eine Ord-
nungswidrigkeit. Die Hinterziehung der Hundesteuer dürfte somit
deutlich weiter verbreitet sein als eine Steuerflucht in die Schweiz.
Eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet wird, begeht in Deutschland …
WER seinen Hund nicht fristgerecht an- oder abmeldet.
WER seinen Hund außerhalb seiner Wohnung oder seines umfriedeten Grundbesitzes ohne sichtbar befestigte Steuermarke umherlaufen lässt.
WER den Verlust der Hundemarke nicht zeitnah anzeigt.
WER die Steuermarke auf Verlangen des Beauftragten der Stadt oder der Gemeinde nicht vorzeigt.
WER dem Hund andere Gegenstände, die der offiziellen behördlichen Steuermarke ähnlich sind, anlegt.
WER als Grundstückeigentümer, Haushaltungsvorstand oder deren Stellvertreter sowie als Hundehalter dem Beauftragten der Stadt oder der Gemeinde nicht wahrheitsgemäß Auskunft über die auf dem Grundstück oder im Haus gehaltenen Hunde erteilt.
WER den Wegfall der Voraussetzungen für eine mögliche Hunde- steuervergünstigung nicht rechtzeitig anzeigt.
Wichtig zu wissen: Ob diese Punkte zutreffen oder weitere hinzukom-men, hängt von der jeweils gültigen Satzung am Wohnort ab.
NOCH STRAFBAR
„Seit 2012 sind Hundesitter von der Steuer absetzbar. Gleichzeitig zahlen wir Hundesteuer. Wie passt das zusammen?“
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