epidemiologie in public health und klinischer forschung teil ii: analytische studien prof. dr. med....
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Epidemiologie in
Public Health und Klinischer Forschung
Teil II: Analytische Studien
Prof. Dr. med. Hans-Werner Hense
Bereich Klinische Epidemiologie Institut für Epidemiologie und SozialmedizinUniversität Münster
Zusammenfassung Teil I
Korrelationsstudien:
nur Hypothesen generierend!
Ökologischer Bias (Verzerrung)!
Querschnittsstudien:
Frage: wer, wo, wann (Person, Ort, Zeit)
Stichprobe, Repräsentativität, Teilnahmerate
Häufigkeit (Prävalenz), Verteilung
Problem: Interpretation bzgl. Risiko
Epidemiologische Studienformen 2Epidemiologische Studienformen 2
Fragen:
- warum tritt Erkrankung auf? (Ätiologie)
- wie stark ist die Beziehung? (Risiko)
Epidemiologische Studienformen 2Epidemiologische Studienformen 2
Analytische Studien
- Beobachtungsstudien
Fall-Kontroll Studien
Prospektive (Kohorten-, Follow-Up-)Studien
Interventionsstudien
Kontrollierte Klinische Studien
Studienbevölkerung
Erkrankt
Nicht Erkrankte(Kontrollen)
Fall-Kontroll StudieFall-Kontroll Studie
Vorgehen:
1. Aus einer definierten Studienbevölkerung werden (alle oder eine geeignete Stichprobe von) Personen mit der interes- sierenden Erkrankung (Fälle) identifiziert.
2. Aus der gleichen Studienbevölkerung wird eine Stichprobe von Personen ohne diese Erkrankung (Kontrollen) gezogen.
GegenwartStichprobevon Fällen
Stichprobevon Kontrollen
Erkrankt
Nicht Erkrankt(Kontrollen)
Studienbevölkerung
Fall-Kontroll StudieFall-Kontroll Studie
Vorgehen:
1. Aus einer definierten Studienbevölkerung werden (alle oder eine geeignete Stichprobe von) Personen mit der interes- sierenden Erkrankung (Fälle) identifiziert.
2. Aus der gleichen Studienbevölkerung wird eine Stichprobe von Personen ohne diese Erkrankung (Kontrollen) gezogen.
Vergangenheit Gegenwart
+ -
3. Die Exposition in der Vergangenheit gegenüber potentiellen Risikofaktoren wird ermittelt.
4.Die Häufigkeit von Risikofaktoren unter den so definierten Fällen und Kontrollen wird dann mit geeigneten Methoden miteinander verglichen.
+ -Exposition
Stichprobevon Kontrollen
Stichprobevon Fällen
Altersadjustierte Krebstodesraten für ausgewählte Lokalisationen Männer, USA, 1930-1985
0
10
20
30
40
50
60
70
80
1930 1940 1950 1960 1970 1980
Rat
e pr
o 10
0.00
0
Leukämie
Bauchspeicheldrüse
Lunge
Leber
Prostata
Colon/Rektum
Magen
Determinanten von GesundheitC. Lebensweise Beispiel: Krebserkrankungen
Sir Austin Bradford Hill1897 - 1991
Sir Richard Doll1912 - 2005
Disease status Number of smokers Number of
nonsmokers
Males
Lung cancer cases 647 (99.7%) 2 (0.3%)
Controls 622 (95.8%) 27 (4.2%)
Females
Lung cancer cases 41 (68.3%) 19 (31.7%)
Controls 28 (46.7%) 32 (53.3%)
Proportion of smokers and non-smokersin lung cancer cases and controls
Source: R. Doll and A. B. Hill, Smoking and carcinoma of the lung: Preliminary report. Br Med J 1950;2:739
Vierfeldertafel zur Berechnung der Odds Ratio in der Fall-Kontroll Studie von Doll und Hill
Raucher Nicht-Raucher
Lungenkrebsfälle
Kontrollen
647 (A) 2 (B) 649
622 (C) 27 (D) 649
1269 29 1298
Männer
Odds Ratio (OR) = A x D
= 647 x 27
= 14,0 B x C 622 x 2
Merke:
•Die Odds Ratio ist das Assoziationsmaß in Fall-Kontroll-Studien.
•Die Odds Ratio liefert i. R. eine gute Abschätzung des
→ Relativen Risikos.
Vorteile: Ermöglicht die Untersuchung selten auftretender Erkrankungen. Relativ schnell und kostengünstig durchführbar. Relative Risiken für einen Risikofaktor können geschätzt werden.
Nachteile: Nur eine Erkrankung kann untersucht werden. Weder Prävalenz noch Inzidenz können berechnet werden. Zahlreiche Verzerrungsmöglichkeiten müssen beachtet werden
(Recall Bias). Die zeitliche Reihenfolge von Risikofaktor und Zielereignis
kann bei prävalenten Fällen oft nicht valide bestimmt werden.
Fall-Kontroll StudieFall-Kontroll Studie
DEFINITION
Bias (deutsch: Verzerrung) ist ein Vorgang, der bei
einer Studiendurchführung bzw.-auswertung zu einer
systematischen Abweichung von den wirklichen Werten führt.
Wichtige Arten von Bias in der Epidemiologie sind:
• Selektionsbias (z.B. Non-responder bias, Survivor bias)
• Informationsbias (z.B. ‚Recall Bias‘)
Bias (Verzerrung)Bias (Verzerrung)
Beispiele für Recall Bias:
-Kranke erinnern sich anders an vergangene Exposition (Erklärungssuche, Krankheitsmodelle etc.).
-Vermutete Zusammenhänge werden übermäßig berichtet (over- oder underreporting).
-Unangenehme oder peinliche Expositionen werden verschwiegen (social desirability).
Epidemiologische Studienformen 2Epidemiologische Studienformen 2
Analytische Studien
- Beobachtungsstudien
Fall-Kontroll Studien
Prospektive (Kohorten-, Follow-Up-)Studien
Prospektiv- oder KohortenstudienProspektiv- oder Kohortenstudien
Ziel:
Beschreibung von Neuerkrankung (Inzidenz)
• Wie hoch ist die Rate der Neuerkrankungen?
• Wie verschieden sind die Raten der Neuerkrankungen?
• Verändern sich die Raten der Neuerkrankungen?
Prospektiv- oder KohortenstudienProspektiv- oder Kohortenstudien
1. Aus einer Bevölkerung (Allgemeinbevölkerung, Patienten, etc.) wird eine Gruppe (nicht unbedingt repräsentativ!) ohne die Zielkrankheit(en) gezogen.
Ø Neu Krank
Ø Neu Krank
Gegenwart / Basisuntersuchung Zukunft
Prospektive Beobachtung
Exposition/RF vorhanden
Exposition/ RFnicht vorhanden
Studienbevölkerung
UntergruppeNicht krank
2. Basisuntersuchung (Exposition, Risikofaktoren etc.).
3. Beobachtung über die Zeit.4. Erfassung neu auftretender Erkrankungen während Beobachtung
Prospektiv- oder KohortenstudienProspektiv- oder Kohortenstudien
Definition von Inzidenz (=Neuerkrankungsrate)
Die Inzidenz ist eine Rate, d.h. sie gibt an, wie vieleNeuerkrankungsfälle pro Zeiteinheit in einer bestimmtenBevölkerung auftreten:
Anzahl der NeuerkrankungenI = pro Zeit
Anzahl der Personen in der Bevölkerung
Die Inzidenzrate wird im allgemeinen pro Jahr und umgerechnet auf 100, 1 000, 10 000 oder 100 000 Personen angegeben.
Relative risks of mortality from lung cancer and coronary heart disease among cigarette smokers in a cohort study of British male physicians
Annual mortality rate per 100,000
Lung cancer Coronary heart disease
Cigarette smokers 140 669 Nonsmokers 10 413
Relative risk 14.0 1.6
Source: R. Doll and R. Peto, Mortality in relation to smoking: Twenty years’ observations on male British doctors.Br Med J 1976; 2:1525
Prospektiv- oder KohortenstudienProspektiv- oder Kohortenstudien
Definition des Absoluten RisikosDefinition des Absoluten Risikos
Die Inzidenz (= Neuerkrankungs- oder –wie im Beispiel- die Sterbe-Rate)
wird auch als das Absolute Risiko bezeichnet:
sie gibt die unmittelbare Gefährdung zu erkranken bzw. zu versterben
unter Exponierten und Nicht-Exponierten bzw. unter Personen mit und
ohne einen Risikofaktor als Wahrscheinlichkeit wieder.
Prospektiv- oder KohortenstudienProspektiv- oder Kohortenstudien
Definition des Relativen RisikosDefinition des Relativen Risikos
Das Relative Risiko gibt das Verhältnis der Inzidenzraten vonExponierten und Nicht-Exponierten bzw. unter Personen mit und ohne einen Risikofaktor wieder:
Inzidenzrate von Exponierten / mit RFRR =
Inzidenzrate von Nicht-Exponierten / ohne RF
RR > 1.0 : Exposition / RF führen zu mehr KrankheitRR = 1.0 : Exposition / RF haben keine Einfluss auf KrankheitRR < 1.0 : Exposition / PF schützen vor Krankheit
Das Relative Risiko ist ein Maß für die krankmachende oder präventiveKraft einer Exposition / eines RF.
Relative risks of mortality from lung cancer and coronary heart disease among cigarette smokers in a cohort study of British male physicians
Annual mortality rate per 100,000
Lung cancer Coronary heart disease
Cigarette smokers 140 669 Nonsmokers 10 413
Relative risk 14.0 1.6
Source: R. Doll and R. Peto, Mortality in relation to smoking: Twenty years’ observations on male British doctors.Br Med J 1976; 2:1525
Relative Risiken
Inzidenzraten und Relative Risiken: Tödlicher und nicht-tödlicher Myokardinfarkt, Männer 40 -74 J.
0
20
30
40
10inci
denc
e ra
te (p
er 1
000
py)
RR = 1.0
2.72.8
4.2
6.5
8.3
11.1
1.5
000
111
011
101
110
010
100
001
8 / 373 4 / 133 7 / 110 7 / 75 4 / 35 16 / 107 6 / 339 / 149
Risk factorcombination: Actual Hypertension
TC/HDL-C 5.5Smoking ( 1cig./day)
Incident MIs / Population at risk:
Source: Keil et al. Eur Heart J 1998
MONICA Augsburg Cohort Study 1984–1992
Absolute Risiken
Prospektiv- oder KohortenstudienProspektiv- oder Kohortenstudien
Stärken: Mehrere Zielkrankheiten können gleichzeitig untersucht werden.
Absolute und Relative Risiken können ermittelt werden.
Zeitliche Reihenfolge von RF und Erkrankung ist klar.
Wenig anfällig für Verzerrungen ( BIAS).
Schwächen: Lange Dauer
Hohe Kosten
Verlust von Teilnehmern (loss-to-follow-up)
Oft große Teilnehmerzahl nötig (niedrige Inzidenz, z.B. Krebs)
Spezialfall eines Bias:Spezialfall eines Bias:
„„Confounding“Confounding“
Confounding ist die Verzerrung eines Schätzwertes für eine epidemiologische Maßzahl, die aufgrund des Einflusses eines
zusätzlichen Faktors („Confounder“) entsteht.
In seiner einfachsten Form lässt sich Confounding als eine „Vermischung mehrerer Faktoren, die einen Einfluß auf die
Entwicklung einer Krankheit haben (mixing of effects)“, beschreiben.
ConfounderConfounder (lat.: confundere = vermischen, vermengen) (lat.: confundere = vermischen, vermengen)
Ein Confounder muss 3 Bedingungen erfüllen:
1. Der Faktor muss selbst ein Risikofaktor oder ein präventiver Faktor in bezug auf die untersuchte Krankheit sein.
2. Der Faktor muss mit der untersuchten Exposition assoziiert sein.3. Der Faktor darf nicht lediglich ein Zwischenschritt
in einer Kausalkette sein.
Ein Beispiel für Confounding: Ein Beispiel für Confounding: Alkoholkonsum, Zigarettenrauchen und koronare Alkoholkonsum, Zigarettenrauchen und koronare
HerzkrankheitHerzkrankheit
Exposition(Alkoholkonsum)
Krankheit(Herzkrankheit)
Confounder(Zigarettenrauchen)
Prospektiv- oder KohortenstudienProspektiv- oder Kohortenstudien
Spezialfall Registerstudien
• Epidemiologisches = bevölkerungsbezogenes Register
• Definierte Einzugsbevölkerung• Flächendeckung• Vollzähligkeit• Vollständigkeit • Vergleichbarkeit
Fragen Fragen
1. Welches der folgenden epidemiologischen Maße ist geeignet, den Zusammenhang zwischen Risikofaktorund Krankheit zu beschreiben: Letalität, Inzidenz, Relatives Risiko, Punktprävalenz, Periodenprävalenz?
2. In einer Kohortenstudie zur altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) werden nur Personenmit Frühzeichen (Drusen) oder maximal einseitiger Spätform (CNV) aufgenommen. Kann man in dieser Studie Ursachen der AMD untersuchen?
3. Um wie viel Prozent ist die Wahrscheinlichkeit zuerkranken durch einen RF erhöht, wenn das durch ihnbedingte Relative Risiko 3,2 beträgt?
Relatives Risiko
Nein, nur die Prognose.
Um 220%
Fragen Fragen
4. In einer FKS zur Ätiologie des Colonkarzinoms finden sich zwei wichtige Expositionen mit signifikanter Odds Ratio: - ein geringer vs. ein sehr hoher Verzehr von rotem Fleisch (OR = 0.25)- ein hoher Fettverzehr (OR = 4.0). Welcher Faktor ist ätiologisch bedeutsamer?
5. Ein Faktor erhöht über 10 Jahre - das Krebsrisiko von 0.001 auf 0.014 und- das Infarktrisiko von 0.01 auf 0.03.Welche Wirkung ist bedeutsamer?
Beide sind gleich bedeutsam.
RR = 14, RD = 0.013RR = 3, RD = 0.02