erfolgreiche behandlung einer schweren akuten benzolvergiftung durch lecithin-emulsion

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68 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. I. JAHRGANG. Nr. 2 8. JAN UAR I9~e MAMMASEKRETION UND -KRISEN BEI TABES. Von Dr. HANS BIBERSTEIN. Aus der DermatologischenUuiversitittsklinik, Breslau. (Direktor:Geheii~at Prof. Dr. j ADASSOFIN.) Unter den sekretorischen Krisen sind die der Brustdrfisen nicht blog wegen ihrer, wiees scheint, auBerordentiichen Seltenheit, sondern auch praktisch und theoretisch bemerkens- weft. fie werden in den mir zur Verfiigung stehenden Lehr- und Handbiichern (auBer bei MO}~R-STA~.HF.LIX, siehe u.) nicht einmal erw~ihnt. Soweit wit ieststellen konnten, find bisher nur viermal ,,tabische" Sekretionsanomalien der Brust- drtise mitgeteflt worden: als solche bezeichne ich die Sekre- tion yon Milch oder auch einer anders als Milch zusammen- gesetzte n Fifissigkeit unter dem EinfluB der Tabes auf ,,in~ adgquate" Reize lain. Der erste Fall ist in der aus der DE l~.a CA~p~chen Kiinik yon SCH~II)TPOTT 1) ver6ffentlichten Dissertation (19o8) ent- halten (zitiert yon IE. MOLLER im Handbuch der inneren Me- dizin, MOI~a-STAEt~ELIN). Herr Geheimrat DE LA Ca}aP hatte die groBe Freundlichkeit, mir die erwiihnte Arbeit zur Veriiigung zn stellen. Ich gebe die Krankengeschichte hier kurz wieder: 45jghrige Frau; typische Tabes. Vor Ii Jahren rum erstenmal -- im Anschlul3 an eine k6rperliche Anstrengung -- ziehende Schmerzen im Leib und bald darauf stechende in der ]3rust, denen die Absonderung einer fettigen blal3r6tlichen Fltissigkeit aus der ein wenig geschwollenen rechten Mamma folgte. Dazu gesellten sich lanzinierende Schmerzen und -- nach schwerverdau- lichen Speisen -- Magenkrisen. Nach einigen Monaten ernente und verstgrkte lXlammakrisen mit 13belbefinden im Gefolge; Gravi- dit/it lag nicht vor; die letzte und einzige bestand 9 Jahre vorher. Die Anf/ille wiederholten sieh i I Jahre lang in 4--5 w6chentlichen Abstgnden unabh{ingig yon den Menses und schw~ichten sich stets mehr ab, waren aber im Beobachtungsjahr mindestens doppelt so hgufig geworden wohl au{ Grund seelischer Erregungen und k6rper- licher Anstrengungen. Nach deren Ausschaltung stellten sich die Attacken vierw6chentlich einige Tage naeh der Menses ein. Der Sekretion geht einige Stunden Pin stechender Schmerz voran, ,,der vom 5. Brnstwirbel etwa dem entsprechenden Interkostal- raum entlang l{iuft und yon hinten nach vorn in die reehte Mamma ausstrahlt". Nach Beendigung der Sekretion ffihlte sich die Pa- tientin wie dutch einen Schlag auf die rechte Kopfseite bet/~ubt. Die SensibilitS~tsprfifung scheint auf Pin BetroEensein der Thorakal- und Lumbalsegmente hinzudeuten. Die Erscheinungen werden durch Reizung der Interkostal- nerven II--VI oder der mit ihnen in Verbindung stehenden Sym- pathicusS~ste erkl/irt. Das Sekret enthielt in der Hauptsache 131utbestandteile und nur wenig Fett; doch seien vikariierende Menses abzulehnen; vielleicht sei das allmiihlich sich einstellende Zusammentreffen yon Menses nnd Sekretion auf die Involution der Genitalorgane bei Eintritt des Klimakteriums zu beziehen. Als Ursache der Mamma- krisen bleibe jedoch die Tabes bestehen. Die Kenntnis eines zweiten, in seinem klinischen Bilde von dem eben besprochenen abweichenden Falle verdanke ich der liebenswiirdigen miindlichen Mitteilung dureh Herrn Prof. Dr. OTFRIED FO]~RSTER: ]~S handelt sich um eine yon SIDING e) beschriebene Galaktorrh6e bei Tabes, die SIOlNG ,,h6chstwahrscheinlich (als) Reflexneurose infolge tabischer St6rungen im abdominalen sympathisehen Gefleehte, die sich Minisch in Magendarmblutungen .... Herpeszonen und m6glicherweise in der hochgradigen Ovarienatrophie manifestieren", ansieht. FOERSTER und IZOTTN~R a) deuten die Sekretion der Mammae als Mammakrisen. SII)IN~ ~fihrt noeh Pine Beobaehtung yon Kolostrumsekre- tion bei Tabes nnd Klimakterium praecox und den yon t-IALB~I~) mitgeteilten Tall an, der kontinuierliche Sekretion echter Milch bei einer Tabeskranken sah, die auch an t3asedow lift. Diesen F{Lllen m6chte ich einen weiteren anreihen, trotz- dem ich ihn nicht so untersuchen konnte, wiees wiinschens- inert gewesen wiire. a) SCI~NII3TFOTT, Iuauguraldisserfatiou Freiburg 19o8. ~) SIDING, glen. kIiu. ~Vech. ~9o9, Mr. 8 u. 9. % I=OERS'IEI~ u. KI)'Y'INER, Brnns Beitr. x9o9, Bd. 63, S. ~45- ~) HALBAN, Arch. L Gyn. ~9o5, Bd. 75, zit. nach S1DING,s. o. Die Patientin, eine 42j/ihrige Artistin, hat sich pl6tzlich der ~irztlichen Beobachtung entzogen und ist seit 1/ingerer Zeit anf keine Weise zu ermitteln. Vor 2o Jahren luetische Infektion; damals eine Qnecksilberkur, erst vor einem Jahre zweite Kur (8 Salvarsan- injektionen); Anfang Juni 192o 3 Embarininjektionen. Am 14. VI. 192o erste poliklinische Vorstellnng: Typische Tabes; Haupt- beschwerden: Schmerzen beider Beine, besonders der linken Wade. Neosalvarsan bis I,O5; dann blieb die Patientin fort nnd erschien erst am 25. I. 1921 mit einem Ausweis wieder, dab sie noeh im September yon einem Facharzt 2 Embarineinspritznngen und 0,45 Neosalvarsan erhalten hS~tte; auBerdem war sic elektrisiert worden. Nunmehr klagte sie fiber fast unertrs Schmerzen in den Beinen, die sie nur rnit Morphium bek~mpfen kSnne. Zur genaueren Nerven- untersuchung wurde die Patientin der Nervenklinik flberwiesen, ging aber weder dorthin, noch kehrte sie zu uns zuriick. Erst An- fang Juni konsultierte sie Herrn Geheimrat JADASSOHI% der eine Tabes mit sekretorischen Mammakrisen(?) feststellte and die Patientin wieder in die PoliMinik schickte. Sie gab nun an, dab die Schmerzen in den Beinen Ende Januar schw~cher geworden, daffir aber heftige Brustschmerzen aufge- treten seien, derentwegen sie Morphiumeinspritzungen bekommen hS~tte. Spit dieser Zeit w/iren die ]3rfiste st{irker geworden und sonderten ununterbroehen unter heftigen Schmerzen ab. fie hitte wegen der Milchsekretion mehrere Frauen~rzte konsultiert, die bis auf einen Gravidit~it ausschlossen. Die Untersuchung in der Uni- versit~tsfrauenklinik ergab, dab Gravidit/tt nicht vorhanden war. Aus dem verh/~rteten ]3rustdrfisenk6rper beiderseits liel3 sieh ein Sekret auspressen, das man nach dem makro- und mikroskopischen Aussehen als Milch ansprechen mul3te. Am 4. u erhielt Patientin wegen heftiger Schmerzen o,02 Morphium. Eine Stunde nach einer Injektion yon o,I 5 Neosalvarsan mit I ccm Novasurol kehrte Patientin mit hefiigen Brustschmerzen und allgemeinem Ubel- befinden in die Poliklinik zurfick; es tritt Collaps nnd Erbrechen ein. Aufnahme in die Klinik; nach 11/2 Tagen Entlassung. Die Kur wurde ambulant his zur Gesamtmenge o,85 Neosalvarsan mit o,2o4 Hg fortgesetzt; nach der letzten Injektion will die Patientin nachts starke Herzbeschwerden, Weinkr/impfe, Erbreehen und Schienbeinschmerzen gehabt haben. Eine &nderung beziiglich der Mammasekretion war nicht eingetreten, als die Patientin wieder ausblieb. Dieser fiinfte Fall yon Mammasekretion unterscheidet sich auch wieder yon den friiher beschriebenen: XVir haben bei sicherer Tabes doppelseitige kontinuierliche Milchsekre- tion, so dab die I<ranke Pine Vorlage tr~igt, um die Bluse nicht durchns zu lassen. Tritt auch die Sekretion nicht anfallsweise auf, so exazerbieren doch die Schmerzen krisen- artig. Bemerkenswert ist vielleicht auch die Angabe, dab mit Beginn der Sekretion die lanzinierenden Schmerzen nach- gelassen haben. So weft ich :[eststellen konnte, sind nunmehr 5 einwand- freie F/~lle yon lX{ammasekretion bei Tabes beschrieben ; bei diesen wurde einmal die Sekretion einer ~[etthaltigen, blutig- ser6sen Fliissigkeit, einmal die yon Kolostrum und 3real yon Milch beobachtet. Krisenartig traten Schmerzen und Sekretion nur in dem yon SCI{MIDT~OTT mitgeteilten Falle auf, ill den anderen erfolgte die Sekretion kontinuierlich. Schmerzen werden in keinem erwfihnt; der hier neu mitgeteilte zeichnet sich durch kritische t~xazerbationen der Schmerzen arts. ERFOLGREICHE BEHANDLUNG EINER SCHWEREN AKUTEN BENZOLVERG IFTUNG DURCH LEC ITH IN- EMULSION. Von Dr. NICK. Aus der inneren Abteiluug des Augustahospitals Berlin. (Chefarzt: Prof. Dr. SCItLAYER.) Die groBe Zunahme der Anwendung des Benzols in In- dustrie und Techuik, hat Pine Vermehrung der Vergiftungen Init diesem Steinkohlenteerprodukt zur Folge. Ein Tall, den wir zu beobachtcn Gelegenheit batten, beansprucht vor allem unser lnteresse wegen der eingeschlagenen Therapie und der slch darans rn6glicherweise ergebenden Anssichten ffir die Behandhmg der Vergiifungen durch Snbstanzen bestimmter pharmakologischer Gruppen.

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68 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . I. J A H R G A N G . Nr . 2 8. JAN UAR I9~e

M A M M A S E K R E T I O N U N D - K R I S E N BEI TABES.

Von

Dr. HANS BIBERSTEIN. Aus der Dermatologischen Uuiversitittsklinik, Breslau. (Direktor: Geheii~at Prof.

Dr. j ADASSOFIN.)

U n t e r d e n s ek r e t o r i s chen Kr i sen s ind die de r Brus td r f i s en n i c h t b log wegen ihrer , w i e e s sche in t , auBero rden t i i chen Se l t enhe i t , s o n d e r n a u c h p r a k t i s c h u n d t h e o r e t i s c h b e m e r k e n s - wef t . f i e w e r d e n in den m i r zur Ver f i igung s t e h e n d e n Leh r - u n d H a n d b i i c h e r n (auBer bei MO}~R-STA~.HF.LIX, s iehe u.) n i c h t e i n m a l erw~ihnt. Sowei t w i t i e s t s t e l l en k o n n t e n , f ind b i s h e r n u r v i e r m a l , , t a b i s c h e " S e k r e t i o n s a n o m a l i e n der B r u s t - d r t i se m i t g e t e f l t w o r d e n : als solche beze i chne ich die Sekre- t i o n y o n Milch oder a u c h e iner a n d e r s als Milch z u s a m m e n - gese tz te n F i f i ss igke i t u n t e r d e m Einf luB de r T a b e s auf ,,in~ a d g q u a t e " Re ize lain.

De r e r s t e Fa l l i s t in de r aus de r DE l~.a CA~p~chen Ki in ik y o n SCH~II)TPOTT 1) v e r 6 f f e n t l i c h t e n D i s s e r t a t i o n (19o8) en t - h a l t e n ( z i t i e r t yon IE. MOLLER i m H a n d b u c h de r i n n e r e n Me- d iz in , MOI~a-STAEt~ELIN). H e r r G e h e i m r a t DE LA Ca}aP h a t t e die groBe F r e u n d l i c h k e i t , m i r die e rwi ihn te A r b e i t zu r V e r i i i g u n g zn s te l len. I ch gebe die K r a n k e n g e s c h i c h t e h ie r k u r z wieder :

45jghrige Frau; typische Tabes. Vor I i Jahren rum ers tenmal - - im Anschlul3 an eine k6rperliche Anstrengung - - ziehende Schmerzen im Leib und bald darauf stechende in der ]3rust, denen die Absonderung einer fet t igen blal3r6tlichen Fltissigkeit aus der ein wenig geschwollenen rechten Mamma folgte. Dazu gesellten sich lanzinierende Schmerzen und - - nach schwerverdau- lichen Speisen - - Magenkrisen. Nach einigen Monaten ernente und vers tgrkte lXlammakrisen mi t 13belbefinden im Gefolge; Gravi- dit / i t lag n icht vor; die letzte und einzige bes tand 9 Jahre vorher. Die Anf/ille wiederholten sieh i I Jahre lang in 4--5 w6chentl ichen Abstgnden unabh{ingig yon den Menses und schw~ichten sich stets mehr ab, waren aber im Beobachtungs jahr mindestens doppel t so hgufig geworden wohl au{ Grund seelischer Erregungen und k6rper- licher Anstrengungen. Nach deren Ausschaltung stell ten sich die At tacken vierw6chentl ich einige Tage naeh der Menses ein. Der Sekretion geht einige Stunden Pin stechender Schmerz voran, ,,der vom 5. Brnstwirbel etwa dem entsprechenden Interkostal- raum ent lang l{iuft und yon hinten nach vorn in die r eeh te Mamma auss t rah l t" . Nach Beendigung der Sekretion ffihlte sich die Pa- t ient in wie du tch einen Schlag auf die rechte Kopfseite bet/~ubt. Die SensibilitS~tsprfifung scheint auf Pin BetroEensein der Thorakal- und Lumbalsegmente hinzudeuten.

Die Erscheinungen werden durch Reizung der Interkostal- nerven I I - - V I oder der mi t ihnen in Verbindung s tehenden Sym- pathicusS~ste erkl/irt.

Das Sekret enthie l t in der Hauptsache 131utbestandteile und nur wenig Fe t t ; doch seien vikariierende Menses abzulehnen; vielleicht sei das allmiihlich sich einstellende Zusammentreffen yon Menses nnd Sekretion auf die Involut ion der Genitalorgane bei E in t r i t t des Kl imakter iums zu beziehen. Als Ursache der Mamma- krisen bleibe jedoch die Tabes bestehen.

Die K e n n t n i s eines zwei ten, in s e inem k l in i s chen Bi lde v o n d e m e b e n b e s p r o c h e n e n a b w e i c h e n d e n Fa l l e v e r d a n k e ich de r l i ebenswi i rd igen m i i nd l i chen M i t t e i l u n g d u r e h H e r r n Prof . Dr . OTFRIED FO]~RSTER: ]~S h a n d e l t s ich u m eine y o n SIDING e) b e s c h r i e b e n e G a l a k t o r r h 6 e bei Tabes , die SIOlNG , , h 6 c h s t w a h r s c h e i n l i c h (als) Re f l exneurose infolge t a b i s c h e r S t 6 r u n g e n i m a b d o m i n a l e n s y m p a t h i s e h e n Gef leehte , die s ich Min i sch in M a g e n d a r m b l u t u n g e n . . . . H e r p e s z o n e n u n d m6gl i che rwe i se in de r h o c h g r a d i g e n O v a r i e n a t r o p h i e m a n i f e s t i e r e n " , ans i eh t . FOERSTER u n d IZOTTN~R a) d e u t e n d ie Sek re t i on de r M a m m a e als M a m m a k r i s e n .

SII)IN~ ~fihrt n o e h Pine B e o b a e h t u n g yon K o l o s t r u m s e k r e - t i on be i T a b e s n n d K l i m a k t e r i u m p r aecox u n d den y o n t-IALB~I~) m i t g e t e i l t e n Tal l an, de r kon t i nu i e r l i che Sek re t i on e c h t e r Milch be i e ine r T a b e s k r a n k e n sah, die a u c h an t3asedow l i f t . D iesen F{Lllen m 6 c h t e ich e inen w e i t e r e n an re ihen , t r o t z - d e m ich i h n n i c h t so u n t e r s u c h e n k o n n t e , w i e e s wi inschens - i ne r t gewesen wiire.

a) SCI~NII3TFOTT, Iuauguraldisserfatiou Freiburg 19o8. ~) SIDING, glen. kIiu. ~Vech. ~9o9, Mr. 8 u. 9. % I=OERS'IEI~ u. KI)'Y'INER, Brnns Beitr. x9o9, Bd. 63, S. ~45- ~) HALBAN, Arch. L Gyn. ~9o5, Bd. 75, zit. nach S1DING, s. o.

Die Pat ient in , eine 42j/ihrige Artistin, ha t sich pl6tzlich der ~irztlichen Beobachtung entzogen und ist seit 1/ingerer Zeit anf keine Weise zu ermitteln. Vor 2o Jahren luetische Infekt ion; damals eine Qnecksilberkur, erst vor einem Jahre zweite Kur (8 Salvarsan- injektionen); Anfang Juni 192o 3 Embar in injekt ionen. Am 14. VI. 192o erste poliklinische Vorstellnng: Typische Tabes; Haupt- beschwerden: Schmerzen beider Beine, besonders der l inken Wade. Neosalvarsan bis I,O5; dann blieb die Pa t i en t in fort nnd erschien erst am 25. I. 1921 mi t einem Ausweis wieder, dab sie noeh im September yon einem Facharz t 2 Embar ineinspr i tznngen und 0,45 Neosalvarsan erhal ten hS~tte; auBerdem war sic elektrisiert worden. Nunmehr klagte sie fiber fast unertrs Schmerzen in den Beinen, die sie nur rnit Morphium bek~mpfen kSnne. Zur genaueren Nerven- untersuchung wurde die Pa t ien t in der Nervenklinik flberwiesen, ging aber weder dorthin, noch kehrte sie zu uns zuriick. Ers t An- fang Juni konsultierte sie Herrn Geheimrat JADASSOHI% der eine Tabes mi t sekretorischen Mammakr i sen(? ) feststellte and die Pat ient in wieder in die PoliMinik schickte.

Sie gab nun an, dab die Schmerzen in den Beinen Ende Januar schw~cher geworden, daffir aber heftige Brustschmerzen aufge- t re ten seien, derentwegen sie Morphiumeinspri tzungen bekommen hS~tte. Spit dieser Zeit w/iren die ]3rfiste st{irker geworden und sonderten ununterbroehen unter heftigen Schmerzen ab. f ie h i t t e wegen der Milchsekretion mehrere Frauen~rzte konsult iert , die bis auf einen Gravidit~it ausschlossen. Die Untersuchung in der Uni- versi t~tsfrauenklinik ergab, dab Gravidit / t t n icht vorhanden war. Aus dem verh/~rteten ]3rustdrfisenk6rper beiderseits liel3 sieh ein Sekret auspressen, das man nach dem makro- und mikroskopischen Aussehen als Milch ansprechen mul3te. Am 4. u erhielt Pa t ien t in wegen heftiger Schmerzen o,02 Morphium. Eine Stunde nach einer In jekt ion yon o,I 5 Neosalvarsan mi t I ccm Novasurol kehrte Pa t ien t in m i t hefiigen Brustschmerzen und allgemeinem Ubel- befinden in die Poliklinik zurfick; es t r i t t Collaps nnd Erbrechen ein. Aufnahme in die Klinik; nach 11/2 Tagen Entlassung. Die Kur wurde ambu lan t his zur Gesamtmenge o,85 Neosalvarsan mi t o,2o4 Hg fortgesetzt; nach der letzten Injekt ion will die Pat ient in nachts starke Herzbeschwerden, Weinkr/impfe, Erbreehen und Schienbeinschmerzen gehabt haben. Eine &nderung beziiglich der Mammasekret ion war n icht eingetreten, als die Pa t i en t in wieder ausblieb.

Dieser f i inf te Fa l l y o n M a m m a s e k r e t i o n u n t e r s c h e i d e t s ich a u c h wieder y o n den f r i iher b e s c h r i e b e n e n : XVir h a b e n be i s i chere r T a b e s doppe lse i t ige k o n t i n u i e r l i c h e Mi lchsekre- t ion , so d a b die I<ranke Pine Vor lage tr~igt, u m die B luse n i c h t d u r c h n s zu lassen. T r i t t a u c h die Sekre t ion n i c h t anfa l l sweise auf, so exaze rb ie ren doch die S c h m e r z e n kr i sen- ar t ig . B e m e r k e n s w e r t i s t v i e l l e i ch t auch die Angabe , d a b m i t B e g i n n de r Sek re t i on die l a n z i n i e r e n d e n S c h m e r z e n n a c h - gelassen h a b e n .

So wef t i ch :[eststellen k o n n t e , s ind n u n m e h r 5 e inwand- freie F/~lle yon lX{ammasekret ion bei T a b e s besch r i eben ; bei d iesen w u r d e e i n m a l die Sekre t ion e iner ~[etthaltigen, b lu t ig - ser6sen Fl i iss igkei t , e i n m a l die y o n K o l o s t r u m u n d 3 r e a l y o n Milch b e o b a c h t e t .

K r i s e n a r t i g t r a t e n S c h m e r z e n u n d S e k r e t i o n n u r in d e m yon SCI{MIDT~OTT m i t g e t e i l t e n Fa l l e auf, ill d en a n d e r e n e r fo lg te die Sekre t ion kon t inu ie r l i ch . S c h m e r z e n w e r d e n in k e i n e m e rwf ihn t ; de r h ie r neu m i t g e t e i l t e z e i c h n e t s ich d u r c h k r i t i s che t ~ x a z e r b a t i o n e n de r S c h m e r z e n arts.

E R F O L G R E I C H E B E H A N D L U N G E I N E R S C H W E R E N A K U T E N B E N Z O L V E R G I F T U N G D U R C H L E C I T H IN-

EMULSION.

Von

Dr . NICK. Aus der inneren Abteiluug des Augustahospitals Berlin.

(Chefarzt: Prof. Dr. SCItLAYER.)

Die groBe Z u n a h m e der A n w e n d u n g des Benzols in In - dus t r i e u n d Techuik , h a t Pine V e r m e h r u n g de r V e r g i f t u n g e n In i t d iesem S t e i n k o h l e n t e e r p r o d u k t zur Folge. E in Tall, den wir zu b e o b a c h t c n Ge legenhe i t b a t t e n , b e a n s p r u c h t vo r a l l em u n s e r l n t e r e s s e wegen der e ingesch lagenen T h e r a p i e u n d de r slch d a r a n s rn6gl icherweise e rgebenden Anss i ch ten ffir die B e h a n d h m g de r V e r g i i f u n g e n d u r c h S n b s t a n z e n b e s t i m m t e r p h a r m a k o l o g i s c h e r Gruppen .

8. JANUAR x9z2 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

Von der F i r m s MERCK in D a r m s t a d t wurde uns auf Ver- anlassung yon Prof. SCHLAYER eine Io proz. sterile Lec i th in- 61emulsion in Ampul len zu 5 ccm Zur Verffigung gestellt . Der Erfolg der Anwendung bei einer Benzolverg i f tung sei hier wiedergegeben.

Ein 37 j~hriger Arbeiter hatte aus Versehen aus einer Bier- flasche, die mit Benzol geffillt war, ein betr/ichtliches Quantum getrunken, bevor er merkte, dab sie kein Bier enthielt. Nachtr~g- lich angestellte genaue Ermittlungen ergaben, dab er etwa 8o g getrunken hatte. Sofort nach GenuB stellte sich bei ihm Schwindel ein und nach etwa 5 Minuten brach er, wie Augenzeugen berichten, bewul3flos zusammen. Nach etwa i1/2 Stunden kam er in unsere Behandlung.

Der gut gen/~hrte, krMtige Mann lag in tielem Koma da; At- mung und Herztiitigkeit waren stark beschleunigt; der Puls schlecht geffillt, weich und klein, jedoch regelmgBig. Die Ausatmungsluft roch stark nach Benzol. Im Gesicht zeigte sich Cyanose mit auf- fallender livider Verf~rbung der Haut. Die Pupillen waren weft und reagierten nicht auf Lichteinfall. Sehnen- und Periostreflexe waren nicht ausl6sbar. Der erste Blick zeigte, dab es sich um eine sehr schwere Vergfftung handelte, die ganz an das Bild erinnerte, wie wir es bei tiefster, kurz vor der Asphyxie stehender Narkose zu sehen gewohnt sind.

Uber die Art der Vergiffung war nach den bestimmten Angaben der Begleiter kein Zweifel m6glich.

Sofort nahmen wir die Spfilung des Magens vor, um die weitere Resorption des Giftes zu verhindern und injizierten dann gleich 5 ccm der oben genannten Lecithinemulsion intraven6s.

Der schwer bedrohliche Zustand dauerte etwa noch i Stunde, dann machten sich die ersten Zeichen einer Erholung bemerkbar mit Wiedereintreten der Reilexe und langsam einsetzender Pu- pillenreaktion.

Etwa 12 Stunden nach Einnahme des Giftes war Patient zwar noch etwas somnolent und benommen, reagierte jedoch auf An- rede und gab klare Auskuuft fiber den Vorfall. Die Cyanose im Gesicht war nicht mehr deutlich; die anf/inglich beobachtete livide VerfSxbung hatte einer auffallenden R6tung Platz gemacht, die, wie gleich bier vorweg genommen sei, noeh mehrere Tage anhielt. Die Herzt/itigkeit war gut, der Puls regelm~iBig, krMtig, gut ge- ffillt. Die Atmung war nicht mehr beschleunigt. Die Ausatmungs- luft roch noch immer stark nach Benzol. Die Pupillen waren mittel- weft und reagierten prompt. Die Reflexe waren normal. Der Urin enthielt Spuren yon Eiwefl3.

Im weiteren Verlauf erholte sich Patient sehr rasch. Nach 36 Stunden butte der Benzolgeruch der Ausatmungsluft aufgehSrt. Von dieser Zeit ab war objektiv als einziges Zeichen der vorher- gegangenen Vergiftung eine leichte Trfibung. im Urin mit ver- einzelten granulierten Zylindern nachzuweisen. Subjektiv klagte der Patient fiber leichte Kopfschmerzen.

Im ganzen wurde er 14 Tage lung yon uns beobachtet. Aul3er der leichten Albuminurie, die etwa yore 6. Tage an verschwand und der oben erwS~hnten R6tung des Gesichtes, die etwas an die bekannte Gesichtsr6tung nach Einatmung yon Amylnitrit er- innerte, war 24 Stunden nach Einnahme des Giftes kein patholo- gischer Befund mehr zu erheben. Auch sie versehwand nach einigen Tagen. Bes0nders genau untersuchten wir das Blut. Stets zeigten sich normale Werte f~r Hgmoglobin, rote und weiBe Blut- kSrperchen. Am 5. Tag nach der Vergiftung hatte der Mann 95% HS~moglobin und 4,8 Millionen rote Blutk6rperchen. Auch die Zusammensetzung letzterer wich hie yon der Norm ab. Blu- tungen ins Unterhautzellgewebe oder Sehleimhautblutungen, wie sie bei Obduktionen akuter Benzolvergiftungen hs gefunden wurden, und yon einigen Autoren als charakteristisch angegeben werden, beobachteten wir nicht (SANTESSON, SURY-BIENZ, BUCH- MANN, LEWIN).

Bevor wir auf eine kr i t isehe Be t rach tung des Falles selbst eingehen, seien kurz einige Bemerkungen fiber das toxische Mittel vorausgeschickt .

Wieh t ig ist die Fests te l lung, dab es sich um Benzol han- delte, urn ein Des t i l l a t ionsprodukt des Steinkohlenteers , das die chemische Formel C6H G ff ihr t ; allerdings n icht u m das reine Benzol, sondern u m das sog. Handelsbenzol . Als H a u p t - bes tandte i l en th~l t dieses das reine Benzol und zwar in sehr s t a r k wechselnder Konzen t ra t ion und neben diesem noch eine Anzahl anderer Desf i l la t ionsprodukte aus dem Stein- kohlenteer. Auf die genauere Zusammense tzung (s. HEFFTER, KOELSCI~, SANTESSON, LEHMANN) wollen wir hier n ich t ein- gehen, sondern nur die Ta tsache erw/thnen, dab sowohl SANTESSON als such LEHMANN an T ie rexpe r imen ten feststell ten, dab das Handelsbenzol gift iger als das reine Benzol zu sein

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seheint. Im ganzen ha t te der Vergif tete, wie wir e inwandfre i feststellen konnten, 8o g Handelsbenzol get runken. Die Zu- sammense tzung des hier vor l iegenden Banzols zu ermi t te ln , war leider n icht m6glich, is t aber such n ieh t yon ausschlag= gebender Bedeutung.

Ffir uns erhebt s ieh nun die Frage, sind wir berecht igt , das (Yberstehen dieser zweifellos sehr sehweren Vergi f tung als eine Folge der rechtzei t igen Appl ika t ion des Leci thins anzusehen. Die Beur te i lung er forder t zun/ichst Kenntn is der Ar t der Benzolwirkung und dann der H6he der le ta len Dosis nach den Er fahrungen frfiherer Autoren. Was den ersten P u n k t anlangt , so zeigen die bisher beschriebenen Vergiftungs- f/ille, einerlei, ob es sich u m Vergi f tungen durch Inha la t ion yon Benzold/ impfen oder durch Verschlucken der Substanz handelt , mi t grol3er Obere ins t immung folgende Erscheinungen, je nach der St/irke der Vergif tung: Schwindel, Benommenhe i t , zeitweise rauschar t ige Zust/inde, sp/~ter Korea und Lghmung der motor ischen Sph/ire, kurz, Erscheinungen, die auf einen Angr i f fspunkt i m Zen t ra lne rvensys tem schlieBen lassen. KOBERT sagt, das Benzol mache bei genfigenden Dosen Rausch und Narkose. LEWlN stel l t das BenZol auf dieselbe Stufe in pharmakologischer Beziehung wie Chloroform, ~-ther und Brom~thyl . LEHM.kNN sagt, dab infolge der exquis i ten Fet t l6s- l ichkei t des Benzols alle Spekula t ionen fiber die En twick lung der Narkose such fiir das Benzol gelten. Auch in unserem Tall war der Zus tand des Vergif te ten in keiner Weise zu unter- scheiden yon einer sehr schweren und t iefen Narkose. Die narkot iscbe Wirkung des Benzols ist somit , wie bei den Mit te ln der obengenannten pharmakologischen Gruppe, zurfickzu- Ifihren auf die grol3e Affinit/it , die es auf die Lipoidsub- s tanzen des K6rpers hat , wodurch vor a l lem die Anreicherung in den l ipoidreichen Zellen des Zen t ra lnervensys tems und die Wirkung auf le tz tere zus tande kommt .

Die Fes ts te l lung der letalen Dosis aus frfiheren L i te ra tu r - angaben ist dureh verschiedene Umst~nde erschwert , Uns interessier t nur die innerliche, durch E innahme der Substanz zustande gekommene, t6dliche Vergiftung. Die Angaben darfiber sind sp/irlich und gerade hier sind Verwechslungen mi t Benzin, e inem Produk t des Petroleums, n icht auszu- schlie/3en. Besonders in der/~l teren L i t e ra tu r wird eine Tren- nung zwischen beiden K6rpern nicht gemach t (s. KOBgRT, In toxikat ionen) . Aul?erdem scheint die pers6nliche Disposi- t ion innerhalb sehr wei ter Grenzen zu schwanken, eine Ta t - saehe, die uns ja yon den /ihnlich wirkenden anderen Narko- ticis h inreichend bekann t ist.

KOBERT erwS&nt einen Fall, bei dem nach Trmken yon i2 bis 13 g Benzol erst Bewu~3flosigkeit und nach i71/2 Stunden Atem- l~ihmung und Tod eintrat. KELYNAK beschreibt einen Fall, bei dem eine 26 j/ihrige Frau i23/4 Stunden nach GenuB von Benzol unter Cyanose im Korea an Herzl~ihmung starb.

LEWIN sagt in seinem Lehrbuch der Toxikologie, dab bei manchen Menschen selbst 8 g pro die vom Magen aus vertragen werden, w/ihrend beim Verschlucken gr613erer Mengen, 9 - - I2 g, Erbrechen, Benommensein, schwankender Gang, nach Benzol riechendes AufstoBen, Bewul3tlosigkeit, Kleinheit und 13eschleuni- gung des Pulses und Reaktionslosigkeit der Pupillen auitreten.

Immerh in kann schon aus diesen re la t iv sp/irlichen An- gaben der SchluB gezogen werden, dab Todesf/tlle schon bei viel geringeren Dosen als in unserem Fal le beobach te t wurden und dab im Vergleich zu der bei uns verseh luckten Menge yon ca. 8o g schon verhgl tnism~Big viel geringere Dosen schwerste Vergif tungserscheinungen hervorzurufen ims tande sind. Die Beiziehung der ziemlich reichhalf igen L i t e r a tu r fiber Todes- f/ille nach Inhala t ion yon Benzoldgmpfen ha t keinen Zweck, da die bier in Be t r ach t kommenden Verh/il tnisse n icht ohne weiteres auf die orale Vergi f tung f ibertragen werden k6nnen. Auch ohne Kenntn is der L i t e ra tu r fiber die toxische Dosis des Benzols war jedoch in unserem Fal le die Prognose, aus dem vor l iegenden Befunde beurtei l t , eine schlechte, was ffir die L6sung unserer Frage yon ausschlaggebender Bedeu tung ist. Dazu k o m m t noeh ein anderes sehr wichtiges Moment : Nach S-tNTESS0N b l e i b t das Gif t lunge im K6rper nnd wird nur langsam oxydier t . Der Tod t r i t t , wie wir aus den an- geffihrten L i te ra tu rangaben sehen, verh/i l tnism/iBig sp/it e i n

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was vielleicht so zu erkl/iren sein dfirfte, dab es bet der Resorp- tion durch den Magendarmkanal erst langsam infolge des langen Verweilens des Benzols im t(6rper zu einer genfigenden Kumulat ion des Giftes kommt. Wir sahen unseren Kranken schon verh/iltnism~Big kurze Zeit nach dem Verschlucken des Giftes in lebensbedrohlichem Zustand. Trotz der lVfagen- spfilung konnten wir eine weitere Resorption des schon in den Darm fibergetretenen Giftes, nnd somit eine weitere An- h~ufung im KGrper, nicht hindern. Eine Steigerung der Vergiftungserscheinungen mugte jedoch hier unbedingt zum Tode ffihren.

Sowohl aus der rein objektiven Betrachtung unseres Falles, als auch aus den Angaben der Li teratur glauben wir demnach genflgend Grund zu der Annahme zu haben, dab hier das Lecithin entgiftend und lebensrettend gewirkt hat, zum aller- mindesten jedoch stark abkfirzend ant den Verlauf der Er- krankung.

Theoretisch ist dies sehr wohl denkbar infolge der be- sonderen Affinit/it des Benzols zu den Lipoiden. Ob nun die gfinstige Wirkung dadurch zustande kommt, dab das Lecithin das noch im Blur kreisende Benzol bindet und eine An- h/iufung in den Zellen verhindert oder dab es imstande ist, direkt zu entgiften, indem es bereits in den Zellen verankertes Gift wieder an sich reiBt, lassen wir dahingestellt und be- gnfigen uns mit der erwghnten Tatsache.

Ant Grund dieser einen Erfahrung lgBt sich kein ab- schlieBendes Urteil fiber die Brauchbarkeit des Pr/~parats abgeben, vor allem n i ch t fiber die Dosierung und Konzentra- tion, die zu einer maximalen Entfal tung der yon uns ange- nommenen Wirkung fiihrt. Als Art der Applikation kommt

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natfirlich in erster Linie die intraven6se Verabreichung in Betracht.

]3ei wiederholten injektionen konnten wir bisher nie einc unangenehme Nebenwirkung Ieststellen, Man ist geneigt, in erster Linie an die Gefahr einer Fet tembolie zn denken. Diese Furcht hat sich jedoch als unbegrfindet erwiesen.

Nach diesem ermutigenden Resultat haben wir weitere Versuche mit der Anwendung der Lecithinemulsion gemacht. Uber einen gfinstig verlaufenen Fall yon schwerer Oxals/iure- vergiftung wird noch berichtet werden. LEO empfiehlt die Behandlung der akuten Morphiumvergiftung mit Lecithin- emulsion auf Grund seiner im Tierversuch gemaehten Er- fahrungen. Es scheint, als ob auch urgmische Zustgnde durch die Injektion gfinstig beeinfluBt wfirden.

Es liegt nicht im Rahmen dieser kurzen Mitteilung, ant die Theorie der Lecithinwirkung und die gesamte hierher ge- h6rige Literatur einzugehen. (Siehe nachiolgende Literatur- angaben, welche nghere Informationen enthalten, Lzo, NER- KING, DI~ WAEL]~.)

Liter atur: BUCHMANN, B. kl. Wochenschr. 191L S. 936. -- KOBERT, Lehrb. d. Infexikationen 1893, S. 592. --LEHMANN, Arch. f. Hyg. 72, 307 if.- LEI-IMANN, Arch. f. Hyg. 75, I ft.--LEwIN, ~rzfi. Sachverst.-Zeit. 19o7, Nr. 5.- LXWlN, Lehrb. d. Toxikc- logie.- I~OELSClI, Jahresk. f. ~irzfi. Fortbildung 1918, Sept.-Heft.-- HnFFTER, Dtsch. reed. Vr 1915, Nr. 7.- I~]~LYNAK, Gaz. reed. de Paris i893, S. 541 zitiert nach SANTESSON. - - SURY- ]3IBNZ, Vierteljahresschr. f. gerichtl. Med. u. 6ft. Sanit/itsw. 1888, Nr. 49. - - SANTESSON, Arch. L Hyg. 81, 336. - - LEO, Dtsch. med. Wochenschr. I92O, Nr. 38. - - LEo, Tierversuche bet Narkose. - - NORKING, M/inch. med. Wochenschr. 19o9, S. I475. --- DE WAFFLE, Zeitschr. f. Immunit/itsforsch. u. exp. Therap., Orig. ~9o9, S. 504 .

K U R Z E W I S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N .

UBER DIE EINWIRKUNG DES ADRENALINS AUF DIE PER- MEABILITAT VON MUSKELFASERGRENZSCHICHTEN~).

V o n H ~ R M A N N L A N G E .

Die Bedeutung der Grenzschichten ffir das funktioneUe Verhalten der Zellen ist in mehreren Arbeiten aus dem In- s t i tu t dargelegt worden. Zufgllige Nebenbefunde bei anderen Untersnchungen und die Annahme, dab die Hormone, die durch besonders starke nnd rasche Zellwirkung ausgezeichnet sind, vielleicht in den Grenzschichten einen Hauptangriifs- punkt haben, legten es nun nahe, den EinfluB solcher Ver- bindungen auf die Plasmah~ute yon Zellen systematisch zu untersuchen.

Zungchst wurde die Wirkung des Adrenalins n~her stu- diert und zwar in ihrem Einflul3 auf die quergestreifte Musku- latur. Es lieBen sieh nun bei den mit Adrenalin behandelten Froschmuskeln eharakteristische ~nderungen hinsichtlich ihrer Erregbarkei t und Leistungsfiihigkeit ieststellen, auf die jedoch bier nicht n/iher eingegangen werden kann.

Die Prfifung des Verhaltens der Grenzschichten erfolgte durch Anwendung im Inst i tut ausgearbeiteter Methoden che- mischer und biologischer Art, welche es gestatten, AufschluB fiber den jeweiligen Permeabili tgtszustand zu gewinnen. Hier- bei wird der Austr i t t yon Phosphors~ure aus dem Muskel- innern chemisch iestgestellt, andererseits die Schnelligkeit, mit der Kaliumionen in das Innere der Muskelzellen einzudringen verm6gen und def t Lghmnng erzeugen, alsGradmesser benutzt.

Es zeigte sich nun, dab das Adrenalin in hohem MaBe die F~ihigkeit besitzt, die Durchlgssigkeit der Muskelfasergrenz- schichten ffir gewisse ein- und austretende Stofie herabzusetzen. So wurde die in best immten Perioden vom Muskel abgegebene Phosphorsgure beim Adrenalinmuskei ant einen Bruchteil der vom normalen Kontrollmuskel abgegebenen verminder t und die Zeit des Eintr i t tes der Lghmung in bes t immt kon- zentrierten KalilGsungen um ein Vielfaches vermehrt .

Vielleicht ist diese eindeutige Wirkung des Adrenali~s nicht ohne Bedeutnng ffir die AufMgrung mancher klinisch-

~) Diese und die Iolgende Mitteilung erscheinen demn~ichst ausffihrlieh in der Zeitschr. ffir physiol. Chemie.

therapeutischer Beobachtungen, z. B. kGnnte seine ausge- sprochene V~qrkung beim Asthma bronchiale nnd bet der Urticaria ohne weiteres durch seine permeabili tgtsmindernde Wirkung erklgrt werden. (Univ.-Institut /iir vegetative Phy- siologie Eranl~/urt a. M.)

0BER PHOSPHOR$~UREAUSSCHEIDUNG DER NETZHAUT BEI BELICHTUNG.

V o n

HERMANN LaNGE und ]V[Ax SIMON-.

Das Verhalten der Permeabil i tgt yon Muskelfasergrenz- schichten unter verschiedenen physiologischen Bedingungen ist in den letzten Jahren Gegenstand ether Reihe yon Unter- suehnngen aus dem Inst i tut gewesen. Entsprechend den An- schauungen EMBDENS hat sich bestgtigt, daB der Phosphor- s/iurebildnng ffir die Ausl6sung der Kontraktion des Muskels eine wichtige Bedeutung zukommt und neuerlich konnte dargetan werden, dab im Kontraktionsaugenblick unter Steigerung der Permeahil i tgt yon membranartigen Faser- grenzschichten Phosphorsgure aus dem Mnskel austritt.

Es lag nun nahe, zu untersuchen, ob entsprechend dieser Beobachtung am Muskel es auch an anderen Organen bet der Erregung zu einer mit Phosphorsgureausscheidung verbnn- denen PermeabiHtgtssteigerung kommt. Versuche, die ich in diesem Sinne an der Netzhant in Gemeinschait mit Max SI~O~- ausfiihrte, hat ten in der Ta t ein durchaus positives Ergebnis.

Es zeigte sich, dab die Netzhaut des Frosches -- aui die Methodik kann hier nicht eingegangen werden -- auf Licht- reize mit einer Ausscheidung yon Phosphors/inre reagiert. Die abgegebenen minimalsten Phosphorsiinremengen sind durch geeignete analytische Methoden durchaus sicher nachweisbar und ann/ihernd quant i ta t iv bestimmbar. Der Grad der Phos- , phorsgureabgabe ist bet starken Reizen besonders hoch. Indessen wird auch bet Anwendung durchaus physiologischer Reizstgrken die Erscheinung immer wieder beobachtet. So genfigt die Intensi tgt des diffusen Tageslichtes beispiels- weise am sp~ten Nachmit tag, nm Phosphorsgureansschei- dung an ether vor dem Versuch vor LichCreizen geschfitzten