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vertrieb & praxis I bernhard termühlen | defino | mayflower | formaxx Foto: © Ulrike Schmidt E in sonniger Spätwintertag am Flug- hafen Hamburg. Interviewtermin mit einer bekannten Persönlichkeit der deutschen Finanzdienstleistungsbran- che, die sich in den vergangenen Jahren eher rar gemacht hat. Bernhard Termühlen, Ex-Vorstandschef von MLP, gibt bereit- willig Auskunft zu seinen diversen Betei- ligungen. Nur zu einem Thema schweigt der drahtige 61-Jährige eisern: kein Wort zu MLP. Ende vergangenen Jahres hatte Termühlen seinem ehemaligen Arbeit- geber in einem Blogbeitrag geraten, das Potenzial der eigenen Vertriebsmannschaft wieder besser zu nutzen. Seine Äußerun- gen schlugen hohe Wellen, was dem zu- rückhaltend auftretenden Westfalen heute sichtlich unangenehm ist. Er blickt ohnehin lieber nach vorn. Schließlich will Termühlen nicht als nörgelnder Ex-Chef in Erinnerung bleiben, sondern als Mann, der noch einiges bewegen möchte. Herr Termühlen, Sie haben MLP 2003 verlassen. Doch offensichtlich fehlte Ihnen die Branche: 2007 sind Sie beim Allfinanzvertrieb Mayflower eingestie- gen, später dann bei Formaxx. Beide Un- ternehmen wurden unter anderem von ehemaligen MLP-Beratern gegründet. War das Engagement für Sie eine unter- nehmerische Entscheidung oder eher eine Hilfestellung für alte Weggefährten? Bernhard Termühlen: Letztlich beides. May- flower-Vorstandschef Thomas Scholl war über viele Jahre hinweg der erfolg- reichste Geschäftsstellenleiter von MLP. Ich kenne auch die anderen Gründer und vertraue ihnen – da- her muss ich mich auch nicht in das Tagesgeschäft einmischen. Sie haben bewiesen, dass sie ein Unternehmen ordentlich und pro- fitabel führen können. Viel später, 2013, ist mir Formaxx angeboten worden. Diese Firma hatte unter anderer Führung hohe Verluste angehäuft. Da ich aber die vorherigen Eigen- tümer und auch einige der dort Beteiligten kannte und das Geschäftsmodell valide war, hat Mayflower dann Formaxx übernommen. Da der eine Vertrieb nicht den anderen besit- zen sollte, haben wir das Ganze umstruktu- riert: Die vormalige Mayflower Capital AG wird demnächst umbenannt und ist eine reine Holding, die drei Firmen hält: die Vertriebe Mayflower und Formaxx sowie deren ge- meinsames Backoffice, die Definet. Wie groß sind die beiden Vertriebe, gemessen an der Zahl der Berater? Mayflower hat gut 60 Berater und knapp zwölf Millionen Euro Erlöse. Formaxx erlöste mit gut 200 Beratern zuletzt rund 21 Millio- nen Euro. Damit arbeiten beide Vertriebe im Branchenvergleich hochproduktiv. Laut den jüngsten Zahlen erzielte For- maxx 2015/2016 nur knapp 220.000 Euro Überschuss. Viel ist das nicht. Sie müssen bedenken, dass die Gesell- schaft erst seit Kurzem in unseren Händen ist und bis dahin nicht profitabel war. An- ders als alte Finanzvertriebe und Makler können junge Unternehmen nicht aus den Beständen profitieren, die sie in der Ver- gangenheit aufgebaut haben. Hinzu kommt, dass wir in eine neue mit Mayflo- wer gemeinsam entwickelte IT-Plattform investieren, und das bei gleichzeitigem Be- trieb der beiden alten IT-Systeme. Daher meine ich, dass die Ergebnisse für ein Un- ternehmen, das sich im Aufbau und in der Umstrukturierung befindet, sehr gut sind. Wir stellen nicht, wie in der Branche nicht unüb- lich, auf Ergebnisse vor Zinsen und Restruk- turierungsaufwendungen ab oder hoffen auf frisches Geld aus der nächsten Finanzierungs- runde. Ich kenne jedenfalls keine andere Firma aus der Branche, die einen so schnellen Turnaround geschafft hat wie Formaxx. Wie sind Sie dabei vorgegangen? Wenn Sie als Unternehmer in unserer Branche schnell die Produktivität steigern möchten, haben Sie vor allem zwei Möglichkeiten. Die erste: Sie kannibalisieren andere Vertriebe und werben deren beste Berater ab. Doch damit holen Sie sich Söldnertruppen ins Haus, statt organisch zu wachsen. Die Produktivität steigt zwar tatsächlich, aber nach einiger Zeit ziehen diese Berater einfach weiter. Die zweite Mög- lichkeit: Sie investieren nicht mehr – nicht in neue Mitarbeiter, deren Ausbildung, die Qualität der Beratung und vor allem nicht in die IT. Das funktioniert eben- falls eine Zeitlang, insbesondere bei hohen Altbeständen. Der rich- tige Weg ist meiner Meinung nach aber ein anderer: ein Unter- nehmen von Grund auf ordentlich aufzustellen, damit es sich ent- wickelt, wächst – und schließlich „Die DIN-Norm kommt“ Vor mehr als 13 Jahren hat Bernhard Termühlen seinen Job als MLP-Chef aufgegeben. Inzwischen mischt er die Branche wieder auf. Nicht nur als Inhaber der Finanzvertriebe Mayflower und Formaxx, sondern auch als Geldgeber hinter Defino – jenem Institut, das an einer Norm für die Finanzanalyse arbeitet. 210 www.fondsprofessionell.de | 1/2017 » Es kann nicht sein, dass zehn verschiedene Berater ein und dem- selben Kunden zehn völlig unterschiedliche Analysen präsentieren. « Bernhard Termühlen Blick in Termühlens Portfolio Die Beteiligungen Bernhard Termühlens im Finanzdienstleistungsbereich * Umfirmierung dieser Holding geplant | Quelle: Bundesanzeiger, eigene Recherche TERMÜHLEN Beteiligungen Verwaltungs GmbH hält >75 % an: 100 % hält 82,5 % an: Defino Definet Mehrheits- beteiligung Mayflower >75 % Formaxx Mayflower Capital AG*

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E in sonniger Spätwintertag am Flug-hafen Hamburg. Interviewterminmit einer bekannten Persönlichkeit

der deutschen Finanzdienstleistungsbran-che, die sich in den vergangenen Jahreneher rar gemacht hat. Bernhard Termühlen,Ex-Vorstandschef von MLP, gibt bereit-willig Auskunft zu seinen diversen Betei-ligungen. Nur zu einem Thema schweigtder drahtige 61-Jährige eisern: kein Wortzu MLP. Ende vergangenen Jahres hatteTermühlen seinem ehemaligen Arbeit -geber in einem Blogbeitrag geraten, dasPotenzial der eigenen Vertriebsmannschaftwieder besser zu nutzen. Seine Äußerun-gen schlugen hohe Wellen, was dem zu-rückhaltend auftretenden Westfalen heutesichtlich unangenehm ist. Er blickt ohnehinlieber nach vorn. Schließlich will Termühlennicht als nörgelnder Ex-Chef in Erinnerungbleiben, sondern als Mann, der noch einigesbewegen möchte.

Herr Termühlen, Sie haben MLP 2003verlassen. Doch offensichtlich fehlte Ihnen die Branche: 2007 sind Sie beimAllfinanzvertrieb Mayflower eingestie-gen, später dann bei Formaxx. Beide Un-ternehmen wurden unter anderem vonehemaligen MLP-Beratern gegründet.War das Engagement für Sie eine unter-nehmerische Entscheidung oder eher eine Hilfestellung für alte Weggefährten?

Bernhard Termühlen: Letztlich beides. May-flower-Vorstandschef Thomas Scholl war überviele Jahre hinweg der erfolg-reichste Geschäftsstellenleiter vonMLP. Ich kenne auch die anderenGründer und vertraue ihnen – da-her muss ich mich auch nicht indas Tagesgeschäft einmischen.Sie haben bewiesen, dass sie einUnternehmen ordentlich und pro-fitabel führen können. Viel später,2013, ist mir Formaxx angebotenworden. Diese Firma hatte unteranderer Führung hohe Verluste

angehäuft. Da ich aber die vorherigen Eigen-tümer und auch einige der dort Beteiligtenkannte und das Geschäftsmodell valide war,hat Mayflower dann Formaxx übernommen.Da der eine Vertrieb nicht den anderen besit-zen sollte, haben wir das Ganze umstruktu-riert: Die vormalige Mayflower Capital AGwird demnächst umbenannt und ist eine reineHolding, die drei Firmen hält: die VertriebeMayflower und Formaxx sowie deren ge-meinsames Backoffice, die Definet.

Wie groß sind die beiden Vertriebe, gemessen an der Zahl der Berater?

Mayflower hat gut 60 Berater und knappzwölf Millionen Euro Erlöse. Formaxx erlöstemit gut 200 Beratern zuletzt rund 21 Millio-nen Euro. Damit arbeiten beide Vertriebe imBranchenvergleich hochproduktiv.

Laut den jüngsten Zahlen erzielte For-maxx 2015/2016 nur knapp 220.000Euro Überschuss. Viel ist das nicht.Sie müssen bedenken, dass die Gesell-schaft erst seit Kurzem in unseren Händenist und bis dahin nicht profitabel war. An-ders als alte Finanzvertriebe und Maklerkönnen junge Unternehmen nicht aus denBeständen profitieren, die sie in der Ver-gangenheit aufgebaut haben. Hinzukommt, dass wir in eine neue mit Mayflo-wer gemeinsam entwickelte IT-Plattforminvestieren, und das bei gleichzeitigem Be-trieb der beiden alten IT-Systeme. Dahermeine ich, dass die Ergebnisse für ein Un-ternehmen, das sich im Aufbau und in der

Umstrukturierung befindet, sehr gut sind. Wirstellen nicht, wie in der Branche nicht unüb-lich, auf Ergebnisse vor Zinsen und Restruk-turierungsaufwendungen ab oder hoffen auffrisches Geld aus der nächsten Finanzierungs-runde. Ich kenne jedenfalls keine andere Firmaaus der Branche, die einen so schnellen Turnaround geschafft hat wie Formaxx.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?Wenn Sie als Unternehmer in unserer Brancheschnell die Produktivität steigern möchten, haben Sie vor allem zwei Möglichkeiten. Dieerste: Sie kannibalisieren andere Vertriebe undwerben deren beste Berater ab. Doch damitholen Sie sich Söldnertruppen ins Haus, stattorganisch zu wachsen. Die Produktivität steigtzwar tatsächlich, aber nach einiger Zeit ziehendiese Berater einfach weiter. Die zweite Mög-

lichkeit: Sie investieren nichtmehr – nicht in neue Mitarbeiter,deren Ausbildung, die Qualitätder Beratung und vor allem nichtin die IT. Das funktioniert eben-falls eine Zeitlang, insbesonderebei hohen Altbeständen. Der rich-tige Weg ist meiner Meinungnach aber ein anderer: ein Unter-nehmen von Grund auf ordentlichaufzustellen, damit es sich ent-wickelt, wächst – und schließlich

„Die DIN-Norm kommt“Vor mehr als 13 Jahren hat Bernhard Termühlen seinen Job als MLP-Chef aufgegeben. Inzwischen mischt er die Branche wieder auf. Nicht nur als Inhaber der Finanzvertriebe Mayflower und Formaxx, sondern auch als Geld geber hinter Defino – jenem Institut, das an einer Norm für die Finanzanalyse arbeitet.

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»Es kann nicht sein,dass zehn verschiedeneBerater ein und dem -selben Kunden zehn

völlig unterschiedliche Analysen präsentieren.«

Bernhard Termühlen

Blick in Termühlens PortfolioDie Beteiligungen Bernhard Termühlens im Finanzdienstleistungsbereich

* Umfirmierung dieser Holding geplant | Quelle: Bundesanzeiger, eigene Recherche

TERMÜHLEN Beteiligungen Verwaltungs GmbH

hält >75 % an:

100 %

hält 82,5 % an:

Defino Definet

Mehrheits-beteiligung

Mayflower

>75 %

Formaxx

Mayflower Capital AG*

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profitabel wird. Diesen Weg gehen wir mitFormaxx.

Was heißt das konkret?Sie müssen Standards einführen. In unsererBranche arbeiten viel zu viele „freischaffendeKünstler“; jeder arbeitet so, wie er es für rich-tig hält. Das funktioniert in einem Finanzver-trieb genauso wenig wie in der Autoindustrie.Man muss die Prozesse standardisieren, ge-wissermaßen Leitplanken einziehen. Das hatgleich mehrere positive Effekte: Sie steigerndie Produktivität durch Synergien und Ska-leneffekte, auch weil Sie damit die in der Beratung gesammelten Informationen imBack office viel besser verarbeiten und ihrengesamten Datenhaushalt besser organisierenkönnen. Viele denken die Prozesse vom Pro-dukt her und arbeiten sich dann in RichtungKunden vor. Dabei gilt es, genau andersherumzu denken: Der Prozess beginnt bei der Bera-

tung – und endet im Produkt. StandardisierteProzesse verbessern außerdem die Qualitätder Beratung, was die Branche wiederum attraktiver für Nachwuchskräfte macht. Dennmachen wir uns doch nichts vor: Das Nach-wuchs- und das Imageproblem hängen zu-sammen. Darum hilft die Standardisierungauch, neue Berater zu gewinnen und so orga-nisch zu wachsen.

Sie spielen mit den Beratungsstandardssicher auf Ihre weitere Beteiligung an:Das Defino Institut für Finanznorm hatmit DIN Spec 77222 eine Spezifikationfür eine „standardisierte Finanzanalysefür den Privathaushalt“ entwickelt, diedemnächst in einer „richtigen“ DIN-Norm münden soll.

Zum Hintergrund: Bei Formaxx trafen Beraterganz unterschiedlicher Finanzvertriebe aufein-ander. Um dennoch eine konstant hohe Bera-

tungsqualität zu sichern, kam früh die Ideeauf, Standards für die Finanzanalyse zu erar-beiten. Dieses Projekt hat Defino dann fort-gesetzt. Formaxx ist der Vertrieb, der am längs-ten mit dem Defino-Standard arbeitet. DerEinsatz hat sich bewährt: Der durchschnittli-che auf Basis von Defino beratene Familien-kunde hat 13 Verträge über Formaxx abge-schlossen, das ist eine im Branchenvergleichherausragende Vertragsdichte. Mit den Stan-dards konnten wir etwas Neues, Einzigartigesbieten, das die Leute mitgerissen hat. Innova-tion – ein wichtiger Wachstumstreiber – ist inunserer Branche sonst ja kaum zu finden.

Derzeit wird DIN Spec 77222 auf Ini -tiative der Defino am Deutschen Institutfür Normung in eine vollständige Normüberführt. Welches Ziel verfolgen Sie?

Es kann nicht sein, dass zehn verschiedeneBerater ein und demselben Kunden zehn

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»Die Beratungsqualität und

der Verbraucherschutz hängen nicht nur von der

Ausbildung der Berater ab.Entscheidend dafür ist einordentlicher Analyse- und

Beratungsprozess.«Bernhard Termühlen

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völlig unterschiedliche Analysen präsentieren.Auch im Straßenverkehr gelten bestimmteRegeln. An roten Ampeln müssen Sie halten,und Sie können nicht mit Tempo 200 durchgeschlossene Ortschaften fahren. In der Fi-nanzdienstleistungsbranche gibt es derlei Regelwerke nicht. Hier kann jeder fahren, wieer will. Um im Bild zu bleiben: In unsererBranche hat sich die Politik bisher darum gekümmert, dass die Führerscheinprüfungverschärft und dass ein Fahrtenbuch geführt,also dass ordentlich dokumentiert wird. Wasin der Zwischenzeit in der Beratung und Ana-lyse – im übertragenen Sinn also auf der Stra-ße – passiert, ist weitgehend ungeregelt. DieBeratungsqualität für die Kunden und der Ver-braucherschutz hängen aber – mit Verlaub –nicht nur von der Ausbildung der Berater ab.Entscheidend dafür ist ein ordentlicher Ana-lyse- und Beratungsprozess.

Ihr Ziel ist also eine in allen Facettenstandardisierte Beratung?

Nein, so weit sind wir längst nicht, und dasstreben wir auch gar nicht an. Es geht vor al-lem um die Bedarfsanalyse. Dabei untersuchtder Berater im Wesentlichen Deckungslückenbei Versicherungen und in der Altersvorsorgeund Ungereimtheiten im Anlageverhalten. AmSchluss sieht er, welche Risiken er absichern

und welche Vorsorge er treffen muss. Das istwie beim Arzt: Die Diagnose sollte immer diegleiche sein, nehmen wir als Beispiel einenBandscheibenvorfall. Das gilt allerdings nichtfür die Therapie – da kann in einem Fall eine

Spritze die richtige Wahl sein, während einemanderen Patienten mit einer Krankengymnas -tik besser geholfen ist. Ähnlich ist es in derFinanzberatung. Für die Heilung des RisikosAltersarmut gibt es eben nicht nur ein Pro-dukt. Hier hat der Berater also durchaus Frei-heiten. Es passiert aber nicht mehr, dass jemand, der eigentlich eine Haftpflichtver -sicherung bräuchte, einen Schiffsfonds auf -geschwatzt bekommt.

Aber jede Beratung und damit auch Bedarfsanalyse muss doch individuellsein. Es lassen sich nun mal nicht alleMenschen über einen Kamm scheren.

Wir sind der Überzeugung, dass ein standar-disierter Prozess und kundenindividuelle Er-gebnisse sich nicht widersprechen, sondernbedingen. Die Branche verwechselt noch zuoft Kundenindividualität und Beraterindivi-dualität.

Kann man einen so komplexen Prozesswie die Finanzanalyse in einen Standardfassen?

Natürlich will der eine oder andere Finanzbe-rater seinen Kunden vollkommen analysierenund beispielsweise bei der Krankenversiche-rung abfragen, ob der Klient in Krisengebietereist und ob dieses Risiko berücksichtigt wer-den muss. Doch das ist eben nicht der Stan-dardansatz, der für alle gelten sollte. Sonstdürften im Straßenverkehr auch nur noch Au-tos mit allen Assistenzsystemen zugelassenwerden. Dann gäbe es auf der Straße nur nochPkws wie die Mercedes-S-Klasse – und eingroßer Teil der Bevölkerung könnte sich keinAuto mehr leisten. Wenn Sie so wollen, ver-folgen wir über die DIN-Norm das Ziel, dassjeder das Recht haben soll, mit ordentlichfunktionierenden Autos am Straßenverkehrteilzunehmen, und es gilt zudem ein einheit-liches Regelwerk hinsichtlich des Fahrverhal-tens. Kunden erhalten in rund zehn Minuteneinen rudimentären Überblick über ihre finan-zielle Lage. Diese Zeit räumen auch Durch-schnittsverdiener ihrem Berater ein. Oder, an-dersrum gesehen: So viel Zeit kann ein Bera-ter auch einem Kunden widmen, von dem ersich kein lukratives Anschlussgeschäft ver-spricht. Es geht um ein Regelwerk für dieAnalyse und damit den Einstieg in die Bera-tung. Die Frage nach der Versicherung fürKrisengebiete darf ja später noch folgen.

Durch die Norm würde die Bedarfsana-lyse schneller werden. Wenn ein Vermitt-

Bernhard Termühlen: „Kunden erhalten in rund zehn Minuten einen rudimentären Überblick über ihre finanzielle Lage.Diese Zeit räumen auch Durchschnittsverdiener ihrem Berater ein.“

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»Die Branche verwechselt nochzu oft Kundenindividualität und

Beraterindividualität.«Bernhard Termühlen

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tBernhard Termühlen

Bernhard Termühlen, geboren 1955 im westfälischenSteinfurt, ist promovierter Bau- und Wirtschaftsingenieur.Von 1982 bis 1984 war er als Referent des Unterneh-mensleiters des Baukonzerns Heitkamp tätig, bevor er1985 als MLP-Berater begann – als Mitarbeiter Nummer84. Schon im Jahr darauf wurde er mit der Leitung derHamburger Geschäftsstelle betraut. 1988 wechselte Ter-mühlen in den Vorstand von MLP, 1999 übernahm er denVorsitz des Gremiums und trieb die Expansion des Finanz-vertriebs voran. Im Oktober 2003 verließ er die Firma.Seither betätigt er sich als Unternehmer. Er betreibt Land-wirtschaft, investiert in erneuerbare Energien und hält An-teile an der Schwedenfähre TT-Line, deren Beiratsvorsit-zender er ist. Seine Beteiligungen an den FinanzvertriebenMayflower und Formaxx machen nach eigenen Angabeneinen eher kleinen Teil seines Gesamtvermögens aus.

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ler immer mehr Kunden betreuenkann: Verschärft das nicht das Bera-tersterben?

Hier gibt es einen Qualitäts- und einen Effizienzaspekt. Es gibt zu viel Wildwuchsin der Beratung. Die Gesellschaft wird abwägen, ob es weitergehen soll wie bis-her oder ob nicht vernünftige Standardsbesser sind. Vielleicht müssten einige denMarkt dann verlassen. Auf der anderenSeite sinkt die Zahl der Berater ohnehinseit Jahren – bei gleichbleibender Bevöl-kerung. Wenn man Haushalte als Kundennimmt, steigt deren Zahl sogar. Auf jedenFall muss effizient und mit hohem Quali-tätsanspruch beraten werden. Mehr Effi-zienz hilft zudem, den Margendruck zukompensieren.

Wann wird die Norm denn kommen?Oder kann sie noch scheitern?

Im Normenausschuss sitzen Vertreter vonFinanzvertrieben, Banken und Versiche-rern an einem Tisch mit Wissenschaftlernund Verbraucherschützern. Nach meinerKenntnis herrscht inzwischen ein grund-sätzlicher Konsens. Darum bin ich fest davonüberzeugt: Die DIN-Norm kommt. Von außenlässt sie sich jedenfalls nicht verhindern, auchwenn sich mancher aus der Branche das viel-leicht wünschen würde. Der Entwurf für dieNorm soll Mitte des Jahres veröffentlicht wer-den. Dann kann die Allgemeinheit Stellung-nahmen abgeben. Wenn es gut läuft, liegt dieNorm schon dieses Jahr unter dem Weih-nachtsbaum.

Wie verbindlich wird die Norm sein?Eine Norm hat keine Gesetzeskraft. Aber einBerater, der sich nicht an sie hält, geht ein Risiko ein. Denn wenn es zu einem Haftungs-fall kommt, wird der Richter den Vermittlerfragen, ob er sich an der Norm orientiert hat.Ist das der Fall, ist der Berater ein gutes Stückweit entlastet.

Eine Norm kann als perfekte Blaupausefür einen Robo-Berater dienen. Ist daseine Gefahr für die Branche?

Nein. Wenn ein Kunde Robo-Beratung möch-te, wird er sie nutzen – und dann ist es gut,wenn sie geregelt ist. Insbesondere die Ver-braucherschützer drängen darauf, dass es einen für die Selbstanalyse nutzbaren und di-gitalisierungsfähigen Standard gibt. Er mussin Onlinetools umsetzbar sein. Die Branchemuss akzeptieren, dass Kunden mündiger

geworden sind und sich im Internet informie-ren. Dadurch wird der Berater aber nicht über-flüssig, der Anspruch an ihn wird nur höher.

Haben Sie oder Defino einen finanziellenNutzen aus dem Normungsprojekt?

Zunächst einmal braucht es jemanden, der dasProjekt finanziert – ich habe bislang nur Geldinvestiert und keines verdient. Langfristigwird sich Defino als Zertifizierer positionie-ren. Wenn die Norm kommt, wird eine neu-trale Instanz benötigt, die prüft, ob Beraternach den Vorgaben arbeiten. Wir sind dabei,uns zum Zertifizierer akkreditieren zu lassen– so wie TÜV oder Dekra das sind.

Sie erwähnten anfangs noch eine weitereFirma, die zu Ihren Beteiligungen zählt:Definet. Was hat es damit auf sich?

Die Definet entstand vor zweieinhalb Jahren,weil bei Formaxx und Mayflower mit zweiIT-Systemen gearbeitet wurde und wir dieChance gesehen haben, diese zu vereinheit -

lichen und vor allem in Bezug auf die Beratungsprozesse neu aufzusetzen. DieDefinet ist die Backoffice-Plattform fürdiese beiden Vertriebe. Die Bereiche, diequasi zur DNA einer Firma gehören, blie-ben in den jeweiligen Unternehmen. AberDinge wie die IT, die Ausbildung oder derEinkauf ließen sich gut bündeln. Zugleichsehen wir das Geschäftsmodell, dritte Ver-triebe anzubinden, die ebenfalls effizienterarbeiten wollen.

Ist es denn realistisch, dass sich ein Fi-nanzvertrieb an ein Backoffice hängt,das auch Mitbewerber unterstützt?Nehmen Sie die Automobilbranche: Dortarbeiten bekanntlich viele Konzerne mitden gleichen Zulieferern zusammen. Auchin der Fondsbranche nutzen Dutzende Anbieter die gleichen Verwahrstellen. DieVermittlerbranche wird ebenfalls nicht aneinem gewissen Maß an Kooperation vor-beikommen, weil das Geschäft wegen dersinkenden Margen schwieriger wird. Vielekleinere und mittlere Vertriebe werden sichallein nicht halten können. Ich betone es

noch einmal: Die Branche braucht Skalen -effekte, Industrialisierung, Synergien – unddamit mehr Gemeinsamkeit.

Ist Definet im Grunde nicht einfach einweiterer Maklerpool?

Nein. Ein Pool bietet üblicherweise ein ein-heitliches Paket an, mit dem er eine größereZahl an Maklern bedient. Der Vermittler ver-zichtet auf einen Teil seiner Courtagen oderzahlt eine Gebühr, nutzt dafür die Einkaufs-macht des Pools und bekommt eine Provi -sionsabrechnung aus einer Hand. Da der durch-schnittliche Makler rund drei Poolanbindun-gen hat, bedient jeder auch nur einen Teil desBedarfs; entsprechend sehen Produktivität undDatenhaushalt bei den Angebundenen aus.Die Definet individualisiert und macht gleich-zeitig hochproduktiv. Sie bietet verschiedeneModule an, die einzeln gebucht werden kön-nen. Wir haben alles von der Rechts-, Marke-ting- oder IT-Abteilung bis hin zu einer Aka-demie für Fortbildungen. Der Vertrieb wähltaus, welche Module er haben möchte, und nurfür die bezahlt er auch. Den Rest erledigt erweiterhin im eigenen Haus. Das Ziel ist dieSteigerung von Individualität, Produktivitätund Qualität, was sich nicht widerspricht.

Vielen Dank für das Gespräch.BERND MIKOSCH, JENS BREDENBALS | FP

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»Wenn es gut läuft, liegt dieNorm schon dieses Jahr unter

dem Weihnachtsbaum.«Bernhard Termühlen

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Bernhard Termühlen: „Die Vermittlerbranche wird nicht an einemgewissen Maß an Kooperation vorbeikommen.“

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