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Gesundheitsberichterstattung in Deutschland – Historie, Ergebnisse und Perspektiven Reinhard Kurth, Bärbel-Maria Kurth Zur Geschichte der Gesundheitsberichterstattung (GBE) in Deutschland Die Ursprünge der Gesundheitsberichterstattung für ganz Deutschland reichen über 100 Jahre zurück, und zwar auf die Berichte des kaiserlichen Gesundheitsamtes. In Zu- sammenarbeit mit dem Kaiserlichen Statistischen Amt wurde zum Beispiel schon 1907 die Publikation Das Deut- sche Reich in gesundheitlicher und demographischer Beziehung veröffentlicht. 1 Natürlich waren damals die wissenschaftlichen Möglichkeiten zur Erhebung gesund- heitlicher Daten in der Bevölkerung bei Weitem nicht so ausgebaut wie heute, aber es gab erste Informationen zur gesundheitlichen Situation in Deutschland. Aus der sozia- len Differenzierung dieser Informationen entwickelten sich in Deutschland fortschrittliche Ansätze der Sozialme- dizin. Während der Nazizeit wurden hervorragenden Köpfe der Sozialmedizin, zu einem großen Teil jüdische Ärzte, aus dem Land vertrieben oder umgebracht. Die Gesund- heitsberichterstattung verkam zum ideologischen Instru- ment, missliebige Daten wurden nicht publiziert, Themen der Rassenkunde wurden in pseudowissenschaftlicher Art und Weise favorisiert. So nimmt es nicht wunder, dass die Gesundheits- berichterstattung nach dem letzten Weltkrieg lange Zeit 116

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Gesundheitsberichterstattung inDeutschland – Historie, Ergebnisseund Perspektiven

Reinhard Kurth, Bärbel-Maria Kurth

Zur Geschichte der Gesundheitsberichterstattung (GBE)in Deutschland

Die Ursprünge der Gesundheitsberichterstattung für ganzDeutschland reichen über 100 Jahre zurück, und zwar aufdie Berichte des kaiserlichen Gesundheitsamtes. In Zu-sammenarbeit mit dem Kaiserlichen Statistischen Amtwurde zum Beispiel schon 1907 die Publikation Das Deut-sche Reich in gesundheitlicher und demographischerBeziehung veröffentlicht.1 Natürlich waren damals diewissenschaftlichen Möglichkeiten zur Erhebung gesund-heitlicher Daten in der Bevölkerung bei Weitem nicht soausgebaut wie heute, aber es gab erste Informationen zurgesundheitlichen Situation in Deutschland. Aus der sozia-len Differenzierung dieser Informationen entwickeltensich in Deutschland fortschrittliche Ansätze der Sozialme-dizin. Während der Nazizeit wurden hervorragenden Köpfeder Sozialmedizin, zu einem großen Teil jüdische Ärzte,aus dem Land vertrieben oder umgebracht. Die Gesund-heitsberichterstattung verkam zum ideologischen Instru-ment, missliebige Daten wurden nicht publiziert, Themender Rassenkunde wurden in pseudowissenschaftlicher Artund Weise favorisiert.

So nimmt es nicht wunder, dass die Gesundheits-berichterstattung nach dem letzten Weltkrieg lange Zeit

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brachlag. An das Niveau vor der Zeit des Faschismuskonnte nicht wieder angeschlossen werden. Diese Situa-tion veranlasste zum Beispiel den Ausschuss für Gesund-heitsberichterstattung der Arbeitsgemeinschaft der Leiten-den Medizinalbeamten (AGLMB) der Länder 1989 zu derAussage, dass die Bundesrepublik Deutschland in der Ge-sundheitsberichterstattung im Vergleich zu anderen west-lichen Industrienationen als „Entwicklungsland“ zu be-zeichnen sei.

Die Situation änderte sich in den neunziger Jahren, als dasBundesministerium für Forschung und Technologie die Erar-beitung eines Gesundheitsberichts für Deutschland und dieErrichtung eines Systems der Gesundheitsberichterstattungumfangreich finanziell förderte.2 Das Statistische Bundes-amt hatte bei diesem Projekt die Federführung und arbeiteteeng mit externen Experten, den einschlägigen wissenschaft-lichen Fachgesellschaften und dem Robert-Koch-Institut(RKI) zusammen. 1998 erschien dann ein umfangreicher Ge-sundheitsbericht für Deutschland.3 Das Bundesministeriumfür Gesundheit entschied danach, die Finanzierung der GBEdes Bundes auf Dauer zu übernehmen und dem Robert-Koch-Institut diese Aufgabe in Kooperation mit dem Statisti-schen Bundesamt zu übertragen.4

Inhalte der Gesundheitsberichterstattung

Die GBE befasst sich mit der Analyse der gesundheitlichenLage der deutschen Bevölkerung. Differenziert für Frauenund Männer, Kinder und Jugendliche sowie Senioren kannunter Nutzung vorhandener Datenquellen für eine Aus-wahl gesundheitsrelevanter Themen nach internationalanerkannten wissenschaftlichen Methoden und Standardsein Überblick über die Gesundheit der deutschen Bevölke-rung gegeben werden. Die Gesundheitsberichterstattung

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Gesundheitsberichterstattung in Deutschland

befasst sich unter anderem mit der Inzidenz und Prävalenzvon Krankheiten und anderer Gesundheitsprobleme, korre-liert diese mit dem Gesundheitsverhalten und den Exposi-tionen der Bevölkerung und analysiert problemspezifischdie Leistungen und Kosten des Gesundheitswesens.

Nach dem ersten umfassenden Gesundheitsbericht fürganz Deutschland, dessen Erarbeitung fast zehn Jahre inAnspruch genommen hatte, wurde entschieden, die Ge-sundheitsberichterstattung kontinuierlicher und zeitnahzu gestalten. Es wurde das Konzept der mehrfach im Jahrerscheinenden „GBE-Hefte“ entwickelt. Tabelle 1 zeigtbeispielhaft die Themen, die in dieser Publikationsreiheder GBE seit dem Jahr 2000 bearbeitet wurden.

Tab. 1: Übersicht zu den bisher erschienenen GBE-Themenheften

Heft-Nr. Titel Erscheinungsdatum

1 Schutzimpfungen Dezember 2000(überarb. Neuaufl.Januar 2004)

2 Sterbebegleitung März 2001(überarb. Neuaufl. November2003)

3 Gesundheitsprobleme beiFernreisen

Mai 2001

4 Armut bei Kindern und Ju-gendlichen

Oktober 2001 (überarb. Neu-aufl. August 2005)

5 Medizinische Behandlungs-fehler

Dezember 2001

6 Lebensmittelbedingte Erkran-kungen in Deutschland

März 2002

7 Chronische Schmerzen Mai 2002

8 Nosokomiale Infektionen Juni 2002

9 Inanspruchnahme alternati-ver Methoden in der Medizin

August 2002

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10 Gesundheit im Alter Oktober 2002

11 Schuppenflechte Dezember 2002

12 Dekubitus Januar 2003

13 Arbeitslosigkeit und Gesund-heit

Februar 2003

14 Gesundheit alleinerziehenderMütter und Väter

Mai 2003

15 Hepatitis C Juni 2003

16 Übergewicht und Adipositas August 2003

17 Organtransplantation und Or-ganspende

Oktober 2003

18 Neu und vermehrt auftre-tende Infektionskrankheiten

November 2003

19 Heimtierhaltung – Chancenund Risiken für die Gesund-heit

Dezember 2003

20 Ungewollte Kinderlosigkeit April 2004

21 Angststörungen Mai 2004

22 Hautkrebs Juli 2004

23 Selbsthilfe im Gesundheits-bereich

September 2004

24 Diabetes mellitus März 2005

25 Brustkrebs Juni 2005

26 Körperliche Aktivität August 2005

27 Schlafstörungen Oktober 2005

28 Altersdemenz November 2005

29 Hörstörungen und Tinnitus Februar 2006

30 Gesundheitsbedingte Frühbe-rentung

Mai 2006

31 HIV und AIDS Juni 2006

32 Bürger- und Patientenorien-tierung im Gesundheitswesen

Juli 2006

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Gesundheitsberichterstattung in Deutschland

33 Koronare Herzkrankheitenund Akuter Myokardinfarkt

August 2006

34 Doping beim Freizeit- undBreitensport

Oktober 2006

35 Tuberkulose November 2006

36 Prostataerkrankungen Januar 2007

37 Gebärmuttererkrankungen Februar 2007

38 Arbeitsunfälle und Berufs-krankheiten

März 2007

39 Harninkontinenz September 2007

40 Alkoholkonsum und alkohol-bezogene Störungen

Mai 2008

41 Psychotherapeutische Versor-gung

Juli 2008

42 Gesundheitliche Folgen vonGewalt

Oktober 2008

43 Hypertonie Dezember 2008

44 Venenerkrankungen der Beine Mai 2009

45 Ausgaben und Finanzierungdes Gesundheitswesens

Mai 2009

In den GBE-Heften wird versucht, für unterschiedliche Er-krankungen und andere Gesundheitsprobleme in kurzerund prägnanter Form die wesentlichen Aspekte einerKrankheit oder eines Gesundheitsrisikos darzustellen AmBeispiel des GBE-Heftes zum Diabetes mellitus5, also derZuckerkrankheit als einer der „Volkskrankheiten“, seidies illustriert: Dieses Heft beginnt mit einer Einleitung,gefolgt von– Diabetesformen und Krankheitsverlauf,– Verbreitung des Diabetes mellitus (Häufigkeit, zeitliche

Veränderungen),– Risiken und Prävention (Risiken, Einflussfaktoren,

Spätschäden, Prävention),

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– Begleitprobleme und Folgen des Diabetes (Krankheits-symptome, Leben mit Diabetes, Sterblichkeit, Folgenfür die Gesellschaft),

– Versorgung, Strukturen und Ressourcen (Therapie, Ver-sorgungsstrukturen, soziale Lage, Betroffenenverbände,Selbsthilfeorganisation usw.),

– Kosten, verursacht durch Diabetes,– einem internationalen Vergleich sowie– einem Ausblick.

Neben den regelmäßig erscheinenden Themenheften derGesundheitsberichterstattung ist mittlerweile im Jahre2006 ein zweiter Gesamtbericht Die Gesundheit der Deut-schen erschienen.6 In diesem Bericht geht es allgemein umFaktoren, die die Gesundheit in Deutschland beeinflussen.Es werden aber auch Zahlen genannt, um Gesundheit undKrankheit in Deutschland zu quantifizieren. Es wird be-richtet, was das Gesundheitswesen für die Prävention undGesundheitsförderung leistet und wie sich Angebot und In-anspruchnahme in der Gesundheitsversorgung darstellenbzw. verändern. Schließlich werden die Kosten, also dieAusgaben für Gesundheit, angesprochen. Außerdem gibtes auch Anschriften und Hinweise, wie sich Patientinnenund Patienten informieren und an Entscheidungen zu ihrerTherapie beteiligen können. Von besonderem Interessesind die Entwicklungstrends, die sich seit dem letztenGesundheitsbericht abgezeichnet haben. Auch die Ein-ordnung in die europäische Situation wird mit dem Vor-handensein entsprechender Vergleichsdaten zunehmendinteressant. Dieser umfassende Gesundheitsbericht fürDeutschland liegt auch in englischer Sprache vor, um so in-ternational verglichen werden zu können.7

Zunehmend gewinnen politisch aktuelle Gesundheits-themen für die Gesundheitsberichterstattung an Bedeu-tung. Sie werden in den sogenannten „Beiträgen zur Ge-

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Gesundheitsberichterstattung in Deutschland

sundheitsberichterstattung“ bearbeitet. Das aktuellste Bei-spiel hierfür ist der Band Gesundheit im Alter.8 Ein Über-blick über alle Produkte der Bundesgesundheitsbericht-erstattung findet sich auf der RKI-Homepage (www. rki.de)unter „Gesundheitsberichterstattung“, aber auch unterwww.gbe-bund.de.

Die Datenquellen für die Gesundheitsberichterstattung inDeutschland

Eine Gesundheitsberichterstattung ist umso besser, dasheißt umso belastbarer und verlässlicher in ihren Aus-sagen, je besser die Datenquellen sind, auf die sie zurück-greifen kann. In der Aufbauphase der Gesundheitsbericht-erstattung wurde daher parallel zur Erarbeitung desGesundheitsberichtes beim Statistischen Bundesamt auchein „Informations- und Dokumentationszentrum Gesund-heitsdaten“ aufgebaut. In dieses Informationssystem flie-ßen alle in Deutschland frei verfügbaren Gesundheitsdatenein, in erster Linie natürlich die Daten der amtlichen Sta-tistik.9 Diese Daten sind in aggregierter Form aufbereitetund können durch externe Nutzer jederzeit aufgerufenund nach eigenen Wünschen bearbeitet werden (www.gbe-bund.de).

Das Robert-Koch-Institut benutzt diese Daten, zum Bei-spiel zur Mortalität, zu Krankenhausdiagnosen und zuKrankheitskosten, und lässt sie in die Gesundheitsberichteeinfließen. Weitere Datenquellen sind Registerdaten wiezum Beispiel die der Landeskrebsregister, wissenschaftli-che Einzelstudien, die zusätzlich bzw. erneut ausgewertetwerden, und auch die Versorgungsdaten der Krankenkassen(deren Nutzung leider nach wie vor nur sehr begrenzt mög-lich ist). Das Robert-Koch-Institut selbst erhält kontinuier-lich Meldedaten für die nach dem Infektionsschutzgesetz

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meldepflichtigen Infektionskrankheiten. Darüber hinaussind am Robert-Koch-Institut eine Reihe von Netzwerken(Sentinels) verankert, in denen zum Beispiel niedergelas-sene Ärzte oder auch Krankenhäuser zu bestimmten Er-krankungen oder Gesundheitsproblemen regelmäßig Mel-dungen abgeben. Beispielhaft sei hier der ArbeitskreisInfluenza erwähnt oder die anonymisierte Labormelde-pflicht für HIV-Infektionen.

Es bleiben dann aber immer noch erhebliche Informa-tionslücken, insbesondere zu Gesundheitsverhalten, sub-jektiver Gesundheit, subjektiver Lebensqualität, Inan-spruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems,Arzneimittelkonsum, Ernährungsverhalten u. a. Diese Lü-cken werden gezielt durch eigene Erhebungen des Robert-Koch-Instituts, die sogenannten Gesundheitssurveys, ge-schlossen.10

Beispiele für Gesundheitsberichterstattung auf derGrundlage von Krebsregisterdaten und Mortalitäts-statistiken

Nach dem Auslaufen eines temporär bis zum Jahre 2000 gül-tigen Krebsregistergesetzes besitzen mittlerweile alle Bun-desländer ein Landeskrebsregister, an das über die Ärzte-schaft alle Krebsneuerkrankungsfälle in dem jeweiligenBundesland gemeldet werden. Die Landeskrebsregister ge-ben in geeigneter anonymisierter Form ihre Daten an dasRobert-Koch-Institut, wo sie zusammengeführt, aufbereitetund interpretiert werden. Diese Tätigkeit resultiert allezwei Jahre in der Publikation Krebs in Deutschland. Häufig-keiten und Trends. Die letzte diesbezügliche Publikationdeckt die Jahre 2003 und 2004 ab.11 Die Auswertung erfolgtin Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der epidemiologi-schen Krebsregister in Deutschland e. V. (GEKID).

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Gesundheitsberichterstattung in Deutschland

Unter dem Überbegriff „Krebs“ findet sich eine Vielzahlvon Tumorformen, die schon wegen ihrer unterschiedli-chen Symptomatik, ihrer unterschiedlichen Therapiemög-lichkeiten und ihres unterschiedlichen Verlaufs auch me-dizinisch als unterschiedliche Erkrankungen aufgefasstwerden. Gemeinsam haben sie die schwierig zu inhibie-rende Proliferation bösartiger Zellen.

Krebs ist hauptsächlich eine Alterskrankheit. Durch diesteigende Lebenserwartung und den wachsenden Anteil älte-rer Menschen in der Bevölkerung wird sich die Zahl der neuan Krebs Erkrankenden in Deutschland deutlich erhöhen.Wir rechnen für das Jahr 2020 mit ca. 132.000 Neuerkran-kungen bei Frauen und 157.000 bei Männern für Deutsch-land. Diese verteilen sich entsprechend der Altersstrukturund Lebenserwartung in den einzelnen Bundesländern un-terschiedlich, wie nachfolgend illustriert werden soll:

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Regionalvergleiche der Lebenserwartung zeigen zumBeispiel (Abb. 1), dass man in den süddeutschen Bundeslän-dern am längsten lebt. Die Ursachen für die unterschiedli-che Lebenserwartung sind nicht alle bekannt. Es fällt je-doch auf, dass diejenigen Bundesländer mit dem höchstenBruttoinlandsprodukt pro Kopf auch die Bundesländer mitder höchsten Lebenserwartung sind. Sicherlich sind in die-sen Bundesländern die medizinischen Versorgungsstruktu-ren umfassender ausgebaut, über andere Faktoren (z. B.Umweltbelastungen, Wirtschaftsstrukturen, Migrantenund Sozialstatus) wird derzeit intensiv geforscht.

Es ist eine grundgesetzlich geforderte politische Aufgabe,in den deutschen Bundesländern einheitliche Lebensbedin-gungen herzustellen bzw. zu bewahren. Dazu gehören na-türlich auch die Bedingungen, die für eine gleichermaßenhohe Lebenserwartung in allen Regionen Deutschlands aus-schlaggebend sind. Die Gesundheitsberichterstattung musshierbei nach den Ursachen für die Unterschiede forschenund die Wirksamkeit von Maßnahmen evaluieren.

Gesundheitsberichterstattung auf der Grundlage vonMeldedaten

Die Bundesrepublik Deutschland hat seit dem 1. Januar2001 ein modernes Infektionsschutzgesetz, das sehr effek-tiv ist und sich seither bewährt hat. Etwa fünfzig Infek-tionskrankheiten werden bei ihrer Neudiagnose in geeig-neter anonymisierter Form zunächst kommunal bei denGesundheitsämtern, dann über die Länder und letztlichbeim Bund, das heißt am Robert-Koch-Institut, erfasst.Mit dem Infektionsschutzgesetz sollen natürlich zunächstGefahrenpotenziale für die Bevölkerung aufgedeckt und be-grenzt werden; darüber hinaus sind die Ergebnisse aus derMeldepflicht geeignet, Trends in der Inzidenz, geografische

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Gesundheitsberichterstattung in Deutschland

Häufungen (sogenannte Ausbrüche) und regionale Unter-schiede zu erkennen.

Am Beispiel der Tuberkulose kann man sehr gut illustrie-ren, welchen Erkenntnisgewinn man durch die anonymi-sierte Meldepflicht erzielen kann. So ist die durchschnitt-liche Inzidenz in den Stadtstaaten am höchsten (bis zuzehn Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr), was si-cherlich mit Zuwanderung in Zusammenhang zu bringenist. Fast 80 % aller Tuberkulose-Neudiagnosen erfolgen beiAusländern, gleichgültig in welcher Altersgruppe oder obbei Männern oder Frauen. Viele Neudiagnosen müssen beiAuslandsdeutschen gestellt werden. Die Zahl der Tuberku-lose-Neuerkrankungen ist in Deutschland insgesamt wei-terhin rückläufig; sinkende Fallzahlen dürfen aber nichtdazu verleiten, Entwarnung zu geben. Bei Neudiagnosenwerden mit zunehmender Häufigkeit resistente Erreger di-agnostiziert, die medikamentös kaum noch zu therapierensind. Die erhöhten Resistenzraten finden sich insbesonderein der ausländischen Bevölkerung in Deutschland. Daherkann prognostiziert werden, dass die Migration für die wei-tere epidemiologische Entwicklung der Tuberkulose inDeutschland von wachsender Bedeutung sein wird.

Die Gesundheitsberichterstattung auf der Grundlage vonSurvey-Daten

Bevölkerungsrepräsentative Gesundheitsstudien, soge-nannte Gesundheitssurveys, haben am Robert-Koch-Instituteine mehr als 20-jährige Tradition.12 Abbildung 2 gibt einenÜberblick über Gesundheitssurveys in der BundesrepublikDeutschland. Erste Erhebungen für Erwachsene gab es inden Jahren ab 1984 im Rahmen der deutschen Herz-Kreis-lauf-Präventionsstudie für die 25- bis 69-jährige Bevölke-rung, weitere Surveys in Westdeutschland folgten. Die Wie-

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dervereinigung unseres Landes erlaubte 1992 eine Erhebungdes gesundheitlichen Zustandes der Bevölkerung in denneuen Bundesländern (Gesundheitssurvey Ost) mit ver-gleichbaren Instrumenten wie für die westdeutsche Bevölke-rung. 1998 folgte dann ein erster gesamtdeutscher, wissen-schaftlich gründlich geplanter Bundesgesundheitssurvey(BGS 98) zur Erfassung des gesundheitlichen Zustands der18- bis 79-jährigen Bevölkerung in Deutschland.13

Von 2003 bis 2006 wurde dann die Kinder- und Jugend-Gesundheits-Studie (KiGGS) durchgeführt – die erste reprä-sentative Erhebung des gesundheitlichen Zustands derKinder und Jugendlichen im Alter von 0 bis 17 Jahren inDeutschland.14

Im Jahre 2008 wurde im Rahmen eines mittlerweile amRKI etablierten Gesundheitsmonitoringsystems15 eineWiederholungsuntersuchung und -befragung der Proban-

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den des BGS 98 gestartet. So können nicht nur zeitlicheTrends im Bevölkerungsquerschnitt erkannt, sondernauch Individualentwicklungen sowie kausale Zusammen-hänge und zeitliche Abfolgen abgebildet werden. Auch dieProbanden des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys wer-den aktuell telefonisch erneut befragt.

Diese Untersuchungssurveys wurden in repräsentativlokalisierten Studienzentren in ganz Deutschland durch-geführt, in denen die Studienteilnehmer persönlich unter-sucht, getestet sowie befragt wurden und auch Blut- undUrinproben abgaben. Seit dem Jahr 2003 gibt es darüber hi-naus telefonische Gesundheitssurveys. Diese reinen Inter-viewsurveys dienen primär der Beantwortung thematischeingeschränkter Gesundheitsfragen und ergänzen die auf-wendigeren und teureren Untersuchungssurveys.

Die Kinder- und Jugend-Gesundheitsstudie (KiGGS)

Diese große Kinder- und Jugend-Gesundheitsstudie gilt in-ternational als ein wissenschaftlicher Meilenstein in derInformationsgewinnung zur Gesundheit von Kindern undJugendlichen.

Im Zeitraum vom 15. Mai 2003 bis zum 6. Mai 2006wurden in 167 zufällig ausgewählten Orten der Bundes-republik 17.641 Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis17 Jahren untersucht und gemeinsam mit ihren Eltern be-fragt. Neben KiGGS gab es in einem modularen Aufbauweitere Studien, zum Beispiel zur Motorik von Kindernund Jugendlichen (Momo-Studie, finanziert durch das Bun-desfamilienministerium), die Bella-Studie zur psychischenGesundheit (finanziert vom Bundesgesundheitsministe-rium und vom Stifterverband), der Umwelt-Survey KUS(finanziert durch das Umweltbundesamt und das Bundes-ministerium für Umwelt), die „Eskimo“-Studie zur Ernäh-

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rung (finanziert durch das Verbraucherschutzministerium)oder das Ländermodul Schleswig-Holstein, finanziertdurch das dortige Sozialministerium.16 Die Zusatzstudiensollten für bestimmte Fragestellungen bei einem Teil derTeilnehmer vertiefende Informationen erheben.

Als Erhebungsinstrumente dienten Fragebögen für die El-tern sowie ab einem Alter von elf Jahren auch für die Kinderund Jugendlichen selbst. Es gab ärztliche Befragungen derEltern zu Krankheiten, Impfungen und Medikamentenkon-sum. Die Kinder wurden untersucht, gemessen und gewo-gen, eine Blut- und Urindiagnostik schloss sich an.17

In den Elternfragebögen von KiGGS wurden entspre-chend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft fürEpidemiologie18 das Einkommen und die Bildung der Elternsowie das Haushaltseinkommen erfasst. Aus diesen Infor-mationen wurde ein mehrdimensionaler Status-Index ge-bildet, der dann als Grundlage für die Definition von dreiStatusgruppen auf der Basis von Punktwerten diente.19 Ent-sprechend dieser Definition waren in KiGGS 28 % der Kin-der in die Kategorie „niedriger Sozialstatus“, 45 % in diemittlere Kategorie und 27 % in die Kategorie „hoher Sozial-status“ einzuordnen.20

Geht man bei der Sozialschichtdifferenzierung speziellauf das Bildungsniveau der Mutter ein, so lässt sich daswiederum in drei Kategorien einteilen:– niedriger Bildungsstatus: kein Schulabschluss, kein Be-

rufsabschluss,– mittlerer Bildungsstatus: Realschulabschluss, Fach-

hochschulreife, Abitur mit Berufsausbildung,– hoher Bildungsstatus: Abschluss einer Fachhochschule,

Hochschule, Universität.

Nach dieser Definition haben 56 % der Mütter der KiGGS-Probanden eine mittlere Bildung, 28 % eine niedrige und16 % eine hohe.

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Gesundheitsberichterstattung in Deutschland

Auch der Migrationsstatus der KiGGS-Kinder wurde er-fasst. Da die Staatsangehörigkeit in Deutschland wenig ge-eignet ist, um den Migrationsstatus von Personen zu erfas-sen, wurde auf der Grundlage von erfragten Informationenzum Geburtsland der Eltern ein einseitiger bzw. zweiseiti-ger Migrationshintergrund definiert:– beidseitiger Migrationshintergrund (Migrant): Beide El-

ternteile sind in einem anderen Land geboren und/odernichtdeutscher Staatsangehörigkeit, oder das Kind istselbst zugewandert und mindestens ein Elternteil istim Ausland geboren,

– einseitiger Migrationshintergrund (binational): Ein El-ternteil ist nicht in Deutschland geboren und/odernichtdeutscher Staatsangehörigkeit.

Nach dieser Definition hatten 25,1 % der KiGGS-Kinder ei-nen Migrationshintergrund, das sind insgesamt 4478 Jun-gen und Mädchen.21

In sämtlichen Auswertungen von KiGGS-Daten wurdeuntersucht, inwieweit es Unterschiede zwischen den ver-schiedenen Gruppen der KiGGS-Kinder gibt.

Ausgewählte Ergebnisse von KiGGS

Etwa 93 % der Eltern der 0- bis 17-jährigen Kinder und Ju-gendlichen in Deutschland schätzen den Gesundheits-zustand ihrer Kinder als gut oder sehr gut ein. Nur 7 % be-zeichnen ihn als mittelmäßig, 0,3 % als schlecht bzw. sehrschlecht.22 In der Liste der jemals durchgemachten chro-nischen Krankheiten rangiert an erster Stelle die chro-nische Bronchitis (13,3 %), gefolgt von Neurodermitis(13,2 %) und Heuschnupfen (10,7 %). Alle weiteren Krank-heiten haben eine Häufigkeit von unter 5 %.23 Beide Ergeb-nisse verdeutlichen – wenn dies auch häufig in den Medien

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anderes kommuniziert wird –, dass die junge Generation inDeutschland im Großen und Ganzen gesund ist. Das istaber kein Grund zur „Entwarnung“. Für bestimmte Grup-pen der Kinder und Jugendlichen sieht das Bild weitausschlechter aus.

Differenziert man die subjektive Einschätzung des Ge-sundheitszustands der Kinder (Elternurteil) nach Sozial-schichtzugehörigkeit, so wird ersichtlich, dass die Kinderin Familien mit höherem Sozialstatus deutlich als gesün-der eingeschätzt werden als die Kinder aus Familien mitniedrigerem Sozialstatus. Dies gilt gleichermaßen für Jun-gen wie für Mädchen (Abb. 3).

Auf der Basis der Größen- und Gewichtsmessungen, diein KiGGS vorgenommen wurden, konnte erstmalig reprä-sentativ das Ausmaß der Verbreitung von Übergewichtund Adipositas bei den in Deutschland lebenden Kindern

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und Jugendlichen bestimmt werden.24 An diesem Beispielvon Übergewicht und Adipositas lässt sich sehr gut darstel-len, wie schicht- und gruppenspezifisch bestimmte Ergeb-nisse ausfallen: Generell ergab der Kinder- und Jugend-gesundheitssurvey, dass 15 % aller Jungen und Mädchenim Alter zwischen 0 und 18 Jahren übergewichtig sind(10 % waren es noch vor 10–15 Jahren), 8,9 % sind starkübergewichtig, also adipös (noch vor 10–15 Jahren warenes ca. 3 %). Analysiert man unterschiedliche Altersgrup-pen, so ist ersichtlich, dass sich ein Übergewicht bei Jun-gen und Mädchen vorwiegend im Grundschulalter ent-wickelt, danach steigt es nur noch leicht an. (Ähnlichesgilt für Adipositas – vgl. Abb. 4.)

Die Entwicklung von Adipositas ist abhängig von Sozi-alstatus der Familien. Kinder aus Familien mit niedrigemSozialstatus sind etwa dreimal so häufig von Adipositasbetroffen wie Kinder aus Familien mit hohem Sozialsta-tus (Abb. 5). Bei Kindern aus Migrantenfamilien liegt dieAdipositasrate insgesamt noch höher (Abb. 6). Unter-schiede zwischen den Kindern aus den alten und denneuen Bundesländern gibt es (anders als bei den Erwach-senen) nicht.

Wie weiter oben ausgeführt, setzt sich der Schichtindexzusammen aus dem Haushaltseinkommen der Familie, derBildung beider Eltern und der beruflichen Position beiderEltern. Alle drei Komponenten können aber auch separatin differenzierende Auswertungen eingehen. Für die Ent-wicklung von Übergewicht und Adipositas ist zum Beispielvon allen Einflussfaktoren die Bildung der Mutter am be-deutendsten. Vergleicht man Abb. 5 mit Abb. 7, so istleicht ersichtlich, dass sich die Schichtdifferenzierung beider Ausprägung von Adipositas fast vollständig über denBildungsgrad der Mutter erklären lässt.

Ähnliche Differenzierungen finden sich auch bei ande-ren gesundheitlich relevanten Faktoren.

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Rauchen ist bei 14- bis 17-jährigen Jugendlichen sowohlbei Mädchen wie bei Jungen aus der Unterschicht häufiger(ca. 17 %) als in der Oberschicht (ca. 8 %). Das Ausmaß destäglichen Rauchens ist wiederum schichtabhängig.25 Dieserklärt sich ebenfalls am besten über den Bildungsstand derMutter. Im Alter von 14–17 Jahren rauchen 35 % der Kindervon Müttern mit niedriger Bildung und 23 % der Kinder vonMüttern mit hoher Bildung. Die Belastung durch Passivrau-chen bei Kindern und Jugendlichen ist über alle Altersgrup-pen hinweg höher bei Müttern mit niedriger Bildung (39 %),bei Kindern von Müttern mit hohem Bildungsniveau liegtdie passive Rauchbelastung bei nur 13 %.

Psychische Auffälligkeiten waren bei Kindern und Ju-gendlichen mit niedrigem Bildungsniveau der Mutter überalle Altersgruppen hinweg 2- bis 3-mal so hoch wie bei Kin-dern von Müttern mit hohem Bildungsniveau.26 Mehr alsjedes fünfte Kind in Deutschland zeigt Symptome einerEssstörung.27 Im Altersverlauf (nach dem zehnten Lebens-jahr) nimmt der Anteil der Essstörungen bei Mädchennoch um etwa 50 % zu, bei den Jungen hingegen nehmenin diesem Zeitraum die Essstörungen bereits wieder umein Drittel ab. Der Anteil der Essstörungen ist in den nied-rigen Sozialschichten und in der Hauptschule fast doppeltso hoch (knapp 30 %) wie in den oberen Sozialschichtenbzw. im Gymnasium (etwa 16 %).

So lässt sich fast durchgängig bei allen in KiGGS erfass-ten Gesundheitsfaktoren eine Benachteiligung der Kinderund Jugendlichen aus sozial benachteiligten und bildungs-fernen Familien und auch häufig bei Kindern mit Migrati-onshintergrund feststellen, wie folgendem zusammenfas-sendem Überblick zu entnehmen ist:

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Gesundheitsberichterstattung in Deutschland

Die Kinder aus sozial benachteiligten oder bildungsfernenFamilien– haben Mütter, die häufiger während der

Schwangerschaft rauchen,– werden seltener und kürzer gestillt,– rauchen häufiger,– treiben seltener regelmäßig Sport,– verbringen mehr Zeit vor dem Bildschirm,– putzen sich seltener die Zähne,– sind häufiger Opfer von Verkehrsunfällen,– tragen seltener Schutzbekleidung (Fahrradhelm …),– haben häufiger Übergewicht / Adipositas,– haben eine geringere motorische Leistungsfähigkeit,– zeigen häufiger Verhaltensauffälligkeiten,– haben häufiger psychische Probleme, Essstörungen,– leben in einem ungünstigeren Familienklima,– besitzen geringere personale, soziale und familiäre

Ressourcen,– erleiden eine höhere Gewaltbelastung,– zeigen eine erhöhte Gewaltbereitschaft,– werden bei vergleichbaren Symptomen seltener dem

Arzt vorgestellt,– nehmen Kinderfrüherkennungsuntersuchungen

seltener wahr,– haben häufiger Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyper-

aktivitätsstörungen (ADHS)– ernähren sich ungesünder,– haben seltener Allergien (einziger festgestellter Vorteil).

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass sozial be-nachteiligte Kinder und Jugendliche stärkeren gesundheit-lichen Belastungen ausgesetzt sind. Der Bildungshinter-grund der Eltern, vor allem der Mutter, hat erheblichenEinfluss auf die Gesundheitschancen der Kinder.

Die Mehrfachbelastung aus sozialer Benachteiligung,

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gesundheitlichen Defiziten und Verhaltensauffälligkeitenverschlechtert die Zukunftschancen der Kinder. Dieskönnte sich auf die künftige Entwicklung der Lebenserwar-tung auswirken.

Gesundheitsberichterstattung, KiGGS – und nun?

Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) ist eingutes Beispiel für den idealtypischen Zyklus der Gesund-heitsberichterstattung: Erkennen – Bewerten – Handeln. DieKonzipierung des Surveys war die Reaktion auf die Informati-onslücken, die die Gesundheitsberichterstattung bei derGruppe der Kinder und Jugendlichen vorfand. Die über dreiJahre hinweg in ganz Deutschland sorgfältig erhobenen Da-ten wurden nach Beendigung der Feldarbeit umgehend einerAuswertung zugeführt, die Ergebnisse publiziert und hin-sichtlich des sich aus ihnen ergebenden gesundheitspoliti-schen Handlungsbedarfs analysiert. Die Ergebnisse wurdenals wissenschaftliche Originalpublikationen internationalveröffentlicht, aber auch innerhalb Deutschlands adressaten-gerecht aufbereitet. Im Jahr 2008 wurden die qualitätsgeprüf-ten Daten als „Scientific Use- File“ der wissenschaftlichenÖffentlichkeit zur weiteren Auswertung zur Verfügung ge-stellt. Eine ganze Serie von wissenschaftlichen Publikationenmit Ergebnissen aus dem KiGGS ist bereits im deutschen undenglischen Sprachraum erschienen.

Eine gemeinsam mit der Bundeszentrale für gesundheit-liche Aufklärung erarbeitete Broschüre in der GBE-Reihedes RKI Erkennen – Bewerten – Handeln: Zur Gesundheitvon Kindern und Jugendlichen in Deutschland arbeitetschwerpunktmäßig das Präventionspotenzial der gefunde-nen Resultate heraus.28

Die vom KiGGS gefundenen deutlichen Zusammen-hänge zwischen sozialer und gesundheitlicher Benachtei-

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Gesundheitsberichterstattung in Deutschland

ligung wurden nicht zuletzt wegen des daraus resultieren-den politischen Handlungsbedarfs bereits in mehrfacherHinsicht ausgewertet und publiziert:– Beitrag zur Gesundheitsberichterstattung Kinder und Ju-

gendliche mit Migrationshintergrund in Deutschland29,– Expertise für das BMG Gesundheitliche Ungleichheit

bei Kindern und Jugendlichen30,– Zuarbeit für den Sachverständigenrat für das Gesund-

heitswesen Lebensphasenspezifische Gesundheit vonKindern und Jugendlichen in Deutschland31,

– Zuarbeit für den 13. Kinder- und Jugendbericht für dasBMFSFJ.32

Nicht immer gelingt es der Gesundheitsberichterstattung,tatsächlich in gesundheitspolitische Strategien Eingang zufinden. Im Falle des Kinder- und Jugendgesundheitssurveysist dies jedoch gelungen: Die Strategie der Bundesregierungzur Verbesserung der Kindergesundheit33 basiert zu wesent-lichen Teilen auf den mit KiGGS erhobenen Daten und dendurch die Gesundheitsberichterstattung kommuniziertenErgebnissen.

Der Umstand, dass die bislang mehr oder weniger spora-disch durchgeführten Gesundheitssurveys des RKI nun-mehr eine Dauerfinanzierung durch das Bundesministe-rium für Gesundheit erhalten und Bestandteil einesbundesweiten Gesundheitsmonitorings sind, gibt Anlasszu der begründeten Hoffnung, dass die Gesundheitsbericht-erstattung am RKI auch künftig aktuell, zeitnah und poli-tikwirksam durchgeführt werden kann.

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Anmerkungen1 Kaiserliches Gesundheitsamt / Kaiserliches Statistisches Amt 1907.2 Hoffmann / Böhm 1995.3 Statistisches Bundesamt 1998.4 Ziese 2000.5 Robert-Koch-Institut 2005.6 Robert-Koch-Institut 2006.

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Gesundheitsberichterstattung in Deutschland

7 Robert Koch Institute 2008.8 Robert-Koch-Institut 2009.9 Cordes / Eberhardt 2000 und Böhm / Taubmann 2004.10 Kurth 2002.11 Robert-Koch-Institut 2008b.12 Kurth / Ziese 2005.13 Gesundheitswesen-Schwerpunkthefte 1998 und 1999.14 Gesundheitswesen-Schwerpunktheft 2002.15 Kurth et al. 2009.16 Kurth 2007.17 Zusammenfassende Darstellung dazu in Kamtsiuris et al. 2007.18 Ahrens et al. 1998.19 Lange et al. 2007.20 Wenn künftig zur Vereinfachung sowohl im Text als auch in Gra-fiken die Bezeichnungen Unterschicht, Mittelschicht und Ober-schicht verwendet werden, so ist damit genau die oben genannteDefinition gemeint.21 Schenk et al. 2007.22 Lange et al. 2007.23 Kurth / Schaffrath Rosario 2007.24 Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys.25 Lampert / Thamm 2007.26 Lampert / Thamm 2007.27 Hölling / Schlack 2007.28 Robert-Koch-Institut 2008e.29 Robert-Koch-Institut 2008b.30 Robert-Koch-Institut 2008d.31 Robert-Koch-Institut 2008a.32 BMFSFJ 2008.33 Strategie der Bundesregierung zur Förderung der Kindergesund-heit.

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