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  • Diagnostik im Dialog Ausgabe 40 5/201314

    Medizin

    Hepatitis C-Infektionen: Diagnose-Defizit und hohe DunkelzifferProf. Dr. Claus Niederau, Katholische Kliniken Oberhausen, St. Josef-Hospital, Oberhausen

    sentativen Querschnitt der Allgemeinbe-vlkerung zeigen, beziffern die Prvalenz der HCV-Infektion (anti-HCV positiv) auf 1,5 1,7 %. Vermutlich jedoch ist die-ser Wert um 1 Million chronisch Infizier-ter unterschtzt, da Risikogruppen wie Inhaftierte und Obdachlose nicht einge-schlossen waren 9). In Europa leiden etwa 9 Millionen Menschen an einer chroni-schen Hepatitis C 10). Die HCV-Prvalenz (anti-HCV positiv) schwankt von 0,4 % (Schweden, Deutschland, Niederlande) ber 2 3 % (Mittelmeerlnder) bis > 20 % in einigen Regionen Sd-Europas 11, 12).

    Nach Angaben des RKI gehrt Deutsch-land mit 0,4 % zu den Niedrig-Prvalenz-regionen, allerdings werden die eigenen Zahlen kritisch kommentiert 13), da z.B. Risikogruppen wie Drogenabhngige, Inhaftierte und Migranten in bisherigen Studien unterreprsentiert waren. Neuere Untersuchungen lieferten folgende Daten:OIn einem Hamburger Labor wiesen

    12,9 % der unselektierten Blutproben eine erhhte GPT auf, 6,3 % davon waren anti-HCV positiv. In der Kont-rollgruppe mit normaler GPT dagegen lag dieser Anteil bei nur 1,7 % 14).

    OIn den Jahren 2008 2009 wurden an

    der Berliner Charit 13 328 Patienten der Notaufnahme auf eine HCV-Infektion untersucht. 66 % der Patien-ten hatten erhhte Transaminasen und 2,5 % waren anti-HCV-positiv 15).

    ONoch hufiger lie sich eine HCV-Infektion beim Screening von Mig-ranten in 16 Hamburger Praxen und 5 Klinikambulanzen diagnostizieren: die Prvalenz von anti-HCV betrug 5,8 % (Praxen) bzw. 6,3 % (Ambulan-zen) 16).

    OBei i.v. Drogenabhngigen ist die Prva-lenz um ein Vielfaches hher in einer Untersuchung betrug die HCV-Rate in Berlin 53 % und in Essen 80 % 17)!

    Klare ScreeningempfehlungenDie Suche nach einer HCV-Infektion ist mit der Antikrpermessung einfach und verlsslich, so dass dieser Test bei immun-kompetenten Personen in der Praxis aus-reicht. Mit dem Antikrpertest erkennt man etwa 99 % der HCV-Infektionen. Nur bei Immungeschwchten oder in fr-hen Phasen der akuten Infektion findet man eine positive HCV-RNA ohne Anti-krpernachweis. Der Immunoblot hat fr die klinische Praxis keine Bedeutung. Bei allen Patienten mit nachgewiesenem anti-

    Jhrlich infizieren sich weltweit 3 4 Mil-lionen Menschen mit dem Hepatitis C-Virus (HCV). Die Infektion zeigt eine hohe Chronifizierungsrate, sie zhlt daher zu den wichtigsten Leberkrankheiten. Etwa 150 Millionen Menschen tragen HCV-bedingt ein erhhtes Risiko fr eine Leberzirrhose und ein hepato-cellulres Carcinom (HCC) 1 3). In vielen Lndern gibt es hochwertige diagnostische Tests sowie Leitlinien zur HCV-Testung der All-gemeinbevlkerung und zum Screening von Risikogruppen. Doch in der Praxis mangelt es hufig an der konsequenten Umsetzung oder ausreichenden Kennt-nissen der rzte. Daher liegt die Dunkel-ziffer chronischer HCV-Infektionen ext-rem hoch vermutlich sind es um die 80 % ! Diese Zahl alarmiert auch deshalb, weil hochwirksame Medikamente zur Heilung oder Verringerung der Sptfolgen zur Verfgung stehen.

    Grnde fr eine HCV-bertragung waren vor 1992 berwiegend kontami-nierte Injektionen, medizinische Eingriffe und Blutprodukte. Seit der Identifikation des HCV 1989 und der Verfgbarkeit eines Antikrpertests ab 1992 redu-zierte sich die iatrogene Ausbreitung in den Industrielndern drastisch. Heute geschehen die meisten Neuinfektionen im Rahmen des i.v. Drogenkonsums. Die Neuerkrankungsrate geht zurck, die Folgeerkrankungen der schon infizierten Personen werden dagegen in den nchs-ten Jahren zunehmen. Bei etwa 20 % der chronisch HCV-Infizierten bildet sich eine Leberzirrhose, die ihrerseits ein HCC-Risikofaktor ist. Schon heute geht ein groer Teil der Zirrhosen, HCC und Lebertransplantationen auf das Konto der Hepatitis C. Allein in den USA werden in den nchsten 40 50 Jahren fast 2 Millio-nen HCV-Patienten eine Zirrhose entwi-ckeln 4), etwa 400 000 ein HCC 4 7). Und etwa 1 Million Personen werden an HCV-assoziierten Komplikationen sterben 7 8).

    Unterschtzte PrvalenzDie Daten aus dem US-amerikanischen National Health and Nutrition Examina-tion Survey (NHANES), die einen repr-

    corb

    is

  • Diagnostik im Dialog Ausgabe 40 5/2013 15

    lyse im hausrztlichen Bereich zeigte, dass etwa 60 % der Hausrzte maximal fnf Anti-HCV-Tests pro Jahr, mehr als 30 % berhaupt keinen Test durchge- fhrt haben 25). Erhhte Leberwerte ge-hren jedoch abgeklrt, da sie nicht automatisch durch Alkoholkonsum oder Leberverfettung entstehen 20).

    Die Bereitschaft von Hausrzten zur Anforderung eines Antikrpertests kor-reliert mit der Hhe der GPT: Sie ist am grten bei GPT-Konzentrationen ber dem Dreifachen des oberen Normwertes. Dieses Vorgehen entspricht jedoch nicht der medizinischen Realitt. In einer pro-spektiven Untersuchung von 192 Haus-arztpraxen lag die tatschliche Zahl der positiven HCV-Tests in der Gruppe mit sehr hohen Leberwerten relativ nied-rig 24). Demgegenber knnen chronische Lebererkrankungen mit normalen Tran-saminasen einhergehen und trotzdem in eine Zirrhose mnden. Auch die Symp-tomatik bei HCV-Infektion ist nicht ein-deutig; das ergab eine Fragebogenanalyse bei in Deutschland lebenden Patienten 26): Etwa 30 % aller Personen mit chronischer Hepatitis C waren asymptomatisch, ca. 60 % gaben nur unspezifische Beschwer-den wie Mdigkeit, Konzentrations-schwche und Oberbauchbeschwerden an. Bei Risikopersonen sollte daher auch der Hausarzt unabhngig vom GPT- und Beschwerdestatus eine HCV-Antikrper-testung veranlassen.

    Mangelhafte Umsetzung und Kenntnisse im Kontext der HCV-Diagnostik resultie-

    ren in einem unzureichenden Screening. Dies erklrt, warum so wenige HCV-Infizierte von ihrer Infektion wissen. Im Jahr 2011 hat das RKI 127 infektise Er- reger hinsichtlich der Bedeutung fr die nationale Surveillance publiziert: HCV erhielt den Rang 5 und gehrt damit in die Gruppe mit der hchsten Prioritt 27). Dieser enormen medizini-schen und konomischen Bedeutung der Hepatitis C muss in der tglichen Praxis mehr Rechnung getragen werden. Innerhalb Europas haben bisher nur Frankreich und Schottland ein nationales Programm, um das Hepatitis-Screening in Risikogruppen zu verbessern 10).

    Screening Birth-CohortDas Center for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA hat im Jahre 2012 die Screening-Empfehlung auf die sogenannte Birth-Cohort ausgeweitet 28). Es handelt sich um die Geburtsjahrgnge 1945 bis 1965, bei denen aufgrund der vielfltigen iatro-genen Infektionsquellen vor 1990 die Prvalenz der chronischen Hepatitis C bei > 3 % und damit im Vergleich zu anderen Jahrgangsstufen 5-fach hher liegt. Wie bei den anderen Risikogrup-pen soll innerhalb der Birth-Cohort jede Person einmal auf HCV getestet werden. Das Screening ist auch kono-misch sinnvoll: die Kosten liegen bei 15.000 39.000 US-$ pro gewonnenem Lebensjahr und damit in der Gren-ordnung anderer Vorsorgemanahmen wie der prventiven Koloskopie und der Mammographie 29, 30).

    In Deutschland fehlen zwar verlssli-che Zahlen zur HCV-Prvalenz in einer Birth-Cohort, vermutlich aber sehen die Daten zur Hufigkeitsverteilung in unterschiedlichen Altersgruppen hnlich aus, zumal in anderen europischen Ln-dern eine entsprechende Birth-Cohort nachgewiesen wurde 31, 32). Da in Deutsch-land die HCV-Prvalenz insgesamt wahr-scheinlich niedriger liegt als in den USA, sind weitere Studien erforderlich und die amerikanischen Richtlinien nicht ein-fach bertragbar. Zumindest aber sollten in Deutschland die jetzigen Empfehlun-gen zum Screening von Risikogruppen umgesetzt werden (Tab.), um die hohe Dunkelziffer unerkannter Infektionen zu senken. Das ist sehr oft nicht der Fall:

    HCV sollte ein entsprechender RNA-Test durchgefhrt werden. Dadurch lsst sich eine replikative Infektion von einer ausge-heilten Infektion bzw. einem unspezifisch positiven Antikrperbefund abgrenzen.

    Verschiedene Leitlinien 18, 19) und auch das Robert-Koch Institut (RKI) 20) geben bezglich der Testung auf HCV-Infektion folgende Empfehlungen ab:OIn der Allgemeinbevlkerung sollten

    (auch nur geringfgig) erhhte Tran-saminasen (GPT) Anlass zur spezifi-schen Antikrper-Diagnostik sein.

    OFr Risikogruppen ist ein HCV-Scree-ning auch bei normalen Leberwerten obligat.

    Zu den typischen HCV-Risikogruppen gehrenOPatienten, die vor 1992 Blutprodukte

    erhalten habenODialyse-, Hmophilie- und transplan-

    tierten PatientenOi.v. DrogenkonsumentenOPersonen aus Lndern mit endemi-

    scher Hufung der Hepatitis

    Mangelnde UmsetzungDie Screening-Empfehlungen der aktu-ellen deutschen S3-Leitlinie (Tab.) wer-den derzeit nur unzureichend umge-setzt. Besonders Migranten aus Lndern mit hoher Hepatitis-Prvalenz sind in Deutschland eine wichtige Zielgruppe fr systematisches Screening auch ohne Symptome und mit normalen Leberwerten 13, 19). In zwei epidemio-logischen Studien z.B. stammten nur etwa 2/3 der in Deutschland lebenden Hepatitis C-Patien ten gebrtig aus Deutschland 21, 22). Das Screening dieses Risikokollektivs hat sich als kosteneffek-tiv erwiesen 23). Bei i.v. Drogenabhngi-gen ist die Evidenz fr ein HCV-Scree-ning aufgrund der sehr hohen Prvalenz noch klarer.

    Die konsequente Umsetzung von Emp-fehlungen scheitert auch an mangelnden Kenntnissen z.B. auf Seiten von rzten. In der Praxis des Hausarztes sind erhhte Leberwerte an der Tagesordnung. In einer bundesweiten Studie lagen dort 13,5 % aller GPT-Werte ber dem Norm-wert 24). Lange Zeit galten leicht erhhte Transaminasen aber als Kavaliersde-likt, ohne Konsequenzen. Eine Ana-

    Eine HCV-Diagnostik mit Bestimmung von anti-HCV sollte erfolgen bei:- Personen mit erhhten Transaminasen und / oder

    klinischen Zeichen einer Hepatitis bzw. chronischen Lebererkrankung unklarer Genese

    -