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Herrenhaus VogelsangDie Geschichte eines unerwarteten Neuanfangs
Zeit der Neuen Romantik 03
Von verborgenen Schätzen 04–05
Vom Herrenhaus zur Gutsanlage 06–07
Mit der Fokker durch die 20er 08–09
Besatzungsmacht und Volkswirtschaft 10–11
Rund ums Gartenreich 12–14
Das Leben nimmt seinen Lauf… 15
Für unser „Schlösschen“ 16–19
Hufgetrappel vorm Marstall 20–21
Nicht gesucht und doch gefunden… 22–23
Neue Inhalte 24–25
Ein Großes Dankeschön! 26–27
Layout: Stephanie Piorunneck/Sphinx ETErstauflage: Hansestadt Rostock 2013 | 50 Stück
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Zeit der Neuen Romantik
Wenn die Schönheit der Pfer-
de sich in Zeiten der Neuen
Romantik vor der Kulisse
einer neogotischen Fassade
mit Türmen, Zinnen und
Freitreppen widerspiegelt,
kann sich kein Reisender
entziehen. Egal wie viel es
der Zuwendung nach einem
viertel Jahrhundert Leerstand
noch bedürfe.
Hier inmitten mecklenburgi-
scher Wurzeln soll nun dieses
Seelenreich Kraft, Träume
und Perspektiven auffangen
und durch seine Säle, Gemäu-
er und Parkwege bis hinab
zum Gartenreich tragen. Ein
schöner Ort zum Ankommen,
Verweilen und Verwurzeln.
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Dr. Robert Uhde
Von verborgenen Schätzen
Vogelsang liegt in einer
leicht hügeligen Landschaft
mit überwiegend landwirt-
schaftlich genutzten Flächen.
Die Grenze des Naturparks
Mecklenburgische Schweiz
und Kummerower See
verläuft am Ort entlang. Als
Fürst von Werle 1379 den
Brüdern Wozenitz Vogelsang
als Eigentum übergibt, wird
der Ort erstmals schriftlich
erwähnt. Das Dorf wurde
allerdings erst 1734 durch die
Familie von Plessen angelegt.
Das Lehngut wurde bis 1838
von der Familie von Plessen
bewirtschaftet.
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Herrenhaus Vogelsang um 1871
Der Industrielle Hans Carl Peter Manecke kaufte Vogelsang Ende Dezember 1836 von
Leopold Hartwig Engelke von Plessen, der im Jahr darauf starb. Bei dem Veräußerer
handelte es sich nicht einfach um eines der vielen Mitglieder dieses Adelsgeschlechts,
sondern um den langjährigen Staatsminister und vielleicht bedeutendsten Regierungs-
chef des (Groß-)Herzogtums Mecklenburg-Schwerin.
Manecke war bis dahin auf Neuhof bei Grevesmühlen ansässig. Als Besitzer eines Rit-
tergutes war er landtagsfähig und besuchte den ständischen Landtag erstmals 1834 oder
1835. Er gehörte zur ritterschaftlichen Opposition der bürgerlichen Gutsbesitzer, die das
unzeitgemäße ständische System nach liberalen Grundsätzen zu reformieren suchten.
Nicht auf den Grundmauern der alten Gutsanlage zu bauen, sondern innerhalb eines neu
angelegten Englischen Landschaftsparks, der neuen weltoffenen Mode folgend, ein Neo-
gotische Präsentationsgebäude als Sommerhaus zu erbauen im Zeitenstyle des Tudors als
Pendant der Romantik war eine politische Botschaft.
Es kam zum Verkauf von Vogelsang 1856 an A. L. C. Rudloff auf Frauenmark, dann zum
Übergang an die Familie Rudloff und ab 1884 an den Sohn Julius Hüniken des reichen
Hamburger Reeders Hünicken, der vier Söhne mit Gütern versorgte. Neben zwei Stand-
orten in Schleswig-Holstein, breitete die Familie auch ihre Wurzeln in Kaarz aus, wo sich
das Familienmausoleum befindet.
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Vom Herrenhaus zur Gutsanlage
Vor der Übernahme durch Hü-
nickens erwirkte Von Rudloff
die Änderung Vogelsangs in
ein Allodialgut (abgabenfreies
Gut). Am Mittelrisalit findet
man das Wappen der Fami-
lie Hüniken sowie die Daten
„1884 erworben und 1893
erneuert“. Bis zur Vertreibung
nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges blieb das Gut im
Besitz der Familie Hüniken,
die das Haus in ein Gutshaus
„umbaute“ – mit äusserlichen
wie innerlichen Änderungen.
Der Ballsaal verschwand zu-
gunsten vieler Zimmer,
Decken wurden abgehängt
und Räucherböden geschaffen.
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Haus nach dem Umbau der Familie Hünicke
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Oben links: Inspektorjagd Unten: Weihnachtsfoto der Famile Hühnicke im Jahre 1935
Oben rechts: Wappen der Familie Hühnicke
Mit der Fokker durch die 20er
Zusätzlich zu dem Herren-
haus baute Julius Hünicken
eine prosperierende Gutsanla-
ge mit Marstall, Wassserturm,
diversen Scheunen, einem
Inspektorenhaus und vielen
Nebengebäuden. Es ent-
stand auch neben dem Park
ein Gutsgarten mit Imkerei,
Schafszucht, Gewächshäusern
und natürlich dem Gemü-
segarten. Auf dem rechten
oberen Bild ist die Villa Vogel-
sang für den ausquartierten
Senior Hünicke zu sehen.
Luftbildaufnahmen von einer
Fokker aus dem Jahre 1924
vermitteln hierzu einen ge-
schlossenen Eindruck.
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Luftaufnahme von 1924
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Luftaufnahmen von 1924
Besatzungsmacht und Volkswirtschaft
Die Familie Hünicke blieb bis
zur Vertreibung 1945 in Vogel-
sang. Die Rote Armee richtete
nach dem zweiten Weltkrieg
hier ein Versorgungsgut ein.
Unter anderem befand sich
im Keller ein Karzer für
deutsche und russische Ge-
fangene. Nachfolgend wurde
ein Volkseigenes Gut mit
Lehrlingsausbildung gegrün-
det. Erntedankfeste bildeten
immer wieder einen Anlass
für Gruppenfotos auf der
Freitreppe vor dem Herren-
haus.
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Festagsgesellschaft
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„Wie der Herr, so‘s Gescherr“
Rund ums Gartenreich
Das Gartenreich mit dem
umfangreichen Nebengelass
war neben der Viehzucht ein
wichtiger Produktionsbereich.
Im angrenzenden Apfelteich
wurden den Arbeitspferden
nach vollbrachtem Tageswerk
nicht nur Hufe und Fell ge-
waschen, sondern im Winter
auch das Eis gestochen, dass
dann im Eiskeller, versteckt
in der Parkanlage, gehütet in
einer verschlossenen 4 Meter
hohen Backsteinkuppel unter
Erdreich, vor seiner Nutzung
in der Gutsküche gelagert
wurde. Das Wildbrett konnte
an der Decke dieses Raumes
hängend in erfreulichem Zu-
stand gehalten werden.
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Oben/links: Gewächs haus
Rechts: Bienenhaus
Unten: Vogelsänger in der Neuen Zeit
Oben: Wasserturm mit angrenzendem Pferdestall und Kutschen
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Oben: Apfelhaus; hier wurde Obst getrocknet
Unten: Schlosserei mit alten Traktoren im Vorder- grund
Das leben nimmt seinen Lauf…
Und während das VEG für
DDR-Verhältnisse wirtschaft-
lich sehr erfolgreich zu ar-
beiten vermag, wird das alte
Herrenhaus als Gutsküche
für die Versorgung der vielen
Mitarbeiter genutzt, wohnen
der Direktor des Gutes, aber
auch andere Vogelsänger in
den diversen kleineren Woh-
nungen des Hauses und wird
neben der Gutsverwaltung
auch die Medizinische Betreu-
ung hier organisiert.
Das Herrenhaus Ende der 70er mit Besucher und Getier
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Für unser „Schlösschen“
Der Zahn der Zeit nagt am
Hause und das Dorf kämpft
engagiert für sein „Schloss“,
bis es einen Platz auf der
DDR-Denkmalliste erhält.
Bereits 1985 ziehen die ersten
Bauarbeiterbrigaden in Vogel-
sang ein… Sukzessive wird
das Haus leer gezogen und
liebevoll umfangreich von
dem Bauleiter Jahnke und
seinem Team saniert.
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Türmchen an der Vorderseite des Hauses; ein guter Größenvergleich
Eingerüstete Vorderseite des Herrenhauses
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Restaurator bei Decken-sicherungsarbeiten
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Alter Kamin mit angren-zender Sitzbank
Hufgetrappel vorm Marstall
Mit der Wende kam der
Leerstand. Während im Dorf
mit den alten Produktions-
flächen weiter gearbeitet
wurde, blieben Haus und
Park verwaist. Die Treuhand
übernahm, hatte Kaufpreller
und Glücksritter und sicher-
lich vielerlei anderen Begeg-
nungen. Das Haus ging Ende
der 90er Jahre in Schweizer
Privatbesitz. Lediglich Herr
Becker und sein unermüdli-
ches Pferdeteam rund um die
Reitsport-AG waren aktive
Nutzer, während das Haus
zunehmend verfiel.
Hottehüh mit Schlitten vor dem Herrenhaus
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Oben: Braunes Pferd mit einer alten Kutsche im Hintergrund
Unten: Braunes Pferd vor dem Rondell
Mitte: Schimmel vor dem Rondell
Rechts: Braunes neugieriges Pferd mit Wasserturm im Hintergrund
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Nicht gesucht und doch gefunden…
Zum Jahresende 2010 kam
es zum Besitzübergang von
Haus, Hof, Park und Kop-
pelland von zwei Schweizer
Immobilienbrüdern, die leider
ein brüchiges Erbe von Dach-
schäden, Schwammbefall,
Verwahrlosung und Diebstahl
zu verantworten hatten. Der
Schaden war nur dank des
aufmerksamen Schutzes durch
Gehard Stromske und seine
Mannen geringer gehalten.
Die Uhr stand Fünf nach
Zwölf. Vom Dach bis zum Mu-
siksalon klafften offen Him-
melslöcher. Und angetreten
wurde das Erbe von Zweien
auf der Achse zwischen Berlin
und Rostock. Einer blieb.
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Das Herrenhaus nach dem ersten mühevollem Schnitt des Rondells durch den Chefgärtner
Oben: Luftaufnahme Vom Haus im jahre 2011
Unten: Das Herrenhaus von der verwilderten Parkseite aus betrachtet
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Neue Inhalte
Wo anfangen, wo Schwer-
punkte setzen, wo Partner
finden? Mit Erarbeitung einer
denkmalgerechten Zielset-
zung von Haus und Hof und
ersten Notarbeiten am Dach
begann die Reise. 2011/2012
konnte mit dem Denkmal-
pflegeamt des Landes und
des Amtes für Landwirtschaft
eine erste Notsanierung orga-
nisiert werden. 2013 wurden
die wunderschönen Freitrep-
pen wiederbelebt. Die ersten
500.000 Euro waren verbaut.
Eine gut angelegte Investition
aller Beteiligten in dieses un-
ser Kulturerbe und wohl auch
die Zukunft neuer Mecken-
burgischer Generationen.
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Das Erste Barocke Tafelmahl im Jahre 2011
Oben links: Das Haus mit wiederhergestell- ter Treppe
Oben rechts: Zwei Pferdevernarrte in Vogelsang
Unten: Anna Raschke mit Ihrem Lusitano
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Goldene Hochzeit 2013: Dr. Wolf Peter Uhde und Irmtraud Uhde
Dankeschön!
Und wie versprochen, konnte
im Sommer 2013 die erste gro-
ße Feier durch Belétage, His-
torische Räume und den Park
ziehen. Die Goldene Hochzeit
der Eltern. Und ihnen allen
voran meinen größten Dank
für ihre Liebe zu diesem
Flecken Erde… ob als Gärtner
oder Chefin der Remise, ihre
Kraft und ihren bedingungs-
losen, wenn auch bisweilen
etwas treibenden Einsatz in
der Zeiten der Prüfung…
Mein Dank an alle Helfer und
Unterstützer, Bauschaffen-
den oder Parkbelebenden, an
die Vogelsänger, voran dem
Stromske-Clan und meiner
Tochter… für ihre Arbeit und
ihren Glauben an diesen wun-
derschönen Ort, in dem die
Uhr rückwärts tickt.
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Der Neue Hüter: Dr. Robert Uhde