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Übungs- und Aufgabentexte Text / Aufgabe 1: Bestimmen Sie das Alter der markierten Wörter 1

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Übungs- und AufgabentexteText / Aufgabe 1: Bestimmen Sie das Alter der markierten Wörter

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Text / Aufgabe 2: Vergleichen Sie die Texte mit Blick auf die Durchführung der 2. Lautverschiebung

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St. Gallen, 8. Jh. (E)

Freising, 9. Jh. (A) Weißenburg, 9. Jh. (A) Fulda, 9. Jh. (M)

Fater unseer, thû pist in himile

fater unser tu pist in himilum.

Fater unsêr, thu in himilom bist

fater unser thu thar bist in himile

uuîhi namun dînan

kauuihit si namo sin giuuîhit sî namo thîn si giheilagot thin namo

qheme rîhhi dîn piquheme rihhi din quaeme rîchi thîn queme thín rihhiuuerde uuillo diin uuesa din uuillo uuerdhe uuilleo thîn si thín uuillosô in himile sôsa in erdu

sama so in himile est, sama in erdu

sama sô in himile endi in erthu

só hér in himile ist só si her in erdu

prooth unseer emeihic kip uns hiutu

Pilipi unsra emiiga kip uns eogauuanna

Broot unsera emeîga gib uns hiutu

unsar brót tagalihha gíb uns hiutu

oblâ uns sculdi unseero

enti fla uns unsro sculdi

enti vlâ uns unsero sculdi

Inti furla uns unsara sculdi

sô uuir oblâêm uns sculdikêm

sama so uuir flaames unsrem scolom

sama sô uuir flâemês unserêm scolom

só uúir fúrlaemes unsaren sculdigon

enti ni unsih firleiti in khorunka

enti niprinc unsih in chorunka

enti ni verleiti unsih in die chorunga

Inti nigileitest unsih in costunga

ûer lôsi unsih fona ubile

uttan kaneri unsih fona allem sunton

ûan ærlôsi unsih fona allêm suntôm

úouh árlosi unsih fón ubile

Text/Aufgabe 3: Welcher Text ist althochdeutsch? Welcher mittelhochdeutsch? Warum?

1 ih sentu zi in uuîzzagon inti boton Inti spahe inti scrîbera fon then slahet ir Inti hahet Inti fon then fillet ir in iuuueren samanungon.

ich sende iu wîssagen unt wîse unt scrîbare, unt ir erslahen si unt crûcigont si unt villent si in iweren synagogon

2 Inti âhtet fon burgi zi burgi. thaz queme ubar iuuuih iogiuuelih bluot rehtaz thaz ergozzan uuard ubar erda

unt ir âhtet ir ûz einer stat in die andere, daz chome uber iwich daz blůt, daz da vergozen ist ûf die erde

3 fon bluote thes rehten abel io unzan bluot zachariases thes barachiases sunes then ir sluogut untar themo temple inti themo altere.

von dem blůte abel des rechten untze ze dem blůte zacharie sun barachie, den ir erslůget inzwischen dem tempel unt dem altare

4 uuâr quidih iu quement thisiu alliu obar diz cunni.

Gewârliche sage ih ez iu: alliu disiu chomen ûf diz geslahte

5 hierusalem hierusalem thudar slehis uuîzzagon inti steinôs thie thide gisentite sint zi dir.

Hierusalem ierusalem, du irslehest die wissagen unt steinest die ze dir sint gesant.

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6 uuvo ofto ih uuolta gisamanon thînu kind zi themo mezze the samanot henin ira huoniclin untar ira federacha.

Ofte wolte ich saminen dîne sun allse div henne saminet ir hůnlîn under ir vetiche

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Text/Aufgabe 4: Bestimmen Sie Flexionsform und Klasse der unterstrichenen Verben

Darnach sach der heilige maneinen schoenen walt vor im stân,der stuont ûf eime vische.an eime wazzer rischedaz in daz wilde mer ran,da hâte der visch în getânund gewesen zwârewol vier tûsent jâre.do sie quâmen an die habe,do giengen sie alle abein des waldes ouwen.sie wolden holz houwen.

ir kleider sie ûfhiengen,wîte sie umme giengen.einen durren boum sie vunden:do sie den houwen begunden,do gienc daz wilde lantsin wec hin alzuhant,daz der vil heilige manden kiel kûme wider gewan.Do der visch sus versancunde der walt al vertranc,daz sie den kiel gewunnen dô,

des gotes lop sie sungen hô.daz sus der walt gienc underdaz was daz ander wunderdaz sie ûf dem mere sâhen.sie begonden dannen jagen.sie hetten leit und ungemach.der heilige man dô aber sprach“diz mac ein visch vil wol sîn,der ziuhet dissen walt în.

Text 5: Das „Preislied“ Walthers von der Vogelweide

1. Ir sult sprechen willekomen:der iu mære bringet, daz bin ich.allez, daz ir habt vernomen,daz ist gar ein wint: ir frâget mich.ich wil aber miete:wirt mîn lôn iht guot,ich gesage iu lîhte, daz iu sanfte tuot.seht, waz man mir êren biete.

2. Ich wil tiuschen frouwen sagensolhiu mære, daz si deste bazal der werlte suln behagen:âne grôze miete tuon ich daz.waz wold ich ze lône?si sint mir ze hêr:

sô bin ich gefüege und bite si nihtes mêr,wan daz si mich grüezen schône.

3. Ich hân lande vil gesehenunde nam der besten gerne war:übel müeze mir geschehen,kunde ich ie mîn herze bringen dar,daz im wol gevallenwolde fremeder site.nû waz hulfe mich, ob ich unrehte strite?tiuschiu zuht gât vor in allen.

4. Von der Elbe unz an den Rînund her wider unz an Ungerlantmugen wol die besten sîn,

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die ich in der werlte hân erkant.kan ich rehte schouwenguot gelâz unt lîp,sem mir got, sô swüere ich wol, daz hie diu wîpbezzer sint danne ander frouwen.

5. Tiusche man sint wol gezogen,rehte als engel sint diu wîp getân.swer si schildet, derst betrogen:ich enkan sîn anders niht verstân.tugent und reine minne,swer die suochen wil,

der sol komen in unser lant: da ist wünne vil:lange müeze ich leben dar inne!

6. Der ich vil gedienet hânund iemer mêre gerne dienen wil,diust von mir vil unerlân:iedoch sô tuot si leides mir sô vil.si kan mir versêrenherze und den muot.nû vergebez ir got, dazs an mir missetuot.her nâch mac si sichs bekêren.

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Text 6: Der Wald auf dem Fisch: Aus Brandans Meerfahrt

Bestimmen Sie die Flexionsformen und Klassen der unterstrichenen Verben

Darnach sach der heilige maneinen schoenen walt vor im stân,der stuont ûf eime vische.an eime wazzer rischedaz in daz wilde mer ran,da hâte der visch în getânund gewesen zwârewol vier tûsent jâre.do sie quâmen an die habe,do gienge sie alle abein des waldes ouwen.sie wolden holz houwen.

ir kleider sie ûfhiengen,wîte sie umme giengen.einen durren boum sie vunden:do sie den houwen begunden,do gienc daz wilde lantsin wec hin alzuhant,daz der vil heilige manden kiel kûme wider gewan.Do der visch sus versancunde der walt al vertranc,daz sie den kiel gewunnen dô,

des gotes lop sie sungen hô.daz sus der walt gienc underdaz was daz ander wunderdaz sie ûf dem mere sâhen.sie begonden dannen jagen.sie hetten leit und ungemach.der heilige man dô aber sprach“diz mac ein visch vil wol sîn,der zi uhet dissen walt în.”

Text 7: Aus einer Predigt Bertholds von RegensburgNû lât ez iuch erbarmen, daz sich got über iuch erbarme, daz sô manic mensche von unglouben verdampt wirt. Unde der mâne [Mond] bezeichent ungelouben dâ von, daz der unglouben sô maniger leie ist. Die heiden haben sô vil unde sô maniger leie unglouben, daz des nieman an ein ende komen mac. Unde die jüden gloubent in éinem hûse, daz sie in einem andern niht engloubent; und er gloubet sô kranc [abwegige] dinc von gote, daz erz sînen kinden ungerne seite. Wan sie sint ze ketzern worden unde brechent ir ê [Gesetz] an allen dingen. Ez sint ir zwelfe zuo gevarn unde habent ein buoch gemachet, daz heizet dalmut [Talmud]. Daz ist allez sament ketzerîe, unde dâ stêt sô verfluochtiu ketzerîe an, daz daz übel ist daz sie lebent. Ez seit unde seit sô boesiu dinc, diu ich ungerne reden wolte. Frâget mir einen jüden, wâ got sî unde waz er tuo, sô sprichet er: er sitzet ûf dem himel unde gênt im diu bein her abe ûf die erden.' Owê, lieber got, sô müestest dû zwô lange hosen hân nâch der rede.Unde dâ von bezeichent der mâne den unglouben, wan der mâne sô gar unstæte ist in sô maniger lûne [Mondphase]. Er ist hiute junc und elter morgen; hiute nimet er abe, morgen nimet er zuo; nû kleine, nû grôz; nû

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gêt er hôhe an dem himel, morgen gêt er nider; nû hin, nû her, nû sus, nû sô. Daz selbe sint ungloubige liute, sô heiden, sô jüden, sô ketzer. Die habent ouch den aller meisten unglouben, der ie gehôrt wart. Sie habent wol anderthalp hundert ketzerîe, der eine niht gloubent alse die andern [von denen die einen daselbe glauben wie die anderen]. Swenne ir einer hât funden ein iteniuwe [völlig neue] ketzerîe, unde swelhe der selbe ie nâch im hât brâht in die selben ketzerîe, diu ketzerîe heizet danne alse jener, der sie von êrste dâ vant. Ein heizent Pôverlewe und ein Arriânî unde Rünkeler unde Manachêî unde Sporer unde Sîfrider und Arnolder. Und alsô habent sie sô maniger leie namen, daz ez nieman vollenden mac. Aber swie maniger leie namen sie haben, sô heizent sie überal ketzer. Unde daz tet unser herre âne sache niht, daz er sie ketzer hiez. Nû war umbe hiez er sie niht hünder oder miuser oder vogeler oder swîner oder geizer? Er hiez in einen ketzer. Daz tet er dar umbe, daz er sich gar wol heimelîchen gemachen kan, swâ man in niht wol erkennet, als ouch diu katze: diu kan sich gar wol ouch zuolieben unde heimlîchen, und ist dehein sô getân kunder [Kreatur], daz heimelich ist, daz sô schiere grôzen schaden habe getân, und aber aller meiste und aller schierste in dem sumere.Sô hüete sich alliu diu werlt vor den katzen. Sô gêt sie hin unde lecket eine kroten swâ sie die vindet under einem zûne oder swâ sie sie vindet, unz daz diu krote bluotet: sô wirt diu katze von dem eiter indurstic [sehr durstig], unde swâ sie danne zuo dem wazzer kumt daz die liute ezzen oder trinken suln, daz trinket sie unde unreinet die liute alsô, daz etelîchem menschen dâ von widervert, daz ez ein halbez jâr siechet oder ein ganzez oder unze an sînen tôt oder den tôt dâ von gâhens [sofort, ganz plötzlich] nimt. Etewenne [manchmal] trinket sie sô vaste, daz ir ein zaher ûz den ougen vellet in daz wazzer, oder daz sie drîn niuset. Swer daz iht niuzet gezzen oder getrunken, der muoz den grimmigen tôt dâ von kiesen [eigentlich wählen; hier: erleiden]. Oder sie niuset an eine schüzzele oder an ein ander vaz, dâ man ûz ezzen oder trinken sol, daz ein mensche grôzen (403) schaden unde siechtuom dâ von gewinnet oder zwei oder vier, oder swie vil menschen in einem hûse sint.Unde dâ von, ir hêrschaft, trîbet sie von iu, wan [denn] ir âtem ist halt gar ungesunt und ungewerlich [nicht zu ertragen], der ir halt ûzer dem halse gêt. Heizet sie ûz der küchen trîben oder swâ ir sît, wan sie sint tôtunreine. Unde dâ von sô heizet der ketzer ein ketzer, daz er deheinem kunder sô wol glîchet mit sîner wîse sam der katzen. Sô gêt er alse geistlîchen zuo den liuten unde redet alse süeze rede des êrsten [zuerst] unde kan sich alse wol zuo getuon, rehte alse diu katze tuot, unde hât den menschen dar nâch sô schiere verunreinet an dem lîbe. Alsô tuot der ketzer: er seit dir vor alle süeze rede von gote unde von den engeln, daz dû des tûsent eide wol swüerest, er wære ein engel. Sô ist er der sihtige [offensichtliche] tiuvel. Und er giht des, er welle dich einen engel lâzen sehen unde welle dich lêren, daz dû got lîplîchen sehest, unde seit dir des sô vil vor, daz er dich schiere von dem kristenglouben hât gescheiden

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unde daz dîn niemer rât wirt. Unde dâ von heizet er ein ketzer, daz sîn heimelicheit als schedelich ist als einer katzen, und alse vil schedelîcher. Diu katze verunreinet dir den lîp: sô verunreinet iu der ketzer sêle unde lîp, der deweders niemer mêr rât wirt. Und er ist halt als schedelich: unde hæte ich eine swester in einem ganzen lande, dâ ein ketzer inne wære, der hæte ich angest niwan vor dem einigen ketzer [um die hätte ich Angst, und das nur wegen des einen Ketzers]: der ist halt sô schedelich. Und alsô hüete sich alliu diu werlt vor im. Ob got wil, ich hân kristenglouben alse vesteclîche als von rehte ein ieglich kristenmensche habe sol: und ê daz ich niwan vierzehen tage in einem hûse wolte sîn mit wizzenne, dâ ein ketzer inne wære, ich wolte ê in einem hûse sîn, dâ fünf hundert tiuvel inne wæren, ein ganzez jâr.Wie, ketzer, bist dû iendert hie? Nû enwelle der almehtige got, daz deheiner vor mir sî! Sie gênt ouch niht ze frumen steten, wan dâ sint die liute verstendic und hoerent an dem êrsten wol daz er ein ketzer wære: sie gênt zuo den wîlern unde zuo den dorfen gerne unde halt zuo den kinden, die der gense hüetent an dem velde. Und etewenne giengen sie gar in geistlîchem gewande und swuoren niht durch dehein dinc; unde dâ bî wart man sie erkennen. Nû wandelent sie ir leben und ir ketzerîe rehte als der mâne, der sich dâ wandelet in sô manige wîse. Alsô tragent nû die ketzer swert unde mezzer, langez hâr, langez gewant, unde swerent die eide nû. Sie hæten etewenne den tôt ê geliten, wan sie sprâchen, got der hæte in eide verboten. Und ir meister habent sie in nû erloubet daz sie eide swern.Sê, unsæliger ketzer, hât dir ez got verboten, wie mac dirz danne dîn meister iemer erlouben? welch der tiuvel gap im den gewalt einem schuochsiuter [Schuster] oder einem weber oder einem spörer, der dîn meister ist? wie mohte dir der erlouben daz dir got verboten hât? Dâ sol er ie zwelf kristen ze ketzern machen: dâ mite sol er den eit haben gebüezet. Pfî, unsæliger ketzer! ob man dich danne ê ûf einer hürde verbrennete, ê danne dû einigen ketzer gemachest!Nû seht, wie verdampt ir gloube und ir leben ist! Sô sprechent etelîche ketzer unde gloubent sîn, daz der tiuvel den menschen geschüefe; sô geschüefe unser herre die sêle drîn. Pfî, verfluochter ketzer! wanne würden sie ie sô gemeines muotes oder wanne vereinten sie sich mit einander? Nû seht, ir sæligen gotes kinder, daz iu der almehtige got sêle unde lîp beschaffen hât. Unde daz hât er iu under diu ougen geschriben, an daz antlütze, daz ir nâch im gebildet sît. Dâ hât er uns rehte mit geflôrierten buochstaben an daz antlitze geschriben. Mit grôzem flîze sint sie gezieret unde geflôrieret. Daz verstêt ir gelêrten liute wol, aber die ungelêrten mügent sîn niht verstên. Diu zwei ougen daz sint zwei O. Ein H daz ist niht ein rehter buochstabe, ez hilfet niuwan den andern[es unterstützt nur die anderen (Buchstaben)]: als HOMO mit dem H daz sprichet [bedeutet] mensche. Sô sint diu zwei ougen unde die brâwen dar obe gewelbet unde diu nase dâ zwischen abe her: daz ist ein M. Sô ist daz

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ôre ein D, schône gezirkelt unde geflôrieret. Sô sint diu naselöcher unde daz undertât [das darunter, also wohl die Oberlippe] schône geschaffen reht alse ein krichsch E, schône gezirkelt unde geflôrieret. Sô ist der munt ein I, schône gezieret und geflôrieret.Nû seht, ir reinen kristenliute, wie tugentlîche er iuch mit disen sehs buochstaben gezieret hât, daz ir sîn eigen sît unde daz er iuch geschaffen hât! Nû sult ir mir lesen ein O und ein M und aber ein O zesamen: sô sprichet ez HOMO. Sô leset mir ouch ein D und ein E und ein I zesamen: so sprichet ez DEI. HOMO DEI, gotes mensche, gotes mensche!Ketzer, dû liugest! Nû sich, wie ketzerlîche dû gelogen hâst! Ez wart halt nie sô getânes [etwas so Beschaffenes] niht, daz der tiuvel ie geschuof, wan sünde unde schande: die geschuof er des êrsten an im selben unde dar nâch iemer mêr, swâ er daz mohte gerâten, daz tet er. Der almehtige got geschuof alliu dinc unde geschuof diu ze nutze unde ze guote. In principio creavit deus celum et terram etc. Allez daz sich rüeret ûf ertrîche, ez sî sihtic oder unsihtic, daz hât got geschaffen. Et omnia per isum facta sunt, et sine ipso factim est nihil. Ez wart eht nie niht ân in geschaffen. Nû sich, dû ketzer, wie dû liugest! Sît [wenn, weil] dû gihst [sagst, behauptest] daz dich der tiuvel geschaffen habe, sô var ouch zuo dem tiuvel. Dû hâst aber dînen herren, den tiuvel, tiuvelîchen an gelogen: des sol er dir vil wol gelônen, im zerrinne danne alles des fiwers daz er iendert hât [wenn ihm nicht das ganze Feuer ausgeht, das er irgendwo hat]. Nû seht, ir kristenliute, wie schentlîchen glouben sie habent dise valschen diebe des kristenlîchen glouben, der reineclîche unde schône über alle glouben liuhtet, als diu sunne überliuhtet alliu lieht! Ir reinen kristenliute, dâ von hüetet iuch vor disen ketzern, die alsô zuo iu sliefent [schlüpfen, kriechen] sam die katzen und iuch ertoeten wellent mit ir krotensâmen, der unreinen ketzerlîchen lêre, die er in sich gelecket hât sam diu katze daz eiter von der kroten. Unde sâ zehant sô diu katze die kroten alsô gelecket, sô beginnet sie al zehant dorren unde gêt ir daz hâr ûz unde wirt alse widerzæme [ungebärdig] und alse ungenæme, als ir an ir wol seht, daz sie etewenne kûme die lenden nâch ir geziuhet. Unde dâ von hüetet iuch vor den katzen und ouch von den ketzern, wan sie bêde schedelich sint an lîbe und an sêle.Daz iuch die ketzer iht verunreinen, dâ beschirme uns alle samt der almehtige got vor. Wan swer ir ketzerlîche vergift [ihr Ketzergift] in sich lecket, der muoz eht iemer mêr dorren an lîbe und an sêle und an aller der sælikeit, die er iemer mêr gewinnen solte an lîbe und an sêle. Dâ von hüetet iuch vor in mit allem flîze unde mit allen iuwern sinnen.„Bruoder Berhtolt, wie sülle wir uns vor in behüeten, sô lange daz sie guoten liuten sô gar glîche sint?“ Seht, daz wil ich iuch lêren, den worten daz ir iuch iemer mêre deste baz gehüeten künnet. Ir sult sie halt ouch an siben worten erkennen. Von swem unde swenne [von wem auch immer und wann auch immer] ir der siben worte einz erhoeret, vor dem sült ir

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iuch hüeten, wan der ist ein rehter ketzer, und ir sült den pfarrer an sie wîsen oder ander gelêrte liute. Unde merket mir disiu wort gar eben unde behaltet sie iemer mêr unze an iuwern tôt. Ich wolte halt gerne daz man lieder dâ von sünge. Ist iht [irgendein] guoter meister hie, daz sie niuwen sanc dâ von singen, die merken mir disiu siben wort gar eben unde machen lieder dâ von? Dâ tuot ir gar wol an; unde machet sie kurze unde ringe [gering, d.h. verständlich] unde daz sie kindegelîch [alle Kinder] wol gelernen mügen; wan sô gelernent sie die liute alle gemeine diu selben dinc unde vergezzent ir deste minner [umso weniger].Ez was ein verworhter [verdammter] ketzer, der machte lieder von ketzerîe unde lêrte sie diu kint an der strâze, daz der liute deste mêr in ketzerîe vielen. Unde dar umbe sæhe ich gerne, daz man diu lieder von in sünge. Nû merket alle samt!Daz êrste: swer dâ sprichet, ez müge dehein êman [kein Ehemann] bî sîner hûsfrouwen geligen âne houbetsünde, der ist reht ein arger ketzer. Sê, unsæliger ketzer, nû satzte doch got die heilige ê in der heiligen stat, in dem paradîse, daz diu zal der engelkoere erfüllet würde.Daz ander ist: swer dâ sprichet, ez müge dehein rihter nieman ertoeten âne houbetsünde [ohne damit selbst eine Todsünde zu begehen]. Sê, unsæliger ketzer, sô möhte nieman genesen [so wäre niemand zu retten], solte man schedelîche liute niht von der werlte nemen. Ir rihter, swen ir mir mit rehtem gerihte von der werlt nemet, ich gibe iu als wênic buoze drumbe alse iuwerm swerte.Daz dritte: swer giht, daz die siben heilikeit unde der wîhebrunne [Weihwasser] niht kraft enhaben, der ist gar ein ketzer; wan dâ hât got die heiligen kristenheit mite gevestent und erloeset von dem êwigen tôde.Daz vierde: swer dâ giht, daz ein priester, der selbe in houbetsünden ist, daz der nieman von sînen sünden enbinden müge, der ist ouch ein ketzer.Daz fünfte: swer dâ sprichet, man sülle der wârheit niht swern und ez sî houbetsünde swer der rehten wârheit swer.Daz sehste: swer dâ sprichet, der die schrift nie gelêret wart unde wil doch ûz der schrift reden, alsô daz er sprichet: „ez sprichet sant Gregorius, sant Augustînus, sant Bernhart oder ein prophête oder ein êwangeliste“, oder swaz er alsô ret ûz der heiligen schrift eigenlîche unde der schrift niht kan noch sie nie gelernte, den habet für einen ketzer, wan daz hât in gelêret sîn meister der ketzer. Daz sibende: swer dâ sprichet, swer zwêne röcke habe, der sulle durch got einen geben: swer des niht tuo sî êwiclîche verlorn. Pfî, unsæliger ketzer! sô möhte halt nieman behalten werden, weder geistlîche noch werltlîche liute: jâ ist einem etwenne [vielleicht] nôt, daz er den dritten dar zuo habe.Seht, alse maniger leie ist ir ungloube und ir wîse. Nû bitet got alle samt mit inneclîchem herzen, daz er uns beschirme vor allem ir unglouben unde vor andern sünden, unde swer sich dâ vor niht gehüetet habe, daz

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die hiute wâre riuwe gewinnen und ir herze bekêren und alsô reinigen mit der wâren riuwe, daz sie den wâren sunnen êwiclîche sehende werden in den êwigen freuden. Daz uns daz allen samt widervar, mir mit iu und iu mit mir, daz verlîhe uns der vater unde der sun unde der heilige geist. Amen.

Text 8Der kursive Text stammt von Luther (1545). In [eckigen Klammern] sind mittelhochdeutsche Wortentsprechungen angegeben. Welche Vokalveränderungen sind eingetreten? Hinweis: Hinter gleichen Schreibweisen können sich unterschiedliche Lautungen verbergen.Ein Mensch hatte zween Söne [süne], und der Jüngste unter jnen sprach zu dem Vater [vater]: Gib mir Vater das teil [teil] der Güter [güeter], das mir [mir] gehört. Und er teilet jnen [inen] das Gut [guot]. Vnd nicht lang darnach samlet der jüngste Son [sun] alles zusamen, und zoch ferne über land, und daselbs bracht [brâchte] er sein [sîn] gut umb mit brassen. Da er nu alle das seine [sîne] verzeret [-zeret] hatte, ward eine [eine] grosse Theurung [tiurunge] durch dasselbige gantze Land, und er fieng [fienc] an zu darben. Vnd ging [gienc] hin, und henget sich an einen Bürger desselbigen Landes. Der schicket jn auff [ûf] seinen acker der Sew [siue] zu hüten [hüeten]. Und er begerte seinen [sînen] Bauch [bûch] zu füllen mit trebern, die die Sew assen, und niemand [niemen] gab sie jm. Da schlug [sluoc] er in sich, und sprach: Wie [wie] viel Taglöner hat mein [mîn] Vater, die brot die fülle haben, Vnd ich verderbe jm hunger. Jch wil mich auffmachen und zu [zuo] meinem Vater gehen, und zu jm sagen, Vater, ich habe [habe] gesündiget in den Himel und fur dir, und bin fort nicht mehr werd, das ich dein [dîn] Son heisse [heie], Mache mich als einen deiner Taglöner. Und er machet sich auff [ûf], und kam zu seinem [sînem] Vater. Da er aber [aber] noch ferne von dannen war, sahe jn sein Vater, und jamert jn, lieff [lief] vnd fiel [fiel] jm umb seinen Hals, und küsset jn. Der Son aber sprach zu jm, Vater, ich habe gesündiget in den Himel und fur dir. Jch bin fort nicht mehr werd, das ich dein Son heisse [heie]. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten, Bringet das beste Kleid [kleit] erfur, und thut [tuot] jn an, und gebet jm einen [einen] Fingereiff [-reif] an seine hand, und Schuch [schuoh] an seine füsse [füee], vnd bringet ein gemestet Kalb her, und schlachtets. Lasset uns essen und frölich sein [sîn]. Denn dieser [diser] mein [mîn] Son war tod, und ist wider [wider] lebendig worden. Er war verloren [verloren], und ist funden worden. Und fiengen [fiengen] an frölich zu sein. Aber der elteste Son war auff dem felde. Und als er nahe zum Hause [hûse] kam, horet er das Gesenge, und den Reigen [reigen], und rieff [rief] zu sich der Knechte einen und fraget, was das were? Der aber saget jm: Dein [dîn] Bruder [bruoder] ist komen [kumen], und dein vater hat ein gemestet Kalb geschlachtet, das er jn gesund wider hat. Da ward er zornig, und wolt nicht hinein gehen. Da gieng [gieng] sein Vater heraus, und bat jn. Er antwortet aber, und sprach zum Vater: Sihe, so viel [vile] jar diene

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[diene] ich dir, und habe dein Gebot noch nie [nie] übertretten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, das ich mit meinen freunden [friunden] frölich were. Nu aber diser dein Son komen ist, der sein gut mit Huren [huoren] verschlungen hat, hastu jm ein gemestet Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu jm, Mein son, du bist alle zeit [zît] bey [bî] mir, und alles was mein ist, das ist dein. Du soltest aber frölich vnd gut [guot] muts [muotes] sein, Denn dieser [diser] dein Bruder war tod, vnd ist wider lebendig worden, Er war verloren, und ist wider funden.

Text 9: Aus einem Thüringer MirakelbuchMertin von Waldenfels, der hatte krang gelegen .xvj. wochen vnde hatte .iij. erczede bynnen der czijt, von den he gerne hette hulffe genommen, sundern sy konden öm nicht gehelffen. Du bath s y n hußfrouwe dry pristere, daz sy v or on beten in der kerchen dy jungfr o uwen Marien, daz sy vor on bethe, o r libe kint Christum, vnseren herren, daz om baß worde, sy wolde ör gnade hir czum Enelende s uch e n med o rm e gebethe vnde med eyme opphere, .xx. phund wachses. Et statim melius habuit et sanus effectus est et fuit hic gratias agens deo et gloriose uirgini.Von Espelingerade eyn frouwe genant Alheid Steynweges med orer muter, vnde hatte eyn kind bij czwen iaren, daz waz in eynen born gefallen, daz iz der man vor tod vß deme borne nam vnde jntrug, vnde leigeten daz kind also vor tod bij daz füer. Du bad vnde riff dy elder muter des kindes an Mariam vmme hulffe vnde trost. Et saluatus est puer etc.Von Wernigerode Curd Cromusl ist hir gewest vnde bekante, daz öme .xx. man vnder ou g en liffen sy ner u f fenb o r f ye nde med geladen a rmbr o sten vnde m e d weren. Du riff he an Mariam, dy werden mait, vmme hulffe vnnd gelobethe, sy zcu suchende med eym opphere, .ij. phunde wachß. Et statim non vidit hostes sed euasit saluus et sanus et fuit hic recognoscens et gratias agens etc.

Text 10: Martin Luther an seine FrauMeiner herzlieben, Hausfrauen, Katharin Lutherin, zu eigen Handen.Gott zum Gruß in Christo! Mein herzliebe Käte! Ich hoffe, wo Doctor Brück wird Urlaub krigen, wie er mich vertröstet, so will ich mit ihm kommen morgen oder übermorgen. Bitte Gott, daß er uns frisch und gesund heimbringe! Ich schlafe überaus wohl etwa 6 oder 7 Stunden aneinander und darnach zwo oder drei Stunden hinnach. Es ist des Biers Schuld, wie ich achte. Aber nüchtern bin ich, gleichwie zu Wittenberg. Doctor Caspar saget, daß unsers gnädigen Herrn Fuß nicht weiter fresse. Aber solche Marter leide kein Dobitzsch [Christoph von D., ein erst gefolterter, dann hingerichteter Wegelagerer] noch Gefangener auf der Leiter im Turn von Hans Stockmeister, als Seine Kurfürstl. Gnaden muß leiden von den Wundärzten. Es ist Seine Fürstl. Gnaden so gesund am

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ganzen Leibe als ein Fischlein, aber der Teufel hat ihm den F uß gebissen und gestochen. Betet, betet weiter! Ich hoffe, Gott soll uns erhören, wie angefangen ist. Denn D. Caspar [Dr. C. Lindemann, kurfürstl. Leibarzt] hält auch dafür, es müsse Gott hier helfen.Weil Johannes wegzeucht, so will´s die Not und Ehre fodern, daß ich ihn lasse ehrlich von mir kommen. Denn Du weißest, das er treulich und fleißig gedienet hat und wahrlich dem Euangelio nach sich demütig gehalten und alles getan und gelitten. Darum denke Du, wie oftmal wir haben bösen Buben und undankbaren Schülern gegeben, da es alles verloren gewest ist. So greif Dich nun hier an und laß an einem solchen frommen Gesellen auch nicht mangeln, da Du weißest, daß es wohl angeleget und Gott gefällig ist. Ich weiß wohl, daß wenig da ist; aber ich gäbe ihm gerne 10 Gulden, wenn ich sie hätte; aber unter 5 Gulden sollt Du ihm nicht geben, weil er nicht gekleidet ist; was Du drüber kannst geben, das tue, da bitte ich umb. Es möchte zwar der gemeine Kaste mir zu Ehren einem solchen meinem Diener wohl ettwas schenken, angesehen, daß ich meine Diener muß halten auf meine Kost zu ihrer Kirchen Dienst und Nutz; aber, wie sie wollen. Laß Du ja nicht feihlen, weil [solange] ein Becher da ist. Denke, wo du es krigest. Gott wird wohl anders geben, das weiß ich. Hiemit Gott befohlen, Amen.Und sagt dem Pfarrherr von Zwickau, daß er ja wollt ihm gefallen lassen die Herberg und fürlieb nehmen. Wenn ich komme, will ich erzählen, wie Mühlfurt und ich bei dem Rietesel zu Gaste gewest und Mühlfurt mir viel Weisheit erzeiget. Aber ich war nicht trinkerlich nach solchen Trank. Pußt mir den jungen Hansen von meinen wegen und heißet Hänschen, Lehnchen und Muhme Lehnen für den lieben Fürsten und für mich beten. Ich kann in dieser Stadt, wiewohl itzt Jahrmarkt ist, nichts finden zu kaufen für die Kinder. Wo ich nichts brächte Sonderliches, so schaffe mir da etwas Vorrats! Dienstags nach Reminiscere 1532.D. Martinus Luther.

Text 11: Aus einem Tiroler MirakelbuchItem es ist ein fraw sesshaft an der Etsch her komen auf dye waltrast in dem sterben [während der Pest] vnd dye hat pracht ain toten gewand pfaytten [Hemd zu einem Totengewand], sock vnd havben aneinander vnd ein stëuchel [Kopftuch] vnd das hett man ir an gelegt vnd alle, dye pey irer chranckhayt waren, dye wantten nit anderst dan sy wärd tod; da gedachten sy an die grossen czaichen, die vnser liebe fraw tuet hye auf der waltrast vnd verhiessen dye frawen her [gelobten, dass die Frau herkommen würde] und cze stund an nach dem verhayssen wardt sich dye fraw růeren vnd ward gesund. Also hanget das gewand auf der waltrast jn vnserr lieben frawen kirchen.Mer ist geschechen das des Jorg Keren weib czů Müczns in Matryer pfarr [Pfarrei Matrei] vor der tür gesessen ist an den feyrtagen, vnd wenn das

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volck auf oder ab gyeng, so sprach sy, was das guet wär; es wär gar vernicht [unnütz]; sy hiet kainen gelauben dar an; es wär ein vngeweichte stat; sy wolt alsmer in einen stal gen. Dar nach füegt es sich, das sy swanger ward, vnd da sy des kindes solt genesen, da gieng sy pys an den achten tag das sy nicht erledigt mocht werden, vnd da gedacht der Jorg Keren an vnser lieben frawen czaichen auf der waltrast vnd verhyess [gelobte] hin auf cze gen. Also gieng er mit sampt seinen průder vnd seines weibs průder pey finster nacht auf dye waltrast vnd regnet die selb nacht gar vast vnd da sy hyn auf chamen da chräet der han vnd geleich czů solicher oder der selben czeyt, als der han auf der waltrast krät het, da ward dye fraw her niden erledigt von dem kind vnd das kind cham cze tauff; dar nach het dye fraw ganczen gelauben an die grosse genad, die vnserr liebe fraw tuet hye auf der waltrast.Item mer ist beschechen das des Růppen weib von Můczns in matrier pfarr ain kind het, das was eines jars alt; das gab sy einer klainen dyeren an den arm; da liess dye dieren das kind vallen in der rachstuben [Rauchstube, Küche] auf den herd mit dem herczen auf einen stain, vnd da cham dye mueter darczů vnd hueb das chind auf vnd hveb es ein lange weil an dem arm, das sy kain leben nyndert dar an sach, vnd in dem jamer gedacht sy an dye grossen czaichen die vnserr liebe fraw thuet auf der waltrast vnd verhyesz das kind cze tragen auf dye waltrast, vnd als pald das verhayssen beschach, da ward sich das kind růeren vnd waynen. Also trueg sy das kind gen vnserr lieben frawen auf dye waltrast.

Text 12: Die Hinrichtung des Jan Hus. Bericht aus der Chronik des Konstanzer Konzils von Ulrich Richental (15. Jh.)Do růft hertzog Ludwig der von Costentz vogt, der von des richs wegen vogt waz, daz was Hanns Hagen, der och zegegen waz und sprach: Vogt, nun nim den von unßer baider urtail wegen und verbrenn inn als ain kätzer. Der hieß die rautzknecht und den henker, daz sy inn uß fůrtind zů verbrennen und im aber kain sin häß [Kleidungsstück], gürtel, gewand, sekel, messer, pfenning, hosen, noch schůch nit nemen, noch abzugend. Daz beschach och. Und hatt doch zwen gůt schwartz rök an von gůtem tůch und ain gürtel, der was enklain beschlagen und zway bymesser in ainr schaid und ain lidrin sekel, da mocht wol ettwas inne sin. Und hat ain wiß infel [Mitra] uff sinem hopt [mit bappir gemacht], als dann hernach gemaulet statt, da stunden an [gemaultt] zwen tüfel und ye enmitten geschriben: Heresiarcha, daz ist so vil geredt als ain ertzbischof aller kätzer.Und fůrtend inn die von Costentz uß mer dann mit tusend gewapoten mannen, und die fürsten und herren och gewapot. Und fůrtend inn hertzog Ludwigs diener zwen, ainr z der rechten siten, der ander zu der linggen. Und waz nit gebunden, dann sy sust neben im giengen und růftend mir Ůlrichen zů in. Und giengen vor und hinder im des rats knecht. Und fůrtend inn zu Geltinger tor ußhin. Und von großem trang,

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das da was, do můß man inn füren den Brül umbhin umb Richmans Widen huß. Und wurden der gewapoten mer dann iij tusend on ungewapot und on fröwen. Und muß man die lüt uff der brugg an Geltinger tor halten, daz ye ain schar hinüber kam. Und vorcht man die brugg bräch. Und fůrt man inn uff das klain inder usserfeld enmitten.Und an dem ußhin füren bettot er nit anders dann: Jhesu Christe, fili dei vivi, miserere mei. Und do er kam z dem usser veld und er ersach das für, holtz und stro, do viel er drümål uff sin knie und sprach mit luter stimm: Jhesu Christe, fili dei vivi, qui passus es pro nobis, miserere mei. Darnach fragt man inn, ob er bichten wolt, Do sprach er: Gern, wann daz es hie zů eng ist.Da er nun kam in den ring, do machot man ain witen ring. Do fragt ich inn, ob er bichten wölt. Da wär ain priester, der hieß herr Ůlrich Schorand, der hett do des concilium und des bistůmbs gewalt. Do růft ich dem selben herr Ůlrichen. Der kam zů im und sprach zů im: Lieber herr und maister, wöllen ir abtretten dem ungeloben und der kätzry, darumb ir liden můßend, so wil ich üch gern bicht hörn. Wöllen ir aber daz nit tůn, so wissend ir selbs wol, das in gaistlichem rechten stat, daz man kainem kätzer enkain göttlich sach tůn noch geben sol. Do sprach der Huss: Es ist nit not, ich bin kain tod sünder nit. Darnach do wolt er haben angefangen predigen in tütsch. Daz wolt hertzog Ludwig nit und hieß inn verbrennen. Do nam der henker und band inn mit häß und mit allem an ain uffrecht brett. Und stallt im ain schemel under sin füß, und leit holtz und stro umb inn und schutt ain wenig bech darin und zündet es an. Do gehůb er sich mit schryen vast übel und was bald verbrunnen.

Text 13: Westmitteldeutsch, 16. Jh.: Privataufzeichnungen eines Kölner BürgersGenitalia lesi [habe ich mir verletzt].A. 1548 als ich nuhe [mhd. nû, nhd. nun] das haus zum Torn uff dem Buchel gegolten hat [gekauft hatte] und das binnen [innen] laisen abstrichen und bauwen, hab ich es auch inwendich mit allerlei noitturftigen ingedoim [Mobiliar] zum teil willen zeren [zieren, ausstatten]; ich hab einsmails den groissen messigen luchter oben uff an die balken im vurhausse willen hangen, hab einen disch darhin gesetzst, daruff einen alten schragenstoil, daruff wolt ich klimmen, und im uffklimmen brach der stoil, das ich herab feil, das mir der stoil tuschen die bein quam, also das ich mir heftich seir wehe dede oben tuschen den beinen an miner manlichheit, das mir dasselbich gar swal, und groisser smertzen lang zit beipracht, und befant sich nachmails, das mir das rechte hutlin gebrochen wart, und foilt [fühlte] unden und oben darnach alle zit ein klein brüchlin. Doch half mir der wontartzt mit scharnickel [eine Salbe] und anderer medicinen, das es zum teil widder bei quam [verheilte], aber ich bin es uff heutigen tag noch nit aller genesen, dess hab ich mich seir nawt gehut mit springen und anderen dingen. Forte

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generationi obfuit, ut opinabatur uxor [wahrscheinlich fehlte das beim GV, wie meine Frau meinte], aber an der linker seiten hat ich sonderlich keinen schaden befonden.Zank cum uxore [mit der Ehefrau]A. 1559 den 9. sept. hat min hausfrau alles, was sei under dem haus hat, hinuber in ir haus laissen tragen und hat da willen wonen, umb etlicher swetzwort willen uis vorger ursachen erwassen, aber ich hab alzit bei ir gessen und gesclaifen, bei acht tage darnach ist der Streit verloschen und die stupen [Wutausbrüche] sint gewant [(ab)gewendet], aber mir haben in irem haus darnach lang haus gehalten.

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