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„Stadtumbau West – Chance für neue Qualität“ „Zukunft für Gewerbebrachen: Kultur, Begegnung und Kommerz Beispiel des Europäischen Industriemuseums für Porzellan und Keramik in Selb“ Fachtagung am 10. Oktober 2006 Torsten Schöpe Dipl.- Ing. Architekt, Hof

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Industriekonzept Stadtumbau West Thorsten Schöpe

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Page 1: Industriekonzept

„Stadtumbau West – Chance für neue Qualität“

„Zukunft für Gewerbebrachen:

Kultur, Begegnung und Kommerz

Beispiel des Europäischen Industriemuseums für

Porzellan und Keramik in Selb“

Fachtagung am 10. Oktober 2006

Torsten Schöpe Dipl.- Ing. Architekt, Hof

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1. Die Industriegeschichte von Selb Das erstmals 1281 urkundlich erwähnte Selb erlangte bis weit ins 18. Jahrhundert Bedeutung als Bergbaustandort in Verbindung mit Hammer- und Eisenschmelzwerken. Der in der Gegend vorkommende Granit wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem zur Herstellung von Mühlsteinen und von technischen Walzen für die Porzellanindustrie genutzt.

Am 18. März 1856 zerstörte ein Stadtbrand die gesamte Stadt und machte 3.500 Einwohner obdachlos. Mit dem Wiederaufbau änderten sich das Stadtbild und die Erwerbsstruktur grundlegend. Impulsgeber für den industriellen Aufschwung der Stadt des Porzellans war Lorenz Hutschenreuther, der 1857 die erste Porzellanfabrik in Selb errichtete, nachdem sein aus Thüringen eingewanderter Vater Carl Magnus bereits 1822 in Hohenberg eine Porzellanfabrik gegründet hatte. Die im benachbarten Thüringen und Böhmen vorkommenden erforderlichen Rohstoffe (Kaolin, Feldspat und Quarz), ausreichende Holz- und Kohlevorkommen für die Befeuerung der Brennöfen und das bedeutende Arbeitskräftereservoir begünstigten die industrielle Entwicklung. Die industrielle Serienfertigung von Porzellan machte das "Weiße Gold" auch für Normalbürger erschwinglich. In der Fabrik fanden viele der arbeitslos gewordenen Weber eine neue Zukunft. Der Bahnanschluss an die Strecke Hof–Eger im Jahre 1864 begünstigte die einsetzende, rasante Industrieentwicklung in Selb. Es gründeten sich zahlreiche Porzellanfabriken wie z.B. Jakob Zeidler, Rosenthal oder Heinrich.

Um 1900 bestanden in Selb 20 Porzellanfabriken mit zusammen 100 Rundöfen. Die Stadt wuchs bis zum Jahr 1930 auf über 14.000 Einwohner an. Die Zahl der Porzellanfabriken sank jedoch im Zuge der Weltwirtschaftskrise und der Inflation der zwanziger Jahre. Die meisten Fabriken gingen durch Fusionen an andere Firmen über, die sich wiederum zu Weltmarken entwickelten. Heute noch sind die weltweit bekannten Marken Rosenthal, Hutschenreuther und Villeroy&Boch (vorm. Heinrich) in Selb zu finden, wobei nur noch bei Rosenthal produziert wird.

Nach dem 2. Weltkrieg kam es wieder zu einem starken Aufstieg der Porzellanindustrie, die zu hohen Arbeitskräftebedarf und dem Anwachsen der Bevölkerung auf bis zu über 24.000 Einwohner führte. Es begannen die goldenen Jahre der Stadt, in der die großen Porzellanfirmen ein starkes Engagement für Kultur und Sport zeigten und überall in der Stadt gebaut und verschönert wurde. Die aus aller Welt kommenden Künstler und Designer trugen zu einem reichen kulturellen Leben bei.

Die Krise der Porzellanindustrie war in den neunziger Jahren nicht mehr zu übersehen. Vor allem die Firmen, die nicht auf Technisierung und Rationalisierung gesetzt hatten, gerieten in große Schwierigkeiten. Die mit der Wiedervereinigung einhergehenden Probleme wie dem großen Fördergefälle zwischen West und Ost sowie den Billiglohnangeboten aus Osteuropa und Fernost verschärften die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Zahl der Arbeitsplätze in den Porzellanfirmen ging von 5.000 im Jahr 1965 auf heute unter 1.000 Beschäftigte zurück.

Die auf 17.500 Einwohner geschrumpfte Stadt hat sich im Zuge des Strukturwandels mittlerweile zu einem Industriestandort entwickelt hat, an dem sich neben der keramischen Industrie der Maschinen- und Anlagenbau, die Automobilzulieferindustrie und die Kunststoffverarbeitung etabliert haben. Die Arbeitslosenquote der Region ist im Vergleich zum sonstigen Bayern nach wie vor sehr hoch, wobei besonders die gering qualifizierten Arbeitnehmer, von denen es früher in der Porzellanindustrie sehr viele gab, ein großes Problem darstellen, da sie nur schwer zu vermitteln sind. Dennoch bleibt das Porzellan das Element, das die Stadt geprägt hat.

Ein für jeden sichtbares Zeichen des Strukturwandels der Region sind die zahlreichen leerstehenden Fabrikanlagen, in denen ehemals Porzellan oder Maschinen zu dessen Herstellung gefertigt wurden. Einige Industrieanlagen konnten durch Nachfolgebetriebe weitergenutzt werden, andere wiederum wurden z.T. vorschnell abgerissen und hinterließen tiefe Wunden im Stadtgefüge.

Mit der Errichtung des Industriemuseums Selb- Plößberg wurde dagegen ein anderer Weg beschritten, um die Zeugnisse der Industriekultur dieser Region zu erhalten und der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Dieses Museum soll dazu beitragen, die Erinnerung an einen bedeutenden und die Region prägenden Industriezweig wach zu halten und das Wissen um die historischen Arbeits- und Herstellungsmethoden zu bewahren. Außerdem soll es zeigen, dass es sich lohnt, alte Industriebauten wieder herzurichten und einer sinnvollen Nutzung zuzuführen.

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2. Die Überlegungen zur Schaffung des Industriemuseums Um einen Träger für den Erhalt und die Dokumentation der großen Porzellantradition der Region zu schaffen, wurde im Jahr 1982 der Zweckverband „Museum der Deutschen Porzellanindustrie“ gegründet. Der Landkreis Wunsiedel und die Stadt Hohenberg / Eger beteiligten sich mit 80% bzw. 20% am Zweckverband, um gemeinsam das Porzellanmuseum in Hohenberg / Eger zu betreiben. Seit dem Jahr 1989 ist auch die Stadt Selb am nun umbenannten „Zweckverband Deutsches Porzellanmuseum“ mitbeteiligt, wodurch die Anteile der beiden Städte auf je 10% festgelegt wurden. Mitglieder des Zweckverbandes sind Politiker und engagierte Bürger des Landkreises, die durch ihre Tätigkeit aktiv für die Erhaltung der Industrietraditionen und die Förderung der Museen eintreten.

Zuerst wurde mit der Errichtung des „Museums der Deutschen Porzellanindustrie“ in Hohenberg an der Eger begonnen. Dieses Museum wurde ab 1982 in der ehemaligen Direktorenvilla der Hutschenreuther- Porzellanfabrik untergebracht und befindet sich somit an dem Ort, an dem 1822 die erste Porzellanfabrik der Region entstand. Im Jahre 1995 wurde das Museum um einen modernen Erweiterungsbau (Architekt: Büro Resch & Stiefler, Bayreuth) ergänzt, wodurch sich die räumliche Situation entscheidend verbesserte und die Möglichkeit für Sonderaus-stellungen und Firmenpräsentationen gegeben war. Innenansicht Porzellanmuseum Hohenberg / Eger

Da in diesem Museum „nur“ das Porzellan als Objekt, nicht jedoch seine Produktion gezeigt wird, reifte zuerst beim Museumsdirektor Herrn Siemen die Idee, die Herstellung des Porzellans in einem Industriemuseum zu zeigen. Hilfreich zur Erstellung einer ersten Konzeption waren die guten Kontakte zum Westfälischen Industriemuseum, einen Wegbereiter seiner Art, sowie dessen große Erfahrungen beim Aufbau eines solchen Museums. Als Standort für ein Industriemuseum wurde die ehemalige Zeidlersche Porzellanfabrik in Selb- Plößberg ausgewählt, die bereits im Jahre 1866 entstand, im Jahre 1917 von der Firma Rosenthal übernommen und bis 1971 betrieben wurde.

Die Überlegungen der Museumsleitung gingen davon aus, dass sich technik-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Inhalte nirgendwo so gut veranschaulichen lassen wie in einem originalen historischen Fabrikgebäude. Die Wahl fiel deshalb auf die Zeidlersche Porzellanfabrik, da es sich hier um einen Gebäudebestand handelte, der das Wachsen einer Porzellanfabrik von den Anfängen bis zum Zeitpunkt ihrer Stilllegung dokumentiert und mit Rundöfen aller Entwicklungsstufen bestückt ist. Weiterhin befinden sich im engeren Umfeld alle für eine solche Fabrik typischen Einrichtungen wie Bahnhof, Stellwerke, Arbeiter-wohnhäuser und die Fabrikantenvilla. Luftbild der Fabrik aus den 30er Jahren

Gemeinsam mit dem Architekturbüro Resch & Stiefler aus Bayreuth wurden 1988 und 1990 vom Museumsdirektor Herrn Siemen Konzepte zur Entwicklung und Ausgestaltung eines Industrie-museums für Porzellan erarbeitet, wobei dieses Konzept aus wirtschaftlichen und politischen Gründen zwischenzeitlich bereits mehrmals angepasst wurde. Die als zukünftiger Museumsstandort ausgewählte Fabrik wurde unter Denkmalschutz und das Umfeld unter Ensembleschutz gestellt.

Es wurde von Anfang an berücksichtigt, dass ohne die Rolle Thüringens und Böhmens die Entstehung der Porzellanindustrie in Oberfranken nicht zu erklären wäre. Insofern liegt hier auch einer der Grundgedanken für den Charakter eines „Europäischen Industriemuseums“, der durch die Ereignisse der Wende in Ostdeutschland und der Umwälzungen in Osteuropa noch stärker in den Vordergrund trat. Durch die enorme Dichte an Porzellanfabriken in Oberfranken und der nördlichen Oberpfalz sowie die Vorreiterrolle dieser Region für die Porzellanindustrie war der Standort Selb für die Errichtung eines Industriemuseums für Porzellan und Keramik nahezu prädestiniert.

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3. Das Industriemuseum in Selb- Plößberg – die Bauabschnitte Das Fabrikareal wurde nach der Stilllegung von mehreren Firmen weitergenutzt, verfiel aber zunehmend. Am 23.01.1982 brannte das heutige Gebäude B bis auf die Grundmauern ab. In den Gebäuden siedelte sich Hausschwamm an, die befestigten Flächen wurden stark überwuchert. 3.1. Erste Maßnahmen:

Bauzeit: 1991 - 1995

Im Jahre 1990 wurde das Areal von den damaligen Eigentümern erworben. Im Mai 1991 begannen die ersten Aufräumarbeiten. Sie wurden von einem Ingenieur und drei ABM- Kräften ausgeführt. Die erste Phase war geprägt von primitivsten Arbeitsbedingungen, viel Improvisationstalent und großen Enthusiasmus der Beteiligten. Ab November 1991 standen dann 12 ABM- Kräfte zur Verfügung. Seit diesem Zeitpunkt gab es bis zum heutigen Tag ununterbrochen Arbeits-beschaffungsmaßnahmen. Es wurden zahl-reiche Rodungs-, Abbruch- und Aufräum-arbeiten ausgeführt. Von den Museums-mitarbeitern wurden große Mengen an alten Maschinen und Geräten aus stillgelegten Fabriken geborgen, ausgebaut und für die Restauration und die spätere Wieder-verwendung gelagert. Nachträgliche Gebäude-anbauten wurden abgerissen und die über das Gelände verlaufenden Förderbrücken und Verbindungsgänge demontiert. Leider wurde der Abbruch eines nach heutigen Gesichtspunkten erhaltenswerten Gebäudes angeordnet, so dass sich bis zum heutigen Tage eine ruinöse Baulücke inmitten des Museumsinnenhofes erhalten hat. 3.2. Einrichtung des Werkstattgebäudes:

Bauzeit: 1991 - 1992

Die erste reguläre Baumaßnahme umfasste den Umbau des abseits gelegenen ehemaligen Malereigebäudes in ein Werkstattgebäude mit Tischlerei und Schlosserei, um die wichtigsten Arbeiten selbst ausführen zu können. Diese Umbauarbeiten erfolgten größtenteils in Eigenleistung, da mittlerweile Handwerker wie Tischler, Schlosser und Elektriker angestellt wurden. 3.3. Sanierung des Pförtnerhauses:

Bauzeit: 1991 - 1992

Als nächste Baumaßnahme wurde die Sanierung des Pförtnerhauses auf der Nordseite des Museumsareals in Angriff genommen, um den ursprünglichen Fabrikzugang wiederherzustellen. Auch hier erfolgten die Arbeiten größtenteils in Eigenleistung. Es wurden die alten Raumfassungen mit vielen verschiedenen Schablonenmalereien originalgetreu wiederhergestellt, die Außenfassaden und das Dach saniert.

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3.4. Bauabschnitt 1: Gebäude 1 (Massemühle / kleine Dampfmaschine)

Bauzeit: 1994 - 1995 Baukosten: ca. 3,27 Mio €

Im Jahre 1994 wurde mit dem ersten offiziellen Bauabschnitt begonnen. Das Gebäude 1 wurde saniert und mit Maschinen und Gerätschaften, die aus dieser und aus anderen stillgelegten Porzellanfabriken stammen, ausgestattet. Auch hier wurden zahlreiche Arbeiten von ABM- Kräften ausgeführt. Es wurden große Trommelmühlen, Vakuumstrangpressen, Kollergänge, ein Brennofen, Transmissionsantriebe und eine Dampfmaschine eingebaut, aufgestellt bzw. wiederhergestellt. 3.5. Bauabschnitt 2: Gebäude 2 (große Dampfmaschine)

Bauzeit: 1997 - 1998 Baukosten: ca. 520.000 €

Während des darauffolgenden zweiten Bauabschnittes wurde das historische Dampfmaschinengebäude saniert. Die bestehende Kesselanlage und die große Dampfmaschine wurden sorgfältig restauriert und den Besuchern zugänglich gemacht. 3.6. Sanierung Gebäude 5:

Bauzeit: 1997 – 1998

Mit Hilfe von ABM- Kräften wurde das ehemalige Malereigebäude 5 im Innenhof saniert. Die fast durchgängig maroden Holzbalkendecken wurden ausgetauscht und das Dach und die Außenfassaden wiederhergestellt, so dass sich dieses Gebäude dem Besucher von außen in einem sanierten Zustand zeigt. Im Erdgeschoss wurde die dort befindliche sogenannte Erdenmacherei restauriert, eine Steindruckschnellpresse aufgestellt sowie eine historische Schlosserwerkstatt und ein Kontor eingerichtet. 3.7. Bauabschnitt 3: Gebäude 3 und Parkplatz

Bauzeit: 1998 - 2002 Baukosten: ca. 4,96 Mio €

Im dritten Bauabschnitt wurde das Gebäude 3 in ein Museum umgebaut, welches die Porzellan- Weißfertigung zeigt. Auch hier wurden die alten Fabriketagen fachgerecht überarbeitet, zerstörte Decken ersetzt, der Innen- und Außenputz erneuert, alle Fenster gemäß dem historischen Vorbild nachgebaut und die Dächer nunmehr mit Wärmedämmung versehen und neu mit Schiefer eingedeckt. In den Innerräumen wurde eine einheitliche Ausstellungsarchitektur aufgebaut, die geschossweise die einzelnen Arbeitsschritte und Methoden zur Porzellanherstellung (Modellieren, Drehen, Gießen, Glasieren, Brennen etc.) zeigt. Weiterhin wurde der jetzige Parkplatz auf dem Gelände der ehemaligen Porzellanschutthalde auf der Südseite des Areals angelegt, so dass ab diesem Zeitpunkt eine Zufahrt von der am Grundstück vorbeiführenden Bundesstraße 15 möglich wurde, was die Erreichbarkeit mit dem Auto erleichterte und den Bekanntheitsgrad des Museums erhöhte.

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3.8. Bauabschnitt 4: Gebäude A und B

Bauzeit: 2001 - 2005 Baukosten: ca. 8,39 Mio €

Mit der Sanierung der Gebäude A und B sollten alle bisherigen Unzulänglichkeiten in Bezug auf die Haupteingangssituation beseitigt sowie die bisher fehlenden Funktionsflächen geschaffen werden. Die Brandruine B wurde gesichert, neue Stahlbeton-decken eingebaut und die geplanten Räumlichkeiten eingerichtet. So befinden sich im KG das Rosenthalmuseum, im EG die Museumsgaststätte und im 1.OG der große multifunktional nutzbare Mehrzwecksaal. Das Gebäude A wurde intensiv saniert, wobei im KG die zentralen Technikräume und Sanitäranlagen und im EG der Haupteingangsbereich mit Kasse und Rosenthal- Porzellanshop geschaffen wurden. Außerdem wurde an der Nord- und Südseite des Gebäudes je ein verglaster Windfang angeordnet, so dass das Museum sowohl von Norden (Bahnhof) als auch von Süden (Parkplatz) zu erreichen ist. Im 1.-3.OG wurden die Porzellan- Studiensammlungen eingerichtet und das 4. und 5.OG zu den endgültigen Büroetagen der Museumsverwaltung ausgebaut. 3.9. Technische Keramik: Gebäude 1 (1. OG)

Bauzeit: 2004 - 2005 Baukosten: ca. 350.000 €

Im Jahre 2004 wurde mit dem Aufbau des Museums-bereiches „Technische Keramik“ im 1. OG des Gebäudes 1 begonnen. In enger Zusammenarbeit mit der Landesstelle für nichtstaatliche Museen und der heimischen keramischen Industrie wurde hier eine Ausstellung geschaffen, die die neuen Anwendungsgebiete des Werkstoffs Keramik und somit auch die zukünftigen Möglichkeiten der Weiterentwicklung der keramischen Industrie zeigt. Die Arbeiten wurden größtenteils in Eigenleistung ausgeführt. 3.10. Bauabschnitt 5: Gebäude 5

Bauzeit: 2006 – 2007 (geplant) Baukosten: ca. 1,10 Mio € (geplant)

Mit den bisher beschriebenen Bauabschnitten ist der komplette Ausbau des Industriemuseums Selb- Plößberg jedoch noch nicht abgeschlossen. In einem 5. Bauabschnitt, der derzeit von den vorgesetzten Stellen geprüft wird, werden Räumlichkeiten für den noch fehlenden Komplex der Dekorationsverfahren für Porzellan geschaffen. Dazu wird im Gebäude 5 im Innenhof eine Ausstellung über den Buntbetrieb aufgebaut. 3.11. Bauabschnitt 6: Gebäude 4 / Werkstatt / Pförtnerhaus / Außenanlagen

Bauzeit: 2008 – 2010 (geplant) Baukosten: ca. 3,00 Mio € (geplant)

Weiterhin ist geplant, in einem sechsten und letzten Bauabschnitt alle bisher noch nicht bewältigten Aufgaben zu lösen. Dazu zählt unter anderen die Wiederherstellung des Gebäudes 4, welches nach außen als das einzige noch nicht sanierte Gebäude in Erscheinung tritt.

Es wurde schon vieles in den letzten 16 Jahren geleistet, so dass sich das Industriemuseum als eine in Deutschland einzigartige Institution präsentieren kann. Es steht aber auch noch viel Arbeit an, um das Museum zu einem funktionierenden Ganzen zusammenzufügen und auf Dauer zu erhalten.

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4. Lehren / Erfahrungen / Fazit: 4.1. Grundlegendes: Warum lohnt sich die Weiternutzung von Industriebauten? Alte Industriebauten dürfen nicht gedankenlos abgerissen werden, denn auch sie sind ein Teil unserer Geschichte. Die Menschen in den Regionen haben dort ihr Leben lang gearbeitet und sich mit diesen Fabriken und Arbeitsplätzen identifiziert. Sie entwickelten oft einen großen Stolz auf das Geleistete, was sich auch bei den „Porzellinern“ in Selb deutlich zeigt. Gerade in Gegenden, in denen angestammte Industriezweige aussterben, gilt es, das Erbe dieser Industriekultur zu bewahren.

Die Zeugnisse der alten Industriekultur stellen oft große Baumassen dar, die Landmarken in der Landschaft mit z.T. hohen Wiedererkennungswert sind. Fehlen diese Objekte, geht ein wichtiger Bestandteil der Umgebung sowie ein Orientierungspunkt verloren. Viele Werkssiedlungen sind auf die jeweilige Fabrikanlage ausgerichtet, was sich auch im Ort Selb- Plößberg zeigt. Beim Abbruch der alten Fabrikanlage würden die Straßen ins Leere führen, da die Bezugspunkte fehlen.

In den alten Industrieanlagen lassen sich oft interessante Architekturen und bauliche Details finden, die in ihrer handwerklichen Ausführung oft Bewunderung auslösen. Diese Zeugnisse alter Handwerkskunst gilt es unbedingt der Nachwelt zu erhalten.

Möglichkeiten zur Umnutzung von Industriebrachen: o Sanierung und Wiedernutzung der Fabrikanlage als neue Produktionsstätte oder mit neuen

Nutzungen wie z.B. Büros oder Wohnungen. o Umnutzung vor allem innerstädtischer Fabrikanlagen als kommerzielle Handelseinrichtungen (z.B.

Einkaufscenter mit Gastronomie und Dienstleistungsbetrieben). Als Beispiel vor Ort kann das „Factory Inn“ in Selb genannt werden.

o Wiederherstellung der historischen Anlagen nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten und Nutzung als Museum, welches die Geschichte dieser Industrieanlage und die Produktionsverfahren zeigt sowie Integration zusätzlicher Nutzungen wie Vortragsräume, gastronomischer Einrichtungen und Plätze für größere Veranstaltungen.

Alleinstellungsmerkmal: Die Errichtung eines Industriemuseums ist nur dann sinnvoll und auf Dauer tragfähig, wenn die gezeigte Industrie ein Alleinstellungsmerkmal für die gesamte Region hat. Das können z.B. ein Schaubergwerk für eine Bergbauregion oder eine Fahrzeugfabrik für eine Region mit großen Traditionen im Fahrzeugbau sein. 4.2. Bauliche Belange: Vermeidung langer Leerstandszeiten: Lange Leerstandszeiten fördern den Verfall. Je schneller eine Gewerbebrache nach dem Ende der Produktion umgenutzt wird, desto geringer sind die Schäden und der Aufwand für die Wiederherstellung und desto geringer ist auch der Imageverfall der Industrieanlage. Nach längeren Leerstandszeiten werden Industriebauten oft als störende Objekte empfunden, die das Ortsbild verschandeln und deshalb abgerissen werden müssen. Die Berechtigung zum Erhalt einer solchen Anlage wird von der Bevölkerung schnell in Frage gestellt, auch wenn früher selbst in dieser Fabrik gearbeitet wurde. Besonders in den Innenstädten führt längerer Leerstand oft zu Vandalismus, der seinerseits durch die angerichteten Zerstörungen zu einem noch schnelleren Verfall oder zum Totalverlust der Bausubstanz durch Brandstiftung o.ä. führen kann.

Baumaterialien und Bauausführung: Die Bauausführung lässt bei vielen alten Industriebauten im Gegensatz zu Wohn- oder Repräsentationsbauten der selben Bauzeit oft zu wünschen übrig. Wände sind schief, Fenster sitzen in unterschiedlichen nicht fluchtrechten Höhen, rechte Winkel sind eher selten, Fußböden sind nicht eben und Bodenbeläge nicht sauber eingebracht. Das hat oft große Auswirkungen auf spätere Umbau- und Sanierungsmaßnahmen, vor allem, wenn neue Bauteile integriert werden müssen. In vielen Industriebauten wurden seinerzeit beim Bau relativ minderwertige Baumaterialien verbaut. So bestehen in Selb- Plößberg die unteren Geschosse oft aus Bruchstein- Mischmauerwerk, was das Herstellen nachträglicher Wandöffnungen enorm erschwert. Meistens wird die Qualität in den oberen Geschossen durch die Verwendung von Ziegelmauerwerk besser.

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Holzbalkendecken: In vielen Fabrikgebäuden, so auch in Selb- Plößberg, wurden Holzbalkendecken verbaut. Diese Decken haben zwar meist schon relativ hohe Tragfähigkeiten, sind jedoch für heutige Nutzungen oft nicht mehr ausreichend. Zum Erhalt der historischen Bausubstanz sollten Deckenverstärkungen möglichst innerhalb der Deckenkonstruktion eingebaut werden. Durch Schäden während des Leerstandes kommt es bei den meisten Gebäuden zu Problemen mit den Holzkonstruktionen, bei denen die Balkenköpfe oft verfault sind, so dass es zu Decken- oder Dacheinbrüchen kommt.

Hausschwamm: Ein großes, aber lösbares Problem stellt die Anwesenheit des Hausschwammes dar. Im jetzigen Industriemuseum gab es kaum ein Gebäude, in dem der Hausschwamm nicht anzutreffen war. Der an Holzbauteilen sichtbare Würfelbruch, die oft sehr großen Fruchtkörper und die das Mauerwerk durchwuchernden Myzele sind deutliche Zeichen, die sehr ernst genommen werden sollten. Befallene Holzmaterialien müssen entfernt bzw. großzügig abgeschnitten und durch neues trockenes Material ersetzt werden; die Fugen des Mauerwerks sind auszukratzen und es ist für die Zukunft dafür zu sorgen, dass durch geeignete Maßnahmen die Zufuhr von Feuchtigkeit unterbleibt. Bewährt hat sich außerdem das Einbringen von Borsalzpatronen in den Balkenköpfen, die sich bei Auftreten von Feuchtigkeit auflösen und so den für den Hausschwamm schädlichen Stoff freigeben.

Brandschutzanforderungen: Die meisten historischen Gebäude entsprechen kaum heutigen Brandschutzanforderungen. Die verwendeten Holzbalkendecken sind i.d.R. nur der Brandschutzklasse F30 zuzuordnen, so dass die für tragende Bauteile geforderte F90- Anforderung nicht zu erreichen ist. Es ist deshalb unbedingt ein Konsens mit der Baugenehmigungsbehörde zu suchen, der die Beibehaltung der F30- Anforderung für tragende Bauteile unter der Auflage von Kompensationsmaßnahmen (z.B. Einbau einer Brandmeldeanlage) ermöglicht.

Mauerwerksabdichtungen: Durch die fehlenden Horizontal- und Vertikalabdichtungen des Mauerwerks sind viele Wände durch-feuchtet, was sich oft durch großflächiges Abfallen des Putzes dokumentiert. Solche Stellen sind außerdem oft Orte, von denen sich der Hausschwamm über sein Myzelgeflecht das notwendige Wasser zieht. Es sollte auf jeden Fall darauf geachtet werden, die Ursache der Durchfeuchtungen dauerhaft zu beseitigen, um spätere erneute Sanierungsarbeiten zu vermeiden. In unserem Museum hat sich als Sanierungsmethode eine Kombination aus der Verlegung einer Ringdrainage, einer Horizontalabdichtung durch Mauerwerksinjektion mit Epoxydharzen und einer Vertikalabdichtung durch Vorbetonieren einer Stahlbetonvorsatzschale auf der Außenseite der oft sehr unebenen Kellermauerwerke bewährt. Diese Vorsatzschalen werden mit Bitumenschweißbahnen abgedichtet und mit Perimeterdämmplatten und Drainagesteinen gegen das Erdreich gesichert.

Fluchtwegekonzepte: Für die veränderten Nutzungen sind neue Fluchtwegekonzepte erforderlich, da hier meistens die Anforderungen der Versammlungsstättenverordnung zu berücksichtigen sind. Da außenliegende Fluchttreppen meist das Gesamterscheinungsbild stören, ist zu prüfen, ob es nicht andere Möglichkeiten zur Anordnung von Fluchttreppen gibt, wie z.B. den Einbau in nicht mehr benutzte Aufzugsschächte. Die Haupttreppenhäuser sind oft sehr massiv gebaut, so dass sich die notwendigen Arbeiten meist auf den Einbau einer Rauchabzugsanlage und der F90-Verkleidung der Dachuntersicht beschränken lassen.

Altlasten: Während der Aushubarbeiten stößt man in Industrieflächen oft auf kontaminierte Bereiche. So stellten in unserem Museum undichte Öltanks und Schlackerückstände Probleme dar. Hier ist besonders zu prüfen, ob diese Stoffe bereits in das Grundwasser vorgedrungen sind. Eine intensive Zusammenarbeit mit den dafür zuständigen Behörden erleichtert dabei die Arbeit.

Ein großes Problem stellen in unserem Objekt die Schuttablagerungen auf der Rückseite der Industrieanlage dar. Wie bei allen alten Porzellanfabriken üblich, wurde direkt hinter der Fabrik eine mittlerweile sehr großräumige Halde für den zahlreich anfallenden Porzellanausschuss und die aus der Befeuerung herrührende Asche angelegt. Dadurch gestalten sich in der heutigen Zeit Gründungs- und Kanalarbeiten auf Grund des nichttragenden Bodens oft recht schwierig, da das Bodenmaterial nachrutscht und nicht verdichtungsfähig ist. Oftmals kommen bei Grabungen ganze Tassen, Teller oder Kannen zum Vorschein. Weiträumiger Bodenaustausch ist hier die einzige Möglichkeit.

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4.3. Denkmalpflegerische Aspekte: Festlegung auf eine zeitliche Fassung: Bei der Umnutzung von historischen Industriebauten ist der feste Kontakt zu den Denkmalpflegebehörden unumgänglich, um Probleme im Vorfeld einvernehmlich zu klären und eine durchgehende denkmalpflegerische Linie festzulegen. Da es sich bei Industrieanlagen um historisch gewachsene Strukturen handelt, an denen zu jeder Zeit gebaut, abgerissen und erweitert wurde, ist es wichtig, sich auf eine Fassung zu einigen, die dann durchgängig wiederhergestellt wird. Dazu ist eine vorherige genaue Bestandsaufnahme erforderlich, in der die Baugeschichte untersucht, Farbfassungen analysiert und erhaltenswerte Substanz dokumentiert wird. Für das Industriemuseum Selb- Plößberg wurde sich auf den Farb- und Ausbauzustand der zwanziger Jahre geeinigt.

Temperierung: Da auf Grund der denkmalpflegerischen Vorgaben meistens keine Wärmedämm- Maßnahmen an der Außenseite der Fassaden vorgenommen werden können, müssen andere Methoden gesucht werden, um die Wärmeverluste zu minimieren und die Kondensationsproblematik zu beherrschen. Im Museum wurde daher das Bauteiltemperierungssystem nach Grosseschmidt verbaut, bei dem Kupferrohre knapp über dem Fußboden in waagerechten Mauerwerkschlitzen verlegt und eingeputzt werden. Durch die Wärmeabgabe direkt in das Mauerwerk erwärmt sich dieses, trocknet aus und trägt damit auch zur Vermeidung von Kondensat an den Balkenköpfen bei. Nach vielen Jahren der Nutzung haben wir die Erfahrung gemacht, dass das System recht wirkungsvoll eine Kondensatbildung im Bereich der Deckenauflager verhindert, jedoch nicht zur alleinigen Beheizung von Räumen ausreicht. Hier sind besonders für große Räume zusätzliche statische Heizflächen erforderlich.

Wärmedämmung bei Verglasungen: Da in alten Industriebauten meist nur Einfachverglasungen verbaut wurden, sind Maßnahmen zur Verbesserung der Wärmedämmung erforderlich. Im Museum in Selb- Plößberg wurden deshalb zusätzliche Innenverglasungen entwickelt (Sicherheitsglas in filigranen Stahlrahmen), die wie ein Kastenfenster wirken und zur Verringerung der Wärmeverluste beitragen. 4.4. Einige Besonderheiten in Selb- Plößberg: Soziale Aufgaben: Ein Industriemuseum lebt stark davon, dass an historischen Maschinen Vorführungen für die Besucher stattfinden, was aber sehr personalaufwändig ist, so dass hier nach alternativen Arten der Personalauswahl gesucht werden muss. So werden im Industriemuseum zahlreiche Besucherbetreuer- Stellen von Schwerbeschädigten besetzt, die von entsprechenden Stellen gefördert werden und hier eine sinnvolle und interessante Beschäftigung finden.

Durch die Integration von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in die Aufbauarbeit des Museums hat der Zweckverband auch eine hohe soziale Verantwortung für die Menschen in der Region übernommen. Seit Beginn der Baumaßnahmen im Jahre 1991 wurden Hunderte von Langzeitarbeitslosen und schwer vermittelbaren Arbeitnehmern geschult, weitergebildet und ihnen in vielen Fällen auch neue Arbeitsplätze vermittelt, wozu eigens ein Sozialpädagoge vor Ort zuständig ist.

Im Industriemuseum werden zahlreiche Projekte bearbeitet, die auf europäischer Ebene angesiedelt sind und von der EU unterstützt und bezuschusst werden. So existiert mittlerweile ein europäisches Netzwerk der Porzellanmuseen, von dem zahlreiche Impulse für die Bewahrung des Porzellan- Erbes ausgehen. Das Museum beschäftigt deshalb zahlreiche Hochschulabsolventen , die als Volontäre diese Projekte bearbeiten und erste Berufserfahrungen im Museumsmetier sammeln können.

Bauunterhalt, Wartungsaufwand: Das beschriebene Museum ist technisch sehr hochwertig ausgebaut. So existieren mittlerweile fast 200 Rechner für das Zeigen von Filmsequenzen, das Ansteuern von Hörduschen und die Wissensvermittlung per Touchscreen. Sie sind zu ausgeklügelten Computernetzwerken zusammengefasst und erfordern einen hohen Pflegeaufwand, damit alle Anwendungen sicher laufen. Der Aufbau und dauerhafte Betrieb einer eigenen EDV- Abteilung ist daher unumgänglich.

Die Schaffung eigener Werkstätten hat sich für eine Gebäudeanlage dieser Größenordnung außerordentlich bewährt und ist vergleichbaren Einrichtungen nur zu empfehlen. Durch eigenes Personal lassen sich Kosteneinsparungen erzielen, da viele Reparatur- und Wartungsarbeiten selber durchgeführt werden können. Auf Grund der guten technischen Ausstattung der Werkstätten sind

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unsere Handwerksmeister in der Lage, einen Großteil der benötigten Möbel, Vitrinen, Türen und Fenster selber zu bauen. Die Einrichtung einer Bauhütte für den Bauunterhalt nach der Zeit der aktiven Baumaßnahmen mit einem fest angestellten Personal würde eine Ideallösung darstellen.

Das Bauen in Bauabschnitten führt meist zu dezentralen Lösungen für die Haustechnik, wenn nicht bereits im Vorfeld eine zentrale Versorgungsanlage geplant und in der Leistung für den Endausbauzustand ausgelegt wurde. Im vorliegendem Fall führte das dazu, dass mittlerweile fünf separate Heizungsanlagen existieren, was im Unterhalt zu nicht unerheblichen Kosten führt.

Lage, Topographie, Wegesystem: Dieses Museum ist ein klassisches Außenmuseum, da es aus zahlreichen separaten Gebäuden besteht und die Wegeverbindungen nur über den Innenhof möglich sind. Dieser Umstand und die exponierte Lage auf über 600 m Höhe führen speziell im Winter zu einem großen Aufwand für die Schneebeseitigung und die Freihaltung der Wege. Weiterhin muss im Winter der Museumsrundgang voll bekleidet erfolgen, da immer wieder der Hof zu queren ist.

Die ungünstige topografische Lage an einem steilen Hang führt zu Schwierigkeiten in der Wegeführung für behinderte und alte Menschen. Trotz des Einbaus von Aufzügen und Hebeplattformen für Rollstuhlfahrer verbleiben nach wie vor zahlreiche Stellen mit bis zu 15% Steigung, die nur mit Hilfe von Begleitpersonal für Rollstuhlfahrer zu meistern sind.

Da die Museumsabteilungen in bis zu sechsgeschossigen Fabrikgebäuden untergebracht sind, spielt sich der Museumsrundgang hauptsächlich in der Vertikalen ab, wozu zahlreiche Treppen und Aufzüge genutzt werden müssen. Auf Grund des noch nicht in allen Punkten perfekten Wegweisersystems führt das in der Praxis des öfteren zu Verwirrungen bei den Museumsbesuchern. Für historische Industriebauten ist auf jeden Fall ein ausgeklügeltes Orientierungssystem erforderlich. 4.5. Vermarktung: Unternehmerisches Denken und Handeln: Ein großer Fehler ist es, wenn nicht schon während der Bauphase schlüssige Marketingkonzepte für die Zeit danach erstellt werden, sondern damit bis zum Schluss gewartet wird. Die Zeit der Förderungen ist eines Tages vorbei und das Museum muss mehr oder weniger auf eigenen Füßen stehen. Ein gesundes unternehmerisches Denken ist dafür erforderlich, um neben den Eintrittsgeldern auch andere Einnahmen zu erwirtschaften.

Finanzierung / Trägerschaft: Im Gegensatz zu kommerziellen Anlagen wird sich eine Einrichtung wie ein Industriemuseum niemals selber tragen können, sondern ist auf Zuschüsse der öffentlichen Hand und andere Förderungen und Spenden angewiesen. Im Gegenzug wird eine intensive wissenschaftliche Aufarbeitung der Zeugnisse der jeweiligen Industriekultur durchgeführt.

So wurden die Baumaßnahmen und zahlreiche Projekte im Museum von den unterschiedlichsten Geldgebern wie z.B. dem Europäischen Sozialfond, der Oberfrankenstiftung, der Landesstiftung Bayern, der Landesstelle für nichtstaatliche Museen oder dem Kulturfond Bayern gefördert, Ziel-2-Mittel und Leader+ -Zuschüsse verwendet. Ein aktiver Förderverein sammelt Spenden und unterstützt durch seine Arbeit das Industriemuseum.

Eine stabile Trägerschaft trägt dazu bei, den Betrieb und Erhalt eines Industriemuseums auf Dauer zu gewährleisten, entsprechende Fördermittel zu erhalten und die Bauherrenaufgaben während der Bauzeit ordnungsgemäß zu übernehmen.

Einbindung in Tourismuskonzepte: Die Vermarktungsstrategien der Stadt und der örtlichen Industrie sollten eng mit denen eines Museums verknüpft sein. Nur durch gemeinsam koordiniertes Handeln kann sich die Region gut in der Öffentlichkeit darstellen, können die vorhandenen Ressourcen umfassend genutzt werden. So stellt das Thema Porzellan in der Stadt Selb eines der Kernthemen des Stadtmarketings dar. Neben der Porzellanroute, die sich als „roter Faden“ durch die Stadt vorbei an wichtigen Sehenswürdigkeiten zum Thema Porzellan zieht, werden auch die anderen Möglichkeiten des Erlebens von Porzellan beworben. So gibt es überall im Ort Hinweise auf Werksverkäufe und auf die Museen zum Thema Porzellan, um den Besuchern der Stadt einen umfassenden Einblick in die Traditionen der Stadt zu geben. Während der „Wochen des weißen Goldes“ wird die Stadt von Zehntausenden Porzellanliebhabern aus aller Welt besucht, von denen auch die Museen profitieren.

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Es muss versucht werden, ein möglichst breites Publikum mit einem solchen Museum anzusprechen. Sowohl ausgesprochene Porzellanliebhaber als auch Schulklassen, Familien, Seniorengruppen und Vereine sollen ein für sie passendes Angebot im Museum finden. Obwohl die Museen des Zweckverbandes mittlerweile ein wichtiger Teil des Tourismuskonzepts der Region Fichtelgebirge sind, müssen hier noch stärkere Anstrengungen zur touristischen Vermarktung unternommen werden, damit auch überregional ein größerer Bekanntheitsgrad erzielt wird und auch die hiesige Tourismusbranche davon profitieren kann. Rosenthal- Museumsshop

Anbieten vielfältiger Nutzungen: Ein breit gefächertes Angebot neben dem Museumsbetrieb und ständig neue Ideen zur Vermarktung tragen zu einem dauerhaften Erfolg bei. Folgendes wird in Selb- Plößberg zusätzlich angeboten:

Vortrags- und Seminarräume: Diese können je nach Bedarf von unterschiedlichsten Gruppen für fast jede Art von Veranstaltungen genutzt werden. Industrieverbände oder regional ansässige Firmen führen hier ihre Jahreskonferenzen oder Fachtagungen durch, es finden Preisverleihungen und Festveranstaltungen statt. Gruppen, Vereine und Bildungsträger nutzen die hochwertige technische Infrastruktur des Museums für ihre Vorträge und Seminare. Die Veranstaltungen lassen sich fast immer mit Museumsrundgängen oder der Nutzung des Porzellan- Werksverkaufs kombinieren. Blick in das Auditorium

Regelmäßige Sonderausstellungen: Hochwertige Sonderausstellungen bekannter Porzellankünstler und -Designer stellen im Industrie-museum Selb- Plößberg immer auch Highlights des kulturellen Lebens der Stadt und der Region dar.

Gastronomie: Eine dem Charakter des Museums entsprechende Gastronomie bringt ebenfalls zusätzliche Besucher ins Haus. Dadurch ist das Museum in der Lage, auch große Veranstaltungen anzubieten und in Zusammenarbeit mit dem Gaststättenpächter gastronomisch abzusichern. Blick in die Gaststätte Außenveranstaltungen: Der Festplatz kann für Open- Air- Veranstaltungen genutzt werden, da sich die Außenterrasse der Gaststätte als Bühne nutzen lässt. Die Museumshöfe dienen als stimmungsvolle Kulisse für Handwerkermärkte und Museumsfeste.

Akzeptanz in der Politik und der Öffentlichkeit: Wichtig ist die Akzeptanz einer solchen Einrichtung. Es müssen große Anstrengungen unternommen werden, damit auch in Zeiten knapper Kassen Verständnis dafür aufgebracht wird, dass sich der Betrieb eines Industriemuseums lohnt und Sinn macht. Dazu ist es wichtig, dass die geleistete Museumsarbeit, die soziale Funktion und die überregionale Bedeutung, die ein solches Museum hat, in der Öffentlichkeit und den politischen Gremien ausreichend dargestellt wird.

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Page 12: Industriekonzept

4.6. Fazit: Das Verständnis für den Erhalt der Industriekultur und ihrer Denkmäler muss unbedingt gestärkt werden. Noch immer wird viel zu viel Bausubstanz bedenkenlos abgerissen, ohne darüber nachzudenken, ob es nicht auch andere Weiternutzungsmöglichkeiten gibt. Nicht nur Schlösser, Burgen und pittoreske Innenstädte sind erhaltenswert, sondern auch die Zeugnisse vergangener Industriezeitalter, die ebenfalls unsere Landschaft prägen und Ausdruck der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung des Landes in den letzten 150 Jahren sind. Sie spiegeln ebenfalls den Willen ihrer Erbauer wieder, auch im Industriebau einen hohen Grad an Gestaltung und städtebaulichen Geschick zum Ausdruck zu bringen, was die Bauten der heutigen Zeit gelegentlich vermissen lassen.

Der Aufbau des Industriemuseums Selb- Plößberg wäre ohne eine visionäre Idee, ohne das Engagement und die Einsatzbereitschaft aller am Bau Beteiligten und ohne die Unterstützung der zahlreichen Zuschussgeber und Förderer niemals möglich gewesen.

In Zeiten knapper Kassen lassen sich solche großen Projekte nur abschnittsweise durchführen. Deshalb ist es wichtig, dass dem Projekt eine durchgehende Konzeption zugrunde liegt, die auch in Teilabschnitten funktionsfähig ist und Änderungen und Anpassungen verträgt.

Damit die Kosten unter Kontrolle gehalten und die Fertigstellungstermine gehalten werden können, ist es vorteilhaft, wenn sich die technische Bauherrenvertretung direkt vor Ort befindet und von dort aus agiert. So lassen sich die bei Sanierungen unweigerlich auftretenden unvorhergesehenen Probleme schneller erkennen, damit sie mit den beteiligten Planern erörtert und entsprechende Lösungen gefunden werden können. Der Beschluss des Zweckbandes Deutsches Porzellanmuseum, die technische Bauherrenvertretung nach Selb- Plößberg zu beordern, hat dazu geführt, dass die zuvor aufgetretenen Schwierigkeiten und Bauzeitenverzögerungen überwunden werden konnten und die Bauabschnitte unter Wahrung des Kostenrahmens pünktlich fertiggestellt wurden.

Luftbild von der Gesamtanlage (heutiger Zustand)

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