intelligenztest für die fabrik

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Die Informationsflut in der Fertigung nimmt zu. Produktionsabläufe lassen sich oft effizienter gestalten. Anja Steinbuch Hamburg I n der Fertigungshalle des Me- tallverarbeitungsbetriebs TMS in der Nähe von Trier läuft fast alles automatisch. Ein Laserge- rät schneidet Metallstufen für eine Baumaschine zu, daneben trennt ein Gerät Halterungen für den Fassadenbau aus einem Blech. Eine dritte Maschine fertigt Antirutschgit- ter, die für Außentreppen benötigt werden. Die Produktionsautomaten werden laufend mit Konstruktions- daten gefüttert, fertigeTeile schicken sie selbsttätig an ein angebundenes Hochregallager. Eine automatisierte und vernetzte Fabrik wie diese erzeugt eine regel- rechte Flut an Informationen: Sen- soren überwachen die Arbeitsschrit- te. Maschinen kommunizieren mit anderen Maschinen. Der Datenberg, der dabei anfällt, ist ein kostbares Gut: Wer die einzelnen Infohappen miteinander verknüpfen kann und daraus Schlussfolgerungen zieht, kann Prozesse effizienter und flexib- ler gestalten sowie aussagekräftige Prognosen treffen. Mittelständlern fällt es aber oft schwer, den Wissens- vorsprung zu nutzen. Die systematische Analyse von Produktionsdaten erhöht dieWettbewerbskraft der Industrie. Intelligenztest für die Fabrik Handelsblatt Nr. 040 vom 26.02.2014 Seite 052 Specials Der deutsche Mittelstand Laut einer Studie der Beratungs- firma Pierre Audoin Consultants (PAC) sehen zwei Drittel der Produk- tionsleiter im industriellen Mittel- stand die Welle an Informationen als „sehr große IT-Herausforderung“. Über den Handlungsbedarf sind sich die meisten bewusst: „Das ra- sante Datenwachstum wird insbe- sondere in der Produktion zuneh- mend als drängendes Problem er- kannt“, sagt PAC-Berater Karsten Leclerque.Vor allem fertigungsnahe Prüfdaten und Qualitätskennzahlen sowie Datenmengen aus der Lager- und Transportlogistik müssten mit geeigneten IT-Lösungen bewältigt werden. „Die Vernetzung der Produktion und der Logistik ist die Grundlage für die Verbesserung bestehender Fertigungsabläufe“, sagt Klaus Bau- er, Entwicklungsleiter für Basistech- nologien bei dem Werkzeugmaschi- nenhersteller Trumpf. Um diese Idee einer intelligenten Fabrik, die unter dem Schlagwort Industrie 4.0 diskutiert wird, in der Praxis umzu- setzen sei die Verarbeitung großer Datenmengen „von zentraler Be- deutung“, meint Berater Leclerque. In einer Fabrikhalle von Siemens in der Oberpfalz wird die Herausfor- derung des Phänomens Big Data deutlich: 1995 wurden hier täglich 5 000 Daten erhoben, heute sind es mehr als 50 Millionen. Alle Maschi- nen sind online, für die Qualitäts- kontrolle gibt es mehr als 1 000 Sen- soren, für die Logistik im Werk mehr als 1 000 Scanner. Um die Daten zu ordnen, auszu- werten und so aufzubereiten, dass sie dem Management als Entschei- dungsgrundlage dienen können, be- darf es einer leistungsstarken Analy- setechnik. Konzerne wie SAS, SAP, IBM, BlueYonder,T-Systems, Fujitsu und Hewlett-Packard haben sich in dem neuen Marktsegment mit ent- sprechenden Softwareangeboten positioniert. DasVersprechen der IT-Dienstleis- ter: Je mehr Daten erfasst, gespei- chert und analysiert werden, desto detaillierter wird das Bild davon, wie kleinste Elemente innerhalb eines Produktionsprozesses miteinander zusammenhängen. Produktionsleiter erhalten so ein Frühwarnsystem. Es weist auf be- vorstehende Ausfälle einzelner Ma- schinen oder drohenden Qualitäts- verlust hin – und zeigt gleichzeitig, was an welcher Stelle zu tun ist, um den Prozess wieder ins Lot zu brin- gen. „Der Fertigungsleiter weiß zu jedem Zeitpunkt, wie seine Produk- tion derzeit läuft und wie sie morgen und übermorgen voraussichtlich laufen wird“, sagt Gerhard Altmann, der beim IT-Konzern SAS für den Be- reich Produktion verantwortlich ist. In einer Studie, die SAS in Auftrag gegeben hat, zeigt sich, dass Mittel- ständler hohe Erwartungen an Big- Data-Lösungen haben: Über 80 Pro- zent gehen davon aus, dass die Ana- lyse von Maschinendaten für die eigene Firma weiter an Bedeutung gewinnen wird, ergab die vom Mei- nungsforschungsinstitut Forsa unter 200 Unternehmen durchgeführte Umfrage. Dass die Datenmengen für den in- dustriellen Mittelstand eine Chance darstellen, steht auch für Norbert Gronau, Lehrstuhlinhaber am Insti- tut für Wirtschaftsinformatik der Universität Potsdam, außer Frage. Die Betriebe sollten die Möglichkei- ten nutzen, an zusätzliche Informa- tionen zu kommen, „um fitter und intelligenter zu werden“, rät Gro- nau. Doch er weiß, dass den Unter- nehmen noch ein weiter Weg bevor- steht: Einer Studie seiner Hochschu- le zufolge, wertet erst ein Drittel der Fertigungsbetriebe im deutschspra- chigen Raum Maschinen- und Sen- sordaten aus. Das Urteil der For- scher fällt ernüchternd aus: Analyse- software für die Optimierung der Produktion wird laut ihren Erkennt- nissen nur spontan, einzelfallbezo- gen und wenig strategisch einge- setzt. Er hält Anleihen aus einem weite- ger Faktoren Schaden nehmen.“ © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

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Die systematische Analyse von Produktionsdaten erhöht die Wettbewerbskraft der Industrie.

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Page 1: Intelligenztest für die Fabrik

► Die Informationsflutin der Fertigung nimmt zu.

► Produktionsabläufe lassensichoft effizienter gestalten.

Anja SteinbuchHamburg

In der Fertigungshalle des Me-tallverarbeitungsbetriebsTMSin der NähevonTrier läuft fastalles automatisch.EinLaserge-rät schneidet Metallstufen für

eine Baumaschine zu, danebentrennteinGerätHalterungenfürdenFassadenbau auseinem Blech. EinedritteMaschine fertigtAntirutschgit-ter, die für Außentreppen benötigtwerden.DieProduktionsautomatenwerden laufend mit Konstruktions-datengefüttert, fertigeTeile schickensie selbsttätig an ein angebundenesHochregallager.

Eine automatisierte und vernetzteFabrikwie diese erzeugt eine regel-rechte Flut an Informationen: Sen-sorenüberwachendie Arbeitsschrit-te. Maschinen kommunizieren mitanderen Maschinen. Der Datenberg,der dabei anfällt, ist ein kostbaresGut:Wer die einzelnen Infohappenmiteinander verknüpfen kann unddaraus Schlussfolgerungen zieht,kann Prozesseeffizienterund flexib-ler gestalten sowie aussagekräftigePrognosen treffen. Mittelständlernfällt es aberoft schwer,denWissens-vorsprung zu nutzen.

Laut einer Studie der Beratungs-firma Pierre Audoin Consultants(PAC) sehen zwei Drittel der Produk-tionsleiter im industriellen Mittel-standdieWelle an Informationen als„sehr große IT-Herausforderung“.Über den Handlungsbedarf sindsich die meisten bewusst: „Das ra-sante Datenwachstum wird insbe-

sondere in der Produktion zuneh-mend als drängendes Problem er-kannt“, sagt PAC-Berater KarstenLeclerque.Vor allem fertigungsnahePrüfdatenundQualitätskennzahlensowie Datenmengen aus der Lager-und Transportlogistik müssten mitgeeigneten IT-Lösungen bewältigtwerden.

„Die Vernetzung der Produktionund der Logistik ist die Grundlagefür die Verbesserung bestehenderFertigungsabläufe“, sagt Klaus Bau-er, Entwicklungsleiter für Basistech-nologien bei demWerkzeugmaschi-nenhersteller Trumpf. Um dieseIdee einer intelligenten Fabrik, dieunterdem Schlagwort Industrie 4.0diskutiertwird, in der Praxis umzu-setzen sei die Verarbeitung großerDatenmengen „von zentraler Be-deutung“, meint Berater Leclerque.

In einer Fabrikhalle von SiemensinderOberpfalzwirddie Herausfor-derung des Phänomens Big Datadeutlich: 1995 wurden hier täglich5 000 Datenerhoben, heute sindesmehr als 50 Millionen. Alle Maschi-nen sind online, für die Qualitäts-kontrolle gibt es mehr als 1 000 Sen-soren, fürdie Logistik imWerk mehrals 1 000 Scanner.

Um die Daten zu ordnen, auszu-werten und so aufzubereiten, dasssie dem Management als Entschei-dungsgrundlagedienen können, be-darf es einer leistungsstarken Analy-setechnik. Konzerne wie SAS, SAP,IBM, BlueYonder,T-Systems, Fujitsuund Hewlett-Packard haben sich indem neuen Marktsegment mit ent-sprechenden Softwareangebotenpositioniert.

DasVersprechender IT-Dienstleis-ter: Je mehr Daten erfasst, gespei-chert und analysiert werden, destodetaillierterwirddas Bilddavon,wiekleinste Elemente innerhalb einesProduktionsprozesses miteinanderzusammenhängen.

Produktionsleiter erhalten so einFrühwarnsystem. Es weist auf be-vorstehende Ausfälle einzelner Ma-schinen oder drohenden Qualitäts-verlust hin – und zeigt gleichzeitig,was anwelcher Stelle zu tun ist, umden Prozesswieder ins Lot zu brin-gen. „Der Fertigungsleiter weiß zujedem Zeitpunkt,wie seine Produk-tionderzeit läuftundwie sie morgenund übermorgen voraussichtlichlaufenwird“, sagtGerhard Altmann,der beim IT-Konzern SAS fürden Be-reich Produktionverantwortlich ist.

In einer Studie, die SAS in Auftraggegeben hat, zeigt sich, dass Mittel-ständler hohe Erwartungen an Big-Data-Lösungen haben:Über 80 Pro-zent gehen davon aus, dass die Ana-lyse von Maschinendaten für dieeigene Firma weiter an Bedeutunggewinnen wird, ergab die vom Mei-nungsforschungsinstitut Forsaunter200 Unternehmen durchgeführteUmfrage.

Dass die Datenmengen für den in-dustriellenMittelstand eineChancedarstellen, steht auch für NorbertGronau, Lehrstuhlinhaber am Insti-tut für Wirtschaftsinformatik derUniversität Potsdam, außer Frage.Die Betriebe sollten die Möglichkei-ten nutzen, an zusätzliche Informa-tionen zu kommen, „um fitter undintelligenter zu werden“, rät Gro-nau. Doch er weiß, dass den Unter-nehmen nocheinweiterWeg bevor-steht: Einer Studie seiner Hochschu-le zufolge,wertet erst ein Drittel derFertigungsbetriebe im deutschspra-chigen Raum Maschinen- und Sen-sordaten aus. Das Urteil der For-scher fällt ernüchternd aus: Analyse-software für die Optimierung derProduktionwird laut ihren Erkennt-nissen nur spontan, einzelfallbezo-gen und wenig strategisch einge-setzt.

Die systematische Analyse von Produktionsdaten erhöht dieWettbewerbskraft der Industrie.

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Handelsblatt Nr. 040 vom 26.02.2014 Seite 052

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► Produktionsabläufe lassensichoft effizienter gestalten.

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► Produktionsabläufe lassensichoft effizienter gestalten.

Anja SteinbuchHamburg

In der Fertigungshalle des Me-tallverarbeitungsbetriebsTMSin der NähevonTrier läuft fastalles automatisch.EinLaserge-rät schneidet Metallstufen für

eine Baumaschine zu, danebentrennteinGerätHalterungenfürdenFassadenbau auseinem Blech. EinedritteMaschine fertigtAntirutschgit-ter, die für Außentreppen benötigtwerden.DieProduktionsautomatenwerden laufend mit Konstruktions-datengefüttert, fertigeTeile schickensie selbsttätig an ein angebundenesHochregallager.

Eine automatisierte und vernetzteFabrikwie diese erzeugt eine regel-rechte Flut an Informationen: Sen-sorenüberwachendie Arbeitsschrit-te. Maschinen kommunizieren mitanderen Maschinen. Der Datenberg,der dabei anfällt, ist ein kostbaresGut:Wer die einzelnen Infohappenmiteinander verknüpfen kann unddaraus Schlussfolgerungen zieht,kann Prozesseeffizienterund flexib-ler gestalten sowie aussagekräftigePrognosen treffen. Mittelständlernfällt es aberoft schwer,denWissens-vorsprung zu nutzen.

Laut einer Studie der Beratungs-firma Pierre Audoin Consultants(PAC) sehen zwei Drittel der Produk-tionsleiter im industriellen Mittel-standdieWelle an Informationen als„sehr große IT-Herausforderung“.Über den Handlungsbedarf sindsich die meisten bewusst: „Das ra-sante Datenwachstum wird insbe-

sondere in der Produktion zuneh-mend als drängendes Problem er-kannt“, sagt PAC-Berater KarstenLeclerque.Vor allem fertigungsnahePrüfdatenundQualitätskennzahlensowie Datenmengen aus der Lager-und Transportlogistik müssten mitgeeigneten IT-Lösungen bewältigtwerden.

„Die Vernetzung der Produktionund der Logistik ist die Grundlagefür die Verbesserung bestehenderFertigungsabläufe“, sagt Klaus Bau-er, Entwicklungsleiter für Basistech-nologien bei demWerkzeugmaschi-nenhersteller Trumpf. Um dieseIdee einer intelligenten Fabrik, dieunterdem Schlagwort Industrie 4.0diskutiertwird, in der Praxis umzu-setzen sei die Verarbeitung großerDatenmengen „von zentraler Be-deutung“, meint Berater Leclerque.

In einer Fabrikhalle von SiemensinderOberpfalzwirddie Herausfor-derung des Phänomens Big Datadeutlich: 1995 wurden hier täglich5 000 Datenerhoben, heute sindesmehr als 50 Millionen. Alle Maschi-nen sind online, für die Qualitäts-kontrolle gibt es mehr als 1 000 Sen-soren, fürdie Logistik imWerk mehrals 1 000 Scanner.

Um die Daten zu ordnen, auszu-werten und so aufzubereiten, dasssie dem Management als Entschei-dungsgrundlagedienen können, be-darf es einer leistungsstarken Analy-setechnik. Konzerne wie SAS, SAP,IBM, BlueYonder,T-Systems, Fujitsuund Hewlett-Packard haben sich indem neuen Marktsegment mit ent-sprechenden Softwareangebotenpositioniert.

DasVersprechender IT-Dienstleis-ter: Je mehr Daten erfasst, gespei-chert und analysiert werden, destodetaillierterwirddas Bilddavon,wiekleinste Elemente innerhalb einesProduktionsprozesses miteinanderzusammenhängen.

Produktionsleiter erhalten so einFrühwarnsystem. Es weist auf be-vorstehende Ausfälle einzelner Ma-schinen oder drohenden Qualitäts-verlust hin – und zeigt gleichzeitig,was anwelcher Stelle zu tun ist, umden Prozesswieder ins Lot zu brin-gen. „Der Fertigungsleiter weiß zujedem Zeitpunkt,wie seine Produk-tionderzeit läuftundwie sie morgenund übermorgen voraussichtlichlaufenwird“, sagtGerhard Altmann,der beim IT-Konzern SAS fürden Be-reich Produktionverantwortlich ist.

In einer Studie, die SAS in Auftraggegeben hat, zeigt sich, dass Mittel-ständler hohe Erwartungen an Big-Data-Lösungen haben:Über 80 Pro-zent gehen davon aus, dass die Ana-lyse von Maschinendaten für dieeigene Firma weiter an Bedeutunggewinnen wird, ergab die vom Mei-nungsforschungsinstitut Forsaunter200 Unternehmen durchgeführteUmfrage.

Dass die Datenmengen für den in-dustriellenMittelstand eineChancedarstellen, steht auch für NorbertGronau, Lehrstuhlinhaber am Insti-tut für Wirtschaftsinformatik derUniversität Potsdam, außer Frage.Die Betriebe sollten die Möglichkei-ten nutzen, an zusätzliche Informa-tionen zu kommen, „um fitter undintelligenter zu werden“, rät Gro-nau. Doch er weiß, dass den Unter-nehmen nocheinweiterWeg bevor-steht: Einer Studie seiner Hochschu-le zufolge,wertet erst ein Drittel derFertigungsbetriebe im deutschspra-chigen Raum Maschinen- und Sen-sordaten aus. Das Urteil der For-scher fällt ernüchternd aus: Analyse-software für die Optimierung derProduktionwird laut ihren Erkennt-nissen nur spontan, einzelfallbezo-gen und wenig strategisch einge-setzt.

Die systematische Analyse von Produktionsdaten erhöht dieWettbewerbskraft der Industrie.

Intelligenztest für die Fabrik

Handelsblatt Nr. 040 vom 26.02.2014 Seite 052

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► Die Informationsflutin der Fertigung nimmt zu.

► Produktionsabläufe lassensichoft effizienter gestalten.

Anja SteinbuchHamburg

In der Fertigungshalle des Me-tallverarbeitungsbetriebsTMSin der NähevonTrier läuft fastalles automatisch.EinLaserge-rät schneidet Metallstufen für

eine Baumaschine zu, danebentrennteinGerätHalterungenfürdenFassadenbau auseinem Blech. EinedritteMaschine fertigtAntirutschgit-ter, die für Außentreppen benötigtwerden.DieProduktionsautomatenwerden laufend mit Konstruktions-datengefüttert, fertigeTeile schickensie selbsttätig an ein angebundenesHochregallager.

Eine automatisierte und vernetzteFabrikwie diese erzeugt eine regel-rechte Flut an Informationen: Sen-sorenüberwachendie Arbeitsschrit-te. Maschinen kommunizieren mitanderen Maschinen. Der Datenberg,der dabei anfällt, ist ein kostbaresGut:Wer die einzelnen Infohappenmiteinander verknüpfen kann unddaraus Schlussfolgerungen zieht,kann Prozesseeffizienterund flexib-ler gestalten sowie aussagekräftigePrognosen treffen. Mittelständlernfällt es aberoft schwer,denWissens-vorsprung zu nutzen.

Laut einer Studie der Beratungs-firma Pierre Audoin Consultants(PAC) sehen zwei Drittel der Produk-tionsleiter im industriellen Mittel-standdieWelle an Informationen als„sehr große IT-Herausforderung“.Über den Handlungsbedarf sindsich die meisten bewusst: „Das ra-sante Datenwachstum wird insbe-

sondere in der Produktion zuneh-mend als drängendes Problem er-kannt“, sagt PAC-Berater KarstenLeclerque.Vor allem fertigungsnahePrüfdatenundQualitätskennzahlensowie Datenmengen aus der Lager-und Transportlogistik müssten mitgeeigneten IT-Lösungen bewältigtwerden.

„Die Vernetzung der Produktionund der Logistik ist die Grundlagefür die Verbesserung bestehenderFertigungsabläufe“, sagt Klaus Bau-er, Entwicklungsleiter für Basistech-nologien bei demWerkzeugmaschi-nenhersteller Trumpf. Um dieseIdee einer intelligenten Fabrik, dieunterdem Schlagwort Industrie 4.0diskutiertwird, in der Praxis umzu-setzen sei die Verarbeitung großerDatenmengen „von zentraler Be-deutung“, meint Berater Leclerque.

In einer Fabrikhalle von SiemensinderOberpfalzwirddie Herausfor-derung des Phänomens Big Datadeutlich: 1995 wurden hier täglich5 000 Datenerhoben, heute sindesmehr als 50 Millionen. Alle Maschi-nen sind online, für die Qualitäts-kontrolle gibt es mehr als 1 000 Sen-soren, fürdie Logistik imWerk mehrals 1 000 Scanner.

Um die Daten zu ordnen, auszu-werten und so aufzubereiten, dasssie dem Management als Entschei-dungsgrundlagedienen können, be-darf es einer leistungsstarken Analy-setechnik. Konzerne wie SAS, SAP,IBM, BlueYonder,T-Systems, Fujitsuund Hewlett-Packard haben sich indem neuen Marktsegment mit ent-sprechenden Softwareangebotenpositioniert.

DasVersprechender IT-Dienstleis-ter: Je mehr Daten erfasst, gespei-chert und analysiert werden, destodetaillierterwirddas Bilddavon,wiekleinste Elemente innerhalb einesProduktionsprozesses miteinanderzusammenhängen.

Produktionsleiter erhalten so einFrühwarnsystem. Es weist auf be-vorstehende Ausfälle einzelner Ma-schinen oder drohenden Qualitäts-verlust hin – und zeigt gleichzeitig,was anwelcher Stelle zu tun ist, umden Prozesswieder ins Lot zu brin-gen. „Der Fertigungsleiter weiß zujedem Zeitpunkt,wie seine Produk-tionderzeit läuftundwie sie morgenund übermorgen voraussichtlichlaufenwird“, sagtGerhard Altmann,der beim IT-Konzern SAS fürden Be-reich Produktionverantwortlich ist.

In einer Studie, die SAS in Auftraggegeben hat, zeigt sich, dass Mittel-ständler hohe Erwartungen an Big-Data-Lösungen haben:Über 80 Pro-zent gehen davon aus, dass die Ana-lyse von Maschinendaten für dieeigene Firma weiter an Bedeutunggewinnen wird, ergab die vom Mei-nungsforschungsinstitut Forsaunter200 Unternehmen durchgeführteUmfrage.

Dass die Datenmengen für den in-dustriellenMittelstand eineChancedarstellen, steht auch für NorbertGronau, Lehrstuhlinhaber am Insti-tut für Wirtschaftsinformatik derUniversität Potsdam, außer Frage.Die Betriebe sollten die Möglichkei-ten nutzen, an zusätzliche Informa-tionen zu kommen, „um fitter undintelligenter zu werden“, rät Gro-nau. Doch er weiß, dass den Unter-nehmen nocheinweiterWeg bevor-steht: Einer Studie seiner Hochschu-le zufolge,wertet erst ein Drittel derFertigungsbetriebe im deutschspra-chigen Raum Maschinen- und Sen-sordaten aus. Das Urteil der For-scher fällt ernüchternd aus: Analyse-software für die Optimierung derProduktionwird laut ihren Erkennt-nissen nur spontan, einzelfallbezo-gen und wenig strategisch einge-setzt.

Die systematische Analyse von Produktionsdaten erhöht dieWettbewerbskraft der Industrie.

Intelligenztest für die Fabrik

Handelsblatt Nr. 040 vom 26.02.2014 Seite 052

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► Die Informationsflutin der Fertigung nimmt zu.

► Produktionsabläufe lassensichoft effizienter gestalten.

Anja SteinbuchHamburg

In der Fertigungshalle des Me-tallverarbeitungsbetriebsTMSin der NähevonTrier läuft fastalles automatisch.EinLaserge-rät schneidet Metallstufen für

eine Baumaschine zu, danebentrennteinGerätHalterungenfürdenFassadenbau auseinem Blech. EinedritteMaschine fertigtAntirutschgit-ter, die für Außentreppen benötigtwerden.DieProduktionsautomatenwerden laufend mit Konstruktions-datengefüttert, fertigeTeile schickensie selbsttätig an ein angebundenesHochregallager.

Eine automatisierte und vernetzteFabrikwie diese erzeugt eine regel-rechte Flut an Informationen: Sen-sorenüberwachendie Arbeitsschrit-te. Maschinen kommunizieren mitanderen Maschinen. Der Datenberg,der dabei anfällt, ist ein kostbaresGut:Wer die einzelnen Infohappenmiteinander verknüpfen kann unddaraus Schlussfolgerungen zieht,kann Prozesseeffizienterund flexib-ler gestalten sowie aussagekräftigePrognosen treffen. Mittelständlernfällt es aberoft schwer,denWissens-vorsprung zu nutzen.

Laut einer Studie der Beratungs-firma Pierre Audoin Consultants(PAC) sehen zwei Drittel der Produk-tionsleiter im industriellen Mittel-standdieWelle an Informationen als„sehr große IT-Herausforderung“.Über den Handlungsbedarf sindsich die meisten bewusst: „Das ra-sante Datenwachstum wird insbe-

sondere in der Produktion zuneh-mend als drängendes Problem er-kannt“, sagt PAC-Berater KarstenLeclerque.Vor allem fertigungsnahePrüfdatenundQualitätskennzahlensowie Datenmengen aus der Lager-und Transportlogistik müssten mitgeeigneten IT-Lösungen bewältigtwerden.

„Die Vernetzung der Produktionund der Logistik ist die Grundlagefür die Verbesserung bestehenderFertigungsabläufe“, sagt Klaus Bau-er, Entwicklungsleiter für Basistech-nologien bei demWerkzeugmaschi-nenhersteller Trumpf. Um dieseIdee einer intelligenten Fabrik, dieunterdem Schlagwort Industrie 4.0diskutiertwird, in der Praxis umzu-setzen sei die Verarbeitung großerDatenmengen „von zentraler Be-deutung“, meint Berater Leclerque.

In einer Fabrikhalle von SiemensinderOberpfalzwirddie Herausfor-derung des Phänomens Big Datadeutlich: 1995 wurden hier täglich5 000 Datenerhoben, heute sindesmehr als 50 Millionen. Alle Maschi-nen sind online, für die Qualitäts-kontrolle gibt es mehr als 1 000 Sen-soren, fürdie Logistik imWerk mehrals 1 000 Scanner.

Um die Daten zu ordnen, auszu-werten und so aufzubereiten, dasssie dem Management als Entschei-dungsgrundlagedienen können, be-darf es einer leistungsstarken Analy-setechnik. Konzerne wie SAS, SAP,IBM, BlueYonder,T-Systems, Fujitsuund Hewlett-Packard haben sich indem neuen Marktsegment mit ent-sprechenden Softwareangebotenpositioniert.

DasVersprechender IT-Dienstleis-ter: Je mehr Daten erfasst, gespei-chert und analysiert werden, destodetaillierterwirddas Bilddavon,wiekleinste Elemente innerhalb einesProduktionsprozesses miteinanderzusammenhängen.

Produktionsleiter erhalten so einFrühwarnsystem. Es weist auf be-vorstehende Ausfälle einzelner Ma-schinen oder drohenden Qualitäts-verlust hin – und zeigt gleichzeitig,was anwelcher Stelle zu tun ist, umden Prozesswieder ins Lot zu brin-gen. „Der Fertigungsleiter weiß zujedem Zeitpunkt,wie seine Produk-tionderzeit läuftundwie sie morgenund übermorgen voraussichtlichlaufenwird“, sagtGerhard Altmann,der beim IT-Konzern SAS fürden Be-reich Produktionverantwortlich ist.

In einer Studie, die SAS in Auftraggegeben hat, zeigt sich, dass Mittel-ständler hohe Erwartungen an Big-Data-Lösungen haben:Über 80 Pro-zent gehen davon aus, dass die Ana-lyse von Maschinendaten für dieeigene Firma weiter an Bedeutunggewinnen wird, ergab die vom Mei-nungsforschungsinstitut Forsaunter200 Unternehmen durchgeführteUmfrage.

Dass die Datenmengen für den in-dustriellenMittelstand eineChancedarstellen, steht auch für NorbertGronau, Lehrstuhlinhaber am Insti-tut für Wirtschaftsinformatik derUniversität Potsdam, außer Frage.Die Betriebe sollten die Möglichkei-ten nutzen, an zusätzliche Informa-tionen zu kommen, „um fitter undintelligenter zu werden“, rät Gro-nau. Doch er weiß, dass den Unter-nehmen nocheinweiterWeg bevor-steht: Einer Studie seiner Hochschu-le zufolge,wertet erst ein Drittel derFertigungsbetriebe im deutschspra-chigen Raum Maschinen- und Sen-sordaten aus. Das Urteil der For-scher fällt ernüchternd aus: Analyse-software für die Optimierung derProduktionwird laut ihren Erkennt-nissen nur spontan, einzelfallbezo-gen und wenig strategisch einge-setzt.

Die systematische Analyse von Produktionsdaten erhöht dieWettbewerbskraft der Industrie.

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► Hohe Kupons sind kaumdurch Mieten zu decken.

► Vorsicht bei Anleihen zurFinanzierungvon Projekten.

Reiner ReichelDüsseldorf

Sparbuchzinsen: nichtmessbar. Tagesgeld-Zin-sen:umeinProzent. Zehn-jährige Bundesanleihen:imSchnitt 1,4 ProzentRen-

dite. Anleihen deutscher Immobi-lienunternehmen sind viel verlo-ckender, rentieren siedochbis zu 16Prozent.Das Zinsniveau ist zwar niedrig.

Dochdass die Renditemit demRisi-ko steigen muss, gilt immer. Daswissen auch Anleger – und nicht al-le wollen offenbar am oberen Risi-ko- und Renditeende kaufen. Des-halb hatten die beiden Unterneh-menTAG ImmobilienundDICAssetauch mit einer Fünf vor dem Zins-komma keineMühe, imVorjahr be-gebene Anleihen im Februar aufzu-stocken, und zwar zu höheren Aus-gabekursen als 2013 (siehe Grafik).Doch Kupons von fünf Prozent

undmehr sollten Anleger eigentlichstutzigmachen.Warum finanzierensichdie Firmen nichtwesentlich bil-liger bei einer Bank?Eine Antwort:VomKapitalmarkt

gibt es schneller Geld als von einerBank. Das gilt jedenfalls für Unter-nehmen, die am Kapitalmarkt ein-geführt sind – etwa börsennotierte

Gesellschaften, zu denen auchGrandCity, Adler und Estavis gehö-ren. Die Bank prüft nämlich sehraufwendig,was sie finanzieren soll.Das kostet Zeit. Der Anleihegläubi-ger hingegenmuss sich ohne eigenePrüfung daraufverlassen, dass seinGeld so investiert wird, dass es dieZinsen verdient.Die zweite Antwort: Der Emittent

bekommt schlicht kein Geld vonder Bank oder höchstens zuschlechteren Konditionen als aufdem Anleihemarkt.

Die Immobilienmarktforscher Bul-wienGesaundder Kapitalmarktbe-rater Flatow Advisory Partners ha-ben in einer Umfrage festgestellt,dass Kreditinstitute zurzeit Gebäu-de im Schnitt bis zu 70 Prozent be-leihen und Bestandsgebäude fürfünf Jahre zu drei Prozent finanzie-ren.Will eineGesellschaft etwa einImmobilienpaket mit nur 20 Pro-zent Eigenkapital kaufen, könnteein Fonds die über die Bankfinan-zierung hinausgehenden zehn Pro-zent übernehmen. Erwürdewahr-scheinlich eine zweistelligeVerzin-sung verlangen. Dieses Darlehenwäre nachrangig. Gerät das Unter-nehmen in Schieflage, bedient sichzuerst die Bank. Eine Anleihe miteinemeinstelligen Kupon ist für dasUnternehmen günstiger. Die Anle-ger übernehmendas gleiche Risikozu einem geringeren Preis.Sicher ist, dass sich aus Mietren-

diten nach BewirtschaftungskostenKupons von mehr als fünf Prozentkaum bezahlen lassen, schon garnicht bei Wohnungen. Deswegen

sollten Anleger auf die durch-schnittliche Zinslast über die kom-plette Fremdfinanzierung schauen.DieTAG gibt eine durchschnittlicheZinslast von 3,7 Prozent an. Dieschnell wachsende Adler RealEstate,wieTAGeinWohnungsinves-tor, nennt auf Anfrage fünf Prozent.Für Projektentwicklungen seien

Kredite sogar zu 2,75 Prozent zu be-kommen, berichtet FAP-PartnerCurth-C. Flatow. Das klingt para-dox, denn Bauvorhaben zu finan-zieren ist riskanter, als vermieteteGebäude zu beleihen. Die Auflö-sung: Neubauten, die innerhalbvonzwei bis drei Jahren bezugsfertigsind, werden mit variablen Zinsenfinanziert. Trotz höherer Margender Banken sind die Konditionengegenwärtig günstiger als für einefünfjährige Zinsbindung.TrotzdemwarbenundwerbenGesellschaftenwie Cloud No. 7, Euroboden, Sternund Timeless Home zurzeit überAnleihen Gelder für ihre Projektebei privaten Anlegern ein.

Banken schauen besonders genauhin, bevor sie Projekte finanzieren.Alswichtige Kriterien für die Kredit-vergabe nennt Andreas Pohl, Vor-standssprecher der Deutschen Hy-po, Bonität, die Leistungsbilanz frü-herer Objekte, Lage der Grund-stücke undVorvermietungsquote.Für Privatanleger seiendiese Kri-

terien schwer zu beurteilen, genau-sowie das Risikoverspäteter Fertig-stellung und steigender Kosten,meint Kapitalmarktexperte Flatow.Er hält Anleihen aus einem weite-

ren Grund für ungeeignet zur Pro-jektfinanzierung. „Es fließen keineregelmäßigenMieteinnahmen, ausdenen die Anleihe bedientwerdenkann.“ Die Anleihe zum Bau desHotel- undWohnkomplexes CloudNo. 7 war trotzdem ein Erfolg, derdemnächst Nachahmer finden soll.Der ProjektentwicklerGewawill aufgleicheWeise seinenWohnturm inStuttgart-Fellbach finanzieren.Angesichts derunterschiedlichen

Risikoprofile und Renditen seiensolche Anleihen für Privatanlegernur bedingt geeignet, meint Wolf-gang Kubatzki, Immobilienexperte

beim Analysehaus Feri. „Eine ein-gehende Analyse ist unerlässlich.“Dazu müssen die Prospekte stu-

diert werden.Wer dies tut, erfährtbeispielsweise, dass er die Anleihevon Estavis kündigen kann, wennderWohnungsspezialist von einemanderen Unternehmen übernom-men wird. Es könnte bald so weitsein, denn Adler hat ein Übernah-meangebot für Estavis abgegeben.Angesichts der hohen Verzinsunghätten Anleger keinen Grund zukündigen, findet Estavis-Chef Jaco-po Mingazzini.

Manche Prospekte enthalten auchWunderliches – wie der von Time-less Home, die zudem nicht bereitsind, das platzierte Volumen zunennen, aber „fest“ davon ausge-hen, die Anleihe bis Ende Juni vollzu platzieren. Doch wer zahlt denvollen Emissionspreis, wenn dieAnleihe zum Kurs von 70 Prozentan der Börse notiert. Das Kernge-schäft habe sich positiv entwickelt,unddurchdieVergabevonMarken-lizenzen über den Immobilienbe-reich hinaus habeman gute Erfolgeerzielt und eine zusätzliche Einnah-mequelle geschaffen, auch durchdie Präsentation einer 18-Meter-Lu-xusjacht. Ob Zweifel an diesemKonzept als negative Berichterstat-tung gelten? Die Anleger sind auf je-den Fall gewarnt. Im Prospektsteht: „Die Reputationder Emitten-tin könnte aufgrund negativer Be-richterstattung – selbstwenn dieseungerechtfertigtwäre – oder sonsti-ger Faktoren Schaden nehmen.“

Immobilienunternehmen begebenderzeit vor allem Anleihen,um ihrWachstum zu finanzieren.

GefährlichhoheVerzinsung

Anbieter Neben den Großender Branche, Standard &Poor’s, Moody’s und Fitch, ha-ben sich Creditreform undScope auf die Benotung vonMittelständlern spezialisiert.

Skala Die Bestnote ist „AAA“,die schlechteste je nach An-bieter „C“ oder „D“. „A-“ at-testiert eine gute Bonität undein geringes Ausfallrisiko. Mit„BBB“ bewegt sich ein Unter-nehmen im Bereich stark be-friedigender Bonität und ei-nem geringen bis mittlerenAusfallrisiko, woraus mit „BB“eine nur noch befriedigendeBonität und eine mittlere Aus-fallwahrscheinlichkeit wird.

ANLEIHENDIE NOTEN

Handelsblatt Nr. 042 vom 28.02.2014 Seite 028

Finanzen & Börsen

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► Hohe Kupons sind kaumdurch Mieten zu decken.

► Vorsicht bei Anleihen zurFinanzierungvon Projekten.

Reiner ReichelDüsseldorf

Sparbuchzinsen: nichtmessbar. Tagesgeld-Zin-sen:umeinProzent. Zehn-jährige Bundesanleihen:imSchnitt 1,4 ProzentRen-

dite. Anleihen deutscher Immobi-lienunternehmen sind viel verlo-ckender, rentieren siedochbis zu 16Prozent.Das Zinsniveau ist zwar niedrig.

Dochdass die Renditemit demRisi-ko steigen muss, gilt immer. Daswissen auch Anleger – und nicht al-le wollen offenbar am oberen Risi-ko- und Renditeende kaufen. Des-halb hatten die beiden Unterneh-menTAG ImmobilienundDICAssetauch mit einer Fünf vor dem Zins-komma keineMühe, imVorjahr be-gebene Anleihen im Februar aufzu-stocken, und zwar zu höheren Aus-gabekursen als 2013 (siehe Grafik).Doch Kupons von fünf Prozent

undmehr sollten Anleger eigentlichstutzigmachen.Warum finanzierensichdie Firmen nichtwesentlich bil-liger bei einer Bank?Eine Antwort:VomKapitalmarkt

gibt es schneller Geld als von einerBank. Das gilt jedenfalls für Unter-nehmen, die am Kapitalmarkt ein-geführt sind – etwa börsennotierte

Gesellschaften, zu denen auchGrandCity, Adler und Estavis gehö-ren. Die Bank prüft nämlich sehraufwendig,was sie finanzieren soll.Das kostet Zeit. Der Anleihegläubi-ger hingegenmuss sich ohne eigenePrüfung daraufverlassen, dass seinGeld so investiert wird, dass es dieZinsen verdient.Die zweite Antwort: Der Emittent

bekommt schlicht kein Geld vonder Bank oder höchstens zuschlechteren Konditionen als aufdem Anleihemarkt.

Die Immobilienmarktforscher Bul-wienGesaundder Kapitalmarktbe-rater Flatow Advisory Partners ha-ben in einer Umfrage festgestellt,dass Kreditinstitute zurzeit Gebäu-de im Schnitt bis zu 70 Prozent be-leihen und Bestandsgebäude fürfünf Jahre zu drei Prozent finanzie-ren.Will eineGesellschaft etwa einImmobilienpaket mit nur 20 Pro-zent Eigenkapital kaufen, könnteein Fonds die über die Bankfinan-zierung hinausgehenden zehn Pro-zent übernehmen. Erwürdewahr-scheinlich eine zweistelligeVerzin-sung verlangen. Dieses Darlehenwäre nachrangig. Gerät das Unter-nehmen in Schieflage, bedient sichzuerst die Bank. Eine Anleihe miteinemeinstelligen Kupon ist für dasUnternehmen günstiger. Die Anle-ger übernehmendas gleiche Risikozu einem geringeren Preis.Sicher ist, dass sich aus Mietren-

diten nach BewirtschaftungskostenKupons von mehr als fünf Prozentkaum bezahlen lassen, schon garnicht bei Wohnungen. Deswegen

sollten Anleger auf die durch-schnittliche Zinslast über die kom-plette Fremdfinanzierung schauen.DieTAG gibt eine durchschnittlicheZinslast von 3,7 Prozent an. Dieschnell wachsende Adler RealEstate,wieTAGeinWohnungsinves-tor, nennt auf Anfrage fünf Prozent.Für Projektentwicklungen seien

Kredite sogar zu 2,75 Prozent zu be-kommen, berichtet FAP-PartnerCurth-C. Flatow. Das klingt para-dox, denn Bauvorhaben zu finan-zieren ist riskanter, als vermieteteGebäude zu beleihen. Die Auflö-sung: Neubauten, die innerhalbvonzwei bis drei Jahren bezugsfertigsind, werden mit variablen Zinsenfinanziert. Trotz höherer Margender Banken sind die Konditionengegenwärtig günstiger als für einefünfjährige Zinsbindung.TrotzdemwarbenundwerbenGesellschaftenwie Cloud No. 7, Euroboden, Sternund Timeless Home zurzeit überAnleihen Gelder für ihre Projektebei privaten Anlegern ein.

Banken schauen besonders genauhin, bevor sie Projekte finanzieren.Alswichtige Kriterien für die Kredit-vergabe nennt Andreas Pohl, Vor-standssprecher der Deutschen Hy-po, Bonität, die Leistungsbilanz frü-herer Objekte, Lage der Grund-stücke undVorvermietungsquote.Für Privatanleger seiendiese Kri-

terien schwer zu beurteilen, genau-sowie das Risikoverspäteter Fertig-stellung und steigender Kosten,meint Kapitalmarktexperte Flatow.Er hält Anleihen aus einem weite-

ren Grund für ungeeignet zur Pro-jektfinanzierung. „Es fließen keineregelmäßigenMieteinnahmen, ausdenen die Anleihe bedientwerdenkann.“ Die Anleihe zum Bau desHotel- undWohnkomplexes CloudNo. 7 war trotzdem ein Erfolg, derdemnächst Nachahmer finden soll.Der ProjektentwicklerGewawill aufgleicheWeise seinenWohnturm inStuttgart-Fellbach finanzieren.Angesichts derunterschiedlichen

Risikoprofile und Renditen seiensolche Anleihen für Privatanlegernur bedingt geeignet, meint Wolf-gang Kubatzki, Immobilienexperte

beim Analysehaus Feri. „Eine ein-gehende Analyse ist unerlässlich.“Dazu müssen die Prospekte stu-

diert werden.Wer dies tut, erfährtbeispielsweise, dass er die Anleihevon Estavis kündigen kann, wennderWohnungsspezialist von einemanderen Unternehmen übernom-men wird. Es könnte bald so weitsein, denn Adler hat ein Übernah-meangebot für Estavis abgegeben.Angesichts der hohen Verzinsunghätten Anleger keinen Grund zukündigen, findet Estavis-Chef Jaco-po Mingazzini.

Manche Prospekte enthalten auchWunderliches – wie der von Time-less Home, die zudem nicht bereitsind, das platzierte Volumen zunennen, aber „fest“ davon ausge-hen, die Anleihe bis Ende Juni vollzu platzieren. Doch wer zahlt denvollen Emissionspreis, wenn dieAnleihe zum Kurs von 70 Prozentan der Börse notiert. Das Kernge-schäft habe sich positiv entwickelt,unddurchdieVergabevonMarken-lizenzen über den Immobilienbe-reich hinaus habeman gute Erfolgeerzielt und eine zusätzliche Einnah-mequelle geschaffen, auch durchdie Präsentation einer 18-Meter-Lu-xusjacht. Ob Zweifel an diesemKonzept als negative Berichterstat-tung gelten? Die Anleger sind auf je-den Fall gewarnt. Im Prospektsteht: „Die Reputationder Emitten-tin könnte aufgrund negativer Be-richterstattung – selbstwenn dieseungerechtfertigtwäre – oder sonsti-ger Faktoren Schaden nehmen.“

Immobilienunternehmen begebenderzeit vor allem Anleihen,um ihrWachstum zu finanzieren.

GefährlichhoheVerzinsung

Anbieter Neben den Großender Branche, Standard &Poor’s, Moody’s und Fitch, ha-ben sich Creditreform undScope auf die Benotung vonMittelständlern spezialisiert.

Skala Die Bestnote ist „AAA“,die schlechteste je nach An-bieter „C“ oder „D“. „A-“ at-testiert eine gute Bonität undein geringes Ausfallrisiko. Mit„BBB“ bewegt sich ein Unter-nehmen im Bereich stark be-friedigender Bonität und ei-nem geringen bis mittlerenAusfallrisiko, woraus mit „BB“eine nur noch befriedigendeBonität und eine mittlere Aus-fallwahrscheinlichkeit wird.

ANLEIHENDIE NOTEN

Handelsblatt Nr. 042 vom 28.02.2014 Seite 028

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