internet, das spiegel der gesellschaft

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38 DIGITAL Marketing&Kommunikation8/14 Eine wichtige Voraussetzung für RTB erfüllen viele Shops bereits, denn diese ist auch für Google Shopping und andere Preissuchmaschinen erforder- lich: ein sauber aufbereiteter Produktdatenfeed mit wertvollen Informationen (Attributen). Im Bekleidungsmarkt wären das zum Beispiel Grösse, Farbe oder Art eines Kleidungsstücks. Ins- besondere für eine Re-Targeting- Kampagne, die Bestandskunden erneut anspricht, sind diese In- formationen essenziell. In diesem Zusammenhang sollten Shopbetreiber das Tra- cking prüfen und möglichst viele unterschiedliche Trackingziele definieren. Neben der Conver- sion können im Webshop wei- tere Conversion-Events wie die Warenkorbbefüllung oder die Newsletteranmeldung markiert werden. Das macht die Wieder- ansprache der User über Re-Tar- geting genauer und performanter. So wird einem User, der den Wa- renkorb nur befüllt hat, seine Auswahl nochmals vorgeführt. Käufer können indes schon mit ergänzenden Produkten ange- sprochen werden. Targeting von Umfeldern Während man beim Re-Targeting nur im kleinen Teich der Be- standskunden fischt, kann sich ein Shopbetreiber mit einer in Echtzeit gebuchten Displaykam- pagne neue Kunden im grossen Online-Meer erschliessen. Hier erfolgt das Targeting nicht über die schon bekannten Attribute der Käufer, sondern über zwei an- dere Wege. Der erste ist das Targe- ting von Umfeldern – ähnlich wie im klassischen Mediaeinkauf, nur dass man hier die Chance hat, jederzeit den Wert der Im- pressions zu prüfen. Diese Tar- getingkampagne sollte zum Start breiter angelegt sein und dann über eine Whitelist der Themen- Verticals oder Placements ständig optimiert werden, ähnlich wie bei Google Adwords. Der zweite Weg der Neukun- denansprache erfolgt über die Bildung von statistischen Zwil- lingen. Vereinfacht gesagt, sind dies Surfmuster von konvertie- renden Nutzern. Diese Attribute bilden im Echtzeithandel um Werbeplätze die Targetingopti- onen ab. Welches Budget ist nötig? Die Frage nach dem Budget stellt sich natürlich ebenfalls. Um die Performance von RTB-Kampa- gnen wirklich ernsthaft testen zu können, sollten Shops mit einem Budget von circa 5000 Euro pro Monat beginnen. Bei etablierten Shops sollten 60 Prozent für Re- Targeting und 40 Prozent für Tar- getingkampagnen (nach Umfeld oder statistischen Zwillingen) aus- gegeben werden. Anders verhält sich die Aufteilung natürlich bei Shops, die sich in der Aufbaupha- se befinden. Diese möchten User primär über eine Erstansprache auf ihren Shop aufmerksam ma- chen. Im Vordergrund einer Kam- pagne steht hier das Branding. n Erste Schritte für Webshops ins RTB REAL-TIME-BIDDINGEsklingtverlockend:EinzelneAdImpressionsjenach WertigkeitdesUsersfürdeneigenenShopinEchtzeitzuersteigern,anstattvorab MedialeistunginPaketenkaufenzumüssen.DochwiekönnenOnline-ShopsReal- Time-Bidding(RTB)fürsichnutzen?WelcheerstenSchritteundHausaufgaben müssensieerledigen,bevordieersteAnzeigeinEchtzeitonlineerscheinenkann? VON WOLFHART FRÖHLICH* Kolumne * Wolfhart Fröhlich, CEO der intelliAd Media GmbH Beim Real-Time-Bidding bieten Werbe- treibende bei der Auslieferung von Online- Werbemitteln automatisiert und in Echtzeit auf Werbeplätze im Internet. Internet, ein Spiegel unserer Gesellschaft AnfangMonatthematisiertedie SonntagsZeitungRassismusim Internet.DiezitiertenWissenschaft- lerundPolitikersindsicheinig:Im InternetkönnesichdasIndividuum hintereinerGruppeverstecken, unddieseAnonymitätfördereEnt- hemmungundRadikalisierung.Fazit desArtikels:InternetfördereHass undGewalt.Soeinfachistdasnicht. DennunsereWeltwarbereitsvoll HassundGewalt,alsdasWorldWide WebamCernnochnichtmalerfun- denwar. AuchdasEnthemmungsargument stichtnicht:WirsindimJahr2014 undnichtbeiderLancierungvon Facebook.SpätestensseitSnow- denwissenwir,dassunserePosts undTweetsAusrufenanderBahn- hofstrasseentsprechen.Auchwenn derGruppendruckonlinegrossist unddieHemmschwelle,aufdieschön designtenSocial-Media-Buttonswie «Like»oder«Antworten»zuklicken klein:AufderdigitalenStrassekann mansichnurfastsogutinderMen- geversteckenwieaufeinerDemo. Fast,weildiedigitaleWeltallesspei- chertundnichtsvergisst.Fast,weil deinedigitalenSchreiemitdeinem Namen,AvatarundderIP-Adresse deinesSmartphonesoderLaptops verknüpftsind.Daten,welchewäh- rendeinerDemoschwererzueru- ierensind. Undgenauwieofflinegiltauchauf derdigitalenStrasseZivilcourage bzw.EingreifenderPolizei.Zivil- couragegibtes,mandenkeandie Online-EmpörungüberBortoluzzis Hirnlappen-Äusserungoderanden Kristallnacht-Tweet.Wasaufun- serendigitalenStrassenfehlenmag, isteinePolizei.DennGewaltund RassismusimNetzsollengenauso wieinderphysischenÖffentlichkeit bekämpftwerden.Stattsichüber dasInternetzuempören,solltesich diePolitikderFragederNetzpolizei widmen.DenndieEmpörungüber RassismusimNetzerinnertandie EmpörungüberErgebnissederMEI- Abstimmung.InternetistkeinBrand- beschleuniger,sondernlediglichein SpiegelunsererGesellschaft. Ellen Girod forscht an der Fachstelle Social Media an der HWZ. @ellengirod

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Kolumne im Magazin Marketing und Kommunikation

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38 Digital� Marketing�&�Kommunikation�8/14

EinewichtigeVoraussetzungfür RTB erfüllen viele Shopsbereits, denn diese ist auch fürGoogle Shopping und anderePreissuchmaschinen erforder-lich: ein sauber aufbereiteterProduktdatenfeedmitwertvollenInformationen (Attributen). ImBekleidungsmarkt wären daszumBeispielGrösse,FarbeoderArt eines Kleidungsstücks. Ins-besondere für eineRe-Targeting-Kampagne, die Bestandskundenerneut anspricht, sind diese In-formationenessenziell.

In diesem Zusammenhangsollten Shopbetreiber das Tra-ckingprüfenundmöglichstvieleunterschiedliche Trackingzieledefinieren. Neben der Conver-sion können im Webshop wei-tere Conversion-Events wie dieWarenkorbbefüllung oder dieNewsletteranmeldung markiertwerden. Das macht die Wieder-ansprachederUserüberRe-Tar-getinggenauerundperformanter.SowirdeinemUser,derdenWa-renkorb nur befüllt hat, seineAuswahl nochmals vorgeführt.Käufer können indes schon mit

ergänzenden Produkten ange-sprochenwerden.

targeting von UmfeldernWährendmanbeimRe-Targetingnur im kleinen Teich der Be-standskunden fischt, kann sichein Shopbetreiber mit einer inEchtzeit gebuchten Displaykam-pagne neue Kunden im grossenOnline-Meer erschliessen. Hiererfolgt das Targeting nicht überdie schon bekannten AttributederKäufer,sondernüberzweian-dereWege.DerersteistdasTarge-tingvonUmfeldern–ähnlichwieim klassischen Mediaeinkauf,nur dass man hier die Chancehat, jederzeit den Wert der Im-pressions zu prüfen. Diese Tar-getingkampagnesolltezumStartbreiter angelegt sein und dannübereineWhitelistderThemen-VerticalsoderPlacementsständigoptimiert werden, ähnlich wiebeiGoogleAdwords.

DerzweiteWegderNeukun-denansprache erfolgt über dieBildung von statistischen Zwil-lingen. Vereinfacht gesagt, sinddies Surfmuster von konvertie-

renden Nutzern. Diese Attributebilden im Echtzeithandel umWerbeplätze die Targetingopti-onenab.

Welches Budget ist nötig?DieFragenachdemBudgetstelltsich natürlich ebenfalls. Um diePerformance von RTB-Kampa-gnenwirklichernsthaft testenzukönnen,solltenShopsmiteinemBudget von circa 5000 Euro proMonat beginnen. Bei etabliertenShops sollten60Prozent fürRe-Targetingund40ProzentfürTar-getingkampagnen (nach UmfeldoderstatistischenZwillingen)aus-gegeben werden. Anders verhältsichdieAufteilungnatürlichbeiShops,diesichinderAufbaupha-sebefinden.DiesemöchtenUserprimär über eine Erstanspracheauf ihren Shop aufmerksam ma-chen.ImVordergrundeinerKam-pagnestehthierdasBranding.�n

Erste Schritte für Webshops ins RTBREAL-TIME-BIDDING�Es�klingt�verlockend:�Einzelne�Ad�Impressions�je�nach�Wertigkeit�des�Users�für�den�eigenen�Shop�in�Echtzeit�zu�ersteigern,�anstatt�vorab�Medialeistung�in�Paketen�kaufen�zu�müssen.�Doch�wie�können�Online-Shops�Real-Time-Bidding�(RTB)�für�sich�nutzen?�Welche�ersten�Schritte�und�Hausaufgaben�müssen�sie�erledigen,�bevor�die�erste�Anzeige�in�Echtzeit�online�erscheinen�kann?�

VON WOlFHaRt FRÖHliCH*

Kolumne

* Wolfhart Fröhlich,

CEO der

intelliAd Media GmbH

Beim Real-time-Bidding bieten Werbe-treibende bei der auslieferung von Online-Werbemitteln automatisiert und in Echtzeit

auf Werbeplätze im internet.

Internet, ein Spiegel unserer Gesellschaft

Anfang�Monat�thematisierte�die�SonntagsZeitung�Rassismus�im�Internet.�Die�zitierten�Wissenschaft-ler�und�Politiker�sind�sich�einig:�Im�Internet�könne�sich�das�Individuum�hinter�einer�Gruppe�verstecken,�und�diese�Anonymität�fördere�Ent-hemmung�und�Radikalisierung.�Fazit�des�Artikels:�Internet�fördere�Hass�und�Gewalt.�So�einfach�ist�das�nicht.�Denn�unsere�Welt�war�bereits�voll�Hass�und�Gewalt,�als�das�World�Wide�Web�am�Cern�noch�nicht�mal�erfun-den�war.Auch�das�Enthemmungsargument�sticht�nicht:�Wir�sind�im�Jahr�2014�und�nicht�bei�der�Lancierung�von�Facebook.�Spätestens�seit�Snow-den�wissen�wir,�dass�unsere�Posts�und�Tweets�Ausrufen�an�der�Bahn-hofstrasse�entsprechen.�Auch�wenn�der�Gruppendruck�online�gross�ist�und�die�Hemmschwelle,�auf�die�schön�designten�Social-Media-Buttons�wie�«Like»�oder�«Antworten»�zu�klicken�klein:�Auf�der�digitalen�Strasse�kann�man�sich�nur�fast�so�gut�in�der�Men-ge�verstecken�wie�auf�einer�Demo.�Fast,�weil�die�digitale�Welt�alles�spei-chert�und�nichts�vergisst.�Fast,�weil�deine�digitalen�Schreie�mit�deinem�Namen,�Avatar�und�der�IP-Adresse�deines�Smartphones�oder�Laptops�verknüpft�sind.�Daten,�welche�wäh-rend�einer�Demo�schwerer�zu�eru-ieren�sind.Und�genau�wie�offline�gilt�auch�auf�der�digitalen�Strasse�Zivilcourage�bzw.�Eingreifen�der�Polizei.�Zivil-courage�gibt�es,�man�denke�an�die�Online-Empörung�über�Bortoluzzis�Hirnlappen-Äusserung�oder�an�den�Kristallnacht-Tweet.�Was�auf�un-seren�digitalen�Strassen�fehlen�mag,�ist�eine�Polizei.�Denn�Gewalt�und�Rassismus�im�Netz�sollen�genauso�wie�in�der�physischen�Öffentlichkeit�bekämpft�werden.�Statt�sich�über�das�Internet�zu�empören,�sollte�sich�die�Politik�der�Frage�der�Netzpolizei�widmen.�Denn�die�Empörung�über�Rassismus�im�Netz�erinnert�an�die�Empörung�über�Ergebnisse�der�MEI-Abstimmung.�Internet�ist�kein�Brand-beschleuniger,�sondern�lediglich�ein�Spiegel�unserer�Gesellschaft.

Ellen girod

forscht an der Fachstelle

Social Media an der HWZ.

@ellengirod