interview mit axel brand zu „outsourcing im reiseveranstaltergeschäft und für...

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Zur Person Nach dem Studium der Betriebswirtschafts- lehre an der FH Ko ¨ln arbeitete Axel Brand, Jahrgang 1959, zuna ¨chst fu ¨nf Jahre in der System-, spa ¨ter in der Organisationsbera- tung des europa ¨ischen Hardwareherstellers Bull in Du ¨sseldorf. Von dort wechselte er als Berater mit dem Branchenschwerpunkt Rei- sen, Transport und Touristik zu TietoEnator, Frankfurt a. M., wo er insbesondere den deutschen Luftverkehr betreute. Es folgte ei- ne fu ¨nfja ¨hrige Ta ¨tigkeit als IT-Leiter der ITS, einem heute zur REWE-Gruppe geho ¨renden Reiseveranstalter in Ko ¨ln, wo er mit der Ein- fu ¨hrung großer, integrierter operativer und Managementsysteme betraut war. Dann en- gagierte er sich in der Union Investment Gruppe, Frankfurt a. M., zuna ¨chst als Ge- scha ¨ftsfu ¨hrer eines Softwarehauses und spa ¨- ter als einer der Gescha ¨ftsfu ¨hrer der Union IT-Services. Nach fast zehn Jahren Verant- wortung im Liniengescha ¨ft wechselte Brand zuru ¨ck in das Beratungsgescha ¨ft zu Ex- perTeam, Ko ¨ln, wo er zwei Jahre die Frank- furter Niederlassung mit Schwerpunkt im Finanzdienstleistungssektor leitete. Seit An- fang 2002 ist Brand Vorstandsmitglied der Tourdata AG in Leverkusen und zeichnet verantwortlich fu ¨r die Gescha ¨ftsbereiche Consulting und Vertrieb. WI: Worin liegen Besonderheiten des Out- sourcings im Reiseveranstaltungsgescha ¨ ft? Brand: Reiseveranstalter betreiben das Back- Office-Gescha ¨ft, von dem man als Nachfra- ger ha ¨ufig nur u ¨ ber die Schnittstelle der Rei- sebu ¨ ros ho ¨ rt. Wie in faktisch allen anderen Wirtschaftszweigen auch werden die An- spru ¨ che der Kunden immer differenzierter und ho ¨ her und gleichzeitig wa ¨chst die Regu- lierungsdichte u ¨ brigens mit großen Unter- schieden von Land zu Land, sodass zuneh- mend umfangreiches Spezialwissen zum Betreiben dieses Gescha ¨fts vonno ¨ ten ist. Ebenso werden in erheblichem und steigen- dem Maße moderne Informations- und Kommunikationssysteme eingesetzt, um die- se Herausforderungen mit u ¨ berschaubaren Kosten und Risiken befriedigen zu ko ¨ nnen. Denken Sie nur ein Beispiel unter vielen an das Reklamationsmanagement, dessen Wichtigkeit und Volumen in den vergange- nen Jahren im Zuge des verbesserten Ver- braucherschutzes, aber auch aufgrund der dauernden Aufmerksamkeit fu ¨ r dieses The- ma in den Medien drastisch zugenommen hat. WI: Welche Art von Outsourcing findet man in Ihrer Branche? Brand: Unser Markt ist relativ homogen und u ¨ bersichtlich, sodass auch im Hinblick auf den hohen Kostendruck, der auf den Reise- veranstaltern lastet man eher selten u ¨ ber reines technisches IT-Outsourcing spricht, sondern mehr das Outsourcing der Anwen- dungssysteme des gesamten Kundenprozes- ses im Blickpunkt steht. Schwerpunkt bildet hier zwar zuna ¨chst der technische Betrieb der Veranstaltersoftware auf hohem Quali- ta ¨tsniveau, etwa mit Blick auf Rund-um-die- Uhr-Verfu ¨ gbarkeit. Aber wir beraten unsere Kunden auch im operativen Gescha ¨ft und unterstu ¨ tzen dabei vom Einkauf der Pro- dukte u ¨ ber deren Kalkulation und Buchbar- machung in einem Reservierungssystem bis hin zur Buchhaltung den gesamten Ablauf. Fu ¨r uns als integriertem Prozessanbieter kommt es dabei darauf an, entsprechende Kompetenz im Hause verfu ¨ gbar zu haben, WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 2, S. 162 164 Axel Brand Tourdata AG, An der Schusterinsel 3, 51379 Leverkusen, E-Mail: [email protected] Interviewt von Wolfgang Ko ¨nig Prof. Dr. Wolfgang Ko ¨nig, Universita ¨t Frankfurt, Institut fu ¨r Wirtschaftsinformatik, Mertonstr. 17, 60054 Frankfurt am Main, E-Mail: [email protected] Interview mit Axel Brand zu „Outsourcing im Reiseveranstaltergescha ¨ft und fu ¨r Finanzdienstleister“ WI – Interview

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Page 1: Interview mit Axel Brand zu „Outsourcing im Reiseveranstaltergeschäft und für Finanzdienstleister“

Zur Person

Nach dem Studium der Betriebswirtschafts-lehre an der FH Koln arbeitete Axel Brand,Jahrgang 1959, zunachst funf Jahre in derSystem-, spater in der Organisationsbera-tung des europaischen HardwareherstellersBull in Dusseldorf. Von dort wechselte er alsBerater mit dem Branchenschwerpunkt Rei-sen, Transport und Touristik zu TietoEnator,Frankfurt a. M., wo er insbesondere dendeutschen Luftverkehr betreute. Es folgte ei-ne funfjahrige Tatigkeit als IT-Leiter der ITS,einem heute zur REWE-Gruppe gehorendenReiseveranstalter in Koln, wo er mit der Ein-fuhrung großer, integrierter operativer undManagementsysteme betraut war. Dann en-gagierte er sich in der Union InvestmentGruppe, Frankfurt a. M., zunachst als Ge-schaftsfuhrer eines Softwarehauses und spa-ter als einer der Geschaftsfuhrer der UnionIT-Services. Nach fast zehn Jahren Verant-wortung im Liniengeschaft wechselte Brandzuruck in das Beratungsgeschaft zu Ex-perTeam, Koln, wo er zwei Jahre die Frank-furter Niederlassung mit Schwerpunkt imFinanzdienstleistungssektor leitete. Seit An-fang 2002 ist Brand Vorstandsmitglied derTourdata AG in Leverkusen und zeichnetverantwortlich fur die GeschaftsbereicheConsulting und Vertrieb.

WI: Worin liegen Besonderheiten des Out-sourcings im Reiseveranstaltungsgeschaft?

Brand: Reiseveranstalter betreiben das Back-Office-Geschaft, von dem man als Nachfra-ger haufig nur uber die Schnittstelle der Rei-seburos hort. Wie in faktisch allen anderenWirtschaftszweigen auch werden die An-

spruche der Kunden immer differenzierterund hoher und gleichzeitig wachst die Regu-lierungsdichte – ubrigens mit großen Unter-schieden von Land zu Land, sodass zuneh-mend umfangreiches Spezialwissen zumBetreiben dieses Geschafts vonnoten ist.Ebenso werden in erheblichem und steigen-dem Maße moderne Informations- undKommunikationssysteme eingesetzt, um die-se Herausforderungen mit uberschaubarenKosten und Risiken befriedigen zu konnen.Denken Sie – nur ein Beispiel unter vielen –an das Reklamationsmanagement, dessenWichtigkeit und Volumen in den vergange-nen Jahren im Zuge des verbesserten Ver-braucherschutzes, aber auch aufgrund derdauernden Aufmerksamkeit fur dieses The-ma in den Medien drastisch zugenommenhat.

WI: Welche Art von Outsourcing findet manin Ihrer Branche?

Brand: Unser Markt ist relativ homogen undubersichtlich, sodass – auch im Hinblick aufden hohen Kostendruck, der auf den Reise-veranstaltern lastet – man eher selten uberreines technisches IT-Outsourcing spricht,sondern mehr das Outsourcing der Anwen-dungssysteme des gesamten Kundenprozes-ses im Blickpunkt steht. Schwerpunkt bildethier zwar zunachst der technische Betriebder Veranstaltersoftware auf hohem Quali-tatsniveau, etwa mit Blick auf Rund-um-die-Uhr-Verfugbarkeit. Aber wir beraten unsereKunden auch im operativen Geschaft undunterstutzen dabei vom Einkauf der Pro-dukte uber deren Kalkulation und Buchbar-machung in einem Reservierungssystem bishin zur Buchhaltung den gesamten Ablauf.Fur uns als integriertem Prozessanbieterkommt es dabei darauf an, entsprechendeKompetenz im Hause verfugbar zu haben,

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 2, S. 162–164

Axel Brand

Tourdata AG,An der Schusterinsel 3,51379 Leverkusen,E-Mail: [email protected]

Interviewt von

Wolfgang Konig

Prof. Dr. Wolfgang Konig,Universitat Frankfurt,Institut fur Wirtschaftsinformatik,Mertonstr. 17,60054 Frankfurt am Main,E-Mail: [email protected]

Interview mit Axel Brand zu„Outsourcing imReiseveranstaltergeschaftund fur Finanzdienstleister“

WI – Interview

Page 2: Interview mit Axel Brand zu „Outsourcing im Reiseveranstaltergeschäft und für Finanzdienstleister“

z. B. aufgrund von Erfahrungen von fruhe-ren Tatigkeiten bei Reiseveranstaltern.

WI: Wenn Ihr Markt im Vergleich homogenund ubersichtlich ist, steht zu vermuten, dasses Standardsoftwarelosungen gibt.

Brand: Ja und nein. Es gibt in der Reisever-anstaltungswelt – und ich konzentriere michvorerst auf dieses geschaftsspezifische Wis-sen – Standardprodukte. Aber wegen derBegrenztheit des Marktes finden sich nurwenige Systeme, welche den soeben ange-sprochenen kompletten Prozess als Standardabdecken. Hier wiederum haben wir Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter in unserenReihen, welche die in diesem Markt fuhren-den Softwarepakete bei Reiseveranstalternschon mehrfach eingefuhrt haben, sodass wirin der Lage sind, diese Systeme qualitatsgesi-chert im ASP anzubieten. In diesem Fallbleibt der Kunde Eigentumer seiner Soft-ware, die auf unseren Rechnern lauft.

Eine Besonderheit unseres Geschafts istdabei, dass wir fur einzelne, große Kundennicht nur klassische, diesen Betrieb ergan-zende Dienstleistungen anbieten – z. B. dasEinspielen von Aktualisierungen oder auchdie zum Softwarebetrieb zugehorigen Bera-tungs-, Prozessanderungs- und Umset-zungsbetreuungen. Wir ubernehmen daruberhinaus auch die komplette Kommunikationmit dem Softwarehaus. Wir bundeln damit indiesem Fall alle Kundenwunsche gegenuberdem Anwendungssystemhersteller.

WI: Welches Preismodell wenden Sie hierfuran?

Brand: Grundsatzlich verrechnen wir durch-gangig in Abhangigkeit von klar definiertenBezugsgroßen, was im Reiseveranstaltungs-geschaft wohl einfacher zu realisieren ist alsin einigen anderen Branchen. Unsere Ab-rechnungsbasis ist die Anzahl der Buchun-gen, also letztlich das Geschaftsvolumen un-seres Kunden. Wir weichen aber je nachGegebenheiten von diesem einfachen linea-ren Muster ab, unter Umstanden auch zumVorteil des Leistungsnehmers.

Wenn das Geschaftsvolumen des Kundenwachst, profitiert er – und profitieren natur-lich gleichzeitig auch wir, weil wir den Kun-den halten konnen – von einer vereinbartenRabattstaffel.

Umgekehrt treffen wir eine Vereinbarungmit dem Leistungsnehmer uber einen defi-nierten Mindestumsatz, um uns bei den Ge-schaftsvorfallen nicht ohne Grenze nach un-ten hin unabgesichert zu lassen.

WI: Und wie behandeln Sie etwa tief grei-fende �nderungen, die in der Standardsoft-ware vorgenommen werden sollen?

Brand: Da muss man zwei Wege unterschei-den. Zum einen gibt es den Fall, Ver-anderungen des Kernsystems beim Software-haus zu veranlassen – Auftraggeber bleibenaber immer die Kunden. Wir prufen dannzusammen mit den Nutzern den so entstan-denen patch oder die Systemverbesserungauf unserem Testsystem und wenn klar ist,dass diese Veranderungen fehlerfrei funktio-nieren, werden sie von uns fur den Betriebfreigeschaltet.

Der andere Weg wird beschritten, wenndie Standardsoftware nicht verandert werdenkann oder soll, ebenso, wenn außerhalb desKernsystems erganzende Funktionalitatengewunscht werden. Dieser zweite Ansatzkommt auch zum Tragen, wenn dem Kun-den die vom Standardsoftwarehersteller ge-lieferte Losung nicht gefallt. In diesem Fallberaten wir den Kunden und stellen entwe-der eigene Software oder solche von anderenAnbietern am Markt zur Verfugung, wobeiwir dann auch fur die Integration der Syste-me bei unserem Kunden sorgen.

WI: Konnen Sie uns dies bitte an einem Bei-spiel erlautern?

Brand: Nehmen Sie das schon einmal er-wahnte Reklamationsmanagement. Bei unse-ren großen Kunden ist das in diesem Zusam-menhang anfallende Papiervolumen sehrgroß und die nicht DV- und netzunterstutzteBearbeitung personalaufwandig und fehler-anfallig. Hier haben wir gemeinsam mit ei-nem Partner ein auf modernen Softwareprin-zipien basierendes Produktionssystemerarbeitet, das eingescannte und archiviertePapiere zur Verfugung stellt und den gesam-ten Workflow abbildet. In der Anwendungs-logik wird beispielsweise geklart, ob es sichbei dem Vorgang wirklich um eine Reklama-tion handelt. Gegebenenfalls wird ein An-walt hinzugezogen. Muss man einen Hote-lier in Regress nehmen? Neben der Klarungsolcher Fragen ist es beispielsweise direktuber die Anbindung an die Buchhaltungmoglich, einen Scheck auszustellen und da-mit den Vorgang zugig und unburokratischabzuwickeln.

WI: Das Medium Papier scheint in IhremGeschaft noch eine große Rolle zu spielen.

Brand: Ja, das ist sicher ein Spezifikum derBranche, obwohl wir mit Nachdruck ver-suchen, nur noch moglichst wenig Papier zuversenden. Nehmen Sie die Partner in denZielgebieten, etwa die Busunternehmen unddie Hoteliers, auch die lokalen Agenturen,die heutzutage per Extranet weltweit mit denrelevanten Informationen versorgt werden.Gleichwohl ist die papierlose Reisewelt auchmorgen noch nicht Realitat. Sicherungsschei-

ne, die den Reisenden gegen eine Insolvenzdes Veranstalters schutzen, werden seit denzahlreichen Betriebseinstellungen vor eini-gen Jahren immer noch in Papierform ver-schickt. Das gilt ebenso fur Reisebestatigun-gen und die Reiseunterlagen des Kunden,etwa Hotelgutscheine und Tickets.

Und auch im B2B-Geschaft sind nochelektronische Lucken zu verzeichnen. Bei-spielsweise schließen Hoteleinkaufer haufigVertrage auf Papier, was dazu fuhrt, dass die-se oftmals handschriftlich sozusagen „edi-tiert“ werden. Wenn diese Papiere dann ausden Zielgebieten in die Zentralen zuruck-kommen, ergibt sich ein hohes Fehlerpoten-zial bei der �bertragung der Daten, was wie-derum aufwandige Nacharbeiten mit sichbringt. Auch fur diese Falle bieten wir mo-derne Losungen an, etwa fur die Offline-Be-arbeitung von Vertragen auf einem Note-book.

WI: Also sind Sie an diesen Stellen eigenerSoftwarehersteller?

Brand: Ja, wir bieten sozusagen in diesen Er-ganzungsbereichen individualisierte Stan-dardprodukte an, denn hier spielt der einzel-ne Prozess eines Veranstalters – insbesonde-re eines großen – doch eine gewichtigeRolle. Etwa 40% unserer Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter sind in der Softwareent-wicklung tatig – immerhin so viele wie imRechenzentrums- und Netzwerkbetrieb.

WI: Und wie rechnen Sie diese Softwareent-wicklung ab?

Brand: Da wir unsere Kunden durch das Be-ratungsgeschaft gut kennen und uber dasentsprechende branchenspezifische Know-how verfugen, konnen wir ihnen haufig eineEmpfehlung geben, welche Software not-wendig ware, um ihre Prozesse noch starkerzu optimieren. Oftmals ist ein Kunde Aus-loser einer Softwareentwicklung, die Ideeentwickeln wir dann gemeinsam. Nach reifli-cher Prufung entwickeln wir in enger Ab-stimmung mit dem Kunden dann das Sys-tem, wobei wir durch die Nutzung vonStandards – etwa Unix und Linux sowieOracle und Java – eine Weiterverwendungund Integrationsfahigkeit in andere Systemeeroffnen.

WI: Sie sagten vorhin, dass Sie mit IhrenKunden Outsourcing-Mindestumsatze ver-einbaren, um Ihre grundlegenden Infra-strukturkosten abzusichern. Das heißt dochauch, dass Sie Ihre Leistungen nur begrenztnach unten skalieren konnen. Gibt es eineUntergrenze, festgelegt durch ein Kriteriumwie z. B. Unternehmensgroße, unterhalb de-rer Sie kein Angebot unterbreiten?

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Page 3: Interview mit Axel Brand zu „Outsourcing im Reiseveranstaltergeschäft und für Finanzdienstleister“

Brand: Auch hier antworte ich mit ja undnein. Der Reiseveranstaltungsmarkt weist ei-ne bemerkenswerte Konzentration auf undwir sind in diesem Feld hervorragend auchdurch eigene Systeme positioniert, sodasswir in diesem Sektor prinzipiell kein Limitfur eine Angebotsabgabe setzen. In anderenMarkten, etwa im Bereich Finanzdienstleis-tungen, sieht das anders aus. Hintergrund isthier, dass wir – wie naturlich im Reise-bereich auch – keine Abstriche an der Ser-vicequalitat, etwa der Absicherung fur denKatastrophenfall, machen konnen und wol-len – und hierfur mussen die Kosten wiedereingespielt werden.

WI: Welche Umsatzanteile entfallen auf dasOutsourcing- und das Softwareentwick-lungsgeschaft?

Brand: Tatsachlich unterscheiden wir dreigroße Produktarten. Haufig ist die imRahmen einer Beratung erfolgende Prozess-analyse bei den Kunden respektive die Un-tersuchung der Effizienz der IT Ausgangs-punkt fur ein folgendes Outsourcing oderdie Entwicklung von Software. Dabei ist derDeckungsbeitrag im Beratungsgeschaft ho-her, aber nur kurzfristig sicher, wahrend sichdie Rendite im Outsourcing geringer, aberlangfristig stabil darstellt. Der Beratungs-zweig tragt rund 30% zum Umsatz bei; derRest entfallt zu etwa gleichen Teilen aufOutsourcing und Softwareentwicklung.

WI: Welche Rolle spielen die verschiedenenVertriebskanale in Ihrem Geschaft?

Brand: Multi-channel ist in unserer Branchegelebte Realitat. Viele Kunden buchen heuteuber das Internet, was ubrigens dazu gefuhrthat, dass wir 24 Stunden am Tag und siebenTage in der Woche ohne Unterbrechungenunsere Dienste anbieten mussen. AndereKunden gehen in ein Reiseburo. Wiederumandere informieren sich im Internet und bu-chen dann in einem Reiseburo oder uber einCallcenter. Die hieraus entstehenden Anfor-derungen an die Informationssysteme sindhoch. Wenn man beispielsweise fur die Som-mersaison die Angebote mit der Herausgabeder Kataloge buchbar stellt, ist in den erstenTagen danach ein bemerkenswerter Anstiegder Anfragen uber Reiseburos zu verzeich-nen, etwa um Fruhbucherrabatte in An-spruch zu nehmen. Das fuhrt zu saisonal ex-trem hohen Spitzenbelastungen der Systeme,die entsprechend hierauf ausgelegt sein mus-sen.

WI: In welchen artverwandten Anwendun-gen konnen Sie von Ihrer Kompetenz pro-fitieren?

Brand: Zunachst einmal ist klar, dass dasklassische, qualitatsgesicherte IT-Outsour-cing naturlich auch in anderen Branchen,speziell im Finanzdienstleistungssektor, zumEinsatz kommen kann. Die zuvor fur dieTouristik genannten Vorteile der Kundenlassen sich hier 1 : 1 wiederholen und fuhrenneben den erreichbaren Kostenvorteilen zuder in dieser Branche noch wichtigeren Qua-litatsverbesserung im Bezug auf Verfugbar-keit, Durchsatz und Sicherheit. Auch dasModell der Bereitstellung eines Standard-paketes durch ein Softwarehaus, die Nut-zung der Losung bei mehreren Kunden undder Betrieb in unseren Rechenzentren sindebenso in andere Branchen ubertragbar.Grundlage dafur ist, dass wir mittlerweileauch dediziertes Know-how uber die Pro-zesse bei Finanzdienstleistern bei uns zurVerfugung haben.

Auch im Hinblick auf unsere eigenen Lo-sungen zielen wir daher auf eine starkere Po-sitionierung im Finanzdienstleistungs-bereich. Fur Versicherungen haben wirbereits einige Projekte durchgefuhrt, bei-spielsweise die Entwicklung einer Buchungs-maschine, die es Kunden ermoglicht, im In-ternet parallel zur Buchung einer Reise diepassende Rucktrittsversicherung einzukau-fen. Oder aber betrachten Sie auch die Buch-barkeit von Versicherungen fur Aupairs, aus-landische Gastegruppen oder im Rahmeneines Schuleraustausches, die wir fur denVersicherungsbereich realisiert haben. Er-folgreich umgesetzt haben wir dabei eineOnline-Anbindung von Vertriebspartnernunter Beibehaltung des Provisionsmodellesbei Direktbuchung durch den Endkunden.

Ein anderer Entwicklungspfad ist die Wei-terentwicklung des schon erwahnten Rekla-mationssystems zu einem umfassendenBeschwerdemanagement, das fur viele Bran-chen zunehmend Gewicht gewinnt.

In jedem Fall versuchen wir, wie bereitsgesagt, als Anbieter dieser Services und neu-traler Berater – wie wir es aus demReiseveranstaltungsmarkt kennen – eine Zu-sammenarbeit zwischen einem Softwarehausoder Losungsanbieter, mehreren Kundenund uns zu organisieren, um Kostenvertei-lungen zu realisieren.

WI: Sie sind ein im Vergleich kleines Unter-nehmen, das großen und anspruchsvollenKunden komplette Geschaftsprozesse aus ei-

ner Hand anbietet. Verlangen diese Kundenvon Ihnen im Falle des Outsourcings auchdie �bernahme von Personal? Bieten Sie diesan?

Brand: Bis auf ganz seltene Ausnahmefalle:nein. Hierzu sind mehrere Grunde maßgeb-lich. Zum einen braucht der Kunde vor OrtIT-Kompetenz, etwa um unsere Arbeit zuuberwachen und uns als fachlicher An-sprechpartner zu dienen, aber auch um z. B.die lokalen Netze und Infrastruktur zu be-treuen. Dies ist notwendig, da wir unsereServices von Leverkusen aus uberregional inganz Deutschland erbringen. Wenn ein Kun-de seine IT-Infrastruktur an uns auslagert,kann er sicher sein, dass wir die Leistungenmit einer vernunftig konzentrierten – festangestellten – Mannschaft erbringen, ohnedass es weiterer Personen bedarf, die bislangbei ihm unter Vertrag stehen.

Der Kunde merkt an dieser Stelle wenigerden gesamten Betriebsubergang, sondern er-halt die erwunschten Infrastrukturleistungenund benotigt selbst nur noch wenige eigeneMitarbeiter fur diesen Bereich.

WI: Welche Entwicklungen erwarten Sie inden nachsten Jahren?

Brand: Wesentlich erscheint mir, dass dieVorteile des Outsourcings auch fur Mittel-standsunternehmen mehr und mehr nutzbarwerden. Sicherlich, hierzu muss noch imVergleich zu den heutigen Ansatzen an klei-ner skalierbaren Losungen gearbeitet wer-den. Daruber hinaus wird trotz des Tat-bestands, dass heute alle Beteiligten primarkostenorientiert argumentieren, die wert-basierte Sicht wieder starker in den Vorder-grund rucken. Es darf und wird aufgrundder Konkurrenzsituation keine Kompromis-se bei der Servicequalitat geben – eher wirdman auf den einen oder anderen Kunden ver-zichten, der an dieser Stelle spart.

Mit Blick auf die Geschaftslogik sehenwir die Schaffung der Durchgangigkeitdurch das Internet bis hin zu beleglosenProzessen als dringend an. Bezuglich derErganzungen zu den Standardsoftwaresyste-men werden wir u. a. das Beschwerdemana-gement ausbauen und daruber hinaus einBusiness-Information-Warehouse mit kom-fortablen Reportingfunktionen entwickeln,weil diese Art der Belastung der Kernsyste-me gerade in Zeiten hoher Auslastung vieleProbleme bereitet.

WI: Herzlichen Dank fur dieses Gesprach.

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 2, S. 162–164

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