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Kanton ZürichGesundheitsdirektion
Rechtliche Rahmenbedingungen der Spitalseelsorge mit Blick auf den Kanton ZürichWaidspital, 6. März 2013
Referat lic.jur et theol. Niklaus HerzogKantonale Ethikkommission Zürich
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Europäische Menschenrechtskonvention
Art. 9:
Abs. 1: Jede Person hat das Recht auf Gedanken-,
Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht
umfasst die Freiheit, seine Religion oder
Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine
Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam
mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst,
Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen oder Riten
zu bekennen.
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Europäische Menschenrechtskonvention
Art. 9:
Abs. 2: Die Freiheit, seine Religion oder
Weltanschauung zu bekennen, darf nur
Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich
vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft
notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum
Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder
Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten
anderer.
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Exkurs
Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
vom 15. Januar 2013:
• Tragen des Kreuzes (Kruzifixes) auf der Uniform einer
Hostess einer Fluggesellschaft (British Airways) erlaubt
• Tragen eines Kreuzes auf der Uniform einer
Krankenschwester wegen Verletzungs- und
Infektionsrisikos untersagt
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5Bundesverfassung
Art. 15:
Abs. 1: Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
Abs. 2: Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.
Abs. 3: Jede Person hat das Recht, einer Religions-gemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen.
Abs. 4: Niemand darf gezwungen werden, einer Religions-gemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.
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6Bundesverfassung
Innerhalb dieser Rahmenbedingungen sind die Kantone frei,
wie sie das Verhältnis Staat – Religionsgemeinschaften
regeln wollen.
Art. 3: Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität
nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben
alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.
Sogenanntes Subsidiaritätsprinzip
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Konsequenzen dieses Grundrechts insbesondere für die Spitalseelsorge 1. Recht von natürlichen Personen und damit von
Patientinnen und Patienten, im Rahmen der Rechtsordnung die seelsorgerischen Dienste ihrer jeweiligen Konfession in Anspruch nehmen zu können.
2. Recht von Religionsgemeinschaften (juristischen Personen), ihren Angehörigen die seelsorgerischen Dienste auch in Spitälern anbieten zu können (sog. korporative Religionsfreiheit).
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Konsequenzen dieses Grundrechts insbesondere für die Spitalseelsorge
3. „Die Situation des Spitalpatienten ist gekennzeichnet durch Hilflosigkeit, Gebundenheit und Verlassenheit“ (Christian Kissling). Lehre und Rechtsprechung gehen einhellig davon aus, dass gerade die Religionsfreiheit bei besonderen Abhängigkeitsverhältnissen (Armee, Gefängnis, Spitäler) zur Geltung kommen muss. Die spezifische Natur dieser sogenannten „Sonderstatusverhältnisse“ hat zur Folge, dass ausnahmsweise in diesem Kontext der Staat zum Schutz eines Grundrechtes zu einem Tun verpflichtet ist, mithin ein grundrechtlicher Leistungsanspruch gegen den Staat besteht (z.B. Zurverfügungstellung von spitalinternen Räumlichkeiten für Gottesdienste).
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Bundesgerichtsentscheid vom 13. November
1987:
Die Strafanstalt Regensdorf bzw. die Justizdirektion des
Kantons Zürich wird verpflichtet, freitags einer Gruppe
von Gefangenen islamischen Glaubens (19 Personen)
gefängnisinterne Räumlichkeiten zwecks Durchführung
gemeinsamer Gottesdienste anzubieten.
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10Auszug BGE 113 IA 304
„Gerade hier, wo der weitgehende Entzug der Bewegungsfreiheit
den Gefangenen hindert, die ihm verbleibenden Grundrechte
selbstverantwortlich in Anspruch zu nehmen, und er sich in
ausserordentlich grosser Abhängigkeit von den Vollzugsorganen
befindet, muss sich die religiöse Neutralität des Staates
bewähren. Dies führt dazu, dass die öffentlich-rechtliche
Anerkennung einer Glaubensgemeinschaft als Landeskirche nicht
zum Kriterium für die Zulässigkeit eines gemeinsamen
Gottesdienstes gemacht werden darf…“
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11Auszug BGE 113 IA 304
„ …Eine grundrechtskonform ausgestaltete Gottesdienstordnung
muss zum Zweck haben, möglichst vielen Häftlingen den Besuch
gemeinsamer Gottesdienste zu ermöglichen. Unter dem Gesichts-
punkt beschränkter räumlicher und organisatorischer Möglichkeiten
kann es sich rechtfertigen, nicht jeder Glaubensgemeinschaft, die
dies wünscht, einen eigenen Gottesdienst zu gestatten. Insofern kann
es als zulässig erscheinen, Angehörige verwandter Konfessionen auf
interkonfessionelle Feiern zu verweisen. Christliche Sekten können
so nicht für sich beanspruchen, unter Beizug eines eigenen
Geistlichen einen eigenen Gottesdienst abzuhalten, wenn sie an einer
interkonfessionellen christlichen Feier teilnehmen können…“
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12Auszug BGE 113 IA 304
„ …Die Verweigerung des gemeinsamen Freitagsgebetes für
Moslems lässt sich damit nicht mit dem Hinweis auf Probleme der
Anstaltsordnung bei einer Vielzahl von Gottesdiensten kleinster
Glaubensgemeinschaften begründen…Genauso wie Angehörige
kleinerer christlicher Sekten auf eine gemeinsame christliche
Feier verwiesen werden können, kann dies ohne Verstoss gegen
die Kultusfreiheit auch für Moslems verschiedener
Glaubensrichtung geschehen.“
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Wie setzt der Kanton Zürich diese Vorgaben um? Kirchengesetz § 16:
Die Pfarrerinnen und Pfarrer der anerkannten kirchlichen
Körperschaften haben Anspruch auf Zulassung zur
Seelsorge in Einrichtungen des Kantons und der
Gemeinden wie in Spitälern, Pflegeheimen oder
Gefängnissen.
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Wie setzt der Kanton Zürich diese Vorgaben um?Verordnung zum Kirchengesetz und zum Gesetz über die anerkannten jüdischen Gemeinden § 6:
Abs. 1 Anspruch auf Zulassung zur seelsorgerischen Tätigkeit in Einrichtungen des Kantons und der Gemeinden haben alle in ihrer kantonalen kirchlichen Körperschaft oder anerkannten jüdischen Gemeinde zur seelsorgerischen Tätigkeit zugelassenen Amtsträgerinnen und Amtsträger.
Abs. 2 Für die Zulassung zur seelsorgerischen Tätigkeit in einem Gefängnis bedürfen sie zudem einer ausdrücklichen Empfehlung durch die betreffende kantonale kirchliche Körperschaft oder anerkannte jüdische Gemeinde.
Abs. 3 Weist eine Einrichtung das Begehren um Zulassung zur seelsorgerischen Tätigkeit ab, erlässt sie eine Verfügung.
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PatientenrechtsgesetzAntrag des Regierungsrates vom 6. Februar 2002
§ 11: Die Patientinnen und Patienten haben das Recht, sich durch die eigene Seelsorgerin oder den eigenen Seelsorger oder, falls vorhanden, durch die Spitalseelsorge betreuen zu lassen.
Die Patientinnen und Patienten werden bei ihrer Aufnahme in die Institution gefragt, ob und welche Seelsorge über ihren Eintritt orientiert werden soll.
Die Seelsorgerinnen und Seelsorger achten den Willen der Patientinnen und Patienten und nehmen auf den Betrieb der Institution Rücksicht.
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Auszug aus der Weisung zum Antrag
„Von besonderer Bedeutung ist das Recht der Patientinnen und Patienten auf Seelsorge…Hingegen müssen die Institutionen die angemessene seelsorgerliche Betreuung der Patientinnen und Patienten durch eine von diesen gewünschte Person ermöglichen (z.B. durch Schaffung geeigneter Räume oder durch Zutrittsgewährung ausserhalb der üblichen Besuchszeiten). Ein Recht der anerkannten Kirchen oder anderer Glaubensgemeinschaften, die Seelsorge anbieten, auf Informationen über ihre kranken Mitglieder wird durch dieses Gesetz nicht begründet; die Patientinnen und Patienten entscheiden selbstständig, ob und von wem sie seelsorgerisch betreut werden wollen. Ob und welche Seelsorge gewünscht wird, ist durch die Institutionen bei der Eintrittsorientierung zu klären.“
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Antrag Patientenrechtsgesetz
Parlamentarische Hearings zu diesem Vorschlag der Regierung: Massive Kritik von reformierter Seite
Forderung: Keine Gretchenfrage („Wie hältst Du’s mit der Religion?“) beim Spitaleintritt! Parlament trägt der Kritik Rechnung
Inhalt
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Patientenrechtsgesetz: Definitiver Gesetzestext
§ 9: Die Patientinnen und Patienten haben das Recht,
sich durch die eigene Seelsorgerin oder den eigenen
Seelsorger betreuen zu lassen. Die Spitalseelsorge kann
die Patientinnen und Patienten unaufgefordert
besuchen.
Die Seelsorgerinnen und Seelsorger achten den Willen
der Patientinnen und Patienten und nehmen auf den
Betrieb der Institution Rücksicht.
Inhalt
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Patientenrechtsgesetz: Definitive Weisung
Das Gesetz garantiert den Patientinnen und Patienten das
Recht auf den eigenen Seelsorger bzw. die eigene
Seelsorgerin. Die Spitalseelsorgerinnen und –seelsorger
können ihrerseits Patientinnen und Patienten unaufgefordert
besuchen. Dieses Besuchsrecht ist in Relation zu setzen mit
der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Patientinnen und
Patienten, d.h., es kann nur dann ausgeübt werden, wenn
sich Patientinnen und Patienten vorgängig nicht gegen den
Besuch der Spitalseelsorge ausgesprochen haben.“
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20Fazit
1. Der Patient muss aktiv werden, wenn er keine Seelsorge will.
Ansonsten gilt die (widerlegbare) Rechtsvermutung, dass er
Seelsorge will.
2. In Eintrittsformularen von Spitälern (bzw. Eintrittsgesprächen)
darf nicht aktiv nach dem Seelsorge-Wunsch des Patienten
gefragt werden. Es sind nur allgemeine Fragen bzw. Angaben
zur Religionszugehörigkeit zulässig (vgl. USZ-
Eintrittsformular).
3. Diese Vorgaben gelten für alle Spitäler (öffentliche und
private, vgl. § 1 Patientinnen- und Patientengesetz).
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Beispiel eines Eintrittsformular (USZ)
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Empfehlungen der ref. und kath. Kirche betr. Datenmeldungen für die Spitalseelsorge (Juli 2000)
Auszug: Wo Spitalpfarrämter eingerichtet sind, ist ihnen die Verantwortung für die Seelsorge an Patientinnen und Patienten übertragen. Zur Erfüllung ihres Auftrages benötigen sie folgenden Grundbestand an Daten:
• Name, Vorname• Geburtsdatum• Adresse• Muttersprache (oder Nationalität)• Eintrittsdatum• Zimmer-Nummer
(Genehmigt vom kantonalen Datenschutzbeauftragten und der Gesundheitsdirektion)
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23Art. 321 Strafgesetzbuch
(Verletzung des Berufsgeheimnisses)
1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare,
Patentanwälte, nach Obligationenrecht zur
Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte,
Zahnärzte, Apotheker, Hebammen sowie ihre
Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen
infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie
in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden,
auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe bestraft.
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Verletzung des Berufsgeheimnisses
„Das Gewähren von Zugang zu nicht anonymisierten Daten
an Personen, die nicht in einem
Behandlungszusammenhang zur betroffenen Person
stehen, stellt auch innerhalb eines Spitals oder einer Klinik
eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht dar. ..“
(Eidg. Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der
medizinischen Forschung)
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Verletzung des Berufsgeheimnisses
E contrario ergibt sich:
Personen gemäss Art. 321 StGB, die in einem Behandlungs-
zusammenhang zu einer Patientin oder einem Patienten
stehen, können grundsätzlich über letztere Informationen
untereinander austauschen, ohne das Berufsgeheimnis zu
verletzen.
Seelsorgende sind keine „Dritte“, sofern Patientinnen oder
Patienten ihren Einbezug ins Behandlungsteam wünschen.
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Kantonale Bestattungsverordnung
§ 53
Für Totgeburten gelten die Vorschriften dieser Verordnung
nur, sofern die Eltern eine förmliche Bestattung wünschen.
Über die übrigen Totgeburten ist auf andere schickliche
Weise zu verfügen.
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Eidgenössische Zivilstandsverordnung
Abs. 2
Als Totgeburt wird ein Kind bezeichnet, das ohne
Lebenszeichen auf die Welt kommt und ein Geburtsgewicht
von mindestens 500 Gramm oder ein Gestationsalter von
mindestens 22 vollendeten Wochen aufweist.
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Nachgefragt: «Jedes Kind kann beerdigt werden»
Der Landbote 4. Jan 2013; Interview: Nadja Ehrbar
Alberto Dietrich Katholischer Spitalseelsorger KSW
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Nachgefragt: «Jedes Kind kann beerdigt werden»
Der Landbote 4. Jan 2013; Interview: Nadja Ehrbar
Alberto Dietrich Katholischer Spitalseelsorger KSW
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Nachgefragt: «Jedes Kind kann beerdigt werden»
Der Landbote 4. Jan 2013; Interview: Nadja Ehrbar
Alberto Dietrich Katholischer Spitalseelsorger KSW
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