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Dr. phil. Leza Dosch, Kunsthistoriker Fortunastrasse 36, CH-7000 Chur Telefon: +41 (0)8125228 19 - E-Mail : [email protected] Kantonsschule Wattwil SG Bauhistorisches Gutachten

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Page 1: Kantonsschule Wattwil SG - Komitee «Ja zum Campus Wattwil»...Aula aufnimmt, in den vier Obergeschossen die Schulzimmer sowie ein Lehrerzimmer mit Lehrerbibliothek. Die grössere

Dr. phil. Leza Dosch, Kunsthistoriker

Fortunastrasse 36, CH-7000 Chur Telefon: +41 (0)8125228 19 - E-Mail : [email protected]

Kantonsschule Wattwil SG

Bauhistorisches Gutachten

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Leza Dosch

Kantons schule Wattwil SG

Bauhistorisches Gutachten

Verfasst im Auf trag des Hochbauamtes des Kantons St. Gallen

Arbeitsfotos: Leza Dosch

Chur, 6. Juli 2012

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Inhalt

1 . Vorwort

2 . Baugeschichte

2.1 Allgemeine Daten 2.2 Standortwahl

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2.3 Baugeschichtliche Daten 2.4 umbauten und weitere Planung

3 . Beschreibung

3.1 Situation und Baugrund 3.2 Anordnung 3.3 Äusseres 3.4 Inneres 3 . 5 Kunst am Bau

4. Erhaltungszustand

5. Arc hitekturhisto r i sche Einordnung

5.1 Otto Glaus und Heribert Stadlin 5.2 Architektonische Themen 5.3 Grundrisse und Schnitte 5.4 Formenmotive und künstlerische Haltung

6 . Schutzwürdigkeit und Empfehlung

6.1 Gesetzgebung 6.2 Vorschlag zur Einstufung 6.3 Begründung 6.4 Empfehlung

7 . Anhang

7.1 Archive 7.2 Quellen und Dokumentationen 7.3 Literatur 7.4 Verfasser

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1 . Vorwort

Das vorliegende Gutachten entstand im Auftrag des Hochbauamtes des Kantons St. Gallen und soll Hinweise für weitere Planungsvorhaben geben. Es hat zum Ziel, die architekturhistorisch wesentlichen Aspekte zusammenzufassen und auf die Frage der Schutzwürdigkeit des Gebäudes hin abzuklären. Grund­lagen für die Untersuchung bilden in erster Linie der Bau selbst und sein ortsbaulicher Kontext, dann aber auch Pläne, historische Fotos, schriftli­che Quellen und die Literatur.

Für besondere Unterstützung dankt der Verfasser dem Vertreter des Hochbau­amtes des Kantons St. Gallen, Herrn Ragnar Scherrer, und dem Leiter Haus­dienst an der Kantonsschule Wattwil, Herrn Markus Früh. Bei der Beschaf­fung bauhistorischer Informationen ist man auf die Mithilfe verschiedener Institutionen und Personen angewiesen. Der Dank dafür geht an die konsul­tierten Archive und Bibliotheken sowie an Herrn Pierre Hatz und Frau Irene Hochreutener Naef von der kantonalen Denkmalpflege St. Gallen.

2. Baugeschich te

2.1 Allgemeine Daten

Bauaufgabe: Erbaut als Mittelschule und Lehrerseminar.

Adresse: Näppis-Ueli-Strasse 11, 9630 Wattwil.

Bauzone: Zone für öffentliche Bauten und Anlagen; Arealfläche: 8145 m2 (http://www.geoportal.ch/) .

2.2 Standortwahl

Als Bauplatz wurde der «Alte Gemeindeplatz> bestimmt, ein für die Bauaufgabe einer Kantonsschule sehr beengtes Grundstück von rund 8'000 m2 unmittelbar an der Thur. Der Platz wurde dem Kanton am 24. März 1963 von der Gemeinde Wattwil geschenkt. 1

2.3 Baugeschichtliche Daten

1964 Projektwettbewerb. Fachleute in der Jury: u.a. Max Ziegler, Zürich, und der St. Galler Kantonsbaumeister Max Werner (Ersatzmann) .

1. Rang Otto Glaus und Heribert Stadlin, St. Gallen; 2. Rang Seda Küng, Basel; 3 . Rang Niklaus Kuhn, Zürich. Anschliessend Überarbeitung der drei erstrangierten Entwürfe; Wahl des Projektes von Glaus & Stadlin.

28. Mai 1967 kantonale Volksabstimmung .

Baugesuch vom Gemeinderat Wattwil genehmigt am 4. April 1968. Abänderungsgesuch von gleicher Instanz genehmigt am 8. Januar 1969: Aufstockung des westlichen Teils des Klassentrakts um ein Geschoss, Wegfall der ursprünglich geplanten Aufbauten. 2

Bauzeit 1968-1970. Architekten: Otto Glaus und Heribert Stadlin, St. Gallen; Mitarbeiter Andre Heller und Heinz Wüst, Bauführer Hanspeter Ehrbar. Ingenieur: Paul Etter, Wattwil; Mitarbeiter A. Meyer.

1 Robert Brocker, in: Toggenburger. 2 Bauverwaltung Gemeinde Wattwil, Archiv .

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Juli 1968 Baubeginn. Ende 1968 Rohbau-Vollendung des Westtrakts, August 1969 des Osttrakts. Herbst und Winter 1969/70 Ausführung des Südtrakts. 20. April 1970 Inbetriebnahme; 5. Juni 1970 Einweihung.

2.4 Umbauten und weitere Planung

1992 Eröffnung der Erweiterung des Architekten Heribert Stadlin, St. Gallen. Neue Mensa neben dem Haupteingang, Verlängerung des Naturwissenschaftstrakts gegen Norden, neue Mediothek auf der Turnhalle.

2008 Projektwettbewerb im selektiven Verfahren für einen Neubau des Verbindungstrakts.

3 . Beschreibung

3.1 Situation und Baugrund

Die Situation der Anlage scheidet räumlich zwei Fluss- und zwei Siedlungsseiten aus. Die Nord- und die Ostseite liegen an der Fluss­landschaft der Thur, die West- und die Südseite grenzen an ein Quartier von Wohn- und Geschäftshäusern an. Trennlinien b ilden hier die Johann Ludwig Ambühl-Strasse und die Näppis-Ueli-Strasse. An letzterer reihen sich Heimatstilhäuser der Zeit um 1911 auf, hinter diesen wiederum befindet sich das ehemalige Volkshaus von 1923/24 (heute Thurpark) .

Gesamtansicht im Ortsbild . Flugaufnahme Comet, Zürich. gta Archiv, Archiv Otto Glaus; Kantonsschule Wattwil, Ordner 85 .

Die Näppis-Ueli-Strasse ist eine Querstrasse der Bahnhofstrasse und liegt in Gehdistanz zum Bahnhof, was die Schulwege der meistens von den umlie­genden Orten anreisenden Schüler und Schülerinnen kurz hält. Die Ambühl­strasse wurde von der Gemeinde ausgebaut, im nördlichen Teil jedoch ver­engt, um Durchfahrten auf den Thurdammweg zu verunmöglichen; auf der Nordseite der Näppis-Ueli-Strasse erstellte die Gemeinde ein durchgehendes Trottoir. 3

3 Archiv Bauverwaltung Wattwil, Baubewilligung vom 4. April 1968.

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Im Hinblick auf den hohen Grundwasserstand des Areals bei Hochwasser der Thur wurde das Erdgeschoss etwa 2 Meter über dem Strassenniveau angelegt. Dadurch konnten viele Räume im Untergeschoss untergebracht werden; die Massnahme hatte aufwendige Erdanschüttungen und Zugangstreppen zur Folge. Der weiche Baugrund, der zum Teil aus Ausbruchmaterial des Rickentunnels besteht, liess grosse Setzungen erwarten. Die Anlage wurde deshalb etappenweise ausgeführt.

3.2 Anordnung

Das Bauprogramm verlangte die Errichtung von insgesamt über 100 Räumen, wovon lediglich 16 allgemeine und nur 7 spezielle Schulzimmer waren. Herz­stück der Schule ist die grosse Eingangshalle mit der zentralen Garderobe. Das Lehrzimmersystem bringt für die Schüler und Schülerinnen je nach Unterrichtsfach ein stetes Wechseln der Zimmer mit sich. Di e Eingangshalle ist der Ausgangspunkt zu den Schulzimmern im Klassentrakt, zu den Spezialräumen im Westtrakt, zu den Verwaltungsräumen, zur Aula und zu den Musik- und Turnräumen im Untergeschoss.

West- und Südseite. Ansichtskarte, Rudolf Suter AG, Oberrieden-Zürich. gta Archiv, Archiv Otto Glaus; Kantonsschule Wattwil, Ordner BS.

Die Anlage wurde um einen quadratischen Innenhof gruppiert, Mächtigster Bauteil ist der 5-geschossige, turmartig e Klassentrakt im Osten , der im Erdgeschoss die weite Eingangshalle mit der zentralen Garderobe und die Aula aufnimmt, in den vier Obergeschossen die Schulzimmer sowie ein Lehrerzimmer mit Lehrerbibliothek. Die grössere Raumhöhe der Aula führte zur Lösung, die darüber liegenden Klassenräume auf versetzten Geschossen anzuordnen, was eine lebhafte Gestaltung im Bereich des Haupttreppenhauses ergab.

Das Vis-ä-vis im Westen bildet der zweigeschossige Spezialtrakt mit den Unterrichtsräumen für Biologie, Geografie, Chemie und Physik. Im Unterge­schoss brachte man die Garderoben und Duschen für den Turnunterricht und ein vorausgeplantes Sprachlabor unter . Im Norden liegt die Turnhalle, im Süden der eingeschossige Verwaltungstrakt mit Schülerbibliothek im Unter­geschoss. In der Südwestecke der Anlage, dem Dorf zugewendet, fügte man die Abwartwohnung an.

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Schnitt B-B, 1:200 (verkleinerte Wiedergabe), 2005. (Archiv Hochbauamt des Kantons St. Gallen).

3.3 Äusseres

Das Gebäude wurde als rohe Sichtbetonkonstruktion mit vorfabrizierten, tragenden Betonstützen errichtet. Geschosshoch ausgeführt, weisen diese drei wiederkehrende, rhythmische Abstände auf, die auf Le Corbusiers Modular zurückgehen. 4 Formal eigenwillig erscheinen die Einschnürungen der Stützen an ihrem Übergang zum nächsten Geschoss; sie sollen dem Wasserein­tritt bei der Fuge begegnen. Eine weitere Gliederung der Fensterfronten bewirken die dunkelbraunen Metallbrüstungen und die dunkelbraun gebeizten Fensterrahmen aus Föhrenholz. Die Dächer entstanden als flache, begehbare oder begrünte Kiesklebedächer; sie sind zum Teil mit Betonplatten belegt.

Ausschnitt Ostfassade. Struktur der vorfabrizierten Betonstützen mit ihren Einschnürungen.

4 140 cm, 86 cm und 53 cm; Masse der Pfeiler selbst 20/43 cm. Bauen + Wohnen, S. 52.

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Nordansicht. Fotografen Pius und Michael Rast, St. Gallen. gta Archiv, Archiv Otto Glaus; Kantonsschule Wattwil, Ordner BS.

Die Anordnung der einzelnen Baukörper und ihrer Teile ist vom Bestreben nach plastischer Wirkung geprägt. Leitmotive sind dabei im Grundriss vor­und rückspringende Rechtecke. Die Vorsprünge führten an den Fassaden der Eingangshalle und des Klassentrakts zu kraftvollen Staffelungen. Als vor­kragende Einzelmotive wirken die Vorhalle des Haupteingangs und die Ab­wartwohnung mit dem darüber liegenden Erker des Naturwissenschaf tstrakts, raumgreifend die reich gegliederten Terrassen des Eingangsbereichs, die den weiten Treppenaufgang und eine elementar anmutende Betonplastik in­tegrieren. Die Vorhalle überträgt das rhythmische Stützensystem der Fas­saden von der Fläche ins Räumliche und erscheint mit ihrer Vielzahl an Stützen als moderner Säulengang. Funktional dient sie als gedeckter Pau­senplatz.

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Südfassade, 1:100 (verkleinerte Wiedergabe), 1970. (Archiv Hochbauamt des Kantons St. Gallen).

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Südfassade, 1:200 (verkleinerte Wiedergabe), 2005. (Archiv Hochbauamt des Kantons St. Gallen).

3.4 Inneres

Tritt das Gebäude an seinem Äusseren als Sichtbetonarchitektur auf, so do­miniert im Innern der verputzte Backstein. Die Trennwände sind weitgehend gemauert; sie sollten bei neu auftretenden Bedürfnissen versetzbar sein. Die Betonwände der Fassaden wurden gegen innen isoliert und hintermauert. «Praktisch ist es nur möglich, innen und aussen Beton zu verwenden, wenn man doppelschalige Betonmauern oder Isolierbeton mit enorm starken Wand­dicken verwendet, will man gleichwertige Wärmeisolationswerte erhalten.» 5

Prägend für den Innenraum ist der weissgestrichene, besenwurfartige Rauh­putz an Wänden und Decken, der auch die Funktion einer akustischen Dämpfung übernimmt. Die Fussböden in den Gängen und in der Aula und die Brüstungen des Haupttreppenhauses wurden mit grün glasierten Steinzeug­platten ausgelegt. Die Schulzimmer erhielten Föhrentäfer und grünen Li­noleumböden; einzelne Bodenzonen der Spezialzimmer weisen schwarzen Klinker auf. Türen und Fenstersimse belegte man mit dunkelblauen Kunst­harzplatten.

Gang des Verwaltungstrakts: grüne Steinzeugplatten, Rauhputz, Wandleuchten und Oberlichter.

Schulzimmer mit Linoleumboden, Föhrentäfer und Decke in Rauhputz.

5 Heribert Stadlin, in: Bauen+ Wohnen, S . 52.

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Aula. Fotograf Künzler? (Rückseitige Bleistiftnotiz). gta Archiv, Archiv Otto Glaus; Kantonsschule Wattwil, Ordner BS .

Höhepunkt in der plastischen Auffassung der Innenarchitektur ist das Trep­penhaus des Klassentrakts, in dem die versetzten Geschosse der Schulzimmer aufeinander treffen (s . Titelbild). Mit Treppen kombinierte, vor- und rückspringende Umgänge um den zentralen Lichthof entfalten auf kleinem Raum eine expressive Raumdynamik. Die dabei entstandenen Durchblicke nach allen Seiten künden vom Bestreben nach einer erlebnisreichen Architektur. Die stark verdichtete Bauweise der Gesamtanlage mit Mittelkorridoren und grossen Gebäudetiefen hat verschiedenenorts eher dunkle Räume zur Folge. Die Lichtregie setzte auf einzelne Oberlichter, die das Seitenlicht ge­zielt ergänzen und die Räume damit plastisch modellieren. Künstliche Be­leuchtung geht von Beleuchtungskörpern mit Leuchtstoffröhren aus.

Funktionale Gegenstücke bilden der Bereich der grossen Eingangshalle und der Innenhof. Ersterer ist der Treffpunkt der Eintretenden und entspre­chend in der Art einer öffentlichen Piazza mit langen Stufenreihen kon­zipiert. Diese laden zum lockeren Sitting ein.

Grosse Eingangshalle: Treppenlandschaft als Versammlungsort.

Der Innenhof .

Anders der dem Studium und der Muse gewidmete Innenhof . An ihn sind im Untergeschoss über zwei Seiten hin Musikzimmer gelegt, während die Umgänge der beiden anderen Seiten in der Art eines Kreuzgangs frei blieben. Analog dazu liegen im Erdgeschoss drei Aufenthaltsräume für Schüler und Schüler­innen an der Ostseite des Hofs und einige Verwaltungsräume an dessen Südseite .

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Grundriss Erdgeschoss, 1:100 (verkl einerte Wiedergabe), 1970. (Archiv Hochbauamt des Kantons St. Gal l en).

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Grundriss Erdgeschoss, 1:200 (verkleinerte Wiedergabe), 2005 . (Archiv Hochbauamt des Kantons St. Gallen).

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Grundriss 1. Obergeschoss, 1:100 (verkleinerte Wiedergabe), 1970. (Archiv Hochbauamt des Kantons St. Gallen).

I~ Grundriss 1. Obergeschoss, 1:200 (verkleinerte Wiedergabe), 2005 (Archiv Hochbauamt des Kantons St. Gallen).

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3.5 Kunst am Bau

Der Treppenaufgang zum Haupteingang wird von einer eindrücklichen, lagernden Betonplastik flankiert. Sie zeigt organisch anmutende Schichten mit Kiesnestern. In den bisher bekannt gewordenen Unterlagen wird kein Künstlername erwähnt, am Werk selbst konnte keine Bezeichnung gefunden werden. So ist anzunehmen, dass die Plastik von den Architekten selbst geschaffen wurde, wie dies im Schaffen von Otto Glaus offenbar auch andernorts geschah. 6

Betonplastik am Haupteingang.

4 . Erhaltungszustand

Der Gründungsbau von 1968-1970 hat seine originale Substanz in sehr hohem Masse bewahrt. Fast durchgehend erhalten blieben nicht nur die konstituierenden Elemende wie Wände und Decken, sondern auch die Raumoberflächen wie Rauhputze, Täfer, Wandleuchten, Linoleum- und Steinzeugplattenböden. Dies alles erlaubt eine künftige Sanierung des Gebäudes in einem konservatorischen Sinn.

Die grösste Veränderung brachte die Erweiterung von 1992 mit der neuen Mensa, der Verlängerung des Naturwissenschaftstrakts und der neuen Mediothek auf der Turnhalle. Von dem am Gründungsbau beteiligten Architekten Heribert Stadlin geplant, sollte die Erweiterung im Sinn und Geist von 1968-1970 entstehen. Architekturhistorisch gesehen war dies ein schwieriger Entscheid, da natürlich auch ein Fortschreiben des Bestehenden eine Uminterpretation und damit eine Beeinträchtigung des Originals bedeutet. Das Bestreben ging dahin, die einzelnen Formen möglichst genau zu übernehmen. Die Kantonsschule Wattwil wurde durch diese Massnahmen zu einem pointierten Beispiel für ein mimetisches, ergänzendes Bauen im Bestand und damit zu einem Gegenbeispiel zur ver­breiteteren Praxis der Kontrastarchitektur .

5. Architekturhis t orische Ei no rdnung

5.1 Otto Glaus und Heribert Stadlin

Otto Glaus wurde am 17. Dezember 1914 in Uzwil SG geboren und starb am 30. September 1996 in Zürich. 7 Vor seinem Architekturstudium an der ETH Zürich (1941-1945) besuchte er die Kunstgewerbeschule Zürich und arbeitete 1938 für einige Monate im Atelier Le Corbusiers in Paris. 1945 gründete er ein Architekturbüro in Zürich. In den fünfziger und frühen sechziger Jahren

6 Beim Werkjahr-Schulhaus in Zürich- Hardau (1963/64) ist von skulpturalen Betonre l iefs die Rede; auch da wird kein Künstler genannt . Lindt, Otto Glaus , S . 156 . 7 Lindt, Glaus.

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beschäftigte sich Otto Glaus mit dem ganzen Spektrum aktueller Bauaufgaben von kirchlichen Gebäuden über Wohn- und Geschäftshäuser, Fabriken und Kli­niken bis zum Flughafen in Lugano-Agno. Eine Spezialität wurde der Bäder­bau; ein roter Faden zieht sich aber auch im Schulhausbau durch.

In den späten 1960er und frühen 1970er Jahren wurde Otto Glaus neben Wal­ter Maria Förderer und Claude Paillard zu einem der wichtigsten Schweizer Vertreter der skulpturalen Betonarchitektur; profilierter Architekt jener Richtung in Deutschland ist Gottfried Böhm. Von der Hochkonjunktur begün­stigt, kontrastiert diese aufwendige und überaus plastische Bauweise mit den schlichten und rationalen Lösungen der unmittelbaren Nachkriegszeit sowie der frühen und mittleren sechziger Jahre. Markanteste Werke von Otto Glaus aus jener Zeit sind die Siedlung Jakobsgut in Zürich-Höngg (1966-1969), der Asphof in Zürich-Seebach (1967/68), das Franziskushaus in Dulliken (1967-1969), das Konvikt der Bündner Kantonsschule in Chur (1967-1969) und der Seepark Hurden bei Pfäffikon (1970-1974) .

Otto Glaus arbeitete in seinem Hauptbüro in Zürich mit verschiedenen Partnern zusammen und unterhielt auch Zweigbüros in St. Gallen, Heiden, Bad Ragaz und Agno. Bestand hatten nach eigenen Aussagen aber nur die Bü­ros in Zürich und in St. Gallen. Das St . Galler Büro betrieb Glaus zusam­men mit Heribert Stadlin; es existierte von 1954 bis 1993. Heribert Stadlin wurde am 17 . Oktober 1926 geboren und starb am 26. Mai 2012. 8 In einem Interview anlässlich der Eröffnung der Kantonsschule Wattwil hielt er fest, dass alle Arbeiten im Einzugsgebiet des St . Galler Zweigbüros von diesem ausgeführt würden, auch die der Projektierung . Man könne aber sagen, dass die Kantonsschule wattwil in der Architektur sehr viel von Otto Glaus ausstrahle . 9

5.2 Architektonische Themen

Der Bau der Kantonsschule Wattwil liegt auf der Linie der Dezentralisation des St. Galler Mittelschulwesens. Ausserhalb der traditionellen Bildungs­standorte in St. Gallen und Rorschach (Lehrerseminar) entstanden in den sechziger und frühen siebziger Jahren die Kantonsschulen in Sargans, Wattwil und Heerbrugg; später folgte Wil . Parallel dazu gründete man in jener schulischen Aufbruchstimmung die interkantonalen Technika in Buchs und Rapperswil.

Glaus & Stadlin hatten 1958 bereits den Wettbewerb für eine Erweiterung der Kantonsschule in St. Gallen gewonnen und konnten diese 1962-1964 auch ausführen. Sie reag i erten mit einer Doppelstra t egie auf das Bestehende , indem sie einerseits den klassizistischen Bau Felix Wilhelm Kublys mi t de r t raditionellen Form eine s rechteckigen Innenhofs symmetrisierend weiter ­baut en , diesen andersei t s aber durch die freieren For men der Betonar­chitektur auc h kontrastierte n. Die Auseinandersetzung mit dem Raumprogramm einer Mittel schule wurde zu einer guten Vorbereitung für Wattwil.

Hier, bei e i nem Neubau, konnten die räumlichen Erfordernisse nun direkten architektoni schen Ausdruck bekommen. Heribert Stadlin war dezidiert der Ansicht, dass sich der Charakter einer Sekundar - oder einer Mittelschule von einem Primarschulhaus zu unterscheiden habe. 10 In Wattwil führte dies zu einer direkten Gegenüberstellung des hohen Klassentrakts gegen den Spezialtrakt der Naturwissenschaften. Für Primarschulhäuser hätte der Klassentrakt mit seinen vier Obergeschossen als nicht kindgerecht gegol -

8 Tod e s a n zei ge i m St. Gal l er Tagblatt, 2. Juni 2012 , Nr. 127 , s. 3 9. 9 Bauen + Wohnen , S. 51.

lO Bauen + Wohnen , s. 51 .

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ten. Ein Spezialtrakt drückt zudem die mit der höheren Bildung einher­gehende Aufteilung nach Fachdisziplinen aus.

Geht es dabei um die Identität eines Mittelschulbaus, so betrifft das zweite grosse Thema die Frage der städtebaulichen Integration des Ganzen. Ein früher, undatierter Bericht der Architekten zu einem kleineren Pro­jekt, das den Saal des benachbarten Volkshauses noch als Aula der Kantons­schule vorsah, wollte das Schulgebäude ungefähr im Zentrum des Areals platzieren, «um allseitig möglichst grosse Grünflächen zu erhalten und einen genügend grossen Abstand von der umliegenden Bebauung zu wahren.» 11

Auch noch beim ausgeführten Bau wurde der hohe Klassentrakt möglichst weit von den benachbarte kleinmassstäblichen Wohnquartieren mit ihren Vorgärten abgerückt. Der damals federführende Kantonsbaumeister Max Werner kam in seinem Statement zur Einweihung der Schule auf den Ortsbezug zu sprechen. Ob der Bau in die Toggenburger Landschaft passe, bedürfe keiner besonderen Begründung. Die breit gelagerten vorbauten und die verschieden hoch geführten Trakte wiesen eine formale Übereinstimmung mit der ringsum sichtbaren Topografie auf. zu den Höhen der Bauten im Süden und Westen neige sich das Schulgebäude recht eigentlich herab, «sodass nur der sich im Hintergrund gegen den weiten Thurraum erhebende Klassentrakt einen bewussten und erwünschten Akzent im Ortsbild entstehen lässt.»12

Die Kantonsschule Wattwil hat in ihrem städtebaulichen Bezug zwei Gesich­ter: Auf der westlichen und südlichen Seite schliesst sie eng an die Textur der älteren Wohn- und Geschäftshäuser an, auf der Nord- und Ostseite kündet sie von einem Ideal der Architektur der sechziger Jahre, dem Bauen im Park.

Südwestansicht: Der Übergang zum Wohnquartier.

5.3 Grundrisse und Schnitte

Nordansicht: Der Bau in der Flusslandschaft.

Der hohe Klassentrakt war eine Notwendigkeit, um das geforderte Raumpro­gramm überhaupt realisieren zu können. Angesichts der Praxis jener Zeit wäre es naheliegend gewesen, diesen als Solitär, als kleines Hochhaus isoliert zu platzieren. Überraschenderweise wurde er nun aber mit dem mittelalterlichen Motiv eines klösterlichen Kreuzgangs kombiniert, um den herum sich die übrigen, ein- und zweigeschossigen Volumen gruppieren. Um den Charakter eines Kreuzgangs zu erreichen, wäre ein Innenhof idealer­weise ringsum nur von Gängen umgeben. Dies war aus Gründen des Raumpro­gramms schon bei der Kantonsschule St. Gallen nicht möglich gewesen. In

ll Glaus/Stadlin, Erläuterungsbericht.

l2 Max Werner, in: Toggenburger.

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Wattwil konnten immerhin zwei Seiten freigehalten werden, während an den beiden anderen Seiten Musikzimmer, Aufenthalts- und Büroräume liegen. Die einbündigen Korridore wechseln in diesen Bereichen zu Zweibündern.

Grösster Raum des Gebäudes ist die Eingangshalle. Sie ist als neutraler, etwas heterogener Raum ausgebildet und erscheint mit ihrer Vielzahl an Stützen als überdachter Platz. Über zwei Seiten angelegte, lange Stufen verleihen diesem den Charakter einer italienischen Piazza. Wie das Ver­halten der Schüler und Schülerinnen zeigt, wird das Angebot der Stufen als Sitzgelegenheit und Besammlungsort auch heute noch angenommen. Die im Grundriss abgestufte und verglaste Südostfront gegen die heute dezimierten Aussenaufgänge des Schulhauses zu dient der Belichtung der Halle; eine Reihe von Oberlichtern belichtet die in die Halle integrierten Garderoben.

Wie der betreffende Querschnitt B-B zeigt, hatte die grössere Höhe der an die Eingangshalle angrenzenden Aula eine Verschiebung der Niveaus der Klassenräume zur Folge. Was auf den Grundrissen als um einen Lichthof gruppiertes Nebeneinander erscheint, ist in Wirklichkeit in der Höhe ver­schoben. Ein funktionaler Ausgangspunkt bot den Architekten damit die Gelegenheit zu einer weiteren Variation. Die Verschiebung wird vom Licht­hof, dem Umgang und der gegenläufigen Treppe aufgefangen. Aber auch die beidseits angeordneten Schulzimmer variieren: Die äusseren liegen auf einer Flucht, die dem Innenhof zugewandten sind gestaffelt . Diese Lösung ist ein gutes Beispiel eines unorthodoxen und etwas komplizierten Entwurfs, der zu einer individuellen und reichen Gestaltung führte.

5.4 Formenmotive und künstlerische Haltung

In der Organisation des Klassentrakts kommt das Hauptanliegen der Archi­tekten zum Ausdruck, das den Ausgleich zwischen funktionaler Notwendigkeit und künstlerischer Freiheit sucht. Traditionelle, einer symmetrisierenden Auffassung verpflichtete Grundrisstypologien wie die Aufreihung von Schul­zimmern und das Element eines Innenhofs werden aufgenommen, aber durch Staffelungen und den Wechsel von der Ein- zur Zweibündigkeit in ihrer Strenge gebrochen. Das Interesse an plastischer Formung äussert sich be­reits am Vor- und Rückspringen der Grundflächen und an den unterschiedli­chen Gebäudehöhen. Ein schönes Beispiel für die Staffelung der Grundflä­chen sind die Terrassen an den Hauptaufgängen in ihrer ursprünglichen Ge­stalt; sie sind innig mit den Freitreppen und der Betonplastik verbunden. Zu einer als gedeckter Pausenplatz zu nutzenden Plastik wurde die ebenso gestaffelte und mit Stützen versehene Vorhalle. Von oben gesehen scheiden die Brüstungen ihres Dachaufbaus kastenförmige Geometrien aus.

zweites formales Hauptmotiv der Wattwiler Anlage sind die Betonstützen der zu Glasfronten aufgelösten Fassaden. Der Rhythmus der Stützenabstände geht auf den Modulor, das Proportionsschema Le Corbusiers, zurück; die Stützen selbst erinnern an Fassadengliederungen des von Le Corbusier erbauten Klosters La Tourette (1957). Im Vergleich zu den markantesten Werken von Otto Glaus bleibt der Formenreichtum bei der Kantonsschule wattwil zurück ­haltend; äussere Beschränkungen bildeten die beengten Platzverhältnisse und der als vertretbar erscheinende finanzielle Rahmen. Und doch ist auch bei diesem Bau die Tendenz zur Skulptur unverkennbar. Sie wird von Stimmungsbildern unterstützt, die sich aus dem Wechsel von Licht und Schatten ergeben. Recht dunkel und damit introvertiert wirken verschiedene Bereiche der Gänge und Treppenhäuser. Demgegenüber sind die Schulräume ganz zu Fensterfronten geöffnet, die einzig durch Brüstungen und Stützen unterbrochen werden.

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Architektur als Skulptur: Vorhalle von oben. Historisches Foto. gta Archiv, Archiv Otto Glaus; Kantonsschule Wattwil, Ordner A27, Foto Nr. 41.

Das Interesse der Architekten war weit gespannt: Es galt sowohl formalen als auch funktionalen und sozialen Aspekten. Heribert Stadlin hat die Zielsetzung der Architekten formuliert. Es sei darum gegangen, die Bedeutung der Mittelschule in der Gesellschaft aufzuzeigen und dem Schüler das Gefühl zu vermitteln, dass diese Schule mit Liebe und Sorgfalt gebaut worden sei. «Dieses Ziel wurde durch gute Proportionen, der Pflege des Details ohne übertriebenen Perfektionismus und gestalterischen Reichtum angestrebt.» 13 Das zusammengehen technischer und ästhetischer Überlegungen zeigt sich beispielsweise bei der Einschnürung der Betonstützen der Fas­saden, die gemäss Stadlin dadurch als Pendelstützen richtig ausgebildet, gleichzeitig aber auch bewusst gestaltet sind. 14 Die vielfache horizontale Abkantung der Metallbrüstungen habe den Vorteil der Aussteifung, aber auch den eines rhythmischen Schattenwurfs, der dem Material das rein indu­strielle Aussehen nehme. Ohne eigentlichen finanziellen Mehraufwand er­reiche man so eine grössere Ausdruckskraft . Auch die massive Ausführung der Brüstungen des Haupttreppenhauses und die Verkleidung mit grün gla­sierten Steinzeugplatten seien nicht nur ästhetisch begründet. Die Brü­stungen hätten tragende Funktion und seien für Schüler praktischer als ein dünnes Geländer; sie könnten da besser anlehnen und auch ihre Füsse dagegen stellen. Die Abschrägung des Abschlusses verhindere ein Drauf­sitzen.

Otto Glaus und Heribert Stadlin sprachen auch von der gesellschaftlichen Bedeutung des Schulgebäudes einerseits und dem Schüler als Individuum an­derseits, das sich darin wohl fühlen solle. 15 Der Behaglichkeit dient demnach die Variation, die in der Gliederung verschieden hoher Trakte, den versetzten Geschossen, den unterschiedlichen Raumhöhen, den holzverklei­deten Sitznischen, dem schallhemmenden Rauhputz, der Vermeidung grosser eintöniger Wandflächen und den warmen Materialien zum Ausdruck kommt.

13 Bauen +Wohnen, s. so. 14 Im folgenden nach Bauen + Wohnen, S. 52 . 15 Glaus/Stadlin, Bericht, s. 3.

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6 . Schutzwürdigkeit und Empfehlung

6.1 Gesetzgebung

Die Frage der Schutzobjekte ist im kantonalen St. Ga l ler «Gesetz über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht (Baugesetz)», Art i ke l 98ff . fest­gehalten.16 Dazu gehören u.a. «künstlerisch oder geschichtlich wertvolle Bauten oder Bauteile» (Art. 98f)

6.2 Vorschlag zur Einstufung

Die Kantonsschule Wattwil ist ein Schutzobjekt von kantonaler Bedeutung.

6.3 Begründung

Wattwil ist im «Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung ISOS» unter der Kategorie «verstädtertes Dorf» eingetragen (http : //www.bak.admin.ch/isos). Die Kantonsschule liegt in der Umgebungszone VIII, einem empfindlichen Teil des Ortsbildes mit dem Erhal­tungsziel b (Erhalten der Eigenschaften, die für die angrenzenden Orts­bildteile wesentlich sind) . Der Bau der Kantonsschule selbst ist mit einem Hinweis versehen (0.0.22) . 17 Als Baugruppe 5.3 wird im ISOS von Wattwil die Reihe der Heimatstilhäuser an der Näppis-Ueli-Strasse aufgeführt, die vis-ä-vis des Haupteingangs der Kantonsschule steht (Erhaltungsz i el A: Er­halten der Substanz). Diese Häuser wurden anlässlich der Gewerbeausstel­lung 1911 erbaut.

Das Schweizerische Inventar der Kulturgüter (KGS-lnventar) führt die Kan­tonsschule Wattwil unter den B-Objekten auf (regionale Bedeutung) , www . kulturgueterschutz . ch . Unter «regional» sind bei dieser Systematik alle Objekte unterha l b der nationalen Einstufung gemeint; weitere Diffe­renz ierungen existieren hier nicht.

Der «kraftvolle Schulcampus» der Architekten Otto Glaus und Heribert Stad ­lin ist 2008 anlässlich des Projektwettbewerbs für den neuen Verbindungs ­trakt als «wertvoller Zeitzeuge einer plastisch gestalteten Sichtbetonar­chitektur> anerkannt worden. 1 8 Damit wurde ihm implizit der Status eines Schutzobjekts zugesprochen. Dieser Stellenwert konnte durch die vorausge­henden Ausführungen im Kapitel 5 bestät i gt werden.

Die Denkmalpflege des Kantons St. Gallen unterscheidet bei Schutzobjekten zwi schen einer lokalen, regionalen, kantonalen und nationalen Bedeutung.

Mit Blick sowohl auf kantonale als auch auf ein schweizerisches Ver ­gleichsraster ist der Gründungsbau der Kantonsschule Wattwil von 1968 - 1970 als Schutzobjekt von kant onaler Bedeutung einzustufen. Da die Erweiterung v on 1992 architektonische Qualitäten auf weist und untrennbar mit dem Grün ­dungsbau verbunden ist, ist sie in den Schut z einzubeziehen.

6 .4 Empfehlung

Das Problem der beengten Verhältnisse auf der verhältnismässig kleinen Parzelle der Kantonsschule bestand s c hon von Anfang an . Es hatte die Architekten dazu gebracht, stark zu verdichten und den Klassentrakt gar als kleines Hochhaus z u realisieren. Eine zusätzliche , ans Limit gehende Verdichtung brachten die Er weiterungen v o n 1992. Um das Origi nal von 1968-

16 Gesetzessa mml ung 731.l , nGS 32- 47. 17 ISOS, l. Fassung 11.2004/fsr.

18 Projekt wettbewerb Verbindungstrakt, S. 9 .

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1970 wiederzuerlangen, wäre ein Rückbau der Intervention von 1992 notwen­dig. Dies bliebe jedoch ein theoretisches Unterfangen, da mit dem Rückbau natürlich auch Zerstörungen am Altbau und Rekonstruktionen notwendig wür­den. Pragmatischer erscheint da die Lösung, die Erweiterung von 1992 als wichtigen Teil der Baugeschichte anzuerkennen. Sie ist sehr sorgfältig geplant und ausgeführt und stellt ohne Zweifel eines der profiliertesten Beispiele eines nicht kontrastierenden, sondern ergänzenden Bauens im Bestand dar.

Der Projektwettbewerb von 2008 wollte die Mensa erweitern und neue Aufent­haltszonen schaffen. Wenn man die heutige Anlage während des laufenden Schulbetriebs besucht, sind diese Anliegen gut nachzuvollziehen, da die Ballung der Schüler und Schülerinnen in diesen Bereichen sehr hoch ist. Aus denkmalpflegerischer Sicht hätte das Vorhaben jedoch eine nochmalige Überformung des baulichen Bestandes bedeutet. Es ist generell festzuhal­ten, dass jede weitere Ergänzung am bestehenden Ort den Charakter und die Substanz des Gründungsbaus weiter beeinträchtigen würde. Ein Baudenkmal erträgt nicht mehr als eine gewisse Anzahl an Benutzern und Benutzerinnen. Indikatoren für das tolerierbare Mass sind dabei sowohl das Wohlbefinden des Publikums als auch die Benutzung des Gebäudes ohne kontinuierliches Zufügen grösserer Materialschäden.

Wenn man diese Überlegungen zusammenfasst, kommt man zum Schluss, dass es angesichts der Übernutzung des Gebäudes von 1968-1970 und 1992 am besten wäre, einzelne Abteilungen in ein bestehendes oder neues Gebäude auf einem anderen Grundstück zu verlegen. Dieses Grundstück sollte Ausbaupotential besitzen; es ist anzunehmen, dass Erweiterungen der Schule auch künftig ein Thema bleiben werden.

Im Auftrag des Hochbauamtes des Kantons St. Gallen arbeitete das Büro «Eigen GmbH» eine Machbarkeitsstudie für eine aktuelle Erweiterung aus. Das Resultat wurde im April 2012 vorgelegt. Die Studie schlägt einen langen und grossen neuen Anbau entlang der Näppis-Ueli-Strasse mit einem Andocken an den Naturwissenschaftstrakt und an den Klassentrakt vor. Aus architekturhistorischer Sicht kann dieser Vorschlag nicht weiter verfolgt werden, da er viel zu stark in die originale Substanz und Erscheinung des Schutzobjektes eingreifen würde.

7. Anhang

7.1 Archive

gta Archiv, Archiv Otto Glaus: gta Archiv, ETH Zürich, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, Zürich Hönggerberg, Archiv Otto Glaus.

Bauverwaltung Gemeinde Wattwil.

Hochbauamt des Kantons St. Gallen, St. Gallen.

7.2 Quellen und Dokumentationen

Glaus/Stadlin, Erläuterungsbericht: Otto Glaus & Heribert Stadlin, Architekten, Mittelschule Toggenburg in Wattwil SG. Erläuterungsbericht zum Kostenvoranschlag, St. Gallen o. J.; gta Archiv, Archiv Otto Glaus, Kantonsschule Wattwil, Ordner B 5.

Glaus/Stadlin, Bericht: Otto Glaus und Heribert Stadlin, Bericht der Architekten Glaus & Stadlin zur Kantonsschule Wattwil, St. Gallen, 28. Mai 1970 (Typoskript). Archiv Hochbauamt des Kantons St. Gallen, St. Gallen.

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7.3 Literatur

Adler u.a. Architekturführer: Florian Adler, Hans Girsberger und Olinde Riege (Hrsg.), Architekturführer Schweiz, Zürich 1978, S. 184.

Bauen + Wohnen: Bauen + Wohnen (München) 26, 1971, Nr. 2, S. 48-53.

Lindt, Glaus: Ueli Lindt, Glaus, Otto, in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hrsg.): Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998, S. 223-224.

Lindt, Otto Glaus: Ueli Lindt, Otto Glaus, Architekt, Basel/Boston/Berlin 1995.

Lindt u.a., Heiden: Ueli Lindt, Arthur Oehler (Text) und Jürg Zürcher (Fotografie), Der Kursaal in Heiden, Kanton Appenzell Ausserrhoden, Schweizerische Kunstführer GSK 883, Bern 2011.

Projektwettbewerb Verbindungstrakt: Kanton St. Gallen, Kantonsschule Wattwil, 9630 Wattwil, Neubau Verbindungstrakt, Projektwettbewerb im selektiven Verfahren, Bericht des Preisgerichts, Hochbauamt des Kantons St. Gallen, St. Gallen, Juli 2008.

Schweizer Architekturführer 1920-1990, Redaktion Christa Zeller, Band 1, Zürich 1992, S. 50, Nr. 2130.

SBZ: Schweizerische Bauzeitung, 2. Juli 1964, Nr. 27, S. 488 (Ausschreibung Projektwettbewerb); 4. Februar 1965, Nr. 5, S. 85 (Rangierung) .

Studer, Kunst- und Kulturführer St. Gallen: Daniel Studer (Hrsg.), Kunst­und Kulturführer Kanton St. Gallen, Ostfildern 2005, S. 411.

Tages-Anzeiger, 8. Juni 1970.

Toggenburger: Der Toggenburger, 5. Juni 1970, Nr. 64, S. 1 und Baubeilage.

7.4 Verfasser

Dr. phil. Leza Dosch, Chur. Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Publizistik an den Universitäten Zürich und Bonn. Freiberuflicher Kunsthistoriker und Fachgutachter im Auftrag öffentlicher Stellen und Privater. Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege. Schwerpunkte: Architekturgeschichte, Umgang mit dem baulichen Bestand, Wohnkultur. zahlreiche Publikationen, Koautor u.a. des Buches «Schweizer Möbel und Interieurs im 20. Jahrhundert».