kinematische berührmaße für konvexe körper

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Kinematische BeriihrmaBe fiir konvexe Kiirper ROLF SCHNEIDER Herrn ElVs SPERNER zum 70. Gebur~stag gewidmet Die folgende Aufgabe ist ~ypiseh ftir eine Reihe yon Frageste]]ungen, die in der klassischen Integralgeometrie beantwortet werden (siehe z.B. SANTAL6 [9]): Gegeben seien im n-dimensionMen euldidischen Raum E n zwei konvexe KSrper K, K 0 mit K o C K sowie ein weiterer konvexer KSrper K', auf den die Bewegungsgruppe des E n einwirke (das Bild yon K' unter der Bewegung 3" wird mit 3"K' bezeichne~). Wie groB ist dann, unter der Bedingung, dal3 3"K' den KSrper K trifle, die Wahrscheinlich- keR dafor, .dal3 3"K' auch den KSrper K0 trifft ? Damit eine solche Frage sinnvoll is$, muB zun~chst ein MaB definiert sein auf der Gesamtheit der zugelassenen Lagen yon K'. ])as ist insbesondere erreicht, wenn man ein Mal3 vorgibt auf der Bewegungsgruppe des E n. Stell~ man die plausible Bedingung, daB es sich um ein Bore]maB handeln soil, sowie die yore geometrischen Standpunkt aus sich aufdr~ngende l%rderung der Be- wegungsaquivarianz des Mafles, so ist dadurch bereits bis auf einen Nor- mierungsfaktor das Haaxsche ~Ial3 auf der Bewegungsgruppe eindeutig s Bel der Zugrundelegung dieses Mal]es (beziehungsweise, je nach I)axstellungsart, der entsprechenden Differentialform, der sogenann- ten ,,kinematischen Dichte") ergeben dann die bekannten Methoden der Integralgeometrie for die oben gesCeUte l%age eine bekann~e Antwort. Win. J. l~m~Y [5], [6] ha~ korzlieh eine ~mUche l~rage gesCelR, bei der aber nicht mehr yon einander durchdringenden, sondern yon sich be- rtihrenden konvexen K6rpern die Rede ist. Man sagt, dal3 sich zwei kon- vexe KSrper K mad K' (ira Punkt/9) beriihren, wenn K und K' einen Punkt 1o gemeinsam haben, aber dutch eine Hyperebene (schwach) ge- ~rennt werden kSnnen. Gegeben seien nun zwei Randpunktmengen a C ~K und a' C ~K'. Der KSrper K' sei als frei beweglich gedacht mit der Einschr~nkung, dab er den lessen KSrper K beriihren son. Wie grol3 ist darm, wenn 3" in zuf~lliger Weise die hiernaeh zul~ssigen Be- wegungen durchli~uft, die Wahrscheinlichkeit daftir, dab 3"K' den KSr- per K in einem Punkt beriihrt, der zu a n Fa" gehSrt ? Zun~chst ist wieder, bevor diese ~rage iiberhaupt sinnvoll ist, ein Mal3 fOr die Menge der jewefls zul~sigen Lagen yon K' zu defmieren. Eine derartige Definition

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Page 1: Kinematische Berührmaße für konvexe Körper

Kinematische BeriihrmaBe fiir konvexe Kiirper

ROLF SCHNEIDER

Herrn ElVs SPERNER zum 70. Gebur~stag gewidmet

Die folgende Aufgabe ist ~ypiseh ftir eine Reihe yon Frageste]]ungen, die in der klassischen Integralgeometrie beantwortet werden (siehe z.B. SANTAL6 [9]): Gegeben seien im n-dimensionMen euldidischen Raum E n zwei konvexe KSrper K, K 0 mit K o C K sowie ein weiterer konvexer KSrper K', auf den die Bewegungsgruppe des E n einwirke (das Bild yon K ' unter der Bewegung 3" wird mit 3"K' bezeichne~). Wie groB ist dann, unter der Bedingung, dal3 3"K' den KSrper K trifle, die Wahrscheinlich- keR dafor, .dal3 3"K' auch den KSrper K0 trifft ? Damit eine solche Frage sinnvoll is$, muB zun~chst ein MaB definiert sein auf der Gesamtheit der zugelassenen Lagen yon K'. ])as ist insbesondere erreicht, wenn man ein Mal3 vorgibt auf der Bewegungsgruppe des E n. Stell~ man die plausible Bedingung, daB es sich um ein Bore]maB handeln soil, sowie die yore geometrischen Standpunkt aus sich aufdr~ngende l%rderung der Be- wegungsaquivarianz des Mafles, so ist dadurch bereits bis auf einen Nor- mierungsfaktor das Haaxsche ~Ial3 auf der Bewegungsgruppe eindeutig s Bel der Zugrundelegung dieses Mal]es (beziehungsweise, je nach I)axstellungsart, der entsprechenden Differentialform, der sogenann- ten ,,kinematischen Dichte") ergeben dann die bekannten Methoden der Integralgeometrie for die oben gesCeUte l%age eine bekann~e Antwort.

Win. J. l~m~Y [5], [6] ha~ korzlieh eine ~mUche l~rage gesCelR, bei der aber nicht mehr yon einander durchdringenden, sondern yon sich be- rtihrenden konvexen K6rpern die Rede ist. Man sagt, dal3 sich zwei kon- vexe KSrper K mad K ' (ira Punkt/9) beriihren, wenn K und K' einen Punkt 1o gemeinsam haben, aber dutch eine Hyperebene (schwach) ge- ~rennt werden kSnnen. Gegeben seien nun zwei Randpunktmengen a C ~K und a' C ~K'. Der KSrper K ' sei als frei beweglich gedacht mit der Einschr~nkung, dab er den lessen KSrper K beriihren son. Wie grol3 ist darm, wenn 3" in zuf~lliger Weise die hiernaeh zul~ssigen Be- wegungen durchli~uft, die Wahrscheinlichkeit daftir, dab 3"K' den KSr- per K in einem Punkt beriihrt, der zu a n Fa" gehSrt ? Zun~chst ist wieder, bevor diese ~rage iiberhaupt sinnvoll ist, ein Mal3 fOr die Menge der jewefls zul~sigen Lagen yon K' zu defmieren. Eine derartige Definition

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Kinematische Beriihrmal~e fiir konvexe K6rper 13

ist in einem Spezialfall (K, K' Polytope, a bzw. a' Vereinigung aller Seiten einer festen Dimension) yon MCMULr,~ [8] und ffir allgemeine konvexe KSrper yon FIRV.y [5] angegeben und fiir Wahrscheinlichkeitsaussagen yore angedeuteten Typ verwendet worden. Fmv.y's Definition l~13t sich folgendermal~en beschreiben. Es bezeiehne B die Einheitskugel des E" mit dem Mittelpunkt im Ursprung und /2 = ~ B die Einheitssphi~re. Fiir einen konvexen KSrper K C E ~ und eine Menge 09 C 12 sei

R(K, 09) = y [H(K, u) (~ K],

wobei H(K, u) die Stiitzebene an K mit ~uBerem Normalenvektor u ist. Unter den oben mit a, a' bezeiehneten Randpunktmengen werden nur solehe der Form R(K, 09), R(K',09') mit Borelmengen 09,09' C O zu- gelassen. Shad nun K, K ' C E '~ konvexe KSrper und 09, 09'C $2 Borel- mengen, so wird zu e > 0 mit M~(K, K'; 09, 09') die Menge aller Be- wegungen F des E" bezeiehnet, fiir die mit geeignetem ~ e (0, e) der K6rper I"K' den ParallelkSrper K + ~B in einem Punkt yon .R(K -t- ~B, 09) n F R ( K ' , 09') beriibrt. Dann erweist sieh M~(K, K' ; 09, 09') als Borelmenge auf der Bewegungsgruppe, und das Haarsehe Mal~ dieser Menge, dutch e dividiert, besitzt fiir e--> 0 einen Grenzwert /z (K, K' ; 09, 09'). Diese Zahl/~ (K, K' ; 09, 09') l~13t sieh nun, wenn 09 und 09' geeignet gew~alt shad, als IKal~ der Menge aller Bewegungen/~ ansehen, fiir die/~K' den KSrper K in einem Punkt yon R(K, 09) n F R ( K ' , 09') beriihrt. Fiir die ~unktion # f inde t FIREY [5] die explizite Darstellung

(1) n--1

wo der Faktor c yon der Normierung des Haarschen Mal3es abh~ia~gt. M]t S~(K; .) ist dabei das i-te Oberfl~chenmai~ des KSrpers K im Sinne Yon FENCHEL-JESSEN [3] und A. D. ALEKSANDROV [1] (vgl. a. BUSE ~ MANN [2]) gemeint.

Fm~.Y hat die Frage aufgeworfen, ob man die zwar plausible, aber doch etwas willkiirliehe Erkl~aaang yon # ( K , K ' ; 09, 09') umgehen be- zlehungsweise als mehr oder weniger zwangsl~ufig erkennen kann, indem man an ein solches Beriihrmal~ axiomatische Forderungen stellt, die un- mittelbar dutch die geometrische Ansehauung mo~iviert sind und dutch die /~(K, K' ; 09, 09') eindeutig festgelegt ist. 1Kit dieser Frage befassen wit uns im folgenden.

Bevor wit geometrisch motivierte Forderungen an ein Beriihrmal~ fiir konvexe KSrper aufstellen k6nnen, miissen wit die zu messenden Mengen genauer angeben und besehreiben, welehe ansehauliehe Be- deutung ein solches MaB haben sol/. Sind K, K' C E n konvexe KSrper

Page 3: Kinematische Berührmaße für konvexe Körper

14 l~olf Schneider

und co, co' C ~ nichtleere Mengen, so sagen wir, die K6rl~er K , K ' haben (co, w')-Beri~hrung, wenn K r3 K' ~= 0 ist mid K, K' dureh eine Hyper- ebene schwach getrennt werden kSnnen, f'tir deren (yon K nach K' weisenden) Normaleneinheitsvektor ~t zugleich u e co und ~ u e to' gilt. Sei ~ die bfenge der konvexen KSrper (nicht notwendig mit inneren Punkten) des E ~ und ~ die a-Algebra der Borelmengen auf der Einheits- s p h ~ e / 2 . Wir suchen nun eine Funkt ion

v : ~ • 2 1 5 2 1 5

yon der man mit einigem Recht sagen karm, daS v(K, K ' ; w, w') ein natiirliches MaS darstell~ ffir die ~enge M ( K , K ' ; e o , eo') ailer Be- wegungen /', ftir welehe die K(irper K mid / ' K ' (r162 haben.

Wir stellen jetzt einige Forderungen an v auf, die unter dem Aspekt der fiir v vorgesehenen geometrisehen Bedeutmig naheliegend erscheinen.

Zmii~ehs~ soil v symmetriseh mid bewegungsinvariant sein, das heis t wir fordern

(A1)

mid

v(K, K ' ; w, co') = v(K' , K ; co', co)

(A2) v( I 'K , K';_l-'ow , co') -~ v(K, K" ; eo, oY)

fiir K, K' E ~, to, co' E ~ und alle Bewegungen F des E~; dabei bezeiehnet F 0 die Drehung um den Nul lpunkt derart, dab v/'o = F fiir eine Trans- lation v gilt. Sodann gelte fiir jede Wahl yon K, K' e ~ mid co' ~ !8:

(A3) v(K, K ' ; . , ~o') ist ein Borelmal3 auf /2 .

U m eine S~e~igkeitsforderung form~fiieren zu kSmien, versehen wir wie iiblich mit der Hausdorff-Metrik. l~iir eine l~olge (g~)~E~v yon Borel- maSen und ein weiteres BorelmaS/~ auf /2 sehreiben wit g~ -+ ~(i -+ ~ ) , werm g~(co) -->/~(~o) (i --> ~ ) fiir jede Stetigkeitsmenge to yon/x gilt, d .h. fiir jede Borelmenge to e !3 mi t /~ (~) = /~ (coo), we r die abgesehlossene Hiille und to ~ Inhere yon co bezeiehnen. Gleiehwertig mit g~-+ g sind die Beziehungen

und

lira inf/x~ (co) > / x (o~) i--a- o a

f'tir jede offene Menge co C/2 (siehe l%nchel-gessen [3, w 2]). Unsere Ste~ig- keitsfordermig lautet dann: l~tir jede Wahl yon K' E ~ mid co' ~ !l~ gilt

(A4) v(K~, IC ; ., w') ---> v(K, K ' ; ., o/) (i --> ~ )

Page 4: Kinematische Berührmaße für konvexe Körper

Kinematische BerfihrmaBe fiir konvexe KSrper 15

fiir jede im Sinne der ttausdorff-Metrik gegen K konvergierende Folge ( K & ~ aus ~.

Die Axiome (A1)--(A4) sind im wesentlichen yon Firey [6] vorge- schlagen worden. Wir ftigen noch eine Additivitgtsforderung hinzu, die vielleicht nicht unmittelbar durch die geometrische Anschauung nahe- gelegt wird, die sich aber anbietet aufgrund der Bedeutung analoger Be- dingungen bei axiomatischen Charakterisierungen gewisser Funktionalo in der Theorie der konvexen KSrper:

v(K~ ~ K~, K' ; ~, oY) + v(K~ ~ K~, K' ; ~, a/) (As)

~-v(K~,K';~2, w') + v(K~, K'; ~, ~o')

fiir alle K~, K~, K' e ~ mit K~ u K2 e ~ und fiir alle co' e !8. Eine wei~ere Forderung erschein~ wieder geometrisch sehr plausibel: Mit B~ bezeichnen wir die Kugel mit Radius r und Mittelpunkt im Nullpunkt des E ~. Die Kugel/'B~ berfihrt genau dann die Kugel B~, wenn der Mittel- punkt der Kugel/ 'B~ im Rand yon B~+~ liegt. Wegen dieser einfachen geometrischen Verhi~ltnisse liegt es nahe, den Oberfli~cheninhalt der Kugel B~+~ (bis auf einen konstanten Faktor) als das Bertthrma~ v (B~, B~; Q, ~) anzusehen. Wir fordern daher unter gleichzeitiger Festlegung eines Nor- mierungsfaktors

(A6) ~(B~, B~; ~, ~) = (r + 8)'~-~(~) ~

fiir r, s > 0, o~ e !~, wo 2 das Lebesguesche MaB auf der Sphere Q be- zeichnet.

Wir wollen zungchst anhand eines Beispiels zeigen, dal~ (A1) bis (A6) noch nicht ausreichen, um v eindeutig festzulegen. Damit wird zugleich die yon FmEY [6] gestellte Frage negativ beantwortet. Das Beispiel, das wir im wesen~lichen einer freundlichen Mitteilung yon Herrn H. H~D- WmE~ verdanken, wird gegeben durch

n - - 1

~,(K, K' ; ~o, ~') = 2(Q) -2 Z (n~. 1) S,(K; ~)S,,_~_,(K' ; Q)2(w)2(co'). i = O

Da auch die durch (1) gegebene ~unktion (mit c ----- 1) den Forderungen (A1) bis (A6) geniigt, ist Eindeutigkeit noch nicht gegeben.

])as a~gegebene Beispiel hat allerdings eine Eigenschaft, die der an- schaulichen Vorstellung yon dem angestrebten Beriihrma~ erheblich widerspricht: I)ieses l~Ial~ soll~e, bei gegebenen Borelmengen co, oY e !8, nut yon den Randpunktmengen R(K, ~o) und R(K', w'), in denen die Berfihrung s~attfindet, abh~ngen und nicht yon der Gestalt der KSrper an den unbeteiligten Randstellen. Wir fordern daher noch:

(A7) Aus R(KI,o~)-~.R(K~,w) folgt v{Kt,K';o~,eo')----v(K~,K';o),~o')

Page 5: Kinematische Berührmaße für konvexe Körper

16 Rolf Sohneider

f'tir K' e ~, co' e ~. Die wei~ergehende Voraussetzung, dab v (K, K' ; co, co') aUein yon der Bewegungsmenge M(K, If.'; ~, co') abhgngt, wollen wir bier nicht in Betracht ziehen.

Durch die Forderungen (A1)--(AT) isg nun v eindeutig festgelegt:

Satz 1. Ist v: ~ • ~ • ~ • ~ ---> R eine Abbildung mit den Eigensoha~en (A 1)--(A7), so ist

~i "n 1" �9 (K, 7 )s,

/ar K, K' c~,r c ~ .

Dieser axiomatische Zugang diirfte vielleicht trotz der Vielzahl der er- forderlichen Axiome yon Interesse sein, da sich die Forderungen zumeist in natiirlicher Weise aus der angesCrebten geomeCrischen Bedeutung des gesuchten BeriihrmaBes ergeben.

Der Beweis yon Satz 1 stiitzt sich auf eine axiomatische Charak~eri- sierung der Linearkombinationen der OberflgchenmaBe konvexer KSrper, die auch yon selbstgndigem Interesse ist und die jetzt zungchst hergeleitet werden soll. Vorbfld fiir diese Charakterisierung ist ein bekannter ,,Funk- tionalsatz" yon H x D w m ~ [7, S. 221]. Sei 9: ~ -+ R eine Abbfldung, die bewegungsinvariant, additiv mad stetig isL d.h. es gelte

( r K ) = ~ (K)

fiir jede Bewegung F des E ~,

9(K~ u K,) + 9(K~ n K2) = 9(K~) + 9(K,)

fiir alle K1, K2 e ~ mit K~ u K2 e ~, schlieBlich

lira ~(g,) = ~ (Hm K,) i--+ oo i--~ oo

fiir jede im Sinne der Hausdorff-Metrik konvergente l%lge (K~)~v aus ~. Nach dem Satz yon BAnwmER gibt es dann Konstanten co . . . . . o~ mit

n

9 (K) = ~ c, W, (K).

Dabei bezeichnet W~ (K) das i-te QuermaBintegral yon K. Zwischen den Quermal3integralen und den OberflgchenmaBen besteht der Zusammen- hang S~(K; $2) = nW~_~(K)(i ~ 0, . . . , n - - 1). Die OberflgchenmaBe haben formal ~hnliche Eigenschaften wie die QuermaBintegrale: S~ ist bewegungsinvariant in dem Sinne, dab

S, (FK; Fo co) = Si (K; w)

Page 6: Kinematische Berührmaße für konvexe Körper

K i n e m a t i s c h e Beriihrmal~e fiir k o n v ex e K 6 rp e r 17

fiir jede Bewegung F gilt, ferner stetig in dem Sinne, dab

S,(K~; .) --> S , (K ; .) (i '-> ~ )

ftir jede gegen K konvergierende •olge (K~)~N aus ~ gilt (s. I~ENCHEL- J~ss~s [3]). Man kann auch zeigen, dab Si(.; ~o) additiv ist, dab also

S~(K1 u Ks; o)) + S~(K1 n Ks; o)) = S~(KI; co) + S~(K2; co)

ftir alle Ks, Ks e ~ mit K1 u Ks e ~ und jede Borelmenge eo e !8 gilt. Die Eigensehaften der Bewegungsinvarianz, Additiviti~t und Stetigkeit kommen auch jeder Linearkombination der Oberfl~chenmaBe mit kon- stanten Koeffizienten zu. Umgekehrt reichen die genannten Eigenschaften allerdings nicht aus, um die Linearkombinationen der Oberfl~chemnaBe unter den Abbfldungen yon ~ in die Menge der BorelmaBe auf Q ein- deutig zu charakterisieren. Ein Gegenbeispiel li~l~t sich analog wie oben nach der Formulierung der Axiome (A 1)--(A 6) angeben. Die gewiinschte Eindeutigkeitsaussage ergibt sich jedoch, wenn eine zu (A7) analoge l~orderung hinzugenommen wird. Die Additiviti~t braucht dabei lediglich ftir co -~ Q gefordert zu werden.

Satz 2. Se/ ~: ~ • ~--> R eine Abbildung mit den /olgenden Eigen- scha/ten :

(B1) ~(FK, I'o~ ) = ~ ( K , eo) /at K e ~, o~ e !~ und iede Bewegung F des E ~,

(B2) z(K, .) ist (bei ieder Wahl yon K e ~) ein (signiertes) Borelmafl

a u l ~ ,

(B3) Far ~ede Folge (K~)~N aus ~ mit lim K~ = K gilt u(K~, .) --> u(K, .) (i -> ~ ) ,

(B 4) u (Kt u Ka, ~) + z (K 1 ~ Ks, ~9) -~ u (K1, D) + z (Ks, D) [fir alle K 1, K S e ~ mit KI~) K~ e ~,

(B 5) Aus R (K~, o~) ~-- R (K~, w) [olgt ~ (K~, w) = u (Ks, w) (K1, K~ e $, ~ �9 ~).

Dann gilt mit geeigneten Konstanten c o . . . . . c,,_~

u(K, w) = ~ ciS,(K; ~o) i = O

]ar K �9 ~, o~ �9 ~.

Zum Beweis benStigen wir die explizite Darstellung der Oberfl~chen- maBe S~(P; .) flu: ein Polytop P. Ftir eine i-dimensionale Seite F ~ des Polytops P �9 ~ bezeichne v~ (F ~) das i-dimensionale Volumen und

. ( F , , p ) = {u �9 ~ I R ( P , {u)) = ~'}

2 Hbg. Math. Abh., Bd. XLIV

Page 7: Kinematische Berührmaße für konvexe Körper

18 R o l f S c h n e i d e r

das sph/ixisehe Bild von F ~. Ftir Borelmengen o~ C ~9, die in einer j-dimen- sionalen GroBsph/~re ~2~ yon ~2 liegen, wird im folgenden mit 2r (o~) stets das j-dimensionale Lebesguesehe MaB yon o~ beziiglieh/2r bezeiehnet. Mit diesen Bezeiehnungen gilt fiir ein I)olytop P e ~ (siehe z. B. Fm~.Y [4, (18)])

(2) n - - 1 -1 i i s,<P; = ( , ) 2 P) Fie ~ (P)

ffir ~, e !~, wobei ~ (P) die Menge aller i-dimensionalen Seiten yon P ist.

B e w ei s v o n S a t z 2. Es sei ~: ~ • ~ --> R eine Abbfldung mit den Eigen- sehaften (B 1)--(B 5). Ist K e ~ ein q-dimensionaler konvexer KSrper mlt q < n, so bezeiehnen wir mit ~2K den Durehsehnitt der Sph/ixe ~2 mit dem zur affinen I-Iiille von K total orthogonalen linearen Unterraum yon E ' . Es ist also

~K ----- {u e D [ g ( g , {u}) = g } .

Wir zeigen nun zun/~chst folgenden Hilfssatz:

Sei q e {0, 1 . . . . , n - - 1}. Mit einer Konstanten cq gilt (3)

z (P , ~o) = cqvq(P)2,_q_t (o)

/at alle Polytope P e ~ der Dimension q und alle Borelmengen w C ~2p.

Zum Beweis sei q e {0, 1 . . . . , n - - 1} und Eq ein q-dimensionaler Unter- raum yon E". Der zu Eq total orthogonale Unterraum yon E" schneider die Sph/ire ~2 in einer ( n - - q - 1)-dimensionalen Sph/ixe T2~_q_ 1. Sei K C Eq ein konvexer KSrper. Wir setzen

9 @) = ~ (K, o~) ftir ~o e !~, o C ~,-~-1.

Naeh (B 2) is* 9 ein (signiertes) BorelmaB auf ~- r Ist y eine Drehung der Sph~e f2,_~_1 in sieh, so gibt es eine Drehung T' des E", die auf Q~-~-s die Drehung y induziert und den Unterraum Eq punktweise festlal]t. Aus (B 1) folgt

9(yo~) = ~(K, I '~ ) = ~(FK, F~) = ~(K, o~) = 9(o).

Das MaB 9 ist also drehinvariant; aus der bekannten Eindeutigkeit des Borel-Lebesguesehen MaBes folgt daher, dab es eine (yon E , und K ab- h~ngende) Konstante e (Er K) gibt mit

n(K, co) = c(E, , K) 2,_q_l (co)

fiir alle Borelmengen ~o C ~Q,-q-1.

Nun beweisen wit die Behauptung (3) dutch Induktion nach q. Ffir q = 0 folgt sie aus dem gerade Bewiesenen, wenn man noeh die aus (B 1)

Page 8: Kinematische Berührmaße für konvexe Körper

Kinematische BerfihrmaBe fiir konvexe K6rper 19

folgende Translationsinvarianz yon ~ als Funktion des ersten Argu- mentes berticksichtigt. Sei q e{1, . . . , n - 1), und fiir alle Dimensionen Io < q sei bereits die Existenz einer Konstanten c~ mit

(P, o~) = c~.v~ (P);t~_~_l (w)

fiir alle p-dimensionalen Polytope P e ~ und alle Borelmengen ~o C ~Q~, bewiesen. Sei E~ ein q-dimensionaler Unterraum yon E ~, sei ~2~_~_~ wie oben erkl/ixt. Wie oben gezeigt, gibt es zu jedem konvexen KSrper K C E~ eine Zahl ~ (Eq, K) mit

u(K, co) ----- c(Eq, K)2~_q_~(~o)

fiir alle Borelmengen co C/2,_q_~. Sei nun w C ~2 eine beUebige Borel- menge und P C Eq ein q-dimensionales Polytop. Durch

q F 1 o~ = (E2,~_q_~ n ~) u U U (a(F ~, P) n to)

4 = 0 Fie~i(p)

wird eine Zerlegung yon o) in paarweise disjunkte Teilmengen gegeben. Wegen (B 2) gilt also

q - - i

z(P, oJ) = ~(P, [2,~_~_~ n o~) + Z Z z(P, a(F', P) n o~). i = 0 ~'te~(p)

Ist a(Fi , 'P) n ~o =h 0 ftir eine i-dimensionale Seite F i yon P mit i < q, so ist

R(P, (r(F', P) n to) = F ~ = R (F ~, a(F ~, P) n o~),

nach (B 5) und der Induktionsannahme gilt also

u(P, a (F ~, P) n w) = u(F' , a(F' , P) n co)

= c,v~(F~),~n_~_,(,~(F~, P) n co).

Diese Gleichung gilt trivialerweise auch im Fall a(F i, P ) n ~ = O, da dann beide Seiten der Gleichung verschwinden. Somit ist

~(P, o) = c(Eq, P)~n_q_l(Qn_q_l N a)) q - - 1

+ ~ ct ~ v~(fi);tn_~_l(~(F ~, P) n ~o), i = 0 Fte~i(P)

was sich unter Verwendung yon (2) auch in der Form

(4) ~(P, ~) = c(E., P).~n-~-l(~?,,-.-~ n o)) + c~ ~ 1 S~(P; o~)

sehreiben li~Bt.

2*

Page 9: Kinematische Berührmaße für konvexe Körper

20 Roff Schneider

Wir definleren nun auf der Menge der in Eq gelegenen konvexen KSrper ein reellwerfiges i~unktional ~ durch

, - t (n 1) (5) v / ( K ) = x ( K ' ~ ) - - Z c ' T S,(K;D)

i = 0

fiir K e ~ mit K C Eq. Das l~unktional ~ ist bewegungsinvariant (be- zfiglich der Bewegungen yon Eq ill sich), additiv und stetig, wie sich aus (B 1), (B a), (B4) und den entsprechenden Eigenschaften der Ober- fl~chenmaBe ergibt. Nach dem bereits zi~ierten Satz yon H~UWIOER [7, S. 221] ist das Funktional ~ eine Linearkombination yon (bezfiglich Eq genommenen) QuermaBintegralen mit konstanten Koeffizienten. Ist Q C Eq ein Polytop der Dimension < q, so ist

q ~ l

,-Q= U U a(F '~,Q) i = o $'~e ~ t ( p )

und daher q-- i n I)

also ~(Q) = 0. Daher kann ~ nur ein Vieffaches des q-dimensionalen Volumens in Eq sein. Es gibt also eine (yon Eq abh~ngende) Konstante c (Eq) mit ~ (K) ---- c (Eq) vq (K) fiir aUe K + ~ mit K C Eq. Ein Vergleich mit (4) und (5) ergibt jetzt fiir alle Polytope P C Eq

.-t (. l) (6) ~(p, ~) = c~v . (p)~_ , (~ ._ ._ l a 0) + Z c, ~- s , (p; ~)

i = O

mit einer Konstanten cq. Nach (B1) gilt u(~P, co) ----z(P, co) Ftir jede Translation T yon E"; daher gilt (6) fiir alle Polytope P, deren affme Httile Translat eines Unterraumes yon Eq ist. Da nach (B 1) z (F.P, f2) = z (P, D) fiir jede Bewegung F des E" gilt, ist vq unabhfialgig yon Eq. Insbesondere gilt jetzt nach (6) fiir alle q-dimensionalen Polytope P C E" und all'e Borelmengen co C/2p

(7) ~(P, ~) = c~v~(P)~_~_l(~),

denn Ffir co CQp gilt a(F i, P)no~ = 0 fiir jede i-Seite F i yon P(0 ~ i ~ q - - 1). Damit ist die Behauptung (3) bewiesen.

Ist nun K e ~ ein n-dimensionales Polytop, so folgt aus

n - - 1 co= U U (a(F',g) no~)

und (3) wie im Beweis yon (3)

i = O

Page 10: Kinematische Berührmaße für konvexe Körper

Kinemat i sche Beriihrmal~e fiir konvexe K6rper 21

fiir jede Borelmenge o)e !8. Da jeder konvexe KSrper dutch Polytope approximiert werden karm, folgt aus der Stetigkeitsvoraussetzung (B3) und der Stetigkeit der Oberii~chenmaBe, dal~ die Gleiehung (8) f'tir jeden konvexen KSrper K e ~ gilt. Damit ist Satz 2 bewiesen.

Als Korollar yon Satz 2 notieren wir noch eine etwas abgewandelte l~assung, in welcher der Zu~ammenhang der Oberfl~ehenma~e mit den QuermaBintegralen deutlicher zum Ausdruek kommt. Satz 2' kSnnte sieh vielleieht als geeignetes Hilfsmittel erweisen bei dem Versuch, in Analogie zu den integralgeometrisehen Anwendungen, die HADWmV.R [7] yon seinen Funktionals~tzen gemacht hat, ,,lokale" Gegenstiicke zu einigen integralgeometrischen Formeln zu erhalten, d.h. Formeln, in denen anstelle der Querma~integrale die Oberfl~ehenmaBe auftreten.

Satz 2'. Sei n: ~ • ?8---> R eine Abbildung mit den ]olgenden Eigen- scha/ten :

(B2)

(B3')

(B4')

(B5)

z(FK, F0~o) ---- z(K, ~o) /ar K e ~, o~ e ?8 und jede Bewegung F des E n,

z(K, .) ist (bei jeder Wahl yon K e ~) ein (signiertes) Borelmafl au/ ~,

_Far jede Folge (K~)iEN aus ~ mit lira K~ = K gilt lira inf z(Ki, ~) _~ z(K, co)

i---~co

/~r jede o~ene Menge o~ C f2, n - - 1

Es gibt Konstanten c o . . . . , c,~_1 mit ~ (K, s = ~ ci W,_i (K) i=O

]r163 alle K ~ ~,

Aus R (K~, o~) -~ R (K~, w)/olgt ~ (K1, w) ---- ~ (K~, o~), wobei K1, K~ e ~, o~ e ~ .

Dann gilt n--1

u(K, o)) = ~ ciSi(K; co) ]ar K E ~, o) e ~ .

Es ist klar, dab aus (B3') und (B4') die Voraussetzung (B3) und aus (B 4') die Voraussetzung (B 4) folgt.

Beweis yon Sa tz 1. Sei ~ : ~ • 2 1 5 2 1 5 eine Abbfldung mit den Eigenscha~ten ( A 1 ) - (AT). Wir w~hlen einen KSrper K ' e und eine Borelmenge co' e !8; K' und co' werden zun~chst festgehalten. Setzen wit ~(K, oJ)----~,(K,K';oJ, oY) ftir K e ~ , eoe!~, so hat ~ Ms Konsequenz yon (A2), (A3), (A4), (A5), (A7) die Eigenschaften

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22 Rolf Schneider

(B1) - - (B 5). Nach Satz 2 gibt es also (yon K' und co' abh/~ngende) Kons tan ten ~0(K', ~o') . . . . , ~ -1 (K', oY) mit

~(K, K' ; to, to') = ~ e , (K ' , w ' ) S , ( K ; r i = 0

fiir K e ~, to e ~ . W~hlen wir insbesondere fiir K ein n-dimensionales Po ly top P und fiir ~o die Menge ~ (F i, P), wo F i c ine/-dimensionale SeRe yon P ist (i e{0, 1 , . . . , n - - l } ) , so ist S~(P; ~) ~ 0 und S j ( P ; ~o) -~ 0 fiir i ~= i; es folgt also

~i(K' , a/) = s i r (P , K ' ; (r(F ~, P), co')

fiir K ' e ~, co' e ~ mit einer Kons tan ten s,. Beachten wir die Symmetr ie- voraussetzung (A1), so kSnnen wir aus ( A 2 ) - (AS) und (A7) wieder folgern, da$ die Abbildung Q,: ~ • ~ -~ R die Axiome (B1) - - (B5) erfiillt. Nach Satz 2 gibt es also Kons tan ten a,r : 0 . . . . . n - - 1) mi t

e , ( K ' , = i=0

fiir K ' e ~, m' e ~ . Somit ist n - - 1

(9) v(K, K' ; ~o, to') = ~ at jS~(K; r ~o') i , j=O

ffir K , K ' ~ ~, ~o, ~' z ~ . Naeh (9) und (A6) gilt

=

i , ~ = 0 i = 0

fiir r, s > 0, also

(~ oq,,~_~_~ = ~. ffir i = 0 . . . . , n - - 1 und ~ = 0 f'ttr i Jr ~ =t= n - - 1.

l~s gilt daher

v(K, K ' ; ~o, oY) = S~(K ; eo)S~_~_i(K'; co'),

wie in Satz 1 behaupte t war.

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Kinematische BerfihrmaBe fiir konvexe K6rper 23

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Eingegangen am 7. 2. 1975