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Klaus Fleckner, Wuppertal Esoterik-Angebot in wissenschaftlichem Gewand Fallbeispiel: das Nathal-Institut in Wuppertal Esoterik und Lebenshilfe, Esoterik und Selbstverwirklichung, Esoterik und Ge- sundheit - in dem unüberschaubaren Be- reich esoterischer Angebote finden sich solche und andere Kombinationen. Sie spiegeln die aktuellen Bedürfnisse der Kunden auf dem Esoterik-Markt, die bei- leibe nicht nur unter sogenannten oder be- kennenden Sinnsuchern zu finden sind. Das Spektrum der Erwartungen an die Wirksamkeit esoterischer Praktiken ist weit gefächert. Es reicht bis in Kreise, in denen Esoterisches pur noch verpönt ist. Eine Aura der Wissenschaftlichkeit, sei es die der Psychologie oder die anderer Dis- ziplinen wie Neurobiologie oder Quan- tenphysik, muss - zumindest um den An- schein zu wahren - dazu herhalten, Serio- sität und Plausibilität der verheißenen Wir- kungen zu garantieren. Zumal dann muss dies so sein, wenn kapitalkräftigere Kund- schaft umworben werden will, die allzu durchgeistigten oder abgehobenen Ver- sprechungen abhold ist. So erklärt sich, warum Selbstdarstellung und Werbung mancher sogenannter psychotherapeuti- scher und psychologischer Institute und Angebote in der Präsentation eigenartig oszillieren - zwischen einer sich mög- lichst hochwissenschaftlich gerierenden akademischen Sprache und einem - un- ausgesprochen oder nicht - esoterischen Bezugsrahmen. Manche allerdings schei- nen sich selbst nicht ganz einig darüber zu sein, ob sie lieber unter der Hand einen „Paradigmenwechsel" vollziehen, um die zahlungskräftigere Wunschklientel nicht zu vergrätzen, oder ob sie der erkleckli- chen Schar weniger betuchter, dafür aber intellektuell anspruchsvollerer Esoteriker zuliebe ihre Botschaft in das - leider? - leicht zu outende Esoteriker-Credo gießen. Dessen Insider-Vokabular (nicht die Aura mangelnden Realitätsbezugs) bevorzugt die Fangemeinde nun leider einmal - aber noch längst nicht die anvisierte Zielgruppe der Besserverdienenden mit ihrem Hang zu nüchternem Kosten-Nutzen-Kalkül. Esoterik in Reinkultur hat zumindest hier- zulande in diesen Kreisen einen verdächti- gen Beigeschmack. Das Nathal-Institut in Wuppertal probiert den Spagat und will offenbar beides: Mit seiner vorgeblich wissenschaftlich ausge- wiesenen Methode zielt es auf erfolgs- und leistungsorientierte Personenkreise, die die hohen Kursgebühren tragen können (beim Besuch von Grund- und Aufbaukur- sen addieren sich die Kosten schnell auf über zehntausend Mark und mehr): Wis- senschaftler, Manager, Selbständige, Psy- chologen, Akademiker usw. bilden aus- drücklich den favorisierten Kundenkreis. Andererseits zieht das Nathal-Institut mit seinen Verheißungen wundersam anmu- tenden inneren und äußeren Fortschritts die weniger zahlungskräftige, aber als zah- lende Kundschaft gleichwohl willkom- mene Klientel esoterisch Interessierter auf sich - Menschen aus unterschiedlichsten Berufen. In den letzten Jahren erreichten mich (als „ortszuständigen Sektenbeauftragten") im- mer wieder einmal Anfragen, ob es sich bei dem Institut um eine Einrichtung der Scientology-Sekte handele - offenbar sind die Preise und die Präsentation des Ange- bots (auch im Internet zu finden) geeignet, 84 MATERIALDIENST DER EZW 3/2000

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Klaus Fleckner, Wupperta l

Esoterik-Angebot in wissenschaftlichem Gewand Fallbeispiel: das Nathal-Institut in Wuppertal

Esoterik und Lebenshilfe, Esoterik und Selbstverwirklichung, Esoterik und Ge-sundheit - in dem unüberschaubaren Be-reich esoterischer Angebote finden sich solche und andere Kombinationen. Sie spiegeln die aktuellen Bedürfnisse der Kunden auf dem Esoterik-Markt, die bei-leibe nicht nur unter sogenannten oder be-kennenden Sinnsuchern zu finden sind. Das Spektrum der Erwartungen an die Wirksamkeit esoterischer Praktiken ist weit gefächert. Es reicht bis in Kreise, in denen Esoterisches pur noch verpönt ist. Eine Aura der Wissenschaftlichkeit, sei es die der Psychologie oder die anderer Dis-ziplinen wie Neurobiologie oder Quan-tenphysik, muss - zumindest um den An-schein zu wahren - dazu herhalten, Serio-sität und Plausibilität der verheißenen Wir-kungen zu garantieren. Zumal dann muss dies so sein, wenn kapitalkräftigere Kund-schaft umworben werden wi l l , die allzu durchgeistigten oder abgehobenen Ver-sprechungen abhold ist. So erklärt sich, warum Selbstdarstellung und Werbung mancher sogenannter psychotherapeuti-scher und psychologischer Institute und Angebote in der Präsentation eigenartig oszillieren - zwischen einer sich mög-lichst hochwissenschaftlich gerierenden akademischen Sprache und einem - un-ausgesprochen oder nicht - esoterischen Bezugsrahmen. Manche allerdings schei-nen sich selbst nicht ganz einig darüber zu sein, ob sie lieber unter der Hand einen „Paradigmenwechsel" vollziehen, um die zahlungskräftigere Wunschklientel nicht zu vergrätzen, oder ob sie der erkleckli-chen Schar weniger betuchter, dafür aber

intellektuell anspruchsvollerer Esoteriker zuliebe ihre Botschaft in das - leider? -leicht zu outende Esoteriker-Credo gießen. Dessen Insider-Vokabular (nicht die Aura mangelnden Realitätsbezugs) bevorzugt die Fangemeinde nun leider einmal - aber noch längst nicht die anvisierte Zielgruppe der Besserverdienenden mit ihrem Hang zu nüchternem Kosten-Nutzen-Kalkül. Esoterik in Reinkultur hat zumindest hier-zulande in diesen Kreisen einen verdächti-gen Beigeschmack. Das Nathal-Institut in Wuppertal probiert den Spagat und wi l l offenbar beides: Mit seiner vorgeblich wissenschaftlich ausge-wiesenen Methode zielt es auf erfolgs- und leistungsorientierte Personenkreise, die die hohen Kursgebühren tragen können (beim Besuch von Grund- und Aufbaukur-sen addieren sich die Kosten schnell auf über zehntausend Mark und mehr): Wis-senschaftler, Manager, Selbständige, Psy-chologen, Akademiker usw. bilden aus-drücklich den favorisierten Kundenkreis. Andererseits zieht das Nathal-Institut mit seinen Verheißungen wundersam anmu-tenden inneren und äußeren Fortschritts die weniger zahlungskräftige, aber als zah-lende Kundschaft gleichwohl wi l lkom-mene Klientel esoterisch Interessierter auf sich - Menschen aus unterschiedlichsten Berufen. In den letzten Jahren erreichten mich (als „ortszuständigen Sektenbeauftragten") im-mer wieder einmal Anfragen, ob es sich bei dem Institut um eine Einrichtung der Scientology-Sekte handele - offenbar sind die Preise und die Präsentation des Ange-bots (auch im Internet zu finden) geeignet,

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dergleichen Vermutungen aufkommen zu lassen. Eine Verbindung zur Scientology-Church muss aber ausdrücklich verneint werden; dies bedeutet jedoch keine „all-gemeine Entwarnung". Darum sei hier nun etwas ausführlicher berichtet.

Die Nathal-Methode

„Nathal - eine Methode zur Entwicklung der Persönlichkeit, zur Erhöhung der schöpferischen Einsicht und der Leistungs-fähigkeit" - unter dieser Überschrift infor-miert das Nathal-Institut in Wuppertal in seiner Werbebroschüre über eine von Frau Professor Lathan entdeckte „Methode für unbegrenzte geistige Entwicklung". Der Name Nathal ist anscheinend ein Ana-gramm aus Lathan und hat nichts mit dem Natale Institute (TNI) von Frank Natale zu tun, wenngleich Präsentation und großar-tige Verheißungen in mancherlei Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit zeigen (vgl. MD 1997, 82 ff und 307ff). Die Versprechungen in der Selbstdarstel-lung des Instituts sind zahlreich, hier nur ein Auszug: „ - Intuition jederzeit abrufbar. - Die eigene Zukunft selbst bestimmen. -Vollkommen neuartige berufliche, per-

sönliche und geistige Informationsebe-nen öffnen und nutzen.

- Zukünftiges Wissen spontan erfassen. - In kosmische Datenbanken eintreten

und sie zum Wissenstransfer nutzen." Darüber hinaus vermag die mit Nathal vertraute Persönlichkeit angeblich auch dies (und noch mehr):

„Sie dringt in übergeordnete Dimensio-nen des Wissens und der Energie vor. Sie lernt, ihre eigenen Raum- und Zeit-grenzen zu erweitern. Sie entdeckt und meistert bisher nicht denkmögliche Wirklichkeiten."

Auch werden Erfahrungen der folgenden Art angekündigt bzw. als normales Ergeb-

nis beim Absolvieren der Kurse festgehal-ten: „Stabilisierung visionärer Empfindun-gen, Erhalten von visionären Informationen und Transformation in den Realbereich." Faszinierende Vorstellung, abgesehen ein-mal von Nebenfragen wie der, was eine „visionäre Empfindung" sein könnte. „Vi-sionäre Informationen" klingt auch nicht gerade überzeugend. Vielleicht liegt ein Sprachproblem vor. Aber die Hauptfrage betrifft zweifellos die nach der „Transfor-mation" einer mutmaßlichen Vision in den „Realbereich", über den wir uns dann hof-fentlich noch einig sind. Wie soll das gehen? Die theoretische Er-klärung ist nebulös: „Wissenschaftlich or-ten läßt sich NATHAL etwa im Schnittfeld konventioneller Psychologie, der Kogniti-onswissenschaften, der Linguistik, neuer Ergebnisse der Hirnforschung und Deu-tungsversuche der Ergebnisse aus neuro-biologischen und erkenntnistheoretisch-philosophischen Ansätzen. So berührt sie etwa die Systembiologie, den Radikalen Konstruktivismus und die Analogiefor-schung. Beispielhaft erscheint u.a. das of-fene Konzept der Einheit aus Leib, Geist und Seele in der menschlichen Person." „Aus der Erforschung hochkomplexer Sys-teme und ihrer Evolution - etwa aus Cha-osforschung (Synergetic u.a.) und Hypo-thesen selbstreferenter Eigenentfaltung -wachsen neue Vorstellungen auch zur Di-mensional ität von Raum und Zeit, zu Ener-gie und Information." Was so hochwissenschaftlich daher-kommt, kann - so möchte man meinen -mit normaler Esoterik kaum in Verbindung gebracht werden. Die Literaturhinweise zu Büchern und Aufsätzen aus Wissens- und Wissenschaftstheorie, Epistemologie (The-men u. a. „Synchronizität"; „Gedanken-materie"), Gehirnphysiologie, Psychologie beeindrucken. Dabei bleibt aber unklar, welche Wissenschaft es nun genau sein soll, die der neuen Methode zu akade-

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misch ausgewiesener Seriosität verhelfen soll: „Eine eigene NATHAL-Dokumenta-tion bildet sich erst heraus." „Die grenz-überschreitende inter- und transdiszi-plinäre Erforschung von ganzheitlichen Kreislauf- und Entwicklungsprozessen steht erst am Anfang." Der hochtrabende Jargon und eine aus-gedruckte „Landscape Representation" (= 3D-Darstellung einer Messsequenz) der Hirnwellenmuster bei Nathal-Trainieren-den attestieren der Methode ein Höchst-maß an wissenschaftlicher Seriosität. Be-zeichnend für den eigenen Anspruch auch diese Bemerkung: „Auf eindeutig vorwis-senschaftliche, religiöse und mystische Li-teraturwurde ... bewußt verzichtet." Die Nähe zum New-Age-Weltbild schim-mert allerdings durch, wenn man eine Ar-tikel-Serie über Nathal in der Zeitschrift „Esotera" (1998) unter der Überschrift „Datenbank Kosmos" konsultiert (vgl. jetzt auch die Artikelserie in „Esotera" 12/1999 und 1/2000 unter dem Titel „Kontakt mit der Zukunft"). Dort wird vom Verfasser eine Analogie der durch Nathal erreichba-ren Erfahrungen zu den von Thanatholo-gen untersuchten Nahtod-Erfahrungen wie auch zu mystischen Erfahrungen behaup-tet und die neue Methode in den Kontext der spirituellen Entwicklungsgeschichte bzw. der New-Age-Theorie von der Be-wusstseinsevolution gestellt. Die von Frau Lathan zurückhaltend als „Energieentitä-ten" oder „Lichtwesen" bezeichneten „Helfer", die im Nathal-Training vor weite-ren Ausflügen in die „Datenbank Kosmos" imaginiert werden, sieht der Verfasser des Artikels im Gefolge traditionelleren Sprachgebrauchs als „Schutzengel" oder „innere Helfer", aber dann auch als „außerirdische Intelligenzen". Zum Beleg der Wissenschaftlichkeit rekurriert er auf die Haffelder-Expertise, die auch in der Selbstdarstellung des Instituts ausgiebig z i -tiert wird.

Eine Expertise dieses „Instituts für Kommu-nikation und Gehirnforschung", Sitz in Stuttgart, von Günter Haffelder, „Physiker, Psychologe und EEG-Spezialist", über die Wirksamkeit von Nathal liefert mittels ei-nes „weiterentwickelten Messverfahrens" eine „spektralanalytische Messung der Nathal-Methode". Verheißungsvoll schon der Beginn: „Die Dokumentation des Insti-tuts für Gehirnforschung und Kommunika-tion ... beweist eine bleibende Synchro-nität beider Gehirnhemisphären und die Möglichkeit, zukunftsorientierte Informa-tionen aufzunehmen, zu speichern und die Transformation in den Realbereich vor-zunehmen." Weiter wird festgestellt: „Prof. Dr. Lathan koordiniert Energien und fokus-siert sie auf die Probanden mit ihrer selbst entwickelten Methode". Aufgrund von Tausenden von Messungen der unter-schiedlichen Frequenzbereiche bei vielen Probanden wird der Nathal-Methode eine schnelle, sehr effektive Synchronisation der beiden Hirnhemisphären attestiert. Et-was zu überschwänglich einzelne Formu-lierungen: Die außergewöhnlichen Be-wusstseinszustände (1. Ozeanische Selbst-entgrenzung, 2. Angstvolle Ich-Auflösung und 3. Visionäre Umstrukturierung) wür-den durch die Nathal-Methode „in genia-ler Weise ... durchlaufen". Lernergebnis sei das bewusste Erreichen höherer Ebenen, Stabilisierung visionärer Empfindungen, Erhalten visionärer Infor-mationen und bewusste Kommunikation auf jenen „Ebenen". Schließlich könne der Proband „die erhaltenen Informationen in unsere Realität übertragen, z. B. über Sprache, Zeichnung, Kryptogramme". Allzuviele Gewährsleute gibt es dafür an-scheinend nicht. Namentlich genannt wird nur Philippe Evrard, „der als Medium arbeitet und die Nathal-Methode erlernt hat". Interessanterweise ist Herr Evrard ne-ben Frau Lathan Leiter und Mitinhaber des Nathal-Instituts und der Lebensgefährte

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der Professorin. Er ist in der Tat in der Lage, in hoher Geschwindigkeit merkwürdige Zeichen zu schreiben, „Kryptogramme", die er unter Heranziehung der Nathal-Me-thode selbst übersetzt. In einer Fernseh-sendung bei Jürgen Fliege demonstrierte er diese Begabung auch einer breiteren Öf-fentlichkeit. Eine Datenübertragung ins Deutsche liegt vor in seinem Buch „Daten-bank Zukunft. Aspekte der Wissenschaft der nächsten 300 Jahre", Copyright by Nathal Esprit Lausanne, mit der Widmung: „Für Gertje, die das ermöglichte, was ich für unmöglich hielt." Angeblich lassen sich aus den Informationen „zukunftsbe-zogene, durchführbare Projekte" herausfil-tern. Diese außergewöhnliche Begabung des Nathal-Absolventen Evrard wird in den o .g . „Esotera"-Ausgaben (12/1999; 1/2000) nun zum wiederholten Mal vorge-stellt, diesmal trendgerecht mit den Unter-titeln „Blick ins nächste Mil lennium" bzw. „Zum Meer des Wissens". Hier ist das Be-kenntnis zu esoterischen Glaubenssätzen deutlich formuliert: Vom „Zugang zu einer paranormalen Informationsquelle" erfah-ren interessierte Leser gleich zu Beginn. Die Auskunft, dass der Weg der Informati-onsbeschaffung durch eine Art „innerer Bilderreise" durch Visualisation zweier in-nerer Helfer begonnen wird, die einen zu einer „Lichtebene" führen, lässt das esote-risch-visionäre Schauspiel noch im Dunst-kreis des Subjektiven changieren. Im Duk-tus der weiteren Wiedergabe aus Evrards Buch „Datenbank Kosmos" jedoch folgen dann immer phantastischere Prophezeiun-gen, für die zum Vergleich Diktate und Schauungen der prominenteren Vorläufer Dr. Evrards, wie Nostradamus und Edgar Cayce, herangezogen werden. Auch wenn wir „die Zukunft vielleicht nicht vorausse-hen" können - „wir können sie vermutlich vorausdenken". Was bei Evrards Intuitio-nen für das Jahr 2010 z.B. dazu führt: „In der Mitte Südamerikas werden Wesen aus

anderen kosmischen Systemen eine Kon-taktstation aufbauen. Einige wenige Men-schen werden in unmittelbare Beziehung zu ihnen treten können. Ihnen wird er-möglicht, eine Schwingungssperre zu durchschreiten, die die menschliche von der Wirklichkeit dieser Wesen trennt" (,,Esotera"12/1999,20). Sind nun all diese Botschaften und Prophe-zeiungen aus der „Datenbank Zukunft" demnächst naturwissenschaftlich auf seriö-ser Basis erklärbar? Es ist zweifelhaft, ob andere EEG-Spezialisten aus den zugrunde gelegten Hirnstromwellenmustern Evrards zu analogen Resultaten gelangen - Haffel-der jedenfalls „erkennt" aus seinen EEG-Analysen eine „hohe Korrelation zwischen Kryptogrammen und Gehirnwellenmus-tern" sowie eine „hohe energetische Ge-hirntätigkeit ... die sich ... immer als Syn-chronität auszeichnet". Diese „Beweis-führung" gehört zur Basis-Information des Nathal-Instituts und erweckt den Eindruck, dass mittels Nathal als einer einzigartigen Hemi-Sync-Technik die Möglichkeit der „Hirnhemisphärensynchronisation" wis-senschaftlich bewiesen sei - nebst den wundersam anmutenden Begleiterschei-nungen visionärer Informationsbeschaf-fung und prophetischer Vorausschau... Nun ist längst unter Esoterikern aus New Age-geprägten Kreisen eine der Standard-Utopien dieses verheißene harmonische Zusammenspiel der bislang getrennt von-einander arbeitenden Hirnhälften auf dem Weg zum „Global Brain" und einer umfas-senden Bewusstseinstransformation im Wassermannzeitalter. Sollte Frau Lathan der evolutionäre Durchbruch ins Neue Zeitalter gelungen sein, für das dann ein holistisches Weltbild und ein Paradigmen-wechsel zeitgemäß sind? Es gibt zu denken, dass angeblich nur Frau Professor Lathan diese Methode vermitteln und man sie nur in ihrem Institut erlernen kann.

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Ein Besuch im Nathal-Institut

Verschiedene Anfragen und werbewirk-same Artikel aus verschiedenen Ausga-ben von „raum&zeit" und anderen Zeit-schriften über Frau Lathans vorgeblich Epoche machende Entdeckung hatten mich neugierig gemacht. So besuchte ich im November 1997 einen Informations-abend in dem Institut, das damals erst vor kurzem seinen Sitz aus Remscheid nach Wuppertal-Langerfeld in eine alte Villa verlegt hatte. Ein Schar von ca. 30 Besu-chern war zusammengekommen. Auf den ersten Blick fielen die luxuriöse Ausstat-tung der Räume und die geschmackvolle Möblierung auf. Ein anschließender Rundgang bestätigte auch für die übrigen Räume des Instituts den Eindruck, dass hier viel Geld investiert worden war, um ein erlesenes Ambiente und ein optimales Lernumfeld zu schaffen. Alle Anwesen-den saßen in großen, bequemen Leder-sesseln in unterschiedlichen Farben. Nach einer kurzen Begrüßung durch Frau Lathan trat Herr Evrard vor das Audito-rium und hielt einen in der Tendenz trockenen, auf wissenschaftliche Wort-wahl bedachten Vortrag. Nach anfänglicher Ablehnung der Wissen-schaft habe sich mittlerweile die Akzep-tanz der Methode erhöht, die Wirksamkeit sei von Ärzten bestätigt worden, es gebe an zwei Universitäten Europas - man möge Verständnis haben, dass deren Na-men noch geheim zu halten seien - Pilot-projekte zur Erforschung des durch Nathal gewährleisteten „hyperluziden Zustands". (Die „Geheimhaltung" der genannten Uni-versitäten dauert bis heute an, so dass der Verdacht nahe liegt, diese wissenschaftli-che Untersuchung gehöre ins Reich der Legenden.) Die erste Aufgabe des Nathal-Trainings sei das Erlernen von Visual isati-onsübungen, um so an „feinstoffliche Ebe-nen" anzukoppeln. Als klinische Psycho-

login tätig, habe Frau Lathan die Methode, die nur von ihr selbst vermittelt werden könne, intuitiv gefunden, durch einen „ge-nialen Einfall". Die „Silvermind-Metho-de", die in den USA entwickelt worden sei, sei nur eine wertvolle Vorstufe. In ei-nem Zustand innerer Entspannung und Konzentration nehme man Kontakt zu an-deren Informationsebenen der 10. oder 12. Dimension auf. Im Gegensatz zur ana-lytisch-deduktiven Methode sprenge die-ses intuitive Vorgehen das Tempo norma-ler Informationsverarbeitung. So gewinne man einen enormen Wissensvorsprung -wichtig für Ärzte, leitende Unternehmer, Selbständige, Wissenschaftler und andere auf Leistung eingestellte Personen. Die Komplexität heutiger Informationseinhei-ten und deren sprunghaftes Anwachsen er-fordere eine Optimierung der latent in uns vorhandenen Fähigkeiten, um von der Da-tenflut nicht überrollt zu werden. Das ei-gene Gefühl in diesem hyperluziden Zu-stand mit besonderen Alpha- und Delta-wellenmustern des Gehirns zeige an, ob man relevante Informationen erhalte. Warnke in seinem Buch „Gehirnmagie" beschreibe das Verfahren ungefähr richtig, es gehe um die Umsetzung quantenphysi-kalischer Erkenntnisse. Das Verfahren funktioniere (unabhängig vom eigenen Weltbild) immer und überall, Bedingung sei die Fähigkeit zur Visualisation sowie eine grundsätzliche Offenheit für Neues, statt sich von vornherein skeptisch dage-gen zu wehren. Kursabsolventen bezeug-ten Qualitätszunahme ihrer Arbeit, neue Ausgeglichenheit, Zunahme persönlicher Zufriedenheit, intellektuellen Leistungs-vorsprung vor anderen, höhere Leistungs-fähigkeit, ja auch schnelle psychothera-peutische Effekte - insgesamt wachsende Effizienz in allen Bereichen. Die wissen-schaftliche Anerkennung sei nun bald ge-geben (s. o. Uni-Forschungsprojekte). Vor-träge vor Wissenschaftlern, Richtern und

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Staatsanwälten hätten großes Interesse ausgelöst. Im Folgenden nutzte ich die Gelegenheit zu Fragen und bat um eine Verhältnisbe-stimmung zu okkulten Theorien über eine Akasha-Chronik sowie PSI und der z. B. in Russland betriebenen PSI-Forschung, da derartige Formen von Informationsgewin-nung sicher auch interessant für geheim-dienstliche Zwecke seien. Herr Evrard dis-tanzierte sich und seine Datenbanken vollständig von allem, was Akasha-Chro-niken wie PSI-Forschung und den PSI-Fak-tor anbetraf. Die Frage, von welcher Art die Energie-Entitäten im Nathal-Prospekt seien, ob es nicht eine Analogie zu in an-deren Kreisen als „spirituelle Wesenhei-ten" oder „Geistern" bekannten Größen gebe, verneinte er ebenfalls vollständig, was mir angesichts der an anderen Stellen vom Institut selbst gegebenen Beschrei-bung der Funktionsweise der Nathal-Me-thode wenig schlüssig erschien. Anschließend legten einige der Teilneh-mer gewissermaßen Zeugnis ab, einer be-richtete über durch Nathal verursachte wundersame Fortschritte in seiner wissen-schaftlichen Arbeit, so dass er seine Disser-tation habe abschließen können, ein an-derer (stark behinderter) Teilnehmer, habe, so teilte uns seine Mutter mit, enorme Fort-schritte in seiner geistigen und persönli-chen Entwicklung gemacht, die allein Nathal zu verdanken seien. Ich hatte den Eindruck, dass die meisten Teilnehmer der Sache sehr positiv gegenüberstanden. Wei-tere kritische Rückfragen stellte nur ein Journalist, der in Absprache mit mir gekom-men war, aber auch er erhielt nur schwam-mige oder ausweichende Antworten. Eine Analyse von Berichten über Nathal in der Zeitschrift „raum&zeit" ergibt, dass Herr Evrard wie auch Frau Lathan je nach Bedarf auch eine weniger wissenschaftli-che Beschreibung ihrer „Entdeckung" zu geben vermögen. „Wie man den Dialog

mit anderen Intelligenzen in anderen Wel-ten aufnehmen kann" ist ein Aufsatz von Frau Lathan in „raum&zeit" Nr. 66/1993 überschrieben. Dort erwähnt sie Patien-tenberichte, in denen „Personen kämen, durchsichtig aussehend, um ihm zu hel-fen". In einem hauseigenen, reichlich naiv gezeichneten „Comic" werden diese bei-den „Personen" dargestellt wie zwei Geis-terwesen. In der Eingangsübung zur Erlan-gung des „hyperluziden" Zustands werden sie regelmäßig herbeigebeten und „visua-lisiert", um den Probanden über ein ste-reotypes Ritual durch ein „Wasserbad" und eine „Lichtdusche" so weit mit „Ener-gie" aufzuladen, dass er den Suggestionen (eine Weltraumreise, eine Zukunftsreise usw.) zu folgen vermag. Offenbar gibt es hinter all den wissenschaftlich klingenden Erklärungen ein Grundmuster, das in eso-terischen Zirkeln unter anderen Begriffen bekannt ist. Bezeichnend auch dies, dass Nahtod-Erlebnisse in Artikeln zu Nathal als Analogie für den hierorts eingeübten Zugang zu „feinstofflichen Ebenen" aufge-führt werden. Lathans neue Technik ist m. E. eine Suggestionstechnik, wie sie z. B. zur Einleitung von Trance-Zuständen und Phantasiereisen gebräuchlich ist. Sie ermöglicht nicht, etwa höhere Ebenen, „kosmische Datenbänke" oder andere Di-mensionen etc. zu erreichen, sondern ver-hilft Inhalten des Unbewussten zu bildhaf-tem Eigenleben. Was an symbolischem und phantastischem Material, an Begeg-nungen und Erkenntnissen zustande kommt, scheint aus dieser Quelle ge-schöpft zu sein. Therapeutische Erfolge lassen sich aus der Wirksamkeit von Sug-gestionsbefehlen erklären. Warum aber dieses Schwanken in der Prä-sentation, so dass man manchmal meinen könnte, es handele sich nur um eine effek-tivere Form des Kreativitätstrainings? Ein Blick hinter die Kulissen mag diese Frage beantworten.

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