laufkultur — eine domäne der bmw-antriebstechnik
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300 MTZ Motortechnische Zeitschrift 61 (2000) 5
1 Einleitung
Einem Motor hohe Laufkultur zu attestie-ren, heißt, ihm eine herausragende Eigen-schaft, ähnlich wie hohe spezifische Lei-stung, niedriger Kraftstoffverbrauch undniedrige Abgasemissionen oder auch einelange Lebensdauer, zuzuerkennen. BMWMotoren wird dieses Gütezeichen als typi-sches Merkmal sehr häufig verliehen.
Nachdem die Beurteilung der Laufkulturimmer wieder mit einer generellen Diffe-renzierung der Motoren verbunden wirdund diese Antriebseigenschaft auch denCharakter und die Wertigkeit eines Auto-mobils wesentlich mitprägt, ist es von be-sonderem Interesse den Fragen nachzuge-hen: was versteht BMW unter Laufkulturund welche Bewertungskriterien beeinflus-sen sie?
2 Der Begriff Laufkultur
Obwohl der Begriff Laufkultur in Fachkrei-sen oft verwendet wird, finden sich auchnach intensiven Recherchen in der Litera-tur keine exakte Definition oder wissen-schaftliche Abhandlungen.
2.1 Beurteilungskriterium Laufkultur in Vergleichstests
Laufkultur wird häufig als Beurteilungs-merkmal in Testberichten verwendet. Ne-ben wenigen anderen Kriterien werdenMotoren anhand der Eigenschaft Laufkul-tur beurteilt. Obwohl auch hier keine Defi-nitionen angegeben sind, bewerten die Au-toren die Laufkultur eines Motors.
Zur weiteren Klärung wurden Textanaly-sen durchgeführt, in denen der subjektive
Begriff Laufkultur verwendet wird. EinePrüfung, inwieweit verwandte Begriffeund Synonyme oder auch Abgrenzungsbe-griffe verwendet werden, gibt interessanteAufschlüsse, auch wenn keine vollkommeneindeutige Verwendung des Begriffes vor-liegt:– Laufkultur stellt ein wesentliches Qua-
litäts- und Komfortmerkmal für Fahr-zeuge dar.
– Eindeutig wird Laufkultur immer nurauf den Motor/Fahrzeugantrieb bezo-gen.
– Gute Laufkultur wird attestiert, wennder Motor „seidenweich“ ist, „turbinen-artig hochläuft“, ein „dezentes Antriebs-geräusch“ aufweist und „praktisch kei-ne Vibrationen“ hat.
– Das Gegenteil ist gegeben, wenn „lautesAntriebsgeräusch“, „Brummen“, „Dröh-nen“, „rauer“ Klang und störende tonaleAnteile sowie Schwingungen vorhan-den sind.
Beurteilungsergebnisse von Fahrzeugenunterschiedlicher Hersteller aus einer inter-nen Vergleichsfahrt bestätigen die guteKorrelation der Begriffe seidenweich undturbinenartig, sowie deren Gegenpol „rau“und den Zusammenhang mit Vibrationen,Bild 1. Damit zeigt sich, dass Laufkultur of-fensichtlich nicht nur durch Geräusch-, son-dern auch von Vibrations- und Beschleuni-gungseindrücken geprägt wird. Laufkulturwird in der Regel auf Fahrzeugklassen bezo-gen bewertet. Zudem wird die Zylinderzahl
Entwicklung Schwingungen
Motoren für Pkw-Antriebe werden nicht nur nach klassischen Ge-sichtspunkten wie Thermodynamik und Leistung beurteilt. Zunehmendrücken subjektive Aspekte ins Blickfeld. Neben dem Sounddesign –besonders im Bereich von sportlichen Fahrzeugen – zeichnet sich mitder Laufkultur eine zweite Dimension ab, die intensiv den subjektivenKomforteindruck prägt.Wünscht sich der Kunde im ersteren Fallaktives, anregendes Feedback des Motors auf subjektiv-emotionalerEbene, geht es im zweiten Fall um den Stil, wie angenehm und elegantder Motor seine Leistung entfaltet.
Laufkultur – eine Domäne der BMW-Antriebstechnik
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von Motoren oft mit Laufkultur in Verbin-dung gebracht und ist somit ein wichtigerEinflussparameter. Der Zusammenhangmit der Leistungsentfaltung und demHochdrehen des Motors, wie auch mit demLeerlauf, wird bisweilen aufgezeigt.
2.2 Meinungsbild zur Laufkultur
In einer statistischen Frageaktion mit mehrals 100 Fahrern wurde der Hintergrund zudieser Thematik weiter konkretisiert. DieBewertungen wurden dabei von Fahrernvorgenommen, die ein Fahrzeug über einelängere Strecke im Straßenverkehr bewegthaben. Eine Fragestellung zielte darauf, inwelchen Betriebszuständen Laufkultur re-gistriert und beurteilt wird, Bild 2. Stark imVordergrund steht hier die Konstantfahrt,gefolgt vom Leerlauf, dann starke Beschleu-nigung und hohe Geschwindigkeit.
Weiter wurde konkretisiert, auf welchenEindrücken die Beurteilung der Laufkulturbasiert. Hier zeigt sich, dass die Qualität desGeräusches und die Lautstärke im Vorder-grund stehen, Bild 3, gefolgt von vier ähn-lich wichtigen Kriterien: Drehgleichförmig-keit, Vibrationen/Schütteln, Übergänge/Ruckeln sowie Drehfreudigkeit.
2.3 Vergleich subjektiver Beurteilungen mitMessgrößen
Weitere interessante Ergebnisse zeigt derVergleich subjektiver Beurteilungen mitobjektiven Messwerten. Dazu wurden un-ter anderem vier Motoren gleicher Bauartmit unterschiedlichem Hubvolumen imgleichen Fahrzeugtyp untersucht und be-wertet, Bild 4. Die direkten Motoreigen-schaften Luft- und Körperschallemission,die klassischerweise zur Motoroptimierungverwendet werden, sind eine wichtige Vor-aussetzung für einen guten Laufkulturein-
druck, genügen aber alleine nicht zur Be-schreibung. Da der Fahrer oder Beifahrerdiese nicht direkt wahrnimmt, ist der Fahr-zeugeinfluss selbst bei gleichem Fahrzeug-typ vorhanden und unterstreicht die Bedeu-tung einer gekonnten Fahrzeugabstim-mung. Wie die Rückmeldungen der Befra-gung zeigten, sind zusätzliche Kriterien zurBeurteilung der Laufkultur heranzuziehen.Die subjektive Bewertung korreliert gut mitdem gemessenen Innengeräuschpegel, wasnochmals die hohe Bedeutung des Innen-geräuschpegels als Kriterium bestätigt.
Der Vergleich von drei Fahrzeugen ver-schiedener Klassen mit dem gleichen Mo-tortyp bestätigt diese Ergebnisse. Der Fahr-
EntwicklungSchwingungen
Dr. Gerhard Schmidtist Leiter der BMW Antriebs-entwicklung, München.
Johannes Liebl ist Leiter der BMW Ottomotoren-entwicklung.
Andreas Müller ist LeiterAkustik Ottomotoren bei BMW.
Die VerfasserBeurteilungsindex
9
8
7
5
6
se
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lha
ft
Fahrzeug 1Fahrzeug 2Fahrzeug 3Fahrzeug 4
seidenweich turbinenartig Vibration rau
Bild 1: Verwandte Kriterien zur Beurteilung von Laufkultur
Figure 1: Related criteria for the judge-ment of runningcharacteristics
Nennung bei x % der Befragten
70
50
30
0
10
20
40
60
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Bild 2: Relevanz von Laufkultur in verschiedenen Betriebszuständen
Figure 2: Relevance of running charact-eristics in variousoperating states
Nennung bei x % der Befragten
70
50
30
0
10
20
40
60
Art
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An
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Bild 3: Einflussgrößenauf den Laufkultur-eindruck
Figure 3: Factors affecting the subjec-tive impression of therunning characteris-tics
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zeugeinfluss wird mit diesem Versuch kon-kret aufgezeigt, Bild 5.
Die Erfahrungen aus den Versuchsreihenzeigten auch, dass das transiente Verhaltendes Fahrzeuges in die Beurteilung einbezo-gen wird. Der Fahrwunsch und die Erwar-tungshaltung sind Orientierungslinien derBeurteilung.
Die Möglichkeit einer objektiven Bewer-tung wäre sehr hilfreich. Für Geräuschqua-lität, ein Teilkriterium, wird eine physikali-sche Beschreibung bereits erforscht. Eineallgemeingültige Formel, die auf Basis einerakustischen Analyse eine entsprechendesubjektive Beurteilung richtig vorhersagt,liegt noch nicht in verifizierter Form vor;dazu ist das menschliche Empfinden zukomplex. Nachdem für eine physikalischeBeschreibung des subjektiven Gesamtein-drucks „Laufkultur“ weitere, oben aufge-
zeigte Einflüsse berücksichtigt werdenmüssen, wird verständlich, dass eine objek-tive allgemeingültige Definition noch nichtangegeben werden kann.
Besonders bei hochwertigen Produkten mitgroßer Entwicklungsreife, wozu auch dasAutomobil zu rechnen ist, entscheiden Kun-den immer mehr nach gesamthaften meist„subjektiven“ Kriterien, die eine deutlicheDifferenzierung erlauben.
Laufkultur scheint einer dieser „feinen“ Un-terschiede zu sein, der für bestimmte Kun-dengruppen wichtig ist. In hohem Maßevom subjektivem Empfinden geprägt, kannsie zwar nicht einfach erfasst werden, dochsind die motorischen Eigenschaften be-kannt, die zu einer hervorragenden Laufkul-tur führen. Zudem gibt es eine Vorstellungin welchen Betriebszuständen vom Kundenbesonders auf Laufkultur geachtet wird.
So ist es für den Ingenieur ein lohnendesZiel Laufkultur, das Komfort-Kriterium fürMotoren zu entwickeln.
3 Motortechnik und Laufkultur
3.1 Staffelung der Motorbaureihen
Grundvoraussetzung für eine exzellenteLaufkultur von Motoren ist eine geeigneteStaffelung der Motorbaureihen. KleinereZylindereinheiten und höhere Zylinderzah-len senken deutlich die Höhe und die Un-gleichförmigkeit der mechanischen undgasdynamischen Anregung und erhöhenzudem die Ausgleichsmöglichkeiten, Bild 6.
Damit kann in bestimmten Hubraumberei-chen ein entscheidend verbessertes Grund-triebwerk realisiert werden. Hier differen-
Entwicklung Schwingungen
Δ dB
6
0
2
4
KörperschallMotor im Fzg.
Luftschallim Motorraum
Innen-geräusch
rau/seidenweich
Beurteilungsindex
8
7
6
Hubraum 1Hubraum 2Hubraum 3Hubraum 4
Gleicher Fahrzeug-/Motortyp
Bild 4: Vergleich subjektiver Beurteilung mit Messgrößen am Beispiel einerHubraumvariation
Figure 4: Comparison of subjective judgement with measured values using variations in engine capacity as an example
Δ dB
0
1
2
Innengeräusch rau/seidenweich
Beurteilungsindex
7,00
6,75
6,50
Fahrzeug 1Fahrzeug 2Fahrzeug 3
Gleicher Motortyp
Bild 5: Fahrzeugeinfluss auf die subjektive Beurteilung des Kriteriums „seiden-weich“
Figure 5: Influence of the vehicle on subjective judgement of the "silky" criterion
Drehwinkel in °KW (peak)
2
0
1
4-Zyl.-Motor6-Zyl.-Motor8-Zyl.-Motor12-Zyl.-Motor
n = 1000 1/min n = 2000 1/min
Bild 6: Drehungleichförmigkeit von Motoren mit unterschiedlicher Zylinderzahl
Figure 6: Irregular rotation of engines with different numbers of cylinders
Hubraum [l]
5
2
3
4
BMWWettbewerber
4-Zylinder 6-Zylinder 8-Zylinder
Bild 7: Hubraumstaffelung von Motorbaureihen
Figure 7: Graduation of engine capacity for engine series
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ziert sich BMW von der Mehrzahl der Wett-bewerber, Bild 7. – Die Vierzylinder-Baureihe endet bei 1,9 l
Hubraum.– Ab 2,0 l Hubraum wird bereits ein
Sechszylinder-Motor eingesetzt, der imgrößten Hubraum 3,0 l erreicht (in dersehr fahrleistungsorientierten Motor-sport-Ausführung 3,2 l).
– Die V8-Baureihe beginnt bei 3,5 l undendet bei 4,4 l Hubraum.
– Der V12-Motor ist auf einen Hubraumvon 5,4 l ausgelegt.
Mit der Entscheidung von BMW für dieseoptimale Zylinderzahl / Hubraumzuord-nung ist die Grundvoraussetzung für Moto-ren hoher Laufkultur geschaffen.
3.2 Motorbauformen
Auch die Motorbauform bestimmt als we-sentlicher Einfluss die erreichbare Laufkul-tur. Die Bedeutung der Motorbauformensoll im folgenden anhand von Rechener-gebnissen veranschaulicht werden. Für ei-nen Konzeptvergleich wurden Rechnungenmit einem MKS-Programm durchgeführt,das auf der Annahme starrer Bauteile ba-siert. Zur Beurteilung des für den Komfortwichtigen niederfrequenten Bereiches istdies gut geeignet. Die Auswirkungen derfreien Massenkräfte und Momente wurdenam Motorlager, einem Hauptübertragungs-pfad, dargestellt. Dadurch können alle Re-aktionswirkungen des Motors aus Kurbel-und Ventiltrieb so quantifiziert werden,wie sie auf das Fahrzeug einwirken. AlsRandbedingung wurden bei Motoren glei-chen Hubraumes die notwendigen Kons-truktionsparameter an realen Motoraus-führungen orientiert und bei allen Konzep-ten gleich gehalten, mit Ausnahme einerrealistischen Anpassung an die Zylinder-durchmesser. Auch die Position der Motor-lager wurde gleich gehalten.
Bild 8 zeigt die Relationen zwischen Rei-hen-Sechszylindermotor, V6- sowie Reihen-Vierzylindermotor mit und ohne Aus-gleichswellen – Bauformen, die am Marktin direktem Wettbewerb stehen.
Ganz eindeutig hebt sich der Reihen-Sechs-zylindermotor als günstigste Motorbau-form dieser vier Varianten ab. Mit höherenunausgeglichenen Massenreaktionswir-kungen folgt der V6-Motor. Der Vierzylin-dermotor nähert sich erst mit Ausgleichs-wellen einem ähnlichen Niveau. Als idealfür exzellente Laufkultur gilt die Bauformdes Zwölfzylindermotors, der die bereitssehr guten Eigenschaften von zwei Reihen-
Sechszylindermotoren in der Kombinationübertrifft und mit herausragender Dreh-gleichförmigkeit kombiniert.
Mit der Entscheidung für den Vierzylinder-motor mit Ausgleichswellen, einen Reihen-Sechszylindermotor, einen Achtzylinder-motor mit komfortorientierter Zündfolgebei 90 ° V-Winkel und für einen klassischausgelegten Zwölfzylindermotor sind auchin dieser Hinsicht bei BMW die besten Vor-aussetzungen für eine gute Laufkultur ge-wählt worden.
3.3 Reduktion der mechanischenAnregung
Für die jeweiligen Motorbauformen ist imnächsten Optimierungsschritt die mecha-nische Anregung zu reduzieren. Für jedenMotortyp stellen sich hier andere Prioritä-ten. Einige Beispiele zeigen wichtige Maß-nahmen.
Bei Vierzylindermotoren dominiert diezweite Motorordnung. Die bereits oben er-wähnte Ausgleichswelle reduziert beim
EntwicklungSchwingungen
Schwingweg [mm]
0,10
0
0,08
0,06
0,04
0,02
Hubraum 2,0 l,Bezugspunkt: rechtes Motorlager,
max. Verlagerung
Motor:R6V6/60°R4R4 mit AGW
0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 54,5
Motorordnung
Bild 8: Niederfrequen-ter Körperschallein-trag am Motorlagerfür verschiedeneMotorkonzepte
Figure 8: Low-fre-quency emission ofstructure-borne noiseat the engine mountfor various different engine designs
Luftschallemission Motor [dB(A)]
10Ohne Ausgleichswelle
Volllast, 5 Seiten gemittelt
Mit Ausgleichswelle
2. Ordnung
Körperschallemission Motor [dB]
20
Ohne Ausgleichswelle
Volllast, Tragarm links
Mit Ausgleichswelle
Gaskraftdominiert
Massenkraftdominiert
2. Ordnung
6000
Motordrehzahl [1/min]
500040002000 30001000
6000
Motordrehzahl [1/min]
500040002000 30001000
Bild 9: Einfluss vonAusgleichswellenbeim Vierzylinder-Reihenmotor aufLuft- und Körper-schallemission
Figure 9: Influence of balancer shafts in 4-cylinder in-line engines on air- andstructure-borne noiseemissions
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Vierzylinder die Körper- und Luft-Schall-emission der sonst nicht ausgeglichenenzweiten Motorordnung beträchtlich, wassich durch das Übertragungsverhalten derKarosserie auch sehr positiv im Summen-pegel des Innengeräusches auswirkt, Bild 9.
Sechszylindermotoren haben geringe Mas-senwirkungen der 3. und 1,5. Motorordnung.Die 3. Ordnung hängt in erster Linie vomKolbengewicht ab, weshalb Leichtbaukol-ben ein beständiges Entwicklungsziel sind.Die 1,5. Ordnung findet ihre Ursache imVentiltrieb. Durch konsequente Weiterent-wicklung konnten für den BMW-Reihen-Sechszylinder die bewegten Massen desVentiltriebes stark abgesenkt werden, Bild10. Damit ist das ausgezeichnete Komfort-verhalten weiter verbessert worden.
Neben den freien Massenkräften und Mo-menten spielt auch die Wuchtung zur Ver-meidung von umlaufenden Kräften der ers-ten oder der halben Motorordnung einegroße Rolle. Beim BMW-Achtzylindermotorwerden beispielsweise die Nockenwellendurch Gegengewichte gewuchtet, Bild 11.Pleuel und Kolben werden masseneinklas-sig in engsten Toleranzen hergestellt. Kom-forteinbußen aufgrund logistischer Zwän-ge, Fehlwuchtungen und Fehlmontagenwerden grundsätzlich ausgeschlossen.
3.4 Optimierung der gasdynamischen Anregung
Für günstige Luft- und Körperschallemis-sionen von Motoren unter Last sind zusätz-lich die gasdynamischen Anregungen zuoptimieren. Einlassseitig, im Brennraumund im Auslasstrakt werden durch Gas-schwingungen Bauteile angeregt, so dassdie Luftschallemission eines Motors physi-kalisch mehr als verdoppelt wird. Nachdemaber die Dynamik des Gaswechsels wieauch der Verbrennungsablauf wesentlichfür die Realisierung anspruchsvoller Kern-ziele von Motoren sind, kann diese Opti-mierungsaufgabe nur in engster Abstim-mung mit den betroffenen Fachstellendurchgeführt werden.
Bei BMW werden sogenannte Akustik-nockenwellen eingesetzt. Bei ihnen ist derÖffnungsverlauf der Auslassventile so ge-staltet, dass der Auslassstoß reduziert unddie hochfrequente Anregung des Krüm-mers und der Vorrohre deutlich abgebautwird, Bild 12.
Bei modernen Motoren mit variablerNockenwellenspreizung kann über dieelektronische Steuerung die Phasenlage be-
triebspunktabhängig so gesteuert werden,dass neben einem optimalen Kompromissfür Ladungswechsel und Verbrennungauch eine niedrige Anregung durch Über-sprechen vom Auslass- in das Ansaugsys-tem erreicht wird.
Durch die Wahl eines geeigneten Brennver-fahrens wird bei Ottomotoren dieGeräuschqualität und der Summen-Luft-schallpegel der Motoren mitbestimmt, Bild13. Die herausragende Bedeutung einer re-duzierten Verbrennungsanregung bei Die-selmotoren für gute Komforteigenschaftenist im Pkw bekannt und führt zu hohen Ent-wicklungsanstrengungen in diesem Be-
reich. Nur kurz erwähnt sei auch der Ein-fluss der Verbrennung auf die Laufruhe imLeerlauf.
3.5 Strukturoptimierung und Akustik-Sekundärmaßnahmen
Die Strukturoptimierung von Motorenwird im allgemeinen als das Kernarbeitsge-biet der Motorakustik gesehen. Entspre-chend intensiv wird über diese Arbeiten be-richtet. Die klassische Strukturoptimierungder Motoren wird allgemein üblich mitFEM-Berechnungen und experimentelldurchgeführt.
Entwicklung Schwingungen
%
100
0
80
60
40
20
Generation 1 Generation 2 Generation 3 Potenzial
Einlaßseitig,Vierventil-Motor
Bild 10: Reduktion derbewegten Massen imVentiltrieb für Vier-ventil-Motoren
Figure 10: Reduction ofthe moving masses inthe valve train for 4-valve engines
Exzentrizität zur Wuchtung
BMW 8-Zylinder-MotorBild 11: Ausgleich der0.5 Motorordnung ander Nockenwelle
Figure 11: Balancing ofthe 0.5 engine order atthe camshaft
Ventilhub [mm]
10
Akustik-nocken
8
6
4
2
0
Basis
HubverlaufAuslassnocken Druck [bar]
1,8
1,6
1,4
1,2
0
DruckmessungVorrohr
270
Kurbelwinkel [°]21015090 270
Kurbelwinkel [°]21015090
Bild 12: Einfluss akustisch optimierterAuslasshubverläufeauf die gasdynamischeAnregung
Figure 12: Influence ofacoustically optimisedexhaust stroke curveson gas dynamic stimulation
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Entwicklung Schwingungen
Die Optimierung der Komponente Motorist dabei nach den konkreten Anforderun-gen des Gesamtsystems Fahrzeug durch-zuführen. Beispielsweise wird der Luft-schall der Motoroberseite in den Fahrzeug-Innenraum stärker übertragen als von denanderen Seiten. Deshalb wurde die Schall-emission des BMW-Achtzylindermotors ander Oberseite mit Hilfe einer Absorptions-haube und entkoppelter Saugrohre deut-lich unter das Niveau der anderen Motor-seiten abgesenkt, Bild 14, obwohl üblicher-weise rundum eine gleichmäßige Optimie-rung auf einheitlichem Niveau angestrebtwird.
Natürlich ist auch die Auslegung und Opti-mierung der Schalldämpfungssysteme aufder Ansaug- und Abgasseite ein wichtigerBeitrag für ein herausragendes Geräusch-und Schwingungsverhalten. Auch auf die-sem Gebiet leistet die Berechnung sowohlzur Optimierung der Gasdynamik und desMündungsgeräusches als auch der Steifig-keit der Rohr- und Behältersysteme und de-ren Eigenschwingformen hervorragendeDienste. Die Entwicklungszeiten werdenverkürzt und die Entwicklungsgüte zudemverbessert.
Eine umfassende Strukturoptimierung be-seitigt alle unerwünschten Resonanzphä-nomene und bringt so erst das Potenzialvon guten technischen Konzepten zur Gel-tung.
4 Zusammenfassung
Die Laufkultur wird häufig als das wesent-liche Beurteilungskriterium für das Kom-fortverhalten eines Motors herangezogen.Unter dem Begriff Laufkultur werden dabeimehrere subjektive Empfindungen zusam-mengefasst. Als wichtige positive Merkma-le für Laufkultur werden Begriffe wie sei-denweich, turbinenartig und vibrationsfreiherangezogen.
Eine herausragende Laufkultur kann nichtmit einigen wenigen technischen Maßnah-men erreicht werden. Erst eine durchgängi-ge Berücksichtigung dieses Zieles auf ver-schiedenen Entscheidungsebenen führtzum Erfolg.
Eine wichtige Rolle spielen die Staffelungder Motoren, die Motorbauformen, die Op-timierung der mechanischen und gasdyna-mischen Anregungen, die Strukturoptimie-rung der Bauteile sowie der Einsatz vonAkustiksekundärmaßnahmen.
Für BMW ist die Laufkultur der Motoren einentscheidendes Differenzierungsmerkmal,das bereits in der frühen Entwicklungspha-se in den Zielkatalogen berücksichtigt wird. Die Reaktion von Kunden sowie Ver-gleichstests bestätigen die BMW-Antriebs-entwicklung darin, dem EntwicklungszielLaufkultur weiterhin höchste Priorität ein-zuräumen, Bild 15.
Schalldruckpegel [dB(A)]
Gesamtgeräusch Motor
10
Verbrennungsgeräusch
Brennverfahren 1
Brennverfahren 2
n = 2000 1/min, Volllast Ottomotor,Luftschall gemittelt über 5 Motorseiten
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
Zündwinkel [°KW vOT]
Bild 13: Einfluss vonBrennverfahren beiOttomotoren auf dasGeräuschverhalten
Figure 13: Influence ofpetrol engine burningmethods on noiseemission behaviour
Schalldruckpegel [dB(A)]
10
Sauganlage starr verschraubt,ohne Schallabsorptionshaube
Sauganlage entkoppelt,mit Schallabsorptionshaube
Volllast, Luftschallemission Motoroberseite
6000
Motordrehzahl [1/min]
500040002000 30001000
Bild 14: Lokale Optimierung derLuftschallemission am Beispiel der Motoroberseite
Figure 14: Local optimi-sation of air-borne noise emissions usingthe top of the engineas an example
Bewertung Laufkultur [%]
100
90
80
70
60
BMWWettbewerb
BMWWettbewerb
43 Vergleichstests
4-Zylinder 6-Zylinder 8-Zylinder
Bild 15: Laufkultur-bewertung inVergleichstests
Figure 15: Judgementof running characteris-tics in comparativetests
Literaturhinweis
[1] Schmidt, G.; Niggemeyer, H.: Sechszylinder inReihen- oder V-Bauart – die optimale Motorisie-rung? In: MTZ 56 (1995) Nr. 5, S. 258-263
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