linguacluster: verdammt lang her - 2012

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66 67 VERDAMMT LANG HER ÇA FAIT UN BAIL LANG GELEDEN SIEBENUNDSECHZIG SOIXANTE-SEPT ZEVENENZESTIG SECHSUNDSECHZIG SOIXANTE-SIX ZESENZESTIG Wer in Europa die Geschichte eines Landes untersucht, trifft früher oder später auf „die Römer“. Sie beein- flussen ganz ohne Zweifel die Völker Europas bis heute. Machen wir uns auf die Spurensuche vor unserer Haustür. Nur eins vorab: „Die Römer“ ist ein sehr einfacher Begriff. Was wir damit eigent- lich meinen, ist die römische Kultur, also die Politik, Kunst, Sprache, Bildung, Wirtschaft usw. Sie ging zwar von Rom aus, verteilte sich aber im Laufe von vie- len Jahrhunderten über ganz Europa und sogar Asien und Afrika. In die Euregio kamen die Römer aus mi- litärischen Gründen, also um neues Land zu erobern. Die heutigen Länder (und den Begriff Euregio) gab es damals noch nicht und damit auch nicht ihre Gren- zen. Aber eine unsichtbare Grenze, die heute mitten durch die Euregio geht, ist unsere erste römische Spur. Sie trennt die romanische Sprachfamilie, also die von der römischen Sprache Latein abgeleiteten Sprachen, von der germanischen. Als Sprachfamilie bezeichnet man Sprachen, die unter- einander verwandt sind. Zur „romani- schen“ gehört z. B. Französisch und zur „germanischen“ gehören Deutsch und Niederländisch. Vor über 2.000 Jahren, als Julius Caesars römische Truppen in die Euregio kamen, lebten hier vor allem germanische Stämme. Maastrichts lateinischer Name „Mosae traiectum“, „Brücke über die Maas“, verrät bereits Einiges: Große Flüsse wie die Maas und der Rhein waren damals Hindernisse, die nur sehr schwer zu über- winden waren. Brücken waren schwierig zu bauen, sehr selten und daher wertvoll. Eine Brücke aus Stein, wie in Maastricht, war etwas ganz Besonderes. Archäologen, die wichtige wissen- schaftliche Ausgrabungen machen (aber damit oft auch große Bauarbei- ten verlangsamen!), finden immer wie- der spannende Dinge. Grundrisse von Gebäuden lassen erahnen, wie groß bestimmte Häuser früher waren. All- tagsgegenstände verraten, wie sich die Menschen damals ernährt und gepflegt, womit sie gearbeitet und wie sie ge- spielt haben (Abb. 2). Auch wenn alles Abb. 2: Spielbrett, ca. 1800 Jahre alt. Die Spielsteine wurden in Zülpich gefunden. 1 Wo sind, von euch aus, die nächsten römischen Bau- werke (Ausgrabungsstätten, Gebäude- und Mauerreste) zu finden? Erkläre, was man aus ihnen über die Vergangenheit erfahren kann. 2000 Jahre alte Schätze Römische Spuren – Vestiges romains – Romeinse sporen Aber es gibt auch zahlreiche sichtbare Spuren. Sie sind für die Geschichtsforscher (Historiker) wichtige Quellen, um etwas über den damaligen Alltag zu erfahren. Reste von Straßen und alte Meilensteine verraten etwas über Transportwege und Entfernun- gen. An wichtigen Kreuzungen lagen z. B. die größeren Städte Heerlen (damals Corio- vallum) und Tongeren (Atuatuca Tungrorum). Hier hat man u. a. Hinweise auf Stadt- mauern, Amphitheater, Plätze, Tempel und Badeanlagen gefun- den. Ein hervorragend erhaltenes Badehaus steht heute noch in Zülpich (Tolbiacum), und Aachens heiße Quel- len waren wohl schon für die Römer ein Grund für ein heilsames Bad. In der Eifel steht so- gar noch ein römischer Aquaeduct, eine Wasser- leitung aus Stein. Wörter mit der Endung „-tion“ (wie „Information“), kommen meist aus dem Lateinischen und sehen in anderen Sprachen sehr ähnlich aus. Im NL enden diese Wörter auf „-tie“ („informatie“). Übrigens war Julius Caesar der erste bekannte Feldherr in unse- rer Gegend. Sein Heer erlitt aber eine heftige Niederlage gegen die Truppen des Stammesfürsten Ambiorix, dem dafür in Tongeren ein Denkmal gesetzt wurde. Aus Cae- sars Schriften wissen wir vieles über diese Zeit. Vor allem die Festlegung von Jahreszahlen, die Datierung, ist mit Hilfe von schriftlichen Quellen, also Texten, oft einfacher. Auch Münzfunde sind häufig eine große Hilfe (Abb. 3). Sprache, Wege, Bauwerke, Alltagsgegenstände, Texte – was die Menschen in 2.000 Jahren wohl von uns noch finden? Abb. 4: Solche Wannen standen in öffentlichen Badehäusern. Dort traf man sich und tauschte sich aus. Abb. 6: So große und gut erhaltene Funde wie die Therme in Heerlen sind äußerst selten – und werden daher sehr häufig besucht! Münzen sind durch Inschriften und die auf ihnen abgebildeten Kaiser (Valentinian III.) oft eine Datierungshilfe. Römische Spuren kann man in gleich drei ganz hervorragenden Museen in unserer Nähe erkunden: • Thermenmuseum Heerlen (thermenmuseum.nl, Abb. 6) • Gallo-Romeins Museum Tongeren (galloromeinsmuseum.be) • Museum der Badekultur (roemerthermen-zuelpich.de) Sehr anschaulich: Kleine Trickfilme und eine virtuelle 3D-Reise durch den „Xantener Raum in der Antike“ (xanten.afg.hs-anhalt.de, auf „System mit Filmen starten“ klicken) Abb. 5 © Römerthermen Zülpich Abb. 1: Sogar Fußbodenheizung (Hypo- causten) hatten die Römer schon! 2 Ordne zu, welche heutigen Städte, zu den lateinischen Namen auf der Karte gehören! (Abb. 5) Abb. 3 ganz anders war: Die Bedürfnisse der damaligen Menschen waren den heutigen sehr ähnlich. 5 10 15 20 25 30 35 60 65 70 75 80 85 90 40 45 50 55

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Linguacluster: Verdammt lang her - 2012

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Page 1: Linguacluster: Verdammt lang her - 2012

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VERDAMMT LANG HER

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LANG GELEDEN

SIEBENUNDSECHZIGSOIXANTE-SEPTZEVENENZESTIG

SECHSUNDSECHZIGSOIXANTE-SIXZESENZESTIG

Wer in Europa die Geschichte eines Landes untersucht, triff t früher oder später auf „die Römer“. Sie beein-fl ussen ganz ohne Zweifel die Völker Europas bis heute. Machen wir uns auf die Spurensuche vor unserer Haustür. Nur eins vorab: „Die Römer“ ist ein sehr einfacher Begriff . Was wir damit eigent-lich meinen, ist die römische Kultur, also die Politik, Kunst, Sprache, Bildung, Wirtschaft usw. Sie ging zwar von Rom aus, verteilte sich aber im Laufe von vie-len Jahrhunderten über ganz Europa und sogar Asien und Afrika.

In die Euregio kamen die Römer aus mi-litärischen Gründen, also um neues Land zu erobern. Die heutigen Länder (und den Begriff Euregio) gab es damals noch nicht und damit auch nicht ihre Gren-zen. Aber eine unsichtbare Grenze, die heute mitten durch die Euregio geht, ist unsere erste römische Spur. Sie trennt die romanische Sprachfamilie, also die von der römischen Sprache Latein abgeleiteten Sprachen, von der germanischen. Als Sprachfamilie bezeichnet man Sprachen, die unter-einander verwandt sind. Zur „romani-schen“ gehört z. B. Französisch und zur „germanischen“ gehören Deutsch und Niederländisch. Vor über 2.000 Jahren, als Julius Caesars römische Truppen in die Euregio kamen, lebten hier vor allem germanische Stämme.

Maastrichts lateinischer Name „Mosae traiectum“, „Brücke über die Maas“, verrät bereits Einiges: Große Flüsse wie die Maas und der Rhein waren damals Hindernisse, die nur sehr schwer zu über-winden waren. Brücken waren schwierig zu bauen, sehr selten und daher wertvoll. Eine Brücke aus Stein, wie in Maastricht, war etwas ganz Besonderes.

Archäologen, die wichtige wissen-schaftliche Ausgrabungen machen (aber damit oft auch große Bauarbei-ten verlangsamen!), fi nden immer wie-der spannende Dinge. Grundrisse von Gebäuden lassen erahnen, wie groß bestimmte Häuser früher waren. All-tagsgegenstände verraten, wie sich die Menschen damals ernährt und gepfl egt, womit sie gearbeitet und wie sie ge-spielt haben (Abb. 2). Auch wenn alles

Abb. 2: Spielbrett, ca. 1800 Jahre alt. Die

Spielsteine wurden in Zülpich gefunden.

1

Wo sind, von euch aus, die nächsten römischen Bau-

werke (Ausgrabungsstätten, Gebäude- und Mauerreste)

zu fi nden? Erkläre, was man aus ihnen über die Vergangenheit

erfahren kann.

2000 Jahre alte SchätzeRömische Spuren – Vestiges romains – Romeinse sporen

Aber es gibt auch zahlreiche sichtbare Spuren. Sie sind für die Geschichtsforscher (Historiker) wichtige Quellen, um etwas über den damaligen Alltag zu erfahren. Reste von Straßen und alte Meilensteine verraten etwas über Transportwege und Entfernun-gen. An wichtigen Kreuzungen lagen z. B. die größeren Städte

Heerlen (damals Corio-vallum) und Tongeren (Atuatuca Tungrorum).Hier hat man u. a. Hinweise auf Stadt-mauern, Amphitheater, Plätze, Tempel und Badeanlagen gefun-den. Ein hervorragend erhaltenes Badehaus steht heute noch in Zülpich (Tolbiacum), und Aachens heiße Quel-len waren wohl schon für die Römer ein Grund für ein heilsames Bad. In der Eifel steht so-gar noch ein römischer Aquaeduct, eine Wasser-leitung aus Stein.

Wörter mit der Endung „-tion“ (wie „Information“), kommen meist aus dem Lateinischen und sehen in anderen Sprachen sehr ähnlich aus. Im NL enden diese Wörter auf „-tie“ („informatie“).

Übrigens war Julius Caesar der erste bekannte Feldherr in unse-rer Gegend. Sein Heer erlitt aber eine heftige Niederlage gegen die Truppen des Stammesfürsten Ambiorix, dem dafür in Tongeren ein Denkmal gesetzt wurde. Aus Cae-sars Schriften wissen wir vieles über diese Zeit. Vor allem die Festlegung von Jahreszahlen, die Datierung, ist mit Hilfe von schriftlichen Quellen,

also Texten, oft einfacher. Auch Münzfunde sind häufi g eine große Hilfe (Abb. 3).

Sprache, Wege, Bauwerke, Alltagsgegenstände, Texte – was die Menschen in 2.000 Jahren wohl von uns noch fi nden?

Abb. 4: Solche Wannen standen in öff entlichen Badehäusern. Dort traf

man sich und tauschte sich aus.

Abb. 6: So große und gut erhaltene Funde wie die Therme in Heerlen sind

äußerst selten – und werden daher sehr häufi g besucht!

Münzen sind durch Inschriften und die auf

ihnen abgebildeten Kaiser (Valentinian III.) oft eine

Datierungshilfe.

Römische Spuren kann man in gleich drei ganz hervorragenden Museen in unserer Nähe erkunden:

• Thermenmuseum Heerlen (thermenmuseum.nl, Abb. 6)

• Gallo-Romeins Museum Tongeren (galloromeinsmuseum.be)

• Museum der Badekultur (roemerthermen-zuelpich.de)

Sehr anschaulich: Kleine Trickfi lme und eine virtuelle

3D-Reise durch den „Xantener Raum in der Antike“

(xanten.afg.hs-anhalt.de, auf „System mit Filmen starten“ klicken)

Abb. 5

© Römerthermen Zülpich

Abb. 1: Sogar Fußbodenheizung (Hypo-causten) hatten die Römer schon!

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Ordne zu, welche heutigen Städte, zu den lateinischen

Namen auf der Karte gehören! (Abb. 5)

Abb. 3 ganz anders war: Die Bedürfnisse der damaligen Menschen waren den heutigen sehr ähnlich.

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Und warum „Vater Europas“? Damit will man ausdrücken, dass in Karls Reich vieles schon viel einheitlicher war als heute. Karl bemühte sich zum Beispiel um eine neue gemeinsame Schrift und einheitliches Geld im Frankenreich, das damals halb Europa um-fasste. In diesem riesigen Reich gab es, anders als heute in Europa,

kaum Grenzen. Aber ob das daran lag, dass Karl Frieden in Europa woll-te, ist zu bezweifeln. Trotzdem werden mit dem Karlspreis, einer wertvollen goldenen

NEUNUNDSECHZIGSOIXANTE-NEUFNEGENENZESTIG

ACHTUNDSECHZIGSOIXANTE-HUITACHTENZESTIG

Fragen an einen großen MannKarl der Große – Charlemagne – Karel de Grote

So stellte man sich Karl im Mittelalter, um 1350, vor (Karlsbüste, Domschatz Aachen)

Karlsbrunnen auf dem Aachener Marktplatz. Die

Originalfi gur ist ca. 400 alt.

1

Schulen, die Kaiser Karl im Namen tragen, gibt es in

Aachen, Fléron und Kerkrade. Was kennst du noch, was nach ihm benannt wurde?

2

Auf karlspreis.de fi ndest du die Preisträger, die mit der Karlsplakette ausgezeichnet wurden. Kennst du

einen von ihnen? Suche dir einen aus und fi nde heraus, was er für Europa getan hat.

Karl der Große mal zwölf: in 12 verschiedenen Rollen,

an 12 verschiedenen Begegnungsorten:

route-charlemagne.eu

Überall in der Euregio begegnet man Karl dem Großen. Er ist Namens-geber von Straßen und Plätzen, von Vereinen, Geschäften und Schulen. Manche fi nden sogar, dass dieser mittelalterliche Kaiser so wichtig für die Euregio Maas-Rhein ist, dass sie lieber von der „Euregio Charlemagne“ sprechen würden. Wer war dieser Mensch denn überhaupt und was hatte er mit der Euregio zu tun?

Wenn man die Menschen fragt, was sie mit Karl dem Großen verbinden, dann denken die meisten an einen großen, kräftigen Mann mit Bart und Krone. Auch die Stichworte „Aachen“ und „Vater Europas“ werden meistens genannt. Es ist schon erstaunlich, dass ein Mann so vielen Menschen bekannt ist, obwohl er schon vor rund 1.200 Jahren gestorben ist (im Jahr 814). Stimmt denn eigentlich, was man über ihn sagt, und: Woher weiß man diese Dinge überhaupt?

Die Krone, mit der man Karl immer abbildet, soll natürlich zeigen, dass Karl König und Kaiser war. Das ist richtig und hat auch mit der Stadt Aachen zu tun. Allerdings fand hier nicht, wie viele denken, die Kaiserkrönung statt. Denn die wurde im Jahr 800 vom Papst in Rom vorgenommen, und da war Karl schon lange König. Aber in Aachen hatte Karl eine wichtige Pfalz. So nennt man die Stütz-punkte, wo die mittelalterlichen Könige auf ihren Reisen Halt machten. Hier war er besonders häufi g und hier wurde er wahr-scheinlich auch begraben und später sogar heiliggesprochen.

Dass Karl groß und kräftig war, zeigen alle Statuen und Bilder von ihm (Abb. 1, 2). Nur gibt es dabei ein Problem: Sie alle sind erst lange nach seinem Tod entstanden. Wie bei vielen Personen der Geschichte konnten die Maler und Bildhauer selbst nicht wissen, wie ihr Modell wirklich ausgesehen hat. Über Karls Aussehen gibt es aber immerhin einen Text von jemandem, der ihn persönlich kannte: Das war der berühmte Einhard (Eginhard), ein Gelehrter am Hof Karls.

So, vermutet man, könnte Karls Pfalz in Aachen ausgesehen haben. A: Palasthalle, an deren Stelle heute das Rathaus steht.

L: achteckige Kapelle, heute Teil des Doms. Der untere Teil des Aachener

Rathausturms war wohl wirklich Teil der Pfalz. Dass Karl selbst darin

wohnte, ist aber unwahrscheinlich.

Auf diesem Thron wurden über 30 Könige als Nachfolger Karls des Großen gekrönt. Er ist zwar fast so alt wie Karl

selbst, aber wohl nicht dessen ursprünglicher Thron.

In Karls Monogramm kommen alle Buch-staben seines Namens KAROLUS vor.

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Kennst du jemanden, der einen Karlspreis verdient hätte,weil er oder sie etwas für Europa getan hat?

Schreibe eine Begründung („Laudatio“)! Seit 2008 gibt es auch einen Jugendkarlspreis!

Wo Karl sich aufgehalten hat, weiß man aus alten Urkunden. Weitere Pfalzen, die Karl oft besuchte, lagen in Herstal bei Lüt-tich und in Düren. Die Gegend um Aachen und Lüttich wird des-wegen als das „Herzstück“ des Reiches betrachtet, über das Karl herrschte. Hinweise auf die Pfalzanlage in Aachen fi nden sich dort heute noch in den Mauern des Rathauses und des Doms (Abb. 4, 5).

Karl der Große ist also ein Symbol für Europa, und deshalb erinnert vieles auch 1200 Jahre nach seinem Tod noch an ihn.

Medaille, in Aachen jedes Jahr Menschen geehrt, die sich besonders für die euro-päische Einigung einsetzen.

„Charlemagne“ ist die französische (und englische) Form von „Carolus

Magnus“. Das ist Lateinisch und heißt: Karl der Große!

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EINUNDSIEBZIGSEPTANTE ET UNÉÉNENZEVENTIG

SIEBZIGSEPTANTEZEVENTIG

Dicke Mauern und tiefe GräbenMittelalterliche Burgen – Châteaux forts du Moyen Âge – Middeleeuwse burchten

Abb. 1

1

Welche Burgen liegen eurer Schule am nächsten? Findet so viel wie möglich über sie heraus (Wer hat sie erbaut?

Wann? Wann zerstört? Besichtigung möglich?...)

Es gibt viele Seiten mit Abbildungen und Infos zu zahl-reichen Burgen, meist geordnet nach Ländern und

Regionen, z. B. burgenwelt.de, kastelen.nl, burchten-kastelen.be

(Achtung: Zwischen Burgen und Schlössern wird meistens kein Unterschied gemacht). Ein Wörterbuch zu Burgen (auf

NL und FR) fi ndet sich z.B. auf mathieuinwonderland.nl

Das soll eine Burg sein (Abb. 1)? Natürlich ist das keine Burg, son-dern es handelt sich um den Bolle-berg bei Waldfeucht, eine „Motte“. Die ersten Burgen, die wir kennen, waren noch aus Holz. Sie wurden auf solchen Hügeln gebaut, die man extra aus Erde zusammengetragen hat, da-mit die Burg höher steht. Diese „Hügel-Holzburgen“ heißen Motten.

Im Mittelalter gab es keine Polizei: Man musste sich also selbst schützen. Burgen wurden vor allem gebaut, damit der Burgherr und seine Familie, aber auch die umliegenden Bauern dort Schutz fanden, wenn es einen feindlichen Angriff gab. Man spricht des-halb auch von „Fluchtburgen“. Daher war das Leben in einer Burg, verglichen mit heute, auch keineswegs angenehm: Hinter den oft meterdicken Steinmauern der Burg war es eng, dunkel und feucht. Und im Winter natürlich kalt.

Gut vorstellen kann man sich das, wenn man sich das Haus Raeren ansieht (Abb. 2): Der mittelalterliche Wohn- und Wehrturm hat an der Seite noch kleine Fenster in Originalgröße. Vorne sieht man schöne große Fenster: Sie wurden später eingebaut. Wie viele Burgen war auch dieser Turm von einem mit Wasser gefüllten Schutzgraben umgeben.

Einen solchen Wohn- und Wehr-turm nennt man übrigens

Donjon. Er war in fast allen Bur-gen das wichtigste Ge-bäude. Ein besonders beeindruckender Don-jon ist in der Burgruine von Franchimont bei Spa zu bewundern (Abb. 4).

Wie diese Burgen ursprünglich genau ausgesehen haben, weiß man meistens nicht mehr, denn sie sind nicht mehr erhalten. Heute sieht man nur noch die Hügel, und selbst die müssen manchmal von Archäologen in mühevoller Arbeit ausgegraben werden. Allerdings kann man oft sehen, an welcher Stelle die Burg gestanden haben muss. Auch dass es kräftige Palisadenzäune zum Schutz gegeben hat, lässt sich belegen. Der Kreis Heinsberg ist eine Region, in der es besonders viele Motten gibt: Man hat dort über 40 Motten nachgewiesen.

Das Mittelalter(NL middeleeuwen,

FR Moyen Âge) bezeichnet einen Zeitraum von ungefähr 1000 Jahren.

Es heißt so, weil es in der „Mitte“ zwi-schen der Antike (NL het antiek,

FR l’Antiquité) und der Neuzeit liegt.

Abb. 2

Wenn wir Burgen sagen, denken die meisten aber an mäch-tige Gemäuer aus Stein. Sie sind viel später als die Motten gebaut worden: im Hochmittelalter vor ungefähr 650-800 Jahren. Sie sind damit immer noch so alt, dass es kaum noch voll-ständig erhaltene Burgen gibt. Aber die Ruinen verraten eine ganze Menge…

2

Zeichne den Grundriss a) einer Burg aus der Euregio

b) deiner Wunschburg. Wie ein Grundriss aussieht,

siehst du auf Abb. 7 – hast du den Donjon gefunden?

3

Was erinnert in deiner Stadt ans Mittealter (Denkmäler,

Namen von Straßen und Plätzen, Museen…)

Auf den meisten Burgen werden Führungen angeboten. Auf manchen, z. B. auf der Burg Satzvey oder dem Kasteel Hoensbroek, wird auch gezeigt, wie im Mittelalter gelebt,

gegessen, gesungen und gekämpft wurde (burgsatzvey.de; kasteelhoensbroek.nl).

Ein mächtiger Herrscher in unserer Region war seit dem Mittel-alter der Graf von Jülich. Eine seiner wichtigsten Burgen stand in Nideggen bei Düren (Abb. 3). Die Burg ist heute teilweise wieder aufgebaut. Man kann sehr schön sehen, dass die Burg auf einem Berg, weit über dem Tal der Rur gebaut wurde. Natürlich: Man sah den Feind früh und konnte schwer angegriff en werden – ähnlich wie bei den Motten.

In den Niederlanden gibt es kaum Berge, deshalb ist die Ruine in Valkenburg auch eine der beliebtesten Touristenattraktionen. Auch sie liegt auf einem Berg, hoch über der Göhl. Die Burg wurde vor ca.

Abb. 4

Abb. 3

Buchtipp! Sehr schöne Fotos von Burgen fi ndet man in den Bildbänden von Manfred Nimax über die Burgen und Schlösser in Ostbelgien (Band 1),

Südlimburg (Band 2) und an Rur, Inde und Wurm (Band 3).Abb. 5

Der Ritter (NL „ridder“)heißt so, weil er auf einem Pferd reitet

(FR „chevalier“ von cheval = Pferd).

Abb. 6: Eyneburg/Hergenrath Abb. 7

350 Jahren gesprengt. Danach hat man sie als Steinbruch benutzt, anstatt sie wieder aufzubauen. Das hat zwei Vor-teile: Man kann gut sehen, wie es früher aussah und die Ruine ist ein herrlicher Spielplatz (Abb. 5)…

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DREIUNDSIEBZIGSEPTANTE-TROISDRIEËNZEVENTIG

ZWEIUNDSIEBZIGSEPTANTE-DEUXTWEEËNZEVENTIG

Im Mittelalter wohnten die Ritter und die mächtigen Herren in Burgen. Diese hatten dicke Mauern und standen oft auf Bergen oder waren von tiefen Wassergräben umgeben. So konnten die Herren sich und ihre Untertanen bei Angriff en durch Feinde schützen, indem sie in die Burgen fl ohen.

Aber mit der Zeit wurden immer stär-kere Waff en erfunden, so dass irgend-wann auch die dicksten Mauern kei-nen Schutz mehr boten. Immer öfter musste man sich auch nicht mehr selbst verteidigen, denn für den Schutz der Bevölkerung waren Landessoldaten und später auch die Polizei zuständig. Die „Fluchtburgen“ entwickelten sich immer mehr zu „Prunkschlössern“.

Die prunkvollen Bauwerke sollten jetzt zeigen, wie reich, mächtig und geschmackvoll der Schlossherr war. Für den Schlossherren war sein Schloss ein so genanntes Statussymbol. Auch heute gibt es Statussymbole: große Häuser, schnelle Autos, Kunstwerke…

Das Schloss Merode bei Langerwehe (Abb. 1)wird noch von einem ech-ten Prinzen bewohnt.Er heißt mit Nachnamen genauso wie sein Schloss und seine Familie wohnt dort schon seit Jahr-hunderten. Es ist wie alle Schlösser nicht nur

außen schön, sondern hat auch innen alte wertvolle Möbel, Gemälde und sehr viele Zimmer. Aber alle diese Zimmer müssen auch geheizt und der Rasen des riesigen Gartens muss gepfl egt werden. Manche Eigentümer entscheiden aus diesen Gründen, ihre Schlösser nicht selbst zu bewohnen. Oft haben jetzt dort Firmen ihre Büros oder es werden darin Hotels, Restaurants oder Museen betrieben. So kann man die Schlösser auch als Gast besichtigen!

So wird z. B. das Kasteel Hoensbroek bei Heerlen (Abb. 2) jedes Jahr von vielen Schulklassen besucht. Es ist eins der größten und spannendsten Schlösser der Euregio und hat sogar ein verstecktes Geheimzimmer sowie ein eigenes Schlossgespenst!

An vielen Schlössern kann man sehen, dass es bei ihrem Bau nicht mehr so sehr um den Schutz vor Feinden, sondern mehr um die Schönheit und den Komfort ging. Die großen Fenster hätte es im Mittelalter nicht gegeben – Glasfenster waren ein Luxus und

In der Euregio gibt es heute besonders viele wunderschöne Schlösser. Die aller-

Wo befi ndet sich bei euch in der Nähe das nächste Schloss?

Findet heraus, wie alt es ist, wer dort früher wohnte, was

sich heute darin befi ndet, was umgebaut wurde...

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Würdest du gerne in einem Schloss wohnen? Sammle Gründe, die dafür und dagegen sprechen.

Denke dabei z. B. an die Kosten und die Lage!

Buchtipp! Schöne Fotos von Schlössern fi ndet man in den Bildbänden von

Manfred Nimax über die Burgen und Schlösser in Ostbelgien (Band 1),

Süd-Limburg (2) und an Rur, Inde und Wurm (3).

meisten haben sich aber nicht über die letzten 300 oder 400 Jah-re so erhalten, sondern wurden immer wieder neu aufgebaut oder renoviert. Das ist für die Eigentümer sehr teuer und sie müssen sich an enge Regeln des Denkmalschut-zes halten. Sie können z. B. nicht einfach eine Garage oder ein Glasdach anbauen.

Die beiden Wörter NL kasteel und FR château für DE „Schloss” sind eigentlich

das gleiche Wort: beides kommt vom lateinischen „castellum“. (Oft ist das „Dach”

über dem a bei französischen Wörtern ein Zeichen für ein s, das früher noch geschrie-ben wurde, aber jetzt verschwunden ist.)

Abb. 1: Schloss Merode

Wie im MärchenTraumhafte Schlösser – Châteaux merveilleux – Fantastische kastelen

3

Zeichne ein Schloss und plane, wie du die vielen verschiedenen Zimmer nutzen würdest und wie der

Schlossgarten aussehen würde. Du kannst natürlich auch Pläne für ein Schloss machen, das du (von Bildern) kennst.

Schlösser gibt es hunderte in der Euregio. Die allermeisten kann man von außen betrachten und fotografi eren und sehr viele auch von innen besuchen. Für Schulklassen besonders

geeignet: kasteelhoensbroek.nl

Besonders viele schöne Schlösser gibt es entlang des Maastals. Man fi ndet sie im Internet (chateauxdelameuse.eu),

aber es gibt auch eine schöne farbige Broschüre mit über 80 Schlössern dazu („Schlösser an der Maas“, in 3 Sprachen).

Abb. 2: Kasteel Hoensbroek

Abb. 5: Jehay

Abb. 3: Weil die Gebäude oft wirklich fürstlich sind, wird in vielen Schlössern gerne gefeiert: Hochzeiten, Geburtstage, Erst-kommunionen usw. Z. B. hier: Schloss Vaalsbroek in Vaals.

Abb. 6: Landkommende Alden Biesen

Abb. 4: Schloss Beusdael

sehr anfällig, lassen aber viel Licht in die Innenräume. Auch die Wassergräben rund um die Schlossanlage dienten fast nur noch der Zierde. Beim Schloss Jehay (Abb. 5) in der Nähe von Huy hat man sogar die Außenmauern mit einem besonders schönen Schach-brettmuster gestaltet. Prächtige Schlösser, manche erhaben und riesig wie die Anlage des Deutschen Ritterordens in Alden Biesen bei Bilzen (Abb. 6), manche märchenhaft wie Schloss Beusdael in der Voerstreek (Abb. 4), aber alle mit ihrer eigenen spannenden Geschichte!

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FÜNFUNDSIEBZIGSEPTANTE-CINQVIJFENZEVENTIG

VIERUNDSIEBZIGSEPTANTE-QUATREVIERENZEVENTIG

Und dann gab es noch eine europäische Kuriosität, den Zwergstaat „Neutral-Moresnet“. Nach dem Wiener Kongress 1816 konnten sich die beiden großen Nachbarstaaten Preußen und die Nieder-lande nicht einigen und es entstand das Gebiet „Neutral-Moresnet“. Diesen Mini-Staat gab es fast 100 Jahre! Er hatte eigene Briefmarken, eine eigene Sprache und natürlich eigene Grenzsteine.

An manchen Stellen ist der Landgrabenzu entdecken, der im Mittelalter das

Was uns trennt und verbindetGrenzen in der Euregio – Les frontières dans l‘Euregio – Grenzen in de Euregio

Eine Portion Fritten in Belgien, dann zum Wochenmarkt nach Vaals, und am Nachmittag zum Einkaufsbummel nach Aachen. Solche Fahrten sind für uns heu-te selbstverständlich. Das Überquerender Grenzen ist für uns ganz leicht, die Region wirkt fast „grenzenlos“. Aber war das schon immer so? Nein, ganz im Gegenteil.

1

Auf alten Land- oder Postkarten ist von „Vierländereck“ oder Vierländerblick die Rede. Von Vaals führt der Viergrenzenweg

auf den Berg hinauf. Woher kommen diese Namen, heute treff en sich hier doch nur die Grenzen von drei Ländern?

In der Euregio bestimmen die Grenzendas Leben der Menschen seit vielen Generationen. Ein besonderer Platz, um das „Grenzgefühl“ hautnah zu erleben, ist das Dreiländereck mit dem „Drielandenpunt“ bei Vaals (Abb. 1). Hier treff en Deutschland, Niederlande und Belgien aufeinander. Man muss ein wenig suchen, um die Grenzen heute noch zu fi nden. Wenn man allerdings ein wenig genauer hinschaut, sieht man sie aber doch, die Spuren und Zeugen der vielen Grenzen, die es hier schon vor langer Zeit gab.

2

Wo sind Grenzen im Alltag noch spürbar?Schreibe auf, welche Grenzen du kennst und was sie für die

Menschen bedeuten.

Zwischen Belgien und den Niederlanden bildet die Maas eine „natürliche Grenze“. Sie heißt dort deshalb „Grensmaas“. Kennst Du

andere natürliche Grenzen?

Abb. 1: Der Dreiländerpunkt oder auch: Vierländerpunkt

Adlerstein am Landgra-ben im Aachener Wald

Grenzsteine zwischen DE und BE, durchnummeriert von 1-1032

Abb. 4: In der Mitte der niederländisch-belgische „Grenspaal 1“, von hier gibt es 369 „Grenspalen“ bis zur Nordseeküste.

KuKuK an der Grenze (altes Zollhaus)

3Schreibe eine spannende Schmuggelgeschichte, in der die

Grenze eine wichtige Rolle spielt!(Kaff ee und Tabak spielten z. B. immer eine große Rolle.)

• ndl.-dt. Grenzüber gang Locht: Grenz-, Zoll- und Schmuggelgeschichte(n) im zollmuseum-friedrichs.de

• dt.-belg. Grenzübergang Köpfchen: Natur triff t Kultur (mit

Zeugnissen der Grenzge schichte wie Westwall, belgisches

und deutsches Zollgebäude etc. - kukukandergrenze.org)

• hervorragend beschilderte Themenwanderwege: grenzrouten.eu

• Labyrinth am drielandenpunt.nl (Abb. 7)

• „Klèng Wach“ in Vaals: das kleinste Museum der NL

Überall, wo es Grenzen gibt, gibt es auch Schmuggel. Das

Auch wenn sie heute oft nicht mehr so leicht zu erkennen und so schwer zu überwinden sind – Grenzen gibt es heute natürlich auch noch. Sie legen haargenau fest, was wozu gehört, und trennen (bzw. verbinden!) nicht nur Länder, sondern auch Regionen, Provinzen, Städte, Kreise und Grundstücke.

Abb. 5

Abb. 7: Labyrinth am Drielandenpunt

Provinzen, Städte, Kreise und Grundstücke.

Der Dreiländerpunkt hat sogar sein eigenes Bier: Was könnte der

Name bedeuten?

„Aachener Reich“ umgab. Ein Wall mit einer Buchenhecke und ein Graben schützten vor unerwünschten Besuchern. Am Landgrabenverläuft heute die deutsch-belgische Grenze mit den Grenz-steinen von 1 bei Luxemburg bis 1032 auf dem Drielandenpunt (Abb. 2). Die niederländisch-belgischen Grenzsteine beginnen ebenfalls hier mit der Nummer 1 (Abb. 4) und enden an der Nord-see mit der Nummer 369. Aus dem 17. Jahrhundert stammen die Adlersteine. Das Wappentier der Reichsstadt Aachen wurde in den Stein gemeißelt (Abb. 3). Einige dieser Steine sind im Aachener Wald noch zu fi nden.

bedeutet, es werden Dinge über die Grenzen gebracht, ohne

Steuern (Zoll) zu bezahlen oder sogar obwohl es gänzlich verboten ist. Hier in unserer Gegend ging es vor und nach dem 2. Weltkrieg um Lebensmittel, Butter, Fleisch und Zigaretten. Vor allem aber wur-de rucksackweise oder in Fahrzeugen, so genannten Kaff eekreu-zern, Kaff ee aus Belgien nach Deutschland geschmuggelt (Abb. 5). Selbst ganze Kolonnen von Kindern wurden dafür eingesetzt und besserten so den Lebensunterhalt der Familien auf. Mit Schmuggel konnte man in zwei Nächten mehr verdienen als mit der normalen Arbeit in einem Monat. Viele Geschichten und Anekdoten erzählen aus dieser Zeit. Allerdings darf man nicht vergessen, dass mehr als 50 Menschen, Schmuggler und Zöllner, in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg an der Grenze ihr Leben verloren.

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Abb. 2a-b

Abb. 3

Abb. 6

Abb. 8

Abb. 9

Page 6: Linguacluster: Verdammt lang her - 2012

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VERDAMMT LANG HER

ÇA FAIT UN BAIL

LANG GELEDEN

SIEBENUNDSIEBZIGSEPTANTE-SEPT

ZEVENENZEVENTIG

SECHSUNDSIEBZIGSEPTANTE-SIXZESENZEVENTIG

War früher alles besser?Freilichtmuseen – Musées de plein air – Openluchtmusea

Könnt ihr euch vorstellen, dass euer Kinderzimmer oder euer Klas-senraum einmal ein Museum ist? Oder der Supermarkt, in dem ihr einkauft?

So verrückt ist der Gedanke gar nicht, denn genauso funktioniert eigentlich ein Freilichtmuseum, also ein Museum im Freien, an der frischen Luft. Freilichtmuseen zeigen, wie das Leben der einfachen Menschen vor 100, 200 oder 300 Jahren war. Damit wir uns das heu-te gut vorstellen können, baut man ganze Dörfer oder kleine Städte genau so nach, wie sie damals ausgesehen

Mit der Provinciale Domein Bokrijk und dem LVR-Museum Kommern gibt es in der Euregio gleich zwei große Freilichtmuse-en, die zu den beliebtesten Ausfl ugszielen für Kinder, Familien und

Schulklassen überhaupt gehören. Denn hier kannman sich nicht nur viel freier bewegen als in einem „normalen“ Mu-seum, sondern kann Geschichte hautnah und spannend am eigenen Leib erfahren.

In Kommern kann man mit der ganzen Klasse so-gar für ein paar Tage im Museum leben! Alte Kinderspiele entdecken und nachbauen, Steinofenbrot backen, Fachwerkhäuser

In Bokrijk könnt ihr z. B. für ein paar Stunden in das Leben eurer Altersgenossen eintauchen, die 1911, also vor über 100 Jahren,

in einem Dorf in der Nähe von Hasselt ge-lebt haben. Ihr hört die Donnerpredigt des Dorf-pfarrers, nehmt unter der Leitung des stren-gen Fräuleins am Unter-richt in der Dorfschule teil und müsst – wie die meisten Kinder damals – natürlich auch auf dem Hof der Eltern arbeiten.

Abb. 1: Leben auf dem Dorf: Überall im Freilichtmuseum triff t man auf Tiere.

Abb. 2: Ein typischer Hof: hier lebte oft die ganze Familie mit den Tieren zusammen.

Abb. 3: Alte Dorfschule — sieht doch (fast) aus wie heute!

In beiden Freilichtmuseen gibt es Spielplätze sowie kleine

Restaurants und Kaufl äden. Alle Infos unter bokrijk.be bzw. kommern.lvr.de. In Kommern ist

der Eintritt für Kinder und Jugendliche sogar frei!

Eine virtuelle Reise in die Vergangenheit mit der

kinderzeitmaschine.de, von der EU als eine der besten

Kinderseiten ausgezeichnet.

„Museum“ bedeutet eigentlich „Heiligtum der Musen“, das sind die

griechischen Schutzgöttinnen der Kunst (FR musée, NL museum).

haben: mit Wohnhäusern, Schulen, Kaufl äden, Bauernhöfen, Brun-nen, Mühlen und allem, was es dort sonst noch gab.

Das Einzige, was in den Dörfern und Städten der Euregio früher ge-nauso war wie heute, war wohl das Wetter. Ansonsten war so ziemlich alles anders. Vor allem war die Welt viel kleiner, das heißt: Sie fühlte sich so an. Die nächste Stadt schien unendlich weit weg, denn man musste meistens zu Fuß gehen. Natürlich gab es auch noch kein Fernsehen, mit dem man sich ein Bild von den anderen Ländern machen konnte. Mit den Eltern mal eben zum Einkaufen nach Belgien oder in Holland schwimmen gehen? Undenkbar, schon weil die meisten Erwachsenen so gut wie nie Urlaub hatten.

Das Leben spielte sich vor Ort ab. Kein Telefon, kein Face-book – die Leute im eigenen Dorf oder Stadtteil waren diejeni-gen, mit denen man zu tun hatte. In gewisser Weise war man sich in dieser Gemeinschaft untereinander ähnlicher als heute. Denn Menschen von auswärts gab es nur sehr selten. Schwer vorzustellen: Lüttich ohne seine Afrikaner und Italiener, Heerlen ohne seine Marokkaner oder Aachen ohne seine Türken, die dort nun oft schon seit Jahrzehnten leben.

Man sprach dieselbe Sprache, nämlich meistens Dialekt: ob einen wallonischen in der Lütticher Gegend, einen rheinischen in Düren oder einen limburgischen im Maastrichter Land. Die Alltagssprache unterschied sich von Ort zu Ort, die deutsche, französische oder nie-derländische Hochsprache war für Zeitungen, Bücher und offi zielle Anlässe reserviert.

Abb. 7: Nur Muskelkraft und Hand-arbeit: In der Werkstatt gab es noch keine

elektrischen Maschinen und Computer.

Holzfußboden, wenig Licht, keine Heizung:

kaum Komfort im Schlafzimmer.

Abb. 6: Ein altes Postbüro: Telegraf (rechts) und Telefon weisen bereits den Weg in das elektrotechnische Zeitalter.

WC heißt water closet, also etwa „Wasser-

schränkchen“. Damals gab es noch keine

Spülung und das Klo stand oft auf dem Hof.

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Damals selbstverständlich, heute unvorstellbar: ein Leben ohne Strom. Mache eine Liste

von Alltagsgegenständen, die du damals nicht hättest benutzen

können. Überlege jeweils, was man damals stattdessen benutzte.

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Erfi ndet ein Museum für die Schüler in 100 Jahren: Was

müsste alles in diesem Museum stehen, damit eure

„Nachfolger“ sich gut vorstellen könnten, wie ihr heute lebt?

reparieren, Spinnen und Weben, Ho-nig imkern, Korn ernten, Kochen wie früher… und natürlich schlafen und wohnen wie früher.

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Abb. 5

Abb. 4