mittwoch 27. februar 2013 20:00 - kölner philharmonie · wissenschaftler george perle mitte der...
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Quartetto 3
Tetzlaff Quartett
Mittwoch27. Februar 201320:00
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Quartetto 3
Tetzlaff Quartett
Christian Tetzlaff Violine
Elisabeth Kufferath Violine
Hanna Weinmeister Viola
Tanja Tetzlaff Violoncello
Mittwoch27. Februar 2013 20:00
Pause gegen 20:55
Ende gegen 22:00
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PROGRAMM
Joseph Haydn 1732 – 1809
Streichquartett C-Dur op. 20,2 Hob. III:32 (1772)
aus: 6 Divertimenti (»Sonnenquartette«) op. 20 (1772)
Moderato
Capriccio. Adagio
Menuet. Allegretto
Fuga a quattro Soggetti. Allegro
Alban Berg 1885 – 1935
Lyrische Suite für Streichquartett (1925 – 26)
Allegretto gioviale
Andante amoroso
Allegro misterioso – Trio estatico
Adagio appassionato
Presto delirando – Tenebroso
Largo desolato
Pause
Ludwig van Beethoven 1770 – 1827
Streichquartett a-Moll op. 132 (1825)
Assai sostenuto – Allegro
Allegro ma non tanto
Canzona di ringraziamento. Molto adagio
Alla Marcia, assai vivace
Allegro appassionato
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ZU DEN WERKEN DES HEUTIGEN KONZERTS
Zwischen Klassik und aufkeimender Moderne – Haydn
in Experimentierlaune
»Sturm und Drang«: Das war nicht nur der Titel eines Dramas von
Friedrich Maximilian Klinger, sondern Symptom und Motto eines
allumfassenden Lebensgefühls, das sich zwischen den Sechzi-
ger- und Achtzigerjahren des 18. Jahrhunderts flächenbrandar-
tig in Deutschland ausbreitete. Auch Joseph Haydn, seit 1766 am
Hofe des gleichermaßen betuchten wie kunstsinnigen und -för-
dernden Fürsten Nikolaus Joseph Esterházy angestellt, war von
der neuen Strömung elektrifiziert, die gegen Künstlichkeit, Ratio-
nalismus und erstarrte Konventionen rebellierte und sich stattdes-
sen das Emotionale, Schöpferische, Spontane und Individuelle
auf ihre Fahnen schrieb. Und da er bei seinem Brotgeber sowohl
für die Kirchenmusik, die Oper, die orchestrale Unterhaltung als
auch die Kammermusik verantwortlich zeichnete, klopfte er auch
das Streichquartett auf seine Möglichkeiten hin ab und lotete aus,
was in puncto Form und Ausdruck so alles in ihm steckt.
Dreißig Quartette hatte Haydn bereits zu Papier gebracht, als er
sich 1772 daran machte, die Sechsergruppe op. 20 zu komponie-
ren und damit die Experimentierlust eines etablierten Vierzigjäh-
rigen unter Beweis zu stellen. Ja derart gewagt erschienen diese
vielseitigen und aufregenden Streichquartette so manchem
Musikforscher fürderhin, dass sie unter anderem verlauten lie-
ßen, Haydn sei in der »Sackgasse eines übersteigerten Radika-
lismus« gelandet.
Tatsächlich weisen diese aufgrund des Titelblattes einer Ams-
terdamer Ausgabe inhaltlich irreführend als »Sonnenquartette«
bezeichneten Werke im Vergleich zu Haydns sonst so ausgewo-
genem Kompositionsstil einige Schroffheiten und Eigenarten
auf. Beispielsweise die strikte Individualisierung der vier Stim-
men, eine gesteigerte Emotionalität, die Gleichzeitigkeit von
satztechnischer Strenge und gesteigerter Dramatik sowie eine
Vorliebe für engmaschig gesetzte Kontraste – Neuerungen, die
sowohl für den späten Mozart als auch für Beethoven und fol-
gende Komponistengenerationen stilbildend wirkten.
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Schon im ersten Satz des zweiten Quartetts von Opus 20, in dem
das Cello sowohl das Hauptthema der Exposition als auch –
zusammen mit der ersten Violine – in der Durchführung ein neues,
weitgespanntes Motiv vorstellt, wird klar, dass Haydn dieses Ins-
trument nicht mehr wie bisher üblich auf seine bassstützende
Funktion reduziert, sondern es als gleichberechtigten Partner im
Viererteam einsetzt. Allen voran ist es jedoch der zweite Satz, ein
als Capriccio bezeichnetes Adagio, an dem ein Gutteil der Eigen-
arten auszumachen ist. Mit seinen Unisono-Ausbrüchen und
schweifenden Solostimmen, seinen affektbetonten anfänglichen
Trillern und in Folge disparaten, teils zugespitzt dramatischen
Elementen sowie seinem sprechenden Charakter wirkt dieser
formal freie, eigenwillig zerklüftete Satz wie eine Übernahme
aus der Welt der Oper, wie eine Szene mit begleitetem Rezitativ
und nachfolgender Arie. Nach einer Fermate in allen vier Stim-
men geht es ohne Unterbrechung direkt zu einem zarten Alle-
gretto-Menuett. Das Finale schließlich generiert Haydn als Fuge
mit vier Themen und setzt so einen grandiosen, mit allen Raf-
finessen der Fugentechnik gespickten und ob seiner Schnellig-
keit schier atemraubenden Schlusspunkt. Weniger gelehrsam
als duftig leicht, beginnt dieser letzte Satz in gedämpftem Tonfall
und endet – erst in wirbelnden Sechzehnteln, dann in markantem
Unisono – in einer etwas martialischen Coda. Die letzten Takte
des Autografs versah der Katholik Haydn mit den Dankesworten
»Gelobt sei Gott«, fügte aber außerdem noch eine speziell auf
den Schlusssatz des Quartetts bezogene Pointe an: »So flieht
der Freund vor dem Freunde.« Wen der spitzfindige Haydn damit
wohl gemeint haben mag?
»Du, die in meinen endlosen Träumen wohnt!«
Schon in seiner Jugend hatte der gebürtige Wiener Alban Berg
ein Faible fürs Literarische, allem voran für die Lyrik. Es verwun-
dert deshalb nicht, dass das Lied in seinen frühen Schaffens-
jahren, noch vor seinem Unterricht bei Arnold Schönberg, einen
prominenten Platz einnimmt. Aber auch in seiner zwischen
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September 1925 und Juni 1926 entstandenen Lyrischen Suite für
Streichquartett, die er wie Haydn sein Opus 20 als gestandener
Vierzigjähriger komponierte, spielen Gedichte eine tragende
Rolle, wenngleich die Verse in der vor spieltechnischen und
anderen minutiös notierten Anweisungen nur so wimmelnden
Partitur nicht aufgeführt sind. Da ist zum einen das Gedicht des
Literaturnobelpreisträgers Rabindranath Tagore (1861 – 1941) Du
bist die Abendwolke, das in dem Werk seine Spuren hinterlassen
hat:
Du bist die Abendwolke, die am Himmel meiner Träume hinzieht. Ich gebe Dir Farbe und Form mit den Wünschen meiner Liebe.Du bist mein Eigen, mein Eigen, Du, die in meinen endlosen Träumen wohnt!
Deine Füße sind rosig rot von der Glut meines sehnsüchtigen Herzens, Du, Ährenleserin meiner Abendlieder!Deine Lippen sind bittersüß, denn sie kosteten aus meinem Leidenskelch.Du bist mein Eigen, mein Eigen, Du, Bild meiner einsamen Träume.
Mit dem Schatten meiner Leidenschaft hab ich Deine Augen verdunkelt, als sie in meinen Blick hinabtauchten.Ich hab Dich gefangen und Dich eingesponnen, Geliebte, in das Netz meiner Musik. Du bist mein Eigen, mein Eigen, Du, die in meinen endlosen Träumen wohnt!
Die Tagore-Verse hatten bereits anno 1923 Bergs Freund Alexan-
der von Zemlinsky zu einem Liedzyklus für Sopran, Bariton und
Orchester mit dem Titel Lyrische Symphonie inspiriert – der Berg
dann zu der dem Freund gewidmeten Lyrischen Suite beflügelte.
Um die Verbindung der beiden so ähnlich betitelten Werke zu
bekräftigen, zitierte Berg im vierten Satz seiner Suite jene Melo-
die, mit der Zemlinsky den Refrain »Du bist mein Eigen, mein
Eigen« vertont hatte. Aber auch über das melodische Zitat und
den vierten Satz hinaus dürfte das Gedicht, das die Liebe, Sehn-
sucht und Leidenschaft thematisiert, für Bergs Lyrische Suite eine
erhebliche Rolle gespielt haben. Zumal der Komponist den Tem-
poangaben der sechs höchst emotionalen und expressiv sinnli-
chen Sätze Adjektive wie liebevoll (amoroso), verzückt (estatico)
oder leidenschaftlich (appassionato) beifügte.
Versteckter und subtiler noch als die Tagore-Verse hat der Kom-
ponist jedoch das Gedicht De profundis clamavi von Charles
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Baudelaire (1821 – 1867) aus dem Zyklus Les Fleurs du Mal (Die
Blumen des Bösen) in sein Werk eingewoben. Erst als der Musik-
wissenschaftler George Perle Mitte der 1970er-Jahre eine von
Berg handschriftlich mit mannigfaltigen programmatischen
Anmerkungen versehene Taschenpartitur der Lyrischen Suite ent-
deckte, die der Komponist einst der Prager Industriellen-Gattin
Hanna Fuchs-Robettin gewidmet und in der er die Hauptstimmen
des letzten Satzes gleich einer Gesangslinie mit den von Stefan
George ins Deutsche übersetzten Versen Baudelaires unterlegt
hatte, wurde die Bedeutung des Gedichts offenbar. Und noch
eines geht aus diesen Eintragungen ohne Umschweife hervor:
dass Berg anno 1925 in einer – zwar geheim gehaltenen, seiner
Frau Helene aber durchaus bekannten, letztlich wohl unerfüllten
– Liebesbeziehung zu Hanna Fuchs-Robettin stand, die ihn maß-
geblich zur Komposition der Lyrischen Suite anregte. Zu eindeu-
tig sind die ersten Zeilen des Gedichts »Zu Dir, Du einzig Teure,
dringt mein Schrei, aus tiefster Schlucht, darin mein Herz gefal-
len«. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, wird auch das Zitat aus
Richard Wagners Vorspiel zum ersten Akt von Tristan und Isolde
im Schlusssatz sinnfällig. Und die letzten Zeilen des Gedichts,
»Ich neide des gemeinsten Tieres Los, das tauchen kann in
stumpfen Schlafes Schwindel. So langsam rollt sich ab der Zeiten
Spindel!«, machen auch den einzigartigen »morendo«-Schluss
der Lyrischen Suite plausibel, bei dem alle vier Instrumente peu
à peu im Nichts verebben, ersterben, ohne dass wie sonst üblich
ein Doppelstrich das Werk definitiv beschließen würde.
In Anbetracht der immensen Emotionalität, Sinnlichkeit und
Expressivität der Musik überrascht die Tatsache, dass die Lyri-
sche Suite formal und kompositionstechnisch streng durchkon-
struiert ist. Wobei sich die Entwicklung, die laut Berg dem Prin-
zip der »Stimmungssteigerung« folgt, innerhalb zweier immer
mehr auseinanderstrebender Ebenen vollzieht: Das Tempo der
lebhaften Sätze wird zunehmend schneller (Allegretto, Allegro,
Presto), das der getragenen immer langsamer (Andante, Adagio,
Largo). Die Kompositionstechnik wechselt regelmäßig zwischen
dodekaphonisch gearbeiteten Sätzen oder Satzteilen und frei
atonal angelegten. So liegt dem ersten Satz eine Zwölftonreihe
des Schönberg-Schülers Fritz Heinrich Klein zugrunde, die nicht
nur alle zwölf Töne und Intervalle enthält, sondern außerdem
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Möglichkeiten zur Bildung tonaler Komplexe und Konsonanzen
aufweist. Schon daran lässt sich erkennen, dass Berg – im Gegen-
satz zu seinem Lehrer Schönberg – einen undogmatischen, sehr
fantasievollen Umgang mit der Zwölftontechnik bevorzugte, bei
dem er auch Dreiklänge und andere tonale Elemente einbezog.
Das motivisch-thematische Geflecht, das die sechs Sätze der
Komposition zusammenschweißt, geht jedoch weit über die Ver-
bindung durch die Zwölftonreihe hinaus. »Die Verknüpfung der
einzelnen Sätze geschieht […] dadurch, dass jeweils ein Bestand-
teil (ein Thema oder eine Reihe, ein Stück oder eine Idee) in den
folgenden Satz hinübergenommen wird und der letzte wiederum
auf den ersten zurückgreift«, erklärte Berg in einer Werk-Analyse.
Wobei das Material – ganz im Sinne des von Schönberg postu-
lierten Terminus der »entwickelnden Variation« – der ständigen
Umstellung, Verwandlung und wechselnden Beleuchtung ein-
zelner Aspekte unterliegt. Als motivisch verbindendem Mate-
rial kommt der den Initialen von Alban Berg und Hanna Fuchs
entlehnten Tonfolge besondere Bedeutung zu. Beinahe in allen
Sätzen präsent, tritt es als bestimmendes Motiv am offensicht-
lichsten im fast durchweg mit Dämpfer zu spielenden Allegro
misterioso in Erscheinung, in dem Berg die Zwölftonreihe derart
transformierte, dass die Töne B-A-F-H zusammenstehen und
den gesamten Satz durchwirken. Was einmal mehr zeigt, wie raf-
finiert und ausgewogen Berg komplexe Konstruktion, expressive
Sinnlichkeit und – teils versteckt, teils offen dargelegt – Außer-
musikalisches miteinander zu verschmelzen verstand.
Freiheit des Alters
Haydns Opus 20 attestierte man einen ȟbersteigerten Radi-
kalismus«; und Theodor W. Adorno charakterisierte den kam-
mermusikalischen Spätstil Ludwig van Beethovens, wie er
sich ausgeprägt in den zwischen 1824 und 1826 entstandenen
Streichquartetten offenbart, als eine sich »rücksichtslos bekun-
dende Subjektivität, die da um des Ausdrucks ihrer selbst willen
das Rund der Form durchbricht«. Schwingt in diesen Aussagen
nicht Ähnliches mit? Zumal Adorno bei seinen Ausführungen
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die »den sinnlichen Reiz verschmähende Selbstherrlichkeit des
freigesetzten Geistes« des Komponisten betonte. Die Frage,
warum sich Beethoven für seine letzten, sozusagen Fazit zie-
henden musikalischen Gedanken noch einmal auf das Streich-
quartett besann, das er zuvor für nahezu vierzehn Jahre vernach-
lässigt hatte, lässt sich anhand der dokumentarischen Quellen
nur unzureichend beantworten. Sicherlich stimulierte aber der
Wunsch des russischen Fürsten Nikolaus Galitzin vom November
1822 den Kompositionsprozess dieser Werke, von denen heute
das a-Moll-Quartett op. 132 zu hören ist.
Schon die Fünfsätzigkeit dieses Quartetts und die Wiederholung
der Reprise statt wie üblich der Exposition im ersten Satz des
ziemlich genau hundert Jahre vor Bergs Lyrischer Suite kompo-
nierten Werkes verdeutlichen Beethovens Wunsch, traditionelle
Formmuster aufzuweichen. Und indem Beethoven auf dialekti-
sche Auseinandersetzungen weitgehend verzichtet und folge-
richtig die Durchführung des Kopfsatzes komprimiert, geht er
noch einen weiteren Schritt in diese Richtung. Auch in puncto
Struktur hatte Beethoven Besonderes im Sinn, und sein Faible für
kontrapunktische Feinarbeit und motivisch-rhythmische Variati-
onskunst allein liefert dafür nur bedingt eine Erklärung. Vielmehr
dürfte es ihm um eine neue Art der Gesamtkonzeption gegangen
sein, bei der durch Tonartenbeziehungen sowie Motivverwandt-
schaften die Sätze miteinander verknüpft sind. Ein schönes Bei-
spiel hierfür ist die Verarbeitung des zu Beginn der langsamen
Einleitung exponierten, nachdenklich-meditativen Viertonmotivs
nicht nur im ersten, sondern auch im zweiten und im letzten Satz
des Quartetts – ein Motiv, das aufgrund der Wirkung seiner bei-
den am Anfang und Ende in Gegenrichtung gesetzten Halbton-
schritte häufig als »unveränderlicher Schicksalsspruch« gedeu-
tet worden ist.
Das Herzstück des Quartetts, an dem Beethoven in den Jahren
1824/1825 unter teils starker gesundheitlicher Beeinträchtigung
arbeitete, bildet jedoch der fünfteilige dritte Satz Canzona di
ringraziamento, dem der Komponist die Bezeichnung »Heili-
ger Dankgesang eines Genesenden an die Gottheit, in der lydi-
schen Tonart« zufügte. Frappierend fortschrittlich erscheint hier
Beethovens Rückgriff auf die archaische, eine fremdartig-herbe
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Kirchentonart, hier das Lydische. Und natürlich liegt die Vermu-
tung nahe, Beethoven habe hier Erinnerungen an seine Krankheit
und Genesung musikalisch verarbeitet und so programmatische
Aspekte in die absoluteste der Musikgattungen einfließen las-
sen. Die choralartige Melodie und ihre beiden Variationen wech-
seln sich mit kontrastierenden Teilen ab, die Beethoven mit dem
Hinweis »Neue Kraft fühlend« versah. Verbindungen zwischen
all diesen unterschiedlichen Abschnitten gibt es nicht: Viel-
mehr steht Ruhe gegen Bewegung, Stufen- gegen Sprungme-
lodik, kirchentonale harmonische Besonderheit gegen übliche
Kadenzharmonik. Und die auf Schubert verweisende »himmli-
sche Länge« dieses nahezu fünfzehnminütigen langsamen Sat-
zes, der trotz seiner Schlichtheit nie eintönig wirkt, hat vielleicht
auch etwas damit zu tun, dass der Mensch im Alter der Zeit eine
andere Bedeutung beimisst und manchen Dingen schlichtweg
mehr Raum gewährt.
Und noch zwei weitere Besonderheiten des Quartetts gilt es zu
erwähnen: zum einen das am Ende des knappen vierten Satzes
von der ersten Geige vorgetragene instrumentale Rezitativ, eine
in Musik gegossene sprachliche Mitteilung; zum anderen die
Ausweitung des Tonumfangs im Cellopart, den Beethoven im
letzten Teil (Presto) des rondoartigen, subjektiv expressiven Fina-
les in höchsten Diskantregionen parallel zur ersten Violine führt
– ein Abschnitt, der aufgrund seiner spieltechnischen Schwierig-
keiten so manchen Interpreten zum Schwitzen bringt.
Ulrike Heckenmüller
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BIOGRAPHIE
Tetzlaff Quartett
Das Tetzlaff Quartett erwarb sich innerhalb kürzester Zeit den
Ruf als »eines der faszinierendsten Kammermusikensembles der
Welt.« (Florenz, La Nazione). Die gemeinsame Leidenschaft für
Kammermusik führte Christian und Tanja Tetzlaff sowie Hanna
Weinmeister und Elisabeth Kufferath 1994 zu einem Streich-
quartett zusammen. Und obwohl die Künstler nur phasenweise
zusammenarbeiten, entwickelte sich das Quartett schnell zu
einer der gefragtesten Streichquartettformationen dieser Tage.
Konzerte führten das Tetzlaff Quartett durch Deutschland, nach
Frankreich, Italien, Belgien, Großbritannien, in die Schweiz
sowie in die USA. Das Ensemble ist zu Hause auf den großen
internationalen Podien wie dem Auditorium du Louvre in Paris,
in der Société Philharmonique in Brüssel, im Wiener Musikver-
ein und im Concertgebouw Amsterdam. Es ist ein gefragter Gast
bei internationalen Festivals wie den Berliner Festspielen, dem
Schleswig-Holstein Musik Festival oder dem Musikfest Bremen.
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Eine CD mit Quartetten von Schönberg und Sibelius ist im Herbst
2010 erschienen.
Der Geiger Christian Tetzlaff ist ein gefragter Gast auf allen
Konzertpodien der Welt. Gleichermaßen heimisch im Reper-
toire der Klassik und Romantik sowie im 20. Jahrhundert, setzt
Christian Tetzlaff Maßstäbe mit seinen Interpretationen der
Violinkonzerte von Beethoven, Brahms, Tschaikowsky, Berg,
Schönberg, Schostakowitsch und Ligeti ebenso wie mit seinen
unvergleichlichen Aufführungen der Solosonaten und -partiten
von Bach. Musical America kürte ihn 2005 zum »Instrumentalist
of the Year«. Er gibt regelmäßig Duoabende mit Leif Ove Ands-
nes und Lars Vogt. Als Solist und Kammermusiker gastiert er in
allen internationalen Musikmetropolen wie New York (Carnegie
Hall und Lincoln Center), Amsterdam, Wien, London, Paris, Ber-
lin und München. Christian Tetzlaff spielt eine Violine des deut-
schen Geigenbauers Peter Greiner und lebt mit seiner Familie in
der Nähe von Frankfurt.
Elisabeth Kufferath, Violine, erhielt ihre Ausbildung bei
Uwe-Martin Haiberg und Nora Chastain in Lübeck, wo sie mit
dem Konzertexamen abschloss. Als Stipendiatin studierte sie
bei Donald Weilerstein am Cleveland Institute of Music. Sie ist
Preisträgerin des Cleveland Concerto Competition (1991) und des
Vienna Modern Masters International Competition in Wien (1996,
1. Preis). 2003 erhielt sie den Distinguished Musician’s Award der
IBLA Foundation. Elisabeth Kufferath ist gern gesehener Gast
bei internationalen Festivals wie den Berliner Festspielen, dem
Lucerne Festival, dem Festival »Spannungen« in Heimbach, dem
Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Rheingau Musik Festival,
dem Helsinki Festival, den Interlochen Arts, dem Ravinia Festi-
val (USA) oder dem Aspen Festival (USA). Als Solistin wie auch
als Kammermusikern gastierte sie u. a. in den Philharmonien von
Berlin und Köln, im Wiener Musikverein, im Auditorium du Lou-
vre in Paris sowie in Rom, Florenz und Brüssel. Zu ihren regel-
mäßigen Kammermusikpartnern gehören u. a. Lars Vogt, Antje
Weithaas, Isabelle Faust, Jens Peter Maintz und Markus Becker.
Elisabeth Kufferath war von 1997 bis 2004 Konzertmeisterin der
Bamberger Symphoniker und danach Professorin für Violine
an der Hochschule für Musik Detmold. Seit 2009 hat sie eine
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Professur für Violine an der Hochschule für Musik und Theater in
Hannover inne. Elisabeth Kufferath spielt eine Violine des deut-
schen Geigenbauers Peter Greiner.
Hanna Weinmeister, in Salzburg geboren, wurde noch
während ihrer Schulzeit als Studentin am Mozarteum Salzburg
immatrikuliert, wechselte anschließend an die Wiener Musik-
hochschule zu Gerhard Schulz und absolvierte schließlich die
Meisterklasse von Zakhar Bron in Lübeck. Sie ist Preisträge-
rin zahlreicher internationaler Wettbewerbe, darunter 1991 der
Internationale Mozart-Wettbewerb in Salzburg und 1994 der
Concours International Jacques Thibaud. 1995 gewann sie den
International Parkhouse Award in London. Neben ihrer Stelle
als Erster Konzertmeisterin am Opernhaus Zürich konzertiert sie
als Solistin und Kammermusikerin mit Geige und Bratsche. Als
Solistin trat Hanna Weinmeister mit den Münchner Philharmo-
nikern, den Berliner Symphonikern, dem SWR Sinfonieorchester
Baden-Baden und Freiburg, dem Mozarteumorchester Salzburg,
dem Bruckner Orchester Linz und dem English Chamber Orches-
tra unter Dirigenten wie Franz Welser-Möst, Eliahu Inbal und
Michael Gielen auf. Als Kammermusikerin arbeitete sie u. a. mit
Heinrich Schiff, Leonidas Kavakos, Heinz Holliger, Gidon Kre-
mer, Alexander Lonquich, Alexei Lubimov und Benjamin Schmid
zusammen. Seit 1998 ist sie als Erste Konzertmeisterin fest beim
Orchester der Oper Zürich verpflichtet; außerdem unterrichtete
sie von 2000 bis 2004 an der Hochschule für Musik und Thea-
ter in Bern. Hanna Weinmeister spielt auf einer Viola von Peter
Greiner.
Tanja Tetzlaff studierte an der Musikhochschule Hamburg
bei Bernhard Gmelin sowie am Mozarteum Salzburg bei Heinrich
Schiff. Sie ist Preisträgerin internationaler Wettbewerbe, darunter
der Erste Internationale Musikwettbewerb in Wien 1992 (1. Preis)
und der ARD-Wettbewerb 1994 (3. Preis). Solistisch wie kam-
mermusikalisch konzertiert Tanja Tetzlaff in ganz Europa sowie
in den USA, in Australien und Japan und ist regelmäßig zu Gast
bei internationalen Festivals wie denen in Risør, Bergen, Feld-
kirch, Schwetzingen, Delft und Heimbach, bei den Berliner Fest-
wochen, dem Beethovenfest Bonn, dem Bremer Musikfest und
dem Klangbogen-Festival in Wien. Sie spielt mit den meisten
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namhaften Orchestern Deutschlands sowie mit den großen inter-
nationalen Orchestern, wie dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem
Radiosinfonieorchester Moskau, der Camerata Salzburg oder
dem Queensland Symphony Orchestra Brisbane. Dabei arbei-
tet sie mit namhaften Dirigenten wie Daniel Harding, Sir Roger
Norrington, Vladimir Ashkenazy und Paavo Järvi zusammen. Ihre
besondere Liebe gilt der Kammermusik. Zu ihren Partnern zählen
dabei Künstler wie Lars Vogt, Alexander Lonquich, Martin Fröst,
Leif Ove Andsnes, Florian Donderer und Gunilla Süssmann. Tanja
Tetzlaff spielt ein Violoncello von Giovanni Baptista Guadagnini
aus dem Jahr 1776.
In der Kölner Philharmonie war das Tetzlaff Quartett zuletzt im
Januar 2000 zu Gast.
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KÖLNMUSIK-VORSCHAU
März
SO0316:00
Emmanuel Pahud Flöte
Franz Liszt Kammerorchester
Werke vonJohann Sebastian Bach, Antonio Vivaldi, Henry Purcell, Friedrich II. von Preußen, Frank Martin, Wolfgang Amadeus Mozart, Saverio Mercadante
13:00 Tanzschule lindig.art Blickwechsel EnSuite:»Barocke Tänze«
Sonntags um vier 4
SO0320:00
Moskauer KathedralchorAlexey Petrov Leitung
Michail GlinkaCheruvimskaja pesn’ (Cherubikon)
Aleksandr Kastal’skij»Dem guten Schäfer«
Modest Mussorgsky»Der Engel hat verkündet«
Pavel TschesnokovAm Bett des KrankenDas Abendopfer
Grigori Lwowskiy»Erbarme Dich unser«
Sergej RachmaninowVesper (Vsenoščnoe bdenie) op. 37 Das große Abend- und Morgenlob. Für gemischten Chor a cappella
IHR NÄCHSTESABONNEMENT-KONZERT
DO02
Mai20:00
ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln
JACK Quartet Ari Streisfeld Violine Christopher Otto Violine John Pickford Richards Viola Kevin McFarland Violoncello
Rodericus / JACK Quartet Angelorum Psalat
Iannis Xenakis ST/4, 1 – 080262 (1956 – 62)für Streichquartett
Guillaume Dufay / JACK Quartet Moribus et genere
Iannis Xenakis Ergma (1994)für Streichquartett
Iannis Xenakis Tetora (1990)für Streichquartett
Guillaume de Machaut / JACK Quartet Drei Stücke
Quartetto 4
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Samstag 30. März 2013
20:00
Faust –Eine deutsche VolkssageStummfilm mit Live-Musik, rekonstruierte Fassung
Als Friedrich Wilhelm Murnau seinen Faust-Film drehte, saß er bereits auf
gepackten Koffern, um seine Karriere in Hollywood fortzusetzen. Die aus-
gefeilte Kamera- und Tricktechnik versieht dieses weitere Meisterwerk des
Regisseurs mit einer besonderen visuellen Kraft. Die Bilder konfrontiert
Tobias Schwencke in seiner neuen Filmmusik mit hochromantischen Faust-
Vertonungen von Wagner, Mahler, Schumann und Liszt.
Nathan Plante Trompete
Johannes Öllinger E-Gitarre
Dominik Blum Hammondorgel
Ensemble ResonanzChristoph Altstaedt Dirigent
Friedrich Wilhelm Murnau Regie
Tobias Schwencke Komponist
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Redaktion: Sebastian Loelgen
Corporate Design: hauser lacour
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Textnachweis: Der Text von
Ulrike Heckenmüller ist ein Original -
beitrag für dieses Heft.
Fotonachweis: Alexandra Vosding S. 10
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Mittwoch10.04.2013
20:00
Anne-Sophie Mutter
Violine
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London Philharmonic Orchestra Yannick Nézet-Séguin Dirigent
Modest Mussorgsky/
Nikolaj Rimskij-Korsakow
Vorspiel (Morgendämmerung an der Moskwa) aus: Chowanschtschina
Peter Iljitsch Tschaikowsky
Konzert für Violine undOrchester D-Dur op. 35
Dmitrij Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47
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