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Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlichder gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Umwelthinweis:Dieses Buch wurde auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt.

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Emilie Richards

Wie Gespenster in der NachtRoman

Aus dem Amerikanischen vonSonja Sajlo-Lucich

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MIRA® TASCHENBUCHBand 25500

1. Aufl age: März 2011

MIRA® TASCHENBÜCHERerscheinen in der Cora Verlag GmbH & Co. KG,

Valentinskamp 24, 20350 Hamburg

Copyright © 2010 by MIRA Taschenbuch in der CORA Verlag GmbH & Co. KG

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:MacDougall’s Darling

Copyright © 1995 by Emilie Richards McGeeerschienen bei: Silhouette Books, Richmond

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, KölnUmschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Claudia Wuttke Titelabbildung: Getty Images, München

Autorenfoto: © by Harlequin Enterprises S.A., Schweiz /Galen McGee Peak-Defi nition ProductionsSatz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Druck und Bindearbeiten: CPI – Ebner & Spiegel, UlmPrinted in Germany

Dieses Buch wurde auf FSC-zertifi ziertem Papier gedruckt.ISBN 978-3-89941-813-2

www.mira-taschenbuch.de

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PRO LOG

Es wa ren nur we ni ge Ster ne zu se hen. Die aber schos sen wie Blit ze über das tief schwar ze Him-mels zelt, je des Mal, wenn Te rence Mac Dou gall die

Au gen zu sam men kniff und den Kopf in den Na cken leg te. „Sie fal len alle run ter! Die ver damm ten Ster ne fal len alle von dem ver damm ten Him mel, und es gibt nichts, was man da ge gen tun kann!“ Beim letz ten Wort stol per te er über ei nen Stein und fi el vorn über aufs Ge sicht. Er ver sank ein Stück chen in der tor-fi gen Erde, be vor ihm so recht be wusst wur de, was ei gent-lich pas siert war. Um ständ lich und nur mit be trächt li cher An stren gung roll te er sich auf den Rü cken und sah wie-der zum Him mel hi nauf. Als er sei nen Kopf je doch end-lich be quem ge bet tet hat te, war der Stern schnup pen schau er vor bei. Statt des sen tanz ten die Ster ne jetzt ko kett über die High lands, zwin ker ten ihm mit ih ren strah len den Au gen zu und wa ckel ten mit ih ren win zi gen Hin ter tei len. Und Te-rence stimm te ein fröh li ches Lied chen an. „Oh, die sü ßen Mä dels aus den High lands pous sie ren lus tig und wer den wil lig die Dei ne. Doch die Mäd chen aus den Low lands, die sind so ernst und le gen dich erst ein mal an die Lei ne …“ Te rence moch te ei nen ge ram melt vol len Pub mit sei-ner kla ren Te nor stim me und sei nen def ti gen Tex ten un ter-hal ten, doch fl ach auf dem Rü cken, kei ne fünf zehn Me ter vom Ufer des Loch Ceo ent fernt und ohne Pub li kum lief er nicht un be dingt zu sei ner Höchst form auf. Er räus per te sich, um er neut an zu set zen, aber ihm fi el ein fach kein Lied ein. Er starr te zum Him mel hoch. Vor sei nen Au gen ver-scho ben sich die Ster ne und füg ten sich zu ei ner Be kannt-ma chung zu sam men, wie auf den Leucht rek la me ta feln der

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piek fei nen The a ter im weit ent fern ten Edin burgh. Er zeich ne te die Wor te mit dem Zei ge fi n ger nach und las laut vor: „Der hoch wohl ge bo re ne Te rence Mac Dou gall gibt sich die Ehre, Sie zum Tauf fest sei nes erst ge bo re nen Soh nes zu bit ten …“ Sei ne Stim me er starb. Ihm fi el nicht mehr ein, wel chen Na men Jane für den klei nen Wurm aus ge sucht hat te. Er hat te na tür lich nichts zu sa gen ge habt. Sei ne Jane war eine star ke Frau mit viel Durch set zungs ver mö gen. Und sie be-saß das ty pi sche Tem pe ra ment ei nes Rot schopfs. War es etwa sei ne Schuld, dass die We hen eine Wo che frü her als ge plant ein ge setzt hat ten? Wie hät te er das wis sen sol len? Und konn te er etwa was da für, dass Ja nes Granny, die ver spro chen hat te, das Kind zu ho len, wie ein Stein ge-schla fen hat te? Nein, nichts da von war sei ne Schuld. Au ßer na tür lich, dass er den Winz ling in Ja nes Leib ge pfl anzt hat te. Und es war doch auch al les glatt ge gan gen! Jane hat te sich auf den Weg in die klei ne Dorf kli nik ge macht und ih ren Sohn in ei-nem schö nen sau be ren Zim mer zur Welt ge bracht. Al lein war sie auch nicht ge we sen. Sie hat te so gar reich lich Ge sell schaft ge habt. Te rence stimm te ein neu es Lied an. „Oh, der Lord und die Lady ka men zur Stadt, ge klei det in Samt und Sei de, Old Mac Dou gall kam auch, doch nur be deckt mit Farn und Hei de …“ Aye, sein Sohn war zur glei chen Zeit zur Welt ge kom-men wie der Sohn des Lords. Man stel le sich vor: der Sohn von Te rence Mac Dou gall di rekt ne ben dem Sohn des Guts-herrn! Nun, fast. Der alte Doc Su ther land hat te den Er ben des Lords ge holt, wäh rend Jane das im Ne ben zim mer selbst be sorgt hat te. Und da war ja auch noch das an de re Baby, der drit te

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Jun ge, der ge nau zur glei chen Zeit auf die Welt ge kom men war! Um die Ge burt des Sohns von Do nald Sin clair, des Dorf wirts, hat te sich die Kran ken schwes ter ge küm mert. Drei klei ne Jungs, alle ge bo ren um Punkt Mit ter nacht an Hal lo ween. Und kei ner konn te sa gen, wer von den Ba bys zu erst das Licht der Welt er blickt hat te. Schwan kend setz te Te rence sich auf. So lang sam ließ sich die Wir kung des Whis kys nicht mehr leug nen. Da bei hat te er Jane ver spro chen, dass er mit dem Trin ken auf hö ren und sich eine fes te Ar beit su chen wür de, wenn sie ihm ei nen Sohn schenk te. Er hat te auch ehr lich vor, sein Wort zu hal-ten. Aber selbst Jane konn te nicht von ihm ver lan gen, nüch-tern zu blei ben, so lan ge sie nicht mit dem Jun gen aus dem Kran ken haus nach Hau se kam. Schließ lich war er Va ter ge-wor den! So vie les muss te jetzt ge nau über legt, durch dacht und ge plant wer den. Er rap pel te sich müh sam auf und sah mit zu sam men ge-knif fe nen Au gen in die Dun kel heit. Di rekt vor ihm lock te die sil ber ne Ober fl ä che des Sees. Er leb te gleich um die Ecke, doch die sen Platz hier hat te er sich aus ge sucht, weil er ei nen frei en Blick bot und so ab ge schie den lag. Hier war kei ne Men schen see le. Er stol per te vor wärts, ohne den an de ren Stei nen, die sich ver schwo ren hat ten, ihn er neut zu Fall zu brin gen, auch nur die ge rings te Auf merk sam keit zu schen ken. Der Loch Ceo ge hör te ihm. Das Was ser des Sees rann durch sei ne Adern, die Wel len schlu gen im glei chen Rhyth mus ge gen das Ufer wie sein Herz in sei ner Brust. Er war un tief wie der Ufer-rand und un er gründ lich wie die tiefs ten Tie fen in der Mit te des Sees. Er war mit dem See ver bun den, wie er es mit Jane nie mals sein wür de. „Ich habe jetzt ei nen Sohn!“, rief er über das Was ser, das an sei nen So cken leck te. Sei ne Schu he hat te er ir gend wo auf

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dem Weg vom Dorf hier her ver lo ren. Es war ja auch nicht das ers te Paar. Er wa te te tie fer ins Was ser, ach te te nicht auf die Käl te. „Ich habe ei nen Sohn, Dar ling! Ei nen Winz ling mit Haa ren so rot wie die sei ner Mum und Au gen wie die Hei de im Herbst. Hast du ge hört, Dar ling?“ Die Wel len schwapp ten stär ker he ran, als woll ten sie ant wor ten. Doch Te rence re de te nicht mit dem Was ser. „Ich weiß nicht, wie wir ihn nen nen wer den. Viel leicht Fer gus. Oder Ged des. Ged des Mac Dou gall. Ge fällt dir das, Dar ling? Wärst du da mit ein ver stan den?“ Sei ne Wor te hall ten übers Was ser und kehr ten als Echo zu ihm zu rück. Er wuss te so fort, dass bei de Na men nicht pass ten. An ge strengt ver such te er, sich da ran zu er in nern, wel chen Na men Jane aus ge sucht hat te. Den Bruch teil ei-ner Se kun de be reu te er, dass er nicht bes ser zu ge hört hat te. Jane war eine gute Frau. Sie hat te viel mehr ver dient, als er ihr gab. Sie konn te schließ lich nichts da für, dass sei ne Treue und sei ne wirk lich tie fen Ge füh le ei ner an de ren ge hör ten. „An drew!“ Schlag ar tig fi el ihm der Name wie der ein. Aye, Jane und er hat ten ei nes Abends über Na men für das Baby ge re det, be vor er zu sei ner all a bend li chen Run de in den Pub auf ge bro chen war. „An drew Mac Dou gall. Wie hört sich das für dich an, Dar ling? Ge fällt dir das bes ser?“ Nichts auf dem See rühr te sich, doch er wuss te, dass der Name An drew pass te. Gut pass te. „Es sind auch noch zwei an de re Jungs ge bo ren wor den, aber un ser Jun ge ist der Kräf tigs te von den drei en, Dar ling. Man mun kelt schon, es sei ein Omen. Weil sie zur glei chen Zeit an Hal lo ween ge-bo ren wur den und so. Dass die Schick sa le der drei Jungs un zer trenn lich mit ei nan der ver wo ben sind. Glaubst du das auch?“ Das Bild von den drei Jun gen blitz te wie der in Te rence’ Kopf auf. Als er in der Kli nik an ge kom men war, da hat-

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ten die drei Bett chen mit den win zi gen Ba bys ne ben ei nan-der ge stan den, und selbst der Lord hat te kei nen Ton her vor-ge bracht. So bald die Ba bys bei ei nan der wa ren, wur den sie still, so als wüss ten sie ir gend wie, dass sie zu sam men ge hör-ten. Alle drei wa ren pro pe re stram me Jungs; kein ein zi ger Küm mer ling war da bei. Te rence merk te erst, dass er wein te, als ihm die Trä nen auf den Wan gen zu Eis ge fro ren. In die sem Au gen blick wur de ihm auch be wusst, dass sei ne Füße taub wa ren und die Taub heit in zwi schen bis zu sei nen Kni en hi nauf ge kro-chen war. „Zeig dich, Dar ling!“, lock te er. „Lass mich se hen, dass du auch glück lich bist!“ Den größ ten Teil sei nes Le bens hat te Te rence da mit zu-ge bracht, auf den See hi naus zu star ren. Hät te er die glei che Aus dau er und Kon zent ra ti on auf das Stu die ren ver wand, be sä ße er ei nen U ni ver si täts ab schluss. Hät te er mit der glei-chen Ener gie und Ent schlos sen heit nach ei ner An stel lung ge sucht, wür de er wohl in ei ner hoch herr schaft li chen Vil la ir gend wo auf der Prin ces Street in Edin burgh woh nen. „Lass dich se hen und zeig mir, dass du dich für mich freust!“ Re gungs los stand er da und war te te. Er spür te sei ne Bei ne kaum noch. Eine Wol ke schob sich über die sil ber ne Si chel des Mon des, der See wur de zu ei nem dunk len Spie-gel. Dann ver zog sich die Wol ke, und die Was ser o ber fl ä che hell te sich wie der auf, streck te sich glatt und end los weit bis zum Ho ri zont. Nur in der Mit te, da tauch ten plötz lich Rin ge auf, dehn ten sich wei ter und wei ter und ka men auf das Ufer zu ge rollt. „Dar ling!“, ent fuhr es Te rence lei se. „Mein Dar ling!“ Er hielt die Hand über die Au gen, ob wohl nichts ihn blen de te. Er wünsch te, er hät te ein Fern glas da bei. Oder

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noch die glei chen schar fen Au gen wie in sei ner Ju gend. Und vor al lem ei nen kla ren Kopf, der nicht vom bes ten Whis ky des Pubs ver ne belt war. Ein Schat ten er schien, eine Sil hou-et te so an mu tig und stolz wie eine wun der schö ne Frau. „Er bar men“, fl üs ter te er. Doch er brauch te we der Er bar-men noch Hil fe und erst recht kei ne Er klä rung. „Dar ling, end lich! Und was für eine Nacht du dir aus ge sucht hast!“ Eine gan ze Ewig keit tat er nichts an de res als Star ren, bis der See wie der spie gel glatt und ru hig da lag wie kurz vor dem Mor gen grau en. Sei ne Bei ne wa ren bis zu den Hüf ten taub, als er sich end lich um dreh te. Er strau chel te, aber dies-mal war er vor be rei tet; er hat te es nicht an ders er war tet. Er fi ng den Sturz ab. Das eis kal te Was ser des Sees schwapp te über sei ne Brust, ließ ihm das Mark ge frie ren. Doch das Feu er in ihm brann te und wärm te ihn. Er war Te rence Mac Dou gall, Ja nes Mann und jetzt An-drews Va ter. Woll te er sich an dem mes sen, was der Rest der Welt als Er folg de fi nier te, war er ein Ver lie rer. Er war ein Trun ken bold, ein ein fa cher Fi scher und ein Boots füh rer für Tou ris ten, ein ganz an nehm ba rer Ge schich ten er zäh ler und ein Kom po nist von ker ni gen Trink lie dern. Und er war der Mann, der so eben Zeu ge ei nes Wun ders ge wor den war. Auf al len vie ren kroch er an Land zu rück. Mas sier te und schlug ge gen sei ne Bei ne, bis das Ge fühl in sie zu rück-kehr te. Dann rap pel te er sich wan kend auf und steu er te auf die Bie gung zu, hin ter der das klei ne Cot ta ge lag, das schon seit dem ers ten Tag sei nes Le bens sein Zu hau se war. Kurz vor der Stel le, wo Bäu me die Sicht auf den See ver sperr ten, dreh te er sich noch ein mal um. Sei ne Stim me beb te. „Leb wohl, Dar ling!“ Er be kam kei ne Ant wort, aber Te rence hat te auch nicht da mit ge rech net. Wun der spra chen nicht, sie er schie nen

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auch kein zwei tes Mal. Den Rest sei nes Le bens wür de er von der Kraft die ses ei nen Wun ders zeh ren. Und er wür de sei nem Sohn al les über Wun der bei brin gen. „Leb wohl, Dar ling! Und ver giss nicht: Der Name des Jun gen ist An drew! Nur, da mit du es weißt, wenn ihr euch be geg net. Un ser An drew wird ein gu ter Jun ge wer den, das ver spre che ich. Ein wirk lich gu ter Jun ge.“ Nicht ein mal ein Was ser ring folg te als Ant wort, doch Te rence wuss te, dass sein Dar ling ihn ge hört hat te. Sei-nen Hut hat te er eben falls ir gend wo auf dem Weg ver lo-ren, wahr schein lich zu sam men mit den Schu hen. Den noch tipp te er sich an den nicht mehr vor han de nen Hut rand, be-vor er hin ter den Bäu men ver schwand.

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1. KA PI TEL

In ei nem Land, gar nicht so weit weg, in ei nem See, des sen Was ser so tief sind, dass sie an den Kern der Erde schwap pen, leb te einst ein jun ges Dra chen mäd-chen na mens Star dust. Das mag ein selt sa mer Name für ei nen Dra chen sein, doch wenn die Ster ne ganz be son ders hell und strah lend über den Sere nity Lake fun keln, dann glit zern sie so, weil sie ih ren fei nen Ster nen staub an die We sen ab ge ben, die im See le ben. In ei ner sol chen Nacht wur de Star dust ge bo ren.

Fi ona Sin clair blick te durch die Luke hi nun ter auf den klei nen grü nen Fleck, der durch die bau schi-gen wei ßen Wol ken sicht bar wur de. Für je man-

den, der jetzt dort un ten stand und zum Him mel auf schau te, war das gro ße Flug zeug, in dem sie saß, nicht mehr als ein win zi ger Punkt in der Luft, ein sil ber ner Stern mit ten am Tag. In den fünf und zwan zig Jah ren ih res Le bens hat te sie oft Ge le gen heit ge habt, in den Him mel zu bli cken. Sie hat te mit of fe nen Au gen ge träumt und sich mit je dem vor bei fl ie-gen den Flug zeug ge wünscht, sie könn te selbst da rin sit zen. Man soll te im mer vor sich tig sein mit sei nen Wün schen. Zu ge ge ben, das war ein Kli schee, aber in ih rem Fal le war es wahr ge wor den. „Hast du eine klei ne Toch ter?“ Fi ona wand te den Kopf zu dem dun kel haa ri gen Mäd-chen, das in dem Sitz auf der an de ren Sei te des Gan ges ne ben ihr saß. Sie hat te die Klei ne vor her gar nicht rich-tig wahr ge nom men. Ei gent lich hat te sie kaum et was wahr-ge nom men, seit sie an Bord ge gan gen war, au ßer der ste tig wach sen den Angst in ihr. Jetzt zwang sie sich zu ei nem Lä-cheln. „Nein.“

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„Für wen ist das dann?“ Das Mäd chen, in ei nem ro-ten Rock, ro ter Strumpf ho se und ro tem T-Shirt mit auf ge-druck ten sil ber nen und gol de nen Krei seln, deu te te auf das Buch auf Fio nas Schoß. „Für mei ne Nich te. Sie heißt Ap ril und ist acht Jah re alt. Wie alt bist du denn?“ „Oh, viel äl ter.“ Das Mäd chen seufz te wie je mand, dem das Leid der Welt auf den Schul tern lag. „Ich bin schon fast zehn.“ Fi ona nick te ernst. „Dann bist du wohl viel zu alt für Mär chen bü cher, oder?“ „Oh ja! Aber ich habe alle Star dust-Bü cher ge le sen, als ich noch klein war.“ Also ges tern, dach te Fi ona sich. „Und? Wie ha ben sie dir ge fal len? Meinst du, ich habe eine gute Wahl für Ap ril ge-trof fen?“ „Ich glau be, sie wird es ganz okay fi n den. Ist das da ein neu es?“ So so, ganz okay. Ein Rie sen lob, das höchs te über haupt. Fi ona über rasch te sich selbst da mit, dass sie jetzt ehr lich lä-chel te. Da bei dach te sie, sie hät te je des ech te Lä cheln auf dem si che ren Erd bo den zu rück ge las sen. „Ja, das ist das neu-es te Buch.“ Um ge nau zu sein, es war so neu, dass es noch nicht im Han del er hält lich war. Fi ona war die Au to rin der Bü cher. Vor hin erst, ge ra de, als sie aus dem Haus ge hen woll te, um zum Flug ha fen zu fah ren, wa ren ihr die ers ten Exemp la re frisch aus der Dru cke rei ge lie fert wor den. Das Mäd chen lehn te sich weit he rü ber und schau te mit zu sam men ge knif fe nen Au gen auf den Buch de ckel. „Sieht aus, als hät te Star dust ei nen Freund ge fun den.“ „Ich ver mu te, sie hat sich end lich ent schie den, auf die an-de re Sei te des Sees zu schwim men und nach zu se hen, ob dort nicht noch eine an de re Fa mi lie von Was ser dra chen lebt.“

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„Aber sie hat te doch im mer sol che Angst, ihre Höh le zu ver las sen! Sie hat te Angst da vor, ir gend wo an ders hin zu-schwim men.“ Wort los reich te Fi ona dem Mäd chen das Buch, und die Klei ne nahm es auf ge regt ent ge gen. Erst nach dem es die ers te Sei te ver schlun gen hat te, hob es wie der den Kopf, an-ge strengt be müht, ganz schreck lich ge lang weilt zu wir ken. „Ich lese es schnell und sage dir dann, ob es gut ist oder nicht.“ „Ein ver stan den. Ich weiß, du wirst mir dei ne ehr li che Mei nung sa gen.“ Fi ona lehn te sich zu rück und schloss die Au gen. Es gab vie le Wege für die Dra chen, ans ge gen über lie-gen de Ende des gro ßen Was sers zu ge lan gen. Und so vie le ver schie de ne Ar ten. Schwim men war nur eine da von. Ne ben sich, auf der an de ren Sei te des Gan ges, hör te Fi-ona ein Ki chern und das Ra scheln ei ner um ge schla ge nen Buch sei te. Und sie frag te sich das, was sie sich in je der Mi-nu te ge fragt hat te – seit dem Tag, an dem sie mit der Pla-nung für ihre Flucht be gon nen hat te: näm lich wie sie mit der Welt jen seits ih rer Höh le fer tig wer den wür de.

Es war nicht An drews Schuld, dass sei ne Klei der nach Rauch ro chen. Un ter sei nen Fin ger nä geln saß ein schwar-zer Asche rand, sei ne Hän de zit ter ten. Mehr mals hat te er sie in dem Haus ne ben der Un fall stel le ge schrubbt, trotz der wun den Haut. Hat te sie mit der Rei ni gungs pas te ab-ge rie ben, die an geb lich al les ent fern te, wahr schein lich ein-schließ lich der obers ten Haut schicht. Doch die Asche und die Brand bla sen wür den sich mit Si cher heit noch eine gan ze Wei le hal ten. Ge nau wie die Bil der in sei nem Kopf. Er war nie mand, der sich leicht aus der Ruhe brin gen

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ließ. Seit sei nem U ni ver si täts exa men ar bei te te er auf Öl-platt for men in der Nord see, und er hat te mehr als ge nug Ka tast ro phen mit er lebt. In sei ner Zeit als Tau cher hat te er den Leich nam ei nes Kol le gen ge fun den, ein ge quetscht zwi-schen zwei Öl lei tun gen, für im mer ein ge gan gen ins Reich des Kla bau ter manns. Als In ge ni eur auf der Bohr in sel hat te er hilfl os mit an se hen müs sen, wie ein Nor we ger, ein Bär von ei nem Mann, von ei nem Neun zig-Kno ten-Or kan von der Platt form di rekt nach Wal hal la ge weht wor den war. Er hat te sich als Frei wil li ger zu Ret tungs mis si o nen an Land und zu Was ser ge mel det und sich nie mals ge drückt, wenn er zum Ein satz ge ru fen wor den war. Doch die Tra gö die, die er heu te Nach mit tag mit er lebt hat te, ließ ihn sich wün schen, er könn te am Stra ßen rand an-hal ten und ein fach die Trä nen lau fen las sen. Nun, er konn te den Wa gen nicht an den Stra ßen rand len-ken. Er war schon viel zu spät dran. Er hat te Dun can Sin-clair ver spro chen, Fi ona, sei ne Schwes ter, nicht am Prest-wick Air port war ten zu las sen. Ihm war die Ver ant wor tung für Fio nas Si cher heit über tra gen wor den. Die zar te, scheue Fi ona, die nur sel ten ihr Heim in New York ver ließ. Fi ona, die mit fünf und zwan zig eine Rei se an trat, die sie gleich wie-der nach Hau se füh ren könn te, wenn An drew nicht bald am Flug ha fen auf tauch te. Für je man den, der in Eile war, fuhr er ge ra de zu lä cher-lich lang sam. In der letz ten Stun de hat te die Ta cho na del nicht ein mal die er laub te Ge schwin dig keit an ge zeigt. Je-des Mal, wenn An drew das Gas pe dal tie fer durch drück te, blitz ten so fort Bil der von zer fetz tem Me tall und schwar zen qual men den Rauch wol ken vor sei nem geis ti gen Auge auf. Und er hör te das Wei nen ei nes Kin des. Im mer hin pass te der rest li che Ver kehr sich sei nem Schleich tem po an, als er sich Prest wick nä her te. Jetzt konn te

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er nichts an de res mehr tun, als sich für die Aus fahrt ein zu-ord nen und der Schlan ge bis zum Flug ha fen park platz zu fol-gen. Als er die Wa gen tür ab schloss und auf das An kunfts ter-mi nal zu rann te, stand Fio nas Ma schi ne schon seit über ei ner Stun de auf dem Bo den. Prest wick war ein Irr gar ten aus Schal tern und War te zo-nen. Er über fl og die gro ßen An zei ge ta feln. Er war so spät, dass der Flug nicht ein mal mehr auf ge lis tet war. In ei ner end lo sen Schlan ge war te te er am In for ma ti ons schal ter, um he raus zu fi n den, zu wel chem Gate er muss te, dann joggte er im Zick zack durch Men schen men gen in Sa ris und mit Tur ba nen, in kor rek ten An zü gen und dürf ti ger Ur laubs gar-de ro be. Ei nen Teen ager mit grü nem Haar, das sich gräss-lich mit dem ka rier ten Mus ter des Kilts und den knie ho hen Cow boy stie feln biss, frag te er nach dem Weg. Der jun ge Mann zeig te in die Rich tung, und im glei chen Au gen blick sah An drew auch schon die Frau, die al lein in der ent fern-tes ten Ecke des Gates saß. An drew blieb reg los ste hen und schau te sie an. Das letz te Mal hat ten sie sich ge se hen, da war Fi ona drei und er acht ge we sen. Sie war die klei ne Schwes ter, die er nie ge-habt hat te, die Schwes ter, die ihm durch eine Tra gö die und gleich gül ti ge Er wach se ne ent ris sen wor den war. Über die Jah re hat te er im mer wie der ein mal ver sucht sich vor zu stel-len, wie sie auf wuchs. Durch Dun can hat te er ihre Ent wick-lung mit ver fol gen kön nen, hat te auch ab und zu ein Foto zu se hen be kom men. Doch nichts da von hat te ihn wirk lich vor be rei ten kön nen. Nichts. Fi ona sah auf, und ihre Bli cke tra fen sich. Von Po esie hielt er nicht un be dingt viel. Gold war Gold, und Braun war Braun. Doch wäh rend er auf sie zu ging, er kann te er, dass sich in Fio nas Au gen die se bei den Far ben auf ein zig ar-

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ti ge Wei se ver ei nig ten – strah len der Son nen schein und bern-stein far be nes Mond licht. Sie blick te ihm ent ge gen. Blan ke Ner vo si tät stand ihr ins Ge sicht ge schrie ben. „An drew?“ „Aye.“ Er ver lang sam te sei ne Schrit te, nä her te sich ihr vor sich tig, wie man sich ei nem scheu en wil den Tier nä hern wür de. „Aye, ich bin An drew. Und un end lich froh, dass du noch hier bist, Fi ona.“ Ihre Lip pen ver zo gen sich zu ei nem ge zwun ge nen Lä-cheln. Sie sprach die Wor te sto ckend aus, so als müs se sie jede ein zel ne Sil be hin aus pres sen. „Wo hät te ich denn hin-ge hen sol len?“ Be dacht sam setz te er sich ne ben sie. Sie wa ren al lein am Gate; eine An zei gen ta fel in for mier te da rü ber, dass die nächs te Ma schi ne hier erst in zwei Stun den ab fl ie gen wür de. „Ich habe fast be fürch tet, dass du auf dem Ab satz kehrt ma-chen und dich in die nächs te Ma schi ne set zen wür dest, die zu rück fl iegt.“ Sie wand te das Ge sicht ab, bot ihm den Blick auf ein Pro fi l mit Stups na se und ei ner Lo cken mäh ne röt lich-gol de-nen Haars. „Ich habe mit dem Ge dan ken ge spielt. Aber es ist eine wei te Rei se.“ „Ich bin recht zei tig los ge fah ren, mit viel Spiel raum. Ehr-lich. Aber dann war da die ser Un fall …“ Er woll te nicht da-rü ber re den. Die Lo cken pracht wir bel te durch die Luft. „Oh, das tut mir leid! Ist al les in Ord nung mit dir? Bist du ver letzt?“ „Nein. Ich kam hin, als es schon pas siert war.“ „Also war die Stra ße blo ckiert?“ Das war das We nigs te ge we sen. „Aye.“ „Weißt du, ob …? Ist je mand …?“ „Es war ein schlim mer Un fall.“ Er sah auf sei ne Hän de hi nun ter, rot vom Schrub ben, über sät mit Brand bla sen und

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Asche par ti keln. Er ver schränk te sie hin ter dem Rü cken, da-mit er sie nicht län ger an se hen und sich an die Bil der er in nern muss te. „Also, er zähl … Wie war der Flug? Al les glatt ge gan-gen? Ha ben sie dich auf der lan gen Rei se an stän dig ver sorgt?“ „Ich habe nichts ge ges sen.“ „Wa rum nicht?“ „Weil mir das Herz im Hals fest steck te und kei nen Platz für ir gend et was an de res üb rig ge las sen hat.“ Er über rasch te sich selbst da mit, dass er lach te. Hät te er vor her da rü ber nach ge dacht, hät te er es nicht ge wagt. Da-bei wuss te er, dass Fi ona es tod ernst mein te. Der Flug hat te sie wahr schein lich je des Fünk chen Mut ge kos tet, das sie zu-sam men klau ben konn te. Sein La chen ent lock te ihr ein Lä-cheln. Die ses Mal ein ech tes Lä cheln, ei nes, das ihn an die Mona Lisa den ken ließ. „Ich weiß, es klingt lus tig.“ Sie ver zog das Ge sicht, Som mer spros sen tanz ten über ihre Nase und Wan gen. „Ich fürch te, du wirst fest stel len, dass ich ein un er schöpfl i cher Quell an Be lus ti gung bin.“ „Be stimmt nicht.“ Er er nüch ter te schnell. „Habe ich dir schon ge sagt, wie froh ich bin, dich zu se hen?“ „Tat säch lich?“ „Du hast dich ver än dert, bist ein gu tes Stück ge wach sen. Aber du bist im mer noch un se re Fi ona.“ „Bin ich das?“ Sie zuck te mit den Schul tern. Die Be we-gung ließ den Kra gen ih rer hoch ge schlos se nen, lang är me li gen Blu se an ih rem Hals hi nauf rut schen, be vor er wie der hi nun-ter glitt. Erst in die sem Mo ment fi e len An drew die Nar ben auf, die der Kra gen und ihr Haar bis her ver bor gen hat ten. Sein Blick wan der te be wusst läs sig zu rück zu ih rem Ge-sicht. „Aye. Will kom men zu Hau se, Dar ling! Es ist lan ge her.“ Far be zog in ihre Wan gen, ein hel les Apri cot, das ih rem

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zar ten Teint ei nen wun der ba ren Ton ver lieh. „Viel leicht nicht lan ge ge nug.“ Er fass te nach ih rer Hand. Wie sein Va ter war auch er ein Mann, der kei ne Angst vor Kör per kon takt hat te. Wel-che Feh ler Te rence Mac Dou gall auch im mer ge habt ha ben moch te, er hat te sei nem Sohn bei ge bracht, dass in herz li-chen und war men Be rüh run gen nichts Fal sches lag. An-drew ver schränk te sei ne kräf ti gen asche schwar zen Fin ger mit Fio nas schlan ken und ig no rier te es, dass sie ihm ihre Hand ent zie hen woll te. Ihre Haut war ge nau so weich, wie er es sich vor ge stellt hat te. Ihre Fin ger zit ter ten. „Viel zu lan ge“, be kräf tig te er. „Du ge hörst hier her, Fi-ona! Das wird im mer so sein. Du hast hier mehr Fa mi lie als nur Dun can, Mara und Ap ril. Da sind auch noch Iain und ich, und Iains Frau Bil lie. Es gibt nichts, was wir nicht für dich tun wür den.“ „Das ist wirk lich sehr nett, aber …“ Er drück te ihre Fin ger, be vor er sie frei gab. „Jetzt wer-den wir erst ein mal et was zu es sen für dich be sor gen, be-vor wir uns auf den Weg zu rück nach Druid heachd ma chen. Hast du Dun can schon Be scheid ge ge ben, dass du an ge-kom men bist?“ „Ich habe ihn an ge ru fen. Er hat mir er zählt, dass er heu te nicht aus dem Ho tel weg kann und du dich be reit er klärt hast, mich ab zu ho len. Und dass du ein Mann bist, der im-mer Wort hält.“ Un ter Wim pern mit gol de nen Spit zen her-vor schau te sie ihn an. „Auch wenn es manch mal et was län-ger dau ern kann.“ Wie der lach te er. „Da hat er recht. Komm, ge hen wir ir-gend wo es sen. Ich wer de ihn an ru fen und ihm al les er klä-ren.“ Er stand auf. Sie woll te pro tes tie ren, doch er ließ es nicht zu. „Was ist mit dei nem Ge päck?“

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„Der Mann bei der Ge päck aus ga be hat ver spro chen, auf mei ne Kof fer auf zu pas sen. Ich habe ihm mein Ti cket da ge-las sen.“ „Fein, dann es sen wir erst.“ Sie er hob sich eben falls. „Ich kann gut noch war ten, An-drew.“ „Dann be sitzt du mehr Selbst dis zip lin als ich.“ Die Hand an ih rem Ell bo gen, steu er te er sie durch die Men-schen men ge, als hät te er sein Leb tag nichts an de res ge tan. Die Ges te schien sie zu über ra schen, doch sie ver such te nicht, den Arm zu rück zu zie hen. „Ich habe da hin ten ein Café ge se hen, das auch Sand wich es an bie tet. Reicht dir das für den Mo ment?“ „Das ist mehr als ge nug, ja.“ Er ging lang sam, ach te te da rauf, sei ne lan gen Schrit te klei ner zu hal ten. Dun can hat te ihm ir gend wann er zählt, dass Fi ona hum pel te. Jetzt be merk te er den klei nen, höchst fe mi ni nen Hüft schlen ker, wenn sie den rech ten Fuß vor-setz te, doch das war bei Wei tem nicht das, was er er war-tet hat te. Sie war da durch nur un merk lich lang sa mer. Ohne gro ße Mühe pass te er sich an. Er mach te Kon ver sa ti on, nicht nur, da mit sie sich woh ler fühl te, son dern auch, um die Bil der des Un falls aus sei nem Kopf zu ver trei ben. „Hast du im Flug zeug ge schla fen?“ „Nicht eine ein zi ge Mi nu te.“ „Ich weiß, das Herz steck te dir in der Keh le, aber … was hat dei ne Au gen da von ab ge hal ten, sich zu schlie ßen?“ „Ich habe sie mit den Fin gern of fen ge hal ten. Ich woll te auf kei nen Fall schla fen, wenn wir ab stür zen.“ Er stöhn te. „Mir ging es ge nau so, als ich zum ers ten Mal ge fl o gen bin.“ „Das glau be ich dir nicht.“ „Es ist wahr. Nur habe ich da in ei nem He li kop ter ge-

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ses sen, auf dem Flug zu der Öl platt form, auf der ich mei-nen al ler ers ten Job an trat. Von ei nem Tau cher er war tet man, dass er kei ne Angst kennt, schließ lich hängt der Job da von ab. Um mich ab zu len ken, habe ich ge pfi f fen, so laut ich nur konn te. Bis der Typ ne ben mir ge droht hat, mir die Zäh ne aus zu schla gen, wenn ich nicht end lich mit dem Ge pfei fe auf hö re.“ „Ohne Zäh ne lässt es sich nicht gut pfei fen.“ Er war be reits be zau bert von der ernst haf ten Art, mit der sie scherz te. Viel Selbst si cher heit be saß sie nicht, aber sie war lan ge nicht so scheu und ver schlos sen, wie er es sich aus ge malt hat te. Nach al lem, was er ge hört hat te, war er da-von aus ge gan gen, eine Frau an zu tref fen, die ihm nicht ins Ge sicht schau en konn te, son dern die Au gen fest auf den Bo den ge rich tet hielt. Doch die Frau an sei ner Sei te schau te sich leb haft in te res siert al les und je den an, wäh rend sie auf das Bist ro zu steu er ten. Sie hielt sich eng ne ben ihm, so als wäre sie froh um sei ne rei ne mas ku li ne Prä senz, und saug te je des De tail des Flug ha fens in sich ein. „Das ist es.“ Er ließ ih ren Ell bo gen los und zog die Tür auf. „Hier drin nen ist es ru hig und ge müt lich. Du isst ei nen Hap pen und ruhst dich ein we nig aus, be vor wir zu rück fah-ren.“ In der Nähe der Tür stand ein frei er Tisch, den An drew wähl te. So konn te Fi ona durch die Glas schei be das vor bei-zie hen de Ge sche hen mit ver fol gen. Sie setz te sich mit ei nem in brüns ti gen Seuf zer, so als hät te sie auf dem Stuhl ihr fes-tes Zu hau se ge fun den. Ihre Au gen blick ten dank bar drein, doch die Lip pen hielt sie zu ei ner an ge streng ten schma len Li nie zu sam men ge presst. Zum ers ten Mal ahn te An drew, wel che Kraft die Ent schei dung, nach Schott land zu rück zu-keh ren, ihr ab ver langt hat te. „Wenn du erst et was im Ma gen hast, kannst du dich

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der Welt stel len.“ Er wink te der grau haa ri gen Frau mit der wei ßen Schür ze zu, die vorn an den Tre sen ge lehnt stand. Nach dem sie sich erst Mil li me ter um Mil li me ter auf ge rich-tet hat te, schlurf te sie auf den Tisch mit den neu en Gäs ten zu. Ser vice wur de hier of fen sicht lich nicht be son ders groß-ge schrie ben. An drew frag te sich, wie vie le Flü ge wohl ver-passt wor den wa ren, weil je mand hier auf eine Tas se Kaf fee ge war tet hat te. „Weißt du schon, was du möch test? Sieht aus, als hät test du ge nü gend Zeit, um dich zu ent schei den.“ „Eine Sup pe, wenn sie so et was hier an bie ten.“ Sie ei nig ten sich auf Rind fl eisch sup pe mit Grau pen und be stell ten eine gro ße Kan ne Tee dazu. An drew plan te ernst-haft, min des tens sechs Stü cke Zu cker in Fio nas Tas se zu schmug geln. Am liebs ten hät te er auch noch ei nen kräf ti gen Schuss Whis ky hin zu ge fügt. Fi ona sprach erst, als die Be die nung wie der da von ge-schlurft war. „Weißt du ei gent lich, dass dei ne Hand blu tet?“ Er sah hi nun ter auf sei ne Hän de. Sie brann ten, er konn te den Puls po chen füh len, aber das war kein Wun der. Den Schmerz hat te er bis her ig no riert – ein un ver gleich lich ge-rin ger Preis an ge sichts der mensch li chen Tra gö die, de ren Zeu ge er ge wor den war. Jetzt erst sah er, dass die Haut an sei nem rech ten Hand bal len kom plett ab ge schürft und die Hand ge schwol len war. Und er sah das Blut. „Tut mir leid. Hast du was ab be kom men?“ „Kei ne Ah nung, aber da rum geht es doch auch gar nicht, oder?“ Sie nahm ihre Ser vi et te und tunk te sie in die Was ser-ka raf fe, die man auf den Tisch ge stellt hat te. Dann tupf te sie da mit vor sich tig über sei ne Hand. Sanft. Sanf ter, als je je-mand ihn be rührt hat te. Bis zu die ser schlich ten Ges te war es ihm gut ge gan gen. Es war ihm gut ge gan gen, aber jetzt plötz lich tat es das nicht mehr, alles hatte sich geändert.

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Er stand auf und wuss te nicht, wie er es er klä ren soll te. Was er er klä ren soll te. „Ich rufe eben Dun can an. Kommst du zu recht?“ „Ja, na tür lich, geh nur.“ Sie wirk te, als wol le sie noch et-was hin zu fü gen, doch glück li cher wei se tat sie es nicht. Er muss te ein gan zes Stück lau fen, be vor er ei nen Münz-fern spre cher fand. Das war ihm ei gent lich ganz recht; Fi ona brauch te nicht zu hö ren, was er Dun can zu sa gen hat te. Mit dem Rü cken zu den vor bei ei len den Pas sa gie ren war te te er auf die Ver bin dung, den Te le fon hö rer an das eine Ohr ge-presst, die freie Hand auf dem an de ren. Als Dun can sich mel de te, ver schwen de te er kei ne Zeit. „Fi ona geht es gut, Dunc. Wir es sen noch ei nen Hap pen, be vor wir uns auf den Rück weg ma chen. Wir sind bald zu Hau se.“ Er lausch te den är ger li chen Vor wür fen am an de ren Ende der Lei tung und war te te, bis Dunc ans Wut sich ent la den hat te. Nach dem Dun can sich be ru higt hat te, setz te An drew wie der an. „Es gab eine Ka ram bo la ge auf der A82. Drei Au-tos ha ben sich in ei nan der ver keilt. Ich war als Ers ter am Un fall ort. Ei ner der Wa gen ist in Flam men auf ge gan gen. Es sa ßen noch Men schen da rin, Dun can.“ Er konn te plötz lich nicht mehr wei ter spre chen. Bis zu dem Mo ment, da Fi ona sei ne Hand ver sorgt hat te, war es ihm ge lun gen, die schreck lichs ten Bil der des Un falls ir gend-wie aus zu blen den. Jetzt, da er nicht mehr in ih rer Nähe war, lie fen sie wie der vor ihm ab, das gan ze Hor ror sze na rio. Er schluck te. Ein mal, zwei mal. Und konn te noch im mer nicht re den. „An drew, das tut mir ehr lich leid.“ In Dunc ans Stim me schwang ech tes Be dau ern und auch das schlech te Ge wis sen mit. „Wa rum hast du das nicht gleich ge sagt? Ich hät te wis-sen sol len, dass es ei nen gu ten Grund ge ben muss, wenn du

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dich ver spä test und Fi ona war ten lässt.“ „Ich wäre über haupt nicht her ge kom men, wenn es nicht Fi ona ge we sen wäre, die hier war tet.“ „Hast du es ihr ge sagt?“ „Nicht die De tails. Gro ßer Gott, nein! Da saß ein klei-nes Mäd chen in dem Wa gen, Dun can, zu sam men mit ih ren El tern. Das Mäd chen habe ich aus den Flam men ret ten kön-nen, aber nicht seine El tern. Sie sind … sie sind nicht mehr un ter uns.“ „Geht es dem Mäd chen gut?“ „Nein.“ An drew fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Man hat sie nach Glas gow ge bracht, in die Kli nik mit der Spe zi al ab tei lung für Brand op fer. Die sel be Kli nik, in der Fi-ona war …“ Auch Dun can schwieg jetzt. „Was hät te ich Fi ona sa gen sol len?“, frag te An drew auf-ge wühlt. „Was denn nur?“ Er fühl te eine Hand auf sei ner Schul ter, den sanf ten Druck ei ner Frau en hand. Er dreh te sich um und blick te di-rekt in Fio nas Au gen. „Die Wahr heit hät test du ihr sa gen sol len.“ Ihr Blick war ein ein zi ger glü hen der Vor wurf. „Mit ge nau den glei chen Wor ten, in de nen du es ge ra de ih rem Bru der am Telefon ge-schil dert hast.“

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2. KA PI TEL

Ich woll te dich nicht auf re gen“, sag te An drew, als sie schließ lich Rich tung Druid heachd fuh ren. „Dein ers ter Tag zu rück in Schott land soll te dich

nicht so fort an dei ne ei ge ne Zeit im Kran ken haus er in nern.“ „Die se Zeit wer de ich nie ver ges sen, ganz gleich, was du sagst oder nicht sagst. Ich bin prak tisch in Kran ken häu sern auf ge wach sen.“ Aber ob sie wirk lich er wach sen ge wor den war … Sie war sich des sen kei nes falls si cher. „So zu tun, als wäre ich nie im Kran ken haus ge we sen, hilft mir nicht. Um die Wahr heit he rum zu schlei chen, hilft mir auch nicht.“ „Willst du etwa wirk lich al les hö ren?“ Fi ona be trach te te An drews Pro fi l. Ne ben sei nem Kopf fl og die Land stra ße vor bei. Sie dach te über sei ne Fra ge nach. Nach sei nem Telefonat mit Dun can hat te kei ner von ih nen bei den mehr Lust ge habt, et was zu es sen. Sie hat ten nur Fio nas Ge päck ab ge holt und sich auf den Weg ge macht. Doch bis zu die sem Mo ment hat ten sie ei gent lich nicht wirk lich mit ei nan der ge re det. Ihre Er in ne run gen an An drew wa ren nur vage und kind-lich. Feu er ro tes Haar. Schul tern, auf de nen sie ge ses sen hat te, Schul tern, die brei ter ge we sen wa ren als Dunc ans, aber lan ge nicht so schwin delnd hoch wie die ih res Va ters. Ein fröh li-ches lau tes La chen. Ein über mü ti ges brei tes Grin sen. Und Ge schich ten, so vie le, eine nach der an de ren. Die ser Jun ge, der Held ih rer Kind heit, war jetzt ein Mann. Und was für ein Mann! Die stäm mi gen Kin der schul-tern von frü her wa ren breit wie ein Och sen joch, das einst leuch tend rote Haar schim mer te in ei nem war men Kas ta ni-en ton. Sei ne Hän de – in zwi schen ver stand sie auch end lich, wie so sie blu te ten – wa ren rie sig. An drew war al les, was sie nicht war: kühn, stark, furcht los. Er war der Typ Mann, vor

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dem sie sich im mer am meis ten ge fürch tet hat te. Sie blick te stur ge ra de aus aus dem Fens ter. „Ich den ke, du soll test es mir er zäh len. Ja, al les.“ Also be gann er, doch man merk te ihm an, wie un wohl ihm da bei war. „Ich bin früh los ge fah ren. Ich woll te nicht, dass du auf mich war ten musst. Ich wuss te doch …“ Sie er spar te ihm eine ge nau ere Er klä rung. Er hat te ge-wusst, wie viel Angst sie hat te, nach Schott land zu rück zu-keh ren. Angst vor Din gen, die je der an de re als völ lig nor-mal an sah. „Dan ke.“ „Es ist so lan ge her, seit du hier warst“, fuhr er fort. „Wahr schein lich er in nerst du dich nicht mehr an die Stra-ßen in der Nähe des Dorfs. Sie sind noch ge nau wie da mals, als du noch ein klei nes Mäd chen warst, ge nauso schmal, kur vig und ge fähr lich wie zu Zei ten un se rer Groß el tern. Ach was, zu Zei ten ih rer Groß el tern.“ „Und wenn man auf ih nen nur halb so schnell fährt, wie du über die se Stra ße braust, sind die Pro ble me vor pro gram-miert.“ Er nahm so fort den Fuß vom Gas. „Nor ma ler wei se fah re ich dop pelt so schnell.“ „Viel leicht kommt es mir nur schnell vor, weil du auf der fal schen Stra ßen sei te fährst.“ Als er sie fra gend an sah, zwang sie sich zu ei nem Lä cheln. Er um klam mer te das Steu er fes ter. „So früh am Mor gen sind nie vie le Au tos un ter wegs. Ich hat te mir schon über-legt, wie ich am Flug ha fen die Zeit tot schla gen wür de – mei-ner Be rech nung nach wäre mir eine gute Stun de ge blie ben, be vor du lan den soll test. Also be schloss ich, den län ge-ren Weg zu neh men. Die Land schaft ist da ma le ri scher, ich dach te, es wäre eine ganz net te Art, um die Zeit zu ver brin-gen. Ich war ge ra de auf frei er Stre cke zwi schen zwei Dör-fern in den Ber gen, als ich Rauch hin ter den Hü geln auf-

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stei gen sah. Erst dach te ich, da brennt je mand Moor strei fen ab – jetzt ist die ge nau rich ti ge Zeit da für. Man che hier tun das, um das Wachs tum des Un ter hol zes zu för dern, da mit sich mehr Wild an sie delt. Ich dach te noch, dass es in te res-sant sein könn te, sich das an zu se hen.“ „Ich wünsch te, es wäre so harm los ge we sen“, sag te Fi-ona, und an sei ner Mie ne er kann te sie, dass er den glei chen Wunsch hat te. „Als ich um die Bie gung kam, wur de der Rauch dich ter. Vor mir konn te ich die Au tos se hen, ich dach te, sie wä ren eben falls ste hen ge blie ben, um sich das Feu er an zu se hen. Dann je doch wur de mir jäh klar, dass das Feu er von den Au tos kam. Es war ein Auf fahr un fall, aber was ge nau pas-siert ist, weiß ich nicht. Ich kann nicht sa gen, wer auf wen auf ge prallt ist oder wer aus wel cher Rich tung ge kom men ist. Die Stra ße ist dort sehr steil. Viel leicht ha ben an ei nem Wa gen die Brem sen ver sagt. Viel leicht hat je mand über re a-giert. Ich weiß nur, dass die drei Au tos quer auf der Stra ße stan den, zwei da von so eng zu sam men wie auf dem Fab rik-fl ieß band. Ich bin so nahe he ran ge fah ren, wie ich es wag te. Mit je der Se kun de stieg mehr und mehr Rauch auf, ich hat te Angst, je den Mo ment könn te es eine Ex plo si on ge ben. Ich stell te mei nen Wa gen am Stra ßen rand ab und rann te los …“ Fi ona saß schwei gend da. An drew war ein viel zu gu ter Ge schich ten er zäh ler. Sie konn te sich die Sze ne ge nau es tens vor stel len. Sie dräng te ihn nicht, wei ter zu re den, sie wuss te, dass er mit sei nen Ge füh len kämpf te. Er ver such te, sie zu zü geln, weil er ihr sein Ent set zen er spa ren woll te. Doch das Ent set zen ließ sich nicht be schö ni gen. Er sprach jetzt has ti ger, so als woll te er es schnell hin ter sich brin gen. „Im ers ten Wa gen saß ein Mann im An zug, über dem Lenk rad zu sam men ge sun ken. Er hat te am we nigs ten ab be kom men. Als ich hi nein schau te, hob der Mann den

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