projektmanagement in der prävention und gesundheitsförderung · aus der gesundheitsförderung und...

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Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung Grundlegende Ansätze, spezifische Herausforderungen, praktische Empfehlungen Thomas Rosenthal Inhalt 1 Einleitung ................................................................................................ 1 2 Grundlegende Aspekte des Projektmanagements .................................................... 2 2.1 Projekte und Projektmanagement ........................................................................ 2 2.2 Projektkultur und Projekterfolg .......................................................................... 2 2.3 Projektablauf und Projektmodelle ....................................................................... 3 2.4 Projektleitung und Projektaufgaben ..................................................................... 6 3 Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung ............................... 9 3.1 Konzeptionelle Ansätze und theoretische Verortung .................................................... 9 3.2 Instrumente der Qualitätsentwicklung und Verfahren der Projektabwicklung .......................... 13 4 Zusammenfassung ...................................................................................... 20 Literatur ....................................................................................................... 20 1 Einleitung In Projekten werden zunehmend Aspekte der Qualität berücksichtigt, vermehrt Instrumente und Verfahren der Qua- litätssicherung bzw. der Qualitätsentwicklung eingesetzt oder das Projektmanagement insgesamt auf ein bestimmtes (ent- weder bereits vorhandenes oder noch zu etablierendes bzw. zu zertizierendes) Qualitätsmanagementsystem insbeson- dere bei Projekten in Organisationen ausgerichtet. Beim Projektmanagement in der Prävention und Gesund- heitsförderung sind einerseits die besonderen Anforderungen aus der Gesundheitsförderung und Prävention auf die Pro- jektarbeit und das Projektmanagement abzuleiten und zu berücksichtigen andererseits sind grundlegende Herausfor- derungen der Projektarbeit und des Projektmanagements auf den spezischen Gegenstand der Gesundheitsförderung und Prävention zu beziehen und anzuwenden. Darüber hinaus ist dies wiederum mit den Prinzipien einer guten Qualitätzu unterlegen. Der Beitrag geht zunächst auf die grundlegenden Facetten des Projektmanagements ein, stellt einerseits zentrale Pha- senmodelle bzw. die Schritte im Projektverlauf vor und geht andererseits auf die wesentlichen Aufgaben bzw. die Anfor- derungen in Hinblick auf die Projektplanung und Projekt- steuerung ein. Ein Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung hat die spezischen Herausforderun- gen zu berücksichtigen, die mit (projektbezogenen) Interven- tionen in diesem Feld verbunden sind dazu werden zu- nächst die konzeptionellen Ansätze bzw. die theoretischen Grundlagen der systemischen Projektdynamik und der inte- gralen Projektmethodik präsentiert. Im Rahmen der Entwick- lung hin zu einem speziellen Projektmanagement in der Prä- vention und Gesundheitsförderung wird auf das umfassende Modell der Qualitätsentwicklung bzw. das erprobte Verfahren der Projektabwicklung der Gesundheitsförderung Schweiz ein- gegangen diesbezüglich werden die praktikabel einsetzbaren Instrumente der Qualitätsentwicklung beim Projektmanage- ment in der Prävention und Gesundheitsförderung vorgestellt (Arbeitsinstrument, Qualitätsverfahren, Wirkungsmodell, Hand- lungsrahmen). T. Rosenthal (*) Institut für Gesundheitsmanagement, Diploma Hochschule, Elmshorn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Tiemann, M. Mohokum (Hrsg.), Prävention und Gesundheitsförderung, Springer Reference Pege Therapie Gesundheit, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55793-8_121-1 1

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Page 1: Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung · aus der Gesundheitsförderung und Prävention auf die Pro-jektarbeit und das Projektmanagement abzuleiten und zu

Projektmanagement in der Prävention undGesundheitsförderung

Grundlegende Ansätze, spezifische Herausforderungen,praktische Empfehlungen

Thomas Rosenthal

Inhalt1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2 Grundlegende Aspekte des Projektmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.1 Projekte und Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Projektkultur und Projekterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Projektablauf und Projektmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.4 Projektleitung und Projektaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3 Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93.1 Konzeptionelle Ansätze und theoretische Verortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93.2 Instrumente der Qualitätsentwicklung und Verfahren der Projektabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

1 Einleitung

In Projekten werden zunehmend Aspekte der Qualitätberücksichtigt, vermehrt Instrumente und Verfahren der Qua-litätssicherung bzw. der Qualitätsentwicklung eingesetzt oderdas Projektmanagement insgesamt auf ein bestimmtes (ent-weder bereits vorhandenes oder noch zu etablierendes bzw.zu zertifizierendes) Qualitätsmanagementsystem insbeson-dere bei Projekten in Organisationen ausgerichtet.

Beim Projektmanagement in der Prävention und Gesund-heitsförderung sind einerseits die besonderen Anforderungenaus der Gesundheitsförderung und Prävention auf die Pro-jektarbeit und das Projektmanagement abzuleiten und zuberücksichtigen – andererseits sind grundlegende Herausfor-derungen der Projektarbeit und des Projektmanagements aufden spezifischen Gegenstand der Gesundheitsförderung undPrävention zu beziehen und anzuwenden. Darüber hinaus istdies wiederum mit den Prinzipien einer „guten Qualität“ zuunterlegen.

Der Beitrag geht zunächst auf die grundlegenden Facettendes Projektmanagements ein, stellt einerseits zentrale Pha-senmodelle bzw. die Schritte im Projektverlauf vor und gehtandererseits auf die wesentlichen Aufgaben bzw. die Anfor-derungen in Hinblick auf die Projektplanung und Projekt-steuerung ein. Ein Projektmanagement in der Prävention undGesundheitsförderung hat die spezifischen Herausforderun-gen zu berücksichtigen, die mit (projektbezogenen) Interven-tionen in diesem Feld verbunden sind – dazu werden zu-nächst die konzeptionellen Ansätze bzw. die theoretischenGrundlagen der systemischen Projektdynamik und der inte-gralen Projektmethodik präsentiert. Im Rahmen der Entwick-lung hin zu einem speziellen Projektmanagement in der Prä-vention und Gesundheitsförderung wird auf das umfassendeModell der Qualitätsentwicklung bzw. das erprobte Verfahrender Projektabwicklung derGesundheitsförderung Schweiz ein-gegangen – diesbezüglich werden die praktikabel einsetzbarenInstrumente der Qualitätsentwicklung beim Projektmanage-ment in der Prävention und Gesundheitsförderung vorgestellt(Arbeitsinstrument, Qualitätsverfahren, Wirkungsmodell, Hand-lungsrahmen).

T. Rosenthal (*)Institut für Gesundheitsmanagement, Diploma Hochschule, Elmshorn,DeutschlandE-Mail: [email protected]

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020M. Tiemann, M. Mohokum (Hrsg.), Prävention und Gesundheitsförderung, Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit,https://doi.org/10.1007/978-3-662-55793-8_121-1

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2 Grundlegende Aspekte desProjektmanagements

Projekte entstehen nicht immer streng nach bestimmtenRegeln und planvoll geordneten Verfahren. Es gibt Anlässe,Ideen, Impulse, Umstände, Interessen, Motive, Konstellatio-nen und Kräfte, die eine wichtige Rolle spielen. Vor allemsind es Menschen, die aus all dem „Projekte“machen. Sie tundies in einem institutionellen bzw. organisationalen Kontext,in dem sie tätig sind und sich bewegen – sie „konstruieren“Projekte aus ganz unterschiedlichen Situationen und Er-eignissen heraus. Projekte sind soziale (von Menschengemachte) Inszenierungen, die in einem institutionellenbzw. organisatorischen Rahmen stattfinden und viele Farb-schattierungen bzw. Zwischentöne aufweisen (können).

2.1 Projekte und Projektmanagement

Es können verschiedene Anlässe und Gründe für das Einrich-ten von Projekten in der Praxis genannt werden:

• Projekte sind häufig, weil die Entwicklung von Wirt-schaft, Wissenschaft und Technik (gerade auch im Ge-sundheitswesen) diese Form der Bearbeitung von Proble-men nötig macht.

• Projekte sind populär, weil sie aufgrund einer ausgepräg-ten methodischen bzw. verfahrensmäßigen Orientierungallgemein anwendbar erscheinen.

• Projekte sind allgegenwärtig, weil sie Standard imUmgang mit neuen und schwierigen Herausforderungengeworden sind.

• Projekte sind modern, weil diese Form des Arbeitensheute als angemessen und zukunftsfähig erscheint.

Projektmanagement lässt sich beschreiben als die Gesamt-heit aller Aufgaben der Planung, Organisation, Führung,Steuerung und der Kontrolle eines Projektes:

• Projektmanagement übernimmt einerseits allgemeine(grundsätzliche) Aufgaben und Handlungsdimensionendes Managements und bezieht diese auf Projekte (Berück-sichtigung der grundlegenden Prinzipien und Vorgehens-weisen des Managements). Projektleitungen sollten daherauch mit den entsprechenden Kompetenzen (Befugnissen)ausgestattet werden.

• Projektmanagement beruht aufgrund der Ausdifferenzie-rung andererseits auf der Anwendung einer besonderen(speziellen)Managementmethode als instrumentelle Inno-vation (Anwendung der Netzplantechnik oder Implemen-tierung des agilen Projektmanagements).

Im Vordergrund steht beim Projektmanagement dasBestreben, systematisch und strukturiert, planvoll und kon-trolliert, dezentral und integrativ sowie kreativ und innovativan die jeweiligen Herausforderungen bzw. Aufgaben heran-zugehen.

2.2 Projektkultur und Projekterfolg

Projekte sind offenkundig nötig und ein gutes Instrument(von Institutionen bzw. Organisationen), um bestimmte Auf-gaben angemessen zu bearbeiten und innovativ bleiben zukönnen. Eine positive Projektkultur ist dabei ein Vorteil (füreine Institution bzw. Organisation).Was aber macht eine guteProjektkultur aus? Modernes Projektmanagement berück-sichtigt neben den methodischen Verfahren, den planerischenInstrumenten und der strikten Organisation mehr und mehrauch die (menschliche) soziale Seite. Projektarbeit und Pro-jektmanagement sind ein wesentlicher Teil der Kultur einerInstitution bzw. Organisation. Daher ist es wichtig, nicht nurauf technisch-organisatorische Gesichtspunkte zu achten,sondern auf die Kultur (einer Institution bzw. Organisation).

Kultur bezeichnet die Regeln, Werte, Sinnbilder und Leit-vorstellungen (Wofür stehen wir? Wie wird hier gearbeitet?)einer Institution bzw. Organisation – das kollektive Selbst-verständnis ist die zentrale Botschaft (vgl. Rosenthal 2013).Eine gute Projektkultur lässt sich dadurch kennzeichnen, dassdie Beteiligten wissen, was sie tun; die Beteiligten das Rich-tige tun; Projekte dann gemacht werden, wenn sie ange-bracht, notwendig und erfolgversprechend sind; das Umfeldfür Projekte und Projektmanagement stimmt sowie Projekt-arbeit und Projektmanagement gebührende Wertschätzungerfahren – es sind die fünf Faktoren, die eine positive Pro-jektkultur ausmachen:

• Kompetenz• Klarheit• Kommunikation• Koordination• Konsequenz

Es können grundsätzlich folgende Erfolgsfaktoren fürgelingende Projekte in Hinblick auf die Effektivität (Gradder Zielerreichung) und Effizienz (Verhältnis von Aufwandund Ertrag zur Zielerreichung) der Projektergebnisse ange-führt werden:

• Engagiertes Management• Motivierte Mitarbeit• Qualifizierte Beratung• Fundiertes Konzept• Solide Planung• Einfühlsamer Einstieg

2 T. Rosenthal

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• Exakte Diagnose• Stringente Durchführung• Ausreichende Ressourcen• Gute Kommunikation• Schlüssige Strategie• Nachvollziehbare Informationen• Genügend Zeit• Sichtbare Transparenz• Echte Partizipation• Kooperativer Führungsstil

Die beste Voraussetzung für einen erfolgreichen Projekt-verlauf ist, sich fortlaufend um vier Erfolgsfaktoren zu küm-mern (vgl. Wischnewski 2002):

• eine gute Koordination der Beteiligten sowie der Teilar-beiten (Arbeitsstrukturierung) sicherstellen;

• Impulse und Raum für kreative Ideen und Lösungen er-möglichen;

• passende und (mit der Entwicklung mitgehende) Kommu-nikationsregeln etablieren;

• eine konstruktive und sensible Handhabung von Konflik-ten im Projektverlauf gewährleisten.

Das ganzheitliche Projektmanagement integriert deshalbeingesetzte Systeme, Verfahren und Methoden mit den sozia-len Prozessen der Projektarbeit. Es berücksichtigt gleichzei-tig die strukturellen Voraussetzungen (der Institution bzw.Organisation), die fachlichen Qualifikationen und Kompeten-zen der Projektbeteiligten, die richtige Anwendung der Me-thoden und Instrumente sowie die Kenntnisse um Verhalten-saspekte der Teammitglieder (vgl. Kraus und Westermann2014).

2.3 Projektablauf und Projektmodelle

Projektmanagement will systematisch und methodisch aufZiele hinarbeiten. Systematik und Methodik benötigen unab-dingbar Struktur und Konsequenz. Grundlegend dafür ist dieAnwendung oder Konstruktion einer geeigneten Logik derZusammenhänge und Abläufe. Für das Projektmanagementund für die Projektleitung kommt es darauf an, eine mög-lichst übersichtliche, klare, überzeugende Anleitung undOrientierung zur Strukturierung von Projektteams, Arbeits-aufgaben und Abläufen zu erhalten (vgl. Kuster et al. 2011,S. 17 ff., 39 ff.).

Um Projekte besser entwerfen zu können, um sich eineÜbersicht vorab zu verschaffen und damit die anstehendenAufgaben besser planen zu können, sind grundsätzlich Struk-turen und Prozesse in Projekten zu modellieren:

1. Strukturmodelle im Projektmanagement beschreiben inmöglichst einfacher Weise die Anordnung und Zuordnungvon verschiedenen Strukturelementen (z. B. Zielen, Auf-gaben oder Projektteams; Regeln, Organisation oderMethoden) zu einem Wirkungsgefüge: Was hat womit zutun? Was wirkt auf welches andere Element? In welcherRichtung sind Wirkungen zu beobachten? Welche Bezie-hungen lassen sich darstellen?

2. Prozessmodelle im Projektmanagement orientieren sicham Ablauf von Projekten (vgl. Kuster et al. 2011,S. 17 ff., 26 ff.). Ein Beispiel dafür ist (a) der Problemlö-sungszyklus, der eine typische Schrittfolge darstellt, diezur Lösung eines Problems immer wieder systematischund konsequent beschritten werden kann (vgl. RosenthalundWagner 2004, S. 227 ff.): Ausgangspunkt (Problem) –Stufe 1 mit der Situationsanalyse (Was ist los?) – Stufe2 mit der Zielsetzung (Was soll erreicht werden?) – Stufe3 mit dem Konzeptentwurf (Welche Lösungen sind mög-lich?) – Stufe 4 mit der Bewertung (Welche Lösungen sindsinnvoll?) – Stufe 5 mit der Entscheidung (Wie ist dieLösung zu realisieren?). Ein weiteres Modell für die Dar-stellung von Abläufen bzw. Schrittfolgen ist (b) der Pro-jektlebenszyklus (Abb. 1): Hier werden die Stadien einesProjektes in einem idealtypischen Ablauf dargestellt. Inder Realität werden allerdings öfter verschiedene Stadienwiederholt (zirkuläre Schleifen).

Projektentwicklungsmodelle bzw. Phasenkonzepte bildenden Ablauf von Projekten idealtypisch ab (Abb. 2) – dabeihandelt es sich um logisch aufeinander aufbauende und zeit-lich getrennte Phasen sowie um einen abgestuften Prozessmit häufig vordefinierten Entscheidungspunkten (Meilen-steine) (vgl. Kuster et al. 2011, S. 17 ff.).

Die Projektentwicklungsmodelle beziehen sich sowohl(einerseits) auf den Phasenverlauf von Projekten auf derZeitachse als auch (andererseits) auf die Organisation derProjektarbeit im Projektmanagement.1. Im klassischen Projektmanagement gibt es zwei Pha-

senmodelle: beim linearen Vorgehen sind die Phasensequenziell angeordnet – die Aufgaben werden nachei-nander abgearbeitet; beim überlappenden Vorgehen sinddie Phasen (teilweise) parallelisiert angeordnet – be-stimmte Aufgaben können gleichzeitig bearbeitet werden(damit kann Zeit eingespart werden – das geht aber nur,wenn auch Aufgaben parallelisiert werden können undRessourcen dafür zur Verfügung stehen). Das klassischeProjektmanagement ist durch folgende Kennzeichen ge-prägt:– eher zentralistisch (von der Projektleitung bzw. Steue-

rungsgruppe zu den Projektteams)

Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung 3

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– eher Planung von oben und deduktives Vorgehen (erstGrobplanung, dann Detailplanung)

– eher zentrale Steuerung der Ressourcen (durch dieProjektleitung oder Steuerungsgruppe)

– eher langfristigere Planung und Zielsetzung (und diekonsequente Umsetzung des Plans)

– eher hierarchiebetonte Führung (mit hierarchischenZuständigkeiten)

– eher Abarbeiten vorgegebener Aufgaben (durch Dele-gation)

– eher Strukturen, Werkzeuge oder Instrumente stehenim Vordergrund (der Projektarbeit)

– eher „gelenkte“ Projektteams (auch mittels Macht-durchsetzung)

2. Im agilen Projektmanagement sind die Phasen zyklischangeordnet, das Vorgehen ist spiralförmig – die Aufgabender einzelnen Phasen wiederholen sich (vgl. Meyerbröker2011a, b). Das agile Projektmanagement ist dagegendurch folgende Merkmale gekennzeichnet:– eher dezentral (Projektteams handeln autonom und

entscheiden selbst)– eher Planung von unten und induktives Vorgehen (zir-

kuläre Planung durch Projektteams)– eher dezentrale Steuerung der Ressourcen (durch die

einzelnen Projektteams)– eher kurzfristigere Planung und Zielsetzung (flexible

und reflexive Planung)– eher hierarchiefreie Struktur (mit kollegialer Führung)

Projektorganisation| Wie wird das Projekt strukturiert?

Wie wird derProjektverlauf überprüft?

Projektgestaltung

Wie wird das inProjektsteuerung umgesetzt?

Projektplanung| Wie soll das Projekt ablaufen?

Projektsteuerung| Wie wird das Projekt kontrolliert?

Projektabschluss| Welches Ergebnis wird erzielt?

Projektauftrag| Was soll das Projekt erreichen?

Projektgenese| Wie kommt ein Projekt zustande?

Projektanschluss| Was kommt nach dem Projekt?

Abb. 1 Lebenszyklus imProjektmanagement – ein Modell

4 T. Rosenthal

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Abb.2

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Übersicht

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– eher selbstbestimmtes Arbeiten (durch Eigenverant-wortung)

– eher Interaktionen, Prozesse und Kooperationen be-deutsamer (für die Projektarbeit)

– eher „selbstorganisierte“ Projektteams (auf gemeinsa-men Konsens ausgerichtet)

Das klassische Projektmanagement als älterer Ansatz istnur für bestimmte Projekte geeignet und teilweise zu unbe-weglich. Das agile Projektmanagement als aktueller Ansatztrifft den Zeitgeist und ist für Projekte der Gesundheitsförde-rung und Prävention geeigneter – da eine passgenauereUmsetzung möglich ist.

Es gibt etliche Phasenmodelle, die unterschiedliche Eintei-lungen mit verschiedenen Bezeichnungen der einzelnen Phasenaufweisen (meistens aber immer fünf Phasen) – grundsätzlichwerden den Phasen bestimmte (zu erledigende) Aufgaben imProjektmanagement zugeordnet. Tab. 1 zeigt dies in einer Ge-genüberstellung gängiger Projektentwicklungsmodelle – dabeiist das Modell 1 ein Phasenablauf eher für Projekte im Indus-triebereich; das Modell 2 bezieht sich eher auf (organisationale)Veränderungsprojekte bzw. Organisationsentwicklungsprojekte;das Modell 3 berücksichtigt durch die Phase 2 eher Projekte, indenen kreative Ideen entwickelt oder kreative Lösungswegegefunden werden sollen; das Modell 4 stellt das Prozessmodellintegraler Projekte (wie auch für Projekte in der Prävention undGesundheitsförderung) dar; das Modell 5 bezieht sich explizitauf den speziellen Projektansatz zur Qualitätsentwicklung vonProjekten in der Prävention und Gesundheitsförderung der Stif-tung Gesundheitsförderung Schweiz (vgl. Kuster et al. 2011;Krüger und Bach 2014; Willener 2007; GesundheitsförderungSchweiz 2018).

2.4 Projektleitung und Projektaufgaben

Projekte haben in der Regel eine eigene Leitung. Dies istunabhängig davon, ob die Projektleiterin bzw. der Projektlei-ter nur dafür eingestellt wird oder ob die Person diesenAuftrag neben anderen mit erfüllen soll. Die wichtigsteAufgabe der Projektleitung ist, das Projekt zu planen, zuorganisieren, zu unterstützen und zu kontrollieren (vgl. Han-sel und Lomnitz 2013). Meist gehört auch dazu, über das

Projekt zu berichten und es (in der Institution bzw. Organi-sation) zu repräsentieren (wobei dies teilweise auch delegiertbzw. aufgeteilt werden kann). Projektleitungen brauchen einehervorragende Übersicht und praktische Erfahrungen, metho-dische Kenntnisse (spezielle Fachkenntnisse) und instrumen-telle Fertigkeiten sowie ein gewisses Durchsetzungsvermö-gen und psychologische Kompetenzen in der Teamführung,wenn sie ihre Aufgabe erfolgreich erfüllen wollen (vgl.Wegge und Schmidt 2018).

Projektleitungen sind in dieser Rolle Managerinnen bzw.Manager auf Zeit und für speziell diese Aufgaben verant-wortlich. Welche Kompetenzen (Verantwortungsbereiche,Entscheidungsbefugnisse) das Projektmanagement jeweilskonkret hat, ist oft Anlass für Konflikte. Dies sollte dahersorgfältig geklärt, ausgehandelt und auch während des Pro-jektverlaufs im Blick behalten werden.

In Projekten hängt der Erfolg in hohem Maße davon ab,wie gut und erfolgreich die dafür eingesetzten Menschen imProjektteam arbeiten. Zusammenarbeit und Teamentwicklungbleiben kritische Erfolgsfaktoren für die Projektarbeit.Gelingt die Arbeit in der Gruppe nicht von Beginn an wieerhofft oder kommt es zu Konflikten in den Anfangsphasendes Projektes, ist die Herausforderung für alle Beteiligtengroß: Neu zusammengestellte Gruppen sind noch keineTeams – die Zusammenarbeit muss sich entwickeln (undentwickelt werden) (vgl. Alter 2016; Becker 2016).

Kuster et al. (2011, S. 212 ff., 317 ff.) legen ein grundle-gendes Führungskonzept für die Projektarbeit bzw. für dasProjektmanagement vor:

• Führung in und von Projekten bzw. die Aufgaben derProjektleitung sind einerseits auf die Interessengruppenbzw. Kooperationspartner eines Projektes gerichtet. Pro-jektmanagement ist hier Beziehungsmanagement – Pro-jekte sind immer in Netzwerke eingebunden oder vonKraftfeldern abhängig. Es gilt, diese Anspruchsgruppenadäquat zu managen (zu „führen“). Aufbauend auf derInteressengruppenanalyse müssen zunächst diese Grup-pen identifiziert, analysiert, bewertet und dann gesteuertwerden.

• Führung in und von Projektteams bzw. die Aufgaben derProjektleitung sind andererseits auf die Ziele und auf dieZusammenarbeit orientiert. Dazu gehört es, das Teamkonsequent auf ein gemeinsames Ziel hin auszurichten,

Tab. 1 Phasenmodelle im Projektmanagement – eine Gegenüberstellung

Phasen Modell 1 Modell 2 Modell 3 Modell 4 Modell 5

Phase 1 Initialisierung Initialisierung Problemanalyse Vorprojekt Projektbegründung

Phase 2 Vorstudie Konzipierung Ideenentwicklung Konzeption Projektplanung

Phase 3 Konzept Mobilisierung Planung Umsetzung Projektorganisation

Phase 4 Realisierung Umsetzung Durchführung Abschluss Projektsteuerung

Phase 5 Einführung Verstetigung Überprüfung Nachprojekt Projektevaluation

6 T. Rosenthal

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den Zusammenhalt im Team zu entwickeln und zu för-dern, die Arbeitsprozesse im Team aufzubauen, zu koor-dinieren und zu begleiten sowie die Leistungsfähigkeit dereinzelnen Teammitglieder und des gesamten Teams zufördern (das Team zu motivieren, Aufgaben und Verant-wortung zu delegieren, Fähigkeiten des Teams zu erwei-tern, Potenziale im Team zu fördern, Kreativität zu er-möglichen).

Darüber hinaus ist die Führung in und von Projektteamsbzw. sind Aufgaben der Projektleitung übergreifend auf dengesamten Teamprozess bezogen (vom Projektstart bis zumProjektabschluss). Neben der Berücksichtigung der drei Ebe-nen der Teamentwicklung (Beziehungsebene, Inhaltsebene,Organisationsebene) sind die Phasen der Teamentwicklungzu beachten (vgl. Tuckman 1965; Tuckman und Jensen 1977;Kuster et al. 2011, S. 264 ff.). Die Projektleitung muss dieArbeitsfähigkeit eines Projektteams zu Beginn erst entwi-ckeln und ein positives Arbeitsklima fördern. Im Verlaufder Teamarbeit sind die drei Prozessebenen zu gestalten undzu steuern. Das Team ist aber auch von der Orientierungs-phase in die Leistungsphase zu „führen“ –mit den jeweiligenPhasen sind bestimmte Aufgaben der Projektleitung verbun-den (vgl. Wegge 2016). Die Aufgaben der Projektleitungbzw. Teamleitung bestehen einerseits in der Reflexion derTeamentwicklung (Wahrnehmung der psychosozialen Ent-wicklung, Analyse des emotionalen Geschehens in denjeweiligen Phasen) und andererseits in konkreten Aufgabenmit entsprechenden Zielsetzungen (Tätigkeiten, Maßnah-men), um generell die Teamentwicklung positiv zu fördernund um die Leistungsphase zu erreichen.

Projektmanagement besteht im Kern darin, Probleme undAufgaben besonderer Art und eher einmaliger Herausforde-rung systematisch und strukturiert zu bearbeiten. Dazu wer-den in unterschiedlicher Weise Teams gebildet, um möglichstviele Kompetenzen aus den betreffenden Bereichen zu nut-zen, die Verantwortung für die Problemlösung zu erhöhenund die Chancen für eine erfolgreiche Umsetzung von Lö-sungsvorschlägen zu verbessern. Ohne effiziente und krea-tive Teamarbeit sind die Chancen, die sich mit einem Projektverbinden, kaum erfolgreich zu nutzen.

Professionelles Projektmanagement nutzt geeignete In-strumente zum Planen und Strukturieren. Es setzt sie ein,um zu orientieren und zu organisieren. Planen heißt, einkomplexes, unüberschaubares System oder Projekt in sinn-volle Teile zu zerlegen, in aufgabengemäße Schritte undAbfolgen zu bringen, künftiges Handeln dabei systematischvorauszudenken und eine gedankliche „Brücke“ zwischenAuftrag, Ziel, Arbeitsprozess und Ergebnis zu bauen. DieseHerausforderungen stellen sich im Projektmanagement fürdie Bereiche der Aufgaben (Sachdimension), der Abläufe(Zeitdimension) und der Mitarbeitenden (Sozialdimension).

Anforderungen an die ProjektplanungEine besondere Stärke erfolgreicher Projektarbeit liegt ineiner guten (soliden und passgenauen) Vorausschau darauf,was wann wie durch wen und mit wem zu tun ist. DerAufwand, der in Planungsphasen zu treiben ist, hängt wesent-lich von den Anforderungen des jeweiligen Projektes ab. Dabereits das systematische Planen eines Projektes Ressourcenbraucht (d. h. Personen, Fachkompetenzen, Zeit, Geld) wirddies erst nach dem Erteilen des Projektauftrags gemacht.Grundlage des Projektauftrags ist daher nicht bereits einedurchgängige Planung, sondern eine Vorwegabschätzungder Notwendigkeit, der Chancen und zu erwartenden Kosten– ideal gestützt durch eine Vorstudie (vgl. Litke et al. 2018;Boy et al. 2006). Abb. 3 bietet eine Übersicht zu den nachProjektphasen gegliederten Aufgaben im Projektmanage-ment bzw. Aufgaben der Projektleitung.

Aus dieser Übersicht wird deutlich, wie Projektplanungbereits als Teil des gesamten Projektverlaufs zu sehen ist (vgl.Rosenthal 2019). Was ist demnach auf der Grundlage allernützlichen und verfügbaren Informationen möglichst be-darfsgerecht durchzuplanen?

• Ziele gemäß Auftrag definieren: . . . benötigt eine Zielpla-nung bzw. einen Zielkatalog.

• Aufgaben planen: . . . benötigt einen Projektstrukturplan.• Zeitabschnitte planen (Meilensteine): . . . benötigt einen

Phasenplan bzw. ein Balkendiagramm.• Ressourcen planen (z. B. Budget): . . . benötigt einen Ka-

pazitätsplan bzw. Kostenplan.• Risiken klären: . . . benötigt eine Risikoanalyse.• Teams strukturieren: . . . benötigt einen Personalplan bzw.

einen Personaleinsatzplan.• Informationen planen (Schnittstellen berücksichtigen): . . .

benötigt ein Kommunikationskonzept.

Die wichtigsten Planungsaufgaben betreffen die Berei-che:

• Ziele (Ergebnisvorstellungen)• Aufgaben (Aufgabenbereiche, Teilaufgaben, Arbeitspa-

kete)• Zeit (Zeiten für einzelne Aufgaben mit Puffer)• Ressourcen (finanziell, materiell, personell)• Personen (Qualifikationen, Kompetenzen, Vertretungen)• Methoden (Analyse, Kreativität, Problemlösung)• Risiken (Gegenkräfte, Konflikte, Schnittstellen)• Qualitätssicherung (Struktur, Prozess, Ergebnis)

Anforderungen an die ProjektsteuerungIm Vordergrund stehen bei der Projektsteuerung die Modera-tion, Kreativität und die Systematik des Arbeitens, die För-derung einer günstigen und zuverlässigen Kommunikation

Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung 7

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sowie schließlich ein produktives bzw. konstruktives Kon-fliktmanagement. Die Steuerung von Projekten stellt das„Herzstück“ des Projektmanagements dar. Es ist eine engeVerbindung von handwerklichem Können und flexiblemkommunikativem Gestalten der Arbeitsumgebung erforder-lich, um in einem Projekt erfolgreich arbeiten zu können (vgl.Rosenthal 2019).

Projektcontrolling ist das Instrument, um fortlaufend mitUnsicherheiten im Projektverlauf professionell umzugehen,die Voraussetzung einer fortlaufend angepassten Planungbzw. Steuerung und eine Aufgabe in der Verantwortung derProjektleitung. Die Basis für das Projektcontrolling ist derProjektverlauf. Maßstab dafür ist die Projektplanung in ihrenverschiedenen Ausprägungen und Dimensionen. Zu geeignetenZeitpunkten (die nicht mit den Meilensteinen zusammenfallenmüssen) werden verschiedene Parameter erfasst (Termine,Kosten, Leistungen). Dafür sind geeignete Informationen zuerzeugen. Diese müssen an diejenigen weitergeleitet werden,die für das Projektcontrolling zuständig sind. Das kann dieProjektleitung selbst, ein damit beauftragtes Teammitgliedoder (bei größeren Projekten) ein spezielles Team sein. Diesesind für den Abgleich zwischen geplantem und realem Standverantwortlich sowie gegebenenfalls auch noch für Bewer-tungen und Empfehlungen (an denen dann Managementent-

scheidungen ansetzen können). Diese Entscheidungen führenzu revidierten Planansätzen, die ab dann für die Steuerungdes Projektverlaufs gültig werden.

In Projekten soll möglichst zeitnah erfasst werden, wo dasProjekt gerade steht und inwieweit dies mit den geplantenDaten übereinstimmt. Projektcontrolling wird in Projekt-schleifen im Projektverlauf realisiert, die einem Grundmusterfolgen: Berücksichtigung der Planansätze und Erhebung derIst-Daten – Vergleich von Planansätzen – und Ist-Daten-Bewertung (Ermittlung der Ursachen für Abweichung) –Entscheidung (Berücksichtigung der aktuellen Veränderun-gen im Umfeld und der Projektziele) – Aktualisierung derPlanansätze.

Wer sich zur Aufgabe macht (bzw. sie übertragenbekommt), Projektfortschritte im Blick zu behalten undAbweichungen zu kontrollieren, sollte dies immer gezieltunter einer zentralen Prämisse tun: Projektcontrolling dientdazu, die Ergebnisse und Bewertungen zielorientiert in neueEntscheidungen einzubringen. Controlling ist immer ent-scheidungsorientiert und hat seine Rolle in der Steuerungvon Projekten und Prozessen.

Projektcontrolling findet in zwischengelagerten Überprü-fungsschleifen statt, die Voraussetzung für erneute Entschei-dungen sind – und damit für eine aktive und zielorientierte

Aufgaben im Projektmanagement

Aufgaben der Projektleitung

Projektdefinition

Projektplanung

Projektdurchführung

Projektabschluss

Auftrag und Ziele klären

Ressourcen und Chancen ermitteln

Auftrag formulieren und entscheiden

Ressourcen kalkulieren

Zeitabschnitte planen | Meilensteine

Arbeitsaufgaben strukturieren

Team organisieren

Schnittstellen berücksichtigen

Teilprojekte | Subteams koordinieren

Arbeitsprozesse moderieren

Arbeitspakete abarbeiten

Abweichungen prüfen

Meilensteine gestalten

Projektbericht erstellen | Übergabe

Projekt präsentieren | Ergebnis

Projekt abschließen | Würdigung

Abb. 3 Aufgaben imProjektmanagement – nachProjektphasen

8 T. Rosenthal

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Prozesssteuerung des Projektes. Wie wichtig Controlling imProjekt genommen wird, hängt davon ab, welche Risikofak-toren und Randbedingungen angenommen werden: Sind dieVorgaben hinsichtlich Budget und Zeitplan sehr eng (undsehr wichtig für den Projekterfolg), wird man mehr Aufmerk-samkeit auf Controlling legen, als wenn es in dieser Hinsichteher „lockere“ Vorgaben gibt. Neigt man in der Projektlei-tung zu sehr vorsichtigem Vorgehen und traut man der Selbst-organisation im Projekt weniger zu, wird man stärkere Struk-turen einziehen. Stehen gute und leicht einsetzbare Mittel undMethoden für das Controlling zur Verfügung, fällt es leichter,sich für ein solides Controlling zu entscheiden. Gute Ergeb-nisse des Controllings nutzen allen: den Auftraggebern, denProjektteams und nicht zuletzt den Projektleitungen. Siegeben wichtige Hinweise zur Projektsteuerung und zurErfolgssicherung, die ohne methodisches Vorgehen in diesemPunkt nicht zu erhalten wären (vgl. Rosenthal 2019).

Controlling steht für ein eigenes Arbeitspaket (oder füreine Teilaufgabe oder sogar einen Aufgabenbereich bei kom-plexen und längerfristigen Projekten). Controlling soll hel-fen, die Ziele möglichst gut und mit dem geringsten Aufwandzu erreichen, die verschiedenen Anforderungen effektiv mit-einander zu verknüpfen – und damit zum Erfolg des Projek-tes beizutragen.

3 Projektmanagement in der Präventionund Gesundheitsförderung

Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförde-rung führt die Standards, Instrumente, Techniken und Ver-fahren eines professionellen Projektmanagements mit denHerausforderungen, Anforderungen, Prinzipien und Haltun-gen der Gesundheitsförderung und Prävention zusammen. Eswerden diesbezüglich zunächst die konzeptionellen bzw.theoretischen Grundlagen gelegt und dann die Instrumentebzw. Verfahren einer qualitätsgestützten Projektentwicklungin der Prävention und Gesundheitsförderung vorgestellt.

3.1 Konzeptionelle Ansätze und theoretischeVerortung

Zur systemischen ProjektdynamikKennzeichen moderner Gesellschaften ist die Herausbildung(einzelner) sozialer Systeme und ihre Differenzierung inunterschiedliche Funktionen. Damit verbunden ist eine Para-doxie gleichzeitiger Autonomie und wechselseitiger Abhän-gigkeit der Systeme. Organisationen sind solche sozialenSysteme.

Im systemischen Ansatz wird Gesundheitsförderung alsIntervention in soziale Systeme verstanden (vgl. Grossmann

und Scala 2006, S. 29 ff.). Organisationen sind aus systemi-scher Sicht . . .

• eigensinnige Systeme. Die immanente Aufgabenstellungund die dazugehörigen Verantwortlichkeiten leiten sichaus dem Sinn (Daseinsgrund) der Organisation ab. DerSinnzusammenhang erschließt sich einem erst durch dieRekonstruktion der spezifischen Geschichte der Organisa-tion.

• strukturierte Systeme. Damit sind typische Aufbau- undAblauforganisation, spezifische Verhaltensmuster undcharakteristische Unternehmenskultur gemeint, die dieBeziehungen der Organisationsmitglieder untereinanderkonstituieren und sich dann in der gelebten Struktur zei-gen.

• eingegrenzte Systeme. Organisationen haben über ihreGrenzen hinaus Kontakte und Beziehungen zu anderenSystemen. Für die Beantwortung der Frage „Warum ver-hält sich das System gerade in dieser Weise?“ ist eineBetrachtung der Beziehungen zur relevanten Umwelt fürdie eigene Wahrnehmung bedeutsam.

In Organisationen ist die Kommunikation das Konstitu-tionsmerkmal. „Der Begriff ‚soziales System‘ bezeichneteinen abgegrenzten Kommunikationszusammenhang undspezifische Kommunikationsmuster von Gruppen, Teams,Familien, Organisationen, Abteilungen, Gemeinden [. . .].Im Konzept der neueren soziologischen Systemtheorie [. . .]besteht ein soziales System nicht aus den Personen, die inihm arbeiten oder leben, sondern aus den Kommunikationen,die dort stattfinden. Jedes System hat bestimmte Muster,Regeln und spezifische Kommunikationsmedien“ (Gross-mann und Scala 2006, S. 31). Entscheidungen sind dabeidie Kernoperationen einer Organisation. Organisationen bil-den sich wesentlich über Entscheidungen sowie die Art undWeise wie Entscheidungsprozesse organisiert werden.

Organisationen als soziale Systeme unterliegen einer inne-ren Dynamik:

• Organisationen entwickeln sich über Kommunikation undlassen sich nicht wie Maschinen lenken; sie haben einEigenleben und damit eine (nicht genau kalkulierbare)Eigendynamik.

• Organisationen entwickeln sich als ganzes System.Veränderungen in Teilen des Systems bewirken auchVeränderungen auf anderen Ebenen. Organisationen steu-ern sich weitgehend selbst.

• Organisationen entwickeln sich durch Selbstbeobachtung.Organisationen können über sich selber nachdenken undüber ihre eigene Kommunikation kommunizieren. Alssoziale Systeme lernen Organisationen vor allem überSelbstbeobachtung.

Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung 9

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Besonders bei den organisationalen Projekten der Gesund-heitsförderung wie z. B. im Krankenhaus, in der Schule oderin der Hochschule spielt dieser Ansatz eine Rolle.1 Projektestellen den Arbeitsrahmen für gesundheitsbezogene und prä-ventionsorientierte Aktivitäten und Programme dar. Projekt-management ist dabei „eine adäquate Organisationsform fürdie Umsetzung von Gesundheitsförderung in Betrieben,Schulen, Krankenhäusern, aber auch in der Realisierungvon größeren umwelt- und lebensstilbezogenen Program-men, in denen es besonders darauf ankommt, unterschiedli-che Organisationen und fachliche Ressourcen für einegemeinsame Handlungsperspektive zu gewinnen“ (Gross-mann und Scala 2006, S. 75).

In diesem Konzept wird Gesundheitsförderung als(zu erreichendes) Ziel, Organisationsentwicklung als (parti-zipative) Methode und Projektmanagement als (professionel-les) Instrument der Umsetzung betrachtet. Im Rahmen orga-nisationaler Projekte zur Gesundheitsförderung benötigt einewirkungsvolle Projektorganisation (vgl. Grossmann undScala 2006, S. 87 ff.):

• eine klar definierte Aufgabe und einen entsprechendenAuftrag (regelmäßige Überprüfung und kontinuierlicheAbstimmung),

• eine transparente und leistungsfähige Entscheidungsstruk-tur (sowohl innerhalb der Projektorganisation als auchzwischen Projekt und der Linienorganisation),

• eine zur Aufgabenstellung passende Zusammensetzungdes Projektteams (mit den dafür erforderlichen Kompe-tenzen und mit einem hohen Engagement),

• genügend Raum und ausreichend Zeit für die Projektarbeitsowie die dafür notwendigen finanziellen, personellen undmateriellen Ressourcen (klare Regelungen der Freistel-lung für die Projektarbeit und entsprechende Ausstattung),

• eine tragfähige Investition in die soziale Entwicklung desProjektes (in Hinblick auf die Teamentwicklung oder dieInanspruchnahme von Supervision),

• eine zirkuläre (immer wieder neu den Klärungsprozessdurchlaufende) Zielplanung,

• einen klar strukturierten und in Abschnitte gegliedertenArbeitsplan (der immer wieder überprüft und angepasstwird),

• ein frühzeitiges und permanentes Projektmarketing (vorallem in der Organisation),

• eine regelmäßige Selbstevaluation und Berichterstattung(als Selbstverpflichtung),

• einen kontinuierlichen Transfer der Projektergebnisse(Präsentation) und Projekterfahrungen (Workshop) vorallem in die Organisation,

• externe Unterstützung bei der Begleitung der Projektarbeit(durch Trainer, Berater oder Moderatoren).

Projekte „gehen auf neuen Wegen zu neuen Zielen. Pro-jekte ermöglichen es, für begrenzte Zeit Ressourcen für eineneue Aufgabe einzusetzen“ (Willener 2007, S. 30). Darüberhinaus kann Projektarbeit „gute Voraussetzungen bieten,professionelle Rollen zu erweitern oder gegebenenfalls auchneue zu entwickeln“ (Grossmann und Scala 2006, S. 77).Projektarbeit bietet demnach einen überschaubaren Rahmen(zeitlich, räumlich, organisatorisch; personell, finanziell,materiell) für das systematische Bearbeiten von komplexen(vorerst wenig übersichtlichen) Ausgangslagen – Projektma-nagement hält dafür handhabbare Instrumente und praktika-ble Methoden parat (vgl. Schlicht und Zinsmeister 2015,S. 8 ff., 129 ff.).

Zur integralen ProjektmethodikGrossmann und Scala (2006, S. 75) sehen Projektmanage-ment als eine „adäquate Organisationsform für die Umset-zung von Gesundheitsförderung“ in Organisationen an. DieBedeutung der Projektarbeit in der Prävention und Gesund-heitsförderung hängt nach Hafen (2005) mit der Einsichtzusammen, dass den komplexen Verhältnissen, denen sichdie Gesundheitsförderung und Prävention ausgesetzt sieht,„mit isolierten, kurzfristigen, einmaligen Aktivitäten nichtangemessen Rechnung getragen werden kann“ (Hafen2005, S. 580; zit. n. Willener 2007, S. 29).

Projekt als Mittel zur Veränderung ist an bestimmte Vo-raussetzungen gebunden (vgl. Willener 2007, S. 30 ff.):

• Es muss ein Handlungsbedarf, Veränderungsbedürfnisoder ein Entwicklungspotenzial vorliegen.

1 Exemplarisch sei hier auf die in den 1990er-Jahren von der Weltge-sundheitsorganisation (WHO) initiierten Pilotprojekte (20 in Europa)zur „Gesundheitsförderung im Krankenhaus“ (Health Promoting Hos-pitals) verwiesen – aus denen dann auf Grundlage der Wiener Empfeh-lungen (von 1997) das „Deutsche Netz Gesundheitsfördernder Kran-kenhäuser“ hervorging. Basis der Modellprojekte war neben dergrundlegenden Ottawa Charta (von 1986) die Budapester Erklärung(von 1991) zu Inhalten und Zielen gesundheitsfördernder Krankenhäu-ser. Das Diakonie Krankenhaus Alten Eichen in Hamburg war eines derfünf Pilotkrankenhäuser in Deutschland – das Organisationsentwick-lungsprojekt zur Gesundheitsförderung dauerte von 1992–1997 (vgl.Rosenthal und Wagner 2004; Mursa et al. 1999, 1998; Oppolzer undRosenthal 1999). Das Diakonie Krankenhaus Alten Eichen wurde wis-senschaftlich umfassend evaluiert (vgl. Oppolzer 1995, 1997). Oppolzer(1997, S. 122 f.) zieht hinsichtlich der Bedeutung der Gesundheitsför-derung für Mitarbeiter im Krankenhaus folgende Bilanz: „Gesundheits-förderung durch Organisationsentwicklung ist [. . .] geeignet, die imKrankenhaus besonders wichtigen psychosozialen und emotionalenBelastungen“ der Mitarbeiter und „daraus resultierende gesundheitlicheGefährdungen zu verhindern bzw. zu verringern. Sie ist in der Lage, dieBeschäftigten als ‚Experten in eigener Sache‘ stärker einzubeziehen undihr Betroffenenwissen ergänzend zur Expertenkompetenz der betriebli-chen und außerbetrieblichen Fachleute des Arbeitsschutzes und derArbeitssicherheit zu nutzen, sowie der Akzeptanz gegenüber Sicher-heitsvorschriften und sicherheitsgerechtem Verhalten ‚durch Einsichtin die Notwendigkeit‘ zu verbessern.“

10 T. Rosenthal

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• Es muss die Einzigartigkeit einer zu verändernden Situa-tion gegeben sein.

• Es muss eine ausreichend komplexe Ausgangslage undeine damit verbundene Unsicherheit bezüglich der weite-ren Entwicklung vorhanden sein.

• Es muss ein innovatives Potenzial in einem dafür offenenUmfeld erkennbar sein.

• Es müssen verschiedene Akteure mit möglichst unter-schiedlichen Professionen involviert sein.

Ein spezifisches Projektmanagement für die Projektarbeitin der Prävention und Gesundheitsförderung muss neben denallgemein anerkannten Kriterien eines professionellen Pro-jektmanagements vor allem die typischen Herausforderungenund die speziellen Bedarfssituationen der Gesundheitsförde-rung und Prävention berücksichtigen – dabei wird versucht,das Projektmanagement grundlegend auf die Ottawa Charta(von 1986) als umfassende Strategie für Gesundheitsförde-rung und den sich wechselseitig beeinflussenden Aktions-ebenen zu beziehen (gesundheitsfördernde Gesamtpolitik,gesundheitsfördernde Lebenswelten, gesundheitsbezogeneGemeinschaftsaktivitäten, Entwicklung persönlicher Kompe-tenzen, Neuorientierung von Gesundheitsdiensten).

Willener (2007) legt das konzeptionelle Fundament füreine professionelle Projektarbeit und ein fundiertes Projekt-management in Hinblick auf Innovationen und Entwicklungin Quartier, Gemeinde und Stadt – aber auch in der Präven-tion und Gesundheitsförderung.2 Grundlage dieser integralenProjektmethodik ist ein „Verständnis, wonach gesellschaftli-che Situationen und Probleme nicht einfach ‚gelöst‘ werden

können, sondern dass Veränderungen in gesellschaftlichenSubsystemen durch Anregung und Motivierung zur Selbstän-derung geschehen“ (Willener 2007, S. 52). Dabei wird dieEbene der Projektintervention (Interventionen im Projekt –Gesundheitsförderung, Prävention) mit der Ebene des Pro-jektmanagements (Management des Projekts – Führung, Lei-tung) integriert, die einzelnen Schritte der Projektinterventionmit den Dimensionen bzw. Elementen im Projektverlauf ver-zahnt. Die integrative Projektmethodik begreift in Anlehnungan das agile Projektmanagement den Projektablauf als zirku-lären (reflexiven) Prozess mit Überschneidungen.

Willener (2007, S. 52 ff.) formuliert zentrale (miteinanderverschränkte) Arbeitsprinzipien für ein integrales Projektver-ständnis:

Ermächtigung Gemeint ist damit die Aneignung demokra-tischer Partizipationsmöglichkeiten und politischer Entschei-dungsmacht; die Ermutigung, eigene Stärken zu entdecken,Handlungsspielräume aktiv und selbstbestimmt zu nutzen;die Ermöglichung des Erwerbs von Kompetenzen im Pro-jektverlauf.

Beteiligung Darunter wird die aktive Einbindung in dasProjekt (von der Mitsprache bis zur Mitentscheidung), dieinstitutionalisierte Mitgestaltungsmöglichkeit (Form, Aufga-ben, Kompetenzen, Verfahren) verstanden.3

Vernetzung „ist ein wesentlicher Bestandteil des integralenProjekts. Es geht einerseits darum, dass für das Projekt, wennimmer möglich, keine neuen Ressourcen und Strukturenaufgebaut werden, wenn solche schon existieren, auf denenaufgebaut werden kann. Andererseits geht es um die Opti-mierung von Schnittstellen zwischen Akteuren (Institutionen,Projekte), die im selben oder in angrenzenden Bereichen tätigsind“ (Willener 2007, S. 72).

2 Exemplarisch sei hier auf die „Gesundheitsförderung in derGemeinde“ verwiesen – ein Interview mit Patrick Roth, dem Projekt-berater und Leiter des dreijährigen Programms „Lebensqualität inGemeinden“ der Gesundheitsförderung Schweiz, gibt Aufschluss übereinige zentrale Erkenntnisse zum Projektmanagement in der Präventionund Gesundheitsförderung (vgl. Willener 2007, S. 332 ff.). Auf dieFrage Hat sich in den drei Jahren eine Standardisierung der Methodenergeben? Was hat sich bewährt? wird geantwortet: „Bei vielleicht50 Prozent sind die Methoden der Zukunfts- und Ideenwerkstatt zumEinsatz gekommen. Aus diesen Workshops entstehen dann jeweilsGruppen, die sich um bestimmte Themen kümmern. [. . .] In einemBündner Dorf gelang es zum Beispiel, sämtliche Jugendliche und Kin-der ab dem Kindergarten in den Prozess einzubeziehen. Die Ideen undMeinungen der Kinder haben dann das Gesamtprojekt beeinflusst.Resultat war ein attraktiver Spiel- und Begegnungsplatz sowie eindrück-liche Visionen für die Zukunft, die die Erwachsenen dann aufgenommenhaben“ (Willener 2007, S. 334). Auf die Frage Wie sieht das Anforde-rungsprofil für Leute aus, die in den Gemeinden die Projektleitunginnehaben? antwortet Patrick Roth im Interview: „Bei der Gesundheits-förderung geht es [. . .] auch um ‚weiche‘ Faktoren wie Werte, Motiva-tion, gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen, Zufriedenheit undIdentifikation, Kommunikation. [. . .] Es braucht Leute, die nah amThema sind und die der Mitwirkung der Bevölkerung sowie der Inter-aktion einen hohen Stellenwert beimessen“ (Willener 2007, S. 336 f.).

3 Partizipation kann sich aber nicht nur auf die konkrete Umsetzung inder Projektarbeit beziehen, sondern auch auf die Forschung. Was einePartizipative Gesundheitsforschung ausmacht, erläutert Wright (2013) –insgesamt elf Merkmale werden genannt (wie beispielsweise): Partizi-pative Gesundheitsforschung ist partizipativ (Stufenmodell mit achtAusprägungen von Beteiligungen); ist lokal situiert (in den Alltag ein-gebettet); ist ein kollektiver Forschungsprozess (Forschungsteam setztsich aus verschiedenen Interessengruppen zusammen); fördert zivilge-sellschaftliches Engagement, um Veränderungsprozesse zu unterstützen(Handlungen zur Verbesserung der Lage der Beteiligten unmittelbarfördern); fördert kritische Reflexivität (z. B. Förderung der kritischenGesundheitskompetenz, um wirksame Strategien zur positiven Verän-derung von Gesundheit zu entwickeln und umzusetzen); generiert Wis-sen, das lokal, kollektiv, kooperativ, dialogisch und multiperspektivischist (Ausgangspunkt ist das Alltagswissen) und zielt auf eine Breitenwir-kung ab (unmittelbar zu einer Verbesserung der Gesellschaft beitragen)(vgl. Wright 2013).

Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung 11

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Vielfalt der Perspektiven hebt auf die produktive und kon-struktive Zusammenarbeit verschiedener Professionen undDisziplinen im Projekt ab (interdisziplinär, transdisziplinär;zwischen wissenschaftlichen Disziplinen, zwischen Wissen-schaft und Praxis).

Projekt als Lernumgebung bezieht sich auf die (informel-len) Lernmöglichkeiten in einem Projekt; betont, dass Pro-jektarbeit sowohl ein individueller als auch ein kollektiverLernprozess ist und dafür im Projektverlauf Möglichkeiteneiner systematischen Reflexion (Meilensteine) geschaffenwerden sollten.

Gerechtigkeit thematisiert die soziale Dimension der Ge-schlechterverhältnisse in Projekten (ob sie z. B. der Gerech-tigkeit zwischen den Geschlechtern förderlich sind odernicht) und in der konkreten Projektarbeit (z. B. die Beziehun-gen zwischen den Geschlechtern); Ziel sollte es sein, eine„gerechtere Zusammenarbeit zwischen den Geschlechtern ingemeinsamen Projekten zu erreichen“ (Willener 2007, S. 88).

Gestaltung der Vielfalt meint die (individuelle) Berücksich-tigung kultureller Vielfalt, ethnischer Vielfalt oder religiöserVielfalt; es geht darum, in einem heterogen zusammengesetz-ten Projektteam diese vielfältigen Potenziale zu erkennen undproduktiv für die Projektarbeit zur Entfaltung zu bringen(vgl. Wegge 2011).

Vielfalt der Gestaltung es werden in der Projektarbeit vieleverschiedene (kreative, ästhetische, mediale) Gestaltungsmit-tel und Kommunikationsmedien eingesetzt – und man arbei-tet mit unterschiedlichen Ausdrucksformen (z. B. Theater,Musik, Tanz).

Nachhaltigkeit bezieht sich auf drei Ebenen: eine nachhal-tige Wirkung kann sich erstens auf eine Abstimmung derProjektziele mit den Nachhaltigkeitszielen der jeweiligenGemeinde oder Region beziehen; zweitens ist mit Nachhal-tigkeit die Frage verbunden, wie sich die Wirkungen desProjektes auf den verschiedenen Dimensionen (ökonomi-sche, ökologische, soziale) entfalten; drittens ist mit Nach-haltigkeit eine anhaltende, lange dauernde oder dauerhafteWirkung bzw. Verankerung gemeint – dies ist insbesonderefür Projekte der Gesundheitsförderung und Prävention rele-vant (langfristiger Projekterfolg und möglichst dauerhafterProjektnutzen). Darüber hinaus kann sich die nachhaltigeWirkung auf die individuelle (persönliche) Entwicklung derProjektbeteiligten bzw. Zielgruppe, auf die strukturelle (insti-tutionelle) Stabilisierung von Veränderungen oder auf dieWeiterentwicklung bestimmter Projektinhalte (aufgreifen)sowie auf die kontinuierliche Fortführung als Dauereinrich-tung (Verstetigung) beziehen.

1. Dimensionen in der integralen Projektmethodik: Handelnin Projekten findet in verschiedenen Dimensionen parallelstatt (Abb. 4) – dabei greifen die Dimensionen ineinander,beeinflussen sich wechselseitig und sind im Rahmen derProjektsteuerung aktiv zu gestalten (vgl. Willener 2007,S. 108 ff.). Das Modell versucht, die Komplexität undDynamik von Projekten darzustellen – die verschiedenenDimensionen drehen sich dabei „um den Kern der Pro-jektidee mit seinen Zielen [. . .]. All diese Dimensionensind gleichzeitig in Bewegung und [. . .] beeinflussen sichwechselseitig“ (Willener 2007, S. 109).

2. Prozesse in der integralen Projektmethodik: Projekte soll-ten immer zielorientiert arbeiten und ergebnisorientiertausgerichtet sein. Im Rahmen der integralen Projektme-thodik wird auf das besondere Verhältnis von Projektzie-len zu den jeweiligen Projektphasen hingewiesen (Abb. 5).

In der Phase der Projektdefinition (1) sind die Aktivitätenauf die Festlegung der Projektziele ausgelegt, bei der Pro-jektkonzeption (2) und Projektumsetzung (3) sind die Akti-vitäten auf das Erreichen der Projektziele ausgerichtet, in derPhase der Projektevaluation (4) erfolgt eine Bewertung undÜberprüfung der Projektzielerreichung (Effektivität undEffizienz des Projekterfolgs).

Das Modell der integralen Projektmethodik umfasst dieElemente (Abb. 6):

• Phasen des Projektablaufs• Schritte im Projektverlauf• Kernfunktionen der Projektmethodik

Dabei wird von vier (bzw. gegebenenfalls fünf) Phasenausgegangen und es werden diesen Phasen insgesamt zwölfSchritte im Projektablauf zugeordnet. Darüber hinaus wer-den die beiden Kernfunktionen mit der Projektintervention(inhaltliche Aufgaben, Strategien und Methoden) und demProjektmanagement (funktionale Aufgaben, Führung undLeitung) in den Projektverlauf integriert: Dabei gilt, „dassdas Projektmanagement in allen Projekten in den verschie-densten Arbeitsfeldern die in etwa gleichen Aufgaben –wennauch in unterschiedlichster Ausprägung – umfasst. Demge-genüber ist die Projektintervention in jedem Projekt sehrspezifisch und unterscheidet sich je nach Ausgangslage,Thema und Umsetzung beträchtlich von anderen Projekten“(Willener 2007, S. 115).

Zwei Beispiele erläutern konkret den Ansatz des Modellsund verdeutlichen den Charakter der Verzahnung von (paral-lel zu bewältigenden) Aktivitäten der Projektintervention undAufgaben des Projektmanagements (vgl. Willener 2007,[Beilage]):

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• In der Phase der Konzeption wird im Schritt Situations-analyse Kontakt mit den Anspruchsgruppen, den Adres-satinnen und Adressaten aufgenommen (Ebene derProjektintervention), gleichzeitig werden die einzelnenSchritte der Erhebungen geplant (Ebene des Projektma-nagements).

• In der Phase der Umsetzung stehen im Schritt Umset-zungsaktivitäten sowohl bei der Projektintervention(Kernfunktion I) als auch beim Projektmanagement(Kernfunktion II) spezifische Aufgaben an – während beider Projektintervention der optimale Einbezug aller Betei-ligten, der Anspruchsgruppen, der Partner gewährleistetsowie die Selbständigkeit und Selbsttätigkeit der Beteilig-ten gefördert wird, werden beim Projektmanagement dieUmsetzungsaktivitäten laut Planung ausgelöst.

3.2 Instrumente der Qualitätsentwicklungund Verfahren der Projektabwicklung

Die Gesundheitsförderung Schweiz (2010, S. 39) stellt einenumfassenden Rahmen für das Projektmanagement und dieQualitätsentwicklung in der Prävention und Gesundheitsför-derung vor – fügt dabei verschiedene Systeme (z. B. Quali-tätssysteme bzw. Qualitätsmanagementsysteme oder spezifi-sche Qualitätssysteme) und unterschiedliche Modelle (z. B.zyklische Modelle oder Wirkungsmodelle bzw. Ergebnismo-delle) ein, bezieht darauf die Referenzebenen (z. B. Gesell-schaft – Organisation, Programme – Projekte) bzw. dieManagementebenen (z. B. Organisationsmanagement – Inter-ventionsmanagement – Projektmanagement) und richtet diesauf den Zweck des Vorhabens eines speziell für die Gesund-

Projektverlauf | Projektphasen Zielrichtung

Projektinhalt

Ziele

Projektbeteiligte

Projektprinzipien

Projektmanagement

Projektintervention

Projektkultur

Projektressourcen

ProjektumfeldAbb. 4 Das integrale Modell(I) – Dimensionen imProjektverlauf. (Nach Willener2007, S. 109)

Projektziele

Projektdefinition

Projektkonzeption

Projektumsetzung

Projektevaluation

1

2

3

4

festlegen

erreichen

erreichenüberprüfen

Abb. 5 Projektziele undProjektphasen – derZusammenhang. (Nach Willener2007, S. 38)

Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung 13

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heitsförderung und Prävention entwickelten Verfahrens einesqualitätsorientierten Projektmanagements aus („gute Praxis“durch einen Handlungsrahmen) (vgl. Kolip et al. 2012).

Diesbezüglich werden kaskadenartig zunächst ein konkre-tes Arbeitsinstrument und dann das umfassende Qualitätsver-fahren vorgestellt. Danach wird auf einer übergeordnetenEbene sowohl auf ein komplexes Wirkungsmodell als auchauf den normativen Handlungsrahmen eingegangen.

Zum konkreten ArbeitsinstrumentGrundlage für die (strategische) Planung und Durchführungvon Projekten der Gesundheitsförderung und Prävention bie-tet ein praktikables Arbeitsinstrument, das sich am PublicHealth Action Cycle (PHAC) und seinen vier Phasen orien-tiert (vgl. Ruckstuhl et al. 2008, S. 4 ff.):

• Phase 1 | Erfassung und Analyse gesundheitspolitischerProblemlagen der Bevölkerung

• Phase 2 | Entwicklung von gesundheitspolitischen Inter-ventionsstrategien

• Phase 3 | Umsetzung dieser Strategien im Gesundheits-system

• Phase 4 | Prüfen der Akzeptanz und Wirksamkeit

Diese Phasen werden auf die Projektebene übertragen –dabei gibt es zu jeder Phase eine zentrale Leitfrage, die zubeantworten ist; spezifische Inhalte (Themen), die zu berück-sichtigen sind und wiederum dazu (detaillierte) handlungs-leitende Fragen zur Orientierung:

• In Phase 1 lautet die Leitfrage „Welche Informationensind erforderlich, um eine Intervention zu legitimieren?Anhand welcher Kriterien wird das Zielpublikum festge-legt?“; bei den Inhalten geht es um die Dokumentationeines Gesundheitsproblems, um die Sensibilisierung fürein Gesundheitsproblem und um eine erste Annäherung anden Lösungsansatz (was die Intervention bewirken soll).

• In Phase 2 ist die Leitfrage „Was kann bei der Entwick-lung einer Intervention alles schief laufen?“; die Inhalteder zweiten Phase beziehen sich auf die Situationsanalyse(z. B. gesellschaftliche Ebene oder individuelle Ebene),auf die Vernetzung, auf das Konzept (z. B. Zielsetzung,Strategie oder Projektantrag) und auf die Finanzen.

• Phase 3 „beinhaltet die Durchführung einer Interventionund erfordert Kenntnisse der Dynamik interaktiver Pro-zesse des Projekt-, Konflikt- und Qualitätsmanagements“(Ruckstuhl et al. 2008, S. 27). Die Leitfrage lautet des-

Kernfunktion IIPhasen Kernfunktion I Schritte

Ausgangslage | Vorentscheid

Denkprozess | Vorarbeiten

Situationsanalyse

Zielsetzung

Umsetzungsstrategie

Umsetzungsplanung

Umsetzungsaktivitäten

Umsetzungssteuerung

Nachhaltigkeit

Evaluation

Konzeption

Umsetzung

Abschluss

Anstoß | AnfrageVorprojekt

Projektintervention

InhalteBeteiligteAktivitäten

________________Gesundheitsförderung

Prävention

Projektmanagement

PlanungSteuerung

Organisation

________________FührungLeitung

FolgeaktivitätenNachprojekt

Projektbeteiligte | Zielgruppen | Projektorganisation

Abb. 6 Das integrale Modell (II) – Prozesse im Projektverlauf. (Nach Willener 2007, S. 112)

14 T. Rosenthal

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halb: „Unter welchen Bedingungen kann eine Interventionmöglichst erfolgreich durchgeführt werden?“; die Inhalteder dritten Phase beziehen sich neben dem Projektma-nagement auf die Kommunikation und das Controlling –der Bereich des Projektmanagements „beinhaltet dieUmsetzung vom Konzept in die Praxis. Das Projektma-nagement ist die Kunst, die Intervention so durchzufüh-ren, dass man dem Ziel möglichst nahe kommt. Dabei gehtes darum, auf dem Weg zum Ziel die auf verschiedenenEbenen entstehenden Schwierigkeiten und Hindernisse zubewältigen“ Ruckstuhl et al. 2008, S. 28).

• In der Phase 4 beschäftigt man sich mit der Leitfrage „Wieerfolgreich ist die Intervention?“; die Inhalte beziehen sichhier auf die Wirkungen der Intervention (Outcome), aufdie Kosten-Nutzen-Analyse und auf den Umgang mit denResultaten.

Zum umfassenden QualitätsverfahrenDas Modell der Gesundheitsförderung Schweiz (Quint-essenz) ist ein webbasiertes Qualitätssystem (Plattform), dasdie Grundätze und Prinzipien der Gesundheitsförderung undPrävention mit den Methoden und Instrumenten des Projekt-managements sowie der Qualitätsentwicklung verbindet (vgl.Gesundheitsförderung Schweiz 2010, 2016, 2018; Studerund Ackermann 2009; Kolip et al. 2012, S. 71 ff.).4 Dazuwerden „Kriterien für eine systematische Planung, Reflexionund Bewertung der Qualität von Projekten [. . .] der Gesund-heitsförderung und Prävention zur Verfügung“ gestellt (Ge-sundheitsförderung Schweiz 2018, S. 6).

Das Modell der Gesundheitsförderung Schweiz unter-scheidet zwischen Qualitätskriterien bzw. Qualitätsindikato-ren für Programme und für Projekte. Das Konzept zur Qua-litätsentwicklung von Projekten in der Prävention undGesundheitsförderung gliedert sich in sechs Bereiche mitfünf Phasen (Abb. 7) – dem Kernbereich Gesundheitsförde-rung und Prävention sind Grundsätze und Handlungsprinzi-

pien zugeordnet, den einzelnen Phasen Projektbegründung –Projektplanung – Projektorganisation – Projektsteuerung –Projektevaluation werden wiederum Qualitätskriterien zuge-wiesen.

Die Qualitätskriterien orientieren sich einerseits an denGrundsätzen der Gesundheitsförderung (umfassendes Ge-sundheitsverständnis und Vielfalt der Wirkungsebenen, ge-sundheitsförderliche Perspektive und Ressourcenorientie-rung) und andererseits an den Handlungsprinzipien derGesundheitsförderung (befähigen, beteiligen, kontextuelleBedingungen berücksichtigen, gesundheitliche Chancen-gleichheit fördern) (vgl. Kolip et al. 2012, S. 93 ff.).

Die Kriterien für Projekte gliedern sich in zwei Teile: der„erste Teil umfasst das Bewertungsprofil mit den Qualitäts-kriterien, in welchem die Bewertungen zu den Kriterienerfasst, Stärken und Verbesserungspotenziale priorisiert undQualitätsziele sowie davon abgeleitete Maßnahmen definiertwerden. Der zweite Teil enthält die detaillierten Kriterien mitden dazugehörenden Indikatoren“ (GesundheitsförderungSchweiz 2018, S. 11).

Die Qualitätskriterien und die Indikatoren sind jedochnicht den fünf Projektphasen zugeordnet, sondern es wirdhier zwischen drei Phasen unterschieden (Tab. 2 und 3):Konzeption (KO) – Implementierung (IM) – Valorisierung(VA). Die Bewertung der einzelnen Kriterien bzw. Indikato-ren erfolgt mittels dieser standardisierten Vorlage auf derBasis einer vierstufigen Skala (�|�|+|++); zusätzlich gibt espro Kriterium noch ein Bemerkungsfeld für ergänzende Ein-tragungen, bestimmte Indikatoren können (je nach Situation)aber auch stärker gewichtet und die Bewertungen können vonverschiedenen Projektbeteiligten kontrastierend vorgenom-men werden (Netzdiagramm) – z. B. einerseits durch dieProjektleitung und andererseits durch ein Projektteammit-glied (vgl. Gesundheitsförderung Schweiz 2018, S. 13 ff.).„Auf der Grundlage der Reflexion und des Bewertungsprofilslassen sich die Stärken des Projekts [. . .] sowie die wichtigs-ten Verbesserungspotenziale identifizieren und beschreiben“(Gesundheitsförderung Schweiz 2018, S. 17).

Während die Erstellung des Bewertungsprofils auf derBasis der 20 Kriterien erfolgt, sind für eine differenzierteAnalyse und Reflexion der Projektphasen insgesamt 72 Indi-katoren zu berücksichtigen – pro Kriterium drei bis vierIndikatoren (vgl. Gesundheitsförderung Schweiz 2018,S. 41 ff.; Ackermann und Studer 2006).

Zum komplexen WirkungsmodellBei Projekten in der Prävention und Gesundheitsförderunghandelt es sich „um anspruchsvolle Eingriffe in komplexeSysteme, die ihre Wirkungen häufig erst längerfristig entfal-ten“ (Ackermann 2005, S. 14). Das Swiss Model of OutcomeClassification (SMOC) macht Zusammenhänge und Wir-kungsweisen von Gesundheitsförderung und Präventionnachvollziehbar – dabei kann das Wirkungsmodell bzw. Er-

4Dieses Qualitätssystem (Quint-essenz) ist auch in Deutschland adap-tiert, seinerzeit (2008–2010) vom Bundesministerium für Gesundheit(BMG) gefördert und von der Landesvereinigung für Gesundheit Bre-men e. V. mitgetragen worden. Eberhard (2011) legt diesbezüglich eineBroschüre zur „Einführung in Grundtechniken des Projektmanagementsund der Qualitätsentwicklung in Gesundheitsförderung und Prävention“vor – die Arbeitshilfe geht besonders auf die vier Basistechniken ein(Ziele eingrenzen, Indikatoren identifizieren, Strategien bestimmen,Maßnahmen entwickeln) und zeigt die Anwendung in Hinblick auf dieQualitätsinstrumente auf (Evaluation planen, Projekt steuern). „Verfah-ren des Projektmanagements und der Qualitätsentwicklung sind daraufausgerichtet, allen Projektbeteiligten eine Planungs- und Strukturie-rungshilfe anzubieten“ (Eberhard 2011, S. 6) – ein qualitätsgesichertesProjektmanagement hat dabei bestimmte Standards zu berücksichtigenwie z. B. ein schlüssiges Konzept, die begründete Eingrenzung derZielgruppe, konkrete Ziele, einen klaren Projektauftrag, die zeitlichePlanung der Aufgaben oder die fundierte Sicherung der Projektergeb-nisse (vgl. Eberhard 2011, S. 6).

Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung 15

Page 16: Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung · aus der Gesundheitsförderung und Prävention auf die Pro-jektarbeit und das Projektmanagement abzuleiten und zu

gebnismodell als „gemeinsame Reflexionsfolie verstandenwerden, die hilft, systematisch über die Zielerreichung vonProjekten nachzudenken“ (Ackermann 2005, S. 14).

Die Anwendungsmöglichkeiten des Ergebnismodells be-ziehen sich dabei erstens auf die Analyse der Situation (z. B.Wo ist ein spezifisches Gesundheitsproblem zu verorten? Woerzielen andere Akteure bereits Wirkungen?), zweitens auf

die Planung der Intervention (z. B. Wie kann das Gesund-heitsproblem der Zielgruppe vermindert werden? In welchenKategorien sollen Ziele gesetzt werden?) und drittens auf dieEvaluation des Projektes (Was hat dazu beigetragen, dasGesundheitsproblem der Zielgruppe zu vermindern? In wel-chen Kategorien lassen sich Ergebnisse verzeichnen?).

Grundsätze

GesundheitsförderungPrävention

Handlungsprinzipien

1 | Projektbegründung

2 | Projektplanung

3 | Projektorganisation

5 | Projektevaluation

4 | Projektsteuerung

1.1 Bedarfsnachweis1.2 Bedürfnisse | Lebensweise1.3 Lernen aus Erfahrungen1.4 Rahmenbedingungen1.5 Strategische Einbettung

2.1 Vision | Ziele2.2 Settings | Zielgruppen2.3 Vorgehensweise2.4 Nachhaltige Wirkungen2.5 Ressourcen

Evaluation 5.1Zielerreichung | Verankerung 5.2

Transfer | Multiplikation 5.3

3.1 Struktur3.2 Qualifikation3.3 Vernetzung | Koordination3.4 Zusammenarbeit

Reflexion 4.1Dokumentation 4.2Kommunikation 4.3

Abb. 7 Projektphasen – Modell der Gesundheitsförderung Schweiz. (Nach Gesundheitsförderung Schweiz 2018, S. 10)

Tab. 2 Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für Projekte – Beispiel I. (Nach Gesundheitsförderung Schweiz 2018, S. 43)

Phase 2 | Projektplanung Einordnung Skala

Kriterium 2.1 | Vision und Ziele KO IM VA � � + ++

Das Projekt hat eine Vision und wirkungsorientierte, überprüfbare Ziele □ □ □ □

Die Ziele sind aus der Projektbegründung nachvollziehbar abgeleitet X □ □ □ □

Die Ziele sind in Bezug auf die . . . Zielgruppen wirkungsorientiert X □ □ □ □

Alle Ziele sind spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realistisch, terminiert X □ □ □ □

Bemerkungen: . . .

Tab. 3 Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für Projekte – Beispiel II. (Nach Gesundheitsförderung Schweiz 2018, S. 47)

Phase 4 | Projektsteuerung Einordnung Skala

Kriterium 4.3 | Kommunikation KO IM VA �� � + ++

Die interne und externe Kommunikation ist zielgerichtet □ □ □ □

Es ist verbindlich geregelt, wie der Austausch unter den Projektbeteiligten erfolgen soll und wer,wann, wen, wie, worüber informiert

X X X □ □ □ □

isAustausch und Information sind effizient und für alle Projektbeteiligten zufriedenstellend (z. B.relevante Informationen, richtiger Zeitpunkt)

X X X □ □ □ □

Inhalte der externen Kommunikation (Botschaften, Erkenntnisse) werden adressatengerechtaufbereitet und über geeignete Kanäle verbreitet

X X □ □ □ □

Bemerkungen: . . .

16 T. Rosenthal

Page 17: Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung · aus der Gesundheitsförderung und Prävention auf die Pro-jektarbeit und das Projektmanagement abzuleiten und zu

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Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung 17

Page 18: Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung · aus der Gesundheitsförderung und Prävention auf die Pro-jektarbeit und das Projektmanagement abzuleiten und zu

Das Ergebnismodell gliedert sich auf der vertikalen Achsein Maßnahmen der Gesundheitsförderung [A] und in dieErgebnisse [B–D]. „Die letztlich angestrebten Ergebnisseder Gesundheitsförderung und Prävention – die Verbesserungder Gesundheit der Bevölkerung – befinden sich auf derEbene D. Die Ebene C umfasst die Gesundheitsdeterminan-ten, [. . .] jene Faktoren, von denen man weiß, dass sie dieGesundheit beeinflussen. Auf der Ebene B werden Ereignisseerfasst, die diese Gesundheitsdeterminanten positiv beein-flussen sollen“ (Ackermann 2005, S. 15). Auf der horizonta-len Ebene können die Ergebnisse auf die vier verschiedenenBereiche Infrastrukturen und Dienstleitungen (Ackermann2005), (legislative) Administration, Organisation und Netz-werke (Ackermann und Studer 2006), Gruppen, Gemein-schaften und Bevölkerung (Alter 2016) sowie Individuen(Baumgartner und Sommerfeld 2012) bezogen werden(Abb. 8).

DieMatrix hat bei den Einflussfaktoren auf die Gesundheit[B] insgesamt 17 Einzelkategorien [z. B. B1.1 ¼ Bekanntheitdes Angebots oder B3.2 ¼ Mitarbeit neuer Akteure], bei denDeterminanten der Gesundheit [C] insgesamt 8 Einzelkatego-rien [z. B. C2.2 ¼ Soziales Klima] – die Gesundheit derBevölkerung [D] wird unter den beiden Aspekten einer gestei-gerten gesunden Lebenserwartung bzw. gesundheitsbezoge-nen Lebensqualität und einer verminderten Morbidität bzw.vorzeitigen Mortalität erfasst (vgl. GesundheitsförderungSchweiz 2005). Mit dem Modell können Wirkungen, Wir-kungsvoraussetzungen und Wechselwirkungsprozesse sowohlauf der vertikalen Ebene als auch auf der horizontalen Ebenebzw. auf der zeitlichen Achse abgebildet werden. Das Ergeb-nismodell reduziert natürlich die (tatsächliche) Komplexitätder Wirklichkeit, „um sie damit fassbar zu machen. Die He-rausforderung in der Anwendung ist es, Schlüsselelemente zuerkennen und zu analysieren, mit dem Ziel, Erkenntnisse zurOptimierung von Maßnahmen zu gewinnen. [. . .] Eine Grenzedes Modells liegt darin, dass es nicht für die Evaluation vonProzessen konzipiert ist“ (Ackermann 2005, S. 17).

BeispielFür die Anwendung (vgl. Ackermann 2005, S. 16 f.): Beieiner Interventionsplanung mit dem Ergebnismodell wer-den beispielsweise zuerst die längerfristigen Wirkungen(Visionen) den entsprechenden Bereichen und Einzelkate-gorien zugeordnet [z. B. Schülerinnen und Schüler ernäh-ren sich gesünder und bewegen sich mehr ¼ C3.2].Danach werden die gesundheitsrelevanten Projektziele indas Ergebnismodell eingetragen und jedes Projektzielgenau einer Einzelkategorie zugordnet [z. B. 90 % derLehrerinnen und Lehrer wissen um die Einflüsse desUmfeldes auf das Ernährungs- und Bewegungsverhaltenund sind in der Lage, dieses Wissen im Rahmen der

Schulentwicklung und im Unterricht umzusetzen ¼B1.5]. Im dritten Schritt „können die wichtigsten Zusam-menhänge zwischen den Projektzielen und den längerfris-tigen Wirkungen reflektiert und eingetragen werden.Diese Zusammenhänge sollen plausibel nachvollziehbarsein und soweit möglich empirisch oder theoretisch bzw.wissenschaftlich begründet werden“ (Ackermann 2005,S. 16).

Zum normativen HandlungsrahmenDer von der Gesundheitsförderung Schweiz (2010) bereitge-stellte Leitfaden bietet als normativen Handlungsrahmen eineOrientierung für ein optimales (und wissenschaftlich fundier-tes) Handeln in Projekten zur Gesundheitsförderung undPrävention. Mit der Handreichung sollen zentrale Fragenbeantwortet werden (vgl. Gesundheitsförderung Schweiz2010, S. 8): Wie kann das wissenschaftliche Wissen für diePraxis genutzt werden? Wie kann das Praxiswissen in derWissenschaft besser genutzt werden? Wie kann dieser Trans-fer genügend berücksichtigt werden?

Der Leitfaden berücksichtigt diesbezüglich „systematischdie Werte und Prinzipien von Gesundheitsförderung undKrankheitsprävention“ und baut „auf dem aktuellen wissen-schaftlichen Wissen“ auf (Expertenwissen, Erfahrungswis-sen), beachtet den relevanten Kontext und möchte die„beabsichtigten positiven Wirkungen bei gleichzeitiger Ver-meidung negativer Wirkungen“ erreichen (Gesundheitsförde-rung Schweiz 2010, S. 11):

• Zu denWerten zählen Prinzipien und ethische Grundlagenin der Gesundheitsförderung und Prävention (wie z. B.gleiche Rechte, soziale Verantwortung; Autonomie, Ge-rechtigkeit, Transparenz, Nachhaltigkeit).

• Zum Wissen gehören das wissenschaftliche Wissen (wiez. B. das themenspezifische Wissen in Hinblick auf Ge-sundheitsförderung und Prävention, das themenunspezifi-sche Wissen beispielsweise in Hinblick auf Projekt-management oder Qualitätsentwicklung), das (spezielle)Expertenwissen und das Erfahrungswissen (aus der Pra-xis).

• Zum Kontext zählen verschiedene Faktoren, die auf unter-schiedlichen Ebenen angesiedelt sind: allgemeine Fakto-ren beziehen sich z. B. auf soziale, politische odersozioökonomische Gegebenheiten bzw. Grundlagen (inHinblick auf das internationale, nationale, regionale,lokale und institutionelle Umfeld), eine weitere Ebenebetrifft Faktoren wie z. B. die Kapazitäten bzw. Ressour-cen für Projekte in der Prävention und Gesundheitsförde-rung, die für eine „nachhaltige und wirkungsvolle gesund-heitsfördernde und krankheitsvorbeugende Interventionwichtig sind“ (Gesundheitsförderung Schweiz 2010,

18 T. Rosenthal

Page 19: Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung · aus der Gesundheitsförderung und Prävention auf die Pro-jektarbeit und das Projektmanagement abzuleiten und zu

S. 18), darüber hinaus sind noch die engeren Umgebungs-faktoren wie z. B. die konkreten Lebensbedingungen derAnspruchsgruppen bzw. Zielgruppen (und deren Erwar-tungen und Möglichkeiten) zu berücksichtigen (vgl. Ge-sundheitsförderung Schweiz 2010, S. 13 ff.).

Projekte in der Prävention und Gesundheitsförderung„sind Interventionen in komplexe soziale Systeme. Solcheumfassenden Prozesse solide zu begründen, zu planen underfolgversprechend umzusetzen und zu evaluieren, setzt wis-senschaftlich fundierte Aussagen voraus, die systematischgesichtet und gezielt genutzt werden“ (GesundheitsförderungSchweiz 2010, S. 14). Das optimale (praktische) Handeln inProjekten der Gesundheitsförderung und Prävention stütztsich auf einen zweifachen Wissenszyklus (Abb. 9).1. Im direkten (unmittelbaren) Wissenszyklus wird auf der

einen Seite aktuelles Wissen aus der Forschung für daswissensbasierte Handeln in der Praxis (in Projekten derGesundheitsförderung und Prävention) benötigt – Wissenin die Praxis; auf der anderen Seite wird Wissen aus

Projekten der Gesundheitsförderung und Prävention(z. B. durch solide Evaluationen oder vergleichende Ana-lysen) generiert und der Forschung zur Verfügung gestellt– Wissen aus der Praxis. Zusätzlich wirkt auch ein Erfah-rungsaustausch sowohl innerhalb der Praxis bzw. inner-halb der Forschung als auch zwischen Praktikern undWissenschaftlern in Hinblick auf Projekte (bzw. Interven-tionen) in der Prävention und Gesundheitsförderung un-terstützend.

2. Im indirekten (mittelbaren) Wissenszyklus wird neuesWissen aus Projekten bzw. Interventionen in Präventionund Gesundheitsförderung (Praxis) bzw. neues Wissenüber Projekte bzw. Interventionen in Prävention und Ge-sundheitsförderung (Forschung) systematisch und wissen-schaftlich fundiert (evident) gewonnen. Damit verbundenist einerseits eine Evidenz in die Praxis (Wissen aufberei-ten – wissenschaftliche Studien bzw. Evaluationsstudienfür die Praxis implementieren) und andererseits eine Evi-denz aus der Praxis (Wissen teilen – Ergebnisse von

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beurteilen

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Abb. 9 Wissenszyklus – der Gesundheitsförderung Schweiz. (Nach Gesundheitsförderung Schweiz 2010, S. 15, 16, 37)

Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung 19

Page 20: Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung · aus der Gesundheitsförderung und Prävention auf die Pro-jektarbeit und das Projektmanagement abzuleiten und zu

Evaluationsstudien aus der Praxis bzw. wissenschaftlicherBegleitforschung der Praxis publizieren).5

4 Zusammenfassung

Mit (projektbezogenen) Interventionen der Gesundheitsför-derung und Prävention sind besondere Herausforderungenverbunden wie eine hohe Komplexität, ehrgeizige Ansprü-che, zahlreiche Interessengruppen bzw. etliche Berufsgrup-pen, vielfältige Erwartungen, multifaktorielle Ursachen undWirkungen, hohe Dynamik oder unkalkulierbare Entwick-lungen (vgl. Kolip et al. 2012, S. 7 ff., 235 ff.). Eine syste-matische Qualitätsentwicklung hilft, „die sich stellendenSchwierigkeiten gezielter anzugehen, blinde Flecken undinnere und äußere Widerstände rechtzeitig zu erkennen, dieProjektarbeit besser zu organisieren, die Planung auf wir-kungsorientierten Zielen aufzubauen und Strategien undMaßnahmen zu formulieren, um diese Ziele auf eine effizi-ente Art und Weise zu erreichen. Eine kohärente Konzeptionund gezielte Umsetzung unterstützen die Wahrscheinlichkeit,die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit einer Intervention zuerhöhen“ (Kolip et al. 2012, S. 236).

Das vorgestellte Verfahren eines qualitätsorientierten Pro-jektmanagements „löst nicht die Probleme, die im Rahmen vonProjektarbeit entstehen können, es liefert auch keine Rezepte,aber es hilft bei der Bewältigung der Aufgaben und Herausfor-derungen, weil es Akteure darin unterstützt, die wichtigstenAspekte eines Projektes systematisch im Auge zu behalten“(Kolip et al. 2012, S. 236). Der Nutzen einer systematischenQualitätsentwicklung im Rahmen des Projektmanagements inder Prävention und Gesundheitsförderung wird darin gesehen,dass sich damit der Umgang mit Komplexität verändert (bzw.verbessert), sich die Projektsteuerung präziser gestalten lässt,ein (positives) gemeinsames Verständnis gefördert wird, die

Ressourcen (personell, materiell, finanziell) realistischer einge-schätzt werden können, sich die Transparenz (für alle Beteilig-ten) erhöht, eine kritische bzw. konstruktive Reflexionskulturetabliert werden kann, kreative Ideen entfaltet und neueAnsätze bzw. neue Methoden ausprobiert werden können undsich die Chancen für Nachhaltigkeit erhöhen; darüber hinauskann die Qualitätsentwicklung (individuelle und kollektive)Lernprozesse unterstützen und kann als Strategie zur Qualifi-zierung und Professionalisierung der Projektbeteiligten verstan-den werden. Dabei sollte die „Qualitätsentwicklung in derPraxis als notwendiger und selbstverständlicher Teil professio-neller Projektarbeit verstanden werden“ (Kolip et al. 2012,S. 239).

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5 Zu den Begrifflichkeiten: Unter einer Evidenzbasierten Praxis (EbP)verstehen Baumgartner und Sommerfeld (2012) einen Forschungsan-satz, der Untersuchungsergebnisse (Evidenz) unter wissenschaftlichenBedingungen erzeugt und dann in die Praxis deduktiv überträgt, imForschungsansatz der Praxisbasierten Evidenz (PbE) werden die Unter-suchungsergebnisse unter realen Praxisbedingungen induktiv erzeugtund dann im nächsten Schritt verallgemeinert (vgl. Baumgartner undSommerfeld 2012). Evidenzbasierte Praxis greift (extern) gewonneneUntersuchungsergebnisse (z. B. empirische Studien) auf, um im Kontextder eigenen Berufspraxis entsprechende wissenschaftlich fundierte Ent-scheidungen treffen zu können (z. B. Behandlungsleitlinien in der medi-zinischen Versorgung). Praxisbasierte Evidenz geht davon aus, „dassWissen über praktisches Handeln im spezifischen Kontext des Berufs-alltags entsteht. Dieses Wissen entwickelt sich dadurch weiter, dassPersonen miteinander interagieren, die in diesem Kontext eine wichtigeRolle spielen“ (Donk et al. 2014, S. 32). Die Praxisbasierte Evidenz„orientiert sich an der realen Praxis und fordert die Handelnden auf, ihrePraxis und die wahrgenommenen Auswirkungen explizit darzulegenund zu überprüfen“ (Donk et al. 2014, S. 32).

20 T. Rosenthal

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Projektmanagement in der Prävention und Gesundheitsförderung 21