realitätscheck für den klimaschutz
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Wissenschaftler, Medien und Politiker scheinen sich einig: Der Klimawandel ist Realität und der Mensch ist schuld daran. Es muss etwas geschehen – koste es, was es wolle. Doch der Schein trügt: Noch steckt die Klimaforschung in den Kinderschuhen, kämpft mit ungenauen Daten und einer Natur, die sich auch mit den komplexesten Modellen nicht zufriedenstellend beschreiben lässt. Zukunftsprognosen bleiben Kaffeesatzleserei.Angesichts dieser Unsicherheiten zerbrechen sich die Experten den Kopf, wie dem Problem Herr zu werden ist. Für die einen steht das Klima und damit die Zukunft von Natur und Menschheit auf dem Spiel, die anderen sehen in klimapolitischem Aktionismus eine Gefahr für Wohlstand und Entwicklung. Folglich wird auf dem Basar der internationalen Klimapolitik von der Beschleunigung des grünen Wachstumsmotors bis zum kräftigen Tritt auf die Klimaschutzbremse alles feilgeboten. Kein Wunder, dass die Verhandlungen feststecken.Nur ein Realitätscheck kann die Situation noch retten. Die Wirtschaftswissenschaftler Ross McKitrick und Manuel Frondel decken im Buch 'Realitätscheck für den Klimaschutz – Globale Klimapolitik zwischen Anspruch und Wirklichkeit' unangenehme Wahrheiten auf und weisen einen Weg aus der Sackgasse der Klimapolitik.Herausgeber sind Steffen Hentrich (Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit) und Holger Krahmer.TRANSCRIPT
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Realitätscheck
für denKlimaschutz
Herausgeber
Steffen HentrichHolger Krahmer
Globale Klimapolitik zwischen Anspruch und Wirklichkeit
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Realitätscheck fürden Klimaschutz
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Realitätscheck fürden Klimaschutz
Herausgeber
Steffen HentrichHolger Krahmer
Globale Klimapolitik zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Die EU-Klimapolitik:Teuer und ineffektiv
Manuel Frondel
Eine vernünftigeKlimapolitikin einer Welt vollerUnsicherheiten
Ross McKitrick
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© 2011
Die Autoren und Herausgeber
Herausgeber
Steen Hentrich
Holger Krahmer
Autoren
Ross McKitrick
Manuel Frondel
Titelgestaltung, Layout, Satz
RAUM II
Agentur ür visuelle Kommunikation
Christoph Jahn | Frank Ekelmann
www.raum-zwei.com
Übersetzung aus dem Englischen
Tanja Felder
www.sprachelder.de
Lektorat
Ewald Oetzel
Druck
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www.oebo.de
Papier
Inhalt: Probulk 1.3, 115 g/m²
Bezug: Prosilk, 140 g/m²
Steffen Hentrich
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Reerent | Senior Research Fellow
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14482 Potsdam
Teleon +49 331 7019129
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Printed in Germany
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Inhalt
Vorwort 7
Eine vernünftige globale Klimapolitik 13
in einer Welt voller Unsicherheiten
Ross McKitrick
1. Einleitung 15
2. Theoretische Grundlagen der Klimapolitik 29
3. Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens 47
4. Die Berücksichtigung neuer Erkenntnisse 79
bei der Gestaltung küntiger Emissionspreise
5. Schlussolgerungen 91
Literatur 95
Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineffektiv 103
Manuel Frondel
1. Einleitung 105
2. Der geringe Eekt der 109
Treibhausgasminderungspolitik der EU
3. Kontraproduktive internationale Rückwirkungen 119
4. Mangelnde Kostenezienz der 123
Treibhausgasminderungspolitik der EU
5. Schlechte Chancen ür ein globales 135
Klimaabkommen zur Treibhausgasminderung
6. Erolgsträchtigere Alternativen 141
7. Anpassung an die globale Erwärmung 149
8. Zusammenassung und Schlussolgerung 155
Literatur 159
Die Autoren und Herausgeber 167
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Vorwort
Vorwort
Steffen Hentrich | Holger Krahmer
Die derzeitige klimapolitische Diskussion geht von der Prämisse aus,
dass die wissenschatlichen Erkenntnisse über das globale Klima undden darau wirkenden Einfuss des Menschen hinreichend sind, um da-
raus schon heute klare Handlungsempehlungen ür eine langristige
Klimapolitik ableiten zu können. Ebenso vorherrschend ist der Glaube,
dass internationale Abkommen möglich und derzeit praktizierte und
geplante Klimaschutzmaßnahmen wirksam sind. Bei näherer Betrach-
tung wird jedoch die Realitätserne dieser Annahmen oensichtlich.
Tatsächlich gehen die Einschätzungen über die Validität der herrschen-den wissenschatlichen Lehre über die Ursachen und das Ausmaß des
Klimawandels unter den Experten der unterschiedlichsten wissen-
schatlichen Disziplinen weit auseinander. Um Klimamodelle und Kli-
madaten gibt es einen intensiven wissenschatlichen Disput.
Doch nicht nur die naturwissenschatliche Dimension des Klima-
wandels ist heiß umstritten, sondern auch die Frage nach einer ange-
messenen Reaktion au die globalen Klimaveränderungen und die ge-
eignete Implementierung klimapolitischer Maßnahmen. Obwohl sich
Klimawissenschatler ebenso wie Umweltpolitiker der herrschenden
Unsicherheiten bewusst sein sollten, werden die damit verbundenen
Herausorderungen ür die menschliche Handlungsähigkeit in der
internationalen Klimapolitikarena selten zugegeben. Hinter dieser
Kulisse der Sicherheit sind die unterschiedlichsten Interessengruppen
schon längst dabei, die Löcher der wissenschatlichen Erkenntnis mit
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den notwendigen Zutaten ür die Durchsetzung ihrer eigenen Interes-
sen zu stopen. Kein Wunder, dass es dem Sammelsurium der derzei-
tig praktizierten Klimaschutzinstrumente an Eektivität und Ezienz
ehlt. Selbst in der heilen Welt des Klimakonsenses kommt man nicht
umhin, die Risse in der Fassade der wackligen Konstruktion internati-
onaler Vereinbarungen anzuerkennen. Wo politische Entscheidungslo-
gik, Lobbyismus und der Glaube an eine ökologisch motivierte Wirt-
schatslenkung geprägte Ideologie regiert, ist wenig Platz ür Rationali-
tät und wirtschatliche Freiheit.
Rationale Klimapolitik muss sich der Herausorderung der natur-
wissenschatlichen und sozioökonomischen Unsicherheiten stellen,nicht nur um den derzeitigen Stillstand der internationalen Klimaver-
handlungen zu beenden. Der Wohlstand der Menschen in der entwi-
ckelten Welt steht ebenso au dem Spiel wie die Entwicklungsoptio-
nen in den ärmsten Regionen unseres Planeten. Unter den gegebenen
technologischen Bedingungen ist die künstliche Verknappung von
reichlich vorhandenen und kostengünstig nutzbaren ossilen Energie-
trägern ein nicht zu unterschätzendes Hemmnis ür Produktivitäts-ortschritte, die notwendig sind, Millionen Menschen au der Erde an-
gemessen zu ernähren sowie menschenwürdige Lebensbedingungen
und realistische Entwicklungschancen zu ermöglichen. Wir wissen bis
heute nicht, ob eine Konzentration au die Vermeidung von Treibhaus-
gasemissionen in der Klimapolitik ein wirksamer Weg zur Verhinde-
rung der beürchteten Folgen eines globalen Klimawandels ist. Unter
den Bedingungen ungenauer Kenntnis der Zusammenhänge zwischen
klimatischen Veränderungen und wirtschatlichen Aktivitäten und
den hohen Unsicherheiten über die Dynamik der wirtschatlichen Ent-
wicklung ist ein verantwortlicher Umgang mit knappen Ressourcen
unumgänglich, will eine Gesellschat Hemmnisse ür ihre zuküntigen
Entwicklung möglichst gering halten. Mehr Wohlstand und weniger
Umweltverschmutzung sind gemeinsam nur zu erreichen, wenn wir
mit den uns zur Verügung stehenden Mitteln so ezient wie möglich
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Vorwort
umgehen. Wenn nicht, riskieren wir wertvolle Entwicklungsoptionen
ür die heute lebenden Menschen und zuküntige Generationen.
Doch nicht nur die sozioökonomischen Folgen des herrschenden
klimapolitischen Paradigmas geben Anlass zur Sorge, auch die im
Namen des Klimaschutzes immer stärker um sich greiende Erosion
bürgerlicher Freiheiten ist alarmierend. Grundlegende Menschen-
rechte stehen ebenso au dem Spiel wie Entwicklung und Fortschritt.
Auch aus diesem Grund ist eine fexiblere und eziente Klimapoli-
tik unumgänglich, eine Klimapolitik, die sich statt an starren Zielen
am sich wandelnden Wissen orientiert und sich au Maßnahmen be-
schränkt, die nachweislich die Belastungen ür die Bürger minimie-ren. Das bedeutet eine Kombination eines maßvollen Einsatzes e-
zienter Instrumente zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen
und von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, die mit
einem Minimum an Eingrien in Märkte und die individuellen Rech-
te der Bürger auskommen.
Dieses Buch versucht die Lücke zwischen dem Allmachtsanspruch
der Klimapolitik und dem nach menschlichem Ermessen sinnvollenBeitrag zur Vorsorge in einer Welt unsicherer zuküntiger Entwicklun-
gen zu schließen, oensichtliche Schwächen der Klimapolitik auzude-
cken und Alternativen zu beschreiben.
Ross McKitrick analysiert hierzu die wohlahrtsökonomischen Vo-
raussetzungen der Klimapolitik unter naturwissenschatlichen und
sozioökonomischen Unsicherheiten, zeigt diese anhand jüngster Er-
gebnisse der empirischen und modellorientierten Klimaorschung au
und zieht daraus Schlussolgerungen ür die praktische Klimapolitik.
Kern seiner Empehlung ist eine Emissionsabgabe, deren Höhe entspre-
chend einer transparent nachvollziehbaren Entscheidungsregel fexibel
an beobachtbare Temperaturentwicklungen angepasst werden kann.
Ein derartiges Klimaschutzinstrument vermeidet die Geahr politischer
Überreaktionen oder systematischer Fehleinschätzungen des notwen-
digen Umangs von Vermeidungsmaßnahmen und veranlasst die be-
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troenen Akteure eigene Prognosen klimatischer Veränderungen ohne
interessengeleitete Manipulation der Ergebnisse zur Verügung zu stel-
len. Eine derartige Abgabe zeichnet sich nicht nur durch ökonomische
Vorteile gegenüber der heutigen Mengensteuerung in der Klimapolitik
aus, sondern vermag auch der sich immer weiter verschärenden Politi-
sierung der Klimawissenschat entgegenzuwirken.
Manuel Frondel arbeitet sich durch die Dezite der Klimapolitik
der Europäischen Union und zeigt die Ursachen ür ihren Mangel an
Wirksamkeit und Ezienz au. Wirtschatswissenschatliche Überle-
gungen und praktische Beobachtungen zeigen dabei eindrucksvoll, wel-
che geährlichen Folgen der Glaube an eine europäische Vorreiterrollein der Klimapolitik haben kann. Klimapolitischer Pragmatismus würde
dahingegen viel stärker au sich evolutionär entwickelnde Strategien
setzen, die sich au regional wirksame Anpassungsmaßnahmen und die
Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich emissionsredu-
zierender Energieumwandlungstechnologien konzentrieren.
Rationale Klimapolitik kann ohne Oper an Wohlstand und Frei-
heit auskommen. Doch ür den dazu notwendigen Politikwandel isteine oene Debatte über Ursachen und Lösungsalternativen der Pro-
bleme des Klimawandels unumgänglich. Dieser Herausorderung will
sich dieses Buch stellen.
Steen Hentrich | Potsdam
Holger Krahmer | Leipzig
Juli 2011
10
Steen Hentrich | Holger Krahmer
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Mit besonderem Dank der Herausgeber an die Friedrich-Naumann-Stitung ür die Freiheit
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Eine vernüntige Klimapolitik
in einer Welt voller Unsicherheiten
Ross McKitrick
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1.
Einleitung
Zwanzig Jahre Misserfolg
„Wir müssen der unschönen Wahrheit ins Auge blicken und erkennen, dass
der klimapolitische Prozess am Ende ist. 2012 läuft das einzige Abkommenzur Begrenzung der Treibhausgasemissionen – das Kyoto-Protokoll – aus. Die
Hoffnung auf den Abschluss eines Nachfolgeabkommens vor diesem Zeitpunkt
ist nicht realistisch: Über das bestehende Abkommen wurde fünf lange Jahre
verhandelt; acht weitere gingen ins Land, bevor es schließlich in Kraft trat.
Hinsichtlich einer echten Hoffnung auf globales Handeln gegen den Klimawandel
liegen wir heute weit hinter dem Stand von 1997 oder sogar 1992 zurück. Und
dabei geht es nicht nur darum, dass wir 18 wertvolle Jahre verloren haben. In der
Zeit der guten Absichten und großen Worte haben wir letztlich sogar Rückschritte
gemacht. |...| Wie sollen wir mit der Tatsache umgehen, die wir zu verdrängen
suchten, nämlich dass in 18 Jahren vollmundiger Versprechungen und großer
Töne nichts geschehen ist?“
George Monbiot
Guardian Newspaper | 20. September 2010
In diesem Beitrag geht es um die Gestaltung einer Politik zur Bekämp-
ung der globalen Erwärmung durch eine Reduzierung von Treibhaus-
gasemissionen (THG), insbesondere Kohlendioxid (CO2). Mit dem Erd-
gipel der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro im Jahr 1992 erlangte
das Thema große politische Aumerksamkeit. Doch trotz zwanzig
Jahre intensiver Arbeit, die durch ein annähernd globales Einverneh-
men der politischen und gesellschatlichen Eliten darüber geprägt
war, dass es sich bei der globalen Erwärmung um eine Krise handelt,
die ein unverzügliches und weit reichendes Eingreien erordert, so-
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wie wiederholter Äußerungen von Spitzenpolitikern, entschlossen
handeln zu wollen, wurden letztlich kaum kohärente politische Maß-
nahmen au den Weg gebracht. Im Gegenteil: Die Staaten scheiterten
mehrach in dem Versuch, sich au Abkommen oder andere Koordi-
nierungsmechanismen zu einigen, und auch darüber, was in abseh-
barer Zukunt getan werden könnte oder sollte, scheint nur wenig Ei-
nigkeit zu herrschen.
Dieser Umstand ist meiner Meinung nach im Wesentlichen darau
zurückzuühren, dass es in der Vergangenheit nicht gelungen ist, die
Klimapolitik au eine ökonomisch vernüntige Grundlage zu stellen.
Ein Großteil der populärsten klimapolitischen Ideen ist aus ökonomi-scher Sicht nicht durchührbar und alle dahingehenden Bestrebungen
legen letztlich nur das Fundament ür ihr späteres Scheitern. Ein zu-
riedenstellender Fortschritt in der Klimapolitik ist daher nicht abseh-
bar, solange wir uns nicht eingestehen, dass die bestehenden globalen
Initiativen au tönernen Füßen stehen und eine grundlegend andere
Richtung eingeschlagen wird.
In diesem Beitrag möchte ich zunächst die meines Erachtensbestehenden vier grundlegenden Mängel der aktuellen Klimapolitik
darlegen: Erstens haben weder die Bürokratie noch die Politik erkannt,
dass es sich bei CO2 um einen Sonderall handelt, der nicht in eine Rei-
he mit den vorherrschenden Umweltthemen der 1970er und 1980er
Jahre wie Schweeldioxid-Emissionen (SO2) und Fluorchlorkohlenwas-
sersto-Emissionen (FCKW) gestellt werden kann, zu deren wirksamer
Bekämpung konventionelle Institutionen ausreichend waren. Die
Verhandlungsmechanismen und politischen Initiativen zur Lösung
dieser Probleme wurden einach au die CO2-Problematik übertragen,
ohne ür diese jedoch passende Lösungen bieten zu können.
Zweitens ist es der Politik nicht gelungen, mit dem Anstieg der in
der Ökonomie als Grenzvermeidungskostenkurve (GVK) bezeichneten
Kostenunktion der Klimapolitik angemessen umzugehen, d. h. zu ver-
stehen, in welchem Maße die Kosten ür die Optionen zur Vermeidung
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Einleitung
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
von CO2 bei Ausweitung der Ziele zur Emissionsreduzierung steigen.
Das ührt dazu, dass politische Ziele verolgt werden, die höhere Kos-
ten verursachen, als die Öentlichkeit zu akzeptieren bereit ist. Einige
Verechter dieses politischen Vorgehens versuchten zu zeigen, dass die
Politik zur Reduzierung von Treibhausgasen ökonomische Vorteile mit
sich bringen kann. Tatsächlich ußt ein Großteil der Rhetorik der jüngs-
ten Vergangenheit in Bezug au eine „grüne Ökonomie“ au dieser irri-
gen Behauptung. In Wahrheit verhält es sich jedoch so, dass politische
Maßnahmen, die ausreichen würden, um die allgemein vorgebrachten
Ziele zur Emissionsreduzierung zu erreichen, mit den aktuell existie-
renden Technologien deutlich höhere Kosten verursachen würden, alsdie Öentlichkeit zu tragen bereit ist, und auch deutlich höhere Kos-
ten, als die Politiker, die diesen Weg verechten, sich vor Augen zu üh-
ren scheinen. Die Art der von der Politik regelmäßig vereinbarten Ziele
entbehrt olglich, angesichts des dabei ausbleibenden Erolgs, diese zu
erreichen, jeglicher demokratischen Legitimation.
Drittens zeigt eine ökonomische Analyse, dass die Politik zur Re-
duzierung der Treibhausgase Emissionspreise anstelle von Emissions-grenzen estsetzen sollte. Die Regulierungsbehörden haben die Wahl,
ob sie einen Preis ür Emissionen xieren und den Markt über die
Menge entscheiden lassen oder ob sie es bevorzugen, ein Emissionsziel
vorzuschreiben und den Markt den Preis bestimmen zu lassen – bei-
des zugleich geht nicht. Aus technischen Gründen wissenschatlicher
und ökonomischer Natur sind Preismechanismen geeigneter als eine
Strategie zur Regulierung von Treibhausgasen. Alle bis heute durchge-
ührten größeren globalen Initiativen, einschließlich des Kyoto-Proto-
kolls und ähnlicher Instrumente, legten ihren Schwerpunkt dennoch
au Mengenbegrenzungen. Eine Begrenzung der Emissionsmengen
oder, noch schlimmer, indirekte regulatorische Maßnahmen zur Ver-
änderung des Energieverbrauchsverhaltens sind kostenintensiv, intru-
siv und häug nutzlos. Eine große Herausorderung, beim Versuch, die
globale Klimapolitik au eine vernüntige Grundlage zu stellen, liegt
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also darin, die Diskussion au die Wahl einer Preis- statt einer Mengen-
steuerung umzulenken. Richtet sich das Augenmerk hingegen weiter
au Mengenbegrenzungen, steht est, dass die kommenden zwanzig
Jahre ein ebenso kostenintensiver Misserolg sein werden wie die ver-
gangenen.
Schließlich ergibt sich ür die Politik aus den großen Unsicher-
heiten, den langen Planungshorizonten sowie der Erwartung, dass in
den kommenden Jahren einschlägige neue Inormationen über das
Ausmaß der Umweltschädigung durch Treibhausgasemissionen und
die Kosten zu deren Vermeidung vorliegen werden, die Notwendigkeit,
sich primär au zustandsabhängige (bzw. anpassungsähige) Preisrege-lungen anstatt au starre, langristige Verpfichtungen zur Emissions-
begrenzung zu konzentrieren.
Ziel dieses Beitrags ist es, die konventionelle Auassung von der
globalen Klimapolitik grundlegend in Frage zu stellen. Wer sich dem
aktuellen politischen Handlungsrahmen stark verbunden ühlt und
eine solch umassende Neubewertung ablehnt oder diese ür nachtei-
lig erachtet, sollte versuchen, seine Zweiel über Bord zu weren undsich oen au die Argumente einzulassen. Wer sich ernsthat eine ver-
nüntige und wirksame Klimapolitik wünscht, kann mit den letzten
zwei Jahrzehnten nicht zurieden sein. Die Zeit ist rei ür eine tiegrei-
ende Neugestaltung.
Emissionsvermeidungspolitik vs. ‘Klimapolitik’
Ich möchte diesen Beitrag ungeachtet des Titels damit beginnen,
zunächst Kritik an dem unpassenden Begri der „Klimapolitik“ an-
zubringen, die meines Erachtens besser als Treibhausgas-Emissions-
vermeidungspolitik bezeichnet würde. Diese Unterscheidung ist von
großer Bedeutung. Politiker können zwar langristig betrachtet den
Emissionsverlau der Wirtschat beeinfussen; das Klima zu verändern,
ist hingegen niemand in der Lage.
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Einleitung
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Die diesbezügliche Verwirrung ührt bisweilen zu einer eigen-
artigen Rhetorik. In einer Rede vor dem Toronto Economic Club am
30. Mai 2007 rühmte sich der damalige kaliornische Gouverneur Ar-
nold Schwarzenegger der starken Begrenzung der Treibhausgasemis-
sionen, zu der sich sein Bundesstaat verpfichtet hatte (Erreichen der
Ziele von 1990 bis 2020); er sagte: „Ich bin überzeugt, dass wir das Kli-
ma dieses Planeten reparieren können.“ Dieser Ausspruch and sich
am 31. Mai 2007 au dem Titel der National Post wieder.
Die Aussage, staatliche Politik könne das Klima des Planeten „re-
parieren“, ist grotesk. Es ist vielleicht möglich, das Erscheinungsbild
eines Stuhls oder eines Paars Schuhe zu verändern, wobei auch indiesen Fällen versucht wird, ein ursprüngliches Erscheinungsbild neu
nachzubilden. Doch welches sind die ursprünglichen Bedingungen ür
das Erdklima, wenn es denn tatsächlich möglich sein sollte, diese zu
erreichen? Gemessen an einer geologischen Zeitskala wären als Ziel
tropische Bedingungen an den Polen oder eine globale Eiszeit vor-
stellbar – oder auch irgendetwas dazwischen. Und selbst wenn das Ziel
lautete, zu den klimatischen Bedingungen des vergangenen Jahrhun-derts zurückzugelangen, bleibt unklar, wonach genau wir streben. Eine
Entscheidung bspw. ür den Status quo der 1930er, 1950er oder 1970er
Jahre würde voraussetzen, man sitze dem Irrtum au, es gäbe einen op-
timalen Klimazustand und jegliches Abweichen von diesem, in welch
geringem Maße auch immer, käme einer Katastrophe gleich.
Was Gouverneur Schwarzenegger oenkundig meinte war, dass
die von ihm vorgeschlagenen Treibhausgasemissionsziele seiner An-
sicht nach erreichbar wären. Das mag richtig sein, ist jedoch mit ho-
hem Kostenauwand verbunden. In weiten Teilen seiner Rede lobte
Schwarzenegger die Marktchancen ür neue Technologien (wie Elekt-
roautos und Solarzellen), deren Einsatz in Kaliornien er ördern woll-
te. Doch zeigt seine eigene Politik, dass zu ihrer Umsetzung höhere
Subventionen und strenge gesetzliche Vorgaben vonnöten wären, und
zwar aus dem einachen Grund, dass sie nicht protabel bzw. ganz ein-
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ach teuer sind. Das Erreichen dieser Ziele erordert mehr als einige
kleinere Verbesserungen bei der Energieezienz und optimistische
Rhetorik; um diese Ziele zu erreichen, müssen die Menschen bereit
sein, enorme Kosten zu tragen.
Ein weitaus gravierenderes Problem in der Denkweise von Arnold
Schwarzenegger (und vielen anderen Spitzenpolitikern au dieser Welt)
liegt darin, dass die tatsächliche Emissionsreduzierung im Rahmen ei-
nes jeden Ziels, das vernüntigerweise als bezahlbar erachtet werden
kann, so gering ausällt, dass die Folgen ür das Klimasystem nahezu
unbemerkt bleiben. In diesem Sinne gibt es so etwas wie „Klimapolitik“
nicht. Niemand kann das Klima direkt beeinfussen. Wenn diejenigenalso, die spezische Maßnahmen vorschlagen, von „Klimapolitik“ spre-
chen, erwecken sie den Eindruck, ihre Ideen hätten direkten, vorhersag-
baren und unmittelbaren Einfuss au das globale Klima. Im Ergebnis
werden die möglichen Kosten des globalen Klimawandels bisweilen mit
den Kosten der jeweiligen lokalen Politikmaßnahmen zur Emissions-
kontrolle verglichen und, wenn letztere gegenüber ersteren gering aus-
allen, von den Urhebern dieser Politik als Beleg daür herangezogen,dass diese umgesetzt werden sollte. Diese Argumentation lässt sich
jedoch nicht aurechterhalten, da die lokale Politik zur Emissionskon-
trolle im Allgemeinen geringen bzw. überhaupt keinen Einfuss au die
küntige Entwicklung des globalen Klimas hat. Selbst wenn multilate-
rale Abkommen wie das Kyoto-Protokoll umgesetzt würden, so wäre
der Nutzen ür das Klima äußerst gering. Belegt wird dies in komplexen
Modellsimulationen (z. B. Wigley et al. 1998), doch ist die dem zugrun-
deliegende Argumentation leicht nachvollziehbar.
> Der Einfuss von Treibhausgasen au die Veränderung des Klimas ist
von der in der Atmosphäre vorhandenen Menge dieser Gase abhän-
gig, nicht von den jährlichen Emissionen.
> Aktuell benden sich etwa 750 Gigatonnen CO2 (in Kohlenstoäqui-
valent) in der Atmosphäre (Houghton 1997).
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
> Die weltweiten jährlichen Emissionen liegen bei 8,4 Gigatonnen, von
denen etwa 3 au natürliche Weise sequestriert werden (Marland et
al. 2010).
> Von den etwa 5,4 Gigatonnen Nettoemissionen stammt die Hälte
aus den Industriestaaten.
> Diese 2,7 Gigatonnen an Emissionen sollten laut Kyoto-Protokoll au
etwa 5 % unter das Emissionsniveau von 1990 bzw. um etwa 0,7 Giga-
tonnen ausgehend vom heutigen Stand reduziert werden.
> Es wird erwartet, dass auch wenn die Teilnehmer des Kyoto-Protokolls
ihre Pfichten vollständig erüllen, ein Teil dieser Emissionen durch
das Phänomen der Carbon Leakage – das Entstehen höherer Emis-sionen andernorts durch die Verlagerung von Produktionsprozessen
in Länder ohne Emissionsbeschränkungen – augewogen wird. Ver-
öentlichte Schätzungen dieser Leckrate reichen je nach angenom-
menen Marktstrukturen und Merkmalen der Brennstobeschaung
von Null bis über 100 %. Wenn wir von einer Leckrate von 20 % aus-
gehen, entspräche dies einer Reduzierung des Emissionsvolumens
durch das Kyoto-Protokoll um etwa 0,6 Gigatonnen und damit einerReduzierung des in der Atmosphäre gespeicherten Kohlenstos um
etwa 0,08 %.
Selbst wenn also die Vorgaben des Kyoto-Protokolls eingehalten wür-
den, hätte dies nur geringe Emissionsreduzierungen mit minimalen
Auswirkungen au die globale Kohlendioxidkonzentration zur Folge.
Und ür die meisten Länder erwies sich die Umsetzung des Kyoto-Pro-
tokolls als zu kostspielig und schwierig. Ich wiederhole noch einmal:
Ziele zur Emissionsreduzierung, die hinreichend weit angelegt sind,
um spürbare Auswirkungen zu zeitigen, sind in ihrer Umsetzung zu
teuer. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass nichts getan werden
sollte; doch es bedeutet sehr wohl, dass die gesetzten Ziele und Fristen
sich an der Realität orientieren müssen und nicht bloße Rhetorik oder
Wunschdenken sein sollten.
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Es ist alsch, au die potenziellen Kosten des globalen Klimawan-
dels zu verweisen und diese mit den potenziellen Kosten lokaler poli-
tischer Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen zu vergleichen.
Richtig wäre es hingegen, die Kosten der lokalen politischen Maßnah-
men zur Emissionsreduzierung zu ermitteln und diese mit den Vortei-
len der anzunehmenden Veränderungen einer potenziellen küntigen
Entwicklung des globalen Klimas zu vergleichen. Erzielt eine Politik
zur Emissionsreduzierung solch geringe Auswirkungen au die globale
Atmosphäre, dass ein Land daraus in der Zukunt keinen Einfuss au
das Klima erwarten kann, liegt der Nutzen einer solchen Politik in Be-
zug au die Verringerung klimabedingter Schäden bei null.
Die besonderen Herausforderungen der Kontrolle vonCO2-Emissionen
Es mag allzu pessimistisch erscheinen zu sagen, dass die nanzierbaren
Ziele zur Emissionsreduzierung nicht weit genug reichen, um spürbare
Auswirkungen au das Klima zu zeitigen. Doch spiegelt diese Aussagedie Wirklichkeit ür Kohlendioxid – im Gegensatz zu anderen Formen
der Lutverschmutzung – wider. So ist es in Nordamerika und Europa
beispielsweise gelungen, die Schweeldioxid-Problematik erolgreich in
den Gri zu bekommen. Politische Maßnahmen, die sowohl au loka-
ler als auch au nationaler Ebene umgesetzt wurden, ührten seit den
1970er Jahren zu einer umangreichen Reduzierung der SO2-Emissio-
nen und -Konzentrationen zu durchaus erschwinglichen Kosten. Vor
diesem Hintergrund könnte man der Versuchung erliegen zu glauben,
auch ür CO2 ließen sich zu geringen Kosten Programme zur Reduzie-
rung der Emissionen mit ähnlich überzeugenden Ergebnissen aufegen.
Doch dieses Argument hinkt, da es ür CO2 im Vergleich zu SO2 nur sehr
wenige Möglichkeiten gibt, die Emissionen zu reduzieren.
Tabelle 1 zeigt die wesentlichen Optionen zur Emissionsreduzierung
sowie deren Verügbarkeit in Bezug au CO2 und SO2.
22
Einleitung
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Die vier verügbaren Vermeidungsoptionen sind: Installation vonAblutwäschern au Schornsteinen, Umstieg au eine sauberere Ver-
sion desselben Brennstos (z. B. von stark schweelhaltiger Kohle au
schwach schweelhaltige Kohle), Umstieg au einen anderen Brenn-
sto (z. B. von Kohle au Erdgas) und Einschränkung des Umangs der
produktiven Tätigkeit. Die beiden ersten sind die billigsten Optionen.
Im Falle der Erüllung der Clean Air Act Amendments von 1990 (US-
Lutreinhaltungsgesetze), in deren Rahmen die Schweelemissionen inden USA um etwa 40 % gesenkt wurden, nahmen die Installation von
Ablutwäschern sowie der Umstieg au andere Kohlearten 45 bzw. 55 %
der gesamten in Phase I erzielten Emissionssenkungen, insbesondere
des starken Emissionsrückgangs zwischen 1994 und 1996, ein (Schma-
lensee et al. 1998). Doch stehen alle genannten Optionen, au die da-
mals zur Senkung der SO2-Emissionen zurückgegrien wurde, ür die
CO2-Kontrolle nicht zur Verügung:
> Schwach schweelhaltige Kohle existiert, schwach kohlenstohaltige
Kohle dagegen nicht.
> Für CO2 gibt es keine Ablutwäscher.
Der zweite Punkt ist den Kratwerksbetreibern wohlbekannt. In einer
Studie über die Optionen zur Vermeidung lutverschmutzender Emis-
VERMEIDUNGSOPTIONEN UND -KOSTEN
Vermeidungsoption Verügbarkeit
Relative Kosten SO2 CO2
Schornsteine mit Ablutwäscher Niedrig Ja Nein
Umstieg au sauberere Version Niedrig Ja Neindesselben Brennstos
Umstieg au anderen Brennsto Hoch Ja Ja
Gesamtverbrauch senken Hoch Ja Ja
23
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sionen kam die Ontario Power Authority (2007) zu dem Schluss, dass
simulierte CO2-Emissionsveränderungen vollständig durch geschätzte
Veränderungen der Ausstoßniveaus verursacht wurden:
„[Geplante] Reduzierungen der CO2-Emissionen zwischen 2010 und 2014
wurden viel mehr durch Reduzierungen der kohle[-befeuerten Elektrizitäts-]
Produktion erzielt als durch Emissionskontrollen. Es gibt derzeit keine realisierbare
Kontrolltechnologie zur Reduzierung der CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken.
Die CO2-Reduzierungen sind daher bei allen Alternativen identisch.“
OPA | 2007 | Seite 5
Ausgehend davon sind die einzigen Möglichkeiten, die CO2-Emissio-nen einzudämmen, die kostenintensiveren Optionen des Umstiegs
au andere Brennstoe und der Senkung des Verbrauchs. Kratwerke
können Kessel durch gasbeeuerte Anlagen ersetzen oder den Gesamt-
brennstoverbrauch senken, was im Allgemeinen eine Reduzierung
der gesamten Energieproduktion erordert.
Der Umstieg von Kohle au andere Brennstoe ist nicht nur au-
grund der Kapitalkosten teuer, sondern auch wegen des langristigenAnstiegs der Erdöl- und Gaspreise gegenüber Kohle. Abbildung 1 zeigt
die (infationsbereinigten) jeweils au den Wert 100 indexierten Real-
preise der drei zentralen ossilen Energiequellen au dem US-Markt
zwischen 1949 und 2009. Die Kohlepreise haben sich danach kaum
verändert, wohingegen der Gaspreis nach seinem jüngsten, um das
18-Fache höheren Spitzenwert achtmal höher liegt. Der Ölpreis hat sich
nach einem um das Fünache höher liegenden Spitzenwert gegenüber
Kohle verdoppelt. Bezogen au die relativen Kosten und die preisliche
Volatilität ist Kohle damit nach wie vor die beste Energiequelle.
24
Einleitung
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Quelle: US Energy Inormation Administration | http://www.eia.doe.gov/overview_hd.html(Daten ür 2009, vorläug [P])
Europa vs. USA: andere Rhetorik, gleiches Ergebnis
Die Europäische Union unterzeichnete und ratizierte das Kyoto-
Protokoll 2002 mit dem Versprechen, die Treibhausgasemissionen
bis 2008 gegenüber dem Stand von 1990 um 8 % zu senken. Die USA
haben dies nicht getan und sich au keine verbindlichen Ziele zur Sen-
kung der Emissionen eingelassen. Stattdessen kündigte der damalige
Präsident George W. Bush 2002 das unverbindliche Ziel an, die Emis-
sionsintensität (Treibhausgase je Dollar BIP) bis 2012 um 18 % gegen-
über dem Stand von 2002 zu senken – was allein durch Beibehaltung
des nach den 1980er Jahren eingeschlagenen Entwicklungstrends der
Emissionen erreicht werden konnte. Die beiden genannten großen
2.000
1.800
1.600
1.400
1.200
1.000
800
600
400
200
0
1949 1954 1959 1964 1969 1974 1979 1984 1989 1994 1999 2004 2009P
Kohle Erdgas Erdöl
Abbildung 1Reale Preise von Kohle, Erdgas und Erdöl 1949 – 2009,indexiert au 1949 = 100
25
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Akteure haben somit nahezu das gesamte vergangene Jahrzehnt zwei
völlig unterschiedliche Ziele verolgt: Business as usual in den USA,
tiegreiende Emissionseinschnitte in der EU.
Ein Blick au die Daten zeigt jedoch, dass beide Regionen hinsicht-
lich der Emissionsintensität nicht allzu unterschiedlich abgeschnitten
haben. Zwischen 1995 und 2007 ging die Treibhausgasemissionsinten-
sität in der gesamten EU (einschließlich Deutschland) um etwa 32 %
zurück (Marland et al. 2010). In den USA sank die Emissionsintensität
innerhalb desselben Zeitraums um 23 %. Ohne es überhaupt zu ver-
suchen, ist es den USA gelungen, die Emissionsintensität ihrer Pro-
duktion annähernd so weit zu senken wie in Europa. Wie Abbildung 2zeigt, besteht der einzige Unterschied zwischen den USA und Europa
hinsichtlich der Emissionsintensität ausschließlich in der Geschwin-
digkeit, nicht in der Richtung.
Quelle: EU http://epp.eurostat.ec.europa.eu | USA http://www.gpoaccess.gov/eop/tables10.htmlund http://cdiac.ornl.gov/trends/emis/usa.html | Berechnungen des Verassers
120,0
100,0
80,0
60,0
40,0
20,0
0,0
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
USAEU
Abbildung 2Treibhausgasemissionsintensität in den
USA und Europa (EU-25)
100,0 100,0 96,5 86,5 81,1 78,5 73,4 70,590,6 83,4 81,2 76,9 71,9 67,898,4 92,9 89,1 85,9 82,4 77,396,8 89,8 86,4 83,7 80,5 76,7
26
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Wie oben erwähnt, setzt eine Senkung der CO2-Emissionen eine
Senkung des Energieverbrauchs voraus. Was bedeutet das ür das Wirt-
schatswachstum? Zentrale Frage hierbei ist, ob ein höherer Energie-
verbrauch einen Anstieg des BIP bedingt oder durch einen Anstieg
des BIP bedingt wird. Diese Unterscheidung ist von großer Bedeu-
tung. Ist ein höherer Energieverbrauch eine bloße Nebenerscheinung
von Wachstum, könnte er gedeckelt und ohne Beeinträchtigung des
Wirtschatswachstums gesenkt werden. Wirkt ein höherer Energiever-
brauch hingegen wachstumsördernd, ist eine Abkoppelung des einen
vom anderen nicht ohne weiteres möglich.
Um in Zeitreihendaten eine Kausalitätsrichtung (bzw. „Granger-Kausalität“, wie sie in der Ökonomie achsprachlich bezeichnet wird)
erkennen zu können, sind statistische Techniken wie die so genannte
Kointegrationsanalyse und die Vektorautoregression erorderlich. Mit-
hile dieser Techniken wurden Daten aus den USA (Stern 2000), Kana-
da (Ghali und El-Sakka 2004) und anderen Ländern ausgewertet. Die
Ergebnisse zeigen, dass der Energieverbrauch das Wirtschatswachs-
tum bedingt und die Kausalität in einzelnen Fällen in beide Richtun-gen verläut. Das Magazin Stern zieht daraus olgenden Schluss:
„Die multivariate Analyse zeigt, dass die Energie das BIP wie in dem ersten
der drei untersuchten Modelle entweder einseitig oder möglicherweise in einer
wechselseitig kausalen Beziehung im Sinne der Granger-Kausalität bedingt. |...|
Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse stärken meinen früheren Schluss,
dass Energie ein das Wirtschaftswachstum begrenzender Faktor ist. Auf die
Energieversorgung einwirkende Schocks werden die Produktion daher eher
einschränken.“Stern | 2000 | Seite 281
Der Satz „Energie ist ein das Wirtschatswachstum begrenzender Fak-
tor“ ist dabei besonders wichtig. Der Energieverbrauch ist keine bloße
Nebenerscheinung, die vom BIP-Wachstum abgekoppelt werden kann.
Eine bewusste Senkung des Energieverbrauchs wird das Wirtschats-
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wachstum voraussichtlich ausbremsen und dabei die negativen Fol-
gen ür Politiker steigern, die versuchen, entsprechende politische
Maßnahmen umzusetzen.
Ferner wirken die steigenden Elektrizitätspreise regressiv, sodass
die Kostenlast Haushalte mit geringerem Einkommen im Verhältnis
stärker trit als Haushalte mit höherem Einkommen. Einige Untersu-
chungen über Kohlenstosteuern (Jorgensen et al. 1992) haben sich
mit der Frage der Regressivität beasst und herausgeunden, dass die
Tatsache, ob eine Kohlenstosteuer regressiv wirkt oder nicht, davon
abhängt, wie sie umgesetzt (und wie Ungleichheit gemessen) wird.
Dinan und Rogers (2002) zeigten, dass die Einührung eines Cap-and-Trade-Systems mit gratis zu vergebenden Genehmigungen ür
die gesamte US-Wirtschat höchst regressiv wirken würde, wobei die
ärmsten Haushalte jährlich 500 USD verlieren, die reichsten dagegen
jährlich 1.000 USD gewinnen würden. Der nanzielle Vorteil ür die
Haushalte mit höherem Einkommen ergäbe sich dabei daraus, dass ih-
nen die Unternehmen, die die wertvollen Genehmigungen entgeltlos
erhielten, gehören.
28
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
2.
Theoretische Grundlagender Klimapolitik
Grenzschäden und Grenzvermeidungskosten
Um das Versagen der Klimapolitik in vollem Umang verstehen zu
können, muss man zunächst einige der Anreizmechanismen verste-
hen, welche die Volkswirtschaten mit der Umwelt verbinden. Treiben-
de Krat der wirtschatlichen Entwicklung ist in erster Linie die Inter-
aktion zwischen „Konsumentenpräerenzen und Technologie“, anders
gesagt, der beständige Fluss von Signalen zwischen den Präerenzen
der Verbraucher und den Kapazitäten der Produzenten. Verbraucherverlangen nach Waren und Dienstleistungen, die ihre Wünsche und
Bedürnisse erüllen. Unternehmen entweren Produktionspläne, um
ihren Gewinn zu maximieren. Diese Kräte von Angebot und Nachra-
ge bilden die Grundlage des preisbasierten Marktsystems.
Die ökonomische Umweltanalyse betrachtet Umweltverschmut-
zung als ein „Versagen des Marktes“. Unternehmen können ihre Ge-
winne durch eine stärkere Verursachung von Umweltverschmutzung
(anders ormuliert: dadurch, dass sie kein Geld ür die Vermeidung von
Verschmutzung ausgeben) steigern, während Verbraucher weniger Ver-
schmutzung bevorzugen. Da den Verbrauchern kein Mechanismus zur
Verügung steht, Unternehmen ür ihre Verschmutzung bezahlen zu
lassen, gibt es keine Preissignale und es kommt zu einer übermäßigen
Verschmutzung. Dieses Standardargument ür ein Eingreien des Staa-
tes bietet jedoch keine Begründung ür ein unbegrenztes Eingreien. Vor
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allen Dingen rechtertigt die ökonomische Analyse von Umweltproble-
men keine Politiken, die mehr kosten als nutzen. Der Staat ist vielmehr
angehalten ein deutliches Preissignal zu setzen oder die Umweltver-
schmutzung au ein Niveau zu regulieren, das bei Vorliegen eines an-
gemessenen Marktpreissignals erreicht worden wäre. Um eine Aussage
über die optimale Form politischen Eingreiens treen zu können, müs-
sen wir verstehen, au welche Weise der Markt ein Preissignal ür Um-
weltschäden aussenden würde, wenn die Mechanismen von Angebot
und Nachrage tatsächlich greien würden.
Die Analyse von Angebot und Nachrage beruht au der Unter-
suchung schrittweiser Veränderungen, da es immer einen Ausgangs-punkt gibt, von dem aus der Weg in eine bestimmte Richtung ührt.
Hinsichtlich der Verschmutzung geht es ür die Regulierer ür gewöhn-
lich darum, ob die zulässigen Grenzwerte gegenüber dem aktuellen
Stand erhöht oder gesenkt werden sollten. Es wird daher unterschieden
zwischen Grenzschäden, d. h. den zusätzlichen Kosten einer geringügig
höheren Verschmutzung ür die Gesellschat, und Grenzvermeidungs-
kosten, also dem Kostenzuwachs (aus Sicht der Gesellschat), der einegeringügige Reduzierung der Verschmutzung mit sich bringt.
Beide Konzepte sind in Abbildung 3 grasch dargestellt, Emissio-
nen (e) au der horizontalen, der Wert in Dollar (bzw. Euro) je Emissi-
onseinheit au der vertikalen Achse. Die ansteigende Grenzschaden-
kurve (GS) gibt an, dass mit steigenden Emissionen die gesellschatli-
chen Kosten ür jede weitere höhere Verschmutzungseinheit ebenalls
zunehmen. Die Grenzvermeidungskostenkurve (GVK) ällt von links
nach rechts betrachtet ab. Von rechts nach links gesehen ist diese Kur-
ve ansteigend und gibt an, dass mit sinkenden Emissionen die Grenz-
kosten weiterer Emissionsreduzierungen ansteigen.
30
Theoretische Grundlagen der Klimapolitik
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Beide Kurven können in Abhängigkeit vom Emissionsniveau je-
weils als austeigend bzw. als aballend gelesen werden. Formal be-
trachtet entspricht die GS-Kurve nicht den Kosten ür die Beseitigungder Schäden der Verschmutzung, sondern einer au mikroökonomi-
schen Modellen öentlicher Güter beruhenden konzeptuellen Größe.
In austeigender Richtung betrachtet lautet die ökonomische Deniti-
on von Grenzschäden, dass diese der Höhe des zusätzlichen Einkom-
mens entsprechen, das die von der Verschmutzung betroenen Per-
sonen erhalten müssten, um mit den zusätzlichen Emissionen ebenso
gut dazustehen wie ohne sie. Mit anderen Worten handelt es sich hier-
bei um eine Kompensationsmaßnahme, und der Bereich unterhalb
der GS-Kurve innerhalb eines bestimmten Intervalls gibt an, welche
Kompensation angesichts des Umangs steigender Emissionen, wie
ihn das Intervall darstellt, erorderlich wäre.
Vergleichen wir beispielsweise den Anangspunkt der Kurve mit
dem Emissionsniveau e* , gibt das Feld a an, welche Kompensation
ür die dargestellte Gesellschat insgesamt erorderlich wäre, um mit
USD pro Tonne
GrenzvermeidungskostenGVK
GrenzschädenGS
e
a
P*
b
c
e* Emissionen
Abbildung 3Grenzschaden, Grenzvermeidungskostenund optimales Emissionsniveau
31
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Emissionen e* ebenso gut dazustehen wie ohne. Steigen die Emissio-
nen um eine Einheit, gibt die Höhe der Grenzschadenskurve an, wel-
che zusätzliche Kompensation, in diesem Falle P* , erorderlich ist. Stei-
gen die Emissionen au e, müsste die zusätzliche Kompensation b+c
betragen.
Liest man die GVK-Kurve von links nach rechts, gibt sie den Grenz-
nutzen an, der sich ür den Verursacher (üblicherweise ein Unterneh-
men oder Industriebetrieb) aus der Erlaubnis ergibt, seine Emissionen
um eine Einheit zu erhöhen. Für aktuelle Emissionen im Umang von
e* ergeben sich ür das Unternehmen aus der Notwendigkeit, seine
Emissionen um eine Einheit zu senken, die Kosten P* ; umgekehrt be-läut sich der Nutzen ür das Unternehmen durch die Erlaubnis, eine
Einheit mehr auszustoßen, au P* . Nutzen bzw. Kosten bezeichnen
hierbei nicht nur die Auwendungen, die ür die Anschaung von Aus-
rüstungen zur Emissionsvermeidung anallen, sondern die Verände-
rung des Unternehmensgewinns insgesamt. Diese Veränderung ergibt
sich teilweise aus der Anschaung von Ausrüstungen zur Emissions-
vermeidung, umasst jedoch auch die Folgen der Anpassung des Inves-titions- bzw. Produktionsniveaus.
Die Veränderung des Unternehmensgewinns ist aus zwei Grün-
den ein Hinweis au die gesellschatlichen Kosten eines Wechsels in
der Umweltpolitik: Zum einen steigen die Gewinne eines Unterneh-
mens immer dann, wenn seine Produktion mehr einbringt, als es da-
ür an Produktionsaktoren auwenden muss. Der Markt sendet so das
Signal aus, dass das Unternehmen den Haushalten einen Nettonutzen
verschat. In diesem Sinne sind Gewinne kein Signal daür, dass Un-
ternehmen der Gesellschat Wohlstand entziehen – im Gegenteil: es
zeigt, dass die Unternehmen den von ihnen genutzten Produktions-
aktoren einen Mehrwert hinzuügen. Eine Drosselung der Tätigkeit,
die einen Mehrwert schat, kommt ür eine Gesellschat allgemein
einem Verlust gleich. Zum anderen werden Gewinne als Einkünte an
Anteilseigner, wie etwa Investoren oder Beziehern von Firmenrenten,
32
Theoretische Grundlagen der Klimapolitik
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
weitergegeben. Sinkende Gewinne sind demnach in Form geringerer
Einkünte ür Anteilseigner spürbar.
Angenommen, ein Verschmutzung verursachendes Unterneh-
men wird zunächst verpfichtet, seine Emissionen au das Niveau e* zu
beschränken, und anschließend werden alle Emissionsbeschränkun-
gen augehoben. Das Unternehmen wird beginnen, seine Emissionen
zu steigern, da der Grenznutzen einer solchen Maßnahme positiv ist,
nämlich P* . Die Emissionen werden darauhin so lange weiter steigen,
bis der Grenznutzen den Wert null erreicht, also bis zu dem Punkt, an
dem die GVK-Kurve die horizontale Achse bei e schneidet. Der Gesamt-
nutzen, der sich ür das Unternehmen aus der Erlaubnis ergibt, seineEmissionen von e* au e zu steigern, beläut sich au den zwischen
diesen beiden Punkten liegenden Bereich b unterhalb der GVK-Kurve.
Müsste das Unternehmen hingegen seine Emissionen von e au e* sen-
ken, lägen die Grenzvermeidungskosten insgesamt bei b.
Bei einem Emissionsniveau von e, also einem Emissionsniveau
ohne Regulierung, sind die Grenzschäden gegenüber den Grenzver-
meidungskosten vergleichsweise hoch. Folglich ist es gesellschatlicherstrebenswert, die Emissionen zu senken. Dies bleibt so bis zum Errei-
chen des Emissionswerts e* . An diesem Punkt belauen sich die Grenz-
vermeidungskosten der letzten Einheit der Emissionsreduzierung au
P* und entsprechen damit der Reduzierung des Grenzschadens. Wer-
den die Emissionen unter diesen Punkt reduziert, würden die daür
entstehenden Grenzvermeidungskosten den Nutzen (der Reduzierung
des Grenzschadens) übersteigen. Das gesellschatlich optimale Emissi-
onsreduzierungsziel in diesem Fall ist olglich e* .
Liegen die Emissionen hingegen anänglich bei null, ist es rat-
sam, eine Zunahme der Emissionen zu gestatten, da die Grenzvermei-
dungskosten über dem Grenzschaden liegen bzw., anders gesagt, der
Grenznutzen der Emissionen höher ist als der Grenzschaden. Eine sol-
che Emissionssteigerung ist bis zu e* ratsam, da an diesem Punkt der
Grenznutzen der Emissionen genau mit den Grenzkosten P* zusam-
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menällt. Über diesem Punkt verursachen zusätzliche Emissionen ei-
nen Grenzschaden, der über dem entsprechenden Nutzen (GVK) liegt,
sodass eine weitere Zunahme nicht empehlenswert ist.
Nehmen wir e* als optimales Emissionsniveau an. Es handelt sich
dabei um das Niveau, bei dem die Nettogewinne der verschmutzen-
den Tätigkeit bzw. der Nettonutzen der Verschmutzungsreduzierung
ihren Höchststand erreichen.
Jedem Punkt au der GS- und der GVK-Kurve ist ein Preis zugeord-
net. Dies ist eine der wichtigsten prinzipiellen Unterscheidungen der
ökonomischen Analyse von Umweltverschmutzungen und der Um-
weltschutzanalyse in den Umwelt-, Rechts- oder Politikwissenschaten.Die ökonomische Analyse der Umweltverschmutzung geht bei der Wahl
eines bestimmten Emissionsniveaus e von einem entsprechenden Preis
entsprechend der Position au der GS- und der GVK-Kurve aus.
Die Antwort eines Emittenten au umweltpolitische Maßnahmen
wird durch die Kurve der Grenzvermeidungskosten (GVK) bestimmt.
Angesichts einer Emissionssteuer in Höhe von P* würden Unterneh-
men bis zum Punkt e* , jedoch nicht darüber hinaus Emissionen aus-stoßen. Andernalls würde der Grenznutzen ür die Unternehmen
– abzulesen an der GVK-Kurve – unter den Betrag P* je Emissionsein-
heit allen, den sie an Steuern au die zusätzlichen Emissionen zahlen
müssten. Mit anderen Worten: Sie könnten Vermeidungsstrategien
anwenden, die weniger kosten als die Steuern, und einen nanziellen
Vorteil aus der Senkung der Emissionen ziehen. Statt eine Emissions-
steuer von bspw. 50 USD/Tonne zu bezahlen, werden Unternehmen es
vorziehen, Vermeidungsoptionen zu wählen, solange diese weniger als
50 USD/Tonne kosten.
Der Emissionssteuersatz gibt olglich den zusätzlichen Wert an, der
sich ür ein Unternehmen aus der Möglichkeit, seine Emissionen um
eine weitere Einheit erhöhen zu düren, ergibt. So gesehen entspricht
die GVK-Kurve im Grunde einer Nachragekurve ür Emissionen, wie
sie in jedem volkswirtschatlichen Einührungswerk zu nden ist.
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Das der GS-Kurve entsprechende Preisniveau gibt den Geldbetrag
an, der als Kompensation ür eine weitere Einheit Verschmutzung er-
orderlich wäre. In dieser Hinsicht entspricht die GS-Kurve einer kon-
ventionellen Angebotskurve, die den Betrag angibt, der bezahlt werden
müsste, damit die Menschen bereit wären, eine Erlaubnis ür eine wei-
tere Verschmutzungseinheit „anzubieten“.
Durch die Kombination aus Preis- und Mengenachse sieht Abbil-
dung 3 wie ein herkömmliches Angebots- und Nachragemodell aus
jedem Wirtschatslehrbuch aus. Wie bereits angedeutet, ist diese Ähn-
lichkeit nicht dem bloßen Zuall geschuldet. Die ansteigende GS-Kurve
gleicht einer Angebotskurve, die aballende GVK-Kurve einer Nach-ragekurve. Der Unterschied gegenüber gewöhnlichen Angebots- und
Nachragekurven besteht darin, dass in einem regulären Markt Pro-
duktions- und Verbrauchsentscheidungen durch das Preissignal hin zu
dem Punkt geührt werden, an dem sich die Kurven schneiden. Im Falle
von Schadstoemissionen hingegen wird kein Preissignal ausgesendet,
sodass eine Koordinierung der Emissionsniveaus nicht möglich ist.
Die Politik sollte daher nach Möglichkeit darau abzielen, das Ver-sagen des Marktes durch die Einührung eines Preismechanismus zu
korrigieren, der den Menschen ermöglicht ihre eigenen Reaktionen
au die Preissignale zu nden. Eine au Grundlage von marktwirt-
schatlichen Prinzipien gestaltete Politik wird sich im Ergebnis dem
optimalen Emissionsniveau e* annähern. Etwas komplexer wird die
Angelegenheit, wenn, wie in Abschnitt 4 erläutert, darüber hinaus Un-
sicherheit, Dynamik und ähnliche Faktoren berücksichtigt werden. Als
Grundgedanke der ökonomischen Betrachtung umweltpolitischer Fra-
gen gilt, dass die Lösung ür das Verschmutzungsproblem entweder in
der Einrichtung geeigneter Preissignale oder in der Festlegung einer
Emissionsmenge liegt, die sich aus der Existenz eines Marktpreissig-
nals ergeben hätte.
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Preisregulierung vs. Mengenregulierung
Ein Preissignal kann entweder durch die Festlegung eines Emissions-
preises (mit Hile einer Schadstosteuer bzw. -abgabe) oder durch die
Begrenzung der Emissionsmenge ausgesendet werden. Dies erolgt
über eine Emissionssteuer bzw. die Ausgabe einer xen Anzahl von Ge-
nehmigungen, ür die sich anschließend durch einen Handel au dem
Markt ein Preis herausbildet. Anders ausgedrückt: Der Regulierer kann
einen Preis bestimmen und den Markt die Menge estlegen lassen oder
umgekehrt eine Menge bestimmen und dem Markt die Preisndung
überlassen. Beides gleichzeitig ist nicht möglich.Wie bereits erwähnt, werden Unternehmen im Falle der Festset-
zung einer Emissionssteuer in Höhe P* maximal eine Menge e* emit-
tieren. Werden demgegenüber Emissionsgenehmigungen bis zu einer
Menge e* ausgegeben, werden die Unternehmen ür diese bereit sein
au dem Markt den Gleichgewichtspreis P* zu bieten. Mehr als diesen
Preis werden sie nicht zu bezahlen bereit sein, da sie ihre Emissionen
auch unter Auwendung von Grenzkosten in Höhe von P* selbst ver-meiden könnten, anstatt zu einem höheren Preis eine weitere Emissi-
onsgenehmigung zu erwerben. Andererseits wird au dem Markt auch
kein niedrigerer Preis Bestand haben, da die Unternehmen eher die
günstigere Genehmigung kauen würden, als Grenzvermeidungskos-
ten in Höhe von P* einzugehen. Liegt die Menge der Genehmigungen
bei e* , beträgt der sich daraus ergebende Marktpreis P* .
Da die vorliegende Argumentation genau derjenigen einer belie-
bigen anderen Nachragekurve entspricht, kann die GVK-Kurve als die
„Nachragekurve ür Emissionen“ bezeichnet werden.
Augrund der bestehenden Unsicherheiten ist es jedoch wichtig,
sich vor Augen zu ühren, über welche Inormationen ein Regulierer bei
der Wahl des geeigneten Umweltschutzinstruments realistischerweise
verügen kann. In den meisten Umweltragen kann der Regulierer sich
bestenalls einiger weniger wichtiger Details sicher sein. Es sind dies:
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Theoretische Grundlagen der Klimapolitik
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
A die aktuelle Emissionsmenge,
B die ungeähre Steigung der Grenzvermeidungskostenkurve bei
sinkenden Emissionen,
C die annähernde Steigung der Grenzschadenskurve bei steigenden
Emissionen.
Der erste Punkt wird durch einache Beobachtung ermittelt. Der zwei-
te Punkt kann anhand technischer bzw. ökonomischer Analysen oder
au Grundlage von Inormationen von Unternehmen, die mit einer
möglichen Regulierung konrontiert sind, geschätzt werden. Biswei-
len, jedoch nicht in jedem Fall, können Unternehmen versucht sein,ihre Vermeidungskosten zu übertreiben.1 Der dritte Punkt kann durch
Analysen ermittelt werden, die ökologische Inormationen mit ökono-
mischen Daten kombinieren, z. B. durch die so genannte kontingente
Bewertungsmethode oder andere empirische Modellversuche.
Die Regulierer können typischerweise keine präzisen Inormati-
onen bezüglich der Werte au der vertikalen Achse der dargestellten
Diagramme erhalten. So ist zwar möglicherweise bekannt, dass die GS-Kurve im Rahmen des zu regulierenden Emissionsintervalls eher fach
verläut. Eine genauere Aussage über die Höhe des Wertes ist jedoch
nicht möglich, sodass sich lediglich eine Spannweite, die zwischen 10
und 30 USD/Tonne liegen dürte, angeben lässt.
Nichtsdestoweniger sind die unter a bis c genannten Parameter
ausreichend, um zu entscheiden, ob eine Regulierung des Emissions-
preises oder der Emissionsmenge vorzuziehen ist. Der Ökonom, der
dies zuerst ormulierte, war Martin Weitzman (1974), und seine Analy-
se wurde seither umassend rezipiert. Sein Ansatz ist olgender:
1 Dies ist von der Art der Politik abhängig, die Unternehmen erwarten. Siehe McKitrick (2010a),Kapitel 5.1.
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Angenommen, die Situation stellt sich wie in Abbildung 4 dar, in
welcher die Steigung der GS-Kurve gegenüber dem Anstieg der GVK-
Kurve über dem ür den Regulierer relevanten Emissionsbereich als
verhältnismäßig fach angenommen wird. Das optimale Emissionsni-
veau liegt bei e* ; wo genau sich dieses Niveau bendet, ist jedoch un-
bekannt. Unternimmt man den Versuch, die richtige Emissionsmenge
zu erraten, ühren geringügige Fehler im Umeld von e* (horizontaler
Peil) zu groben Fehlern in Bezug au den optimalen Preis (vertikaler
Peil), d. h. den entsprechenden Preisbereich au der GVK- bzw. Emis-
sionsnachragekurve. Das große Ausmaß dieser Fehler schlägt sich
in unerwartet hohen Risiken ür emittierende Unternehmen und dieWirtschat allgemein nieder. Der durch die Peile abgegrenzte Bereich
spiegelt den Bereich wider, in dem sich die Emissionspolitik als stö-
rend, kostspielig und chaotisch ür die Wirtschat erweist.
Im Gegensatz dazu ühren Fehler au der Preisachse jedoch bei
einem beliebig gewählten Preis lediglich zu relativ geringügigen Feh-
lern au der Mengenachse. Ist die Festlegung des optimalen Preises
ür Emissionen ehlerbehatet (Abweichung nach oben oder unten),kommt das Ergebnis dem optimalen Emissionsniveau gleichwohl recht
nah und die Geahr einer unerwartet hohen Volatilität ist relativ gering.
Es ist daher besser zu versuchen, den Preis möglichst genau zu schätzen
und den Markt die Menge bestimmen zu lassen, als umgekehrt.
Verläut die GVK-Kurve relativ fach, geht die Argumentation in
die andere Richtung, d. h., es wäre besser zu versuchen, die optimale
Emissionsmenge zu ermitteln und den Markt den Preis bestimmen zu
lassen, anstatt einen Preis estzulegen und möglicherweise starke und
teure Ausschläge au der Mengenachse in Kau zu nehmen.
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Theoretische Grundlagen der Klimapolitik
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
In Abbildung 4 ist die Situation ür CO2 schematisch dargestellt.
> Die GS-Kurve verläut relativ fach, da es sich bei CO2 um ein globales
Gas handelt, d. h. das Klima wird nicht durch örtliche Emissionen in
Mitleidenschat gezogen, sondern durch den global vorhandenen Be-
stand. Hinsichtlich der Emissionen einer einzelnen Nation wird der
Grenzschaden der ersten Emissionseinheit derjenigen der letzten
Einheit entsprechen, da sich die global vorhandene Treibhausgas-
menge inolge der jährlichen Emissionen eines Landes, wenn über-
haupt, nur unwesentlich verändert.
> Die GVK-Kurve verläut sehr steil, da, wie oben erläutert, nur sehr
wenige Kontrollmöglichkeiten zur Verügung stehen. Kurzristig be-
steht ür Haushalte und Unternehmen der einzige Weg, ihre Emis-
sionen zu senken, darin, ihren Energieverbrauch zu senken. Län-
gerristig wird die Reduzierung der Emissionen angesichts teurerer
USD pro Tonne
GrenzvermeidungskostenGVK
GrenzschädenGS
e
P*
e* Emissionen
Abbildung 4 Wahlmöglichkeiten der Politik angesichtsbestehender Unsicherheiten
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Brennstoe oder alternativer Energien höhere Kapitalinvestitionen
erorderlich machen. Zwei Indikatoren legen eine steile GVK-Kurve
nahe. Erstens hat der europäische Emissionsmarkt angesichts einer
vergleichsweise geringen Mengenvolatilität eine recht hohe Preisvo-
latilität gezeigt (Ellerman und Joskow 2008), wobei dies jedoch teil-
weise darau zurückzuühren war, dass in der ersten Phase des eu-
ropäischen Programms keine Genehmigungen au spätere Handels-
perioden übertragen werden konnten. Und zweitens haben sich die
europäischen Emissionen trotz jahrelanger Bemühungen kaum ver-
ändert. Dieser Umstand wird durch den Zusammenbruch der DDR
und anderer Übergangswirtschaten sowie durch die Umstellung derEnergiewirtschat Großbritanniens von Kohle au Gas in den rühen
1990er Jahren verschleiert, wodurch die CO2-Emissionen eine ein-
malige Reduzierung eruhren. Diakoulaki und Madaraka (2007) ha-
ben die steigenden CO2-Emissionswerte aus 14 EU-Ländern im Zeit-
raum 1990 bis 2003 unter Berücksichtigung der von allen Ländern
außer Spanien umgesetzten politischen Maßnahmen untersucht.
In allen Ländern, außer Großbritannien und Deutschland, wo sichalle ertigungsbedingten Reduzierungen vor 1997 vollzogen und an-
schließend ein Anstieg zu verzeichnen war, wurden gleichbleibende
oder steigende Emissionen verzeichnet. Die Autoren kamen zu dem
Schluss, „dass keine systematischen Anzeichen daür vorliegen, das
sich das Verhalten der untersuchten Länder in der Zeit vor und nach
Kyoto unterscheidet“ (Seite 655).
Angesichts der Tatsache, dass Emissionspolitik unter unsicheren Be-
dingungen gemacht wird, wäre es olglich besser, statt einer Menge ei-
nen Preis estzulegen. Für eine Preissteuerung der Emissionen anstelle
einer Emissionsgrenze sprechen zudem zwei weitere Gründe.
Erstens gestaltet sich die Verwaltung eines Systems handelbarer
Genehmigungen deutlich schwieriger, da der Regulierer zunächst eine
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Theoretische Grundlagen der Klimapolitik
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Erstzuweisung (mittels einer Auktion, einer Bestandsregelung oder einer
anderen Methode) vornehmen und die ür den Handel mit diesen Ge-
nehmigungen entstehenden Märkte einer Prüung unterziehen muss.
Zweitens haben Regierungen die Genehmigungen in der Praxis ür ge-
wöhnlich kostenlos ausgegeben, anstatt eine Auktion durchzuühren,
was sowohl im Falle des US-Marktes ür Schweeldioxidgenehmigun-
gen als auch im Falle des neuen EU-Marktes ür Kohlensto-Emissions-
zertikate so geschah. Die heute übliche Vorstellung einer „doppelten
Dividende“ beruht darau, dass die durch die Verschmutzungspolitik
erhöhten Einnahmen des Staates darau verwendet werden können,
die Steuerlast an anderer Stelle zu reduzieren. Ein System handelbarerGenehmigungen jedoch, in dem Genehmigungen kostenlos an die Ver-
ursacher von Verschmutzung ausgegeben werden, steht dem im Wege,
sodass keine steuerliche Verrechnung möglich ist. Empirische Arbeiten
in Bezug au die USA haben verdeutlicht, dass nicht au dem Wege einer
Auktion vergebene CO2-Emissionsquoten die gesellschatlichen Kosten
der Politik drastisch erhöhen (Parry 2003, 2004). Die Quoten schaen
ähnlich wie bei Marketing-Gesellschaten ür landwirtschatliche Er-zeugnisse und städtischen Vergabesystemen ür Taxilizenzen Kartell-
einkünte ür die Empänger und erhöhen im Grunde die nanzielle
Belastung der Haushalte durch die Förderung von Marktlagengewinnen
(sogenannte „Windall Prots“) ür Emittenten.
Fünf Grundsätze rationaler Klimapolitik
Die obige Analyse ührt uns zu ün wesentlichen ökonomischen
Grundsätzen einer rationalen Klimapolitik:
1 PREISGESTALTUNG: Eine Politik zur Senkung der Treibhausgasemis-
sionen ist weniger marktverzerrend und kostspielig, wenn sie au
einem estgelegten Emissionspreis anstatt au einem estgelegten
Ziel zur Emissionsreduzierung beruht.
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2 REALISMUS: Da die GVK-Kurve aktuell sehr steil verläut, liegt das
optimale Emissionsniveau derzeit nicht weit unter dem unregu-
lierten Emissionsniveau. Jedes Mal, wenn die Politik neue Pläne
oenlegt, die Emissionsgrenzen zu verschären, steigen die ökono-
mischen Kosten der Vermeidung rasant an und ühren zu hetigen
Reaktionen au jeden Versuch, über das optimale Ziel der Emissi-
onsreduzierung hinauszugehen. Es wäre demnach besser, den An-
stieg der GVK-Kurve durch die Beobachtung der Mengenanpassung
als Reaktion au ein bestimmtes Preissignal zu ermitteln, anstatt
tiegreiende Emissionseinschnitte vorzuschreiben und angesichts
einer irrational hohen Kostenexplosion sehenden Auges in eine un-vermeidbare Krise zu schlittern.
3 REDUNDANZVERMEIDUNG: Marktmechanismen sollten anstelle
von regulatorischen Mechanismen zum Einsatz kommen, nicht
ergänzend dazu. Nach der Festlegung eines Emissionspreises (bzw.
einer Emissionsmenge) durch die Politik, sollte von weiteren über-
füssigen technischen Regulierungen und Verhaltenskontrollenzur Überwachung der Einhaltung der bestehenden politischen
Maßnahmen Abstand genommen werden. Wird Kratwerken bei-
spielsweise der Erwerb von Emissionszertikaten vorgeschrieben,
so reicht diese Maßnahme aus, ihre Emissionen zu regulieren. Da-
rüber hinaus weitere Vorschriten zu erlassen, in denen Haushal-
ten vorgeschrieben wird, welche Glühbirnen oder Haushaltsgeräte
sie verwenden düren, oder Kratwerksbetreibern vorzuschreiben,
dass sie einen bestimmten Anteil ihrer Energie über den Ankau
von Windenergie abdecken müssen, ist redundant. Das einzige, was
dadurch erreicht wird, sind höhere Kosten und eine verständliche
Ablehnung des gesamten Konzepts der Klimapolitik durch die Be-
völkerung.
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
4 KOSTENEFFIZIENZ: Um die mögliche Vermeidung mithile der be-
grenzten Ressourcen, die eine Gesellschat daür zu geben bereit ist,
zu maximieren, müssen die Vermeidungsoptionen ohne Wenn und
Aber dahingehend überprüt werden, ob die Grenzkosten die bes-
ten Schätzungen der Grenzschäden übersteigen. Bei Vorliegen eines
Preisgestaltungsinstruments erolgt dies automatisch in umassen-
der Weise. Angesichts der aktuellen technologischen Vermeidungs-
möglichkeiten ergibt sich daraus eine vermutlich eher geringe
Vermeidung; doch mit zunehmender technologischer Entwicklung
und Abfachung der GVK-Kurve wird auch das Emissionsniveau au-
tomatisch sinken.
5 ZIELAUSRICHTUNG: Politische Maßnahmen einschließlich von
Preisgestaltungsinstrumenten sollten an der jeweiligen Zielvariablen
ausgerichtet werden, in diesem Zusammenhang, an den CO2-Emissi-
onen. Allzu häug wenden Politiker Regeln au andere Variablen (z. B.
Kratstoverbrauchsregeln, Größe von Haushaltsgeräten, Art der zu
verwendenden Glühbirnen usw.) an, die nur indirekt mit dem eigent-lichen Umweltproblem verbunden sind. Die Emissionsreduzierung
wird dadurch nur unnötig verteuert und verliert an Ezienz.
Die Irrationalität der ‘grünen Ökonomie’
Dank obiger Analyse können wir nun das Problem der weit verbreiteten
Vorstellung einer „grünen Ökonomie“ verstehen. Der Begri der „grü-
nen Ökonomie“ bezeichnet Tendenzen zahlreicher Länder au der gan-
zen Welt – vor allem der Industrienationen –, sich spezieller Vorschriten
und Subventionen zu bedienen, um den Übergang von konventionellen
Energieträgern au alternative Quellen wie Wind- und Solarenergie zu
ördern und au kleinerer Ebene den Elektrizitäts- und Brennstover-
brauch der Haushalte durch detaillierte Beschränkungen der zulässigen
Geräte, Fahrzeuge und anderen Bedarsartikel vorzuschreiben.
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Die Motivation ür diese Art von Politik ist nicht ganz klar. Manch-
mal wird behauptet, das Ziel sei die Schaung von Arbeitsplätzen. Die
Behauptung, dass durch Subventionen oder Vorschriten Arbeitsplät-
ze in einer bestimmten Branche geschaen werden könnten, ist alt
und stößt immer wieder au dieselben Schwierigkeiten. Arbeitet die
Industrie protabel, braucht sie keine Subventionen oder speziellen
Vorschriten, um zu wachsen. Ist sie nicht protabel, sollte sie vom
Staat nicht subventioniert oder begünstigt werden. Unter normalen
Umständen zeigt ein Unternehmen dadurch, dass es kontinuierlich
Geld verliert, dass seine Erzeugnisse weniger wert sind als die Mittel,
die es in seinen Produktionsprozess investiert hat. Zwingt die Politikdie Industrie nun, dennoch zu wachsen, muss dies zwangsläug zu ei-
ner Zerstörung von Wohlstand in der Wirtschat ühren. Berücksichtigt
man diesen Wohlstandsverlust sowie die Kosten, die den Steuerzahlern
augebürdet werden, das Subventionsprogramm zu nanzieren, zeigt
sich in der Regel, dass durch derlei Maßnahmen mehr Arbeitsplätze
verloren gehen, als neue geschaen werden. Wenn die subventions-
bzw. regulierungsgesteuerte Ausweitung einer Branche tatsächlich einverlässlicher Mechanismus zur Schaung von Arbeitsplätzen wäre,
dürte es angesichts der häugen Versuche vieler Regierungen schon
längst keine Arbeitslosigkeit mehr geben.
Bisweilen geben Politiker vor, die „grüne Ökonomie“ ziele darau
ab, die Vorteile revolutionärer neuer Technologien zu nutzen, um
nicht Geahr zu lauen, im Wettbewerb um deren Einührung „ins
Hintertreen zu geraten“. Gelegentlich treten tatsächlich echte neue
Technologien au den Plan – wie beispielsweise das Internet oder der
Verbrennungsmotor oder tragbare Computer. Doch die Produktion
und Nutzung solcher Güter ndet allein augrund der Tatsache welt-
weite Verbreitung, dass die Menschen diese kauen wollen und Unter-
nehmer davon protieren, in Unternehmen zu investieren, die diese
anbieten können. Zu einer Verbreitung neuer Technologien kommt es
ür gewöhnlich nicht, weil der entsprechende Industriezweig von der
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Theoretische Grundlagen der Klimapolitik
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Regierung geördert wird. Handelt es sich um echte brauchbare Inno-
vationen, regeln Angebot und Nachrage den Markt von selbst. Anders
gesagt: echte brauchbare Technologien nden den Weg zu den geeig-
neten Nutzern über den Markt. Gelingt es der Technologie nicht, sich
allein durchzusetzen, steht zu vermuten, dass es sich entweder tech-
nologisch oder wirtschatlich – oder aus beiderlei Hinsicht – nicht um
eine brauchbare Technologie handelt.
Schließlich wird die „grüne Ökonomie“ häug als eine Form der
Umweltpolitik angepriesen, deren Ziel in der Regel die Reduzierung
der Treibhausgasemissionen ist. In diesem Fall jedoch verdeutlicht die
Tatsache, dass sie den oben genannten ün Grundsätzen zuwiderläut,dass es sich um ein ür den gewünschten Zweck im Grunde äußerst un-
wirksames Instrument handelt. Die Subventionierungen industrieller
Windkratanlagen und riesiger Solarparks sind indirekte Maßnahmen
zur Umsetzung willkürlicher Mengenziele (wie bspw. die Forderung,
10 % der Elektrizität müssten aus Windenergie stammen), die unge-
achtet dessen verolgt werden, ob die Grenzkosten den Grenznutzen
übersteigen und sie angesichts anderer Maßnahmen zur direktenEmissionsbegrenzung redundant sind. Geht es der Politik tatsächlich
um Treibhausgasemissionen, sollte sie eine au Treibhausgasemissio-
nen ausgerichtete Preispolitik gestalten. Maßnahmen im Rahmen ei-
ner „grünen Ökonomie“ sind bestenalls überfüssig, schlimmstenalls
verschwenderisch und wirtschatsschädigend.
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
3.
Unsicherheit bezüglichdes Grenzschadens
Wenden wir uns nun einer genaueren Diskussion der Grenzschadens-
kurve (GS-Kurve) zu. Angenommen, die optimale Politik besteht ineiner Emissionssteuer, so stehen wir dennoch vor der großen Heraus-
orderung, uns nicht nur darüber zu einigen, au welchem Niveau die-
se Steuer einsetzen, sondern auch wie sie sich mit der Zeit entwickeln
sollte. Um diese Fragen beantworten zu können, ist eine Betrachtung
der potenziellen Schäden erorderlich, die durch CO2-Emissionen ver-
ursacht werden können. Dieses Kapitel beasst sich mit der allgemei-
nen Frage, ob CO2-Emissionen als extreme Geahr, die ein drastischesEingreien erordert, als triviale Erscheinung, die ignoriert werden
kann, oder als irgendetwas dazwischen betrachtet werden sollten. Ich
argumentiere wie olgt:
1 Es gibt genügend Anlass, CO2-Emissionen als Besorgnis erregend zu
betrachten, auch wenn nicht eststeht, in welchem Maße.
2 Die Auswirkungen der CO2-Emissionen (und anderer Treibhaus-
gase) au die Umwelt sind von komplexen natürlichen Rückkopp-
lungen abhängig, deren Ausmaß nicht einach anhand bekannter
physikalischer Grundprinzipien ermittelt werden kann und damit
zwangsläug au Modellannahmen beruht.
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3 Modellannahmen sind ür sich genommen kein Beweis ür das Aus-
maß der gesamten ökologischen Auswirkungen von CO2 und müs-
sen anhand konkreter Daten überprüt werden.
4 Die verügbaren Daten variieren in Bezug au Qualität und Zeit-
raum ihrer Verügbarkeit. Die längsten Datenreihen sind ür ge-
wöhnlich von geringerer Qualität und umgekehrt. Einige der hoch-
wertigsten Datenreihen sind inzwischen allerdings ausreichend
lang, um eine aussagekrätige Überprüung von Modellannahmen
zu ermöglichen.
5 Zwischen den Klimamodellprognosen und den Beobachtungen
bestehen signikante statistische (und klimatologische) Diskrepan-
zen, die darau hinweisen, dass die Rückkopplungen geringer aus-
allen als in den Klimamodellen angenommen.
6 Die derzeit existierenden Überwachungssysteme werden innerhalb
des nächsten Jahrzehnts ausreichend Daten hoher Qualität bieten,um die bestehenden Fragen bezüglich der Auswirkungen von CO2
au das globale Klima zu beantworten.
In den olgenden Abschnitten werden die genannten Fragen genauer
erörtert.
CO2-bedingte Erwärmung und Rückkopplungen
Die Energie der Sonne erwärmt die Erd- und die Meeresoberfäche.
Um das energetische Gleichgewicht zu wahren, muss die Erde dieselbe
Menge Energie wieder abgeben, die sie von der Sonne erhält. Die Erd-
und Meeresoberfächen der Erde geben au zweierlei Arten Energie ab:
durch Radiation und durch Konvektion. Bei Radiation handelt es sich
um die Emission von Inrarotenergie in die Atmosphäre. Konvektion
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Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
entsteht durch den Austausch von Warmlut nahe der Erdoberfäche
und Kaltlut aus den oberen Schichten der Atmosphäre, wodurch Lut-
strömungsmuster, Windsysteme, Wolken und Stürme sowie andere
Wettererscheinungen entstehen (Held und Soden 2000, Houghton
1997, Essex 1991).
CO2-Emissionen und andere Treibhausgase lassen die Lut ür
Inrarotstrahlen undurchlässiger werden, wodurch die Ezienz der
Atmosphäre bei der Abgabe von Energie an den Weltraum gemindert
wird. Eine Aurechterhaltung der Emissionsintensität verursacht einen
Anstieg der atmosphärischen Temperatur und Veränderungen der kon-
vektiven Aktivität. Während die Temperaturveränderung ür gewöhn-lich als relativ vorhersagbar gilt, ergeben sich aus den Veränderungen
der konvektiven und zirkulativen Aktivität Turbulenzprobleme, die
anhand der bekannten Grundprinzipien der Atmosphärenphysik nicht
vorhergesagt werden können. Aus diesem Grund kommen numerische
Klimamodelle oder allgemeine Zirkulationsmodelle (General Circulati-
on Models, GCM) zum Einsatz. Das auch den Modellen des IPCC-Berichts
von 2007 zugrundeliegende aktuelle Schema geht davon aus, dass eineVerdoppelung der in der Atmosphäre vorhandenen CO2-Menge einen
relativ geringen Anstieg der Durchschnittstemperatur um etwa 1 °C
(siehe Held und Soden 2000) nach sich ziehen würde. Das wiederum
ührt zu einer Erhöhung des Wasserdampgehalts der Atmosphäre und
nach Berücksichtigung der Rückkopplungsprozesse, insbesondere eben
dieser Ansammlung von Wasserdamp in der Atmosphäre, zu einer
mindestens doppelt so hohen Erwärmung von zwei bis vier Grad. Ein
Großteil der Sorgen in der Politik bezüglich der CO2-Emissionen ist au
das Ausmaß der potenziellen Rückkopplungsprozesse zurückzuühren
und weniger au die Folgen von CO2 selbst.
Klimamodelle rechnen nicht einach au Grundlage der zugrun-
deliegenden physikalisch-theoretischen Formeln, da die Bewegungs-
gleichungen zwar au lokaler Ebene wie bspw. in Bezug au ideale Gase
oder isolierte Volumina Gültigkeit haben, nicht jedoch in bekannter
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Form au globaler Ebene anwendbar sind. Die Modelle beruhen daher
immer au vereinachten Darstellungen, so genannten „Parametrisie-
rungen“, die einache Näherungswerte unter Verwendung von empi-
rischen oder au Grundlage von Näherungsprozessen hergeleiteten
Koezienten heranziehen (Knutti 2008).
Wolken beispielsweise entstehen durch Tröpchenbildung au
molekularer Ebene. Da die Gleichungen, anhand derer die Tröp-
chenbildung beschrieben wird, nicht ür allgemeingültige Aussagen
bezüglich der durchschnittlichen Wolkendecke herangezogen werden
können, müssen empirische Näherungsmodelle entwickelt werden,
die von anderen in der Atmosphäre über einer bestimmten Regionherrschenden Bedingungen wie Temperatur, Windmuster, Atmosphä-
renchemie usw. ausgehen, um die durchschnittliche Wolkendecke
über großen Regionen und lange Zeiträume vorherzusagen. Schwan-
kungen in der modellhaten Darstellung des Wolkenverhaltens sind
die Ursache ür einige der größten Abweichungen von einem Modell
zum anderen (Kiehl 2007, CCSP 2008, Seite 41). Bereits geringügige
Schwankungen beim Ausmaß der Rückkopplungsprozesse können zugroßen Abweichungen bei der simulierten Klimasensitivität gegen-
über Treibhausgasen ühren.
Da viele der Prozesse, die ür das Ausmaß der Rückkopplung
grundlegend sind, au empirischen Näherungswerten beruhen, ist
eine Prüung der GCM-Ergebnisse in Bezug au Daten aus Beobach-
tungen ür die Bestätigung oder Ablehnung der den GCM in Form von
Parametrisierungen zugrundeliegenden Annahmen von wesentlicher
Bedeutung. Weder können Modellversuche als Prüung ür die Gültig-
keit von Modellen dienen, noch kann die Ähnlichkeit von Modellversu-
chen in verschiedenen Modellgruppen als Nachweis ür die Gültigkeit
von Modellen dienen, da allen dieselben Fehler zugrundeliegen kön-
nen. Modelle müssen daher immer in Bezug au aus Beobachtungen
gewonnenen Daten geprüt werden.
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Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Klimadaten
Um überhaupt eine Aussage über potenzielle Schäden treen zu kön-
nen, die au die globale Erwärmung zurückzuühren sind, ist eine Mes-
sung der Klimaveränderungen erorderlich. Nacholgend werden die
im Allgemeinen herangezogenen Datenquellen untersucht.2
Daten in Bezug au die Erdoberäche
Bezüglich der Erdoberfäche gibt es drei zentrale globale Temperatur-
datenreihen. Das Institut ür Klimaorschung der Universität von EastAnglia (Climate Research Unit, CRU) veröentlicht die CRUTEM-Daten,
die in Jones et al. (1999) beschrieben sind, sowie die aktualisierten Fas-
sungen CRUTEM2 (Jones und Moberg 2003) und CRUTEM3 (Brohan et
al. 2006). Die abweichungsbereinigte Fassung ist unter der Bezeich-
nung CRUTEM3v bekannt. Eine weitere Datenreihe stammt vom God-
dard Institute o Space Studies (GISS) der NASA, eine dritte von der US-
amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration(NOAA). Alle drei Datenreihen greien au das als GHCN – Global Histo-
rical Climatology Network – bekannte Wetterdatenarchiv zurück.3
2 Dieser Abschnitt greit au zuvor in McKitrick (2010d) veröentlichte Daten zurück.
3 Die Internetadresse des GHCN lautet http://www.ncdc.noaa.gov/oa/climate/ghcn-monthly/index.php. Eine Liste der Quellen ndet sich unter http://www.ncdc.noaa.gov/oa/climate/ghcn-monthly/source-table1.html.
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Datenquelle: GHCN | Für detailierte Berechnungen vgl. McKitrick (2010d)
Abbildung 5GHCN-Zahlung der Wetterstationen
1910 1950 19901910 1950 1990 1910 1950 1990
6.000
4.500
3.000
1.500
0
6.000
4.500
3.000
1.500
0
6.000
4.500
3.000
1.500
0
Unbereinigte GHCN-Daten
Um ehlende Daten und Mehrachzählungen bereinigte GHCN-Daten
Global NördlicheHemisphäre
SüdlicheHemisphäre
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Das GHCN wurde in den rühen 1990er Jahren als Kooperations-
projekt des Carbon Dioxide Inormation and Analysis Center (CDIAC)
und des National Climatic Data Center (NCDC) ins Leben geruen. Ziel
war der Aubau eines gegenüber den damals über das CRU oder andere
Forschungsinstitute erhältlichen Daten umassenderen Temperatur-
datenarchivs. Die erste Version wurde im Jahr 1992 (Vose et al. 1992)
au Grundlage von Bestandsdaten ohne Korrektur von Inhomogeni-
täten veröentlicht4. Die zweite Version (GHCN v2) erschien im Jahr
1997 und ist in Peterson und Vose (1997) beschrieben. Erläuterungen
zu den Methoden der Qualitätssicherung nden sich in Peterson et al.
(1998). Während der Vorbereitung von GHCN v2 nahmen die Autoreneinige Korrekturen von Inhomogenitäten vor und ergänzten die Da-
ten der Messstationen im Hinblick au ein besseres Verständnis der
Quellenqualität durch die Nutzer um Metadaten wie die umliegende
Bevölkerung sowie um genaue Inormationen zu den Standorten der
einzelnen Messstationen.
Wie Abbildung 5 zeigt, stehen ür die nördliche Hemisphäre ün-
mal mehr Wetterauzeichnungen zur Verügung als ür die südlicheHemisphäre. Die Gesamtanzahl der Wetterauzeichnungen des GHCN
erreichte in den 1960er und 1970er Jahren einen Höhepunkt und
nahm seitdem in beiden Hemisphären deutlich ab. Dieser Trend setz-
te sich nach 1989 ort, bis schließlich im Jahr 2005 ein schwerer Ein-
bruch zu verzeichnen war. Der mittlere bzw. linke Teil der Abbildung
4 Der Begri „Inhomogenitäten“ ist in Bezug au Temperaturdaten eher untechnisch deniertund bezeichnet ursprünglich eine durch Veränderungen der Gerätschaten, Veränderungen derBeobachtungszeit, die Verlegung einer Wetterstation o. Ä. hervorgeruene Messdiskontinuität.Einige Autoren verwenden den Begri auch, um Messabweichungen augrund von Urbanisierung,Veränderungen der Landnutzung und anderen nichtklimatischen Einfüssen abzubilden, auchwenn hierür viele Autoren au eine unterschiedliche Begrifichkeit zurückgreien. Wenn alsoin Bezug au ein Archiv wie dem GHCN von einer „Korrektur von Inhomogenitäten“ die Rede ist,kann dies daher als „Korrektur von Messdiskontinuitäten“, nicht notwendigerweise jedoch als„Korrektur von durch lokale, nichtklimatische Einfüsse hervorgeruenen Messabweichungen“ausgelegt werden.
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zeigt die nördliche bzw. südliche Hemisphäre und belegt, dass es sich
bei der sinkenden Anzahl von Wetterstationen um ein globales Phä-
nomen handelte. Der Messumang ist von seinem Höhepunkt Anang
der 1970er Jahre um etwa 75 % au den tiesten Wert seit dem Ende des
neunzehnten Jahrhunderts gesunken. Aktuell erasst das GHCN weni-
ger Temperaturdaten als zu Ende des Ersten Weltkrieges.
Während GHCN v2 zumindest über Daten aus nahezu allen Ge-
genden der Welt verügt, liegen ür das gesamte 20. Jahrhundert wei-
testgehend au die USA, Südkanada, Europa und einige wenige andere
Standorte beschränkte Daten vor. Die globale Abdeckung mit voll-
ständigen täglichen Auzeichnungen (einschließlich der Ablesung derHöchst- und Tiestwerte sowie von Durchschnittswerten) ist seit 1900
äußerst unvollständig. Abgesehen von den USA, Südkanada und den
australischen Küstenregionen liegen nur wenige entsprechende Au-
zeichnungen, ür das Landesinnere ganzer Teile von Südamerika, A-
rika, Europa und Asien überhaupt keine Beobachtungen vor (Peterson
und Vose 1997, Abbildungen 3 und 4).
Von den 31 ür das GHCN herangezogenen Datenquellen sind nurür drei regelmäßige monatliche Aktualisierungen erhältlich. Bei zwei-
en davon handelt es sich um US-Netzwerke, bei dem dritten um ein
aus 1.500 Stationen bestehendes Netzwerk, das über das so genannte
CLIMAT-Netzwerk automatisch Wetterdaten übermittelt.
Die Veränderung der verwendeten Datenquellen erolgte in Bezug
au die Art der Quellen nicht einheitlich. So haben sich die Messungen
beispielsweise hin zu Flughaenstandorten verlagert, die dem Problem
unterworen sind, dass sie sich häug an urbanen oder suburbanen
Standorten benden, die in den vergangenen Jahrzehnten errichtet
wurden. Zudem hat der zunehmende globale Lutverkehr zu einer
Erwärmung durch Faktoren wie Verkehr, Straßenwege, Gebäude und
Aball geührt, die ausnahmslos nur schwer aus den Temperaturau-
zeichnungen herausgenommen werden können. Wie Abbildung 6 zu
entnehmen ist, kam es inolge der oben gezeigten Stationsverluste
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Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
zu einer Zunahme der Beobachtungen von Flughaenstandorten. Die
meisten Regionen wiesen hier mit 40 % oder mehr im Jahr 1980 be-
reits zu Beginn hohe Werte au. Gegenüber knapp über 20 % in den
späten 1920er Jahren stammt heute mindestens die Hälte der regio-
nalen Messungen von Flughäen.
Die CRUTEM-Daten beruhen ast vollständig au dem GHCN. In-
olge eines 2007 gestellten Antrags gemäß dem Freedom o Inorma-
tion Act5 , der allen US-Bürgern reien Zugang zu den Akten, Unterla-
gen und Inormationen der Verwaltung gewährt, gab das CRU oziell
an, dass die von ihm verwendeten Stationsdaten aus zwei Quellen
stammten: dem GHCN und dem US-amerikanischen National Cen-ter or Atmospheric Research (NCAR) in Form der Datensätze ds540.0
und ds570.0. Au der NCAR-Website entspricht ds540.0 im Wesentli-
chen dem GHCN v2 (http://dss.ucar.edu/datasets/ds564.0/). Bei dem
Datensatz ds570.0 handelt es sich um die World Monthly Surace Sta-
tion Climatology (http://dss.ucar.edu/datasets/ds570.0/), die größte
Einzelkomponente des GHCN-v2-Archivs (Peterson und Vose (1997),
Tabelle 1). In einer weiteren Darstellung gab das CRU den Anteil der ausdiesen Quellen stammenden Daten mit etwa 98 % an.
5 Das Korrespondenzarchiv ndet sich im Internet unter http://climateaudit.les.wordpress.com/2008/05/cru.correspondence.pd.
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Quelle: GHCN | Für detaillierte Berechnungen siehe McKitrick (2010d)
Die globalen Temperaturdaten des Goddard Institute o Space Stu-
dies der NASA gehen au drei Ausgangsarchive zurück: GHCN v2 ür
die gesamte Welt mit Ausnahme der USA und der Antarktis, das US
Historical Climatology Network (USHCN, ebenalls ein NCDC-Produkt)
sowie ein Archiv der Antarktisstationen des Scientic Committee on
Antarctic Research6. Der größte Teil der von den USA in das GHCN ein-
gespeisten Daten stammt aus dem USHCN, das jedoch auch seine eige-
nen Anpassungen zur Qualitätssicherung vornimmt.
6 http://data.giss.nasa.gov/gistemp/sources/gistemp.html
Abbildung 6Anzahl GHCN-Stationen an Flughäen in Prozentim Zeitraum 1890 – 2009
1890 1930 1970 2010 1890 1930 1970 2010 1890 1930 1970 2010
80
60
40
20
0
80
60
40
20
0
80
60
40
20
0
Global NördlicheHemisphäre
SüdlicheHemisphäre
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Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Die NOAA veröentlicht monatlich eine Übersicht über globale
Temperaturanomalien (http://www.ncdc.noaa.gov/cmb-aq/anomali-
es.html). Au der NOAA-Website ndet sich der Hinweis, dass die Land-
auzeichnungen aus dem GHCN-Archiv stammen. Weitere Quellen
sind nicht augeührt. Die drei zentralen Rasterdatensätze in Bezug
au globale Temperaturanomalien beruhen daher ausschließlich bzw.
nahezu ausschließlich au Daten aus dem GHCN-Archiv. Die Proble-
me des GHCN wie Messdiskontinuitäten und Verunreinigungen durch
Urbanisierung und andere Formen veränderter Landnutzung wirken
sich daher auch au die Daten des CRU, des GISS und der NOAA aus.
Die mit der Zeit abnehmende Qualität der GHCN-Daten ührt damitzu einer ebenalls abnehmenden Qualität der Datensätze des CRU, des
GISS und der NOAA sowie zu einem stärkeren Einfuss durch Datenan-
passungen zum Ausgleich von Messabweichungen.
Daten in Bezug au die Meeresoberäche
Alle historischen Daten bezüglich der Meeresoberfächentemperatur(Sea Surace Temperature, SST) sind dem International Comprehensi-
ve Ocean-Atmosphere Data Set (ICOADS, http://icoads.noaa.gov/) oder
einem seiner Vorgängerarchive entnommen. Das ICOADS kombiniert
etwa 125 Millionen SST-Datensätze aus Schisauzeichnungen sowie
weitere 60 Millionen Werte aus Bojen und anderen Quellen (Woodru
et al. 2005). Das ICOADS stützt sich au eine große Sammlung von Ein-
gangsdaten, wobei jedoch darau hingewiesen werden sollte, dass sich
bspw. augrund von Veränderungen der räumlichen Abdeckung, der
Beobachtungsinstrumente und der Messzeiten sowie der Größe und
Geschwindigkeit des Schies gravierende Schwierigkeiten ergeben. Im
Grunde handelt es sich bei den ICOADS-Datensätzen um eine große
Ansammlung problematischer Daten.
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Das britische Hadley Centre erstellt hinsichtlich der Meeresoberfä-
chentemperatur zwei gerasterte Datensatzsammlungen: HADSST2
und HADISST (Beschreibungen nden sich unter www.hadobs.org).
Die in der Sammlung HADSST2 verzeichneten Datensätze werden
mit den CRUTEM-Daten ür die Erdoberfäche zu dem so genannten
globalen HADCRU-Datensatz kombiniert. Die HADSST2 zugrundelie-
genden Methoden sind in Rayner et al. (2006) dargestellt. Bis 1997
verwendete HADSST2 die ICOADS-Daten, 1998 erolgte die Umstel-
lung au ein ICOADS-Teilsystem namens Near Real-Time (NRT) Mari-
ne Observations (http://icoads.noaa.gov/nrt.html). Das ICOADS weist
darau hin, dass beide nicht vollständig konsistent sind (siehe http://icoads.noaa.gov/products.html). Ende 2010 läut das NRT-System
aus, da das ICOADS-System nunmehr hinreichend automatisiert ist,
um kontinuierlich aktualisiert werden zu können; das Hadley Centre
wird in der Folge vermutlich wieder au die ICOADS-Daten als Quelle
zurückgreien.
Die HADSST2-Datensatzsammlung weist Lücken und spärliche
Daten in der Oberfächenabdeckung au. Die HADISST-Datensatz-sammlung bietet unter Verwendung von Interpolationsmethoden
eine „vollständige“ globale Abdeckung bzw. anders ausgedrückt Zah-
len ür jede Rasterzelle. Wichtigste Datenquelle ist die britische Met
Oce’s Marine Data Bank, die bis 1995 durch ICOADS-Daten augeüllt
wurde. Fehlende Rasterzellen werden durch eine au Hauptkomponen-
tenanalysen beruhende numerische Methode ergänzt. Nach 1982 fos-
sen Satellitendaten in den Interpolationsalgorithmus ein.
Die NOAA verwendet zur Ermittlung der so genannten Extended
Reconstruction Sea Surace Temperature (ERSST) ICOADS-Daten. Seit
1985 gri die NOAA zur Abdeckung in den Polargebieten au Satelliten-
beobachtungen des Advanced Very High Resolution Radiometer (AV-
HRR) zurück, stellte dabei jedoch einen leichten Rückgang des Trends
est und ührte diesen Eekt au systematisch zu niedrig gemessene
Temperaturen (Cold Bias) zurück, sodass die Satellitendaten in der
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Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Folge enternt wurden (siehe http://www.ncdc.noaa.gov/oa/climate/
research/sst/ersstv3.php).
Das GISS verwendet andere NOAA-Daten, nämlich die Optimal In-
terpolation Version 2 (OI.v2) Datenbank von Reynolds et al. (2008), die
bis 1998 au ICOADS-Daten beruhte. Anschließend erolgte wie beim
Hadley Centre eine Umstellung au ein kontinuierlich aktualisiertes
Teilsystem, wodurch mit einem Mal etwa 20 % der Messungen verloren
gingen. Das aktualisierte Teilsystem wird durch Bojendaten ergänzt, da
viele Schisauzeichnungen nur als Hardcopy vorgelegt werden. Die
OI.v2-Datenbank greit zudem au AVHRR-Satellitendaten zurück, um
die Interpolation ür Regionen, in denen keine Messungen stattnden,zu verbessern. Im Gegensatz zum ERSST-Datensatz nden die Satelli-
tendaten in den OI.v2-Datensatz nach wie vor Eingang.
Bis in die 1930er Jahre beschränkte sich die Meeresdatenerassung
au die Gebiete, in denen Schisverkehr herrschte. In den meisten Re-
gionen des Südpazik, in etwa in dem Bereich südlich einer Linie von
der Halbinsel Baja Caliornia bis zur Südspitze Arikas, wurden inner-
halb eines Jahrzehnts weniger als 99, in vielen Gebieten überhaupt kei-ne Messungen durchgeührt. In den 1970er Jahren war die Abdeckung
mit Ausnahme von Südaustralien, Südamerika und Arika nahezu
komplett. Heute ehlen au der Karte nur noch einige Polargebiete
(Woodru et al. 2008, Abbildung 5).
Die Daten ür die Zeit vor 1978 stammen nahezu vollständig aus
Schisauzeichnungen. Seit 1978 erolgt die Datenerassung haupt-
sächlich mittels Treib- und Mooringbojen (Woodru et al. 2008). Mes-
sungen au Schien und Bojen werden als In-Situ-Messungen bezeich-
net. Eine weitere Datenquelle, die in den vergangenen Jahrzehnten an
Bedeutung gewann, sind Satellitenbeobachtungen der Meeresoberfä-
che, die dazu dienen, die Abdeckung auch au Gebiete außerhalb der
In-Situ-Gebiete auszuweiten. Rayner et al. (2003) weisen jedoch dar-
au hin, dass auch Satellitensysteme mit Schwierigkeiten verbunden
sind. Satellitenmessungen der Meeresoberfächentemperatur weisen
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Ungenauigkeiten au, sobald eine Wolkendecke vorhanden ist und es
zu Schwankungen hinsichtlich des Staubs und der Aerosole in der At-
mosphäre kommt. Inrarotdaten aus dem AVHRR-System können die
SST zwar exakt messen, müssen jedoch gegenüber den bestehenden
SST-Datensätzen kalibriert werden, um Messgeräteabweichungen zu
vermeiden. Bei tie hängenden Wolkendecken und hoher Aerosolbela-
stung sind die Messungen unzuverlässig. Neue Satellitenplattormen
wie die Tropical Rainall Measuring Mission (TRMM) und das Advan-
ced Microwave Scanning Radiometer (AMSR-E) haben in den vergan-
genen Jahren die Möglichkeiten der Datenerassung bei Vorliegen von
Wolken und Aerosolen deutlich verbessert.Schisdaten werden augrund der Vermischung von zwei unter-
schiedlichen Messtypen skeptisch beäugt. Früher wurde zur Messung
der SST ein Eimer Wasser von der Meeresoberfäche an Deck eines
Schies gezogen und die Temperatur des Wassers mit einem Ther-
mometer gemessen. Je nachdem, was ür ein Eimer daür verwendet
wurde – bspw. ein Holzeimer oder ein vom Wetteramt ausgegebener
Segeltucheimer –, wurden verschiedene Messergebnisse erzielt, die inBezug au die tatsächliche Temperatur häug nach unten abwichen
(Thompson et al. 2008). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erolgten die
Messungen angesichts der Ablösung von Segelschien durch Motor-
schie zunehmend über Sensoren, welche die Temperatur des in das
Motorkühlsystem eingesaugten Wassers überwachten. Diese Daten
weichen gegenüber der tatsächlichen SST ür gewöhnlich nach oben
ab (Thompson et al. 2008). Insgesamt wird davon ausgegangen, dass
US-amerikanische Schie recht schnell au diese motorgetriebenen
Ansaugsysteme umgestellt haben, wohingegen britische Schie ihre
Messungen deutlich länger mithile der Eimermethode durchührten.
In jüngerer Zeit wurden von einigen Schien über Rumpsensoren er-
mittelte Messdaten übermittelt, und durch veränderte Schisgrößen
anden zudem künstliche Trends Eingang in die ICOADS-Datensätze
(Kent et al. 2007).
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Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Bis vor kurzem ging man davon aus, dass der Übergang von un-
isolierten bzw. teilisolierten Eimern hin zu Ansaugsystemen plötzlich
im Dezember 1941 mit Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg er-
olgte (Folland und Parker 1995). Das Hadley Centre korrigierte dar-
auhin seine SST-Daten aus der Zeit vor 1941 augrund der Annahme,
die Eimermessung sei zu diesem Zeitpunkt eingestellt worden, nach
oben. Als Kent et al. (2007) jedoch kürzlich Schismetadaten zusam-
mentrugen, stießen sie darau, dass in den von Schien stammenden
ICOADS-Daten im Jahr 1980 nach wie vor etwa die Hälte aus solchen
Eimermessungen stammte.
Bei der Verwendung der Kent-Daten legten Thompson et al. (2008)ein weiteres Problem im Zusammenhang mit den SST-Daten in den
Jahren 1945 und 1946 oen: zwischen 1940 und 1945 war der Anteil
der von US-Schien stammenden Daten explosionsartig au mehr als
80 % der Proben angestiegen; mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges
hingegen stieg der Anteil der Daten aus Großbritannien innerhalb
eines Jahres von etwa 0 % au etwa 50 % der Gesamtdaten an, wohin-
gegen die USA weniger Daten lieerten als zuvor. Gleichzeitig el derICOADS-Durchschnitt um etwa 0,5 °C, was einer starken Verälschung
gleichkommt, die in den veröentlichten globalen Temperaturreihen
sichtbar wird. Thompson et al. weisen darau hin, dass die Auswirkun-
gen der Korrektur dieses Temperaturknicks in der Mitte des Jahrhun-
derts erheblich sein können. Wird diese Diskontinuität zur Anpas-
sung an die vor 1945 erassten Datenreihen durch Erhöhung der nach
1945 erhobenen Daten gelöst, fachen die Reihen ab und lassen ür
den Zeitraum von etwa 1940 bis in die späten 1990er Jahre keinerlei
Rückschlüsse au eine Erwärmung zu. Das im 20. Jahrhundert vorherr-
schende Verständnis der Erderwärmung wird dadurch drastisch verän-
dert. Wird die Diskontinuität hingegen gelöst, indem die nach 1945 er-
assten Datenreihen durch eine Verringerung der vor 1945 erhobenen
Daten harmonisiert werden, ührt dies zu einem deutlich längeren
und über das gesamte 20. Jahrhundert anhaltenden Erwärmungstrend
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als angenommen. In beiden Fällen wird die wie auch immer geartete
Entscheidung über die Beseitigung dieser kürzlich entdeckten schwer
identizierbaren Diskontinuität in den SST-Datenreihen eine weit ge-
asste Überprüung des aktuellen Verständnisses der globalen Erwär-
mung zur Folge haben.
Eine weitere Schwierigkeit zeigt sich, ähnlich wie bei den Erdober-
fächendaten, in einem beständigen Rückgang der Anzahl von Schi-
en, die sich in den vergangenen Jahren bereit erklärt haben, Daten ür
das ICOADS zu lieern. Die neue weltweite ARGO-Flotte (www.argo.net)
deckt seit 2003 ür die gesamten Weltmeere bis in eine Tiee von 2.000
Metern die Messungen von Temperatur, Salzgehalt und Strömungenab. Einen vollständigen Ausgleich der immer weniger werdenden
Schisdaten kann diese Flotte jedoch nicht leisten, da sie keine direk-
ten Messungen der SST vornimmt. Stattdessen beginnt ihr Proling in
einer Tiee von 10 Metern unter dem Meeresspiegel, wohingegen ihre
Ansaugpumpen in einer Tiee von 8 Metern unter dem Meeresspiegel
automatisch abschalten.
Eine weitere Herausorderung stellt das Meereis dar. Die Schi-ahrt in eisbedeckten Regionen ist geährlich, sodass aus der Zeit vor
dem Einsatz von Satelliten (etwa ab 1978) nur spärliche Daten vor-
liegen. Für die Zeit zwischen 1901 und 1995 liegen zwar Diagramme
über die Meereiskonzentration in der nördlichen Hemisphäre vor,
doch können nur die Ränder beobachtet werden und die darüber hin-
ausgehende Abdeckung ist als einheitlich anzunehmen (Rayner et al.
2003). Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass ür die Herbst-
und Wintermonate (September bis März) überhaupt keine Daten
vorliegen, sodass die Meereiskonzentration in den Randgebieten au
Grundlage der Daten aus den Sommermonaten geschätzt werden
muss. Daten über das in der Antarktis vorhandene Meereis wurden
erst ab 1973 mit Beginn der Satellitenbeobachtungen verügbar. Aus
rüheren Jahren liegen nur einige Beobachtungen von Forschungsex-
peditionen vor. Die HADISST-Datenreihe des Hadley Centre greit ür
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Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
die Jahre zwischen 1929 und 1939 au Daten aus Deutschland zurück
und rechnet au deren Grundlage zurück bis in das Jahr 1871. Für den
Zeitraum 1947 – 1962 dienen russische Forschungsdaten als Grundla-
ge, Daten ür andere Jahre wurden bis zu den ersten Satellitenmessun-
gen durch Interpolation gewonnen.
Für die Erstellung globaler Datensätze wird die SST in der Annah-
me mit den GHCN-Daten ür die Erdoberfäche kombiniert, beide zu-
sammen ergeben einen Durchschnittswert ür die oberfächennahe
Luttemperatur. Auzeichnungen der Meeresluttemperatur (Marine
Air Temperature [MAT] im Gegensatz zur SST) gibt es nur sehr weni-
ge, die zudem durch die im Verlaue des Jahrhunderts zunehmendeSchishöhe beeinträchtigt wurden und daher im Zeitverlau, außer in
den Fällen, in denen die Messung au gleicher Höhe erolgt ist, nicht
streng vergleichbar sind. Die Übereinstimmung zwischen SST- und
Luttemperaturtrends wurde in einigen wenigen Fällen untersucht.
Christy et. al. (2001) konzentrierten sich dabei au Standorte, an denen
sie die Lut- und die SST-Messungen an ein und demselben Ort direkt
miteinander vergleichen konnten. Die Untersuchung umasste vonSchien erasste Daten bezüglich der Meeresluttemperatur sowie Da-
ten von Wettersatelliten, Wetterballons und einer Reihe von Bojen im
tropischen Pazik. Die Daten aus dem Bojennetz sind dabei besonders
hilreich, da diese an ein und demselben Ort sowohl die Temperatur
einen Meter unter der Oberfäche als auch drei Meter über der Oberfä-
che messen. Bei allen Vergleichen der SST mit der Luttemperatur trat
zutage, dass das Meer sich gegenüber der Lut erwärmt hat, was darau
hindeutet, dass die SST gegenüber den Luttemperaturtrends zu hoch
angegeben wurde. Darüber hinaus weisen drei der Luttemperatur-Da-
tensätze (Satellit, Ballon und Reanalyse) darau hin, dass sich die Mee-
resluttemperatur direkt über der Meeresoberfäche in den Tropen seit
1979 alle zehn Jahre um durchschnittlich 0,01 bis 0,06 °C abgekühlt
hat, während die SST-Daten au eine Erwärmung schließen ließen. Die
Autoren berechneten daher die globalen Durchschnittstemperaturen
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ür den Zeitraum von 1979 bis 1999 ür Zeiträume, ür die Luttem-
peraturdaten anstelle von SST-Daten vorlagen, neu, woraus sich eine
Reduzierung des globalen Trends um 0,05 °C pro Jahrzehnt ergab.
Messungen der Luttemperatur per Satellit
Eine Alternative zu Oberfächendaten erönete sich, als Spencer und
Christy (1990) neue Klimadatenreihen veröentlichten, die au einer
Auswertung von Daten der von der National Oceanographic and At-
mospheric Administration (NOAA) der USA 1979 ins All geschickten
Wettersatelliten Tiros-N gelieert worden waren. Diese Satelliten sindmit so genannten Microwave Sounding Units (MSU) ausgestattet, die
die von Sauerstomolekülen in verschiedenen Schichten der Atmo-
sphäre abgegebene Strahlung messen und so täglich eine nahezu voll-
ständige Übersicht über die gesamte Tropos- und Stratosphäre lieern.
Jede Messung kann dabei stellvertretend ür den Gesamtdurchschnitt
der Luttemperatur betrachtet werden.
Der Vorteil der MSU-Reihe besteht darin, dass Spencer und Chri-sty durch die Kalibrierung der MSU-Daten gegenüber Messungen der
Luttemperatur aus einem globalen Radiosondennetz7 in der Lage wa-
ren, die erste au einer konsistenten Probenmethode beruhende glo-
bale Durchschnittstemperaturreihe ür die gesamte Atmosphäre und
vor allem die besonders wichtige Troposphäre vorzulegen. Allerdings
zeigten sich unter anderem auch olgende Nachteile:
7 Bei Radiosonden handelt es sich um au Wetterballons montierte Thermometer, die ausunterschiedlicher Höhe Temperaturmessdaten an am Boden bendliche Monitore übermitteln.Ein Netzwerk meteorologischer Stationen wird so mit globalen Daten gespeist.
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
> Die Messdatenreihen reichen nur bis 1979 zurück. Auch wenn au
diesem Wege also inzwischen Messdaten aus den 30 Jahren vorlie-
gen, in denen die Erdoberfäche sich am stärksten erwärmt hat, kön-
nen daraus keine Schlüsse bezüglich der Erwärmungsmuster in der
Mitte des 20. Jahrhunderts gezogen werden.
> An verschiedenen Punkten der Reihen wurden Satelliten ausge-
tauscht, sodass der Trend durch die Messpunktkalibrierung beein-
fusst worden sein kann.
Die Daten von Spencer und Christy werden üblicherweise nach den
Initialen der Universität von Alabama in Huntsville, an der die beidenForscher tätig sind, als UAH-Reihe bezeichnet. Ein unabhängiger Al-
gorithmus zur Auswertung der MSU-Daten wurde von dem kaliorni-
schen Forschungsunternehmen Remote Sensing Systems (RSS) entwi-
ckelt (Mears et al 2003). Beide existierenden Versionen ähneln sich au-
ßerhalb der Tropen stark, wohingegen die RSS-Reihen über den Tropen
einen deutlich höheren Trend auweisen, was mit einem stuenartigen
Anstieg um 1992 zusammenzuhängen scheint, der sich zeitgleich miteinem Satellitenaustausch ereignete (Christy et al. 2010). Aus den
RSS-Daten lässt sich ür die Zeit nach 1993 relativ zu Wetterballonda-
ten (Randall und Herman 2008) und Reanalysedaten8 (Bengtsson und
Hodges 2010) sowie im Vergleich zu einigen anderen regionalen Da-
tensätzen (Christy et al. 2010) eine Erwärmung ablesen.
Durch das RSS-Team wurde als Problem erkannt, dass es augrund
eines Höhenverlustes durch veränderte Satellitenbahnen mit der Zeit zu
verälschten Abkühlungstrends kommen könnte. Sowohl die UAH- als
8 Reanalysedaten werden au Grundlage von Wetterprognosen ür die nächsten 6 und 12 Stundengewonnen. Die Wettermodelle werden au Grundlage von Beobachtungen deniert und lieernvollständige räumliche Daten ür unterschiedliche Atmosphäreschichten. Da kurzristigePrognosen die höchste Zuverlässigkeit auweisen, stellen diese eine gute Datenquelle zumVergleich mit direkten Beobachtungen dar.
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auch die RSS-Forscher haben als Ausgleich ür diesen Eekt historische
Korrekturen entwickelt. Nach 2002 begann das UAH-Team mit der Inte-
gration von MSU-Daten aus dem so genannten AQUA-Satellitensystem,
das dank eines eigenen Antriebssystems au konstanter Höhe gehalten
werden kann. Von RSS werden keine AQUA-Daten verwendet.
Abschließende Bemerkungen
Mein Eindruck der verschiedenen zur Messung des globalen Klima-
wandels zur Verügung stehenden Datensammlungen ist, dass die
längsten Datenreihen, d. h. die Datenreihen in Bezug au die Erd- unddie Meeresoberfäche, gravierende Probleme hinsichtlich ihrer Erhe-
bung, Kontinuität und Qualität auweisen, sodass eine langristige
Kontinuität der Daten illusorisch ist. Die Schwierigkeiten im Zusam-
menhang mit der Erhebung von Daten ür die Erdoberfäche haben
sich in den vergangenen Jahrzehnten ausgeweitet. Ferner kann der
Aussage, der Abgleich der drei globalen Datenreihen untereinander
komme einer Qualitätsprüung gleich, nicht zugestimmt werden, daalle au denselben Archiven basieren und damit eine nur unzurei-
chende Unabhängigkeit auweisen. Die MSU-Satellitendatenreihe ist
kürzer, verügt jedoch hinsichtlich von Konsistenz und Vollständigkeit
der Datenerassung, der Qualität der Geräteausstattung sowie der Va-
lidierung gegenüber unabhängigen Beobachtungsplattormen über
klare Vorteile. Für Zwecke der politischen Entscheidungsndung halte
ich die MSU-Daten ür das am meisten geeignete System.
Vergleich von Modelldaten
Parametrisierungen sind in Modellen unvermeidbar. Daher ist es
umso wichtiger, dass die verschiedenen Klimamodelle zur Beurtei-
lung der Qualität der empirischen Näherungswerte konkreten Daten
gegenübergestellt werden. Einache eindimensionale Vergleiche der
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
anhand von Modellen generierten globalen Durchschnittstempe-
ratur mit au Beobachtungen basierenden globalen Durchschnitts-
werten nden sich im 20. Jahrhundert vielach (z. B. Knutson et al.
2006, CCSP 2008). Der globale Durchschnitt wird jedoch von einem
langsamen und stetigen Auwärtstrend beherrscht; die Entwicklung
eines Modells, das einen einachen Auwärtstrend auweist, ist nicht
schwierig. Angesichts der großen Zahl widersprüchlicher Hypothe-
sen, die zu einer solchen Form ühren können, ist die Feststellung
einer Übereinstimmung zwischen Beobachtungen und Modellen des
globalen Durchschnitts allein als Beweis nicht ausreichend. Knutti
(2008), CCSP (2008, Seite 44), Knutti und Hegerl (2008), Kiehl (2007),Hegerl et al. (2007, Seite 678), Schwartz et al. (2007) und andere haben
darau verwiesen, dass der beobachtete globale Durchschnittstrend
gleichermaßen konsistent mit stärkeren und schwächeren Annah-
men bezüglich der Sensitivität gegenüber einer durch Treibhausga-
se verursachten Erwärmung sein kann, wenn er mit ausgleichenden
Annahmen bezüglich einer aerosolbedingten Abkühlung, einer Wär-
meaunahme durch die Weltmeere oder anderen Mechanismen inVerbindung gebracht wird. In der Praxis weisen Modelle, die von einer
stärkeren Sensitivität gegenüber Treibhausgasen ausgehen, in einem
Maße eine Tendenz zu einem stärken Ausgleich durch Abkühlungs-
mechanismen au, das nicht zuällig erscheint (Kiehl 2007).
Die GCM-Auswertung gemäß Kapitel 8 des vierten Berichts des
Zwischenstaatlichen Ausschusses ür Klimaänderungen (IPCC) (Ran-
dall et al. 2007) besteht vorrangig aus statischen Reproduktionstests,
die Aussagen über die Verteilung der Durchschnittstemperatur und
der Niederschlagshöhen ermöglichen, jedoch keine weltweiten Trends
reproduzieren, und a priori-Kontrollen, um estzustellen, ob bekann-
te meteorologische Prozesse in die Modelle Eingang geunden haben.
Der IPCC weist darau hin, dass relativ wenige Studien die Frage au-
geworen haben, ob die empirische Treue zwischen den Modellsimu-
lationen der Vergangenheit und den dazugehörigen Beobachtungsda-
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ten die Genauigkeit von Klimatrendprognosen verbessern (Randall et
al. 2007, Seite 594). Daher sind Methoden zur Bewertung der Modelle
entsprechend ihrer Fähigkeit, verschiedene räumliche Trendmuster zu
erassen, erorderlich. Berk et al. (2001) verwiesen diesbezüglich darau,
dass nur wenige quantitative Vergleiche von Modellergebnissen und
mit aus Beobachtungen gewonnenen Daten vorlägen, die sich zudem
noch „extrem au subjektive Bewertungen stützen“ (Berk et al., Seite
126). Die Situation hat sich seit 2001 kaum verändert. Weder die Über-
prüung der GCM durch das US-amerikanische Climate Change Science
Program (CCSP 2008) noch der jüngste Bericht des IPCC lieern statis-
tische Untersuchungen darüber, wie gut Klimamodelle das räumlicheTemperaturtrendmuster der vergangenen Jahrzehnte reproduzieren.
Stattdessen verlassen sie sich au subjektive Bewertungen. In Kapitel 9
des IPCC-Berichts (Hegerl et al. 2007) nden sich die Diskussion eines
Diagramms (Abbildung 9.6, Seite 684 – 686) über die durchschnittli-
chen Ergebnisse aus 58 GCM-Simulationen und das besondere Tempe-
raturmuster von Trends an der Erdoberfäche zwischen 1979 und 2005,
wobei Modellsimulationen, die von der Annahme ausgehen, das Klimawürde durch Treibhausgase nicht erwärmt, Modellsimulationen gegen-
übergestellt werden, die au der Annahme beruhen, dass dies sehr wohl
der Fall sei. In diesem Zusammenhang wird behauptet, letztere An-
nahme passe besser zu den Beobachtungsdaten; ein quantitativer Be-
leg wird jedoch nicht erbracht. Der CCSP-Bericht (2008) enthält einen
visuellen Vergleich hinsichtlich der Übereinstimmung der zwischen
1979 und 2003 beobachteten und den von der GISS in ihrem Modell
ausgearbeiteten Trendmustern. Auch diese Diskussion ist rein quali-
tativ – dem Leser wird noch nicht einmal ein Korrelationskoezient,
geschweige denn eine Reihe von Signikanztests vorgelegt.
Einer der zentralen Tests ür die Qualität von GCM ist es, zu prüen,
ob sie geeignet sind, das Verhalten der riesigen tropischen Region kor-
rekt dazustellen. Die allgemeine atmosphärische Zirkulation entsteht
im Wesentlichen durch die unterschiedlich starke Erwärmung der Erde
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Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
am Äquator und an den Polen.9 Durch die starke Sonneneinstrahlung
und die damit verbundene Erwärmung am Äquator steigt heiße und
euchte Lut au, die sich in der Höhe abkühlt und um etwa 30 Breiten-
grade in Richtung der Pole strömt. Dort sinkt sie wieder ab und strömt
in Bodennähe zurück zum Äquator. Ein Teil der absteigenden Lut wird
abgelenkt und vermischt sich mit einer Lutströmung in Richtung der
Pole, die in verschiedenen, an den Polen endenden Zirkulationen ver-
läut. Globale Atmosphärenmodelle müssen diese Prozesse au einer
rotierenden Kugel unter Berücksichtigung geeigneter Verteilungen hin-
sichtlich von Feuchtigkeit, Impuls und Energie abbilden. Im Rahmen
von au diesen Modellen beruhenden Experimenten wurde regelmäßiggezeigt, dass die stärkste Erwärmung augrund der Konzentrationserhö-
hung von Treibhausgasen in der tropischen Troposphäre erolgt. Held
und Soden (2000, Seite 464) beschreiben, dass Modelle etwa 60 % der
globalen atmosphärischen Wasserdamprückkopplung der oberen Tro-
posphäre über den Tropen in einem Gebiet zwischen 30 Grad nördli-
cher Breite und 30 Grad südlicher Breite zuordnen, während nur 40 %
der Rückkopplung au die übrigen Breiten entallen.10
Alle Klimamodelle sagen eine außergewöhnlich starke und
schnelle durch Treibhausgase verursachte Erwärmung der Tropo-
sphäre (d. h. in einer Höhe von 1 – 16 km) über den Tropen vorher.
Dieses Phänomen ist in Abbildung 10.7 des Berichts der IPCC-Ar-
beitsgruppe I, die im Internet unter http://www.ipcc.ch/graphics/
ar4-wg1/jpg/g-10-7.jpg erhältlich ist, dargestellt. Ursprünglich wur-
den vom IPCC zwöl Klimamodellprognosen ür den vierten IPCC-
9 Eine einache schematische Beschreibung der allgemeinen Zirkulation ndet sich bei Lockwood(1979), Kapitel 4.
10 Dieses Verhältnis bezieht sich au die „reie Atmosphäre“ bzw. Troposphäre oberhalb derGrenzschicht (d. h. der unteren 1 – 2 km). 10 % des globalen Eekts schlagen sich in dieserGrenzschicht nieder, sodass sich ür die Troposphäre ein Verhältnis von 55 % Tropen und 35 %Nicht-Tropen ergibt.
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Sachstandsbericht archiviert, die entsprechende Internetseite wurde
zwischenzeitlich jedoch enternt.11 Diese Modellexperimente olgen
dem A1B-Emissionsszenario, das ür die Emissionsentwicklung bis
2100 einen mittleren Pad beschreitet. Die durchschnittliche globale
Oberfächenerwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts beträgt laut
GISS-Modell etwa 2,3 °C.12 Der troposphärische Durchschnitt liegt mit
5 °C in etwa doppelt so hoch, und das okale Muster in der tropischen
Troposphäre tritt zu Beginn des Prognosezeitraums au. Das Muster
war in allen ür den IPCC-Bericht von 2007 erstellten 12 Klimamodell-
simulationen klar zu erkennen.
Abbildung 9.113 des IPCC-Berichts von 2007 enthält erner einenModelltest (sogenannter „Hindcast“), in dem modellbasierte Klima-
muster ür den Zeitraum von 1890 bis 1999 mit Hile historischer
Klimadaten überprüt werden. Hierbei zeigt sich dasselbe Muster, das
von einem bereits in Gang bendlichen starken, gegenüber allen übri-
gen Antrieben vorherrschenden, Erwärmungstrend in der tropischen
Troposphäre ausgeht.
Ein identisches Muster ist auch in einem modellbasierten Modell-test dargestellt, der die klimatischen Veränderungen zwischen 1958
und 1999 unter der Annahme einer starken THG-Erwärmung simuliert
und ür den Bericht des US-amerikanischen Climate Change Science
Program (CCSP 2006) angeertigt wurde; siehe Seite 25, Abbildung 1.3 A
und F, im Internet abrubar unter http://www.climatescience.gov/Lib-
rary/sap/sap1-1/nalreport/deault.htm. Auch in dieser Darstellung ist
die helle Scheibe als Temperaturindikator der tropischen Troposphäre
besonders dominant.
11 Eine unvollständige Archivversion ndet sich unter http://web.archive.org/web/20070925231825/http://ipcc-wg1.ucar.edu/wg1/Report/suppl/Ch10/Ch10_indiv-maps.html.
12 Vierter IPCC-Sachstandsbericht (Arbeitsgruppe I), Kapitel 10, Abbildung 10.5
13 Online unter http://www.ipcc.ch/graphics/ar4-wg1/jpg/g-9-1.jpg
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Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Quelle: McKitrick, McIntyre und Herman (2010)
Insgesamt betrachtet stimmen alle Modelle darin überein, dass
bereits heute ein Muster einer starken Erwärmung der tropischen Tro-
posphäre zu beobachten sein müsste, wenn die durch THG verursach-
te Erwärmung tatsächlich der vorherrschende, langristig au unser
Klima einwirkende Eekt wäre und auch die küntigen Klimaverände-
rungen dominiert. Einig sind sich die Modelle weiterhin darüber, dass
die Erwärmung der oberen Troposphäre in den Tropen stärker als in
der übrigen Troposphäre und in der Höhe stärker als an der Oberfäche
ausallen wird.
Dessen ungeachtet lässt sich das erwartete Muster ür die tropi-
sche Troposphäre in den Daten nicht beobachten. Dies ührt zu zwei-
erlei Diskrepanzen:
Abbildung 7Vergleich beobachteter und modellierter Temperaturtrendsvon 1979 – 2009 in der tropischen Troposphäre
0,30
0,20
0,10
0,00
-0,10
°C Untere Troposphäre Mittlere Troposphäre
M o d e l l e
M o d e l l e
M o d e l l e
B e o b a c h t u
n g e n R S
S
S a t e l l i t e
n U A
H
R a d i o
s o n d e n
71
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> Au Ebene der unteren und der mittleren Troposphäre über den Tro-
pen sagen die Klimamodelle eine zwei- bis viermal so hohe Erwär-
mung voraus, als zwischen 1979 und 2009 beobachtet wurde (siehe
Abbildung 7). Während bis 1999 lauende rühere Untersuchungen
von Messungen davon ausgingen, dass zwar die Erwärmung in den
Modellen zu hoch prognostiziert würde, Modelle und Beobachtun-
gen jedoch augrund breiter Kondenzintervalle vereinbar seien, ge-
lang es McKitrick et al. (2010) anhand von bis Ende 2009 reichenden
Daten auzuzeigen, dass die Erwärmung in den Modellen deutlich
zu hoch prognostiziert wird. Zudem ließ sich unter Einsatz zuver-
lässiger parametrischer und nichtparametrischer Tests nachweisen,dass sich Modelle und Daten bei einem Signikanzniveau von 99 %
statistisch signikant voneinander unterscheiden. Grundlage daür
waren multivariate Vergleiche unter Einbeziehung aller verügbaren
Klimamodelle sowie der gesamten von Satelliten- und Wetterballons
ermittelten Datensätze.
> In den Modellen wird weiterhin eine stärkere Erwärmung der oberen
Troposphäre als in Oberfächennähe prognostiziert, wobei das Ver-hältnis der Trends dabei mit etwa 1,4:1 angegeben wird. Christy et al.
(2010) ist jedoch anhand umassender Beobachtungsdatensätze der
Nachweis gelungen, dass die in den Tropen in der Höhe beobachtete
Erwärmung in Wirklichkeit geringer ausällt als an der Oberfäche,
wobei das beobachtete Verhältnis mit etwa 0,8 angegeben wird. Die-
ses Ergebnis lässt au eine deutliche Inkonsistenz zwischen Modellen
und Daten schließen.
Anders ausgedrückt: Für die Tropen prognostizieren alle Modelle in
der Höhe einheitlich eine stärkere Erwärmung und einen stärkeren
Vervielachungsaktor, als beobachtet wird.
Dieses Problem wurde im Jahr 2006 vom US Climate Change Sci-
ence Program (CCSP 2006) erkannt. Die Modelle sagen ür die tropi-
sche Troposphäre ein vertikales Muster vorher, das den Ergebnissen
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Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
aus 7 von 8 im Rahmen des CCSP14 untersuchten Vergleichen (der
achte Vergleich ließ keine Schlussolgerungen zu) widersprach. Ferner
ergab sich aus keiner der verügbaren troposphärischen Datenreihen
eine statistisch signikante Erwärmung der Troposphäre. Bezogen au
die Äquatorregion zwischen dem 20. Grad nördlicher Breite und dem
20. Grad südlicher Breite, enthält der Bericht zusammenassend ol-
gende Aussage:
Auch wenn die Mehrheit der Beobachtungsdatensätze au eine an der
Oberfäche gegenüber der Troposphäre höhere Erwärmung schließen
lässt, zeigen einige Beobachtungsdatensätze ein gegenteiliges Verhal-ten. Nahezu alle Modellsimulationen weisen au eine stärkere Erwär-
mung in der Troposphäre als an der Oberfäche hin. Diese Diskrepanz
zwischen Modellen und Beobachtungen ist möglicherweise au Fehler
in allen Modellen, au Fehler in den Beobachtungsdatensätzen oder
au eine Kombination der beiden genannten Alternativen zurückzu-
ühren. Die zweite Erklärung erscheint plausibler, die Frage ist aller-
dings noch oen.
Zusammenassend lässt sich sagen, dass Klimamodelle, die den Treib-
hauseekt au die Annahme einer starken positiven Rückkopplung
stützen, unisono einen in der tropischen Troposphäre zu beobachten-
den starken Erwärmungstrend von mindestens 0,2 Grad/Jahrzehnt
prognostizieren. Die Temperaturen in diesem Bereich der Atmosphäre
werden von Wettersatelliten und Wetterballons überwacht. Nachweise
ür eine solche Prognose gibt es nicht. Der von der RSS-Satellitenreihe
gezeigte deutliche Erwärmungstrend ist möglicherweise au eine Ab-
weichung nach oben augrund von Schwierigkeiten bei der Satelli-
tenkalibrierung zurückzuühren. Die übrigen Datenreihen (UAH und
14 Siehe Bericht, Seite 111, Abbildung 5.4 G
73
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Radiosonden) stimmen in ihren in den meisten Fällen unerheblichen
Trends von 0,1 °C/Jahrzehnt oder weniger überein. Das erwartete ver-
tikale Muster wird nicht beobachtet: die Erwärmung in der Höhe ist
gegenüber der Oberfächenerwärmung nicht erhöht. Insgesamt kön-
nen wir den aktuellen Daten daher entnehmen, dass die CO2-bedingte
Erderwärmung im unteren Bereich der getroenen Prognosen liegen
dürte. Daraus olgt, dass sich die au CO2 zurückzuührenden Umwelt-
schäden sehr wahrscheinlich im unteren Bereich der veröentlichten
Schätzungen bewegen werden.
Ökonomische Grenzschadenmodelle
Über die von Treibhausgasen verursachten Grenzschäden gibt es
zahlreiche Studien, die au Grundlage der Annahme berechnet wur-
den, dass die Ergebnisse der Klimamodellprognosen als realistische
Schätzungen akzeptiert werden können. Tol (2005) untersuchte
mehr als 100 dieser Berechnungen. Während hinsichtlich der Metho-
den und Annahmen große Vielalt herrschte, nahmen alle Studieneinheitlich Klimaprognosen als Grundlage und wiesen den globalen
Auswirkungen von Emissionen bestimmte Dollarwerte zu. Der ein-
zige Unterschied bestand in der Art und Weise der Bewertung dieser
Auswirkungen, die Ergebnisse insgesamt wiesen überraschende Ähn-
lichkeit au.
Eine starke Modalwertkonzentration zeigte sich zwischen 0 und
10 USD/Tonne Kohlensto.15 Der Modus lag bei 2 USD/Tonne Kohlen-
15 An dieser Stelle ist eine begrifiche Klärung erorderlich: Schäden augrund von Erwärmung sindau Kohlendioxid im Gegensatz zu „Kohlensto“ (einem Begri, der Rußpartikel und Aerosolebeinhalten kann) zurückzuühren. Emissionen und Kosten werden hingegen ür gewöhnlichin Tonnen Kohlensto, nicht in Tonnen Kohlendioxid angegeben. Das Verhältnis zwischenKohlensto und Kohlendioxid beträgt 11:3, d. h., eine Tonne Kohlensto entspricht 3,67 TonnenCO2. Eine Steuer in Höhe von 37 USD/Tonne Kohlensto entspräche olglich in etwa einer Steuerin Höhe von 10 USD/Tonne Kohlendioxid.
74
Unsicherheit bezüglich des Grenzschadens
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
sto, der Median bei 14 USD/Tonne und das arithmetische Mittel bei 93
USD/Tonne (25 USD/Tonne CO2). Tol schloss in seine Untersuchungen
zunächst auch graue Literatur mit Schätzungen bis zu 800 USD/Ton-
ne ein. Bei ausschließlicher Berücksichtigung von Fachliteratur allen
der Mittelwert au 43 USD/Tonne und der Modus au 1,50 USD/Tonne,
wobei Tol die letzte Zahl ür eine verlässliche Angabe im Hinblick au
viele Qualitätsgewichtungskongurationen hält. Werden Ausätze, die
ausschließlich eine Zeitpräerenzrate von unter 3 % anwenden, nicht
berücksichtigt, ällt der Median au etwa 6 USD/Tonne (Tol, 2005, Abbil-
dung 5). Die Hälte der in der Fachliteratur veröentlichten Studien, die
au eine konventionelle Diskontierung zurückgreien, setzt die Kostendamit au 6 USD/Tonne oder weniger est.
2007 legte Tol eine aktualisierte Untersuchung vor, in der mehr
als 200 Studien über die gesellschatlichen Kosten von CO2-Emissio-
nen (in Kohlenstoäquivalenten) berücksichtigt wurden. Die durch-
schnittliche Schätzung der Grenzschäden aller Studien aus Fachli-
teratur und grauer Literatur gleichermaßen lag bei 127 USD/Tonne
Kohlensto (35 USD/Tonne CO2). Bei den Fachstudien belieen sichdas Mittel bzw. der Modus au 71 bzw. 20 USD/Tonne. Die Studien, die
eine reine Zeitpräerenz von 3 % anwendeten, kamen zu einem Mittel
von 24 USD/Tonne und einem Modus von 14 USD/Tonne. Tol stellte
weiterhin est, dass der durchschnittlich geschätzte Schaden mit der
Zeit abgenommen hat und der Mittelwert der nach 2001 durchge-
ührten Studien weniger als die Hälte der vor 1996 veröentlichen
Studien beträgt.
Selbst wenn wir also die grundlegende Unsicherheit bezüglich der
Auswirkungen von CO2 au das Klima ignorieren, besteht nur wenig
Unsicherheit hinsichtlich der Grenzschäden von Kohlensto. Die ge-
sellschatlichen Kosten von Kohlensto au globaler Ebene liegen mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter 50 USD/Tonne
und vermutlich sogar unter 20 USD/Tonne. Ein Preis von circa 15 USD/
Tonne Kohlensto (rund 4 USD/Tonne CO2) wäre somit angesichts der
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aktuellen Schadenschätzungen ein vernüntiger Ausgangspunkt ür
eine Kohlenstosteuer, soern CO2 tatsächlich ursächlich ür die glo-
bale Erwärmung verantwortlich ist.
Zusammenfassung der Herausforderungen
Nehmen wir die aktuellen Klimamodelle ür bare Münze, können wir
eine niedrige Kohlenstosteuer au der Grundlage rechtertigen, dass
die Emissionen dadurch nur unwesentlich gesenkt werden könnten
und die Steuer stattdessen einzig der Internalisierung externer Kos-
ten dienen würde. Angesichts dessen, dass die Emissionen kaum ge-senkt würden, könnte man berechtigterweise die Frage stellen, wozu
eine solche Steuer überhaupt erorderlich sein sollte. Es herrscht noch
immer die Angst, dass das Problem der globalen Erwärmung zu einer
Beschleunigung der Schäden in der Zukunt ühren oder unerwartet
gravierende Folgen haben könnte, die heute noch nicht vorhergesehen
werden können. Diese Möglichkeit ist der Grund ür die anhaltenden
Rue nach einer deutlichen Reduzierung der Emissionen. Da es sich je-doch um nicht mehr als eine Vermutung handelt, die noch dazu von
den aktuell vorliegenden Daten nicht gestützt wird, bildet diese Be-
gründung keine überzeugende Grundlage ür die hohen Kosten einer
groß angelegten Reduzierung der CO2-Emissionen.
All das bedeutet nicht, dass in den nächsten Jahren nicht mög-
licherweise neue Inormationen in Form besserer Klimadaten oder
neuer technologischer Innovationen vorliegen werden, die ür eine
Reduzierung der Emissionen sprechen. Aus diesem Grund ist ein po-
litischer Mechanismus erorderlich, der neue Inormationen automa-
tisch berücksichtigt, sobald diese verügbar sind, und die Klimapolitik
je nachdem verschärt oder lockert. Die aktuelle Politik ergeht sich in
wiederholten Ankündigungen von weit in der Zukunt liegenden es-
ten Emissionszielen. Abgesehen davon, dass solche Ziele selten einge-
halten werden, besteht das Problem dabei darin, dass die Ankündigung
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
eines esten Ziels ür einen Zeitpunkt in zehn oder zwanzig Jahren da-
von ausgeht, dass wir in der Zwischenzeit keine neuen Erkenntnisse
gewinnen, die ür die Festlegung des optimalen politischen Weges rele-
vant wären. Das ist jedoch nicht zutreend. Denn einer Sache können
wir trotz aller klimatischer Unsicherheiten sicher sein: Es gibt viel zu
lernen und in den kommenden Monaten und Jahren werden mit Si-
cherheit relevante neue Inormationen verügbar sein.
Abschließend möchte ich mich nun noch mit der Frage beschäti-
gen, inwieern die Aussicht au neue Inormationen bei der Festlegung
der Klimapolitik berücksichtigt werden sollte. 77
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
4.
Die Berücksichtigungneuer Erkenntnisse beider Gestaltung küntiger
EmissionspreiseIntegrierte Bewertungsmodelle und pseudooptimale Lösungen
Dem Problem der dynamischen Unsicherheit bei der Gestaltung der
Klimapolitik wurde mit vielerlei Lösungsansätzen beizukommen ver-
sucht.16 Der Ansatz eines integrierten Bewertungsmodelles (Integra-
ted Assessment Model, IAM) nach Nordhaus et al. (2007) geht von derKenntnis von zentralen Parametern in den Funktionen zur Beschrei-
bung von Wirtschat und Klima aus, au deren Grundlage eine sante
politische „Rampe“ in Form einer im Zeitverlau ansteigenden Besteu-
erung von CO2-Emissionen eingerichtet werden solle. Diese Lösung
kann nur unter der Annahme korrekter Modellparameter als optimal
gelten, die jedoch starken Unsicherheiten unterworen sind. Die sug-
gerierte politische Rampe ist daher dahingehend nur pseudooptimal,
dass sie nur unter strengen Annahmen bezüglich zentraler unktiona-
ler Formen und Parameter gültig ist, die bei Einührung einer solchen
Politik keinen Prüungen unterzogen werden.
16 Dieser Abschnitt greit au in McKitrick (2010b) vorgestellte Materialien zurück.
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Bayes’sche Lernmodelle
Kelly und Kolstad (1999) sowie Leach (2007) näherten sich dem Pro-
blem au andere Weise, indem sie die Möglichkeit der Beobachtung
der Reaktion des Klimas au politische Maßnahmen untersuchten
und die aus dieser Untersuchung gewonnenen Inormationen in eine
Bayes’sche Lernroutine einügten. Ziel des Analysemodells des poli-
tischen Systems ist es, genügend Inormationen zu sammeln, um
den politischen Entscheidungsträgern die Möglichkeit zu bieten, die
Hypothese, dass die richtige Politik verolgt wird, mit 95-prozentiger
statistischer Sicherheit zu überprüen. In Anwendung au den Klima-wandel anden sie heraus, dass bereits die Unsicherheit bezüglich ei-
nes oder zweier zentraler struktureller Parameter ausreicht, um die
Ermittlung eines als optimal erwarteten Politikpades um Hunderte
von Jahren zu verzögern. Leach (2007) legte ein demjenigen von Nord-
haus ähnliches Modell vor, in dem die politischen Entscheidungsträ-
ger alle neuen Inormationen hinsichtlich der Reaktionen des Klimas
au politisch motivierte Emissionsveränderungen nutzen. Die gestell-te Frage lautete, wie lange es (unter Annahme verschiedener Voraus-
setzungen) dauern würde, bis genügend Inormationen vorlägen, um
mit 95-prozentiger Signikanz eine alsche Nullhypothese über die
Bedeutung des zugrundeliegenden Problems zu widerlegen. Unterlie-
gen nur zwei Modellparameter Unsicherheiten, variiert die Lernzeit
je nach Emissionszunahme im Basisall von mehreren Hundert bis
mehreren Tausend Jahren.
Eine erweiterte Version des Modells, die eine einache Produk-
tionsunktion und eine zeitübergreiende Kapitalanlagestruktur
modelliert, ührt nicht nur zu einer in Jahrhunderten gemessenen
Lernzeit, selbst wenn die meisten Modellparameter als bekannt vor-
ausgesetzt werden und nur entsprechend den verschiedenen Klima-
datensätzen variieren, sondern sogar dazu, dass der eingeschlagene
politische Weg nie das richtige Ziel erreicht.
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Dieses Ergebnis mag übermäßig pessimistisch erscheinen, da die
politischen Entscheidungsträger Jahrhunderte warten müssen, um he-
rauszunden, ob der eingeschlagene Weg der richtige war. Die Antwort
kommt zu spät, um relevant zu sein. Jedoch verhält es sich nicht so,
dass das IAM oder der pseudooptimale Ansatz besser wären. Der wahre
Unterschied besteht darin, dass der Bayes’sche Ansatz zumindest die
Möglichkeit bietet, irgendwann zu erkennen, ob der eingeschlagene
Weg alsch ist, was bei Verwendung des IAM nicht möglich ist.
Versicherung und Fat Tails
Martin L. Weitzman (2009) näherte sich dem Problem der Wahl ei-
ner Politik gegen die globale Erwärmung, indem er versuchte, einen
Preis ür einen Versicherungsvertrag estzulegen, wenn eine ernst zu
nehmende Wahrscheinlichkeit extremer Schäden besteht. Unter be-
stimmten Bedingungen ist es unmöglich, einen begrenzten Wert ür
einen Vollversicherungsvertrag estzulegen. Das Modell von Weitzman
beruht au einer Reihe spezischer Annahmen, von denen einige rechtkonventionell sind und andere nicht. Eine übliche Annahme lautet,
dass die Möglichkeit einer unendlichen (positiven oder negativen) Kli-
masensitivität besteht oder dass die Möglichkeit eines extremen Kli-
mawandels (zwanzig Grad oder mehr) zwar gering ist, jedoch, gleich
in welchem Umang, nicht vollständig ausgeschlossen werden kann.
Darüber hinaus beinhaltet die Theorie beispielsweise Annahmen da-
rüber, wie Veränderungen der Temperatur die Einkommen beeinfus-
sen. Beruhend au diesem Aubau ührt Weitzman eine Finanzanalyse
durch, um daraus die Kosten ür eine vollständige Absicherung gegen
das Risiko einer Klimakatastrophe abzuleiten. Das Ergebnis deckt sich
zuällig mit einer Gleichung aus der mathematischen Statistik, der so
genannten momenterzeugenden Funktion einer Verteilung t. Statisti-
sche Lehrbücher warnen, dass diese Gleichung zu keinem endlichen
Ergebnis ühre. Weitzman interpretiert dies so, als sei das Ergebnis un-
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endlich, was bedeutet, dass die heutige Gesellschat bereit sein sollte,
ihr gesamtes aktuelles Einkommen darau zu verwenden, sich gegen
eine möglicherweise in der Zukunt eintretende Katastrophe zu ver-
sichern. Um diese unrealistische Konsequenz zu umgehen, muss die
Verteilung der möglichen Klimasensitivitätswerte im Rahmen dieses
Modells als begrenzt angenommen bzw. davon ausgegangen werden,
dass sie „Thin Tails“ auweist. Weitzman gibt jedoch zu bedenken, dass
das bedeute, dass die optimale Versicherungspolitik von Annahmen
bezüglich der Verteilung möglicher Klimaänderungen in Regionen
abhängig sei, ür die zu wenige Beobachtungen vorliegen, um siche-
re Aussagen treen zu können. So wie die Dinge derzeit liegen, ver-ordnet das „Dismal Theorem“ von Weitzman weniger eine unendlich
hohe Versicherungsprämie, sondern verweist vielmehr darau, dass
die Kosten-Nutzen-Analyse laut IAM nur pseudooptimal ist und sich
unter den annahmegemäß ausgeschlossenen Unsicherheiten auch
diejenigen benden, die ür eine Versicherungslösung gegen extreme
Ereignisse sprechen.
Der zustandsabhängige Ansatz
Angesichts des Scheiterns rüherer Methoden im Hinblick darau, eine
plausible Lösung ür das Problem der langristigen Preisestsetzung
ür THG-Emissionen zu nden, habe ich einen neuen Ansatz vorge-
schlagen, der anstelle einer statischen langristigen Emissionsbegren-
zung die Entwicklung einer dynamischen Preisgestaltung vorsieht.
Im Rahmen des üblichen ökonomischen Modells (gemäß Abschnitt 2
oben) werden aktuelle Schäden als direkte Folge aktueller Emissionen
betrachtet:
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
In Bezug au THG gestaltet sich die Situation angesichts zweier
weiterer Komplexitäten jedoch anders: Emissionen können verzögerte
Auswirkungen haben und die Dauer der Verzögerung ist möglicher-
weise unbekannt. Wir müssen uns also nicht nur um die unmittelba-
ren Folgen aktueller Emissionen Gedanken machen, sondern auch umihre möglichen zuküntigen Folgen. Anders betrachtet erleben wir ak-
tuell nicht nur die Folgen der heutigen Emissionen, sondern auch von
Emissionen, die weit in der Vergangenheit entstanden sind.
Erschwerend kommt hinzu, dass Emissionen Schäden nicht direkt
verursachen, sondern Einfuss au bestimmte Umweltaspekte (wie die
durchschnittliche Luttemperatur) nehmen, die dann wiederum Schä-
den verursachen. CO2-Emissionen sind an und ür sich nicht schäd-lich. Mögliche Schäden entstehen aus der Veränderung des Klimazu-
stands. Mit anderen Worten: Emissionen beeinfussen eine messbare
Zustandsvariable und Veränderungen der Zustandsvariablen verur-
sachen Schäden. Oben stehende Darstellung muss demnach wie olgt
angepasst werden.
Aktuelle Emissionen
Aktuelleundvergangene Emissionen
Zustands-variable
AktuelleSchäden
AktuelleSchäden
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Der Einfuss aktueller und vergangener Emissionen au die Zu-
standsvariable ist komplex und von Unsicherheit geprägt. Dieser
Umstand erschwert nicht nur die Entscheidung darüber, wie aktuelle
Emissionen preislich zu behandeln sind, sondern ührt uns zudem vor
Augen, dass die Zustandsvariable Inormationen über die zeitlichen
Folgen von Emissionen beinhaltet, die zur Verringerung der Unsicher-
heit herangezogen werden können.
Angenommen, CO2-Emissionen werden in Höhe eines veränderli-
chen Betrages besteuert und dieser Betrag ist an Bewegungen einer be-
obachtbaren Zustandsvariablen, z. B. eine Messung der Luttemperatur,
gekoppelt. Wenn aktuelle und vergangene Emissionen nahezu keineAuswirkungen au die Zustandsvariable haben, bleibt der Emissions-
preis unverändert. Zeigen sich hingegen starke Auswirkungen und eine
steigende Temperatur, so steigt auch der Emissionspreis. In McKitrick
(2010b) habe ich augezeigt, dass es möglich ist, mithile einer eina-
chen Formel, die sich obige Beobachtungen hinsichtlich von Zustands-
variablen und Emissionsdaten zunutze macht, der au der zeitüber-
greienden Grenzschadenunktion beruhenden, nicht beobachtbarenoptimalen dynamischen Emissionssteuer sehr nahe zu kommen. Diese
Formel ür eine zustandsabhängige Steuer t lautet:
Dabei bezeichnen y eine Konstante, e die aktuellen Emissionen, e
den gleitenden Durchschnitt aus aktuellen und vergangenen Emissio-
nen (wobei so weit in die Vergangenheit zurückgegangen werden kann,
wie eine Beeinfussung des aktuellen Zustands durch die Emissionen
angenommen wird) und s die aktuelle Beobachtung der Zustandsva-
riablen. In diesem Ansatz ist y rei wählbar, sodass der Steuersatz t bei
einem dem politischen Entscheidungsträger aktuell sinnvoll erschei-
t = y x – x see
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Die Berücksichtigung neuer Erkenntnisse bei der Gestaltung küntiger Emissionspreise
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
nenden Wert beginnt. Anschließend wird die Entwicklung der Steuer
vorrangig durch die Entwicklung von s gesteuert.
Um den aktuellen Wert der Emissionssteuer zu berechnen, sind
einzig Daten bezüglich aktueller und vergangener Emissionen sowie
der aktuelle Wert der Zustandsvariablen erorderlich. Im Falle von THG
stehen Emissionsdaten au nationaler und globaler Ebene ertig zur
Verügung. Europäische Daten sind über Eurostat (http://epp.euro-
stat.ec.europa.eu), Daten ür alle übrigen Länder (mit einigen Jahren
Rückstand) über das US-amerikanische Oak Ridge National Lab (Mar-
land et al. 2010; im Internet abrubar unter http://cdiac.ornl.gov/
trends/emis/tre_regn.html) erhältlich.Bei der Wahl der Zustandsvariablen s sind das zugrunde liegende
wissenschatliche Vorgehen sowie die verschiedenen Qualitätsproble-
me klimatischer Daten zu berücksichtigen. Wie oben in Abschnitt 3
augezeigt wurde, weisen die Daten ür die Erd- und Meeresoberfäche
ernsthate Qualitätsprobleme au, sodass es nicht angeraten ist, sie ür
politische Zwecke heranzuziehen. Satellitensysteme, vor allem dieje-
nigen, die sich zur Beibehaltung einer konstanten Höhe des AMSU-Systems bedienen, bieten verlässlichere Messergebnisse bezüglich der
Luttemperaturen. Zur Ermittlung einer passenden Zustandsvariablen
lege ich die Verwendung der mittleren Temperatur in der unteren bzw.
mittleren tropischen Troposphäre nahe, da es sich bei dieser um einen
kontinuierlich überwachten Indikator handelt, der gegenüber Treib-
hausgasen eine besondere Sensitivität auzuweisen scheint.
Da zur Ermittlung der Steuer t keine Inormationen bezüglich der
Vermeidungskosten verwendet werden, mag es so erscheinen, als kön-
ne es sich nicht um ein umassendes politisches Modell handeln. Bei
den aus integrierten Bewertungsmodellen abgeleiteten steuerlichen
Entscheidungen handelt es sich um Lösungen ür ein zweiseitiges
Optimierungsproblem, bei denen zeitübergreiende Schäden gegen
zeitübergreiende Vermeidungskosten augerechnet werden. Dabei
dar jedoch nicht vergessen werden, dass die oben genannte Formel
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keinen politischen Weg vorschreibt, sondern eine Regel beinhaltet,
die Steuersatz und Umweltzustand aneinander bindet. Die tatsächli-
che Höhe der Steuer im Zeitlau wird durch die Entwicklung der Zu-
standsvariablen bestimmt. Die Höhe der Vermeidung wird darauhin
von den Emittenten estgelegt, die entsprechend ihren aktuellen und
küntigen Grenzvermeidungskosten au die aktuellen und erwarteten
küntigen Steuersätze reagieren. Verügen die Unternehmen über va-
riables Kapital, werden sie au Emissionssteuersätze ähnlich reagieren
wie au alle anderen veränderlichen Kosten. Ist das Kapital gebunden
und nimmt der Aubau neuen Kapitals viel Zeit in Anspruch, werden
Unternehmen Prognosen hinsichtlich der küntigen Höhe des Steuer-satzes erstellen müssen, die wiederum von den küntigen Werten der
Temperaturvariablen abhängig sind. Die Einührung der zustandsab-
hängigen Emissionssteuer schat damit einen Markt ür genaue Pro-
gnosen der Umweltzustandsvariablen. Ein derartiger Markt existiert
derzeit nicht, da verschiedene Parteien einen Nutzen darin zu sehen
scheinen, die Prognosen bezüglich der globalen Erwärmung je nach
der Politik, die sie beeinfussen wollen, bzw. je nach Aumerksamkeit,die sie ür ihre Arbeit erhalten möchten, über- bzw. unterzubewerten.
Unternehmen jedoch, die versuchen, den konkreten küntigen Steu-
ersatz zu prognostizieren, haben nichts davon, daür au unzutreen-
de Prognosen zurückzugreien, sondern sind ganz im Gegenteil be-
sonders daran interessiert, möglichst genaue Prognosen ür die kün-
tige Entwicklung von s zugrundezulegen. Dieser Markt wird schlechte
Klimamodelle au diese Weise aussondern und den Weg ür genauere
Klimamodelle rei machen.
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Die Berücksichtigung neuer Erkenntnisse bei der Gestaltung küntiger Emissionspreise
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Quelle: McKitrick (2010d)
Ein interessantes Merkmal der zustandsabhängigen Steuer ist ihre
potenzielle Fähigkeit, bei einer breiten Interessengemeinschat au
Zuspruch zu stoßen. Menschen mit widersprüchlichen Annahmen
hinsichtlich der küntigen Entwicklung der Zustandsvariablen werden
nichtsdestoweniger alle erwarten, dass der von ihnen bevorzugte po-
litische Weg verolgt wird. Diejenigen, die der Ansicht sind, dass Emis-
sionen keine Auswirkungen au das Klima haben, werden in Zukunt
überwiegend niedrige Emissionssteuern erwarten, diejenigen, die Kli-
maveränderungen in starkem Maße au Emissionen zurückühren,
werden eher von einer schnell steigenden Steuer ausgehen. Die Tatsa-
che, dass jeder mit dem von ihm bevorzugten Ergebnis rechnet, kann
die Zustimmung zur Einührung einer Steuer erleichtern. Eine der Her-
ausorderungen der Klimapolitik besteht darin, au globaler Ebene eine
Abbildung 8Wert der zustandsabhängigen Steuer auTreibhausgasemissionen seit 1979
40
20
0
–20
–40
1980 1990 2000 2010
E m i s s i o n s s t e
u e r U S D p r o T o n n e
Steuer Durchschnittlicher 3-Jahres-Steuersatz
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Einigung zu erzielen. Verschiedene Regionen haben verschiedene An-
sichten über die Dringlichkeit des Problems sowie seiner Auswirkungen
au ihre jeweiligen volkswirtschatlichen Prioritäten, was eine Einigung
über die Emissionsziele ebenso wie die Einhaltung rüherer Vereinba-
rungen praktisch unmöglich macht. Einacher könnte es hingegen sein,
politische Entscheidungsträger au der ganzen Welt dazu zu bringen,
sich au eine zustandsabhängige Steuer zu einigen. Die Steuereinkün-
te würden in den einzelnen Ländern verbleiben und das Ungleichge-
wicht zwischen den verschiedenen Nationen verringern. Während der
Verhandlungen gäbe es ür Länder mit konträren Ansichten hinsicht-
lich der wahrscheinlichen küntigen Temperaturentwicklung, keinenGrund, auch bezüglich der Frage, ob die Steuer erstrebenswert ist oder
nicht, konträre Ansichten zu vertreten, da jede Partei im Endeekt das
erhielte, was sie ür das „richtige“ Ergebnis erachtet.
Wie hätte eine solche Steuer ausgesehen, wenn sie rüher einge-
ührt worden wäre? In McKitrick (2010b) habe ich zur Berechnung hy-
pothetischer Werte ür eine an die mittlere Temperatur der tropischen
Troposphäre gekoppelte Kohlenstosteuer sowohl au UAH- als auchau RSS-Daten sowie au globale CO2-Emissionsreihen zurückgegrien.
Das Ergebnis ür den Zeitraum zwischen 1979 und 2009 ist in Abbil-
dung 8 dargestellt. Der Wert ür y ist so gewählt, dass der Steuersatz ür
das Jahr 2002 – also etwa den Zeitpunkt der Ratizierung des Kyoto-
Protokolls – bei 15 USD/Tonne Kohlensto liegt. Die Entwicklung der
Steuer zeigt einen Auwärtstrend von etwa ün Dollar pro Jahrzehnt,
was knapp unter dem von Nordhaus ermittelten Wert von etwa acht
Dollar pro Jahrzehnt liegt. Der Unterschied gegenüber dem Ansatz von
Nordhaus, der eine Verpfichtung zu einer bestimmten Preisentwick-
lung ür viele Jahrzehnte enthält, besteht darin, dass der zustandsab-
hängige Ansatz einzig eine Verpfichtung dahingehend erordert, jähr-
lich oder, alls gewünscht, monatlich einen neuen Satz estzulegen.
Steigen die Temperaturen schneller als erwartet, steigt auch die Steuer;
steigt die Temperatur langsam, so gilt dies auch ür die Steuer.
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
Zwischen dem zustandsabhängigen Ansatz zur Emissionspreisge-
staltung und den in der Währungspolitik angewandten Mechanismen
besteht eine gewisse Ähnlichkeit. Die Zentralbanken gehen keine lang-
ristigen Verpfichtungen zur Festlegung von Zinssätzen oder bezüg-
lich des Geldmengenwachstums ein. Stattdessen verpfichten sie sich
zur Einhaltung allgemeiner Regeln, die die aktuellen wirtschatlichen
Bedingungen in aktuelle Werte dieser politischen Ziele übertragen.
Mit einer Verpfichtung der Zentralbanken zu au zehn oder zwanzig
Jahre estgelegten Zinssätzen wäre niemand einverstanden, da in der
Zukunt neue Inormationen autauchen werden, die Einfuss au die
Wahl des jeweils geeigneten Zinssatzes nehmen. Ebenso ist es ür diePolitik unsinnig, langristige Verpfichtungen bezüglich der CO2-Emis-
sionspreise einzugehen, da auch hier in der Zukunt neue Inormatio-
nen über die Auswirkungen von Treibhausgasen und die Entwicklung
der Luttemperaturen zur Verügung stehen werden. Heute Pläne zu
machen, die davon ausgehen, dass wir in Zukunt nichts darüber er-
ahren werden, ob diese Pläne geeignet sind oder nicht, ist ganz ein-
ach unrealistisch.Die Anwendung eines zustandsabhängigen Preisgestaltungsin-
struments bedeutet nicht, dass Emissionen mit einem bestimmten
Preis belegt werden, nachdem der Schaden bereits erolgt ist. Unter-
nehmen sind zukuntsgerichtet. Ihre Investitionspläne werden im-
mer au möglichst genauen Prognosen bezüglich der Auswirkungen
von Emissionen au den küntigen Klimawandel beruhen. Mit der Zeit
werden diese Prognosen weiter verbessert und aktualisiert. Unterneh-
men, die die küntige Entwicklung einer Emissionssteuer unterschät-
zen, werden gegenüber Unternehmen, die ihre Planung au genauen
Prognosen augebaut haben, einen Wettbewerbsnachteil erahren. Die
Entwicklung der Emissionssteuer zu über- oder unterschätzen, wird
keinen Vorteil bringen. Die optimale Strategie ür Unternehmen wird
daher darin bestehen, korrekte Schätzungen anzustellen. Steht uns
eine Zeit der schnellen, treibhausgasbedingten Klimaerwärmung be-
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vor und sind wir in der Lage, verlässlich vorherzusagen, dass uns eine
solche Zeit bevorsteht, wird die Industrie wissen, dass mit einem stark
steigenden Emissionspreis zu rechnen ist. Das wiederum wird zu ei-
ner Reduzierung der Emissionen und zu Investitionen in Technologien
ühren, durch die tieere Emissionseinschnitte verkratbar sind. Kann
der Nachweis daür, dass uns eine solche Klimaerwärmung bevorsteht,
hingegen nicht glaubhat erbracht werden, investieren Unternehmen
nur geringügig in Vermeidungsoptionen und warten ab, bis bessere
Inormationen vorliegen. Das sind die richtigen Antworten au die dy-
namischen Unsicherheiten, denen die Welt heute gegenübersteht.90
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
5.
SchlussolgerungenEs gibt vermutlich keinen anderen politischen Bereich, in den über die
vergangenen zwanzig Jahre so viele Anstrengungen und so viele Res-
sourcen investiert wurden und der so konsequent gescheitert ist wie
die Klimapolitik. Ich bin der Ansicht, dass dies darau zurückzuührenist, dass die Klimapolitik seit langem au einer alschen ökonomischen
Grundlage steht. Schlecht durchdachte Politik ührt immer zum Schei-
tern. Um zuriedenstellende Fortschritte bei der Ausarbeitung einer
erolgreichen Klimapolitik erzielen zu können, ist daher ein grundle-
gendes Umdenken erorderlich.
Ich habe in diesem Beitrag zunächst die meines Erachtens beste-
henden vier grundlegenden Mängel der aktuellen Klimapolitik darge-legt. Zunächst erkannten weder die Bürokratie noch die Politik, dass es
sich beim Treibhausgas CO2 um einen Sonderall handelt, der insbeson-
dere nicht mit Schweeldioxid- (SO2) oder Fluorchlorkohlenwassersto-
Emissionen (FCKW) vergleichbar ist. In den beiden genannten Fällen ist
es den Parteien au dem Verhandlungswege gelungen, sich au Strate-
gien zu verständigen, da die Geahren oenkundiger und die Lösungen
wirtschatlich deutlich günstiger waren. Die Verhandlungsmechanis-
men und politischen Initiativen, die in diesen Fällen Wirksamkeit be-
wiesen, wurden einach au die CO2-Problematik übertragen, ür welche
sie jedoch ungeeignet und weitestgehend nutzlos sind.
Zweitens ist es der Politik nicht gelungen, mit dem Anstieg der
Grenzvermeidungskostenkurve (GVK) angemessen umzugehen, d. h.
zu verstehen, in welchem Maße die Kosten ür die Vermeidungsopti-
onen bei Ausweitung der Ziele zur Emissionsreduzierung steigen, was
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in direktem Zusammenhang mit dem oben genannten ersten Punkt
steht. Das ührt dazu, dass politische Ziele verolgt werden, die ohne
höhere Kosten, als die Öentlichkeit zu akzeptieren bereit ist, nicht er-
reicht werden können. Nun verhält es sich aber so, dass politische Maß-
nahmen, die moderat genug sind, um nanzierbar zu sein, angesichts
der aktuell existierenden Technologien solch geringe Auswirkungen
au das Klima zeitigen, dass sie nutzlos sind. Politische Maßnahmen,
die streng genug wären, um die allgemein vorgebrachten Ziele zur Re-
duzierung der Emissionen zu erreichen, würden deutlich höhere Kos-
ten verursachen, als die Öentlichkeit zu tragen bereit ist, und auch
deutlich höhere Kosten, als die Politiker, die diesen Weg verechten,sich vor Augen zu ühren scheinen. Das starre Festhalten an der Illu-
sion, Subventionen und Vorschriten könnte eine erolgreiche „grüne
Ökonomie“ hervorbringen, hat einzig und allein dazu geührt, die Kos-
ten der Klimapolitik in die Höhe zu treiben – bedeutende Fortschritte
im Umweltschutz wurden dadurch nicht erzielt.
Drittens zeigt eine ökonomische Analyse, dass die Politik zur Re-
duzierung der Treibhausgase Emissionen mit Kosten belegen und kei-ne Emissionsgrenzen estsetzen sollte. Alle bisherigen größeren glo-
balen Initiativen, einschließlich des Kyoto-Protokolls und ähnlicher
Instrumente, legten ihren Fokus jedoch au Mengenbegrenzungen
oder, was noch schlimmer ist, au indirekte regulatorische Maßnah-
men dahingehend, das Energieverbrauchsverhalten zu verändern.
Eine solche Politik ist kostenintensiv, intrusiv und häug nutzlos. Die
einzig große Herausorderung dahingehend, die globale Klimapolitik
au eine vernüntige Grundlage zu stellen, liegt also darin, die Diskus-
sion in Richtung au Preismechanismen umzulenken. Diese Heraus-
orderung ist von grundlegender Bedeutung, wenn in den nächsten
zwanzig Jahren die teuren Fehler der vergangenen zwanzig Jahre ver-
mieden werden sollen.
Schließlich ergibt sich ür die Politik aus den großen Unsicher-
heiten, den langen Planungshorizonten sowie der Erwartung, dass in
92
Schlussolgerungen
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Eine vernüntige globale Klimapolitik in einer Welt voller Unsicherheiten
den kommenden Jahren einschlägige neue Inormationen über das
Ausmaß der Umweltschädigung durch Treibhausgasemissionen und
die Kosten zu deren Vermeidung vorliegen werden, die Notwendigkeit,
sich primär au zustandsabhängige (bzw. anpassungsähige) Preisrege-
lungen anstatt au starre, langristige Verpfichtungen zur Emissions-
begrenzung zu konzentrieren.
93
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Literatur
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Die EU-Klimapolitik: Teuer
und ineektiv
Manuel Frondel
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Für wissenschatliche Vorarbeiten bin ich Nolan Ritter und Ral Koßmann besonderen
Dank schuldig.
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
1.
Einleitung
Die sogenannte Klimaerwärmung ist seit geraumer Zeit eines der
weltweit meistdiskutierten Themen. Unter Klimaerwärmung wird
allgemein die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur ver-standen. In der Tat ist die Durchschnittstemperatur der Erde im Laue
der vergangenen hundert Jahre um etwa 0,8 Grad Celsius angestiegen
(IPCC 2008). Ein guter Teil dieses Anstiegs vollzog sich in den beiden
letzten Dekaden des vergangenen Jahrhunderts.
Für die Klimaerwärmung mit verantwortlich gemacht wird der
anthropogen bedingte Ausstoß von Treibhausgasen, allen voran von
Kohlendioxid (CO2). Dieses Treibhausgas entsteht größtenteils durchdie Verbrennung von ossilen Brennstoen. In welchem Ausmaß dies
zur Klimaerwärmung beiträgt, ist nach wie vor umstritten, ebenso
wie die Stärke der Bedrohung durch den damit einhergehenden soge-
nannten Klimawandel. So umasst das Spektrum der Positionen zum
Klimawandel sowohl Einschätzungen, nach denen der Beitrag des an-
thropogen generierten CO2 zur globalen Erwärmung vernachlässig-
bar klein und unbedeutend ist (Lüdecke 2008:163), als auch Aussagen,
dass die globale Erwärmung größere Schäden anrichtet als irgendein
Krieg dies vermag (Stiglitz 2006:1). Damit einhergehen könnten bei-
spielsweise ein substantieller Anstieg des Meeresspiegels, eine Zu-
nahme der Häugkeit und der Intensität von Stürmen oder auch die
Ausdehnung von Wüsten.
Ohne dass eine Einmischung in diese Diskussion erorderlich
wäre, beschätigt sich der vorliegende Beitrag mit der Eektivität und
105
5/11/2018 Realitätscheck für den Klimaschutz - slidepdf.com
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der Kostenezienz der Klimaschutzpolitik der Europäischen Kommis-
sion, die sich weitgehend au die Verringerung des Treibhausgasaus-
stoßes konzentriert, bislang vor allem au die Verringerung von CO2,
während Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, wie etwa
die Verstärkung und Erhöhung von Deichen zum Schutz vor einem
Anstieg des Meeresspiegels, eher im Hintergrund stehen.
Der olgende Abschnitt 2 erläutert die treibende Rolle, welche die
Europäische Kommission beim Zustandekommen des unter dem Na-
men Kyoto-Protokoll weltbekannten internationalen Klimaschutzab-
kommens gespielt hat und die sie mit der Bekanntgabe eines unkondi-
tionierten und ambitionierten Treibhausgasminderungsziels ür dasJahr 2020 noch deutlich untermauert hat. Dabei ist das Ziel unabhän-
gig davon, ob andere bedeutende Emittentenländer wie China oder die
USA ebenalls Minderungsanstrengungen unternehmen. Die bishe-
rigen Treibhausgasreduktionsbemühungen der Europäischen Union
(EU) und ihrer Mitgliedstaaten werden daher in Abschnitt 2 mit denen
anderer ührender Industrie- und Schwellenländer verglichen.
Abschnitt 3 erläutert die kontraproduktiven internationalen Rück-wirkungen der ambitionierten, aber einseitigen Bemühungen der
Kommission zur Treibhausgasminderung. Der vierte Abschnitt stellt
die Frage nach der Kostenezienz der einseitigen EU-Politik, an der
sich aus vielältigen Gründen zweieln lässt. Abschnitt 5 erläutert die
Gründe daür, dass die Chancen ür das Zustandekommen eines glo-
balen Klimaabkommens zur Treibhausgasminderung schlecht stehen,
obwohl ein solches höchst wünschenswert wäre, da Teilkooperationen
oder gar Alleingänge eher nutzlos verpuen, wenn nicht gar kontra-
produktiv sind.
Abschnitt 6 diskutiert aussichtsreichere Politikalternativen zur
Auerlegung von Emissionsrestriktionen, bei denen die einzelnen
Länder in erster Linie selbst von den zu ergreienden Maßnahmen
protieren und daher ein hohes Eigeninteresse an deren Umsetzung
haben. So hätte ein weltweites Abkommen über eine sukzessive Er-
106
Einleitung
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
höhung der Ausgaben ür die Forschung und Entwicklung (F&E) von
Energieumwandlungs- und -speichertechnologien, mit dem man zwar
nicht unmittelbar, aber doch innerhalb einiger Jahrzehnte Treibhaus-
gasminderungen erzielen könnte, eine realistische Chance au ein Zu-
standekommen.
Abschnitt 7 setzt sich mit den Vorteilen von Maßnahmen zur An-
passung an die globale Erwärmung auseinander, zu denen unter an-
derem die gezielte Preisgabe von Land gehören könnte sowie die Um-
siedelung der Bevölkerung in weniger geährdete Landstriche. Einer
Strategie zur Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen kommt ins-
besondere deshalb eine hohe Bedeutung zu, weil Anstrengungen zurglobalen Emissionsminderung letztendlich wenig Aussicht au Erolg
haben dürten. Der abschließende Abschnitt präsentiert ein Fazit zur
eingeschlagenen Klimapolitikstrategie der Kommission und schlägt
als Schlussolgerung einen gravierenden Strategiewechsel vor.
107
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
2.
Der geringe Eekt der Treibhausgasminderungs-
politik der EU
Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich die Europäische Kommission − im
Folgenden kurz (EU-)Kommission genannt − aktiv ür Maßnahmen zur
Minderung von Treibhausgasen au internationaler Ebene eingesetzt
(Abbildung 1). Bei der Ratizierung und Implementierung des Kyoto-
Protokolls übernahm die Kommission sogar eine ührende Rolle: Ohne
explizite und vergleichsweise hohe Minderungsziele seitens der EU
wäre das Kyoto-Protokoll wohl kaum 1997 verabschiedet worden undohne das strategische Geschick der Kommission wäre nach der US-ame-
rikanischen Ablehnung des Protokolls im Jahr 2001 der Kyoto-Prozess
vermutlich gescheitert (Böhringer 2010:60). Erst mit der Ratizierung
des Kyoto-Protokolls durch Russland, dem Land, dem als Zünglein an
der Waage die besondere diplomatische Aumerksamkeit sowie zahlrei-
che Zugeständnisse der Kommission zuteil wurden (Requate 2010:1),
konnte das Protokoll als völkerrechtlich bindender Vertrag 2005 in
Krat treten. Sanktionen bei Nichteinhaltung der im Protokoll verein-
barten Ziele sind damit allerdings nicht verbunden.
109
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Mit der Ratizierung des Kyoto-Protokolls hat sich die EU ver-
pfichtet, daür Sorge zu tragen, dass der Treibhausgasausstoß der Jahre
2008 – 2012 im Schnitt um 8 % niedriger liegt als im Jahr 1990. Zur Er-
reichung dieses ür die gesamte EU geltenden Ziels wurde mit dem so-
genannten EU-Burden-Sharing-Agreement von 1998 estgelegt, welche
Lasten die einzelnen Mitgliedstaaten zu schultern haben. Mit dem Ziel,
die Treibhausgasemissionen um 21 % gegenüber 1990 zu verringern
(Abbildung 2), trägt Deutschland mit Abstand die höchste Minderungs-
last: Die Reduktionsverpfichtung Deutschlands macht rund drei Viertel
der im Kyoto-Protokoll estgelegten Minderungsleistung der EU aus.
Mit einer Verringerung der Treibhausgasemissionen um 6,5 % ge-
genüber 1990 waren die EU-15-Staaten im Jahr 2008 ihrem Kyoto-Ziel
einer Minderung um 8 % nahe, auch wenn sich bei einigen Ländern
Abbildung 1Wichtige Eckpunkte der Klimapolitik seit 1990
110
Der geringe Eekt der Treibhausgasminderungspolitik der EU
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Klimarahmenkonvention
der vereinten Nationen
beschlossen und von der
USA ratifziert
Berliner Mandat
ordert
Emissionsziele
ür die
Industriestaaten
Die USA lehnen eine Umsetzung
des Kyoto-Protokolls ab
Kyoto-Protokoll wird beschlossen
Das Kyoto-Protokoll tritt in Krat
Russland ratifziert das Kyoto-Protokoll
Klimakonerenz
in Kopenhagen
Aktionsplan von Bali: parallele
Verhandlungen, Kyoto-Protokoll
und Klimarahmenkonvention
Klimakonerenz
in Cancún
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
wie Dänemark, Österreich, Luxemburg, Italien oder Spanien erhebli-
che Schwierigkeiten bei der Zielerreichung andeuten (Abbildung 2).
Andere Mitgliedsländer wie Frankreich, Schweden, das Vereinigte Kö-
nigreich oder Deutschland haben hingegen ihre Minderungsziele be-
reits erreicht.
Die Einhaltung der eigenen Kyoto-Verpfichtungen stellt selbstre-
dend eine Grundvoraussetzung ür die Glaubwürdigkeit der einseiti-
gen und ambitionierten Minderungsziele dar, die sich die Kommission
ür das Jahr 2020 gesetzt hat. So wurde im Energie- und Klimapaket
der Kommission Anang 2009 estgelegt, die EU-weiten Treibhausgas-
emissionen bis zum Jahr 2020 um mindestens 20 % gegenüber demNiveau von 1990 zu senken − bei vergleichbaren Anstrengungen be-
deutender anderer Industrienationen ist sogar ein Minderungsziel
von 30 % vorgesehen. Damit hat die Europäische Union endgültig die
Vorreiterrolle bei der Bekämpung des Treibhausgasausstoßes über-
nommen. Andere Staaten haben sich keine derartig anspruchsvollen
Ziele ür die Zeit nach der Kyoto-Erüllungsperiode von 2008 – 2012
gesetzt, ür die es bislang kein dem Kyoto-Protokoll vergleichbares in-ternationales Klimaschutzabkommen gibt.
Zur besseren Einschätzung des Klimaschutzehrgeizes der Kom-
mission sollte bedacht werden, dass die bisherigen Minderungserol-
ge weniger einer stringenten Politik, sondern zu erheblichen Teilen
einmaligen historischen Ereignissen zu verdanken sind. Dazu zählen
der wirtschatliche Zusammenbruch der ehemaligen Ostblockstaa-
ten inolge politischer Umwälzungen, die ökonomische Erneuerung
der ostdeutschen Länder nach der deutschen Wiedervereinigung so-
wie die tiegreiende Rezession nach der Banken- und Finanzmarkt-
krise am Ende der ersten Dekade dieses Jahrtausends. Laut einer
2009 vom Europäischen Parlament in Autrag gegebenen Studie ist
lediglich etwa die Hälte der Emissionsminderungen in der EU seit
1990 au einschlägige umweltpolitische Maßnahmen zurückzuüh-
ren (Böhringer 2010:63).
111
5/11/2018 Realitätscheck für den Klimaschutz - slidepdf.com
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Abbildung 2EU-Burdensharing und Veränderung desTreibhausgasausstoßes von 1990 – 2008
EU-Burdensharing
Veränderung des Treibhausgasausstoßes
Spanien
Portugal
Irland
Griechenland
Österreich
Italien
Finnland
Niederlande
Luxembourg
Frankreich
EU (EU-15)
Belgien
Dänemark
Schweden
Großbritannien
Deutschland
–30% –20% –10% 0% 10% 20% 30% 40% 50%
27 %
32,3 %
– 6,5 %4,7 %
4 %– 11,7 %
– 6,1 %0 %
25 %
22,8 %
– 6 %
– 2,4 %
– 21 %
– 22,2 %
– 7,5 %
– 7,1 %
13 %
23 %
– 0,3 %
0 %
– 12,5 %
– 18,5 %
– 8 %
– 6,5 %
15 %
42,3 %
– 13 %10,8 %
– 21 %
– 7,3 %
– 28 %
– 4,8 %
112
Der geringe Eekt der Treibhausgasminderungspolitik der EU
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
Darüber hinaus dar die Kommission nicht darüber hinwegsehen,
dass neben einigen europäischen Ländern zahlreiche andere Industrie-
länder, die das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und gar ratiziert haben,
von ihren Kyoto-Zielen sehr weit enternt sind (Abbildung 3). So ist
Australien mit einer Emissionssteigerung um 38 % zwischen 1990 und
2008 unerreichbar weit von seinem Kyoto-Ziel enternt. In den USA,
Kanada und Japan sind die Emissionen ebenalls angestiegen, wohin-
gegen die Kyoto-Verpfichtungen dieser Länder Emissionssenkungen
vorsehen, die kaum mehr erreichbar scheinen, vor allem ür Kanada.
Bereits eine Umkehr der bislang steigenden Emissionstrends wäre ür
diese Länder als ein Erolg anzusehen, an eine Einhaltung der Kyoto-Ziele ist hingegen kaum zu denken.
Quelle Abbildung 2: UNFCCC (2010) | GHG Total Emissions including LULUCF(land-use, land-use change and orestry) | United Nations Framework Convention on Climate ChangeQuelle Abbildungen 3/4: Cerina (2010) | Weltweite CO2-Emissionen: Länderranking 2009
Abbildung 3Veränderung des CO2-Ausstoßes bedeutenderEmittenten von 1990 – 2009
Kyoto-Ziele
Veränderungen der aktuellen Emissionen (2009) zum Basisjahr (1990)
China
Indien
Australien
Alle Länder
Kanada
USA
Japan
EU (EU-15)
Deutschland
–50% 0% 50% 100% 150% 200% 250%
0 %202,9 %
0 %144,2 %
8 %38 %
– 5,2 %27,1 %
– 6 %24,9 %
– 7 %9 %
– 6 %3,9 %
– 8 %– 3,2 %
– 21 %– 22,5 %
113
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Dies dürte zusammen mit den substantiellen Kosten, die ür
den Klimaschutz auzubringen sind, wesentlicher Grund daür gewe-
sen sein, dass selbst Staaten wie Kanada, die durch das Kyoto-Proto-
koll vertraglich gebunden sind, davon Abstand nehmen (Böhringer,
Rutherord 2010). Dies ist wohl auch au das Fehlen von wirksamen
Sanktionen zurückzuühren (Böhringer 2010:60). Insgesamt sind die
weltweiten CO2-Emissionen trotz der erolgreichen Minderungsan-
strengungen der Europäischen Union zwischen 1990 und 2008 um
rund 37 % gestiegen (Abbildung 3), anstatt um 5,2 % zu sinken, wie im
Kyoto-Protokoll vorgesehen ist.
Allem Eier der Kommission sind aber nicht zuletzt auch da-durch Grenzen gesetzt, dass der Anteil der EU-15 an den weltweiten
CO2-Emissionen relativ gering ist und im Jahr 2008 knapp 12 % be-
trug (Abbildung 4). Ohne ein Mitwirken Chinas und der USA, der bei-
den bedeutendsten Emittentenländer, deren Anteile an den globalen
CO2-Emissionen 2008 bei 21,4 % und 19,1 % lagen, können die globalen
Emissionen in keinem Fall gesenkt werden, wie die Vergangenheit klar
gezeigt hat.
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Der geringe Eekt der Treibhausgasminderungspolitik der EU
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
Abbildung 4 CO2-Emissionen der bedeutendsten Emittentenländerim Jahr 2009
Alle Länder
China
USA
EU (EU-15)
Russland
Indien
Japan
Deutschland
Südkorea
Kanada
Saudi Arabien
Iran
Großbritannien
Südafrika
Mexiko
Italien
Brasilien
Frankreich
Indonesien
Australien
Spanien
Ukraine
0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000
7.426
1.529
606
463
403
3.381
797
544
438
385
5.951
1.225
544
441
390
1.534
664
531
415
342
279
31.098
115
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Tatsächlich lautet die unbequeme Wahrheit, dass der Treibhausgas-
minderung in der Europäischen Union im globalen Kontext lediglich
eine sehr untergeordnete Bedeutung zukommt (Böhringer 2010:56).
So haben sich die CO2-Emissionen in China zwischen 1990 und 2009
mehr als verdreiacht (Abbildung 3) und stiegen von 2,45 au 7,43 Mrd.
Tonnen, wohingegen die CO2-Emissionen der EU-15-Staaten um 3,2 %
gesunken sind (Abbildung 3), von 3,49 au 3,38 Mrd. Tonnen (Cerina
2010). Der Minderung der EU-15-Staaten um 0,11 Mrd. Tonnen stand so-
mit ein Zuwachs an Emissionen in China von knapp 5 Mrd. Tonnen ge-
genüber. Auch im Vergleich zu den zu erwartenden Emissionsanstiegen
in Entwicklungs- und Schwellenländern wie China, Russland oder Indi-en wird die Emissionsentwicklung in der EU oder anderen Industrie-
ländern weiterhin eine untergeordnete Rolle spielen, wie die olgende
Abbildung 5 zeigt.
Würde der CO2-Ausstoß in den OECD-Ländern bis 2050 tatsäch-
lich um 83 % gesenkt werden, wie es der nach den US-Kongressab-
geordneten Waxman und Markey benannte Plan vorsieht, könnte
der küntige Anstieg der globalen Emissionen allenalls moderatgedämpt werden, wie Abbildung 5 zeigt. Der Emissionspad ohne
Minderungen der OECD-Länder, wie sie der Waxman-Markey-Plan
vorsieht, entspricht dabei dem wirtschatsorientierten A1-Szenario
des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC 2010), das
eine zunehmende Globalisierung unterstellt. Gemäß dem A1-Szena-
rio dreht sich der Trend zu höheren weltweiten Emissionen erst im
Jahr 2070 um. Hauptursache daür ist der unterstellte Rückgang der
Weltbevölkerung.
Kurzum: Selbst wenn die EU zusammen mit allen anderen OECD-
Ländern ihre CO2-Emissionen im Laue der nächsten Jahrzehnte au
Null zurückühren würde, hätte dies au den globalen CO2-Ausstoß le-
diglich eine sehr beschränkte Wirkung. Im Klartext: Ohne drastische
Einschränkungen der küntigen Pro-Kop-Emissionen in den prospe-
rierenden Schwellenländern, welche bislang noch relativ niedrig aus-
116
Der geringe Eekt der Treibhausgasminderungspolitik der EU
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
allen, ist der Anstieg der weltweiten Emissionen in Zukunt kaum zu
dämpen, geschweige denn, dass der globale Treibhausgasausstoß ge-
genüber dem heutigen Niveau gesenkt werden kann.
Quelle: Authors Calculations and IPCC (2001) | Special Report on Emissions Scenarios,Intergovernmental Panel on Climate Change.
Abbildung 5Küntiger CO2-Ausstoß im A1-Szenario des IPCC (2010)und bei Umsetzung des Waxman-Markey-Plans
80
70
60
50
40
30
20
10
0
1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090
M r d .
T o n n e n C O 2 ( G t C O 2 )
Globale Emissionen A1 IPCC Globale Emissionsreduktionen Waxman-Markey
OECD-1990 Emissionen A1 IPCC OECD-1990 Emissionsreduktionen Waxman-Markey
117
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
3.
Kontraproduktiveinternationale
Rückwirkungen
Die einseitigen Bemühungen der Kommission zur Treibhausgasminde-
rung können nicht zuletzt auch deshalb wenig zur Dämpung des welt-
weiten Emissionsanstiegs beitragen, weil sie kontraproduktive interna-
tionale Rückwirkungen haben können (Böhringer 2010:58). So könnten
Länder ihre Minderungsanstrengungen nach den Erkenntnissen der
umweltökonomischen Literatur zurücknehmen, wenn sich eine Nation
oder eine Staatengemeinschat wie die Europäische Union weithin er-kennbar und mit hoher Glaubwürdigkeit au verstärkte Anstrengungen
zur Emissionsvermeidung estlegt (Beirat BMF 2010:14).
Denn: Je stärker eine Staatengemeinschat wie die EU zur Dämp-
ung des Anstiegs oder gar Senkung der weltweiten Emissionen bei-
trägt, desto kleiner werden die Vorteile eines anderen Staates aus
dessen eigenen Minderungsanstrengungen (Beirat BMF 2010:16). In
anderen Worten: Der Grenznutzen der Vermeidungsmaßnahmen der
übrigen Staaten nimmt mit den zunehmenden EU-Bemühungen ab.
Bei sinkendem Grenznutzen ist es olglich ür die Nicht-EU-Staaten
reizvoll, ihre eigenen Anstrengungen inolge der EU-Ambitionen ein-
zuschränken.
Andere Länder protieren daher in doppelter Hinsicht von den
Anstrengungen der EU. Zum einen steigt deren Wohlahrt in unmit-
telbarer Weise durch die verstärkten Emissionsminderungen der EU-
119
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Länder, alls diese überhaupt einen positiven Eekt au das Weltklima
haben. Zum anderen sinken inolge der verstärkten Vermeidungsan-
strengungen der EU die Klimaschutzkosten der übrigen Staaten, wenn
diese ihre Emissionsminderungsmaßnahmen entsprechend zurück-
schrauben.
Kurzum: Die Änderung in ihrem Kosten-Nutzen-Kalkül ührt
dazu, dass die Nicht-EU-Länder ihre Treibhausgasminderungspolitik
tendenziell weniger restriktiv bzw. ambitioniert ausgestalten könn-
ten als ohne die EU-Anstrengungen, sodass die Nicht-EU-Länder ihre
Treibhausgasvermeidungskosten reduzieren könnten (Hoel 1991,
Warr 1993). Die Wirkung der Selbstverpfichtung, die sich die Kom-mission durch die Verkündung des 20-%-Ziels auerlegt hat, besteht
somit in einer als Crowding-Out bezeichneten Verdrängung der Ver-
meidungsanstrengungen anderer Länder. Unter sehr plausiblen An-
nahmen kann dies zu einem teilweisen oder gar nahezu gänzlichen
Ausgleich der durch die EU bewirkten Emissionsreduktionen ühren
(Beirat BMF 2010:14).
Wenn olglich die Kommission eine einseitige Selbstverpfich-tung zu hohen Emissionsminderungen eingeht, mag sie darau ho-
en, damit ein positives Beispiel zu setzen, dem andere Länder olgen.
In einer realen Welt, in der die Emissionen aller Länder durch deren
individuelles Kosten-Nutzen-Kalkül bestimmt sind, ist dies jedoch
eine romme Honung (Beirat BMF 2010:14). Es besteht vielmehr die
große Geahr, dass andere Länder durch die starke Vorreiterrolle der
EU nicht mehr, sondern weniger Anstrengungen zur Verringerung der
globalen Emissionen unternehmen werden. Die kurzristigen Wohl-
ahrtswirkungen einer solchen Vorreiterpolitik sind eindeutig: Die
Wohlahrt in der sich selbst verpfichtenden EU sinkt, während sich
die Wohlahrt aller anderen Länder – zumindest au kurze Sicht – er-
höht (Beirat BMF 2010:14).
Bei einer unilateralen Minderungspolitik der EU kommt es insbe-
sondere zu Verlagerungen der Emissionen in Länder ohne Emissions-
120
Kontraproduktive internationale Rückwirkungen
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
beschränkungen (Hoel 1991, Felder, Rutherord 1993), ein Eekt, der
unter dem Begri Emissions oder Carbon Leakage bekannt ist. Darun-
ter versteht man das Phänomen, dass die einseitige Belastung der ener-
gieintensiven europäischen Industrie zu Erhöhungen der Emissionen
in Länder außerhalb der EU ühren, in denen keine vergleichbaren Kli-
maschutzkosten anallen. Dadurch stehen den Emissionssenkungen in
Europa erhöhte Emissionen im Nicht-EU-Ausland gegenüber (Oliveira-
Martins et al. 1992).
Daür gibt es drei Gründe: Erstens kann es zu Standortverlagerun-
gen umwelt- und energieintensiver Industrien ins Nicht-EU-Ausland
kommen. Kritiker halten dem entgegen, dass Umweltregulierung nureiner von vielen Standortaktoren wäre, räumen die Möglichkeit der
Standortverlagerung jedoch ein (Hentrich, Matschoss 2006:51). Zwei-
tens können Importe umweltintensiver Güter die Produktion in Euro-
pa verdrängen. Dies dürte nach den Ergebnissen einer empirischen
Studie von Demailly und Quirion (2006) beispielsweise bei Zement
in nicht unerheblichem Maße der Fall sein. Drittens könnte ein sub-
stantieller Nachragerückgang in Ländern mit starken Emissionsmin-derungen zu weltweit geringeren Energiepreisen ühren, sodass post-
wendend die Nachrage nach ossilen Energierohstoen in den übri-
gen Ländern steigt (Böhringer 2010:58).
Um diese kontraproduktiven Rückwirkungen abzuschwächen,
kann es sinnvoll sein, energie- und handelsintensive Industrien
weniger stark zu belasten, konstatieren Böhringer und Schwager
(2003:213), so wie dies etwa im Zusammenhang mit der Erhebung der
Stromsteuer in Deutschland bislang geschieht. Auch die Kommission
hat die Relevanz des Leakage-Eekts erkannt und wird die Unterneh-
men der handels- und zugleich energieintensiven Industriesektoren
von der Verpfichtung der Ersteigerung der von ihnen benötigten
Zertikate ab dem Jahr 2013 teilweise ausnehmen. Unter die Ausnah-
menregelungen allen diejenigen Sektoren, bei denen die durch den
Emissionshandel verursachten zusätzlichen Energiekosten mindes-
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tens 5 % der Bruttowertschöpung betragen und deren Handelsinten-
sität17 zugleich über 10 % liegt. Als vom Carbon Leakage besonders
betroen − und deshalb ebenalls ausgenommen − gelten sodann
diejenigen Sektoren, ür die bereits eines dieser beiden Kriterien bei
über 30 % liegt.
Bei diesen Ausnahmeregelungen ist allerdings zu beachten, dass
sie die so identizierten Unternehmen nicht vollständig von den
CO2-Kosten entlasten. Vielmehr erhalten die energieintensiven Unter-
nehmen, die sich erwiesenermaßen im internationalen Wettbewerb
behaupten müssen, in der kommenden Handelsperiode (2013 – 2020)
eine Gratiszuteilung der Zertikate lediglich in einer Höhe, die sichnach einem sektorspezischen Benchmark bemisst (BMU 2008). Zur
Festlegung der EU-einheitlichen Benchmarks werden jeweils die e-
zientesten 10 % der Anlagen einer Branche in der EU betrachtet. Jene
Unternehmen aber, die bei weitem nicht zu den 10 % der ezientes-
ten ihrer Branche gehören, könnten trotz Gratiszuteilung in Höhe des
Benchmarks mit erheblichen Kosten inolge des Erwerbs der darüber
hinaus benötigten Zertikate konrontiert sein.Eine allzu ambitionierte unilaterale Klimapolitik, die in Zukunt
immer strengere Klimaschutzziele verolgt, kann schließlich auch
dazu ühren, dass ossile Energieressourcen schneller geördert wer-
den, weil die Rohstoanbieter beürchten könnten, dass inolge kün-
tig verstärkter Klimaschutzbemühungen die Nachrage und damit die
Preise nach Energierohstoen allen. Nach dem „grünen Paradoxon“
von Sinn (2008:140) könnte so der weltweite Ausstoß an Treibhaus-
gasen paradoxerweise sogar höher ausallen als ohne Klimaschutzbe-
mühungen.
17 Die Handelsintensität ist die Summe aus Importen und Exporten dividiert durch die Summe ausdem in der EU erzielten Umsatz und den Importen (BMU 2008).
122
Kontraproduktive internationale Rückwirkungen
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
4.
Mangelnde Kostenefzienz der Treibhausgasminderungs-
politik der EU Auch wenn die Klimapolitik der Kommission nach den vorangehen-
den Erläuterungen im weltweiten Maßstab wenig oder gar Kontra-
produktives bewirkt, stellt sich die Frage nach der Kostenezienz
der einseitigen EU-Politik. An der Kostenezienz lässt sich aber vor
allem aus olgenden Gründen zweieln (Böhringer 2010:63): Erstens
sind Mehrkosten dadurch vorprogrammiert, dass neben dem im Jahr2005 eigens zum Zwecke der Treibhausgasminderung etablierten Kli-
maschutzinstrument des Handels von CO2-Emissionszertikaten eine
Vielzahl von sich überlagernden Regulierungsinstrumenten in der EU
zum Einsatz kommen, obwohl laut umweltökonomischer Literatur die
Minderung von Treibhausgasen mit dem Emissionshandel au kurze
Sicht zu den geringsten gesamtwirtschatlichen Kosten erreicht wer-
den kann: Durch dieses Klimaschutzinstrument können Emissions-
minderungsziele nicht nur ökologisch tresicher , sondern – zumin-
dest in statischer bzw. kurzristiger Betrachtungsweise – auch ökono-
misch efzient realisiert werden (Bonus 1998:7).
Zweitens entstehen auch dadurch erhebliche Mehrkosten, dass
der Emissionshandel bislang au die Europäische Union begrenzt ist
(Nordhaus 2009:50). Eine Ausweitung des EU-Emissionshandelssys-
tems au weitere Regionen, welche insbesondere die größten Emitten-
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ten wie die USA und China einschließen, würde die Vermeidung ein
und derselben Emissionsmenge zu günstigeren Kosten erlauben, da
mit Hile dieses Instrumentes die Emissionen dort gemindert werden,
wo es am kostengünstigsten ist (Böhringer 2010:64). Mit einer inter-
nationalen Ausweitung des Emissionshandels sollte sich die Anzahl
an zur Verügung stehenden kostengünstigen Vermeidungsoptionen
vergrößern. Im Ergebnis ührt dies zu einer Senkung der Kosten ür die
Erreichung einer bestimmten Emissionsminderung.
Zu einer Ausweitung des EU-Emissionshandelssystem au einen
weltweiten Handel besteht aber wenig Honung, da dies ein weltum-
spannendes klimapolitisches Abkommen voraussetzt. Die Aussichtenau den Abschluss eines wirkungsvollen internationalen Klimaabkom-
mens mit völkerrechtlich bindenden Minderungszielen der bedeu-
tendsten Emittenten sind allerdings sehr schlecht (Beirat BMF 2010:7),
wie im nächsten Abschnitt erläutert wird. Ein Hauptgrund daür ist,
dass es keine Weltregierung gibt und es wenig wahrscheinlich ist, dass
es eine solche jemals geben wird.
Drittens ist die Europäische Union trotz der als positiv hervor-zuhebenden Etablierung und Weiterentwicklung des Emissionshan-
dels noch weit von einer kohärenten Klimapolitik enternt (Böhrin-
ger 2010:66). Dies ist vorwiegend dem Umstand geschuldet, dass in
den Emissionshandel bislang nur der Stromerzeugungssektor und
die energieintensiven Produktionsbetriebe einbezogen sind, welche
zusammen ür etwa 40 % der EU-weiten CO2-Emissionen verantwort-
lich sind. Andere Bereiche wie der Verkehrssektor oder die Sektoren
der privaten Haushalte oder der Gewerbe-, Handels- und Dienstleis-
tungsunternehmen sind hingegen nicht in den Emissionshandel
integriert. Anstatt den Emissionshandel au andere Bereiche auszu-
weiten, besteht in der Europäischen Union die Tendenz, jeden Sek-
tor spezisch zu regulieren, um so das EU-weite Minderungsziel zu
erreichen. Dies hat erhebliche Ezienzverluste zur Folge (Böhringer
et al. 2005).
124
Mangelnde Kostenefzienz der Treibhausgasminderungspolitik der EU
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
So ist im Bereich des privaten Pkw-Verkehrs küntig ein spezi-
scher Emissionsstandard das von der Kommission präerierte Regu-
lierungsinstrument (Frondel, Schmidt 2008:330). Mit der EU-Verord-
nung 443/2009 ist ab 2012 ür Neuwagen ein zulässiges Höchstmaß an
spezischen CO2-Emissionen je Kilometer vorgeschrieben, das mit der
Masse des Fahrzeugs ansteigen dar (Frondel, Schmidt 2009:179). Mit
dieser Art der Regulierung sind CO2-Vermeidungskosten verbunden,
die zwischen 475 und 950 Euro je Tonne CO2 liegen können (Frondel,
Schmidt, Vance 2010), während der CO2-Zertikat-Preis im Rahmen
des Emissionshandels bislang noch nicht über 30 Euro je Tonne hin-
ausging. Die hohen Vermeidungskosten, die mit dieser Regulierungverbunden sein können, gehen bei einer zwar weitgehend unbekann-
ten, aber denitiv endlichen Zahlungsbereitschat der Bevölkerung
ür Klima- bzw. Umweltschutz unmittelbar zu Lasten anderer, kosten-
günstigerer Treibhausgasvermeidungsmaßnahmen.
Der Existenz des Emissionshandels zum Trotz gibt es zusätzlich
dazu eine Vielzahl von Maßnahmen und Politikinstrumente, zu de-
ren Rechtertigung die Kommission die Verringerung des Treibhaus-gasausstoßes zumindest als eines von mehreren Motiven angibt. An
erster Stelle sind dabei Richtlinien zur Steigerung der Energieezienz
sowie zum Ausbau des Einsatzes von erneuerbaren Energietechnolo-
gien zu nennen. Damit sollen die im Energie- und Klimaschutzpaket
genannten 20-20-20-Ziele erreicht werden. Dabei stellt die Minde-
rung der Treibhausgasemissionen um 20 % gegenüber 1990 eines der
Ziele ür das Jahr 2020 dar, während die Ausweitung des Beitrags der
erneuerbaren Energietechnologien zur Deckung des Primärenergie-
verbrauchs in der EU au 20 % bis 2020 sowie die Steigerung der Ener-
gieezienz um 20 % gegenüber dem Weiter-wie-Bisher die übrigen
Zielmarken sind.
Zu dem Bündel an Regulierungen zur Erreichung dieser Ziele zählt
nicht zuletzt auch das am 1. September 2009 erlassene sukzessive Ver-
bot des Verkaus herkömmlicher Glühbirnen, das bis spätestens 31. Au-
125
5/11/2018 Realitätscheck für den Klimaschutz - slidepdf.com
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gust 2012 den Verkau sämtlicher Arten von Glühbirnen in der EU ver-
bietet (EU-Verordnung 244/2009) und daher unter dem Begri „Glüh-
birnenverbot“ rmiert. Dieses Verbot wird von der Kommission vor
allem mit zwei Argumenten gerechtertigt (Frondel, Lohmann 2010).
Erstens würden energieeziente Energiesparlampen den privaten
Haushalten und übrigen Stromverbrauchern helen, Strom und damit
Kosten zu sparen, sodass deren Stromrechnungen signikant sinken.
Frondel, Lohmann (2010) halten dem entgegen, dass die Verwendung
von Energiesparlampen zwar bei häuger Nutzung große Kostenvor-
teile auweist. Bei sehr geringen Nutzungszeiten, wie dies etwa bei der
Keller- und Dachbodenbeleuchtung der Fall ist, erleiden die Verbrau-cher durch dieses Verbot aber wirtschatlichen Schaden. Allein aus
diesem Grund ist das generelle Glühbirnenverbot der EU-Kommission
unangebracht und sollte wieder zurückgenommen werden.
Mit den Einsparungen an Strom inolge des Glühbirnenverbots
kann nach Auassung der Kommission zweitens der Ausstoß an Treib-
hausgasen verringert werden, der mit der konventionellen Erzeugung
von Strom au Basis ossiler Brennstoe wie Kohle oder Gas verbun-den ist. Tatsächlich aber ist der Nettoeekt dieses Verbotes bei einer
Koexistenz mit dem 2005 etablierten Emissionshandel gleich Null,
ebenso wie bei allen anderen Maßnahmen, die au eine Absenkung
des Stromverbrauchs und des damit verbundenen CO2-Ausstoßes
abzielen: Da der Emissionshandel eine bindende Obergrenze ür die
CO2-Emissionen vorgibt, können mit Maßnahmen wie etwa dem Er-
neuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zur Förderung alternativer Stromer-
zeugungstechnologien in Deutschland keinerlei weitere Einsparungen
erzielt werden (Frondel, Ritter, Schmidt 2008:4201).
Die via EEG geörderte Stromerzeugung sorgt zwar ür geringere
Emissionen im deutschen Stromsektor, weshalb die Zertikatpreise
niedriger ausallen als ohne EEG. Dadurch werden jedoch Vermei-
dungsmaßnahmen in anderen am Emissionshandel beteiligten Sekto-
ren nicht ergrien, weil es kostengünstiger ist, stattdessen Zertikate
126
Mangelnde Kostenefzienz der Treibhausgasminderungspolitik der EU
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
zu kauen. Andere Stromerzeugungssektoren in der EU sowie die In-
dustriesektoren, die in den Emissionshandel eingebunden sind, wei-
sen olglich höhere Emissionen au und gleichen so die Emissionsein-
sparungen, die im deutschen Stromerzeugungssektor durch das EEG
ausgelöst werden, gänzlich aus.
Im Ergebnis ergibt sich lediglich eine Emissionsverlagerung,
der durch das EEG bewirkte CO2-Einspareekt ist aber de acto Null
(BMWA 2004:8, Morthorst 2003). So kann es sich bei einem starken
Ausbau der erneuerbaren Energien in der EU und den damit verbun-
denen signikanten den CO2-Preis senkenden Wirkungen gerade ür
die Betreiber alter Kohlekratwerke eher lohnen, ihre wenig ezienten,emissionsintensiven Anlagen weiterzubetreiben, als den Anteil der Er-
neuerbaren weiter zu steigern. Durch die Regulierungsüberlagerung
kommt es somit sogar zu paradoxen Folgen (Böhringer 2010:69).
Letztlich werden vergleichsweise kostengünstige Maßnahmen
nicht ergrien, die in der kontraaktischen Situation ohne ein deut-
sches EEG und mit den in den übrigen EU-Staaten existierenden In-
strumenten zur Förderung erneuerbarer Energietechnologien um-gesetzt worden wären. Stattdessen wird gerade mit der Solarstrom-
produktion die teuerste aller derzeit in der Diskussion bendlichen
Technologien zur Vermeidung von CO2-Emissionen umgesetzt (Ab-
bildung 6). So taxieren Frondel, Ritter, Schmidt, Vance (2010a:119) die
mit der Förderung der Photovoltaik in Deutschland einhergehenden
Vermeidungskosten au mehr als 600 Euro je Tonne CO2. Die Interna-
tionale Energieagentur geht sogar von einem höheren Wert von rund
1.000 Euro je Tonne aus (IEA 2007:74).
127
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Quelle: Fahl (2006)
Als Folge davon summieren sich die realen Nettokosten ür alle
zwischen 2000 und 2009 in Deutschland installierten Photovolta-
ikmodule au rund 52,3 Mrd. Euro (Frondel, Ritter, Schmidt, Vance
2010b:4051). Dies konterkariert das Prinzip des Emissionshandels, den
Treibhausgasausstoß dort zu verringern, wo es am kostengünstigsten
ist, bzw. die Treibhausgase mit den kostenezientesten Technologien
zu reduzieren.
Diese theoretische Argumentation wird durch die numerische
Analyse von Traber und Kemert (2009) ür Deutschland untermau-
ert. Danach ändert sich der CO2-Ausstoß au europäischer Ebene
Abbildung 6Emissionsvermeidungskosten verschiedenertechnologischer Maßnahmen
700
600
500
400
300
200
100
0
–100
–200
E u r o
p r o T o n n e C O 2
K e r n e
n e r g i
e ( E P
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S o l a r
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G e o t h
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B i o k r a
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P h o t o
v o l t a
i k
734
29
75 91
37
254
326
415
540
585611
420
215190
102
52
–5 –21
–113
128
Mangelnde Kostenefzienz der Treibhausgasminderungspolitik der EU
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
kaum, obwohl die Emissionen im deutschen Stromerzeugungssektor
durch das EEG um 11 % reduziert werden. Der Grund daür ist, dass die
Stromerzeugung au Basis erneuerbarer Technologien in Deutschland
die Dringlichkeit der Emissionsreduktion in den übrigen EU-Ländern
verringert, indem die EU-weit geltenden Preise ür CO2-Zertikate ge-
genüber einer Situation ohne ein deutsches EEG um 15 % niedriger aus-
allen (Traber, Kemert 2009:169).
Nun wird häug argumentiert, man könne die ökologische Un-
wirksamkeit des EEG bzw. des EU-weiten Ausbaus der Erneuerbaren
dadurch beheben, dass das Emissionsbudget beim Emissionshandel
um die zu erwartenden CO2-Minderungsbeiträge inolge des Ausbausder regenerativen Stromerzeugung reduziert wird (Diekmann, Kem-
ert 2005; Kemert, Diekmann 2009). So sei in der EU-weit geltenden
Emissionsobergrenze ür 2020 der CO2-senkende Einfuss des Zubaus
regenerativer Stromerzeugungstechnologien berücksichtigt worden
(COM 2008) und der Ausbau erneuerbarer Energien hätte daher sehr
wohl eine CO2-senkende Wirkung. Diese Argumentation ist unzutre-
end, da es allein das Instrument des Emissionshandels ist, das die Ein-haltung der Emissionsobergrenze (Cap) garantiert. Diese Obergrenze
würde auch dann eingehalten, wenn au den weiteren Ausbau der er-
neuerbaren Energien in sämtlichen EU-Ländern verzichtet würde − zu-
gegeben eine wenig wahrscheinliche Entwicklung.
Dennoch verdeutlicht diese Überlegung, dass es allein das Inst-
rument des Emissionshandels ist, das eine Senkung der Treibhaus-
gasemissionen bewirkt (Häder 2010:14). Dieser kaum bestreitbaren
Tatsache wird häug entgegengehalten, dass es gerade die Förderung
der erneuerbaren Energien ist, die weit niedrigere zuküntige Ober-
grenzen im EU-Emissionshandel erlauben würde als andernalls.
Dieses Argument ist wenig stichhaltig, da die EU-Länder sich mit
weitaus weniger Subventionen, als die Förderung der erneuerbaren
Energien verschlingt, in die Lage versetzen könnten, niedrige künti-
ge Emissionsobergrenzen einzuhalten.
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Der Weiterbetrieb der Kernkratwerke in Deutschland, die nach
geltendem Gesetz bereits nach 32 Jahren Lauzeit abgeschaltet werden
sollen, obwohl die technische Lebensdauer bei 60 Jahren und mehr
liegt, wäre nur eines von vielen Beispielen, wie man au kostengüns-
tige Weise strengere Emissionsgrenzen anstreben könnte. In diesem
Beispiel wären die volkswirtschatlichen Kosten sogar negativ: Die
Wohlahrt in der EU und vor allem in Deutschland würde zweiellos
gesteigert (Energieprognose 2009). Konträr dazu erweisen sich zusätz-
liche Politiken zur Förderung erneuerbarer Energien als besonders teu-
er: Böhringer et al. (2009a) wiesen darau hin, dass sich die Kosten ür
die Treibhausgasminderung in der Europäischen Union durch solchePolitikmaßnahmen sogar verdoppeln können.
Ein weiteres Beispiel ür ein ebenalls den Emissionshandel be-
rührendes Instrument sind Stromsteuern. Eine solche wurde in
Deutschland unter dem Begri Ökosteuer im Jahr 1999 eingeührt.
Unternehmen, die sowohl Stromsteuern bezahlen als auch dem
Emissionshandel unterliegen, vermeiden inezient viel (Böhringer
2010:68). Dadurch subventionieren sie indirekt die Unternehmen sol-cher EU-Länder, die ebenalls in den Emissionshandel eingebunden
sind, aber nicht einer Stromsteuer unterworen sind. Auch hier gilt:
Da die Gesamtemissionen im EU-Emissionshandel gedeckelt sind,
haben zusätzliche Strom- oder CO2-Steuern keinen CO2-senkenden
Eekt (Böhringer 2010:68).18
Dies gilt ebenso ür alle weiteren Instrumente, die au eine Sen-
kung des Stromverbrauchs in den EU-Ländern abzielen. Dazu gehören
in Deutschland etwa das Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz,
das den Kau energieezienter Stromgeräte stärkt, die Förderung der
18 Dementsprechend sind die Vermeidungskosten je eingesparter Tonne CO2 im Prinzip unendlichhoch, da ungeachtet der Höhe der Kosten, die durch die einzelnen Maßnahmen den Verbrauchernauerlegt wird, der CO2-Einspareekt Null ist und bei der Berechnung der spezischenVermeidungskosten je Tonne CO2 durch Null dividiert werden müsste.
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Mangelnde Kostenefzienz der Treibhausgasminderungspolitik der EU
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
Krat-Wärme-Kopplung (KWK) via KWK-Gesetz oder das Energiebetrie-
bene-Produkte-Gesetz, das ineziente Geräte vom Markt ausschließt.
Inolge der gleichzeitigen Existenz des Emissionshandels sind diese
Gesetze ebenso nutzlos im Hinblick au Treibhausgaseinsparungen
(Häder 2010:17) wie der in Italien und Großbritannien etablierte Han-
del mit sogenannten weißen Zertikaten, mit dem Stromeinsparun-
gen erreicht werden sollen.
Aber selbst wenn es keinen CO2-Emissionshandel gäbe, wären Wei-
ße-Zertikate-Systeme nicht das Instrument 1. Wahl: Jede Politik, die
pauschal an der Nachrage nach Energie ansetzt, um Umweltexternali-
täten zu verringern, ohne dabei den mit dem jeweiligen Energieträgerverbundenen spezischen Umwelteekten Rechnung zu tragen, ist
inezient (Mennel, Sturm 2009:27).
Tatsächlich sind solche au den Emissionshandel augesattelten In-
strumente wie auch technologie-spezische Förderungen, allen voran
die Subventionierung der Erneuerbaren, nicht nur ineektiv bzw. öko-
logisch überfüssig. Sie sind aus ökonomischer Sicht sogar kontrapro-
duktiv, da Klimaschutz damit unnötig teuer wird (Häder 2010:15). DieFörderung alternativer Technologien zur Produktion „grünen“ Stroms,
welche in Europa mit vielen Milliarden Euro im Jahr unterstützt wird −
allein in Deutschland betrugen die Einspeisevergütungen ür „grünen“
Strom im Jahr 2009 rund 10 Mrd. Euro (Schier 2010:83) –, muss sich
daher aus anderen Gründen rechtertigen.
Bedauerlicherweise dar man wegen der massiven nanziellen
Belastungen durch die Erneuerbaren-Politik der Kommission keine
positive Auswirkungen au Beschätigung erwarten (Frondel, Ritter,
Schmidt, Vance 2010b:4055). So gehen mit den höheren Stromprei-
sen inolge der Förderung der erneuerbaren Energien, etwa durch das
deutsche Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG), Kaukratverluste von
privaten Haushalten einher. Zusammen mit dem Entzug von Inves-
titionskapital bei den industriellen Stromverbrauchern bewirkt dies
negative Arbeitsplatzeekte in anderen Sektoren. Indem die Budgets
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der industriellen Verbraucher durch höhere Strompreise geschmälert
werden, stehen vor allem weniger Mittel ür alternative und protable-
re Investitionen zur Verügung. Daher ist zu bezweieln, ob die Arbeits-
platzeekte des deutschen EEG im Saldo tatsächlich positiv ausallen
können (Frondel, Ritter, Schmidt, Vance 2010a:123).
Demnach ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich in der Ver-
gangenheit zahlreiche Studien skeptisch in Bezug au positive Nettobe-
schätigungseekte der Förderung erneuerbarer Energien in Deutsch-
land äußerten. So konstatiert das Institut ür Wirtschatsorschung in
Halle, dass bei Berücksichtigung der Investitionskosten bzw. der Ver-
drängung der privaten Verwendung der Investitionsmittel „praktischkeine Beschätigungseekte mehr estgestellt werden könnten“ (IWH
2004:72). Ähnlich äußerten sich Fahl, Küster und Ellersdorer (2005),
Paenberger (2006) und das RWI (2004) bzw. Hillebrand et al. (2006).
In jedem Falle sind die durch die Förderung erneuerbarer Energi-
en geschaenen Bruttoarbeitsplätze teuer erkaut. So erorderte die
Schaung von 50.000 „grünen Jobs“ in Spanien Ausgaben von 28,7
Mrd. Euro (Álvarez et al. 2009:24). Pro Arbeitsplatz sind das 574.000Euro. Ähnlich hohe Subventionen werden in Deutschland ür jeden Ar-
beitsplatz in der Photovoltaikbranche bezahlt. Au Basis der Nettokos-
ten von rund 17,4 Mrd. Euro ür alle im Jahr 2009 installierten Anlagen
(Frondel, Ritter, Schmidt, Vance 2010b:4051) lägen die Subventionen
pro Kop bei rund 290.000 Euro, wenn man von 60.000 Beschätigten
im deutschen Photovoltaiksektor ausgeht (BSW 2009).
Diese Ergebnisse sind nicht weiter überraschend, schließlich ist
der komparative Vorteil der Politik nicht unbedingt in der unmit-
telbaren Schaung von Arbeitsplätzen zu vermuten. So würde man
eher dem Markt, welcher die wettbewerbsähigen konventionellen
Stromerzeugungstechnologien begünstigen würde, als der Politik,
die sich als Förderer inezienter „grüner“ Technologien betätigt, zu-
trauen, ür insgesamt mehr Beschätigung und somit eine größere
Wohlahrt zu sorgen.
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
Tatsächlich sollte der Handlungsschwerpunkt der Politik nicht in
der Schaung von Arbeitsplätzen liegen, sondern in der Gestaltung
günstiger Rahmenbedingungen, welche die möglichst kostengünstige
Produktion von Gütern und Dienstleistungen erlauben. Zu diesen Rah-
menbedingungen gehört die allgemeine Förderung der Erorschung
und Entwicklung neuer Produktionsmethoden, bei denen weniger
Ressourcen an Energie, Umwelt, Kapital oder auch an Arbeit eingesetzt
werden, um denselben Output zu erzeugen wie mit den bestehenden
Technologien. Indem die rei werdenden Ressourcen ür andere Zwe-
cke verwendet werden können, kann so der Lebensstandard der Bevöl-
kerung gesteigert werden. Die von der Kommission mit der Steigerungdes Anteils der Erneuerbaren am Energiemix beabsichtigte Technolo-
gieörderung ist in dieser Hinsicht allerdings wenig erolgreich, wie in
Abschnitt 7 dargestellt wird.
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
5.
Schlechte Chancen ür ein globales Klimaabkommen zur
TreibhausgasminderungNationale Klimapolitiken zur Senkung von Treibhausgasen sehen sich
einem undamentalen Dilemma ausgesetzt19: Die Bürger eines einzel-
nen Landes, welche von dessen Regierung die vollen Kosten einer ein-
seitigen Minderungspolitik augebürdet bekommen, protieren nur
zu einem geringen Teil von dieser Klimapolitik, alls denn diese Min-
derung der Treibhausgase überhaupt die globale Erwärmung signi-kant beeinfussen kann. Der weit überwiegende Nutzen einer solchen
Politik ällt im Ausland an (Beirat BMF 2010:8).
Aus diesem Grund haben einzelne Länder in der Regel nur geringe
Anreize20, erhebliche Kosten ür Treibhausgasminderungen auzuwen-
den, da diese wegen der weltweiten Auswirkungen des Ausstoßes von
Treibhausgasen allen zu Gute kommen, aber im weltweiten Maßstab
19 Das Dilemma wurde von Hardin (1968) als Tragedy o Commons bezeichnet. Damit gemeint istdie Tragik der Allmende- bzw. öentlichen Güter, die allen zur Verügung stehen, dadurch keinenPreis haben und daher unter Übernutzung leiden.
20 Nur wenige Länder beteiligen sich reiwillig an der Vermeidung von Emissionen (Beirat BMF2010:11). Dass ein Land zu dieser Gruppe gehört, ist umso wahrscheinlicher, je größer undbevölkerungsreicher das Land ist, je wohlhabender das Land ist, je niedriger die Kosten derEmissionsvermeidung ür dieses Land sind, je dramatischer die Veränderung des Klimasür das Land negativ zu Buche schlägt und je bedeutender und politisch einfussreicher dieÖkologiebewegung in einem Land ist.
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wenig bewirken (Abschnitt 2). Im Gegenteil: Ein einzelnes Land hat
vielmehr den Anreiz, sich als Trittbrettahrer zu verhalten (Weimann
1994:73) und nichts zu tun, um ohne eigenen Kostenauwand von den
Anstrengungen der anderen Länder zu protieren.
Die zentrale Herausorderung ist daher, einen Weg zu nden, mit
dem es gelingen kann, Staaten vom Trittbrettahrerverhalten abzubrin-
gen und die Chancen ür das Zustandekommen eines Klimaabkom-
mens au globaler Ebene, mit dem sich nahezu alle Staaten oder zumin-
dest sämtliche bedeutenden Emittenten, Treibhausgasrestriktionen
auerlegen, zu erhöhen. Augrund des Fehlens einer Weltregierung, die
ein Trittbrettahrerverhalten wirksam sanktionieren könnte (Weimann1994:73), welche es aber mit Sicherheit niemals geben wird, besteht in-
ternationale Klimapolitik allerdings allein aus reiwilligem Engagement.
Dabei stellt sich die Frage, welche Rolle Kooperationen einzelner Länder
spielen können, um die Teilnahmebereitschat der übrigen Länder an
einem globalen Klimaabkommen zu beeinfussen.
Kooperationen einer Teilgruppe von Ländern, etwa der 27 EU-Mit-
gliedstaaten, können ür die einzelnen Teilnehmerstaaten durchausattraktiv und ökonomisch rational sein, wie an dem olgenden Beispiel
erläutert werden soll. Nehmen wir vereinachend an, dass sich die 27 EU-
Staaten dazu verpfichten, jeweils dieselbe Emissionsmenge zu vermei-
den. Diese Verpfichtung lohnt sich ür ein einzelnes EU-Mitglied genau
dann, wenn seine Emissionsminderungskosten geringer sind als der Nut-
zen, den die 27-mal so hohe Emissionsminderung, zu der sich die Part-
nerländer via Vertrag verpfichtet haben, stitet.21 Man würde meinen,
dass die Teilnahme eines Landes an einem solchen Kooperationsvertrag
21 Die vereinachende Annahme, dass alle Länder sich zur selben Minderungsmenge verpfichten,ist irrelevant. Tatsächlich spielt es ür das Kosten-Nutzen-Kalkül eines Landes, das sich zu einerbestimmten Emissionsminderung verpfichtet, oenkundig keine Rolle, wie die Verteilungder Minderungsverpfichtungen au die übrigen Länder ausällt, solange die gesamteMinderungsmenge dieselbe bleibt.
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Schlechte Chancen ür ein globales Klimaabkommen zur Treibhausgasminderung
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
umso attraktiver ist, je mehr Kooperationspartner sich zu Minderungsan-
strengungen verpfichten, da die eigenen Anstrengungen mit dem ent-
sprechenden Vielachen an Emissionsminderung belohnt werden.
Au den ersten Blick würde man olglich erwarten, dass eine solche
Kooperation einer Teilgruppe von Ländern die Chancen ür das Zustan-
dekommen eines globalen Abkommens erhöht, da man sich von dieser
Kooperation eine örderliche Signalwirkung erhoen könnte und die mit
der Kooperation übernommene Vorreiterrolle sich positiv au die Erwei-
terung des Teilabkommens zu einem globalen Abkommen auswirkt.
Die Antwort der umweltökonomischen Literatur au die Frage nach
der Bedeutung von Teilkooperationen ür die Chancen eines weltwei-ten Klimaabkommens ist jedoch höchst ernüchternd: Aus genau den-
selben Gründen, die in Abschnitt 3 dargestellt wurden und die dazu
ühren, dass das übermäßige Engagement eines einzelnen Landes oder
einer Staatengruppe wie der Europäischen Union die Bereitschat der
übrigen Länder zur Emissionsminderung verringert, kann die Koope-
rationsbereitschat der übrigen Länder durch eine Kooperation einer
Teilgruppe von Staaten reduziert und so das Zustandekommen einesweltweiten Klimaabkommens sogar erschwert werden (Beirat BMF
2010:16), anstatt die Chancen au ein solches zu verbessern.
Denn: Je mehr ein Land oder eine Staatengruppe bereit ist zu tun
und dies in einem Kooperationsvertrag zu maniestieren, desto attrak-
tiver wird es ür die übrigen Länder, selbst weniger zu vermeiden und
einem zu erheblichen Anstrengungen verpfichtenden Abkommen
ernzubleiben, da der Grenznutzen der eigenen Anstrengungen mit
den Bemühungen der Vorreiterländer sinkt22.
22 In der ökonomischen Literatur überwiegt das rationale Kosten-Nutzen-Kalkül als Basis ürindividuelle Entscheidungen. In anderen Sozialwissenschaten wie auch in Teilbereichen derÖkonomik werden dagegen häug Entscheidungen mit unvollständiger Inormation oderbeschränkter Rationalität betrachtet. >>
|Fortsetzung der Fußnote am nächsten Seitenende|
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Das Abkommen einer Teilgruppe von Staaten, wie etwa die Selbst-
verpfichtung der EU-Staaten au eine 20-%-Reduktion der Treibhaus-
gase gegenüber 1990, kann somit die Dynamik zuküntiger Verhand-
lungen über ein weltweites Klimaabkommen negativ beeinfussen
(Beirat BMF 2010:17): „Das Vorwegmaschieren einer Teilgruppe von
Ländern und die Einigung au hohe Emissionsminderungsziele mar-
kieren in der Politik vielleicht einen herausragenden moralischen
Sieg. Wenn es darum geht, das Weltklima im Rahmen eines globalen
Umweltabkommens zu retten, ist diese Form des moralischen Han-
delns jedoch eher verehlt. Sie kann eine eziente Lösung, die ohne
ein Vorwegmarschieren im Bereich des Möglichen gewesen wäre, so-gar verhindern.“
Die Zusammenarbeit einer Teilgruppe von Ländern ist jedoch
nicht nur wenig hilreich ür das Zustandekommen eines globalen Kli-
maabkommens. Nach der umweltökonomischen Literatur birgt dies
sogar das Risiko einer erheblichen Umverteilung der Kosten zulasten
der Länder, die sich zur Kooperation bereit erklärt haben (Buchholz,
Haslbeck, Sandler 1998, Konrad 2003). Die Kommission sollte daherdiese Zusammenhänge und Wirkungsmechanismen bedenken, wenn
es um die Frage geht, ob die Klimapolitik in den Händen der einzel-
nen EU-Länder bleiben oder zentral von Brüssel aus koordiniert wer-
den sollte. Während selbst eine koordinierte EU-Klimapolitik nur einen
kleinen Beitrag zur globalen Emissionsminderung leisten kann (Ab-
schnitt 2), werden die Chancen ür eine weltweit koordinierte Klimapo-
litik verringert, aber die Lasten ür die Emissionsminderung eher den
Abweichungen in dieser Richtung per se lassen allerdings die Inezienz noch nicht verschwinden.Wenn beispielsweise die Länder ihre Vermeidungsanstrengungen in einem evolutionärenProzess – statt über vollständig rationale Wohlahrtsmaximierung – bestimmen, bleibenVorleistungen einzelner Länder ebenalls wirkungslos. Länder imitieren in einem evolutionärenProzess erolgreiche Strategien anderer Länder; und erolgreicher sind auch hier die Länder, dienur geringe Vermeidungsanstrengungen leisten. Auch im evolutionären Prozess setzt sich dieinezient niedrige Vermeidung durch (Beirat BMF 2010:10).
>>
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Schlechte Chancen ür ein globales Klimaabkommen zur Treibhausgasminderung
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
Mitgliedsstaaten augebürdet, wohingegen die übrigen OECD-Staaten
tendenziell eher entlastet werden (Beirat BMF 2010:14).
Abgesehen davon, dass die Klimapolitik der Kommission eher kon-
traproduktiv wirkt, stehen die Chancen ür ein globales Klimaabkom-
men, das zu einer nennenswerten Verringerung der globalen Emissio-
nen ührt oder zumindest zu einer weitgehenden Stagnation, ohnehin
denkbar schlecht, alls dieses Abkommen au die Beschränkung des
Treibhausgasausstoßes der Staaten mit dem umangreichsten Treib-
hausgasausstoß abzielt. So wird sich der weltweit größte Treibhaus-
gasemittent China mit Sicherheit keinerlei Emissionsbeschränkung
unterweren wollen, wenn diese zulasten der wachsenden Prosperitätdieses Landes gehen würde.
Zu Recht würde China stattdessen zuerst von denjenigen Ländern
ihren substantiellen Tribut verlangen, die in der Vergangenheit vor-
wiegend ür den Anstieg der Treibhausgaskonzentration maßgeblich
verantwortlich waren. Mit dem ebenso berechtigten Hinweis au die
geringe Eektivität verweigert der zweitgrößte Emittent, die USA, be-
reits heute einschneidende Vermeidungsmaßnahmen, alls Schwel-lenländer wie China oder Indien sich nicht ebenalls zu Minderungsan-
strengungen verpfichten, die den küntigen Anstieg ihrer Emissionen
deutlich dämpen. Einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma, der
nicht unmittelbar bei der Vermeidung von Emissionen ansetzt, prä-
sentiert der olgende Abschnitt.
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
6.
Erolgsträchtigere Alternativen
Aussichtsreichere Alternativen zur Auerlegung von Emissionsrestrik-
tionen bestehen in solchen Strategien und Politiken, bei denen dieeinzelnen Länder in erster Linie selbst von den zu ergreienden Maß-
nahmen protieren und daher ein hohes Eigeninteresse an deren Um-
setzung haben. Dazu gehören Anpassungsmaßnahmen an den Klima-
wandel, die wie der Bau von Deichen zum Schutz vor einem Anstieg
des Meeresspiegels darau abzielen, die Folgekosten der globalen Erwär-
mung zu reduzieren, und damit unmittelbar der Bevölkerung desjeni-
gen Landes zugute kommen, das diese Maßnahmen durchührt.Zusätzlich zu einer solchen Politik, deren Umsetzungsgrad vor al-
lem im Ermessen des einzelnen Landes liegt, könnten sich Länder in
einem weltweiten Abkommen zu einer sukzessiven Erhöhung ihrer
Ausgaben ür die Forschung und Entwicklung (F&E) von Energieum-
wandlungs- und -speichertechnologien verpfichten.23 Mit derartigen
F&E-Maßnahmen werden zwar nicht unmittelbar Treibhausgasmin-
derungen erzielt. Über Zeiträume von einigen Jahrzehnten hinweg
23 Weil davon auszugehen ist, dass von den Früchten der F&E-Investitionen zum großenoder gar überwiegenden Teil die investierenden Länder selbst protieren, sollte dasTrittbrettahrerverhalten in Form von nicht investierenden Ländern geringer sein als beiAktivitäten zur Treibhausgasvermeidung. Allerdings ist zu konzedieren, dass einzelne Länderdeshalb zu wenig in F&E investieren könnten, weil Kosten und Nutzen dieser Investitionen zeitlichweit auseinander allen können und der eigene Nutzen der F&E-Investitionen nicht korrekt bzw.zu niedrig eingeschätzt wird.
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können F&E-Investitionen in revolutionäre Technologien nichtsdesto-
trotz zu sehr hohen Treibhausgasminderungserolgen ühren.
Ein Beispiel ür eine solche Technologie ist die Kernusion. Diese
stellt eine CO2-reie Technologie zur Stromerzeugung dar, der ein gro-
ßes Potential attestiert wird, langristig in großem Umang zu einer
sauberen, versorgungssicheren und geahrlosen Stromversorgung
beizutragen (DPG 2010:122). Im Gegensatz zu Kernkratwerken würde
der Betrieb von Fusionskratwerken keine radioaktiven Abälle hin-
terlassen. Im Erolgsall des praktischen Einsatzes, den die Deutsche
Physikalische Gesellschat bei der derzeitigen vergleichsweise gerin-
gen Forschungsörderung ür die Mitte dieses Jahrhunderts erwartet(DPG 2010:122), könnte die europäische Stromerzeugung bis 2100 al-
lein au Basis dieser Technologie wohl gänzlich emissionsrei erolgen.
In Kombination mit den erneuerbaren Energietechnologien sowie mit
der Kernkrat könnte so bereits ab der Mitte dieses Jahrhunderts eine
weitgehende Dekarbonisierung des Stromerzeugungssektors Realität
werden, so wie dies von Deutschland heute bereits angepeilt wird, al-
lerdings allein au Basis von erneuerbaren Energietechnologien.Das Beispiel des experimentellen Reaktors ITER, dessen Bau in Süd-
rankreich in weltweiter Zusammenarbeit begonnen wurde, zeigt, dass
ein globales Abkommen über Verpfichtungen der Länder zu wachsen-
den F&E-Anteilen am jeweiligen Bruttoinlandsprodukt im Bereich des
Möglichen liegt. Mit einem derartigen Abkommen über Quoten zu F&E-
Förderausgaben ür Energieumwandlungs- und -speichertechnologien
können au lange Sicht negative externe Umwelteekte verringert, aber
auch die typischen positiven Spill-Over-Eekte von F&E-Aktivitäten er-
zielt werden (Jae, Newell, Stavins 2002). Somit haben F&E-Ausgaben
eine doppelte Dividende, eine Umwelt- und eine Technologiedividende,
die zwar allen Ländern, aber in hohem Maße auch demjenigen Land zu-
gutekommen, das diese Ausgaben nanziert. Im Erolgsall einer weit-
reichenden Diusion einer Technologie protieren davon insbesonde-
re diejenigen Unternehmen, die diese Technologien vertreiben.
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Erolgsträchtigere Alternativen
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
Darüber hinaus kann ein Land mit einer sukzessiven Steigerung
seiner F&E-Ausgabenanteile ein chronisches Manko beseitigen. So ällt
die von privaten Marktakteuren nanzierte Forschungsleistung ten-
denziell zu gering aus (Nelson 1959). Dabei liegt aus volkswirtschat-
licher Sicht ein Zuwenig an Forschung vor, wenn die Ausgaben gerin-
ger ausallen als die daraus zu erwartenden Erträge. Vor allem an der
Finanzierung von Grundlagenorschung dürten private Akteure ein
sehr geringes Interesse zeigen, da bei dieser die Wahrscheinlichkeit ür
die unmittelbare marktwirtschatliche Nutzung von Forschungserol-
gen relativ klein ist und die Erolge in der Regel allen zugutekommen.
In diesem Falle von Marktversagen ist es Augabe des Staates, die For-schungs- und Technologieörderung voranzutreiben.
Die staatliche Forschungs- und Technologieörderung sollte aller-
dings ungezielt betrieben werden, da die Politik die zuküntig erolg-
reichen Technologien nicht Jahrzehnte im Voraus identizieren kann
(Karl, Wink 2006:275-276). Von Hayek (1978) ührt dies vor allem au
das Inormationsdezit des Staates zurück, der in der Regel nicht über
die notwendigen Inormationen verügt. Demnach sollte der Staat vie-le verschiedene Technologien gleichermaßen ördern, nicht zuletzt
auch deshalb, weil eine Bevorzugung einer Technologie, etwa aus in-
dustriepolitischen Motiven, zugleich immer auch eine Diskriminie-
rung anderer technologischer Entwicklungen bedeutet (Kronberger
Kreis 2009:34).
Mit der höchst privilegierten EEG-Förderung der Photovoltaik, die in
Deutschland mit Abermilliarden Euro in exorbitantem Ausmaße geör-
dert wird, geschieht indessen das Gegenteil: Der Staat maßt sich mit der
drastischen Überörderung der Photovoltaik nicht vorhandenes Wissen
an. Die Photovoltaik erhält im Vergleich zum damit erzielten Stromout-
put mit Abstand die meisten Subventionen (Frondel, Ritter, Schmidt,
Vance 2010a:116): Für alle zwischen 2000 und 2010 in Deutschland in-
stallierten Photovoltaikmodule belauen sich die Nettokosten real au
rund 81,5 Mrd. Euro (Frondel, Ritter, aus dem Moore, Schmidt 2011)).
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Mit ihrer Erneuerbaren-Politik verstößt auch die Kommission ge-
gen das Prinzip der Technologieoenheit einer guten F&E-Förderung
in eklatanter Weise. Mittels symbolischer Ziele, deren Zielwerte nicht
das Resultat rationaler Optimierungsüberlegungen sind, sondern o-
enkundig mit dem Zieljahr zusammenhängen, wie dies etwa beim
20-%-Anteil der Erneuerbaren ür das Jahr 2020 der Fall ist, soll der
Ausbau der erneuerbaren Energietechnologien vorangetrieben wer-
den, obwohl diese Privilegierung der Erneuerbaren bei einer Koexis-
tenz mit dem Emissionshandel nicht durch die Beseitigung negativer
externer Klimaschutzeekte gerechtertigt werden kann.
Wenn die Kommission mit ihrem Erneuerbaren-Ziel ür 2020eine Technologieörderung im Sinn hat, so sollte außerdem die
Wahl des Förderinstruments nicht den Mitgliedsländern überlassen
bleiben. Besonders ineektiv ist diesbezüglich das in Deutschland
verwendete Einspeisevergütungssystem, bei dem die Forschung
und Entwicklung (F&E) lediglich au indirekte Art geördert wird. In
Deutschland hat dies in der Praxis nicht zu hohen Forschungsau-
wendungen der durch das EEG begünstigten Unternehmen geührt:Obwohl sich die EEG-Vergütungen zwischen 2000 und 2009 mehr
als verzehnacht haben und von etwa 0,9 au rund 10 Mrd. Euro ge-
stiegen sind (BDEW 2001, 2009), waren die Ausgaben der Privatwirt-
schat ür die Energieorschung in Deutschland allgemein rückläug.
Investierte die Wirtschat im Jahr 1991 noch etwa 503 Mio. Euro in
die Energieorschung, so waren es im Jahr 2007 nur noch 139 Mio.
Euro (BMWi 2010). Im Vergleich zu den Vergütungen ür erneuerbare
Energien von 7,6 Mrd. Euro im Jahr 2007 sind 139 Mio. Euro ein gerin-
ger Betrag, welcher nicht einmal der Erorschung regenerativer Tech-
nologien allein diente, sondern der Forschungsörderung sämtlicher
Energietechnologien.
Dass die Ausgaben ür Forschung und Entwicklung im Bereich
erneuerbare Energien sowohl in absoluter Höhe wie auch in Relation
zu den erzielten Umsätzen gering ausallen, wird durch Zahlen zu den
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Erolgsträchtigere Alternativen
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
Forschungsausgaben von Photovoltaikunternehmen bestätigt. Die
beiden größten deutschen Solarunternehmen, Q-Cells und Solarworld,
gaben im Jahr 2009 mit 26,5 Mio. Euro bzw. 12,0 Mio. Euro lediglich
rund 1,2% bzw. 3,3% ihres Umsatzes ür Forschung aus (Breyer 2010).
Damit liegen diese noch vergleichsweise jungen Unternehmen weit
hinter den F&E-Ausgaben traditioneller Firmen zurück. Siemens etwa
investierte im Jahr 2008 mit 3,8 Mrd. Euro etwa 4,9% des Umsatzes in
Forschung und Entwicklung, während Unternehmen aus dem Gesund-
heitsbereich üblicherweise sehr hohe Forschungsausgaben tätigen. So
investierte Roche 5,6 Mrd. Euro bzw. bis zu 19,4% ihres Umsatzes des
Jahres 2008 in F&E (Booz & Company 2009).Auch die Deutsche Physikalische Gesellschat kritisiert in ihrer
Studie vom Juni 2010, dass trotz des massiv über das EEG unterstütz-
ten Marktes die F&E-Intensität der Photovoltaikindustrie in den ver-
gangenen Jahren von 2 % au unter 1,5 % des Umsatzes gesunken ist,
wohingegen orschungsintensive Unternehmen wie große Pharmaun-
ternehmen eine Forschungsintensität von 15 – 20 % auweisen; Firmen
der Computerbranche wie Intel oder Microsot haben entsprechendeF&E-Quoten von 15,2 % bzw. 13,8%. Zudem konzentrierten sich die ge-
ringen F&E-Aktivitäten der Solarbranche vorwiegend au ertigungs-
nahe Aspekte (DPG 2010:102).
Anstatt zur Technologieörderung, zu der die Finanzierung von
Prototypen genügt (Kronberger Kreis 2009:34), wurden die Förder-
gelder ür Erneuerbare olglich in weit überwiegendem Maße zur fä-
chendeckenden Verbreitung von Anlagen benutzt. Von der so geör-
derten Verbreitung von Anlagen protieren neben den heimischen
auch ausländische Unternehmen. So stieg das 2001 gegründete chi-
nesische Unternehmen Suntech Power vor allem augrund der deut-
schen Einspeisevergütungen in die Weltspitze der Photovoltaikmo-
dulhersteller au, während es in China bislang keine nennenswerte
Förderung gab. Einspeisevergütungssysteme wie das EEG verschaen
der Konkurrenz oenkundig genau dieselben Chancen au technolo-
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gische Entwicklung und Export wie den heimischen Unternehmen.
Wenngleich dies unter Wohlahrtsgesichtspunkten nicht negativ be-
wertet werden muss, entspricht dies nicht unbedingt der Zielsetzung
der Förderung.
Um die Wettbewerbsähigkeit seiner Unternehmen zu verbessern,
wäre olglich jeder Staat gut beraten, wenn er direkt au F&E-Förde-
rung setzen würde, anstatt au die gießkannenartige und indirekte
Förderung mittels Einspeisevergütungen, von der ausländische Unter-
nehmen ebenso protieren können und die nicht notwendigerweise
zu hohen Forschungsauwendungen privater Unternehmen ühren.
Entscheidend ür die Erlangung tatsächlicher Wettbewerbsvorteile ist,dass gezielte Anreize geboten werden, die zur Entwicklung besserer
Technologien ühren. In dieser Hinsicht versagt ein Einspeisevergü-
tungssystem nahezu au ganzer Linie, da es die Anreize ür Innovatio-
nen weitgehend dadurch erstickt, dass jede Technologie Subventionen
entsprechend ihres Wettbewerbsdezits erhält.24
Die Internationale Energieagentur (IEA 2007:74,77) schlägt daher
in ihrem Länderbericht zur Energiepolitik Deutschlands vor, andere
24 Auch mit dem immer wieder angeührten Argument des First-Mover-Vorteils von Ländern,die im weltweiten Markt rühzeitig Fuß assen und sich so vermeintlich langristige Vorteileverschaen könnten, ist es nicht weit her. Dass dieses Argument wenig haltbar ist, zeigtaktuell das Beispiel Deutschlands, das die Photovoltaiktechnologie nun seit einer Dekademittels Einspeisevergütungen ördert − seit 2005 in extrem steigendem Maße − und dennochzunehmend mit der Dominanz der asiatischen Hersteller − vor allem aus China − au demWeltmarkt zu kämpen hat. Obwohl die chinesischen Firmen sich keiner so exorbitantennationalen Förderung erreuen durten wie die deutschen Hersteller, konnten sich diese
keinen entscheidenden Vorteil gegenüber den asiatischen Herstellern sichern. Im Gegenteil:Es ist wahrscheinlich, dass die hohen EEG-Vergütungen ür Solarstrom eine Mitschuld anden Ezienznachteilen deutscher Unternehmen tragen, da die Anreize zu entsprechendenEzienzanstrengungen geehlt haben. Bei dem Argument des First-Mover-Vorteils sollte zudembedacht werden, dass die Förderung der erneuerbaren Energietechnologien immer auch zu Lastenanderer Sektoren geht, die diese Vorreiterrolle mit zu nanzieren haben. Im Saldo betrachtetsind negative makroökonomische Eekte sehr wahrscheinlich, da produktive, wettbewerbsähigeSektoren zugunsten der ansonsten nicht wettbewerbsähigen Erneuerbaren-Branchegeschwächt werden. Um ein Bild zu verwenden: Es ist wenig wahrscheinlich, dass Deutschlandim ökonomischen Wettlau um die höchsten Wachstumsraten unter den besten Ländern seinwird, wenn es seine schnellsten Läuer dazu verpfichtet, ihr Tempo zugunsten seiner wenigerkonkurrenzähigen Läuer zu drosseln, um diesen als Wasserträger zu dienen.
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Erolgsträchtigere Alternativen
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
Instrumente als Einspeisevergütungen zur Förderung der Photovol-
taik zu benutzen, welche vorwiegend die Forschung und Entwicklung
dieser Technologie ördern und nicht deren fächendeckende Verbrei-
tung. Diesem Ratschlag sollte die Kommission olgen und zu einer
F&E-Förderung sämtlicher Energieumwandlungs- und -speichertech-
nologien übergehen, anstatt durch die Vorgabe symbolischer Ziele ür
den Anteil der Erneuerbaren am Energiemix allein die Verbreitung
von erneuerbaren Energietechnologienanlagen zu orcieren. Dies
verhilt diesen Technologien nicht zu den entscheidenden internati-
onalen Wettbewerbsvorteilen, wie das Negativbeispiel der deutschen
Photovoltaikörderung zeigt.Erolgversprechender sollte ein Weg sein, bei dem die Kommissi-
on den Mitgliedsländern zur Energietechnologieörderung F&E-Aus-
gaben-Quoten in Bezug au das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vorgibt.
Damit kann eine sehr viel stärkere Forschungsörderung erolgen als
mit der Vorgabe von Erneuerbaren-Energien-Anteilen. Der Weg der
sukzessiven Steigerung der F&E-Ausgabenanteile ür Energietechno-
logien dürte wegen der damit verbundenen Spill-Over-Eekte gleich-zeitig auch umso eektiver ür die langristige Senkung der globalen
Treibhausgasemissionen sein, je mehr Nachahmung das Beispiel welt-
weit ndet. Der Weg zu einem globalen Abkommen mit Energieor-
schungsörderungszielen dürte dann nicht mehr weit sein.
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
7.
Anpassung an die globale Erwärmung
Zusätzlich zur Vermeidung von Emissionen gibt es die Möglichkeit,
den Folgen der Klimaerwärmung durch Anpassung zu begegnen. Be-stehen die Folgen etwa in einer Zunahme der Häugkeit und Intensität
von Stürmen, woür es bislang allerdings keinen wissenschatlichen
Beweis gibt (Bouwer 2010), kann eine Anpassungsreaktion seitens des
Staates in baurechtlichen, städtebaulichen und land- oder orstwirt-
schatliche Maßnahmen bestehen.
Zu den Anpassungsprozessen können viele andere Maßnahmen
gehören, wie die Gewinnung neuer Anbaufächen und Siedlungsge-biete in derzeit noch zu kalten Regionen, alls diese durch die globale
Erwärmung weniger unwirtlich werden, Änderungen in der landwirt-
schatlichen Produktion, die Umsiedelung der Bevölkerung von Inseln,
die durch einen Meeresspiegelanstieg bedroht sind, oder eine Verbes-
serung der Malariaprävention.
Emissionsvermeidung und Anpassung sind selbstverständlich
keine Substitute hinsichtlich der Senkung von Emissionen.25 Wohl aber
25 Zwischen der Vermeidungs- und Anpassungsstrategie gibt es einen Zusammenhang, der bisher inder politischen Debatte wie auch in der ökonomischen Literatur wenig Beachtung geunden hat(Tol 2005): Setzt ein Land verstärkt au Anpassungsmaßnahmen und reduziert demzuolge seineMinderungsanstrengungen, könnte dies in Umkehrung der Argumentation von Abschnitt 3 dazuühren, dass die übrigen Länder höhere Vermeidungsbemühungen unternehmen und so höhereKosten übernehmen. >>
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sind beide Strategien substitutiv, wenn es darum geht, die Folgekosten
der globalen Erwärmung zu minimieren. Denn man kann die Folge-
kosten entweder dadurch verringern, dass man weniger CO2 emittiert
oder dass man sich au die mit dem CO2-Ausstoß verbundenen Folgen
besser einstellt (Beirat BMF 2010:26).
Die Anpassungsstrategie wurde bereits zu Beginn der Klimadebat-
te von Autoren wie William Nordhaus (1994) sehr ernsthat diskutiert.
Wenngleich diese Strategie in der aktuellen Klimadebatte etwas im
Hintergrund steht, hat Deutschland erste wichtige Schritte in Rich-
tung einer umassenderen Anpassungsstrategie übernommen (Beirat
BMF 2010:25). So wurden in der im Dezember 2008 beschlossenen„Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ zahlreiche Be-
reiche wie die Landwirtschat oder das Gebiet der Gesundheit identi-
ziert, ür die Bund und Länder bis 2011 einen detaillierten Aktionsplan
vorlegen sollen.
Der Grund ist, dass je nach Anpassungsmaßnahme diese ver-
nüntigerweise au einer von vielen unterschiedlichen Ebenen ange-
siedelt sein sollte, entweder au internationaler, nationaler, Länder-,kommunaler oder gar individueller Ebene. So könnte es allein Sache
der Hauseigentümer sein, ihr Wohneigentum durch bauliche Maß-
nahmen individuell gegen Sturmschäden zu wappnen. Alternativ
oder ergänzend könnten entsprechende Versicherungen abgeschlos-
sen werden. Dieses Beispiel zeigt: Bei vielen Anpassungsmaßnahmen
kann davon ausgegangen werden, dass die individuellen Anpassungs-
entscheidungen auch sozial optimal sind und ein Staatseingri nicht
Eine solche Strategie kann in Umkehrung der Argumentation von Abschnitt 5 erner dazuühren, dass sich die Chancen ür das Zustandekommen eines weltweiten Klimaabkommensverbessern: „Sollte es au der Seite der weniger entwickelten und armen Länder unrealistischhohe oder übertriebene Erwartungen hinsichtlich der tatsächlichen Operbereitschat derIndustrieländer geben, kann eine sichtbare und konsequent verolgte Anpassungsstrategieseitens der entwickelten Industrienationen diese Erwartungen korrigieren helen und so zu einerinternationalen Konsensndung beitragen“ (Beirat BMF 2010:27).
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Anpassung an die globale Erwärmung
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
notwendig ist, da individuelle und kollektive Kosten-Nutzen-Kalküle
übereinstimmen.
„Wer sein Haus gegen vermehrt drohende Sturmschäden absi-
chert, berücksichtigt im Wesentlichen alle relevanten Vor- und Nach-
teile einer solchen Anpassungsmaßnahme. Hier muss und soll der
Staat in die individuellen Anpassungsmaßnahmen nicht eingreien.
Lediglich wenn das individuelle vom kollektiven Kosten-Nutzen-Kal-
kül abweicht, ist der Staat in der Pficht“ (Beirat BMF 2010:28). Dies ist
etwa bei der Erhöhung von Deichen zum Schutz aller Einwohner einer
Region vor den Folgen von Stürmen der Fall.
Im Vergleich zu Anstrengungen zur Emissionsminderung habenAnpassungsmaßnahmen einige Vorteile. Erstens: Derjenige, der die
Kosten der Anpassungsmaßnahme zu tragen hat, wie etwa ein Haus-
besitzer, der die Dachbedeckung sturmtauglicher macht, hat den allei-
nigen oder zumindest den überwiegenden Nutzen davon. Im Gegen-
satz dazu trägt derjenige, der Minderungsmaßnahmen durchührt, die
vollen Kosten daür, protiert aber, wenn überhaupt, nur geringügig
davon, während der Hauptnutzen au alle diejenigen entällt, die un-ter der globalen Erwärmung etwas weniger zu leiden haben, alls diese
Maßnahme sich als eektiv erweist.
Es gibt daher ein Übergewicht an potentiellen Nutznießern von
Minderungsmaßnahmen, während nur einige wenige die Kosten da-
ür zu tragen haben. Der Anreiz zu Minderungsanstrengungen dürte
demnach ungleich geringer sein als zur Durchührung von Anpas-
sungsmaßnahmen. Das undamentale Dilemma des Trittbrettahrer-
verhaltens, das die Chancen au eine eektive Verringerung der globa-
len Treibhausgase gegen Null gehen lässt, tritt olglich bei einer Strate-
gie, die au Anpassungsmaßnahmen setzt, nicht au.
Zweitens: Bei Minderungsanstrengungen gibt es eine große zeit-
liche Divergenz von Kosten und potentiellem Nutzen: Während der
Nutzen dieser Maßnahmen sich erst sehr viel später zeigen wird, mög-
licherweise erst in Jahrzehnten, allen die Kosten daür unmittelbar
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an, wenn sie heute ergrien werden. Es ist eine höchst strittige gesell-
schatliche Frage der Diskontierung, wie ein erst Jahrzehnte später an-
allender Nutzen im Vergleich zu dem bereits heute anallenden Kos-
tenauwand zu bewerten ist (Nordhaus 2007, Weitzman 2007, Stern
2007). Ökonomisch zweielsrei ist lediglich, dass Auwendungen von
einer Milliarde Euro ür Treibhausgasreduktionen heute höhere Kos-
ten darstellen als eine Milliarde Euro ür Anpassungsmaßnahmen in
20 Jahren.
Bei Anpassungsnahmen ist die zeitliche Diskrepanz zwischen Kos-
ten und Nutzen in der Regel weit geringer. So wird man Maßnahmen
zur Erhöhung von Deichen erst dann treen, wenn absehbar ist, dassbei einem weiteren Meeresspiegelanstieg die bestehende Deichhöhe
eventuell nicht mehr ausreicht. Ein wichtiger Vorteil der Anpassungs-
strategie ist olglich, dass kein jahrzehntelanger Vorlau benötigt wird,
wie bei der Vermeidungspolitik (Beirat BMF 2010:30). Vielmehr kön-
nen Anpassungsmaßnahmen relativ zeitnah und als Reaktion au sich
in ihrem Umang vergleichsweise klar abzeichnende Umweltverände-
rungen ergrien werden.Drittens: Der Umang der mit der globalen Erwärmung einher-
gehenden Schäden ist gegenwärtig noch mit einer sehr hohen Unsi-
cherheit behatet. Wegen der potentiell irreversiblen Folgen des CO2-
Ausstoßes müsste die Politik im Prinzip möglichst rüh reagieren und
Maßnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen ergreien. Denn: Lässt
man ein zu hohes Emissionsniveau zu, wobei derzeit höchst unklar ist,
was zu hoch bedeutet, könnten eventuelle gravierende Folgeschäden
nicht mehr vermieden werden. Daher könnte die Politik geneigt sein,
rühzeitig relativ hohe Vermeidungsanstrengungen zu unternehmen.
Dies könnte sich als Fehler herausstellen, wenn die Folgeschä-
den weitaus kleiner als erwartet auselen. Zu warten, bis sich die Un-
sicherheit über die Folgeschäden reduziert hat, wäre in diesem Fall
kostensparend gewesen. Aus Sicht der Politik könnte es sich olglich
lohnen, klimapolitische Maßnahmen in die Zukunt zu verschieben,
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Anpassung an die globale Erwärmung
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
alls die Unsicherheit über die Folgeschäden durch weitere Forschung
nach und nach verringert werden könnte. Diese Strategie des Abwar-
tens könnte die Gesellschat aber im schlimmsten Fall teuer zu stehen
kommen.
Ein Ausweg aus diesem Dilemma stellt die Anpassungsstrategie
dar, die es zumindest teilweise gestattet, die Kosten sparende Option
zu ergreien, mit Gegenmaßnahmen zu warten, da man durch Anpas-
sungsmaßnahmen schwerwiegende Folgen auch noch in Zukunt ver-
ringern kann (Beirat BMF 2010:29). Diese Option spart deshalb Kosten,
weil sie der Politik erlaubt, heute au teure Vermeidungsmaßnahmen
zu verzichten, um im Eventualall hohe küntige Folgeschäden durchentsprechend umangreiche Anpassungsmaßnahmen zu bekämpen.
Viertens: Es besteht in der Wissenschat Einigkeit darüber, dass
die globale Erwärmung Verlierer, aber auch Gewinner hervorbringt
(Tol 2010). Anpassungsmaßnahmen werden indessen nur diejenigen
ergreien, die von der globalen Erwärmung negativ betroen sind.
Denjenigen Regionen, die von der globalen Erwärmung protieren,
bleiben bei einer Anpassungsstrategie die Vorteile erhalten. Im Ge-gensatz dazu werden durch Minderungsanstrengungen eventuell die
negativen, aber auch die positiven Auswirkungen einer globalen Er-
wärmung verringert.
Während es nichtsdestoweniger unklar ist, ob es am Ende nicht we-
sentlich teurer kommt, allein au Anpassungsmaßnahmen zu setzen,
als im Falle, dass ausschließlich Anstrengungen zur Emissionsminde-
rung ergrien werden, würde sich die reine Anpassungsstrategie letzt-
lich in zwei Fällen als überlegen erweisen: Falls es sich herausstellen
sollte, dass Treibhausgase und die anthropogene Beeinfussung ihrer
Konzentration in der Atmosphäre entgegen den jetzigen, nicht gesi-
cherten Erkenntnissen nur einen geringügigen Einfuss au die globa-
le Erwärmung haben und diese weitgehend durch nicht-anthropogene
Ursachen gesteuert wird, könnte es zum einen sein, dass es zu weit
geringeren Auswirkungen au das Klima kommt, als die heutigen Kli-
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mamodelle vorhersagen. In diesem Falle würden kaum oder gar keine
Anpassungsmaßnahmen erorderlich sein und die Kosten daür ent-
sprechend gering sein oder gar nicht anallen. Zum anderen könnten
die nicht-anthropogenen Ursachen zu ähnlichen oder gar noch gravie-
renderen Auswirkungen ühren als von den heutigen Klimamodellen
vorhergesagt wird. Dann sind Anpassungsmaßnahmen die adäquatere
Antwort, wohingegen Minderungsmaßnahmen in diesem Fall weitge-
hend nutzlos und im ersten Fall sogar überfüssig wären.
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Anpassung an die globale Erwärmung
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
8.
Zusammenassung undSchlussolgerung
Klimapolitik ist eindeutig eine ökonomische Angelegenheit: Böhrin-
ger et al. (2010) schätzen, dass die Klimapolitik der Kommission dieEU-Staaten im Jahr 2020 zwischen 1 und 4 % an Wohlahrt kosten
könnte. Eine gute Klimapolitik orientiert sich grundsätzlich am Prin-
zip des rationalen Mitteleinsatzes. Demnach sollte ein Ziel wie die
Vermeidung der negativen Folgen der globalen Erwärmung mit mög-
lichst geringen volkswirtschatlichen Kosten umgesetzt werden. In der
Regel wird diesem Prinzip am ehesten ein Mix an kostenezienten
Maßnahmen gerecht, der sich sowohl aus Anstrengungen zur Treib-hausgasminderung zusammensetzt, die bis zu einem gewissen Maße
durchgeührt werden, als auch aus Maßnahmen zur Anpassung an die
globale Erwärmung.
Übermäßige Anstrengungen zur Vermeidung von Treibhausga-
sen sollten sich hingegen als inezient erweisen, vor allem, wenn nur
ein Teil der bedeutendsten Staaten sich dazu verpfichtet (Nordhaus
2009:51): Kosten-Nutzen-Analysen von Maßnahmen zur Treibhaus-
gassenkung zeigen in der Tat, dass diese lediglich in einem begrenz-
ten Umang umgesetzt werden sollten (Tol 2010). So argumentiert
etwa Nordhaus (1993), dass die optimale Emissionsreduktionsrate
gegenüber einem Szenario ohne eine jegliche globale Klimapolitik
bei 10 – 15 % liegt. Demnach wäre die Klimapolitik der EU-Kommission
nicht optimal, da sie den Staaten der Europäischen Union bis zum Jahr
2020 eine Emissionsreduktion um 20 % gegenüber 1990 als Ziel ge-
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setzt hat. Falls andere bedeutende Industrieländer sich zu ähnlichen
substantiellen Anstrengungen verpfichten, würde die Kommission
das Reduktionsziel ür das Jahr 2020 sogar au 30 % erhöhen.
Eine solche Vorreiterrolle der Kommission bei Treibhausgasmin-
derungsmaßnahmen wäre indessen nicht nur inezient, sie wäre so-
gar kontraproduktiv: Erstens werden West- bzw. Osteuropa von zahl-
reichen Studien als die Gewinnerregionen der globalen Erwärmung
angesehen (Tol 2010:16). So schätzt Maddison (2003), dass sich als Fol-
ge das BIP Westeuropas um 2,5 % erhöhen könnte.
Zweitens können die hohen selbst gesetzten Emissionsminde-
rungsziele dazu ühren, dass andere Länder in ihren klimapolitischenAnstrengungen nachlassen, statt diese zu erhöhen. Denn: Je mehr die
Europäische Union bereit ist zu tun, desto attraktiver wird es ür die
übrigen Länder, selbst weniger zu vermeiden, da der Grenznutzen der
eigenen Anstrengungen mit den Bemühungen der EU sinkt. Eine kli-
mapolitische Vorreiterrolle der EU ührt deshalb tendenziell zu hohen
Kosten, ohne dass eine entscheidende Reduzierung des globalen Emis-
sionsniveaus sichergestellt werden kann.Drittens können die besonderen Anstrengungen der EU die
Chancen ür das Zustandekommen eines globalen Abkommens ver-
schlechtern, da die Verringerung des verbleibenden Vorteils aus ei-
nem globalen Klimaabkommen dessen Zustandekommen unwahr-
scheinlicher machen. Klimaabkommen müssen aber darau gerich-
tet sein, möglichst alle Länder mit einzuschließen. Teilabkommen
zwischen Ländern wie den EU-Mitgliedsstaaten ühren hingegen aus
denselben Gründen wie besondere Anstrengungen einer Staaten-
gruppe wie der EU zu einem Nachlassen der Anstrengungen der üb-
rigen Länder. Wenn wichtige Länder sich nicht beteiligen, kann es da-
her sinnvoll sein, au ein Abkommen zu verzichten, selbst wenn eine
Teilgruppe von Ländern sich einig sein sollte (Beirat BMF 2010:16), so
wie dies bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union weitgehend
der Fall ist.
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Zusammenassung und Schlussolgerung
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Die EU-Klimapolitik: Teuer und ineektiv
All diese Argumente sprechen gegen einen Alleingang der Europä-
ischen Union, aber keinesalls gegen Verhandlungen über ein eektives
weltweites Abkommen. Für ein globales Abkommen über Treibhaus-
gasrestriktionen stehen die Chancen allerdings denkbar schlecht. So
wird sich der weltweit größte Treibhausgasemittent China mit Sicher-
heit keinerlei Emissionsbeschränkung unterweren wollen, wenn diese
zulasten der wachsenden Prosperität dieses Landes gehen würde.
Zu Recht würde China stattdessen zuerst von denjenigen Ländern
ihren substantiellen Tribut verlangen, die in der Vergangenheit vor-
wiegend ür den Anstieg der Treibhausgaskonzentration maßgeblich
verantwortlich waren. Mit dem ebenso berechtigten Hinweis au diegeringe Eektivität verweigert der zweitgrößte Emittent, die USA, be-
reits heute einschneidende Vermeidungsmaßnahmen, alls Schwel-
lenländer wie China oder Indien sich nicht ebenalls zu Minderungsan-
strengungen verpfichten, die den küntigen Anstieg ihrer Emissionen
deutlich dämpen.
Einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma besteht in Politik-
alternativen zur Auerlegung von Emissionsrestriktionen (The Hart-well Paper 2010), bei denen die einzelnen Länder in erster Linie selbst
von den zu ergreienden Maßnahmen protieren und daher ein hohes
Eigeninteresse an deren Umsetzung haben. So dürte ein weltweites
Abkommen über eine sukzessive Erhöhung der Ausgaben ür die For-
schung und Entwicklung (F&E) von Energieumwandlungs- und -spei-
chertechnologien eine realistische Chance au ein Zustandekommen
haben. Damit könnte man zwar nicht unmittelbar, so doch innerhalb
einiger Jahrzehnte Treibhausgasminderungen erzielen − möglicherwei-
se in massiver Weise, wie das Beispiel der Fusionstechnologie zeigt.
Auch bei Anpassungsmaßnahmen an die globale Erwärmung, wie
dem Bau oder der Erhöhung von Deichen, protieren im Idealall in
erster Linie diejenigen davon, welche die Kosten daür zu tragen ha-
ben. Einer Strategie zur Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen
kommt eine besonders hohe Bedeutung zu, weil zum einen Anstren-
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gungen zur Emissionsminderung letztendlich wenig Aussicht au
Erolg haben dürten und diese Strategie zum anderen zumindest
teilweise gestattet, die Kosten sparende Option zu ergreien, mit Ver-
meidungsmaßnahmen zu warten und stattdessen au die F&E-Förder-
strategie zu setzen. Denn: Durch Anpassungsmaßnahmen kann man
die schwerwiegendsten Folgen auch noch in Zukunt verringern. Diese
Option spart deshalb Kosten, weil sie der Politik erlaubt, heute au teu-
re Vermeidungsmaßnahmen zu verzichten, um im Eventualall hohe
küntige Folgeschäden durch Anpassungsmaßnahmen zu bekämpen,
deren Umang sich vergleichsweise genau an den sich abzeichnenden
Folgen orientieren kann.In dasselbe Horn stößt Goklany (2009:35), der zeigt, dass eine o-
kussierte Anpassungsstrategie, bei der etwa Malaria direkt bekämpt
wird, anstatt mit Vermeidungsmaßnahmen den Klimawandel und so-
mit indirekt die damit verbundene Verbreitung von Malaria mildern
zu wollen, bei weitem einen größeren Nutzen haben würde als gar die
intensivste Vermeidungsstrategie − und dies zu weitaus geringeren
Kosten von lediglich einem Füntel der Belastungen, die durch die Um-setzung des ineektiven Kyoto--Protokolls zustande kommen (Goklany
2009:30). Während der Nutzen von Vermeidungsmaßnahmen wegen
der Unsicherheit der Wirkungen, die mit dem Klimawandel verbunden
sind, ebenalls höchst ungewiss ist und sich erst nach Jahrzehnten he-
rausstellen wird, gibt es keinen Zweiel, dass okussierte Anpassungs-
maßnahmen zur Bekämpung sehr drängender aktueller und schwer-
wiegender Probleme wie Malaria, Hungersnöte und Überschwemmun-
gen ganzer Küstenregionen in kürzester Zeit und mit großer Sicherheit
einen weitaus größeren Nutzen stiten (Goklany 2009:25), da diese
Geißeln der Menschheit derzeit ungleich höhere Schäden verursa-
chen als der häug in unzutreender Weise als höchst gravierend dar-
gestellte Klimawandel.
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Zusammenassung und Schlussolgerung
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Ross McKitrickManuel Frondel
Steffen HentrichHolger Krahmer
Die Autoren
Die Herausgeber
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Die Autoren und Herausgeber
Ross McKitrick
Ross McKitrick ist Proessor der Wirtschatswissenschaten (Umwelt-
ökonomie) an der University o Guelph in Ontario. Außerdem ist
er Senior Fellow des Fraser Institute in Vancouver, ein Mitglied des
Academic Advisory Boards des John Deutsch Institute in Kingston,
Ontario und der Global Warming Policy Foundation in London, Groß-
britannien.Seine Forschungsinteressen erstrecken sich au das Modellieren
des Verhältnisses zwischen wirtschatlichem Wachstum und Schad-
stoemissionen, das Design von Regulierungsmechanismen sowie
au verschiedene Aspekte der Wissenschat und der Politik der glo-
balen Erwärmung. Seine Forschungsergebnisse wurden in ühren-
den wissenschatlichen Zeitschriten veröentlicht, wie dem Journal
o Environmental Economics and Management, Energy Economics,Economic Modeling, dem Canadian Journal o Economics, Empirical
Economics, dem Energy Journal sowie Environmental and Resource
Economics. Seine physikalischen Forschungsergebnisse erschienen in
Zeitschriten wie dem Journal o Geophysical Research, den Geophysi-
cal Research Letters, den Atmospheric Science Letters, dem Journal o
Non-Equilibrium Thermodynamics and den Proceedings o the Natio-
nal Academy o Sciences.
Er ist Autor des Lehrbuchs „Economic Analysis o Environmental
Policy” (University o Toronto Press 2010) und veröentlichte 2002 zu-
sammen mit Christopher Essex von der University o Western Ontario
das Buch „Taken by Storm: The Troubled Science, Policy and Politics o
Global Warming” (2. überarbeitete Aufage 2008), ausgezeichnet mit
dem Donner Prize or the Best Book on Canadian Public Policy.
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Manuel Frondel
Pro. Dr. Manuel Frondel ist Diplom-Physiker und Diplom-Wirtschats-
ingenieur und ührt seit 2003 die Forschungsabteilung ür Umwelt
und Ressourcen des Rheinisch-Westälischen Instituts ür Wirtschats-
orschung (RWI). Seit 2009 ist er Proessor ür Energieökonomik und
angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum. Von 2001
bis 2003 war er wissenschatlicher Mitarbeiter am Zentrum ür Euro-päische Wirtschatsorschung (ZEW) in Mannheim und Proessor in
Teilzeit an der Hochschule Heilbronn. Er hat an der wirtschatswissen-
schatlichen Fakultät der Universität Heidelberg promoviert.
Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Umwelt-, Res-
sourcen- und Energieökonomik. Pro. Frondel hat in ührenden Zeit-
schriten, wie der Review o Economics and Statistics und den Econo-
mic Letters, Beiträge veröentlicht.
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Die Autoren und Herausgeber
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Die Autoren und Herausgeber
Steen Hentrich
Steen Hentrich ist Reerent am Liberalen Institut der Friedrich-
Naumann-Stitung ür die Freiheit in Potsdam. Nach seinem Studium
der Wirtschatswissenschaten an der Technischen Universität Berlin
war er Mitarbeiter am Institut ür Wirtschatsorschung in Halle und
arbeitete ür mehrere Jahre als wissenschatlicher Mitarbeiter beim
Sachverständigenrat ür Umweltragen. Er hat sich au Umwelt- undRessourcenragen spezialisiert.
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Holger Krahmer
Holger Krahmer wurde 1970 in Leipzig geboren. Nach der Schulzeit
und einer Berusausbildung zum Instandhaltungsmechaniker be-
gann er 1990 seine berufiche Laubahn als Bankkaumann bei der
Commerzbank AG. Seit 1993 ist er Mitglied der FDP und seit 2004 Vor-
stand der GANOS Kaee-Kontor & Rösterei AG in Leipzig.
Im Juni 2004 wurde er erstmals in das Europäische Parlament ge-wählt. Er ist Mitglied des Parlamentsausschusses ür Umwelt, Volksge-
sundheit und Lebensmittelsicherheit und stellvertretendes Mitglied
im Ausschuss ür Industrie, Forschung und Energie. Als Berichterstat-
ter des Parlaments bzw. der liberal-demokratischen Fraktion ALDE war
er ederührend an EU-Gesetzgebungen unter anderem zur Lutrein-
haltung, zur Minderung von CO2-Emissionen und der Arzneimittel-
zulassung beteiligt. So arbeitete er an den EU-Richtlinien ür Lutqua-lität, Industrieemissionen, an Lutschadstonormen ür Pkw, leichte
Nutzahrzeuge sowie schwere Lkw und Busse. Auch an der Richtlinie
zur Einbeziehung des Lutverkehrs in den CO2-Emissionshandel und
der Verordnung zur Vermeidung von Arzneimittelälschungen war er
ederührend beteiligt.
Im Jahr 2010 veröentlichte er die viel diskutierte Schrit „Unbe-
queme Wahrheiten über die Klimapolitik und ihre wissenschatlichen
Grundlagen“.
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Die Autoren und Herausgeber
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ISBN 978-3-00-036040-4 | Print
ISBN 978-3-00-036041-1 | eBook
Wissenschaftler, Medien und Politiker scheinen sich einig: Der
Klimawandel ist Realität und der Mensch ist schuld daran. Es
muss etwas geschehen – koste es, was es wolle. Doch der Scheintrügt: Noch steckt die Klimaforschung in den Kinderschuhen,
kämpft mit ungenauen Daten und einer Natur, die sich auch mit
den komplexesten Modellen nicht zufriedenstellend beschrei-
ben lässt. Zukunftsprognosen bleiben Kaffeesatzleserei.
Angesichts dieser Unsicherheiten zerbrechen sich die Experten
den Kopf, wie dem Problem Herr zu werden ist. Für die einen
steht das Klima und damit die Zukunft von Natur und Mensch-
heit auf dem Spiel, die anderen sehen in klimapolitischem Ak-
tionismus eine Gefahr für Wohlstand und Entwicklung. Folglich
wird auf dem Basar der internationalen Klimapolitik von der Be-
schleunigung des grünen Wachstumsmotors bis zum kräftigen
Tritt auf die Klimaschutzbremse alles feilgeboten. Kein Wunder,dass die Verhandlungen feststecken.
Nur ein Realitätscheck kann die Situation noch retten. Die Wirt-
schaftswissenschaftler Ross McKitrick und Manuel Frondel
decken unangenehme Wahrheiten auf und weisen einen Weg
aus der Sackgasse der Klimapolitik.