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Schachweltmeisterschaftsbandidateu-Tarnier 1953 in Mausen und Zürich Gpsfhirhflirlies Wir wissen nicht, wo und wann das Schachspiel er- funden teurde. In einer Dichtung des Inders Bana, die Ende des 17. Jahrhunderts entstand, wird dem König Sriharscha (618 650) von Kaniakubdscha eine außer- ordentliche Friedensliebe nachgerühmt- Unter seiner Regierung habe kein anderer Streit stattgefunden als der zwischen honigsammelnden Bienen, keine andern Füße habe man abgeschnitten als Versfüße und keine andern Heere (Tschaturanga) habe man unterhalten Gideon Stahlberg (Schweden) als auf dem Brett von 8X8 Feldern (Aschtapada). Auf Grund dieser vorläufig ältesten Schachstelle der Sanskritliteratur dürfen wir also annehmen, daß in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts das Tschatu. ranga-Spicl in Indien wohlbekannt war. Seine Erfin- dung einer erheblich früheren Zeit zuzuweisen, sind wir nach diesen Zeugnissen nicht berechtigt. Obwohl seither fast 13 Jahrhunderte vergangen sind, und sich das Schachspiel über Persien, Arabien, Spanien nach Europa und weiter über alle übrigen Kontinente verbreitete, gelang es erst 1851, das erste internationale Schachturnier zu organisieren. Es war der Londoner Schachklub unter der Leitung Howard Stauntons, der anläßlic h der Weltausstellung in der britischen Metropole die 16 bekanntesten Schach- meister der damaligen Zeit zum Wettstreit einlud. Zeitbeschränkung gab es hier allerdings noch nicht. Das Ticken der Kontrolluhren, heute so vertraut, war noch unbekannt. So ließ sich der Engländer Williams einmal zweieinhalb Stunden Zeit für einen einzigen Zug! Sein Gegner war unterdessen eingeschlafen und mußt e geweckt werden. Veberraschender Sieger wurde der Breslauer Gymnasialprofessor Adolf Anderssen. Er darf als der erste offizielle Schachweltmeister an- gesehen werden. Die Liste der bisherigen Titelinhaber : Adolph Anderssen (Deutschland), 1851 1862-1866. Pnul Morphy (Vereinigte Staaten), 1860 Wil- helm Steinitz (Oesterreich), 1866 Dr. Emanuel Lasker (Deutschland), 1894 J. Raoul Capa- blanca (Kuba) 1921 Dr. Alexander Aljechin (RußlandlFrankreich), 1927 1937 Dr. Max Euwe (Holland), 1935 Michael M-Bot- winnik (Rußland), 1948 Bis zum Tode Aljechins herrschte ein» gewisse Willkür im Kampfe um den höchsten Titel Der je- weilige Weltmeister wählte sich seinen Gegner mehr oder weniger nach Belieben aus; manchmal stellte er auch Forderungen, die kaum erfüllbar schienen. So konnte Aljechin erst nach jahrelangen Bemühungen südamerikanische Schachfreunde vor allem waren ihm hier behilflich den von Weltmeister Capablanca ge- forderten Preisfonds von 10000 Dollar aufbringen. Gegen Aljechin selber wurde dann der Vorwurf er- hoben, er habe es stets vermieden, gegen starke Gegner anzutreten. TatsSchlich spielte er nur zweimal gegen Bogoljubow und zweimal gegen Euwe, wobei ihm 1935 der junge Holländer einen Strich durch die Rech- nung machte, indem er ganz überraschend Wettkampf und Titel gewann. Dr. Euwe war der einzige Welt- meister, der die Titelfraga gerne dem Weltschach- bund überlassen hätte. Er hatte sich jedoch zum Rückwettkampf gegen Aljechin verpflichtet, den dieser 1937 geunnn. So blieb es weiterhin beim alten. Kcnregelang des Wettkampfmodas Am Winlerthurer Kongreß 1946 beschloß die Fidiration International d'Echecs (FIDE), die Meister Botwinnik, Dr. Euwe, Fine, Keres, Reshevsky und Smyslov in einem Turnier zu vereinigen; der Sieger sollte zum Weltmeister proklamiert werden. Erst 1948 konnte der Plan dann verwirklicht werden, leider ohne den Amerikaner Pine, der sich aus persönlichen Gründen zurückzog. Zehn Runden wurden im Haag, fünfzeh n in Moskau gespielt. Botwinnik wurde überlegener Sieger und damit neuer Weltmeister. Gleichzeitig wurden die Grundlagen für die neuen Weltmeisterschaftskämpfe ausgearbeitet. Nach ver- schiedenen Ausscheidungsturnieren, die innert zwei Jahren durchzuführen sind, werden die Kandidaten auserkoren, die im sogenannten Kandidalentumier ein letztes Kriterium zu bestehen haben. Der Sieger dieses Turniers erwirbt sich das Recht, mit Botwinnik einen Zweikampf auf 24 Partien um den Titel auszu- tragen. 1950 war Budapest der Schauplatz des ersten Kandidatenturniers. Die Russen Bronstein und Boles- lavsky wurden gemeinsame Sieger. Den Stichkampf gewann Bronstein. 1951 kam es zum ersten Titelkampf nach der Neuordnung durch die FIDE. Der Match Botwinnik Bronstein endete nach achtwöchigem dra- matischem Ringen der junge Herausforderer führte bis kurz vor Schluß 12:12 unentschieden. Regle- mentsgemäß blieb Botwinnik weiterhin Weltmeister. Das II. Kandidatentarnler in der Schweiz Im gleichen Jahre noch (1951) begannen die neuen Ausscheidungsturniere für den Wcltmeisterschafts- kämpf 1954. So vertrat zum Beispiel Henry Grob die Schweiz im Zonenturnier A in Bad Pyrmont (Deutsch- land). Das Zonenturnier B wurde in Marienbad (Tschechoslowakei) durchgeführt. Weitere Zonentur- niere fanden in Nord- und Südamerika und Australien Miguel Najdorf (Argentinien) statt Die sowjetrussische Meisterschaft 1951 galt gleichzeitig als Zonenturnier dieses Landes. So hatten sich 22 Teilnehmer für das Interzonen. turnier in Stockholm 1952 qualifiziert. Hier gal' es, einen der begehrten ersten fünf Ränge zu belegen; denn diese berechtigten zur Teilnahme am Kandi- datenturnier. In aller Stille hegte ein Schachfreund, Dr. Charles Perret (Bern), den Plan, das Kandidatenturnier in der Schweiz zur Durchführung kommen zu lassen. Es ge- lang ihm, dem Schweizerischen Schachverein einen großen Betrag zur Verfügung zu stellen; am Stock- Führende russische Schachmeister, von denen die meisten in die Schweiz kommen werden, sei es als Teil- nehmer am Weltmcistcrschaftskandidaten-Turaier, «ei es als Delegierte des FIDE-Kongresses in Schaff- hausen. Stehend von links nach recht«: Bondare vsky, Keres, Bronstein, Weltmeister Botwinnik, Rugo- sin, Kotov; sitzend von links nach rechts: Smyslov, Altmeister Löwenfisch, Flohr, LilieuthaL holmer FIDE-Kongreß 1952 bewarb sich die Schweiz mit Erfolg um die Uebcrnahme des Turniers der Kandidaten, obwohl auch Rußland und die Vereinig- ten Staaten mitkonkurrierten. Die teclmische Durchfuhrung wurde der Zürcher Schachgesellschaft übertragen, dem ältesten Schach- klub Europas. Der gegenwärtige Präsident, Alois Nagler, zeichnet als verantwortlicher Turnierleiter. Die Gemeinde Neuhausen hat die Kosten der ersten acht Runden von insgesamt 26 des Turniers übernommen. Am 29. August erfolgt die Eröffnungs- zeremonie, am 30. August, um 17 Uhr, beginnt der Kampf auf den 64 Feldern. Am 13. September reisen die Teilnehmer nach Zürich. Im Kongreßhaus gehen die Punklekämpfe' weiter und dauern bis zum 17. Oktober. Die Teilnehmer Vierzehn Großmeister bestreiten das doppelrun- dige Turnier, das als das am stärksten besetzte aller Zeiten gelten darf. Seit Monaten bereiten sie. sich auf diese Prüfung vor, indem sie Partien ihrer Gegner studieren, um sich mit dem Eröffnungsreperloire und Stil der Mitkonkurrenten vertraut zu machen. Der eine oder andere bereitet gewisse Neuerungen vor, mit denen er seine Widersacher überraschen möchte. Und nicht zuletzt hat sich ein jeder auch in physischer Hinsicht vorbereitet; denn das Turnier ist lang und schwer, und es heißt, die Spannkraft bis zum letzten Tag zu erhalten. Wir stellen die .Spieler unsern Lesern in alpha- betischer Reihenfolge vor: Yori Averbach (Rußland): Der 1923 in Moskau geborene Arztsohn erlernte das Schachspiel schon in jungen Jahren. 1939 spielte er erstmals an einem Meisterturnier mit. 1948 gelang es ihm, in die Final- runde der russischen Meisterschaft zu gelangen. Das Stockholmer Turnier brachte ihm mit der Qualijika. tion für das Kandidatenturnier zugleich seinen bis- herigen größten Turniererfolg. Er absolvierte in Moskau die Technische Hochschule und leitet heute selbständige wissenschaftliche Forschungsarbeiten. Isaac Boleslavsky (Rußland): Der 1919 geborene Ukrainer gewann bereits 1933 ein Schülerturnier in Dnjepropetrotisk, um ' 1939 de n Meistertitel zu erobern. 1945 wurde er zum Großmeister ernannt- Sein größter Erfolg war der geteilte Uli. Rang im Kandidatenturnier 1950 in Budapest. Boleslavskys Spiel hat einen künstlerischen Einschlug; 1 1rinas be- herrscht er die königsindische Verteidigung. David Bronstein (Rußland): Am 19. Februar 1925 in Belaya Tserkow geboren, erlernte er das Schach- spiel im Alter von 13 Jahren. Unte r Leitung seines Lehrers Konstantinopolsky entwickelte er sich zu einem Meister erster Klasse. Sein erstes Turnier im Ausland Interzonenturnier Stockholm 1948 ge- wann er überzeugend, ohne eine Niederlage zu erlei- den! Er geivann das Kandidatenturnier in Budapest und schlug den punktgleichen Bolcslarsky'im Zwei- kämpf 7Vi:6Vi. Den W'ettkampj mit Botwinnik konnte er nur unentschieden halten, obuohl man noch zwei Runden vor Schluß an seinen Sieg geglaubt hatte. Dr. Max Eutce (Holland) : Geboren in Amsterdam am 20. Mai 1901, ist er mit seinen 52 Jahren weitau s der älteste Teilnehmer. Er hat an unzähligen Turnie- ren mitgespielt, achtzehnmal die holländische Meister- schaft errungen. Sein größter Erfolg: Der Sieg im Wettkampf um den Wcltmeistertitel gegen Aljechin im Jahre 1935. Der SteinitxSchüler ist einer der frucht- barsten Schachschriftsteller, der durch seine Eröff- nungs- und Endspielbücher das Spielniveau der All- gemeinheit zu heben half. Emfim Geller (Rußland): Der 28jährige Groß, meister aus Odessa ist eine der auffallendsten Erschei- nungen an de n großen Turnieren der letzten Jahre. So- wohl an de n Meisterschaften seines Landes wie auch in Budapest und Stockholm erspielte er sich einen der ersten Plätze. Er pflegt einen aggressiven Stil, zeigt jedoch Schwächen im Endspiel. Als Ausgleichssport zum Schachspiel übt er sich in der Leichtathletik. Svetozar Gligoric (Jugoslawien) : 1923 in Belgrad geboren, Journalist. Mit 23 Jahren geteann er ein gut besetztes Turnier in Ljubljana vor Vidmar und Pack- man. 1949 und 1950 wurde er Landesmeister. 1947 wurde er in Warschau Sieger vor den russischen Großmeistern Smyslov und Boleslavsky. Weitere Siege in Bad Pyrmont 1951, Staunton-Gedenkturnier 1951, Mar del Plata-1950 und 1953. Während des Zweiten Weltkrieges diente er in der Partisanenarmee. Paul Keres (Rußland): In Narwa (Estland) am 7. Januar 1916 geboren, erlernte er in jungen Jahren schon das Schachspiel. In den Fernturnieren der Deutschen Schachzeitung holte er sich das theoretische Rüstzeug, das zur Meisterschaft notwendig ist. Mit 22 Jahren geivann er bereits das stark besetzte AVRO- Turnier in Holland. Seither hat er viele Erfolge er- rungen; rrifiilint sei die dreimalige Erringung der sowjetrussischen Meislerschaft und der Sieg im Maroczy-Gedenkturnier in Budapest 1952. Er ist ver- heiratet und Vater zweier Kinder. Tennis ist sein Lieb- lingssport. Alexander Kotov (Rußland) : Der am 12. August 1913 in Tula geborene Ingenieur erlernte das Schach- spiel mit 15 Jahren- 1939 gelangte er in den Final der Sowjclmeisterschaft und belegte de n hervorragen- den zweiten Rang. Seine größten Erfolge: der erste Rang in Venedig 1950 und der überlegene Sieg im Interzonalturnier Stockholm 1952. Kotov ist verheira- tet und Vater eines Sohnes. Er spricht ausgezeichnet Englisch und ziemlich gut Deutsch. Miguel Nnjdorf ( Argentinien) : Der temperament- volle Südamerikaner polnischen Ursprungs (geboren am 10. April 1910 in Warschau) hat eine großartige Schachlaufbahn hinter sich. Er hat gegen vierzig Tur- niere aller Art gewonnen, in letzter Zeit unter ande- rem die großen Turniere von Amsterdam 1950 und Haiana 1952. Er ist auch einer der genialsten Blind- spieler, die es je gegeben hat. Es macht ihm nichts aus, nebe n einer Partie Bridge noch ein halbes Dutzend Blindpartien zu spielen. Er ist verheiratet, Geschäfts- mann und lebt in Buenos Aires. Tigram Petrosjan (Rußland): Der jüngste Teil- nehmer erblickte das Licht der Weh im Jahre 1929 in Jereva (Armenien) . 1946 gewann er die Allrussische Jugendmeisterschaft mit 14 Punkten aus 15 Partien. 1947 erhielt er den Meistertitel, da er in der Moskauer Ausscheidungsgruppe zur XV. Sowjetmeisterschaft mit 8Mi Punkten sich im fünften Rang klassieren konnte. Dr. Max Euwe (Holland) vor zehn anerkannten Meistern. Er machte schnelle Fortschritte und hat in den letzten drei Jahren große Erfolge erzielt: 1951 2J3. Preis in der Sowjetmeister- schaff, 1952 2.13. Preis im Interzonalturnier in Stock- holm, 1953 2. Preis in Bukarest. Vassili Smyslov (Rußland): Am 24. März 1921 ge. boren, erlernte er das Schachspiel in seinem sechsten Lebensjahr. 1938 teilte er in der Moskauer Meister- schaft de n 1.12. Rang, während er 1942 und 1944 diese jeueils stark besetzte Meislerschaft gewann. In den Allrussischen Meisterschaften wartete der Steinitz- Jünger stets mit guten Resultaten auf; 1949 teilte er mit Bronstein den ersten Rang. Smyslov ist noch un- verheiratet. Studierte am Institut für fremde Sprachen in Moskau. Er ist ein guter Schwimmer und Skifahrer. Laszlo Szabo (Ungarn): Der ungarische Vor- kämpler ivurde geboren am 19. März 1917 in Budapest. Mit 19 Jahren spielte er bereits in der ungarischen Mannschaft an der Olympiade in München und er- zielte das beste Resultat am 4.15. Brett- Fünf Jahre Kriegsgefangenschaft habe n seine Schachlaufbahn be- einträchtigt; doch betvies er in Groningen 1946, daß er zur Elite der Schachmeister gehört. Er spielt scharf, Isaac Bolcslavsky (Bußland) aggressiv, nichts ist ihm mehr zuwider als öde Remis- partien. Szabo, der heute als Redaktor verschiedener Schachzeitungen und -spalten zeichnet, ist unverhei- ratet. Gideon Stahlberg (Schweden): 1908 in Göteborg geboren. Ein internationales Meisterturnier in seiner Heimatstadt ließ ihn 1920 mit dem Schach in Beruh- rung kommen. Rasch erklomm er die verschiedenen Stärkeklassen, und mit 18 Jahren erwarb er sich den Meistertitel. Ein Jahr später gewann er bereits die schwedisch e Meisterschaft, wobei er de n Titel un- unterbrochen bis 1939 in seinen Händen behalten konnte. Außerdem siegte er in vielen internationalen Turnieren. Nachdem er vorerst Literaturgeschichte studiert hatte, wandte er sich später dem Journalismus zu, wobei nebe n anderen Sportarten Schach sein hauptsächliches Arbeitsgebiet tst- Marc Tajmanov (Rußland): Der junge Lenin- grader Pianist und Großmeister hat seine schachliche Ausbitiiung von keinem Geringeren als Michael Bot- winnik erhalten. Die Resultate der letzten Jahre 1951: Tschigorin-Gedenkturnier 2.13. Preis; 1952: In. tcrzonalturnivr Stockholm 2.13. Preis, Soujetmeister. schuft L/2. Preis geteilt mit Botwinnik, dem er im Slichkampf knapp 3Vi :2Vi unterliegt beweisen, daß Tajmanov eine große Zukunft vor sich hat. Alex Crisovan Neue Zürcher Zeitung vom 22.08.1953

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Page 1: Schachweltmeisterschaftsbandidateu-Tarnier 1953 in …1953_1.18365278.pdf · Smyslov in einem Turnier zu vereinigen; der Sieger sollte zum Weltmeister proklamiert werden. Erst 1948

Schachweltmeisterschaftsbandidateu-Tarnier 1953 in Mausen und Zürich

Gpsfhirhflirlies

Wir wissen nicht, wo und wann das Schachspiel er-funden teurde. In einer Dichtung des Inders Bana, dieEnde des 17. Jahrhunderts entstand, wird dem König

Sriharscha (618 650) von Kaniakubdscha eine außer-ordentliche Friedensliebe nachgerühmt- Unter seinerRegierung habe kein anderer Streit stattgefunden alsder zwischen honigsammelnden Bienen, keine andernFüße habe man abgeschnitten als Versfüße und keineandern Heere (Tschaturanga) habe man unterhalten

Gideon Stahlberg (Schweden)

als auf dem Brett von 8X8 Feldern (Aschtapada).

Auf Grund dieser vorläufig ältesten Schachstelle derSanskritliteratur dürfen wir also annehmen, daß inder zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts das Tschatu.ranga-Spicl in Indien wohlbekannt war. Seine Erfin-dung einer erheblich früheren Zeit zuzuweisen, sindwir nach diesen Zeugnissen nicht berechtigt.

Obwohl seither fast 13 Jahrhunderte vergangensind, und sich das Schachspiel über Persien, Arabien,Spanien nach Europa und weiter über alle übrigen

Kontinente verbreitete, gelang es erst 1851, das ersteinternationale Schachturnier zu organisieren. Es warder Londoner Schachklub unter der Leitung HowardStauntons, der anläßlich der Weltausstellung in derbritischen Metropole die 16 bekanntesten Schach-meister der damaligen Zeit zum Wettstreit einlud.Zeitbeschränkung gab es hier allerdings noch nicht.Das Ticken der Kontrolluhren, heute so vertraut, warnoch unbekannt. So ließ sich der Engländer Williamseinmal zweieinhalb Stunden Zeit für einen einzigenZug! Sein Gegner war unterdessen eingeschlafen undm u ß te geweckt werden. Veberraschender Sieger wurdeder Breslauer Gymnasialprofessor Adolf Anderssen.Er darf als der erste offizielle Schachweltmeister an-gesehen werden.

Die Liste der bisherigen Titelinhaber: Adolph

Anderssen (Deutschland), 1851 1862-1866.Pnul Morphy (Vereinigte Staaten), 1860 Wil-helm Steinitz (Oesterreich), 1866 Dr. EmanuelLasker (Deutschland), 1894 J. Raoul Capa-

blanca (Kuba) 1921 Dr. Alexander Aljechin(RußlandlFrankreich), 1927 1937 Dr.Max Euwe (Holland), 1935 Michael M-Bot-winnik (Rußland), 1948

Bis zum Tode Aljechins herrschte ein» gewisse

Willkür im Kampfe um den höchsten Titel Der je-weilige Weltmeister wählte sich seinen Gegner mehroder weniger nach Belieben aus; manchmal stellte erauch Forderungen, die kaum erfüllbar schienen. Sokonnte Aljechin erst nach jahrelangen Bemühungen

südamerikanische Schachfreunde vor allem waren ihmhier behilflich den von Weltmeister Capablanca ge-

forderten Preisfonds von 10000 Dollar aufbringen.Gegen Aljechin selber wurde dann der Vorwurf er-hoben, er habe es stets vermieden, gegen starke Gegner

anzutreten. TatsSchlich spielte er nur zweimal gegenBogoljubow und zweimal gegen Euwe, wobei ihm1935 der junge Holländer einen Strich durch die Rech-nung machte, indem er ganz überraschend Wettkampf

und Titel gewann. Dr. Euwe war der einzige Welt-meister, der die Titelfraga gerne dem Weltschach-

bund überlassen hätte. Er hatte sich jedoch zumRückwettkampf gegen Aljechin verpflichtet, dendieser 1937 geunnn. So blieb es weiterhin beim alten.

Kcnregelang des Wettkampfmodas

Am Winlerthurer Kongreß 1946 beschloß dieFidiration International d'Echecs (FIDE), die MeisterBotwinnik, Dr. Euwe, Fine, Keres, Reshevsky undSmyslov in einem Turnier zu vereinigen; der Sieger

sollte zum Weltmeister proklamiert werden. Erst 1948

konnte der Plan dann verwirklicht werden, leiderohne den Amerikaner Pine, der sich aus persönlichen

Gründen zurückzog. Zehn Runden wurden im Haag,

fünfzehn in Moskau gespielt. Botwinnik wurdeüberlegener Sieger und damit neuer Weltmeister.Gleichzeitig wurden die Grundlagen für die neuenWeltmeisterschaftskämpfe ausgearbeitet. Nach ver-schiedenen Ausscheidungsturnieren, die innert zweiJahren durchzuführen sind, werden die Kandidatenauserkoren, die im sogenannten Kandidalentumierein letztes Kriterium zu bestehen haben. Der Sieger

dieses Turniers erwirbt sich das Recht, mit Botwinnikeinen Zweikampf auf 24 Partien um den Titel auszu-tragen. 1950 war Budapest der Schauplatz des erstenKandidatenturniers. Die Russen Bronstein und Boles-lavsky wurden gemeinsame Sieger. Den Stichkampfgewann Bronstein. 1951 kam es zum ersten Titelkampf

nach der Neuordnung durch die FIDE. Der MatchBotwinnik Bronstein endete nach achtwöchigem dra-matischem Ringen der junge Herausforderer führtebis kurz vor Schluß 12:12 unentschieden. Regle-mentsgemäß blieb Botwinnik weiterhin Weltmeister.

Das II. Kandidatentarnler in der Schweiz

Im gleichen Jahre noch (1951) begannen die neuenAusscheidungsturniere für den Wcltmeisterschafts-kämpf 1954. So vertrat zum Beispiel Henry Grob dieSchweiz im Zonenturnier A in Bad Pyrmont (Deutsch-land). Das Zonenturnier B wurde in Marienbad(Tschechoslowakei) durchgeführt. Weitere Zonentur-niere fanden in Nord- und Südamerika und Australien

Miguel Najdorf (Argentinien)

statt Die sowjetrussische Meisterschaft 1951 galtgleichzeitig als Zonenturnier dieses Landes.

So hatten sich 22 Teilnehmer für das Interzonen.turnier in Stockholm 1952 qualifiziert. Hier gal' es,

einen der begehrten ersten fünf Ränge zu belegen;

denn diese berechtigten zur Teilnahme am Kandi-datenturnier.

In aller Stille hegte ein Schachfreund, Dr. CharlesPerret (Bern), den Plan, das Kandidatenturnier in derSchweiz zur Durchführung kommen zu lassen. Es ge-lang ihm, dem Schweizerischen Schachverein einengroßen Betrag zur Verfügung zu stellen; am Stock-

Führende russische Schachmeister, von denen die meisten in die Schweiz kommen werden, sei es als Teil-nehmer am Weltmcistcrschaftskandidaten-Turaier, «ei es als Delegierte des FIDE-Kongresses in Schaff-hausen. Stehend von links nach recht«: Bondarevsky, Keres, Bronstein, Weltmeister Botwinnik, Rugo-

sin, Kotov; sitzend von links nach rechts: Smyslov, Altmeister Löwenfisch, Flohr, LilieuthaL

holmer FIDE-Kongreß 1952 bewarb sich die Schweizmit Erfolg um die Uebcrnahme des Turniers derKandidaten, obwohl auch Rußland und die Vereinig-

ten Staaten mitkonkurrierten.

Die teclmische Durchfuhrung wurde der ZürcherSchachgesellschaft übertragen, dem ältesten Schach-klub Europas. Der gegenwärtige Präsident, AloisNagler, zeichnet als verantwortlicher Turnierleiter.

Die Gemeinde Neuhausen hat die Kosten derersten acht Runden von insgesamt 26 des Turniersübernommen. Am 29. August erfolgt die Eröffnungs-

zeremonie, am 30. August, um 17 Uhr, beginnt derKampf auf den 64 Feldern. Am 13. September reisendie Teilnehmer nach Zürich. Im Kongreßhaus gehen

die Punklekämpfe' weiter und dauern bis zum17. Oktober.

Die Teilnehmer

Vierzehn Großmeister bestreiten das doppelrun-dige Turnier, das als das am stärksten besetzte allerZeiten gelten darf. Seit Monaten bereiten sie. sich aufdiese Prüfung vor, indem sie Partien ihrer Gegner

studieren, um sich mit dem Eröffnungsreperloire undStil der Mitkonkurrenten vertraut zu machen. Dereine oder andere bereitet gewisse Neuerungen vor,mit denen er seine Widersacher überraschen möchte.Und nicht zuletzt hat sich ein jeder auch in physischer

Hinsicht vorbereitet; denn das Turnier ist lang undschwer, und es heißt, die Spannkraft bis zum letztenTag zu erhalten.

Wir stellen die .Spieler unsern Lesern in alpha-

betischer Reihenfolge vor:

Yori Averbach (Rußland): Der 1923 in Moskaugeborene Arztsohn erlernte das Schachspiel schon injungen Jahren. 1939 spielte er erstmals an einemMeisterturnier mit. 1948 gelang es ihm, in die Final-runde der russischen Meisterschaft zu gelangen. DasStockholmer Turnier brachte ihm mit der Qualijika.

tion für das Kandidatenturnier zugleich seinen bis-herigen größten Turniererfolg. Er absolvierte inMoskau die Technische Hochschule und leitet heuteselbständige wissenschaftliche Forschungsarbeiten.

Isaac Boleslavsky (Rußland): Der 1919 geborene

Ukrainer gewann bereits 1933 ein Schülerturnier inDnjepropetrotisk, um ' 1939 d en Meistertitel zuerobern. 1945 wurde er zum Großmeister ernannt-Sein größter Erfolg war der geteilte Uli. Rang imKandidatenturnier 1950 in Budapest. BoleslavskysSpiel hat einen künstlerischen Einschlug;

1 1rinas be-

herrscht er die königsindische Verteidigung.

David Bronstein (Rußland): Am 19. Februar 1925

in Belaya Tserkow geboren, erlernte er das Schach-spiel im Alter von 13 Jahren. Unter Leitung seinesLehrers Konstantinopolsky entwickelte er sich zueinem Meister erster Klasse. Sein erstes Turnier imAusland Interzonenturnier Stockholm 1948 ge-

wann er überzeugend, ohne eine Niederlage zu erlei-den! Er geivann das Kandidatenturnier in Budapest

und schlug den punktgleichen Bolcslarsky'im Zwei-kämpf 7Vi:6Vi. Den W'ettkampj mit Botwinnikkonnte er nur unentschieden halten, obuohl man nochzwei Runden vor Schluß an seinen Sieg geglaubt hatte.

Dr. Max Eutce (Holland) : Geboren in Amsterdamam 20. Mai 1901, ist er mit seinen 52 Jahren weitausder älteste Teilnehmer. Er hat an unzähligen Turnie-ren mitgespielt, achtzehnmal die holländische Meister-schaft errungen. Sein größter Erfolg: Der Sieg imWettkampf um den Wcltmeistertitel gegen Aljechin imJahre 1935. Der SteinitxSchüler ist einer der frucht-barsten Schachschriftsteller, der durch seine Eröff-nungs- und Endspielbücher das Spielniveau der All-gemeinheit zu heben half.

Emfim Geller (Rußland): Der 28jährige Groß,

meister aus Odessa ist eine der auffallendsten Erschei-nungen an d en großen Turnieren der letzten Jahre. So-

wohl an d en Meisterschaften seines Landes wie auchin Budapest und Stockholm erspielte er sich einen derersten Plätze. Er pflegt einen aggressiven Stil, zeigtjedoch Schwächen im Endspiel. Als Ausgleichssport

zum Schachspiel übt er sich in der Leichtathletik.

Svetozar Gligoric (Jugoslawien) : 1923 in Belgradgeboren, Journalist. Mit 23 Jahren geteann er ein gut

besetztes Turnier in Ljubljana vor Vidmar und Pack-man. 1949 und 1950 wurde er Landesmeister. 1947

wurde er in Warschau Sieger vor den russischenGroßmeistern Smyslov und Boleslavsky. Weitere Siege

in Bad Pyrmont 1951, Staunton-Gedenkturnier 1951,

Mar del Plata-1950 und 1953. Während des ZweitenWeltkrieges diente er in der Partisanenarmee.

Paul Keres (Rußland): In Narwa (Estland) am7. Januar 1916 geboren, erlernte er in jungen Jahrenschon das Schachspiel. In den Fernturnieren derDeutschen Schachzeitung holte er sich das theoretischeRüstzeug, das zur Meisterschaft notwendig ist. Mit22 Jahren geivann er bereits das stark besetzte AVRO-Turnier in Holland. Seither hat er viele Erfolge er-rungen; rrifiilint sei die dreimalige Erringung dersowjetrussischen Meislerschaft und der Sieg imMaroczy-Gedenkturnier in Budapest 1952. Er ist ver-heiratet und Vater zweier Kinder. Tennis ist sein Lieb-lingssport.

Alexander Kotov (Rußland): Der am 12. August

1913 in Tula geborene Ingenieur erlernte das Schach-spiel mit 15 Jahren- 1939 gelangte er in den Finalder Sowjclmeisterschaft und belegte d en hervorragen-

den zweiten Rang. Seine größten Erfolge: der ersteRang in Venedig 1950 und der überlegene Sieg imInterzonalturnier Stockholm 1952. Kotov ist verheira-tet und Vater eines Sohnes. Er spricht ausgezeichnetEnglisch und ziemlich gut Deutsch.

Miguel Nnjdorf (Argentinien) : Der temperament-

volle Südamerikaner polnischen Ursprungs (geboren

am 10. April 1910 in Warschau) hat eine großartige

Schachlaufbahn hinter sich. Er hat gegen vierzig Tur-niere aller Art gewonnen, in letzter Zeit unter ande-rem die großen Turniere von Amsterdam 1950 undHaiana 1952. Er ist auch einer der genialsten Blind-

spieler, die es je gegeben hat. Es macht ihm nichts aus,

n e b en einer Partie Bridge noch ein halbes DutzendBlindpartien zu spielen. Er ist verheiratet, Geschäfts-mann und lebt in Buenos Aires.

Tigram Petrosjan (Rußland): Der jüngste Teil-nehmer erblickte das Licht der Weh im Jahre 1929 inJereva (Armenien). 1946 gewann er die AllrussischeJugendmeisterschaft mit 14 Punkten aus 15 Partien.1947 erhielt er den Meistertitel, da er in der MoskauerAusscheidungsgruppe zur XV. Sowjetmeisterschaft mit8Mi Punkten sich im fünften Rang klassieren konnte.

Dr. Max Euwe (Holland)

vor zehn anerkannten Meistern. Er machte schnelleFortschritte und hat in den letzten drei Jahren großeErfolge erzielt: 1951 2J3. Preis in der Sowjetmeister-schaff, 1952 2.13. Preis im Interzonalturnier in Stock-holm, 1953 2. Preis in Bukarest.

Vassili Smyslov (Rußland): Am 24. März 1921 ge.boren, erlernte er das Schachspiel in seinem sechstenLebensjahr. 1938 teilte er in der Moskauer Meister-schaft d en 1.12. Rang, während er 1942 und 1944 diesejeueils stark besetzte Meislerschaft gewann. In denAllrussischen Meisterschaften wartete der Steinitz-Jünger stets mit guten Resultaten auf; 1949 teilte ermit Bronstein den ersten Rang. Smyslov ist noch un-verheiratet. Studierte am Institut für fremde Sprachen

in Moskau. Er ist ein guter Schwimmer und Skifahrer.Laszlo Szabo (Ungarn): Der ungarische Vor-

kämpler ivurde geboren am 19. März 1917 in Budapest.

Mit 19 Jahren spielte er bereits in der ungarischen

Mannschaft an der Olympiade in München und er-zielte das beste Resultat am 4.15. Brett- Fünf JahreKriegsgefangenschaft h a b en seine Schachlaufbahn be-einträchtigt; doch betvies er in Groningen 1946, daß erzur Elite der Schachmeister gehört. Er spielt scharf,

Isaac Bolcslavsky (Bußland)

aggressiv, nichts ist ihm mehr zuwider als öde Remis-partien. Szabo, der heute als Redaktor verschiedenerSchachzeitungen und -spalten zeichnet, ist unverhei-ratet.

Gideon Stahlberg (Schweden): 1908 in Göteborggeboren. Ein internationales Meisterturnier in seinerHeimatstadt ließ ihn 1920 mit dem Schach in Beruh-rung kommen. Rasch erklomm er die verschiedenenStärkeklassen, und mit 18 Jahren erwarb er sich denMeistertitel. Ein Jahr später gewann er bereits dieschwedische Meisterschaft, wobei er d en Titel un-unterbrochen bis 1939 in seinen Händen behaltenkonnte. Außerdem siegte er in vielen internationalenTurnieren. Nachdem er vorerst Literaturgeschichte

studiert hatte, wandte er sich später dem Journalismuszu, wobei n e b en anderen Sportarten Schach seinhauptsächliches Arbeitsgebiet tst-

Marc Tajmanov (Rußland): Der junge Lenin-grader Pianist und Großmeister hat seine schachlicheAusbitiiung von keinem Geringeren als Michael Bot-winnik erhalten. Die Resultate der letzten Jahre1951: Tschigorin-Gedenkturnier

2.13. Preis; 1952: In.tcrzonalturnivr Stockholm 2.13. Preis, Soujetmeister.

schuft L/2. Preis geteilt mit Botwinnik, dem er imSlichkampf knapp 3Vi :2Vi unterliegt beweisen, daßTajmanov eine große Zukunft vor sich hat.

Alex Crisovan

Neue Zürcher Zeitung vom 22.08.1953