schmerz 2011 bulletin forum - change pain® - die ... · rolle spielen.3 in seinem vortrag wies...
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schmerzforum2011 bulletin
Arzneimittelwechselwirkungen sind eine häufige
Ursache für unerwünschte Arzneimittelwirkungen
(UAWs). So sind circa fünf Prozent aller Kranken-
hauseinweisungen auf eine UAW zurückzufüh-
ren.1 Dies war auch Gegenstand des Vortrages
von Prof. Dr. med. Walter E. Haefeli von der Abtei-
lung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepi-
demiologie an der Universitätsklinik Heidelberg. Er
erläuterte, dass gerade in der Schmerztherapie,
bei der häufig Substanzen mit einer engen the-
rapeutischen Breite eingesetzt werden, die Be-
handler sehr oft mit Arzneimittelinteraktionen kon-
frontiert sind. Vor allem die Polypharmazie ist laut
Haefeli mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten
einer UAW assoziiert. Da es sich bei Schmerzpati-
enten in vielen Fällen um ältere Patienten mit mul-
tiplen Begleiterkrankungen handle, sei es wichtig,
Arzneimittelwechselwirkungen in der Schmerzthe-
rapie besonders zu beachten und gegebenenfalls
die Dosierung von Analgetika anzupassen. Hierzu
sei jedoch eine genaue Kenntnis der wichtigsten
Prinzipien von pharmakokinetischen und phar-
makodynamischen Arzneimittelinteraktionen von
großer Bedeutung.
Arzneimittelinteraktionen – pharmako
kinetische Arzneimittelinteraktionen
sind häufig, Konzentrationsänderung
beeinflusst die Wirkung
Die Wirkung eines Arzneimittels ist von verschie-
denen Prozessen abhängig und weist eine hohe
interindividuelle Variabilität auf. Neben der korrek-
ten Einnahme (Verabreichungsprozess) und der
Freisetzung aus der Galenik (pharmazeutischer
Prozess) tragen insbesondere die Verteilung zum
Wirkungsort und die Elimination aus dem Körper
(pharmakokinetischer Prozess) sowie die Wirkun-
gen am Wirkort (pharmakodynamischer Prozess)
zum therapeutischen Resultat (therapeutischer
Prozess) bei.2 Für eine UAW sind häufig pharma-
kokinetische Wechselwirkungen, bei denen es zu
Änderungen der Konzentrations-Zeit-Profile der
gleichzeitig verabreichten Arzneimittel kommt,
verantwortlich. In Folge davon wird die Wirkung
einer Substanz beeinflusst. Davon unterschieden
Wechselwirkungen in der Schmerztherapie mit OpioidenWechselwirkungen seien in der Schmerztherapie aufgrund der engen therapeutischen Breite
vieler Substanzen und dem hohen Anteil an älteren Patienten mit multiplen Begleiterkrankung
en eine häufige Herausforderung für den Behandler, erläuterte Prof. Dr. med. Walter E. Haefeli
von der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie in Heidelberg. Um
Wechselwirkungen zu vermeiden, sei es deshalb wichtig, die Stoffwechselwege der Opioide
genau zu kennen und die Arzneimitteldosierungen in der Verordnungspraxis der Schmerzthe
rapie dementsprechend gegebenenfalls anzupassen. Besonders abhängig ist die Sicherheit
und Wirksamkeit vieler Schmerzmittel dabei von einer Komedikation, die zu ihrer Akkumu
lation oder ihrer beschleunigten Elimination führen kann. Insbesondere Analgetika, die über
CytochromP450Stoffwechselwege in der Leber metabolisiert werden, weisen im Allgemei
nen ein größeres Interaktionspotenzial auf als Substanzen, die über die Uridin5Diphospho
GlucuronosylTransferase (UGT) zu ihren Glucuroniden abgebaut werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,die Therapie chronischer Schmerzen stellt uns in der täglichen Praxis immer wieder vor neue Herausforderungen. Denn Schmerz ist ein komplexer Bewusstseinsinhalt, an dessen Entstehung und Verarbeitung die verschiedensten Gehirnareale beteiligt sind. Deshalb sind zur Schmerztherapie interdisziplinäre und mechanismenorientierte Ansätze erforderlich. Ein häufiges Problem, mit dem wir immer wieder konfrontiert werden, sind Nebenwirkungen, die bei der Gabe von hochpotenten Analgetika auftreten und die Compliance gefährden. Wir stehen hier immer wieder vor der Herausforderung, die richtige Balance zwischen ausreichender Wirksamkeit und akzeptablen Nebenwirkungen zu finden. Neben einer bestmöglichen medikamentösen Therapie sollten Schmerzpatienten im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzeptes auch nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen erhalten. Aktuelle Umfragen bei chronischen Schmerzpatienten zeigen, dass die Kontrolle von Schmerzen immer noch oft unzureichend ist. Es ist deshalb an der Zeit, umzudenken und die neuen Erkenntnisse aus der Forschung in die praktische Schmerztherapie zu integrieren. Doch wie setzen wir die aktuellen Erkenntnisse aus der Schmerzforschung in unsere klinische Praxis um? Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für Schmerzen mit einer neuropathischen Komponente? Für diese und viele andere Fragen ist der kollegiale Austausch enorm wichtig. Hierfür boten uns die von der Firma Grünenthal organisierten Symposien „Forum Schmerz 2011“ in BadenBaden, Nürnberg und Freising reichlich Gelegenheit. Wir bedanken uns daher bei allen Kolleginnen und Kollegen für die aktive Teilnahme an den Diskussionen und für den gemeinsamen Erfahrungsaustausch.Diese Broschüre fasst alle wichtigen Inhalte der drei Veranstaltungen nochmals zusammen.Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und viel Erfolg für Ihre tägliche Arbeit in der Praxis.
Mit kollegialen Grüßen
Dr. med. U. Köster, Prof. Dr. med. C. Maihöfner,
Stuttgart Erlangen
13.−14. Mai, BadenBaden27.−28. Mai, Nürnberg22.−23. Juli, Freising
ARZNEIMITTELINTERAKTIONEN
Baden-Baden Prof. Dr. med. Walter E. Haefeli
2
ARZNEIMITTELINTERAKTIONEN
werden pharmakodynamische Arzneimittelinter-
aktionen, bei denen es zu Wirkungsänderungen
der verabreichten Substanz kommt, ohne dass
deren Konzentration verändert wurde.
OpioidClearance ist oft abhängig von
CytochromP450Stoffwechselwegen
Pharmakokinetische Arzneimittelinteraktionen
können die Ausscheidung (Clearance) einer
Substanz aus dem Organismus beeinträchtigen.
Somit beeinflussen sie den Dosisbedarf eines
Arzneimittels. Die Elimination eines Arzneimittels
und seiner Abbauprodukte aus dem Organismus
erfolgt in den meisten Fällen über die Nieren (re-
nale Clearance) und/oder metabolisch in der Le-
ber (hepatische Clearance) anhand einer Phase-
1-Reaktion über die Cytochrom-P450-(CYP-)
Isoenzyme und mittels einer Phase-2-Konjuga-
tion zum Beispiel über die Uridin-5-Diphospho-
Glucuronosyl-Transferase (UGT) (Abb.1). Viele
Arzneimittel werden in der Leber über die CYP1-,
CYP2- und CYP3-Familien metabolisiert. Von be-
sonderer Bedeutung für Arzneimittelinteraktionen
ist dabei die CYP3A-Familie, da fast die Hälfte
aller Arzneimittel über dieses Enzym abgebaut
wird (Abb. 2). Daneben werden circa 20 Prozent
der Arzneimittel über die CYP2C-Familie verstoff-
wechselt, wozu beispielsweise das Phenprocou-
mon (Marcumar®) gehört. Wichtig sind zudem die
Enzyme der CYP2D-Familie. Sie bauen circa 25
Prozent der Arzneimittel ab, während Enzyme der
CYP1A-Familie mit nur fünf Prozent eine geringe
Rolle spielen.3 In seinem Vortrag wies Haefeli da-
rauf hin, dass man sich für die Schmerztherapie
mit Opioiden insbesondere zwei CYP-Isoformen
merken solle: Das CYP3A4 sowie das CYP2D6.
Beide seien an der Metabolisierung von Opioiden
beteiligt. Man solle zudem daran denken, dass
bei den drei Isoformen CYP2C9, CYP2C19 so-
wie CYP2D6 bei circa fünf bis zehn Prozent der
Bevölkerung genetische Varianten vorkämen, die
eine stark verminderte Enzymaktivität aufwiesen.
Als Folge davon würden Medikamente, die an
diese drei Isoformen bänden, nur sehr langsam
metabolisiert. Bei der Arzneimitteltherapie von
Patienten mit diesen CYP-Varianten, sogenann-
ten langsamen Metabolisierern, sei zu berück-
sichtigen, dass bei allen Medikamenten aufgrund
einer erhöhten Arzneimittelkonzentration bereits
in der Standarddosierung mit einem geringerem
Dosisbedarf und oft auch mit vermehrten Neben-
wirkungen gerechnet werden müsse, so Haefeli.
Einfluss einer Komedikation auf die CYP
Stoffwechselwege
Die Aktivität der CYP-Enzyme kann durch be-
stimmte Arzneimittel sowohl erhöht (Enzymindu-
ktion) als auch vermindert (Enzyminhibition) wer-
den. Die CYP-Induktion erfolgt dabei über eine
Aktivierung nukleärer Rezeptoren im Zellkern der
Leberzelle, die zu einer vermehrten Transkription
und damit zur verstärkten Enzymsynthese führt.4
Dieser Prozess dauert in der Regel mehrere Tage,
sodass ein maximaler induktiver Effekt erst ein
bis zwei Wochen nach der Verabreichung eines
induzierenden Arzneimittels zu erwarten ist. Die
Folge einer CYP-Induktion ist ein beschleunigter
Abbau von Arzneimitteln im Organismus und da-
mit ein erhöhter Dosisbedarf. Laut Haefeli kann
die Clearance dabei sogar um das bis zu 20-Fa-
che erhöht werden. Das bedeute, dass auch bis
zu 20-fach höher dosiert werden müsse. Für die
Schmerztherapie mit Opioiden heißt dies, wie
Haefeli erläuterte, dass bei einer gleichzeitigen
Phase I(Red/Ox)
CYP: Cytochrom-P450-IsoenzymeUGT: Uridin-5-Diphospho-Glucuronosyl-TransferaseTrsp: aktiver Transport
CYP UGT Trsp
Trsp
Trsp,Filtration
Bio
verfü
gbar
keit
F
UGT
Phase II(Konjugation)
Phase III(gerichteterTransport)
Abb. 1: Die meisten Arzneimittel werden vor der Ausscheidung über die Niere in der Leber durch eine Phase-1-Reaktion über die CYP-Enzyme und/oder eine Phase-2-Konjugation über die UGTs metabolisiert und anschließend entweder biliär oder renal eliminiert. Einige Stoffe werden auch direkt über die Nieren aus-geschieden.
Abb. 2: Wichtigste CYP-Isoformen des Arzneistoffwechsels. Für die Schmerz-therapie mit Opioiden sind insbesondere CYP3A4 und CYP2D6 von Bedeutung. Modifiziert nach Shimada T et al., J Pharmacol Exp Ther 1994.
Gabe eines CYP-Induktors ohne eine Dosiser-
höhung des Opioids Entzugssymptome auftreten
können. Wichtige CYP3A4-Induktoren seien das
Tuberkulostatikum Rifampicin, die Antiepileptika
Carbamazepin, Phenytoin und Phenobarbital, das
Virustatikum Efavirenz, der Endothelin-Rezeptor-
antagonist Bosentan sowie Johanniskraut. Da es
sich bei Letzterem um ein frei verkäufliches pflanz-
liches Präparat handelt, werde es häufig bei der
Anamnese nicht erfasst. Die Inhaltsstoffe von Jo-
hanniskraut lassen sich aber laut Haefeli bei circa
fünf Prozent aller Patienten im Blut nachweisen.
Bei der CYP-Inhibition wird das Enzym durch den
Hemmstoff entweder reversibel oder irreversibel
gehemmt, woraus ein verminderter Abbau eines
Arzneimittels resultiert. Die reversible Hemmung
ist dadurch gekennzeichnet, dass das Substrat
durch den CYP-Inhibitor kompetitiv von der Bin-
dungsstelle verdrängt wird. Der Effekt der Inhibi-
tion ist konzentrationsabhängig und setzt rasch
ein. Bei der irreversiblen Hemmung kommt es
hingegen zu einer kovalenten Bindung an das
Enzym oder zur Zerstörung der CYP-Enzyme.
Der inhibitorische Effekt erreicht dann erst verzö-
gert nach einigen Tagen sein Maximum. Die En-
zymaktivität ist bei einer irreversiblen Hemmung
erst nach einer Neubildung der CYP-Enzyme – in
der Regel nach zwölf Tagen – wiederhergestellt.4
Haefeli betonte, dass diese zeitlichen Verzöge-
rungen bei Dosisanpassungen unbedingt zu be-
rücksichtigen seien.
CYPInhibition – Einfluss auf Opioide, die
als Prodrug vorliegen
Die Effekte einer CYP-Inhibition auf Opioide hän-
gen von deren pharmakokinetischen Eigenschaf-
ten ab. So liegen einige Opioide wie das Tramadol
50% aller metabolisierten Arzneimittel
20%
5%
Opioide
(in-)aktive MetabolitenOpioide
25%
CYP3A4 30% CYP1A2 13%
CYP2C9
CYP2C19
CYP2D6 2%
CYP2E1 7%
20%
3
ARZNEIMITTELINTERAKTIONEN
oder das Codein als sogenanntes Prodrug vor,
was bedeutet, dass sie ihre pharmakologische
Wirkung erst nach einer Metabolisierung über
das CYP2D6 zum jeweiligen aktiven Metaboli-
ten entfalten. Wird nun Tramadol gemeinsam mit
einem Inhibitor des CYP2D6, wie zum Beispiel
mit dem Antidepressivum Paroxetin, verabreicht,
dann können weniger aktive Tramadolmetabo-
liten ((+)-O-Desmethyl-tramadol, ein µ-Agonist)
gebildet werden und das Prodrug akkumuliert.
Die Folge davon ist eine Wirkungsminderung
oder -verlust des Tramadols.5 Eine vergleichbare
Situation liegt bei Patienten mit einer genetischen
Variante des CYP2D6, den langsamen Metaboli-
sierern, vor.6 Dadurch, dass weniger oder lang-
samer aktive Metabolite gebildet werden können,
kommt es bei einer Standarddosierung zu einer
beschränkten Response auf Tramadol. Auch das
Codein wird über das CYP2D6 in seinen aktiven
Metaboliten, das Morphin, umgewandelt. Unge-
fähr neun Prozent der Bevölkerung sind langsa-
me Metabolisierer im CYP2D6. Bei diesen Pati-
enten ist die Halbwertszeit von Codein um das
circa Zehnfache erhöht.7 Sowohl bei langsamen
Metabolisierern, als auch bei Patienten, die als
Komedikation einen CYP2D6-Inhibitor erhalten,
kann mit Codein keine ausreichende Analgesie
erreicht werden. Um Wirkungsverluste zu vermei-
den, müsse man folglich beim Einsatz von Opio-
iden in der Schmerztherapie die Inhibitoren von
CYP2D6 kennen, erklärte Haefeli. Dazu gehörten
zum Beispiel die selektiven Serotonin-Wiederauf-
nahmehemmer Paroxetin und Fluoxetin (Tab.1).
Wichtig sei jedoch auch zu wissen, dass es sich
bei pharmakokinetischen Wechselwirkungen
nicht um einen Klasseneffekt handelt. Somit habe
man, so Haefeli, oft die Möglichkeit, auf eine an-
dere Substanz derselben Klasse, wie zum Bei-
spiel auf Citalopram, auszuweichen.
„Eine Kenntnis der wichtigsten CYP-Isoenzy-
me ist für die Abklärung von Wechselwirkun-
gen in der Schmerztherapie und insbesonde-
re für den Einsatz von Opioiden sehr hilfreich.“
Prof. Dr. Walter E. Haefeli
CYPInhibition – Einfluss auf Opioide, die
als aktive Muttersubstanz vorliegen
Die Opioide Fentanyl, Methadon und Oxycodon
liegen im Gegensatz zu Tramadol und Codein
bereits als aktive Muttersubstanz vor. Sie werden
über das CYP3A4 in ihre vorwiegend inaktiven
Metaboliten abgebaut. Erhält ein Patient unter
einer Therapie mit diesen Opioiden als Komedi-
kation einen CYP3A4-Inhibitor, wie zum Beispiel
den HIV-Protease-Inhibitor Ritonavir, kommt es
in Folge des verminderten Abbaus zu einer Ak-
kumulation des aktiven Wirkstoffes und damit zu
einer Wirkungsverstärkung mit der Gefahr einer
Überdosierung.8 Weitere wichtige CYP3A4-Inhi-
bitoren sind Azol-Fungistatika (z. B. Itraconazol)
und Cimetidin sowie Makrolide, wie Erythromycin
und Clarithromycin (Tab. 1).9 Letztere binden sich
als irreversible Hemmstoffe kovalent an CYP3A4,
sodass mit einer erneuten Enzymaktivität von
CYP3A4 erst nach der Neubildung des Enzyms
(nach vielen Tagen) gerechnet werden kann. Ha-
efeli betonte, dass es im Zusammenhang mit der
durch eine CYP-Inhibition auftretenden Wirkungs-
verstärkung von Opioiden wichtig sei, zwischen
Dosis und Konzentration zu unterscheiden. So
könne beispielsweise durch eine Komedikation
mit Ritonavir die Exposition gegenüber Fenta-
nyl um bis zu 170 Prozent ansteigen, was einer
2,7-fachen Steigerung der ursprünglichen Dosis
entspricht.10 Auch bei einer topischen Applikation
von Opioiden, wie zum Beispiel bei Verabreichung
von Fentanyl über ein Pflaster, führe eine Kome-
dikation mit CYP3A4-Inhibitoren zur Akkumulation
von Fentanyl und damit zu einer Wirkungsverstär-
kung.10 Interessanterweise scheine die topische
Applikation von Buprenorphin nicht davon betrof-
fen zu sein.11
„Eine bestimmte Dosis muss deshalb nicht
immer zur selben Wirkstoff-Konzentration im
Menschen führen; vielmehr können beson-
dere Rahmenbedingungen wie Komedikati-
on und Zustand der Eliminationsorgane die
Exposition ganz massiv verändern.“ Prof. Dr.
Walter E. Haefeli
Opioide und Niereninsuffizienz – Akkumula
tion von aktiven und toxischen Metaboliten
Bevor eine Substanz über die Niere ausgeschie-
den werden kann, wird sie oft über die Enzyme
der Phase-2-Konjugation in der Leber wasser-
löslich gemacht. Dies erfolgt zum Großteil durch
eine Glucuronidierung über die UGTs. Arzneimit-
telinteraktionen an den UGTs sind laut Haefeli
im Gegensatz zu den CYP-Enzymen sehr selten
(Abb. 3). Eine hemmende Wirkung auf die UGTs
haben, wie Haefeli erläuterte, zum Beispiel das
Urikosurikum Probenecid und das NSAID Nap-
roxen. Eine der wenigen Substanzen, die nach
Umwandlung durch die UGTs in der Phase-2-
Konjugation weiterhin als aktiver Metabolit in
Form von Morphin-6-Glucuronid vorliege, ist laut
Haefeli Morphin. Da dieser Metabolit fast aus-
schließlich über die Niere eliminiert werde, könne
im Falle einer Niereninsuffizienz das pharmakolo-
gisch aktive Morphin-6-Glucuronid akkumulieren.
Da bei circa 14 Prozent der internistischen Pati-
enten eine Niereninsuffizienz vorliege, sollte man,
forderte Haefeli, insbesondere bei älteren Patien-
ten bei akuter Einschränkung der Nierenfunktion
Morphin vorsichtig dosieren. Eine Niereninsuffizi-
enz könne, so Haefeli, auch bei der Bildung von
toxischen Metaboliten problematisch werden.
Dies sei zum Beispiel beim Pethidin der Fall, das
in der Leber zu Normeperidin abgebaut werde.
Denn Normeperidin wirkt neurotoxisch und kann
bei Akkumulation im Organismus Epilepsien aus-
lösen.12 Pethidin eigne sich deshalb nicht für eine
Langzeittherapie und sollte bei einer Niereninsuf-
fizienz nicht verabreicht werden.
Tapentadol – geringes Interaktionspotenzial
durch Metabolisierung über UGTs
Das zentral wirksame Analgetikum Tapentadol
vereint in einem Molekül zwei unterschiedliche
Wirkmechanismen − den µ-Opioidrezeptor-Ago-
nismus (MOR) sowie die Noradrenalin-Wiederauf-
nahmehemmung (NRI).13 Im Gegensatz zu vie-
len anderen Opioiden spielt der Metabolismus
über das Cytochrom-P450-System (CYP2D6,
CYP3A4, CYP2C9, CYP2C19) nur eine unter-
geordnete Rolle.14 Der Abbau erfolgt hingegen
hauptsächlich über die UGTs, über die es in sei-
ne inaktiven Metaboliten metabolisiert wird. Die
Ausscheidung erfolgt nahezu ausschließlich über
die Nieren.15 Da die Metaboliten inaktiv seien,
sei wahrscheinlich auch eine Niereninsuffizienz
unproblematisch, vermutete Haefeli. Eine Hem-
mung der UGTs durch die beiden UGT-Hemmer
Probenecid und Naproxen führten zu einem
Anstieg der Wirksubstanz (AUC) um 57 bezie-
hungsweise 17 Prozent.16,17 Laut Haefeli wird
dies in der Regel als nicht klinisch relevant ange-
sehen. Tapentadol selbst habe, betonte Haefeli,
in vitro nur einen leichten hemmenden Effekt auf
CYP2D6 gehabt und an den anderen CYP-Enzy-
men weder ein hemmendes noch induzierendes
Potenzial aufgewiesen.16 Die gleichzeitige Ver-
abreichung des CYP2C19-Inhibitors Omeprazol
ebenso wie eine begleitende Paracetamol- und
Aspiringabe hatten laut Haefeli keinen Einfluss auf
die Pharmakokinetik von Tapentadol.17
CYP2D6
AmiodaronBupropionChlorpheniraminCimetidinClomipraminDoxepinDuloxetinFluoxetinHaloperidolMethadonParoxetinRitonavir
CYP3A4
AmiodaronCimetidinClarithromycinDiltiazemErythromycinFluconazolGrapefruitsaftIndinavirItraconazolKetoconazolNelfinavirRitonavirVerapamilVoriconazol
Tab. 1: Klinisch relevante Inhibitoren der beiden für den Opioidmetabolismus wichtigen CYP-Enzyme CYP2D6 und CYP3A4. Modifiziert nach Hafner V et al., Internist 2010.
4
ARZNEIMITTELINTERAKTIONEN
„Nach den bisherigen Daten zu Tapentadol
sind Probleme mit Wechselwirkungen nicht
zu erwarten.“ Prof. Dr. Walter E. Haefeli
Pharmakodynamische Interaktionen in der
Schmerztherapie
Bei pharmakodynamischen Interaktionen führt
die Anwesenheit zweier Substanzen am glei-
chen Wirkort zu Wirkungsänderungen, ohne
dass deren Konzentration verändert wird. In der
Schmerztherapie spielt dies beispielsweise eine
Rolle, wenn zu einem vollen Opioidagonisten, wie
zum Beispiel Morphin, Fentanyl, Oxycodon oder
Pethidin, zusätzlich ein partieller Opioidagonist,
wie zum Beispiel Nalbuphin oder Buprenorphin,
verabreicht wird.18,19 Dies könne, so Haefeli, zu
einer Abschwächung der starken analgetischen
Wirkung des vollen Agonisten durch den partiel-
len Agonisten führen. In Einzelfällen kann es da-
durch zu ungenügender Analgesie kommen.20,21
Eine weitere wichtige pharmakodynamische In-
teraktion, vor der auch in den Fachinformationen
gewarnt wird, ist das Auftreten von Kreislauf-,
Atem- und ZNS-Störungen im Rahmen eines Se-
rotoninsyndroms bei der Kombination von MAO-
Hemmern und Pethidin. Obwohl diese Interaktion
zwar nur für Pethidin eindeutig nachgewiesen
wurde, ist die Kombination eines Monoaminoxi-
dase-(MAO-)Hemmers mit einem Opioid kontra-
indiziert. Es wird deshalb allgemein empfohlen,
einen MAO-Hemmer mindestens zwei Wochen
vor einer Opioidtherapie abzusetzen (Abb. 4).
Abb. 3: Insbesondere die Opioide, die in der Phase-1-Reaktion über die CYP-Enzyme abgebaut werden, weisen ein erhöhtes Interaktionspotenzial auf. Modifiziert nach Haefeli WE 2011.
Abb. 4: Empfehlungen zum Ein- und Ausschleichen von MAO-Hemmern bei Trizyklika sowie Opioidtherapie. Modifiziert nach Bienentreu A et al., Ther Umschau 2008 und Haefeli WE 2011.
Opioide Tranylcypromin
SSNRI(Venlafaxin) SSRITZA
MAO-B-Hemmer(Selegilin, Rasagilin)
MAO-A-Hemmer(Moclobemid)
14 Tage Pause
14 Tage Pause 7 Tage Pause14 Tage Pause
14 Tage Pause
14 Tage Pause
14 Tage Pause
2 Tage Pause
5 HWZ Pause
1 Tag Pause
1 Tag Pause
5 HWZ Pause 5 HWZ Pause
5 HWZ Pause
5 HWZ Pause
HWZ: HalbwertszeitSSRI: Selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer SSNRI: Selektiver Serotonin-Noradrenalin-WiederaufnahmehemmerTZA: Trizyklische Antidepressiva
14 Tage Pause7 Tage Pause
überlappend ein-
bzw. ausschleichend
überlappend ein- bzw. ausschleichend
überlappend ein-
bzw. ausschleichend
Prodrug(metabolische Aktivierungerforderlich)
Codein
Dihydrocodein
Tilidin
(Tramadol)
Morphin M-6-G
Dihydromorphin
Nortilidin
O-Desmethyl-Tramadol
M-3-Glucuronid
Nordihydrocodein
Bisnortilidin
Aktives Prinzip(eigentliche Wirksubstanz)
Buprenorphin
Fentanyl
Hydrocodon
Hydromorphon
Morphin
Methadon
Oxycodon
Pethidin
Piritramid
Tapentadol
Norbuprenorphin
Hydromorphon
M-6-Glucuronid
?
(Oxymorphon)
Normeperidin
?
Buprenorphin
Norfentanyl
inaktive Glucuronide
inaktive Glucuronide
Morphin-3-Glucuronid
Noroxycodon
Glucuronide
inaktive Glucuronide
Aktive Metaboliten(mit aktivem Beitrag zur Wirkung)
Inaktive Metaboliten(ohne Beitrag zur Wirkung)
viele Interaktionen kaum Interaktionen
UGT
Phase-2-EnzymePhase-1-Enzymevor allem CYP2D6 und CYP3A4
5
THERAPIE CHRONISCHER SCHMERZEN
Mechanismenorientierte Schmerztherapie bei NichttumorpatientenDie Behandlung chronischer Schmerzen stellt eine große Herausforderung dar. Die Erfahrun
gen der letzten Jahre zeigen, dass eine erfolgreiche Therapie von chronischen Schmerzen
sich an den zugrundeliegenden Schmerzmechanismen orientieren sollte. Tiefere Einblicke
in die Mechanismen der Schmerzentstehung und chronifizierung geben die neuen Erkennt
nisse aus der (bildgebenden) Schmerzforschung. Neben kortikalen Reorganisationsphäno
menen, Aktivitätszunahmen in definierten Gehirnarealen und Veränderungen der Neuro chemie
scheint insbesondere auch eine fehlende endogene Schmerzhemmung für die Schmerzchro
nifizierung von Bedeutung zu sein. Analgetika können über verschiedene Wirkmechanismen
in die pathophysiologischen Vorgänge bei der Schmerzchronifizierung eingreifen. Mit Tapen
tadol steht ein zentral wirksames Analgetikum zur Verfügung, das zwei Wirkmechanismen
in einem Molekül vereint: Es bindet nicht nur an µOpioidrezeptoren, sondern hemmt auch
gleichzeitig die neuronale Wiederaufnahme des Noradrenalins. Damit verstärkt es die Wir
kung der endogenen Schmerzhemmung.
Mindestens 19 Prozent der erwachsenen Bevöl-
kerung in Europa leiden an chronischen nicht-
tumorbedingten Schmerzzuständen.23 Dies de-
monstrierte der Pain-in-Europe-Survey, bei dem
die Daten von über 46.000 Teilnehmern aus 15
europäischen Ländern und Israel erhoben wur-
den. Damit gehören chronische Schmerzen zu
den häufigsten Erkrankungen. Dr. med. Stefan
Schramm vom Schmerztherapie Zentrum in
Mannheim wies in seinem Vortrag darauf hin,
dass jedoch trotz der Häufigkeit von chroni-
schen Schmerzzuständen in der klinischen Pra-
xis die Qualität der Schmerzreduktion zu wün-
schen übrig lasse. Er bezog sich hierbei auf den
Pain-in-Europe-Survey in dem 64 Prozent der
Studienteilnehmer angaben, dass der Schmerz
unter der verordneten Schmerzmedikation nach
eigenen Aussagen nur unzulänglich kontrolliert
wäre. Eine der Ursachen für eine unzureichen-
de Schmerzkontrolle sind Nebenwirkungen, die
eine Dosisreduktion des Analgetikums erfor-
derlich machen oder gar zum Therapieabbruch
führen. Laut eines systematischen Reviews
brechen chronische Schmerzpatienten unter
einer Therapie mit WHO-III-Opioiden eine Be-
handlung häufiger wegen Nebenwirkungen ab
als wegen ungenügender Wirksamkeit.24 Eine
unzureichende Schmerzlinderung kann aber
auch die Folge einer unzulänglichen Wirkung
des verwendeten Schmerzmittels auf die vor-
herrschende Schmerzart sein. Experten fordern
deshalb seit längerem eine mechanismenorien-
tierte Schmerztherapie, die sich an den zugrun-
deliegenden pathophysiologischen Vorgängen
orientiert.
Auch die WHO arbeitet im Moment an neuen
Leitlinien für die Therapie chronischer gutartiger
Schmerzen, die eine individuellere und spezi-
fisch auf den Patienten und seine Schmerzsym-
ptomatik zugeschnittene Therapie ermöglichen
soll.25
Therapie chronischer Schmerzen – Bedeu
tung der körpereigenen Schmerzhemmung
Für eine mechanismenorientierte Schmerztherapie
sind genaue Kenntnisse über die Entstehung no-
zizeptiver und neuropathischer Schmerzen sowie
über die an der Schmerzweiterleitung und -modula-
tion beteiligten Schmerzbahnen erforderlich. Durch
die aufsteigenden (aszendierenden) Nervenbahnen
wird das vom Nozizeptor gesendete Schmerzsig-
nal über das Rückenmark in das Gehirn weiterge-
leitet. Im zerebralen Kortex und in verschiedenen
anderen Kerngebieten wird der Schmerz wahr-
genommen und emotional bewertet. Eine wich-
tige Bedeutung für die Schmerzverarbeitung hat
zudem die körpereigene Schmerzhemmung über
absteigende (deszendierende) Schmerzbahnen,
die zu einer vermehrten Freisetzung der beiden
Neurotransmitter Noradrenalin (inhibitorisch) und
Serotonin (inhibitorisch und exzitatorisch) im Rü-
ckenmark führen. Wie Schramm ausführte, gibt
es inzwischen auch Hinweise darauf, dass ein
Ausfall der körpereigenen Schmerzhemmung eine
wichtige Rolle bei der Entstehung von chronischen
Schmerzerkrankungen, wie beispielsweise der Fi-
bromyalgie, spielt. In den nächsten Jahren sei es
deshalb möglich, dass therapeutische Ansätze, die
in die körpereigene Schmerzhemmung über des-
zendierende Schmerzbahnen eingreifen, weiter an
Bedeutung gewinnen.
„Eine spezifische Schmerztherapie kann ich
als Schmerztherapeut nur beginnen, wenn ich
die spezifischen Schmerzmechanismen ken-
ne.“ Dr. med. Stefan Schramm
Pain Router® – Hilfe bei der Schmerzdiffe
renzierung und Therapieauswahl
In der klinischen Praxis kann der Pain Router® dem
Arzt bei der Auswahl einer geeigneten mechanis-
menorientierten Schmerztherapie eine gute Ori-
entierung bieten.26 Mithilfe eines übersichtlichen
Schemas können der Schmerzcharakter und die
Symptome des Patienten eingeordnet werden.
Danach kann der Arzt eine medikamentöse The-
rapie auswählen, die sich an den zugrundeliegen-
den Mechanismen orientiert. Leidet der Patient
beispielsweise im Rahmen einer Arthrose oder
eines myofaszialen Schmerzsyndroms an einem
belastungsabhängigen lokalen Druckschmerz
ohne Anzeichen einer Entzündung, dann handelt
es sich in der Regel um einen rein nozizeptiven
Schmerz. Dieser sollte mit Nichtopioiden (NSAR,
Paracetamol), Muskelrelaxanzien oder – bei star-
ken Schmerzzuständen – mit Opioiden therapiert
werden. Bei einer diabetischen Polyneuropathie
hingegen klagt der Patient über brennende und
einschießende Schmerzen – insbesondere auch
in Ruhe. Bei diesen rein neuropathischen Schmer-
Baden-BadenDr. med. Ulrich Köster
NürnbergDr. med. Stefan Schramm
Nürnberg und FreisingProf. Dr. med. Christian Maihöfner
FreisingProf. Dr. med. Marcus Schiltenwolf
6
THERAPIE CHRONISCHER SCHMERZEN
zen kommt es durch die periphere Nervenläsion
zur Neubildung von Rezeptoren und Ionenkanä-
len, die zu einer Veränderung des Ruhepotenzials
und damit zu einer vermehrten Spontanaktivität
der Nervenzellen führt. Zur Therapie des neuro-
pathischen Schmerzes kommen deshalb memb-
ranstabilisierende Substanzen, wie Antikonvulsiva
(Natrium- und Kalzium-Kanalblocker) oder An-
tidepressiva, zum Einsatz. Von Bedeutung sind
hier auch Wirkstoffe, die über eine noradrener-
ge und serotonerge Wiederaufnahmehemmung
in die endogene Schmerzhemmung eingreifen.
Hierzu gehören bestimmte Antidepressiva wie
die selektiven Serotonin- und Noradrenalin-Wie-
deraufnahmehemmer (SSNRI) oder das zentral
wirksame Analgetikum Tapentadol.
„Über 70 Prozent der Ärzte verordnen bei
neuropathischen Schmerzen ein NSAR.“ Dr.
med. Stefan Schramm
Tapentadol vereint zwei Wirkmechanismen
in einer Substanz
Tapentadol vereint zwei Wirkmechanismen –
µ-Rezeptor-Agonismus (MOR) und Noradrena-
lin-Wiederaufnahmehemmung (NRI) in einem
Molekül. Beide Mechanismen beteiligen sich auf
synergistische Weise am analgetischen Effekt von
Tapentadol.27 Aufgrund dieser einzigartigen Phar-
makologie wurde Tapentadol von einem interna-
tionalen pharmakologischen Advisory Board als
erster Vertreter der Substanzklasse „MOR-NRI“
zugeordnet.28,29 Der MOR-Agonismus hemmt
spinal über die Stimulation der prä- und postsy-
naptischen Opioidrezeptoren die Schmerzleitung
an den aufsteigenden Bahnen und moduliert den
Schmerz supraspinal. Über die NRI wird hinge-
gen in den absteigenden schmerzhemmenden
Bahnen die Konzentration von Noradrenalin im
synaptischen Spalt erhöht und damit die kör-
pereigene Schmerzhemmung verstärkt (Abb. 1).
Studien demonstrierten, dass die relative Betei-
ligung der beiden Wirkmechanismen dabei von
der zugrundeliegenden Schmerzart abhängt.
Während im nozizeptiven Schmerzmodell die
schmerzhemmende Wirkung verstärkt über den
MOR-Agonismus vermittelt wird, hat die NRI im
neuropathischen Schmerzmodell eine bedeu-
tendere Rolle bei der Schmerzhemmung als die
µ-Rezeptorwirkung.30 Trotz dieser Gewichtung
sind immer beide Mechanismen gleichzeitig wirk-
sam und an der Schmerzinhibition beteiligt. Ta-
pentadol weist somit ein breites Wirkspektrum auf
und eignet sich deshalb sowohl für die Therapie
von nozizeptiven und neuropathischen Schmer-
zen als auch von gemischten Schmerzen (Mixed
Pain). Da die Affinität zum µ-Rezeptor im Vergleich
zu Morphin um das 50-Fache geringer ist, kommt
es, basierend auf den Erfahrungen des Entwick-
lungsprogramms, unter Tapentadol zudem zu
deutlich weniger opioidtypischen Nebenwirkun-
gen wie beispielsweise Übelkeit und Obstipation,
als unter Oxycodon – bei allerdings vergleichbarer
Wirksamkeit beider Wirkstoffe.31 Ein weiterer Vor-
teil im Hinblick auf Neben- und Wechselwirkun-
gen ist die günstige Pharmakokinetik von Tapen-
tadol. Seine absolute Bioverfügbarkeit wird durch
eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme nur unbe-
deutend beeinflusst. Tapentadol kann deshalb
unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen
werden. Da es eine niedrige Bindungsaffinität für
Plasmaproteine aufweist und weitgehend über
CYP-unabhängige Stoffwechselwege abgebaut
wird, ist das Interaktionspotenzial gering. Weil
beim Abbau von Tapentadol keine aktiven Meta-
bolite gebildet werden, ist zudem das Risiko für
eine Kumulation sehr gering.32,33,29
Tapentadol – Schmerzreduktion bei nozi
zeptiven und neuropathischen Schmerzen
Die Wirksamkeit von Tapentadol-Retardtabletten
wurde in klinischen Studien bei unterschiedli-
chen chronischen Schmerzzuständen unter-
sucht.31,34,35,36 Bei nozizeptiven Schmerzen zeigte
Tapentadol bei Patienten mit starken chronischen
Schmerzen aufgrund einer Gonarthrose eine
wirksame und gleich starke Schmerzlinderung
wie Oxycodon.34 Im Vergleich zu Placebo än-
derten sich die durchschnittlichen Schmerzin-
tensitätswerte für Tapentadol retard signifikant
(p < 0,001). Für Patienten mit chronischen, rein
nozizeptiven Schmerzen kann deshalb Tapen-
tadol eine wirksame Therapieoption sein (siehe
Kasuistik 1).
Die Wirksamkeit von Tapentadol konnte auch bei
rein neuropathischen Schmerzen demonstriert
werden. In einer Studie zur diabetischen Poly-
neuropathie führte Tapentadol retard während
der dreiwöchigen offenen Titrationsphase zu ei-
ner deutlichen Schmerzreduktion (Abnahme der
mittleren Schmerzintensität (SE) von NSR 7,3 auf
3,5). In der doppelblinden Erhaltungsphase stieg
die durchschnittliche Schmerzintensität in der
Placebogruppe wieder an (mittlere Änderung der
SE 1,3), wohingegen die Schmerzintensität in der
Tapentadol-retard-Gruppe auf einem stabilen Ni-
veau blieb (mittlere Änderung der SE -0,1).35 Die
Wirksamkeit von Tapentadol zeigte sich auch in
Verbesserungen der gesundheitsbezogenen Le-
bensqualität. Die Therapie mit Tapentadol führte
zu numerischen Verbesserungen aller SF-36-
Scores.38
Tapentadol – Analgetische Wirkung auch
auf gemischte Schmerzsyndrome
Daneben wurde die analgetische Wirksamkeit
von Tapentadol retard bei gemischten Schmerz-
syndromen mit nozizeptivem und neuropathi-
schem Anteil untersucht. In einer klinischen
Studie bei Patienten mit chronischen Rücken-
schmerzen verbesserten sich unter Tapentadol
retard (100–250 mg zweimal täglich) sowie Oxy-
codon CR während der gesamten Titrations- und
Erhaltungsphase (15 Wochen) die durchschnitt-
lichen Schmerzintensitätswerte signifikant im
Vergleich zu Placebo.36 Tapentadol retard war im
Vergleich zu Oxycodon CR besser verträglich,
insbesondere hinsichtlich opioidtypischer gast-
rointestinaler Nebenwirkungen. Die bessere Ver-
träglichkeit von Tapentadol retard im Vergleich zu
Oxycodon CR zeigte sich auch an einer deutlich
reduzierten Rate an Studienabbrüchen aufgrund
behandlungsassoziierter unerwünschter Neben-
wirkungen (TEAEs).36 Mit retardiertem Tapentadol
steht somit eine Behandlungsoption in Form einer
Monotherapie zur Verfügung, die sowohl die nozi-
zeptive als auch die neuropathische Komponen-
Aszendierende Schmerzbahnen
Steuerung der Schmerzweiterleitung über Schmerzbahnen
Schmerzweiterleitung zum Gehirn
endogene Hemmung derSchmerzweiterleitung(deszendierende Regulation)
→ Hemmung der Schmerzweiterleitung über µ-Opioid- Rezeptoraktivierung
→ über Aktivierung des α2-Rezeptors durch Noradrenalinfreisetzung
Deszendierende Schmerzbahnen
Tapentadol = µ-Opioid-Rezeptor-Agonist
Tapentadol = Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
MOR NRI
Abb. 1: Tapentadol vereinigt zwei Wirkmechanismen in einem Molekül. Es beeinflusst somit über den MOR sowohl die Schmerzweiterleitung an den aszendierenden Schmerzbahnen als auch über den NRI die endo-gene Hemmung der Schmerzweiterleitung über die deszendierenden Bahnen. Modifiziert nach Tzschentke TM et al., Drugs Fut 2006 und Tzschentke TM et al., JPET 2007.
7
THERAPIE CHRONISCHER SCHMERZEN
te von chronischen Schmerzen behandelt (siehe
Kasuistik 2).
„Gerade auch bei nicht auf Dauer opioid-
pflichtigen Schmerzzuständen ist Tapentadol
gut geeignet, da es in der Regel beim Abset-
zen keine Probleme bereitet“ Dr. med. Ulrich
Köster
Auf das Problem einer Chronifizierung beim
neuropathischen Schmerz ging Prof. Dr. med.
Christian Maihöfner von der Neurologischen Uni-
versitätsklinik in Erlangen in seinem Vortrag ein.
Er berichtete, dass das Risiko hier aufgrund der
durch die Nervenläsion induzierten morphologi-
schen Veränderungen an den Neuronen höher
zu sein scheint als beim nozizeptiven Schmerz.
Die anhaltende Aktivität der geschädigten Ner-
venfasern führe im ZNS zu dauerhaften neuro-
plastischen Veränderungen – ein sogenanntes
Schmerzgedächtnis bilde sich aus. Ein wesent-
licher Teil der Chronifizierungsmechanismen
beim chronischen Schmerz findet laut Maihöfner
im Gehirn statt. Neue spektakuläre Einblicke in
die Schmerzverarbeitung und in die Entstehung
des Schmerzgedächtnisses seien in den letzten
Jahren durch moderne, nichtinvasive bildgeben-
de Methoden, wie die Magnetenzephalografie
(MEG), das funktionelle MRT (fMRT) sowie die
Positronenemissionstomografie (PET), ermög-
licht worden. Maihöfner betonte, dass es nicht
wie früher angenommen nur „ein Schmerzzent-
rum“ gebe, sondern dass durch Schmerzreize ein
komplexes Netzwerk an Hirnarealen aktiviert wer-
de – zum Beispiel das laterale Schmerzsystem.
Es besteht laut Maihöfner aus dem primären (S1)
und dem sekundären somatosensorischen Kor-
tex (S2).39 Beide Areale verarbeiteten vorwiegend
die sensorisch-diskriminativen Subkomponenten
der Schmerzempfindung. Das mediale Schmerz-
system sei an der affektiv-motivationalen Verar-
beitung des Schmerzes beteiligt und setze sich
aus dem anterioren Cingulum (ACC) und dem
präfrontalen Kortex (PFC) (Abb. 5a) zusammen.
Eine Zwischenstellung bei der Schmerzverarbei-
tung nehme, so Maihöfner, die Inselrinde (Insula)
ein. Da Aktivierungen der Insel mit sympathischen
Antworten einhergehen, werde vermutet, dass
die Insel ein wichtiger Bestandteil bei der autono-
men Subdimension der menschlichen Schmerz-
erfahrung sei.
„Schmerz ist ein komplexer Bewusstseinsin-
halt, das Gefühl „Schmerz“ entsteht erst im
Gehirn.“ Prof. Dr. med. Christian Maihöfner
Kortikale Reorganisationsphänomene bei
neuropathischen Schmerzen
Bei chronischen neuropathischen Schmerzen
kann laut Maihöfner die Schmerzverarbeitung in
den beteiligten Gehirnarealen deutlich verändert
sein (Abb. 5b). Hierzu gehörten beispielsweise
Reorganisationen der somatotopischen Karten
in den sensorischen und motorischen Arealen
der Hirnrinde. Diese Phänomene beobachte man
insbesondere bei Phantomschmerzen und kom-
plexen regionalen Schmerzsyndromen (CRPS).
So zeigten CRPS-Patienten eine erhebliche Ab-
weichung der Körperrepräsentationen im sensori-
schen Kortex. Maihöfner und seine Arbeitsgruppe
konnten zeigen, dass bei Patienten mit CRPS die
kortikale Ausdehnung der Handrepräsentati-
on kontralateral zur CRPS-Seite schrumpft und
sich zudem das Handareal in Richtung Lippe
1
74jährige Patientin mit schwerer Gonarthrose
Dr. med. Stefan Schramm, Schmerztherapie Zentrum Mannheim
Anamnese:
Die 74-jährige Patientin stellte sich – bei schwerster Gonarthrose und De-
formitäten in beiden Knien – aufgrund von starken chronischen Schmer-
zen im Schmerzzentrum vor. Wegen einer begleitenden Kardiomyopathie
war eine kausale Therapie mit einer Knie-TEP nicht möglich.
Diagnose:
Bei der Untersuchung zeigte sich eine rein bewegungsabhängige
Schmerzsituation ohne Hinweis auf eine neuropathische Schmerzkom-
ponente. Trotz einer analgetischen Therapie mit Fentanylpflastern (200
µg/h, Wechsel alle drei Tage) konnte bei der Patientin keine ausreichende
Schmerzreduktion erzielt werden. Die subjektive Schmerzwahrnehmung
auf der visuellen Analogskala (VAS) wurde mit 7 von 10 angegeben. Die
Funktionskapazität war relevant eingeschränkt. Zudem klagte die Patientin
über opioidbedingte Nebenwirkungen mit Obstipation und Schwindel.
Therapie:
Die Patientin wurde äquianalgetisch auf Tapentadol retard umgestellt. Un-
ter der aktuellen Therapie mit retardiertem Tapentadol in einer Dosierung
von 500 mg/Tag weist die Patientin nur noch eine mäßig eingeschränkte
Funktionskapazität bei guter Verträglichkeit auf. Die subjektive Schmerz-
wahrnehmung auf der VAS wird mit 3 von 10 angegeben.
Fazit:
• Mit Tapentadol konnte bei der Patientin mit rein nozizeptiven chronischen
Schmerzen eine gute Schmerzkontrolle bei guter Verträglichkeit erzielt
werden.
• In der Regel ist bei älteren Patienten über 65 Jahre der bisherigen Studi-
enlage zufolge keine Dosisanpassung notwendig.37
• Im Hinblick auf die bestehende Kardiomyopathie sollte die kardiovas-
kuläre Verträglichkeit einer Schmerzmedikation berücksichtigt werden.
Tapentadol führte in therapeutischen Dosierungen in den klinischen
Studien nicht zu Veränderungen der EKG-Parameter – insbesondere zu
keiner Verlängerung des QT-Intervalls.37
Kasuistik
• Seit 15. September 2010 als Palexia® retard in Deutschland erhältlich• Untersteht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung• Formulierung: retardierte Filmtabletten• Wirkstärken: 50, 100, 150, 200, 250 mg• Dosierung: zweimal täglich bis 500 mg/Tag• Indikation: starke chronische Schmerzen, die eine Therapie mit Opioiden erfordern
Empfehlungen für den Therapiestart:
• Opioidnaive und opioiderfahrene Patienten mit Morphinäquivalent von < 80 mg: Startdosis von 50 mg zweimal täglich (circa alle zwölf Stunden)
• Opioiderfahrene Patienten mit Morphinäquivalent von ≥ 80 mg: Startdosis von 100 mg zweimal täglich (circa alle zwölf Stunden)
• Therapieüberprüfung und Steigerung der Dosis (falls notwendig): circa alle drei Tage
• Als Bedarfsmedikation sind schnell freisetzende Analgetika, auch Kombinationen mit anderen Opioiden möglich
• Eine adjuvante Therapie mit Antiemetika und Laxanzien ist in der Regel nicht erforderlich
Tapentadol – Fakten für die Praxisi
8
THERAPIE CHRONISCHER SCHMERZEN
2
76jährige Patientin mit chronischer Lumboischialgie nach Band
scheibenoperation
Dr. med. Ulrich Köster, Klinik für Anästhesiologie, Spezielle Schmerzthera-
pie, Marienhospital Stuttgart
Anamnese:
Bei der 76-jährigen berenteten Patientin wurde im Dezember 2010 auf-
grund einer chronischen Lumbalgie und eines sensomotorischen L5-
Syndroms links bei Spinalkanalstenose L4 bis S1, multisegmentaler Fa-
cettengelenkshypertrophie lumbal und Bandscheibenprotrusionen (L4/5
neuroforaminal beiderseits sowie L5/S1 neuroforaminal links) eine mik-
rochirurgische Entfernung des Bandscheibenvorfalls bei L5/S1 durchge-
führt. Daraufhin kam es zu einer nahezu vollständigen Rückbildung der
Radikulopathie L5 links. Nach sechs Wochen traten erneut Beschwerden
auf, worauf die Patientin im März 2011 stationär zur konservativen, multi-
modalen Schmerztherapie aufgenommen wurde.
Diagnose:
Bei der Aufnahmeuntersuchung zeigten sich bis auf einen brennenden
Streifen links, der vom Gesäß bis ans Sprunggelenk reichte, keine neuro-
logischen Defizite. Es lag jedoch eine schmerzhafte Bewegungseinschrän-
kung des linken Beines vor. Die subjektive Schmerzwahrnehmung auf der
visuellen Analogskala (VAS) wurde mit 9 von 10 angegeben. Das Lasègue-
Zeichen war beiderseits negativ, der Zehen- und Hackengang nur unter
Schmerzen demonstrierbar.
Medikation bei Aufnahme:
• Tolperison 50 mg 1-0-1
• Novaminsulfon 20 Tropfen bei Bedarf
• Prednisolon 20 mg 1-0-0
• Omeprazol 20 mg 1-0-0
• Bisoprolol 10 mg ½-0-0
Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen wurde die Schmerz-
diagnose eines L5-Syndroms links mit vorwiegend neuropathischem
Schmerzcharakter (pain detect 20) bei einer subjektiven Schmerzstärke
auf der VAS (0–10) in Ruhe von 5 sowie 9 unter Belastung gestellt. Im
MRT stellte sich eine multisegmentale lumbale Spinalkanalstenose (L4 bis
S1 mit absoluter spinaler Enge), eine Protrusion von Bandscheibenmate-
rial L4/5 beiderseits intraforaminal und L5 links neuroforaminal sowie eine
Hypertrophie der Facettengelenke dar. Daneben zeigte sich eine fortge-
schrittene lipomatöse Umwandlung der autochthonen Rückenmuskulatur.
Therapie:
Die Patientin führte eine 18-tägige stationäre multimodale Schmerzthera-
pie durch. An den Wurzeln L5 und S1 links wurde zudem eine periradiku-
läre Therapie durchgeführt.
Medikation bei Entlassung:
• Gabapentin 300 mg 1-1-1
• Tapentadol retard 100 mg 1-0-1
• Concor 5 mg 1-0-0
• Novastatin 40 mg 0-0-1
Die subjektive Schmerzstärke bei der Entlassung wurde mit 2 von 10 (VAS)
angegeben.
Fazit:
Die Patientin zeigte ein gemischtes Schmerzsyndrom mit nozizeptiver und
überwiegend neuropathischer Komponente, das unter Medikation mit ei-
nem Muskelrelaxans, einem NSAR und einem Glukokortikoid nur unzurei-
chend kontrolliert war.
Mit der die multimodale Therapie begleitenden Umstellung auf Gabapentin
und Tapentadol retard, bei der auch die neuropathische Komponente des
Schmerzsyndroms berücksichtigt wurde, konnte eine gute Schmerzre-
duktion erzielt werden.
Kasuistik
Veränderungen und der Schmerzstärke feststel-
len.40,41,42 Kortikale Reorganisationsphänomene
seien mittlerweile auch bei anderen Erkrankun-
gen, wie chronischen Rückenschmerzen sowie
bei Nervenläsionen, nachgewiesen worden, so
Maihöfner. In der Zwischenzeit sei bekannt, dass
kortikale Reorganisationsphänomene durch mul-
timodale Therapieprogramme, die eine suffizi-
ente Schmerztherapie sowie neurorehabilitative
Therapieverfahren umfassen, wieder verbessert
werden können.41,43 Zu den neurorehabilitativen
Therapieverfahren gehöre die sogenannte Spie-
geltherapie, bei der durch das Spiegelbild der ge-
sunden Extremität und einem sensomotorischen
Training die krankheitsbedingten kortikalen Ver-
änderungen und somit die Schmerzentstehung
im Gehirn positiv beeinflusst werden sollen (siehe
Kasuistik 3). Durch Studien seien die positiven Ef-
fekte der Spiegeltherapie bei Phantomschmerzen
und CRPS mit einer deutlichen Schmerzreduktion
und einer verbesserten Kontrolle der erkrankten
Extremität oder des Phantomglieds bereits de-
monstriert worden, berichtete Maihöfner44,45
Aktivierung von emotionalen Gehirnarealen
und fehlende Schmerzhemmung
Neben kortikalen Reorganisationsphänomenen in
den somatotopischen Hirnrindenkarten beobach-
te man, so Maihöfner, bei chronischen Schmerz-
syndromen zudem eine vermehrte Aktivierung
von emotionalen Gehirnarealen wie dem dorso-
lateralen präfrontalen Kortex (PFC). Diese Akti-
vierung werde von multiplen Faktoren, wie einem
zugrundeliegenden pathologischen Schmerzzu-
stand, Erwartungshaltungen, Aufmerksamkeit,
Affekt und Stimmung beeinflusst und somit auch
als „individuelle Schmerzsignatur“ bezeichnet.
Mehrere tierexperimentelle Studien haben, wie
Maihöfner berichtete, gezeigt, dass bei chroni-
Abb. 5: a) Hirnaktivierung bei experimentellen Schmerz reizen: li. laterales Schmerzsystem mit S1 (primärer somatosensorischer Kortex) und S2 (se-kundärer somatosensorischer Kortex), re. mediales Schmerzsystem mit ACC (anteriorer cingulärer Kor-tex) und PFC (präfrontaler Kortex). b) Hirnaktivierung bei neuropathischen Schmerzen. Die Inzidenz der Aktivierungen entspricht den Größendarstellungen der jeweiligen Kortexareale. Modifiziert nach Mai-höfner C et al., Schmerz 2010.
a
b
verschoben hatte. Sowohl bei CRPS als auch
bei Phantomschmerzen konnte er eine positive
Korrelation zwischen dem Ausmaß der kortikalen
9
THERAPIE CHRONISCHER SCHMERZEN
334jähriger Patient mit CRPS I Stadium 3 nach Mittelhand
trümmerbruch (MHK 2) rechts
Prof. Dr. med. Marcus Schiltenwolf, Universitätsklinikum Heidelberg,
Stiftung Orthopädische Universitätsklinik, Heidelberg
Anamnese:
Der 34-jährige Patient, von Beruf Stukkateur im Bauhauptgewerbe,
klemmte sich im Oktober 2008 die rechte Hand in der Autotür ein, nach-
dem die Tochter die Tür unerwartet zugeschlagen hatte. Dabei erlitt er
einen Trümmerbruch des zweiten Mittelhandköpfchens. Die Fraktur wurde
operativ mit einer Osteosynthese versorgt. Nach der Metallentfernung im
Januar 2009 konnte der Patient wieder in das Berufsleben eingegliedert
werden. Im April 2009 fiel während der Arbeit eine Gerüstbauklappe auf
die operierte rechte Hand. Im Mai wurde der Patient aufgrund zunehmen-
der Beschwerden stationär aufgenommen. Im Rahmen der dort durchge-
führten Untersuchungen wurde ein CRPS I Stadium 3 der rechten Hand
sowie eine Anpassungsstörung diagnostiziert und eine medikamentöse
Schmerztherapie begonnen. Im November 2009 erhielt der Patient zudem
eine ambulante Psychotherapie, die im Januar 2010 aufgrund der weiter
bestehenden Schmerzsymptomatik mit einer tagesstationären Schmerz-
therapie ergänzt wurde. Parallel dazu erfolgten erste Rentengutachten
(handchirurgisch, neurologisch, psychiatrisch), die eine Minderung der
Erwerbsfähigkeit von 40 Prozent sowie eine Empfehlung zum Einhänder-
training aussprachen. Ab Mai 2010 erfolgte eine medizinische und berufli-
che Rehabilitation bei der ein Einhändertraining sowie eine berufliche Um-
schulungsmaßnahme zur Qualitätsfachkraft durchgeführt wurden. Nach
einem Wegeunfall auf dem Weg zur Schulung, bei der es zu keinen neuen
strukturellen Schäden an der Hand kam, brach der Patient die Umschu-
lung ab. Bei weiter fortbestehender Schmerzsymptomatik und deutlicher
Funktionseinschränkung der rechten Hand sowie zunehmender Stress-
symptomatik mit Panikattacken stellte sich der Patient in der Ambulanz
und Tagesklinik für Schmerztherapie in Heidelberg vor.
Diagnose:
Bei der körperlichen Untersuchung war die Spontanmotorik des rechten
Armes kaum mehr vorhanden, nach Aufforderung war ein schwacher
Grobgriff und Faustschluss möglich. Der Zeigefinger wurde gestreckt ge-
halten und war mehr als 2° C kühler. Die funktionellen Einschränkungen
der Hand waren teilweise überwindbar. Daneben lagen eine Hyperhidrose
und eine mechanische Allodynie vor. Die subjektive Schmerzwahrneh-
mung auf der visuellen Analogskala (VAS) wurde mit 5–8 von 10 angege-
ben. Der HADS (Hospitality Anxiety and Depression Scale) Angst lag bei
21 Punkten (Grenzwert 11 Punkte), der HADS Depression bei 14 Punk-
ten (Grenzwert 11 Punkte). Der Wert der freien Rückenfunktion nach dem
Funktionsfragebogen Hannover (FfbH-R) lag bei 35 Prozent. Auffällig war
ein deutlich angespannter Gesichtsausdruck mit Anzeichen für Ärger und
Wut über die Situation. Die psychosomatische Untersuchung ergab ge-
hemmte Aggressionstendenzen gegenüber dem strengen Vater und der
Tochter, die der Patient für den Unfall verantwortlich machte. Nach der
Befunderhebung wurden die folgenden Diagnosen gestellt:
• CRPS, Stadium 3
• Somatoforme Schmerzstörung
• Panikstörung mit Panikattacken
• Anpassungsstörung
Therapie:
Zur Refunktionalisierung des rechten Armes wurden eine Spiegeltherapie
und eine Ergotherapie veranlasst. Daneben erhielt der Patient eine nor-
male Physiotherapie und ein Belastungstraining. Zur Therapie der psy-
chosomatischen Komponente wurde bei dem Patienten eine begleitende
Psychotherapie (vier psychotherapeutische Einzelgespräche pro Woche
und drei Gruppengespräche) durchgeführt. Zweieinhalb Wochen nach
Therapiebeginn fühlte sich der Patient bereits deutlich besser und war mit
dem Therapieergebnis zufrieden. Mit der rechten Hand konnte er wieder
einen Händedruck ausführen, der rechte Arm wurde teilweise wieder in die
Psychomotorik integriert. Obwohl durch die Therapie noch eine weitere
Verbesserung der rechten Hand zu erwarten gewesen wäre, wollte der
Patient die Therapie beenden, um sein Anrecht auf eine Umschulung und
die Unfallrente nicht einzubüßen.
Fazit:
• Der Patient wies neben der Bewegungsstörung im Rahmen eines CRPS
psychische komorbide Störungen auf. Aufgrund der Häufigkeit von ko-
morbiden psychischen Störungen sollte die Therapie des CRPS immer
ganzheitlich orientiert sein – auch Psychotherapie und nichtmedikamen-
töse Maßnahmen sind ein Bestandteil davon.
• Die Persönlichkeit und das Umfeld sowie der sekundäre Krankheitsge-
winn sollten immer bedacht und therapeutisch integriert werden.
• Mit der Spiegeltherapie als einem ergotherapeutischen Verfahren, das in
den Pathomechanismus der kortikalen Reorganisation eingreift, konnte
bei dem Patienten eine deutliche Verbesserung der Psychomotorik so-
wie eine Schmerzreduktion erreicht werden.
Kasuistik
schen Schmerzen zudem eine verminderte Aktivi-
tät des endogenen Schmerzhemmungssystems
eine Rolle spiele. Man vermute, dass auch beim
Menschen eine fehlende Schmerzhemmung für
die Schmerzchronifizierung relevant sei. Dane-
ben scheinen auch veränderte Opiatrezeptorbin-
dungsprofile für die Chronifizierung von neuropa-
thischen Schmerzen eine Rolle zu spielen. Nach
Maihöfner gebe es Hinweise darauf, dass Fib-
romyalgiepatienten eine verminderte Anzahl von
Opioidrezeptoren im Gehirn aufweisen.46
Bei der Spiegeltherapie soll der Patient anstatt der erkrankten beziehungs weise amputierten Extremität das Spiegelbild der gesunden Extremität wahrnehmen. Dazu steht vor dem Patienten in der Sagittalebene ein Spiegel, hinter dem sich die erkrankte oder nach einer Amputation nicht mehr vorhandene Extremität des Patienten befindet. Der Patient blickt in den Spiegel und sieht somit zwei gesunde Extremitäten. Unter ergotherapeutischer Anleitung führt er ein sensomoto-risches Training (zum Beispiel Übungen mit dem Ball, Knetrolle, Nagelbrett) zunächst vor dem Spiegel, nach einiger Zeit dann ohne den Spiegel durch.
Indikationsgebiete der Spiegeltherapie
Deafferenzierungsschmerzen bei:• Amputationen • CRPS (M. Sudeck)• Plexusläsionen • Hirninfarkt
Spiegeltherapiei
10
SCHMERZTHERAPIE BEI TUMORPATIENTEN
Differenzierte Schmerztherapie bei TumorpatientenTumorschmerzen gehören zu den häufigsten und für den Patienten belastendsten Sympto
men einer Tumorerkrankung. Eine bestmögliche, individuell auf den Patienten ausgerichtete
Schmerztherapie ist deshalb die Grundvoraussetzung für den Erhalt der Lebensqualität von
Tumorpatienten. Die Behandlung eines Mixed Pain erweist sich häufig als schwierig und er
fordert eine frühzeitige Kombinationstherapie aus einem Opioid und einem Koanalgetikum,
wie zum Beispiel einem Antidepressivum oder einem Antikonvulsivum. Die Anforderungen
an eine gute Schmerztherapie umfassen neben einer effektiven Schmerzlinderung auch eine
akzeptable Verträglichkeit. Eine mögliche Therapieoption bei Mixed Pain könne, wie PD Dr.
med. Christoph Wiese von der interdisziplinären Schmerzambulanz des Universitätsklini
kums in Regensburg in seinem Vortrag erläuterte, aufgrund seines dualen Wirkmechanismus
auch Tapentadol sein.
Die Zahl von Patienten und Patientinnen, die meist
für längere Zeit wegen einer Tumorerkrankung be-
handelt werden, ist seit 1990 erheblich angestie-
gen. So erhöhte sich die Prävalenz in den letzten
20 Jahren bei den Frauen um circa 35 Prozent, bei
den Männern sogar um 80 Prozent.47 Da rund ein
Drittel aller Betroffenen bereits bei der Erstdiag-
nose Schmerzen aufweist, steigt auch der Bedarf
einer geeigneten Schmerztherapie für Tumorpa-
tienten. Das primäre Ziel der Tumorschmerzthe-
rapie sei, die Lebenszufriedenheit des Patienten
zu verbessern, betonte Wiese. Eine analgetische
Therapie sollte dabei möglichst frühzeitig unter
Nutzung von medikamentösen und nichtpharma-
kologischen Therapieoptionen, wie zum Beispiel
Physiotherapie, Psychotherapie und transkutane
Nervenstimulation (TENS), begonnen werden.
Häufig auch neuropathische Komponente
beim Tumorschmerz vorhanden
Trotz der Möglichkeiten der modernen Schmerz-
therapie muss vor allem die Behandlung von
Tumorschmerzen verbessert werden. So beur-
teilten beispielsweise 75 Prozent der Patienten
ihre aktuelle Schmerzmedikation im Hinblick
auf die Therapie von Durchbruchschmerzen als
nur unzureichend.48 Aufgrund der vielen Facet-
ten, die der Tumorschmerz in puncto Ursachen
und Schmerzart aufweisen kann, erscheint dies
nicht verwunderlich. Nach pathophysiologischen
Gesichtspunkten unterscheidet man beim Tu-
morschmerz zwischen nozizeptiv-somatischen
(45 Prozent), nozizeptiv-viszeralen (30 Prozent)
und neuropathischen (zehn Prozent) Schmer-
zen. Wiese berichtete in seinem Vortrag, dass
beim Tumorschmerz häufig gleichzeitig sowohl
ein nozizeptiver als auch ein neuropathischer
Schmerztyp existiere – man spreche dann vom
sogenannten „Mixed Pain“.49 Die Behandlung ei-
ner Mischung aus nozizeptiven und neuropathi-
schen Schmerzen sei – ähnlich wie beim chro-
nischen Nichttumorschmerz – in der klinischen
Praxis häufig schwierig. Der Mixed Pain erfordere
eine spezifisch auf beide Schmerzanteile wirken-
de analgetische Therapie. Um eine differenzierte
Schmerztherapie beim Tumorschmerz zu ermög-
lichen, sei es allerdings erforderlich, zunächst
eine ausführliche Schmerzdiagnostik durchzufüh-
ren, betonte Wiese.
„Die Diagnose „Mixed Pain“ sollte nach ei-
ner korrekten Schmerzdiagnostik bei Vorlie-
gen von nozizeptiven und neuropathischen
Schmerzanteilen gestellt werden – häufig wird
der Begriff jedoch in der Praxis als Verlegen-
heitsdiagnose bei schwierig einzuordnender
klinischer Symptomatik verwendet.“ PD Dr.
med. Christoph Wiese
Tumorschmerztherapie – schrittweise
therapieren
Tumorschmerzen mit rein nozizeptiven Anteilen
werden, wie Prof. Dr. med. Hubert Bardenheuer
von der Klinik für Anästhesiologie der Universität
Heidelberg erläuterte, klassisch nach dem WHO-
Stufenschema behandelt. Man beginne dabei
mit der Stufe I, also mit den bekannten Nicht-
opioid-Analgetika, die NSARs sowie Paracetamol
und Metamizol umfassen. Bei unzureichender
Schmerzreduktion kombiniere man diese in der
Stufe II mit niederpotenten Opioiden. Führe dies
noch nicht zur akzeptablen Schmerzlinderung
beim Patienten, könne man die niederpotenten
Opioide durch hochpotente Opioide ersetzen
(Stufe III). In der modernen Schmerztherapie ver-
zichte man jedoch inzwischen mehr und mehr auf
den Einsatz von niedrigpotenten Opioiden und
wende stattdessen die heutzutage auch in sehr
niedriger Dosierung verfügbaren hochpotenten
Opioide an, so Bardenheuer. Da niedrig dosierte
hochpotente Opioide häufig verträglicher sind als
hochdosierte niedrigpotente Opoide, habe dies
vor allem im Hinblick auf die Nebenwirkungen
gewisse Vorteile. In Stufe IV des WHO-Stufen-
schemas kämen dann in der palliativen Situation
Schmerzpumpen zum Einsatz. Eine Begleitmedi-
kation mit Antiemetika und Laxanzien sei bei einer
Therapie mit Opioiden indiziert. Eine Therapie mit
Koanalgetika werde abhängig von der speziellen
Situation des Patienten eingesetzt. Hierzu zählen
laut Bardenheuer beispielsweise Antidepressi-
va und Antikonvulsiva, die bei neuropathischen
Schmerzen eingesetzt werden. Bardenheuer
betonte, dass der Patient allerdings vor dem
Einsatz von Antidepressiva und Antikonvulsiva
vom behandelnden Arzt gut über die neben der
eigentlichen Indikation vorhandene analgetische
Wirkung dieser Substanzen informiert werden
müsse, um die Compliance und das Vertrauens-
verhältnis zum Arzt nicht zu gefährden.
Anwendung von Opioiden in der
Tumorschmerztherapie
Der Basisschmerz sollte laut Bardenheuer im-
mer mit Retard-Opioiden behandelt werden. Viel
zu häufig wende man jedoch in der klinischen
Praxis in der Basistherapie Tropfen, also rasch
wirksame Opioide, zur Dauertherapie an. Das
könne langfristig zu einer psychischen Abhän-
gigkeitsproblematik führen, mahnte Bardenheuer.
Die Dosisfindung sollte immer titrierend erfolgen,
wobei die Startdosis von der Tumorerkrankung
abhängt und je nach Vorgeschichte individuell
gewählt werden sollte. Die Dosierung richte sich
nach der Schmerzintensität, die anhand der vi-
suellen Analogskala erfasst werden könne. Für
Durchbruchschmerzen stünden rasch wirksame
Opioide mit einem Wirkeintritt nach drei bis fünf
Minuten zur Verfügung, die oral, nasal, rektal,
Nürnberg Prof. Dr. med. Hubert Bardenheuer
FreisingPD Dr. med. Christoph Wiese
11
SCHMERZTHERAPIE BEI TUMORPATIENTEN
subkutan oder intravenös gegeben werden kön-
nen. Bei Therapieende müssten Opioide immer
ausgeschlichen werden, um einer Entzugssymp-
tomatik mit schwerwiegenden klinischen Folgen
insbesondere bei älteren Patienten vorzubeugen.
Die Applikation der Opioide erfolge entsprechend
der Pharmakokinetik. Bei stabilem Tumorschmerz
böten sich Pflaster an, um die Anwendung beim
Patienten zu erleichtern. Christoph Wiese merkte
in seinem Vortrag an, dass zum Erhalt der indivi-
duellen Lebensqualität bei Tumorpatienten – ins-
besondere in der Palliativsituation – neben einer
ausreichenden Wirksamkeit der Schmerztherapie
auch auf eine akzeptable Verträglichkeit zu achten
sei. Denn immerhin treten laut Wiese bei bis zu
80 Prozent der Patienten bei Therapiebeginn mit
Opioiden Nebenwirkungen auf. 71 Prozent der
Patienten litten unter einer Opioidtherapie an Obs-
tipation.50 Wiese betonte, dass es deshalb wichtig
sei, dass man die Patienten vor Therapiebeginn
über diese Nebenwirkungen informiere und darauf
hinweise, dass sich diese jedoch in den meisten
Fällen im Verlauf der Therapie reduzieren.
Therapieoptionen bei neuropathischer
Schmerzkomponente
Neuropathische Schmerzen entstehen durch eine
direkte Schädigung des Nervensystems. Ursa-
chen dafür sind eine Kompression oder Infiltration
durch Tumorgewebe oder behandlungsassoziier-
te Schädigungen durch Chemotherapeutika oder
eine Strahlentherapie. Neuropathische Schmer-
zen werden als brennend, elektrisierend und ein-
schießend beschrieben. Häufig kommt es zudem
zu sensorischen positiven Symptomen, wie Hy-
peralgesie, Allodynie und Dysästhesie, sowie zu
sensorischen negativen Symptomen, wie Anäs-
thesie oder Hypalgesie.51 Bardenheuer zufolge
treten neuropathische Schmerzen meist spontan
auf. Sie seien für den Patienten außerordentlich
belastend. Da der neuropathische Schmerz häu-
fig nicht morphinsensibel sei, spielten die Koan-
algetika hier eine besonders wichtige Rolle. Als
Standardmedikation setze man insbesondere bei
lanzierenden Schmerzen Antiepileptika ein. Bei
brennenden Schmerzen seien hingegen Antide-
pressiva vom Typ der Serotonin- und Noradrena-
lin-Wiederaufnahmehemmer indiziert.
Tapentadol zur Schmerztherapie bei Mixed
Pain
Wenn, wie beim Mixed Pain, nozizeptiver und
neuropathischer Schmerz nicht voneinander zu
trennen seien, sei es angebracht, eine Behand-
lungsstrategie zu wählen, die beide Schmerz-
komponenten berücksichtigt, erklärte Wiese. Hier
stehe mit Tapentadol eine interessante Therapie-
option zur Verfügung. Durch die Synergie von
zwei Wirkmechanismen, dem µ-Opioidrezeptor-
Agonismus (MOR) und der Noradrenalin-Wie-
deraufnahmehemmung (NRI), in einem Molekül,
könne eine breite analgetische Wirksamkeit bei
allen Schmerztypen – auch bei neuropathischen
Schmerzen – erreicht werden. Ein weiterer Vorteil
von Tapentadol sei, dass opioidspezifische Ne-
benwirkungen aufgrund des µ-sparing-Effektes
seltener, weniger ausgeprägt und auch von
kürzerer Dauer seien. So seien im Vergleich zu
Oxycodon CR unter Tapentadol retard signifikant
weniger gastrointestinale Nebenwirkungen wie
Übelkeit, Erbrechen und Obstipation aufgetreten
(Abb. 6).31 Wiese berichtete, dass deshalb nach
den bisherigen Erfahrungen weder Antiemetika
noch Laxanzien erforderlich seien. Die Dosierung
bei der Ein- beziehungsweise Umstellung auf
Tapentadol retard richte sich nach der vorherge-
gangenen Therapie. Bei Tumorschmerzen sollte
zudem eine Bedarfsmedikation zur Verfügung
stehen, die ein Fünftel bis ein Sechstel der Mor-
phinäquivalenzdosis entspreche. Patienten, die
eine Therapie mit Koanalgetika erhalten, sollten
diese während der Umstellung zunächst beibe-
halten. Nach einer stabilen Dosisfindung könne
dann versucht werden, die Dosis der Koanalge-
tika zu reduzieren. Meist könne man die Anti-
depressiva im weiteren Verlauf dann vollständig
absetzen. Antikonvulsiva können aufgrund des
unterschiedlichen Wirkmechanismus jedoch wei-
terhin hilfreich sein.
„Vom Therapieprinzip ist Tapentadol ein inte-
ressanter Ansatz zur erfolgreichen Therapie
von Mixed Pain.“ Prof. Dr. med. Hubert Bar-
denheuer
Schwerste Schmerzzustände – Schmerz
therapie mittels Medikamentenpumpe
Bei schwersten Schmerzzuständen könne ent-
sprechend der Stufe IV des WHO-Stufenschemas
eine invasive Schmerztherapie mit einer Medika-
mentenpumpe sowohl stationär als auch ambu-
lant eingesetzt werden, erläuterte Bardenheuer.
Hierdurch ermögliche man eine kontinuierliche
Gabe oder vom Patienten individuell abrufbare
Einzelgaben. Eine Schmerzpumpe sei beispiels-
weise bei Schluckstörungen, Tumoren im HNO-
Bereich, in der Finalphase einer Tumorerkrankung
sowie bei trotz höchsten Opioidgaben nicht be-
herrschbaren Schmerzen indiziert. Zur Gabe über
eine Schmerzpumpe eigne sich, so Bardenheuer,
zum Beispiel Morphinsulfat in einer Konzentration
von 10 mg/ml oder Hydromorphon. Für schwere
neuropathische Schmerzen sei insbesondere Le-
vomethadon indiziert. Falls dies nicht ausreiche,
könne Levomethadon mit S-Ketamin kombiniert
werden. Als weitere invasive Verfahren könne
man zudem lokale Infiltrationen, periphere Ner-
venblockaden, Plexus- und Sympathikusblocka-
den sowie die Spinal- und Periduralanästhesie
anwenden, die jedoch in der Palliativsituation nur
eine untergeordnete Rolle spielen. Eine invasive
Schmerztherapie sei, so Bardenheuer, bei Vor-
handensein eines gut ausgebildeten interdiszipli-
nären Teams aus Ärzten, Apothekern und Pflege-
kräften auch ambulant sehr gut möglich.
Übelkeit*
Erbrechen*
Obstipation*
Somnolenz
Schwindel
Pruritus
Mundtrockenheit
7,420,7
36,2
2,9
6,9
3,5
6,3
1,6
2,26,8
4
0 10 20Relative Häufigkeit (%)
Placebo (n = 993) Tapentadol PR (n = 980) Oxycodon CR (n = 1001)
*p < 0,001, TAP vs. OXY TEAE = treatment emergent adverse event
Ausgewählte TEAEs ≥ 5 % der Patienten während der Behandlung
30 40
5,213,4
17,221
11,616,8
16,933
8,221
Abb. 6: Unter Tapentadol retard traten im Vergleich zu Oxycodon CR weniger opioidtypische Nebenwir-kungen auf. Modifiziert nach Lange B et al., Adv Ther 2010.
12
PSYCHOLOGISCHE SCHMERZTHERAPIE
Placebo- oder Kontextfaktoren bei der Behandlung von Schmerzen„The powerful placebo“ – mit dieser Publikation des Anästhesisten Henry K. Beecher begann
die Wissenschaft, sich erstmals mit Placeboeffekten auseinanderzusetzen. Während der Be
griff „Placebo“ früher häufig als Synonym für Einbildung oder Wirkungslosigkeit verwendet
wurde, weisen die neuen Erkenntnisse aus der Hirnforschung darauf hin, dass der Place
boeffekt physiologische Vorgänge im Gehirn auslöst, welche die Wirkungen einer Therapie
imitieren und verstärken oder abschwächen können. Die Placebowirkung stellt dabei keine
feste Größe dar, sondern wird von emotionalen, rituellen und situativen Kontextfaktoren be
einflusst. Mit der Einbeziehung dieser Faktoren in das ärztliche Handeln können die Wirkun
gen einer Schmerztherapie optimiert werden.
Die Gabe von Scheinpräparaten im Rahmen von
Schmerztherapien kann die schmerzlindernde
Wirkung erheblich verbessern (Placebo) oder
verschlechtern (Nocebo). Im engeren Sinne
werden nur positive Wirkungseffekte durch ein
Arzneimittel ohne Wirkstoff als Placeboeffekt be-
zeichnet. Es ist aber nicht das Scheinpräparat
selbst, das den Placeboeffekt erzeugt, sondern
es sind vielfältige unspezifische „Kontextfakto-
ren“. Die Kenntnis und die Verwendung solcher
Kontextfaktoren kann nach Aussage von Dr.
Andreas Kopf von der Klinik für Anästhesiologie
und operative Intensivmedizin an der Charité in
Berlin helfen, die Therapieergebnisse zu opti-
mieren.
Placebos werden gemäß einer Erhebung aus
Hannover häufig zur Schmerztherapie eingesetzt.
74 Prozent der 225 befragten Ärzte und Pfleger-
Innen gaben hierbei an, schon einmal Placebos
eingesetzt zu haben. Bei 62 Prozent der Anwen-
der führte die Placebogabe sogar zum Therapie-
erfolg.52 Auch eine Metaanalyse bestätigte den
häufigen Einsatz von Placebos in der ärztlichen
Praxis – zwölf bis 93 Prozent der Ärzte gaben an,
Placebos verwendet zu haben, dies jedoch nicht
in den Akten vermerkt zu haben. Wie der Meta-
analyse weiter zu entnehmen ist, werden häufig
auch nicht indikationsspezifische Substanzen,
sogenannte „Impure Placebos“, therapeutisch
eingesetzt.53 Man geht heute davon aus, dass für
den Placeboeffekt nicht nur die Gabe der Tablette
oder der Spritze, sondern auch weitere Verände-
rungen im Umfeld des Patienten verantwortlich
sind. Hierzu zählen beispielsweise die „soziale
Erwünschtheit“ beziehungsweise die experimen-
telle Subordination sowie die nonverbale Kom-
munikation.
Placeboeffekte induzieren physiologische
Mechanismen im Gehirn
Die Hirnforschung hat laut Kopf in den letzten
Jahren interessante Erkenntnisse zu den Mecha-
nismen des Placeboeffektes erbracht. Bei der
Placeboanalgesie handele es sich zum einen um
eine klassische Konditionierung, bei der im prä-
frontalen Kortex endogene Opiate ausgeschüttet
würden, die zu einer Schmerzhemmung führten.
Daneben könne eine positive Erwartungshaltung
über das limbische System die Wirkung eines
Medikaments verstärken. Wichtig sei auch die
Suggestibilität, die über das Oxytocinsystem ver-
mittelt werde und Patienten für eine Placebowir-
kung sensibilisieren könne. Analog zum Placebo-
effekt könnten überdies über den Hippocampus
auch Noceboreaktionen getriggert werden. Dies
würde zeigen, dass Placebo- und Noceboeffek-
te nachweislich physiologische Mechanismen im
Gehirn induzieren.
Placeboeffekte verändern sich abhängig
vom Studiendesign
In Studien wird Kopf zufolge gewöhnlich ange-
nommen, dass die Placeboreaktion in der Verum-
und der Placebogruppe immer konstant ist. Man
gehe davon aus, dass die eigentliche Wirkung
einer Substanz nach Abzug der Placebowirkung
ermittelt werden könne, erklärte Kopf. Er warnte,
dass Placeboeffekte jedoch nicht immer konstant
seien. Vielmehr seien sie durch viele unspezifi-
sche Kontextfaktoren beeinflussbar. Man spre-
che dann von der sogenannten Placebofalle, bei
der die Verumwirkung durch viele unspezifische
Kontextfaktoren maskiert und somit die eigentli-
che Wirkung über- oder unterschätzt werde. Wie
Kopf erläuterte, sind bereits kleinere Veränderun-
gen des Studiendesigns in der Lage, die Wirkung
von Kontextfaktoren zu beeinflussen. So habe
eine Studie bewiesen, dass bei einer höheren
Wahrscheinlichkeit, das Studienmedikament zu
erhalten, auch die Differenz zwischen Verum- und
Placeboeffekt größer wurde.54 Wie groß der Ein-
fluss von Kontextfaktoren auf die Wirkung einer
Analgetikagabe sein könne, habe eine Studie aus
Italien demonstriert, bei der Patienten postopera-
tiv das Analgetikum einmal offen, das heißt über
eine aktive Gabe durch den Pfleger, sowie ein-
mal verdeckt, das heißt ohne Ankündigung über
einen Perfusor, erhielten. Bei den Patienten, die
das Analgetikum offen bekommen hätten, sei
eine Schmerzlinderung früher erreicht worden als
bei den Patienten der verdeckten Gruppe.55 Das
Medikament sei folglich, so Kopf, initial praktisch
unwirksam, wenn der Patient nicht wisse, dass er
es bekomme.
Kontextfaktoren können die Wirkung einer
Schmerztherapie beeinflussen
Wie positive Patientenerwartungen die Wirkung
einer therapeutischen Maßnahme beeinflussen
können, zeigte eine Post-hoc-Analyse von vier
Akupunkturstudien. Patienten, die eine hohe Er-
wartung an die Akupunkturbehandlung hatten,
sprachen auch besser auf die Therapie an.56
Von großer Bedeutung für das Ansprechen eines
Medikaments sei aber auch der Arzt-Patienten-
Kontakt, bemerkte Kopf. Einen Einfluss auf die
Wirkung von Analgetika habe zum Beispiel,
das Geschlecht des Behandlers. So habe eine
Studie demonstrieren können, dass männliche
Probanden ihre Schmerztoleranz mehr als ver-
doppeln würden, wenn der Therapeut weib-
lich sei. Auch das Aussehen des Arztes könne
die Schmerztoleranz beeinflussen. Schmerzen
würden beispielsweise besser toleriert, wenn
der Behandler ein „professionelles Aussehen“
habe.57 Daneben spiele auch die verbale Kom-
munikation mit dem Patienten eine Rolle. Dies
demonstrierte eine Studie an Patienten, die
eine Akupunkturbehandlung erhielten. Bei jenen
Patienten, mit denen nicht gesprochen wurde,
waren die therapeutischen Effekte nur gering-
gradig höher als bei den Patienten, die gar keine
Therapie erhielten. Bei Patienten, mit denen sich
der Arzt ausführlich unterhalten hatte, erbrachte
die Behandlung die besten Resultate.58 Ähnliche
Effekte lassen sich offensichtlich auch über die
nonverbale Kommunikation erzielen. Denn wie
eine Studie herausfand, können Behandler, die
über ihre Körpersprache dem Patienten ver-
mitteln, dass eine Therapie wahrscheinlich un-
wirksam ist, die Wirkung einer Therapie negativ
beeinflussen.59
FreisingDr. med. Andreas Kopf
13
PSYCHOLOGISCHE SCHMERZTHERAPIE
„Der Placeboeffekt ist keine konstante Größe,
sondern etwas, das vom Arzt gut beeinflusst
werden kann.“ Dr. med. Andreas Kopf
Psychosoziale Kontextfaktoren verändern
das Schmerzempfinden
Auch der soziale Kontext wie zum Beispiel der
Einfluss von Angehörigen oder Arbeitskollegen
beeinflusst den Behandlungserfolg. Einen un-
gewöhnlichen situativen Kontextfaktor demons-
trierte eine Studie, in der das Zählen von Geld-
scheinen zu einer stärkeren Schmerzreduktion
als das Zählen von einfachen Papierscheinen
führte.60 Daneben scheinen auch andere situ-
ative Kontextfaktoren die Therapie zu beein-
flussen. Wie Kopf aufzeigte, sind zum Beispiel
durch helle Räumlichkeiten sowie durch Aus-
blicke auf Grünflächen bessere Erfolge einer
Schmerztherapie erzielt worden. Interessan-
terweise scheinen auch Bilder in den Behand-
lungsräumen die Therapie zu beeinflussen. In
einer Studie an postoperativen Patienten wiesen
die Patienten, die Naturbilder in den Räumen
hatten, weniger Schmerzen auf als Patienten in
Räumen mit abstrakten Gemälden oder ganz
ohne Bebilderung.61 Stark beeinflusst wird das
Schmerzempfinden zudem durch emotionale
Kontextfaktoren. Dies zeigte eine Studie an 15
verliebten jungen Männern, deren Schmerzemp-
finden beim Anblick eines Fotos der Partnerin
deutlich reduziert wurde.62 Auch ein ritueller
Kontext kann eventuell das Behandlungsergeb-
nis beeinflussen. So können laut Kopf bereits die
um einen operativen Eingriff ablaufenden Klinik-
rituale, wie beispielsweise die Aufnahme in eine
fremde Umgebung, die „Chefarztvisite“ oder
die OP-Kleidung von Patient und Ärzten, die
Wirksamkeit einer Behandlung deutlich verbes-
sern.63 Aus ethnologischer Sicht könne somit
eine Oper ation sozusagen als schamanistisches
Ritual angesehen werden, erläuterte Kopf.
Nutzung der Kontextfaktoren für eine opti
mierte Schmerztherapie
Zwar können Placebos in der Schmerztherapie
eine Analgetikagabe nicht ersetzen, jedoch soll-
ten Kopf zufolge Kontextfaktoren in der Schmerz-
therapie auch aktiv genutzt werden. Hierzu zähle
beispielsweise, dass der Behandelnde offen mit
dem Patienten über eine Analgetikagabe spre-
che und die Gründe für die Therapiewahl in einer
für den Patienten verständlichen Sprache darle-
ge. Auch die therapeutische Umgebung müsse
optimiert werden. Hierzu zählten zum Beispiel
das Aussehen des Behandlers sowie ausrei-
chende Lichtverhältnisse im Raum. Auch das
Fragen nach den Erwartungen des Patienten
spiele eine wichtige Rolle. Hierdurch könne eine
für den Patienten und seine Umgebung akzep-
table Behandlungsoption mit den therapeutisch
indizierten Maßnahmen kombiniert werden und
dadurch gerade bei chronischen Schmerzpati-
enten der Behandlungserfolg deutlich verbes-
sert werden, so Kopf. Als Behandler sollte man
zudem selbst von der Therapie überzeugt sein,
denn eine skeptische Einstellung gegenüber
der therapeutischen Maßnahme werde immer
auch nonverbal auf den Patienten übertragen.
Es gehe darum, die „ärztliche Kunst“ wieder-
zuentdecken und nicht anzunehmen, dass eine
Leitlinienbefolgung allein ein optimales Behand-
lungsergebnis sichere.
„Die Person des Arztes als beratender Be-
gleiter sollte wieder mehr in den Vordergrund
gestellt werden.“ Dr. med. Andreas Kopf
Psychosoziale und spirituelle Bedürfnisse von Patienten mit chronischen SchmerzenDie Ursachen für chronische Schmerzen sind vielfältig. Eine erfolgreiche Schmerztherapie
sollte deshalb multimodal erfolgen. Neben den medikamentösen Maßnahmen kommt den
psychologischen Therapieansätzen, den Entspannungstherapien sowie den Lebensstil und
Verhaltensänderungen eine bedeutende Rolle zu. Auch die psychosozialen und spirituellen
Bedürfnisse von Patienten sollten hierbei berücksichtigt werden, da sie für die Krankheitsbe
wältigung bedeutsam sind.
Das Ziel eines multimodalen Therapieansatzes
bestehe darin, auch die affektiven Begleiterschei-
nungen zu berücksichtigen und die Entwicklung
der „Schmerzkrankheit“ mit ihren psychosozialen
Folgen zu vermeiden, berichtete Prof. Dr. med.
Arndt Büssing vom Zentrum für Integrative Me-
dizin an der Universität Witten/Herdecke in seinem
Vortrag. Neben der Verbesserung der lebensbezo-
genen Funktionen („Physis“) solle auch die emotio-
nale und psychische Seite des Menschen einbezo-
gen werden – und eben zudem auch die Chance
bestehen, möglicherweise vorhandene spirituelle
Ressourcen des Patienten einzubeziehen. Die gän-
gigen Methoden der modernen Medizin umfasse
heute eine Vielzahl an therapeutischen Ansätzen,
mit denen mit guten Erfolgen Körper und Psyche
des Menschen behandelt werden könnten. The-
rapieansätze zur Aktivierung von spirituellen Res-
sourcen, wie zum Beispiel Achtsamkeit, Meditati-
on, Kreativität und Kunst, würden jedoch häufig zu
wenig berücksichtigt. Der Grund hierfür ist, dass
die unterschiedlichen Spiritualitäten der Patienten
im klinischen Kontext meistens ausgeblendet wer-
den, da sie nicht zum eigentlichen medizinischen
Behandlungsauftrag gehören. Oft lägen hier auch
Missverständnisse vor („irrelevanter Hokuspokus“)
– obwohl diese Büssing zufolge bei der aktiven
Krankheitsbewältigung eine wichtige Rolle spielen
können. Der Begriff Spiritualität sei ein multidimen-
sionales Konstrukt und bezeichne eine nach Sinn
und Bedeutung suchende Lebenseinstellung, die
mit einem Gefühl der Verbundenheit mit den an-
deren, der Natur und/oder dem „Göttlichen“ etc.
einhergehe. Daraus resultiere in vielen Fällen ein
günstigeres Gesundheitsverhalten. Häufig biete
erst eine schwere Erkrankung Menschen den Zu-
gang zur Reflektion über Sinn und Bedeutung des
eigenen Lebens.
Spiritualität und Religiosität – positive
Beeinflussung des Lebensstils
Spiritualität hat wahrscheinlich einen positiven
Einfluss auf die Gesundheit. So zeigte eine Meta-
analyse, dass ein Engagement im Rahmen einer
INTEGRATIVE SCHMERZTHERAPIE
Baden- Baden und NürnbergProf. Dr. med. Arndt Büssing
14
INTEGRATIVE SCHMERZTHERAPIE
Schmerz und Muskel bei geriatrischen PatientenWer Schmerzen hat, bewegt sich weniger. Weniger Bewegung führt zum Abbau von Muskula
tur. Dieser Teufelskreis aus Schmerz, Immobilität und Muskelabbau, in dem sich häufig ältere
Patienten befinden, führt in den meisten Fällen zum Verlust der funktionellen Selbstständig
keit. Um eine frühzeitige Pflegebedürftigkeit zu verhindern, sollten deshalb bei geriatrischen
Patienten neben einer Schmerztherapie gezielte Bewegungsprogramme zum Erhalt der Mus
kelmasse durchgeführt werden.
Ein wichtiger Aspekt in der geriatrischen Medizin
sei es, die vorzeitige Pflegebedürftigkeit zu verhin-
dern, erläuterte Dr. med. Martin Runge, Ärztlicher
Leiter der Aerpah-Klinik in Esslingen. Eine wich-
tige Aufgabe sei es, den altersassoziierten Mus-
kelabbau zu verhindern, denn dieser sei häufig der
Beginn einer Kaskade, die von der Altersgebrech-
lichkeit (engl. Frailty) über die Pflegebedürftigkeit
bis hin zum Tod reiche. Die Bewegung könne
hier entscheidend zum Erhalt der neuromuskulä-
ren Funktionen beitragen. Denn Muskulatur und
Knochen hätten auch im hohen Alter noch die
Fähigkeit, sich durch Trainingsreize wieder zu re-
generieren, fügte Runge an. Da Schmerzen häufig
zur Immobilität führen, sei beim älteren Patienten
eine effektive Schmerzlinderung von Bedeutung.
Hier sei zu beachten, dass der Schmerz im Alter
durch Multimorbidität, Multimedikation, Depres-
sion und Demenz sowie durch altersspezifische
Veränderungen modifiziert werde. Schmerz werde
im Alter zwar weiterhin empfunden, jedoch müs-
se berücksichtigt werden, dass Schmerzen durch
Störungen der Kognition und Kommunikation
häufig nicht kommuniziert werden, so Runge. Auf-
grund des demografischen Wandels – 55 Prozent
der jetzt lebenden Frauen werden wenigstens 85
Jahre alt – müsse auch das Gesundheitssystem
in Zukunft vermehrt die speziellen Therapiebedürf-
nisse geriatrischer Menschen berücksichtigen,
betonte Runge.69
SCHMERZTHERAPIE IM ALTER
institutionalisierten Spiritualität mit einer geringe-
ren Sterblichkeit einhergehe, während dies für
intrinsische Aspekte der Spiritualität scheinbar
nicht zutrifft.64 Dieser Effekt sei jedoch nur bei Ge-
sunden und nicht bei Kranken sichtbar gewesen,
betonte Büssing. Eine weitere Metaanalyse weist
darauf hin, dass Spiritualität/Religiosität aufgrund
eines gesünderen Lebensstils das Risiko für le-
bensstilassoziierte Tumoren verringern könne.65
Es komme also auf das Verhalten im Alltagsle-
ben an, betonte Büssing. Bei Schmerzpatienten
beeinflusst ihre religiöse Haltung zwar nicht die
Schmerzempfindung, sie ist aber in vielen Fällen
mit einer positiveren Einstellung gegenüber der
Schmerzerkrankung assoziiert.66 Auf den Verlauf
von Erkrankungen haben die verschiedenen For-
men der Spiritualität wahrscheinlich keinen direk-
ten Einfluss (sie sind wohl ein Wirkfaktor in einer
Reihe verschiedener biopsychosozialer Einflüsse)
– wohl aber auf den Umgang mit der Erkrankung.
Bessere Krankheitsbewältigung durch
Spiritualität
Bei Schmerzpatienten sei das Interesse für Spi-
ritualität, im Gegensatz zu Patienten mit Tumor-
erkrankungen, eher niedrig bis moderat ausge-
prägt, berichtete Büssing. Schmerzpatienten,
die einen Rückhalt in ihrer Spiritualität fänden,
würden ihre Erkrankung jedoch häufig deutlich
positiver bewerten und könnten trotz Schmerz-
symptomatik eher Freude und Glück empfin-
den.67,68 Unser Gesundheitssystem unterstütze
die spirituellen Bedürfnisse von Patienten im
Gegensatz zu den primären Bedürfnissen jedoch
nur selten, obwohl Patienten, wie die Ergebnis-
se einer Studie ergeben hätten, eher mit ihrem
Arzt als mit ihrem Pfarrer oder Seelsorger über
diese Bedürfnisse sprechen würden.67 Spirituelle
Bedürfnisse umfassen Büssing zufolge sowohl
psychosoziale als auch emotionale, existenzielle
und religiöse Faktoren, wobei der Wunsch nach
innerem Frieden sowie nach aktiver Weitergabe
(von Lebenserfahrungen und sogar Trost) die
größte Relevanz für die Patienten haben. Das
zeigt auch eine Untersuchung an chronischen
Schmerzpatienten. Sie demonstriere, dass ein
negativer Zusammenhang zwischen der Lebens-
zufriedenheit und dem Bedürfnis nach innerem
Frieden existiere, während religiöse Bedürfnisse
eher mit der Schmerzsymptomatik assoziiert
sind. Da psychosoziale und spirituelle Bedürfnis-
se für eine Vielzahl von Patienten eine wichtige
Rolle bei der Krankheitsbewältigung spielten,
sollten sie von Ärzten wahrgenommen und wert-
geschätzt werden, forderte Büssing. Methoden,
wie diese Bedürfnisse vom Gesundheitssystem
unterstützt werden können, müssten jedoch
noch erarbeitet werden.
MindBodyMedizin – mit Yoga und
Meditation Schmerzen lindern
Auch mithilfe bestimmter Verfahren aus dem
Bereich der Mind-Body-Medizin sei es möglich,
Erkrankungen durch eine Förderung der Bewälti-
gungs- und Gesundheitsressourcen, der Selbst-
kompetenz und der Entspannung positiv zu
beeinflussen. Zu den Methoden der Mind-Body-
Medizin gehörten unter anderem Entspannungs-
techniken, Mediation, Yoga, Qigong, autogenes
Training, Spiritualität und andere. Eine aktuelle
Metaanalyse der Arbeitsgruppe von Büssing
zum Einfluss von Yoga, das sowohl Auswirkun-
gen auf die Körperfunktion als auch auf Psyche
und Spiritualität des Patienten haben kann, auf
Schmerz und Schmerz-assoziierte Beeinträchti-
gungen belegte moderate Effektstärken bei ge-
ringen Nebenwirkungsprofilen. Die größten Effek-
te hätten sich, so Büssing, jedoch bei Gesunden
gezeigt. Bei chronischen Schmerzpatienten seien
die Behandlungseffekte moderater ausgefallen.
Interessanterweise hätte gerade eine kürzere
Dauer der Yoga-Intervention günstigere Effekte
als eine längere Übungsdauer. Yoga beeinflusse
überdies positiv Depressivität, Ängstlichkeit sowie
Schlafstörungen und Fatigue. Auch mit bestimm-
ten Formen der Meditation lasse sich laut Büssing
die Schmerzsymptomatik, die Stimmungslage,
Coping-Fähigkeiten sowie die Lebensqualität von
chronischen Schmerzpatienten positiv beeinflus-
sen – wenn es dem Patienten gelänge, sich auf
diese Verfahren einzulassen.
„Interventionen der Mind-Body-Medizin
haben den Vorteil, dass sie vom Patienten
selbstständig durchgeführt werden können
und relativ kostengünstig sind.“ Prof. Dr. med.
Arndt Büssing
Baden-BadenDr. med. Martin Runge
15
SCHMERZTHERAPIE IM ALTER
Frauen sind häufiger von Schmerz und
Immobilität betroffen als Männer
Frauen leben zwar länger als Männer, sind je-
doch häufiger immobil und pflegebedürftig. Run-
ge verwies hierbei auf die Berliner Altersstudie.
Sie zeige, dass 42,6 Prozent der Frauen ab 85
Jahren nicht mehr in der Lage sind, selbststän-
dig eine Treppe hochzusteigen. Die Folge dieser
auch mit dem Begriff gerontologisches Paradox
bezeichneten Beobachtung sei, dass insbeson-
dere Frauen im Alter ein Muskelaufbautraining
betreiben sollten. Frauen seien auch häufiger
von Schmerzen betroffen als Männer, bemerkte
Runge. So hätten in einer Erhebung aus Bremen
78 Prozent der älteren Frauen berichtet, dass sie
stark oder mittelmäßig von Schmerzen betroffen
seien. Bei den Männern hingegen seien dies nur
62 Prozent gewesen. Eine verminderte Mobilität
ist laut Runge mit einer erhöhten Rate an Stür-
zen, Frakturen, Krankenhauseinweisungen und
Pflegeheimeinweisungen sowie mit einer erhöh-
ten Mortalität assoziiert. Dies hätten verschie-
dene Studien demonstriert, in denen schlechte
Ergebnisse bei lokomotorischen Testverfahren,
wie zum Beispiel der Handkraft, ein hochsig-
nifikanter Prädiktor für eine erhöhte Mortalität
gewesen sei.
„Frauen sind zwar langlebiger, haben aber
durchschnittlich eine schlechtere Lokomotion
im Alter als Männer.“ Dr. med. Martin Runge
Hüftfrakturen sind häufig durch altersbe
dingte Stürze bedingt
Der Begriff der Sarkopenie sei zwar allgemein ak-
zeptiert, habe aber in der klinischen Praxis noch
nicht zu einer einheitlichen Operationalisierung
gefunden, berichtete Runge. Mithilfe von bildge-
benden Verfahren, wie der DXA-Methode oder
der peripheren quantitativen Computertomogra-
phie, lasse sich zwar die Muskelmasse quantitativ
bestimmen, inwieweit damit jedoch eine Korrela-
tion zur Lokomotion getroffen werden könne, sei
fraglich. Funktionelle einfache Tests, wie die Be-
stimmung der Handkraft, der Gehgeschwindigkeit
und der Fähigkeit schnell aus dem Sitzen ohne
Einsatz der Arme aufzustehen, sind laut Runge
besser geeignet, um eine Sarkopenie zu diagnos-
tizieren und Therapieverläufe zu dokumentieren.
Denn nach den Ergebnissen von Längsschnittun-
tersuchungen weisen Handkraft, Gehgeschwin-
digkeit und die Leistungen beim Aufstehen aus
dem Sitzen eine erstaunliche hohe Korrelation mit
der Mortalität und dem Eintritt der Pflegebedürf-
tigkeit im hohen Alter auf. Für die Prävention von
altersbedingten Stürzen sei deshalb das Erfassen
von muskulären Einschränkungen von enormer
Bedeutung. So werden 90 Prozent aller proxima-
len Femurfrakturen, wie Runge anführte, durch
einen Sturz verursacht. In vielen Studien könne
zwar ein Zusammenhang zwischen dem Vorlie-
gen einer Osteoporose und Frakturen demonst-
riert werden, jedoch hätten diese Studien nie die
Stürze in die Analyse einbezogen. Tatsächlich
wiesen nur weniger als die Hälfte der Patienten
mit einer Hüftfraktur einen DXA-T-Score von we-
niger als -2,5 auf.70 Da eine Hüftfraktur häufig den
Beginn einer Pflegebedürftigkeit einleite, komme
der Prävention von altersbedingten Stürzen und
Frakturen eine entscheidende Rolle zu.
„Die Hüftfraktur ist ein Paradigma für das
Versagen des neuro-muskulo-skelettalen
Systems im Alter.“ Dr. med. Martin Runge
Assessment des Sturzrisikos bei Verdacht
auf ein FrailtySyndrom
Vor dem Eintritt einer Pflegebedürftigkeit weist
der ältere Patient häufig Anzeichen einer alters-
bedingten Gebrechlichkeit auf, die als Frailty-
Syndrom bezeichnet werden. Dazu gehörten
Gewichtsverlust, Erschöpfung, Kraftverlust, eine
verminderte körperliche Aktivität sowie ein Verlust
der Gehgeschwindigkeit.71 Laut einer aktuellen
Longitudinalstudie an 35.000 Teilnehmern eignet
sich zur Diagnostik der Frailty vor allem die frei ge-
wählte Gehgeschwindigkeit.72 Desweiteren eig-
nen sich zur Erfassung einer altersbedingten Ge-
brechlichkeit Runge zufolge der Aufstehtest und
das Balancemanöver sowie der Tandemstand.
Ein älterer Mensch, der nicht in der Lage ist, min-
destens zehn Sekunden in der Tandemposition
zu stehen, ist, wie Runge erklärte, erhöht sturz-
und frakturgefährdet. Ein lokomotorischer Sturz
ohne Bewusstseinsveränderung im Alltag sei im-
mer ein Hinweis für einen Rückgang der neuro-
muskulären Kompetenz. Spätestens dann sollte
ein Assessment des Sturzrisikos erfolgen (siehe
Kasten). Für den Erhalt der Lokomotion sei eine
sorgfältige medikamentöse Schmerztherapie eine
unerlässliche Basis, so Runge. Daneben kämen
vor allem nichtmedikamentöse Maßnahmen, wie
physikalische Therapien und insbesondere Be-
wegungsprogramme zur Verbesserung von Kraft,
Koordination und Beweglichkeit, zum Einsatz.
1. Aufstehtest zur Evaluierung der Hüftmuskulatur2. Tandemstand/-gang zur Evaluierung der Balance zur Seite3. Visus4. Medikation: Es besteht ein erhöhtes Sturzrisiko bei einer Multimedikation mit mehr als vier
Substanzen. Patienten unter Neuroleptika, Benzodiazepinen, Antidepressiva, Antikonvulsiva oder Opiaten sind besonders gefährdet
5. Kognition/Demenz6. Kreatinin-Clearance < 65 ml/min
Als Screeningverfahren sollten eine Sturzanamnese, eine klinische Ganganalyse sowie als Mobilitätstest ein Up-and-Go-Test (Beurteilung von Beweglichkeit und Gleichgewicht beim Aufstehen und beim Gehen) durchgeführt werden.
Sturzrisikoassessment bei älteren Patienteni
16
Palexia retard 50 mg/100 mg/150 mg/200 mg/250 mg Retardtabletten; Verschreibungspflichtig/Betäubungsmittel; Wirkstoff: Tapentadol (als Hydrochlorid). Zusammensetzung: Arzneilich wirksamer Bestandteil: Tapentadol (als Hydrochlorid). Sonstige Bestand-teile: Tablettenkern: Hypromellose, Mikrokristalline Cellulose, Hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat. Tablettenüberzug: Hypromellose, Lactose-Monohydrat, Talkum, Macrogol 6000, Polypropylenglycol, Titandioxid (E 171), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172) [nur in Palexia retard 100 mg, 150 mg, 200 mg, 250 mg], Eisen(III)-oxid (E 172) [nur in Palexia retard 150 mg, 200 mg, 250 mg], Eisen(II,III)-oxid (E 172) [nur in Palexia retard 250 mg]. Anwendungsgebiete: Behandlung von starken, chronischen Schmerzen bei Erwachsenen, die nur mit Opioid-Schmerzmitteln ausreichend behandelt werden können. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Tapentadol oder einen der sonstigen Bestandteile von Palexia retard; Asthma oder eine bedrohlich langsame oder flache Atmung (Atemdepression, Hyperkapnie); Darmlähmung; akute Vergiftung durch Alkohol, Schlaftabletten, Schmerzmittel oder an-dere Psychopharmaka (Arzneimittel mit Wirkung auf Stimmungslage und Gefühlsleben). Nebenwirkungen: Sehr häufig: Übelkeit, Verstopfung, Schwindel, Schläfrigkeit, Kopfschmerz. Häufig: verminderter Appetit, Ängstlichkeit, depressive Verstimmung, Schlaf-störungen, Nervosität, Ruhelosigkeit, Aufmerksamkeitsstörung, Zittern, Muskelzucken, Erröten, Kurzatmigkeit, Erbrechen, Durchfall, Verdauungsstörungen, Juckreiz, verstärktes Schwitzen, Hautausschlag, Schwächegefühl, Müdigkeit, Empfinden von Schwankungen der Körpertemperatur, trockene Schleimhäute, Flüssigkeitsansammlung im Gewebe (Ödem). Gelegentlich: allergische Reaktionen, Gewichtsverlust, Desorientiertheit, Verwirrtheit, Erregbarkeit (Agitiertheit), Wahrnehmungsstörungen, ungewöhnliche Träume, eu-phorische Stimmung, Bewusstseinsstörungen, Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens, mentale Beeinträchtigung, Ohnmacht, Sedierung, Gleichgewichtsstörungen, Sprachstörungen, Taubheitsgefühl, abnorme Hautempfindungen (z. B. Kribbeln, Prickeln), Sehstörungen, beschleunigter Herzschlag, verlangsamter Herzschlag, erniedrigter Blutdruck, Bauchbeschwerden, Nesselsucht, ver-zögertes Wasserlassen, häufiges Wasserlassen, funktionelle Sexualstörung, Arzneimittelentzugssyndrom, Störungen des Allgemein-befindens, Reizbarkeit. Selten: Arzneimittelabhängigkeit, abnormes Denken, epileptischer Anfall, sich einer Ohnmacht nahe fühlen, abnorme Koordination, bedrohlich langsame oder flache Atmung (Atemdepression), gestörte Magenentleerung, Trunkenheitsgefühl, Gefühl der Entspannung. Allgemein ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Selbstmordgedanken und entsprechendem Verhal-ten bei Patienten erhöht, die unter chronischen Schmerzen leiden. Zusätzlich können Arzneimittel zur Behandlung von Depressionen (die eine Wirkung auf die Botenstoffe im Gehirn haben) dieses Risiko besonders zu Beginn einer Behandlung erhöhen. Obwohl Tapentadol auch Botenstoffe im Gehirn beeinflusst, geben die Daten zur Anwendung von Tapentadol beim Menschen keinen Anhalt für das Vorliegen eines solchen erhöhten Risiko. Warnhinweis: Palexia retard enthält Lactose. Packungsbeilage beachten. Stand der Information: 08/2010. Grünenthal GmbH, 52099 Aachen, Deutschland
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