schulverweigerung - hintergrund und handlungsstrategien · 2012-10-02 · schwierigen situationen,...
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Schulverweigerung - Hintergrund und
Handlungsstrategien
Irene Hofmann-Lun
Deutsches Jugendinstitut, München
Forschungsschwerpunkt “Übergänge in Arbeit”
Große Arbeitstagung der AGJÄ
Wolfsburg 4. September 2012
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Hintergründe zu schulverweigerndem Verhalten
Definitionen
Umfang von Schulverweigerung
Alter der Jugendlichen
Geschlecht, Migrationshintergrund
Ursachen
Maßnahmen
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Definitionen - Sichtweisen
Mit dem Etikett „Schulverweigerer“ werden u.a. belegt:
Aktive Schulverweigerer Kinder und Jugendliche, die unentschuldigt wiederholt, regelmäßig bzw.
dauerhaft der Schulpflicht nicht nachkommen
Kinder und Jugendliche, die zwar im Unterricht physisch präsent sind,
aber die Teilnahme am Unterricht aktiv verweigern, z.B. durch Störungen
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Definitionen - Sichtweisen
Mit dem Etikett „Schulverweigerer“ werden u.a. belegt:
Passive Schulverweigerer Kinder und Jugendliche, die zwar im Unterricht physisch präsent sind, sich
aber passiv verhalten, regelmäßig oder dauerhaft zurückziehen, psychisch
abwesend sind
Kinder und Jugendliche, die formal entschuldigt, aber nicht
nachvollziehbar häufig am Unterricht nicht teilnehmen
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Definitionen - Sichtweisen
Schulmüdigkeit
ist die Vorform einer Verweigerungshaltung und kann sich ausdrücken in:
Wiederholung von Schuljahren
in noch nicht verfestigtem passiven und aktiven Verweigerungsverhalten
Die Übergänge zur Schulverweigerung sind fließend
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Schulprobleme sind ein Hilferuf. Das Kind versucht
auf sich und seine Situation aufmerksam zu machen.
Die Abkehr von Schule entsteht nicht „von heute auf
morgen“. Werden Anzeichen früh erkannt, kann
einer Verfestigung (möglicherweise) vorgebeugt
werden.
Schwierigen Erwerbsverläufen gehen schwierige
Bildungskarrieren voraus. Die „Spirale“ beginnt in der
Grundschule und schlägt sich in manifestem
Verhalten in der weiterführende Schule nieder.
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Schulabkehr ist ein Prozess
„…dauerhaftes Schwänzen entsteht nicht über Nacht,
sondern ist das Ergebnis eines Prozesses, ein Driften mit
vielen Zwischenstationen.“ (Thimm)
Begrifflichkeiten: Schwänzen, Schulmüdigkeit, Schulver-
drossenheit, unterrichtsmeidendes Verhalten, Schulangst,
Schulphobie, -distanz, -verweigerung, -absentismus etc.
Wie kann die Abwärtsspirale unterbrochen werden?
Wann/Wo/Wem/Welche Lösungen anbieten?
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Umfang von Schulverweigerung
Deutschland verfügt bisher über keine systematische Erfassung der Schulversäumnisse schulpflichtiger
Kinder und Jugendlicher, welche die Auswertung und vor allem den Vergleich der Daten ermöglicht.
Repräsentative Erhebungen liegen von einzelnen Bundesländern, Regionen und Kommunen vor.
Schätzungen zufolge verweigern von den insgesamt circa 12 Millionen SchülerInnen in Deutschland
etwa 10 Prozent den Besuch der Schule über mehrere Wochen und sogar teilweise über Monate
hinweg verweigern. An den allgemeinbildenden Schulen wird aktuell von ein bis zwei Prozent der
SchülerInnen ausgegangen, die die Schule dauerhaft schwänzen. (vgl. Karoline Hof, Schulverweigerung- Hintergründe und
pädagogische Interventionsmöglichkeiten, Erfurt 2010, S. 29)
Die Stadt Weimar hat im Schuljahr 2008/2009 anhand der Abschlusszeugnisse von den SchülerInnen
der achten Klassen einer Regelschule, eines Gymnasiums und einer Förderschule unentschuldigte
Fehltage untersucht. Die GesamtschülerInnenzahl der Erhebung betrug 407. Der prozentuale Anteil von
unentschuldigten Fehltagen lag in der Regelschule bei 25,2 Prozent, in dem Gymnasium bei 0,5
Prozent und in der Förderschule bei 15,5 Prozent. (vgl. Karoline Hof, Schulverweigerung
- Hintergründe und pädagogische Interventionsmöglichkeiten, Erfurt 2010)
Köln: Alle 30 Kölner Hauptschulen wurden im November 2003 an drei Stichtagen befragt. Es ergab sich
eine Absentismusquote von 3,5 % für das ganztägige Schulschwänzen. Ein Vergleich der Quoten
zwischen den Stichtagen zeigt, dass der ganztägige Absentismus in der Abfolge der drei Stichtage
zunimmt. Am Freitag fehlten entschuldigt 5,6 % und unentschuldigt 4,5 % der Hauptschüler. An diesem
Tag war also jeder zehnte Hauptschüler nicht in der Schule. (vgl. Wagner/Dunkake/Weiß, Schulverweigerung. Empirische
Analysen zum abweichenden Verhalten von Schülern. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 56, 3 (2004), S. 457-489)
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Umfang von Schulverweigerung
Schleswig-Holstein
Untersuchung zum Fernbleiben von Schülerinnen und Schülern an allen Haupt- und
Förderschulen ab der 5. Klasse: 13 % der Hauptschülerinnen und Hauptschüler in Schleswig-
Holstein versäumen mehr als 10 Schultage pro Halbjahr, in der Förderschule 20 %. An den
Hauptschulen häuften sich die Fehlzeiten in den 7. und 8. Jahrgangsstufen, an der Förderschule
in der 9. Jahrgangsstufe. (Rat für Kriminialitätsverhütung in Schleswig-Holstein, Konzepte gegen Schulabsentismus (2007)
Sachsen
Für den Freistaat Sachsen liegt eine Datenerhebung durch die Technische Universität Dresden
für das Schuljahr 2004/2005 vor. Die Fehlzeiten in der Kategorie 1–3 Tage sowie in der 7. und 8.
Klasse sind an Förderschulen am höchsten. In der Förderschule für Erziehungshilfe fehlen in der
Klassenstufe 7 knapp 23 % der Schülerinnen und Schüler dieser Klassenstufe 1 bis 3 Tage
unentschuldigt (Mittelschule 3,59 %). In der Klassenstufe 8 fehlen in dieser Schulform sogar
11,6 % der Schüler über 21 Tage unentschuldigt. (Gängler/Wiere: Bericht über die Datenerhebung von
Schulversäumnissen an allgemeinbildenden öffentlichen Schulen in Sachsen, TU Dresden 2005)
Berlin
Im Vergleich zum 2. Schulhalbjahr 2001/02 sind im 1. Schulhalbjahr 2004/05 die Anteile der
Schüler mit hohen Fehlzeiten gesunken. Während im 2. Schulhalbjahr 2001/02 3,57 % aller
Schüler an 21 bis 40 Tagen fehlten, waren es im 1. Schulhalbjahr 2004/05 lediglich 2,81 %. Mehr
als 40 Tage fehlten im 2. Schulhalbjahr 2001/02 1,36 % und im 1. Schulhalbjahr 2004/05 nur
noch 0,77 %. Die Fehlquote (d. h. der von den Schülern prozentual versäumte Unterricht) beträgt
berlinweit 4,74 Prozent, davon 4,11 Prozent entschuldigt und 0,64 Prozent unentschuldigt. In
Hauptschulen, Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt und in der Sekundarstufe I
an den Gesamtschulen sind die höchsten Fehlquoten zu verzeichnen.
(http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/2005/09/30/30673/index.html, Zugriff am 31.8.2012)
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Alter zu Beginn der Schulverweigerung (Befragung von ca. 300 schulverweigernden Jugendlichen, Schreiber-Kittl/Schröpfer 2002)
6 - 8 Jahre: 3 %
9 - 11 Jahre: 12 %
12 - 14 Jahre: 61 %
Älter als 14 Jahre: 24 %
Besuchter Schultyp: überwiegend Hauptschule
30% gaben an, einen Migrationshintergrund zu
haben
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Geschlecht und Migrationshintergrund
Mehrere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Schüler häufiger als Schülerinnen in der Schule
unentschuldigt fehlen.
Ergebnisse zu Jugendlichen mit Migrationshintergrund liegen selten vor.
Bei einer quantitativen Befragung (DJI Regionalstudie) gaben13 % der Jugendlichen mit
Migrationshintergrund und 10 % der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund an, in den 2 Wochen
vor der Befragung tageweise die Schule geschwänzt zu haben.
Kinder mit Migrationshintergrund wiederholen insgesamt zwei- bis dreimal so häufig eine Klasse wie
Kinder deutscher Herkunft. Mit Klassenwiederholungen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf das
Abrutschen in eine „niedrigere“ Schulart und die Gefahr von Schulverweigerung und Schulabbruch
steigt. ( vgl. Ahrens, Petra: soziale Integration von Migrantinnen und Migranten, Berlin 2011, S. 14 ff)
Ohne Schulabschluss blieben im Jahr 2008: 17,7 Prozent der Schüler mit Migrationshintergrund
und 12,1 Prozent der Schülerinnen mit Migrationshintergrund. Bei den deutschen Schülern sind dies
im Bergleich 7,5% bei den Schülerinnen 4,8%
(vgl. Ahrens, Petra: soziale Integration von Migrantinnen und Migranten, Berlin 2011, S. 13 ff)
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Auslöser für ihre Abkehr von der Schule Befragung von ca. 300 Jugendlichen, die die Schule verweigern
Schreiber-Kittl/Schröpfer 2002, 15
59 % der Befragten nannten Probleme mit Lehrerinnen
und Lehrern,
31 % schlechte Leistungen,
30 % andere schulische Probleme,
29 % Probleme mit Mitschülerinnen und Mitschülern,
19 % Krankheit
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Schule als Faktor
Schulverweigerung - die Ursachen
Faktoren der weiterem Umwelt
Faktoren der näheren Umwelt
Faktoren der Persönlichkeit
Das Verweigern der Schule lässt sich nicht auf eine Ursache allein
zurückführen - Es handelt sich immer um ein Ursachengefüge.
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Faktoren der weiteren Umwelt Veränderung von gesellschaftlichen Werten und Normen (Globalisierung)
Verlauf Schule-Ausbildung-Beruf ist zunehmend durch Brüche und Wartezeiten
bestimmt
Faktoren der näheren Umwelt
die Herkunftsfamilie (Klima, Erziehungsstil, materielle/immaterielle Ressourcen,
Migrationshintergrund)
Einbindung in die Peer Group
Faktoren der Persönlichkeit
personale Ressourcen (Frustrationstoleranz, soziale Kompetenzen)
Schule als Faktor
Klassenklima ( Beziehung zu Lehrkräften und Mitschüler/innen)
Unterrichtsgestaltung
Leistungsanforderungen
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Konzepte und Strategien Die Arbeitsschwerpunkte von Praxis-Projekten:
Frühe Prävention: Den Schulausstieg verhindern
Abschlussbezogene Förderung: Den Übergang bewältigen
Außerschulische „Beschulung“: Wenn Jugendliche nicht mehr zur Schule gehen
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Frühe Prävention - Ebenen der präventiven Arbeit
Organisation der Zusammenarbeit: Kooperation
aller (relevanten) Akteure zur Förderung
„gefährdeter“ Kinder
Neugestaltung des Unterrichts: Schritte zu einer
lebensnahen Schule und schülerorientiertem
Unterricht
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Frühe Prävention - Organisation der Zusammenarbeit
Zusammenarbeit zwischen allen relevanten Akteure: Schule –
Jugendsozialarbeit – Eltern und Kindern setzt an folgenden drei
zentralen Punkten an:
Probleme der Kinder erkennen
Gemeinsam an Problemlösungen arbeiten
Kinder individuell fördern
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Frühe Prävention - Neugestaltung des Unterrichts
Gestaltung des Unterrichts von der
Grundschule in die weiterführende Schule
Soziale Verunsicherungen reduzieren
Unterricht neu denken
Schule integrieren ins „wirkliche“ Leben
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Frühe Prävention - Veränderung von Schulkonzepten
In der frühen Prävention werden Methoden und
Kompetenzen der sozialen Arbeit genutzt, um
„gefährdete“ Kinder zu erkennen und zu fördern und /oder
ganze Klassen und Schulen bezüglich der Risiken von
Schulmüdigkeit zu sensibilisieren und zu stärken. Die
Anwendung solcher Förderstrategien, die eine
spezifische Sichtweise auf die Jugendlichen und ihre
Lernsituationen beinhalten, schließt häufig eine
Weiterentwicklung des Schulkonzeptes ein, die Förderung
und Integration stärker betont als Bewertung und
Selektion.
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Beispiel aus der Praxis
Das Projekt KOMM in Darmstadt nutzt niedrigschwellige Angebote als Einstieg in die Arbeit, um „gefährdete“ Kinder zu erkennen und zu
fördern und /oder ganze Klassen und Schulen bezüglich der Risiken von Schulmüdigkeit zu stabilisieren.
Bei KOMM handelt es sich um eine Beratungsstelle in Schule und Stadtteil. Sie bietet Clearing und ggf. Vermittlung von Hilfen in
schwierigen Situationen, die zu Schulabsentismus führen können oder bereits geführt haben. Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern
und Lehrkräfte werden in das Beratungsangebot einbezogen. Das Angebot besteht stadtteilorientiert für Grund- und weiterführende
Schulen. Zielgruppen sind die Schülerinnen und Schüler der 4. bis 7. Klassen. KOMM verfolgt bei seiner Arbeit folgende Zielsetzungen:
- Stärkung der Ressourcen von Schülerinnen/Schülern und Eltern
- Entwicklung individueller Handlungskonzepte
- Weitervermittlung an bereits vorhandene Hilfsangebote in der Region
- Kontinuierliche Aufrechterhaltung des Kontaktes zu in ihrer Schulbiografie gefährdeten Schülerinnen und Schülern
- Erweckung von Empathie für gefährdete Kinder bei Eltern und Lehrkräften
- Entwicklung eines sinnvollen Dialoges zwischen Kindern, deren Eltern und Lehrkräften unter Einbeziehung relevanter
Bezugspersonen und Institutionen
Diese Zielsetzungen werden durch folgende Strategien realisiert:
- Präventive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen: KOMM arbeitet bereits ab dem 4. Schuljahr, d. h. bevor sich Schulmüdigkeit
verfestigt
- stadtteilorientierte und mobile Arbeit: KOMM verfügt über eine externe Beratungsstelle im Stadtteil
- Präsenz an den Schulen: KOMM verfügt über eigene Räumlichkeiten in den weiterführenden Schulen Im Rahmen seines Konzeptes
hat KOMM einen Katalog von Systematisierungsfragen zur Orientierung für die Lehrkräfte erarbeitet. Unter Zuhilfenahme dieses
Katalogs sollen Lehrkräfte im Erkennen der gefährdeten Kinder geschult und unterstützt werden.
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Abschlussbezogene Förderung Adressaten der Angebote:
Jugendliche aus Haupt- bzw. Sonderschulen, bei denen
der Schulbesuch,
das Erreichen eines schulischen Abschlusses und
der erfolgreiche Übergang in berufliche Ausbildung
gefährdet sind.
Zugänge zu den Angeboten:
Auswahl der Jugendlichen durch die Schule/ Lehrer
Informationsgespräche mit Jugendlichen und Eltern
Freiwillige Teilnahme
Mehrwöchigen Probephase
Verträge über die Teilnahmebedingungen
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Abschlussbezogene Förderung: Den Übergang bewältigen
Inhalte und Methoden der Förderung
(verschiedene) Lernorte
Förderunterricht in Schulfächern
Werkpädagogik
Projektmethode
Praktika
Sozialpädagogische Betreuung
Kompetenzfeststellung
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Abschlussbezogene Förderung
Kooperationen
Mit Betrieben
Zwischen Schule und Jugendsozialarbeit
Mit Eltern
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Praxisbeispiel Die Schülerinnen und Schüler der Klassen acht und neun der Hauptschule Richard-Linde-Weg arbeiten
und lernen an zwei Tagen in der Woche in einem Betrieb ihrer Wahl. Sie lernen im Laufe der
beiden letzten Schuljahre vier Betriebe unterschiedlicher Berufsbereiche intensiv kennen, sammeln
dabei Praxiserfahrung und prüfen dabei ihre Eignung für den jeweiligen Beruf.
Zielsetzung dieses Projekts ist die erfolgreiche Bewältigung des Übergangs von der Schule in die
Berufswelt. Über die Praxisorientierung sollen die Jugendlichen zu Eigenaktivität und
Selbstverantwortung angeregt werden, und der Schulmüdigkeit und der Schulverweigerung soll
entgegengesteuert werden. Entscheidend für dieses Schulmodell ist, dass hier die Jugendlichen in
großem Umfang den normalen beruflichen Alltag mit seinen Anforderungen kennen lernen. Auf
diese Weise erlangen sie einen umfassenden Einblick in verschiedene Berufsfelder. Zusätzlich
erfolgt über dieses Schulkonzept eine enge Verzahnung von praktischem Lernen im Betrieb und
schulischem Unterricht. Dies geschieht sowohl über eine besondere Lernaufgabe, die jeder
Jugendliche im Betrieb praktisch ausführt und im Unterricht dokumentiert und aufbereitet, als auch
über die so genannten zwei anSCHuB-Stunden direkt im Anschluss an die Praxistage. Das
praktische Arbeiten im Betriebe erfolgt in enger Kooperation zwischen Lehrkräften und
betrieblichen Fachkräften. Am Ende jedes Schuljahres präsentieren die Jugendlichen in einer
schulischen Veranstaltung die Ergebnisse der besonderen Lernaufgabe im Betrieb. Dazu werden
Vertreter/innen aus Betrieben, Eltern sowie Schüler/innen der 7. jahrgangsstufe eingeladen.
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Praxisbeispiel Die Hauptschule Heuchelhof realisiert in ihrem innovativen Schulkonzept eine Vielzahl von Projekten, die der
gezielten Förderung leistungsschwacher sowie leistungsstarker Schüler dienen. Ein Schwerpunkt der Arbeit ist die
Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Die schulische Förderung erfolgt durch die Einrichtung einer Ganztagsklasse in Stufe 5 und 6 sowie die Einrichtung
einer M-Klasse für leistungsstärkere Schüler, die es diesen ermöglichen soll, im Rahmen ihrer Schulzeit an der
Hauptschule Heuchelhof die mittlere Reife zu erwerben.
Ergänzt wird die gezielte schulische Förderung durch ein Spektrum an Freizeit-, Erlebnis- und umweltpädagogischen
Aktivitäten, die die Lernmotivation der Schüler stärken soll. Zusätzlich sollen spezifische individuelle Stärken der
Jugendlichen gefördert werden.
Eine differenzierte Hausordnung schafft den entsprechenden Rahmen für das Schulkonzept. Der kontinuierliche
Austausch innerhalb des Lehrerkollegiums ermöglicht es, Probleme von und mit Schülerinnen und Schülern sofort zu
thematisieren und darauf entsprechend zu reagieren. Auf diese Weise kann den ersten Ansätzen von Schulmüdigkeit
bereits begegnet werden. Im Rahmen des Schulkonzeptes spielt auch die (aufsuchende) Elternarbeit eine
entscheidende Rolle. Die Hauptschule Heuchelhof ist Mitglied im Netzwerk Innovativer Schulen der Bertelsmann-
Stiftung.
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Außerschulische „Beschulung“: wenn Jugendliche nicht mehr zur Schule gehen
Zielgruppen:
Jugendliche mit massiver Verweigerungshaltung – die von der Schule nicht mehr erreicht werden können
Zielsetzung:
die Jugendlichen
- an einen geregelten, strukturierten Alltag zu gewöhnen
- sie zu befähigen, sich den schulischen und lebenspraktischen Anforderungen zu stellen und ihr Leben selbst bestimmt zu meistern.
Drei Grundsäulen der Förderung:
- sozialpädagogische Betreuung und Förderung
- schulisches Lernen
- berufsorientiertes Lernen (Werkstattarbeit)
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Außerschulische „Beschulung
Was ist anders im Vergleich zur Förderung an der Schule?
Träger
Lernort
Zugang/Aufnahmebedingungen
Förderziele und Inhalt
Tagesablauf
Projektphasen
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Außerschulische „Beschulung“
Was ist anders im Vergleich zur Förderung an der
Schule?
Soziales Lernen
Schulisches Lernen
Werkpraktisches Arbeiten
Verweildauer/Verbleib
Abschlüsse/Teilnahmebestätigung
Mitarbeiterstruktur
Kooperationen
Elternarbeit
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Fazit
Die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe ist von großer Bedeutung Förderstrategien, die Schulmüdigkeit und Schulverweigerung vorbeugen wollen. Durch integrierte Arbeitsansätze von schulischer Pädagogik und Arbeitsformen der Jugendsozialarbeit in der Schule können sich die beiden Fachbereiche ergänzen, ohne dass es dabei zu einer Verwischung von Fachlichkeiten und Zuständigkeiten der Kooperationspartner kommt. Eine gelungene Kooperation von Lehrkräften und Fachkräften der Sozialarbeit geht mit Prozessen der Schulentwicklung einher, die zu einer Schule führen, die Förderung und Integration stärker betont als Bewertung und Selektion.
Um gemeinsam an Problemlösungen für die „gefährdeten“ Kinder arbeiten zu können, ist ein offener und transparenter Umgang zwischen den unterschiedlichen Beteiligten bedeutsam. Austausch und Kooperation sollte auf allen Ebenen sichergestellt werden, sowohl im Kollegium, als auch zwischen abgebender und aufnehmender Schule sowie mit Erziehungsberechtigten und anderen Akteurinnen und Akteuren.
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Bedeutsame Momente der Schulentwicklung sind die Erstellung pädagogischer Konzepte und die Formulierung von Zielen, mittelfristigen Arbeitsschwerpunkten und Umsetzungsstrategien in einem übergreifenden Schulprogramm. Eine „lernende“ Schule fördert die Motivation und die Leistungsfähigkeit der Schüler/innen ebenso wie die des Kollegiums und verfügt über Strategien der Personalentwicklung.
Kooperationen zwischen Schule, Jugendhilfe und Betrieben sollten nicht mit dem Engagement einzelner Personen (Lehrkräfte, Schulleiter…) stehen und fallen, sie sollten Bestandteil jedes Schulkonzeptes sein.
Lehrkräfte sollten im Rahmen von Aus- und Weiterbildungen für die oftmals schwierige Situation von Jugendlichen sensibilisiert werden und bewährte Unterrichtskonzepte zur Stärkung der Lernmotivation und der beruflichen Orientierung kennenlernen.
Eine Verzahnung von Theorie und Praxis in der Schule befördert Lernmotivation und Berufsorientierung der Jugendlichen.
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Jede Schule sollte ein Konzept zur Berufsorientierung entwickeln, das
neben einem Informations- und Planungsinstrument für die Schüler auch Angebote externer Kooperationspartner mit einschließt. Damit sollen die Schülerinnen und Schüler ihren Lernprozess eigenverantwortlich steuern lernen und sich ihr Kompetenzprofil bewusst machen.
Als notwendig erweisen sich sowohl geschlechtsspezifische Förderung (Mädchen auch mit geschlechtsuntypischen Berufen vertraut machen) als auch Maßnahmen, die die Verbesserung der Ausbildungs-Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zum Ziel haben.
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Für weitere Informationen
Irene Hofmann-Lun
Deutsches Jugendinstitut
www.dji.de/schulmuedigkeit
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Materialien
Sind gegen Erstattung der Portokosten über das DJI zu beziehen, teilweise stehen die
Materialien als Download zur Verfügung über www.dji.de/schulmuedigkeit)
Hofmann-Lun, Irene (Hrsg.):
ARBEITEN UND LERNEN in Schülerfirmen, Jugendhilfebetrieben und Produktionsschulen. 2007
Schreiber, Elke (Hrsg.):
Chancen für Schulmüde. Reader zur Abschlusstagung des Netzwerkes Prävention von Schulmüdigkeit und
Schulverweigerung am Deutschen Jugendinstitut e. V. 2006
Fischer, Sonja:
Schulmüdigkeit und Schulverweigerung. Eine annotierte Bibliografie für die Praxis. 2005 / Dokumentation 8/2005
Hofmann-Lun, Irene; Michel, Andrea; Schreiber, Elke:
Praxisprojekte im Handlungsfeld von Schulmüdigkeit und Schulverweigerung. München; Halle: 2004
Schreiber, Elke (Hrsg.):
Nicht beschulbar? Gute Beispiele für den Wiedereinstieg in systematisches Lernen. 2005 / Dokumentation
5/2005
Michel, Andrea (Hrsg.):
Den Schulausstieg verhindern. Gute Beispiele einer frühen Prävention. München/Halle: 2005 / Dokumentation
03/2005
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Richter, Ulrike (Hrsg.):
Den Übergang bewältigen. Gute Beispiele der Förderung an der Ersten Schwelle von der Schule zur
Berufsausbildung. 2005 / Dokumentation 4/2005
Stevens, Alex; Gladstone, Ben (Hrsg.):Braun, Frank; Reißig, Birgit; Schmidt, Mareike:
Learning not Offending. Effective interventions to tackle youth transition to crime in Europe. Westerham, Kent: 2002
Gaupp, Nora; Hofmann-Lun, Irene; Lex, Tilly; Mittag, Hartmut; Reißig, Birgit:
Schule— und dann? Erste Ergebnisse einer bundesweiten Erhebung von Hauptschülerinnen und Hauptschülern in
Abschlussklassen. München/Halle: 2004 / Wissenschaft für alle
Hofmann-Lun, Irene; Gaupp, Nora; Lex, Tilly; Mittag, Hartmut; Reißig, Birgit:
Schule —und dann? Förderangebote zur Prävention von Schulabbruch und Ausbildungslosigkeit.
München/Halle: 2005 / Wissenschaft für alle
Reißig, Birgit; Gaupp, Nora; Hofmann-Lun, Irene; Lex, Tilly:
Schule — und dann? Schwierige Übergänge von der Schule in die Berufsausbildung. 2006 / Wissenschaft für alle
Bücher: (über den Buchhandel zu beziehen)
Richter, Ulrike (Hrsg.):
Jugendsozialarbeit im Gender Mainstream. Gute Beispiele aus der Praxis. München: DJI Verlag 2004
ISBN978-3-87966-408-5
Hofmann-Lun, Irene, Michel, Andrea, Richter Ulrike, Schreiber, Elke:
Schulabbrüche und Ausbildungslosigkeit. Strategien und Methoden zur Prävention.
Übergänge in Arbeit Band 8, Verlag Deutsches Jugendinstitut 2007, ISBN 978-3-87966-414-6
Reißig, Birgit; Gaupp, Nora; Lex, Tilly (Hrsg.):
Hauptschüler auf dem Weg von der Schule in die Arbeitswelt. München: DJI Verlag 2008 ISBN 978-3-87966-415-3