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SELBST- UND MITBESTIMMUNGSMÖGLICHKEITEN BEHINDERTER MENSCHEN Ein Praxisbericht aus der Wiener Behindertenhilfe 1

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SELBST- UND MITBESTIMMUNGSMÖGLICHKEITEN BEHINDERTER MENSCHEN. Ein Praxisbericht aus der Wiener Behindertenhilfe. UN-Konvention. Ratifizierung 2008 - Meilenstein in Richtung inklusives Denken Selbstvertretungsorganisationen fordern Bruch mit Tradition des medizinischen Modells von Behinderung - PowerPoint PPT Presentation

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Page 1: SELBST- UND MITBESTIMMUNGSMÖGLICHKEITEN BEHINDERTER MENSCHEN

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SELBST- UND MITBESTIMMUNGSMÖGLICHKEITEN BEHINDERTER MENSCHEN

Ein Praxisbericht aus der Wiener Behindertenhilfe

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UN-Konvention

Ratifizierung 2008 - Meilenstein in Richtung inklusives Denken Selbstvertretungsorganisationen fordern Bruch mit Tradition

des medizinischen Modells von Behinderung Sie fordern politische Partizipation, mehr

Gestaltungsmöglichkeiten, als gleichwertige Bürger Grundlage der Konvention ist der Gedanke der unteilbaren

Menschenrechte Kerngedanke: Teilhabe soll als gleichwertiges Paradigma neben

sozialer Absicherung gestellt werden

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Weiter Weg zur Umsetzung d. Konvention

Fakt: 70 % Zunahme an segregierenden Betreuungseinrichtungen seit Mitte der 90iger

Lebensalltag in Institution → Umfassende Abhängigkeit Fehlende Alternative zur institutionalisierter Hilfe Welche paradigmatische Ausrichtung hat unsere Hilfesystem? Wird in Österreich Aussonderung finanziert?

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Behindertenhilfe – eine Tradition

Bürokratische Hürden Vielfalt an Zuständigkeiten für Unterstützungsleistungen Geldleistungsansprüche nach Zuweisung defizitärer Kategorien

(zB. Bundespflegegeldgesetz, anders bei Sachleistungen) Orientierung am medizinischen Modell von Behinderung Einrichtungen geben an Selbst- und

Mitbestimmungsmöglichkeiten zu forcieren Paternalistisches Konzept prägt Bewusstsein Betroffenenverbände und Disability Studies: Behinderung ist

ein sozial konstruiertes Problem

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Zwei konkurrierende Modelle v. Behinderung

Medizinisches Modell Soziales ModellGrund f. Behinderung → Individuum Grund für Behinderung → Ergebnis sozialer

ProzesseBehinderung → mentale, psych. Beeinträchtigung

Verschiebung von „impairment“ zu „disability“ (in ihrer sozialen Dimension) → ermöglicht politische Forderungen

Fehlender Bezug zu sozialen Beziehungen, Wechselwirkungen mit Umwelt, gesellsch. und baulichen Barrieren

Barrieren im sozialen System hindern an Partizipation

Sicht der persönlichen Tragödie Behinderung durch begrenzende Gesellschaftsstruktur

Mangel und Unzulänglichkeit beim Individuum, Therapie und Hilfsmittel sollen Beeinträchtigung reduzieren

Sichtbarmachen und Abbau von Barrieren, die Teilhabe verhindern oder erschweren

Segregation Inklusion

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Die Behinderteneinrichtung

behinderte Menschen leben in spezialisierter Welt des „Andersseins“

Beziehungen, Freundschaften, Arbeit, Freizeit organisiert in und von der Einrichtung

„Scheinteilhabe“ vs. Ausschluss Notwendigkeit der Behinderteneinrichtung als Abwendung

eines gänzlichen Ausschlusses Derzeitige Organisation verhindert Inklusion

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Totale Institution

Inklusion vs. segregierende Einrichtung Parameter für totale Institution:

Konzentration betroffener Menschen in Institutionen Demokratisches Defizit Massive Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes Folge → Unterdrückung und Ausgrenzung

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Behinderteneinrichtung als totale Institution

weist Merkmale einer totalen Institution auf, wenn auch nicht in ihrer extremsten Form:

Große Gruppe behinderter Menschen (KlientInnen) Management liegt bei der kleineren Gruppe der BetreuerInnen Lebensalltag in der „spezialisierten“ Welt der Einrichtung,

wenig Außenkontakte BetreuerInnen, EinrichtungsleiterInnen nach Arbeitstag voll

integriert in Außenwelt BetreuerInnen, … regeln Geschehnisse in Einrichtung und

Leben „ihrer“ KlientInnen Verhältnis: 1. Machtunterwerfung und 2. Hilfeleistung

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Demokratie und (totale) Institution – ein Widerspruch

Dachverband gibt Qualitätsstandards vor Förderung von Selbst- und Mitbestimmungsmöglichkeiten Unterstützung zur Einrichtung von Selbstvertretungsstrukturen

findet statt Wahl von BewohnervertreterInnen und WerkstättenrätInnen Große Aktivität: Zukunftskonferenzen, Teilnahme an

LeiterInnensitzungen, … Ist Demokratie hier mehrheitsfähig?

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Widersprüchliches Doppelinteresse der Institutionen

Doppelinteresse bei den Beschäftigten der Behinderteneinrichtungen (Behindertenhilfe):

Einerseits überzeugt wohlwollend für „ihre“ KlientInnen tätig,

andererseits Interesse am Erhalt der Institution: Arbeitsplatz, Einkommensquelle, Selbstverwirklichungsmöglichkeit, …

→ tendenziell gegen d. Anstalt überwindende Konzepte eingestellt

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Institutionserhalt vs. Inklusionswille Bemühungen – Angebot der Behindertenhilfe nach UN-Konvention zu

gestalten sind da Handeln jedoch oftmals (Selbstwahrnehmung anders) für den Erhalt „ihrer“

Institutionen Beispiel: IVS Tagung Wien Thema: „Inklusion und UN-Behindertenrechtskonvention“ Ergebnisse dieser Tagung sollen in Folge in konkreten Forderungen an

Politik, Sozialpartner und Dienstleister münden Doppelinteresse der Dienstleister der Behindertenhilfe im Widerspruch

auch hier sichtbar: Vorträge vieler Profis, nur ein Vortrag eines Betroffenen MitarbeiterInnen und OrganisatorInnen der Behindertenhilfe ergreifen

Partei für „ihr“ Klientel

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Veranschaulichung des Interessenskonfliktes – zwei unterschiedliche Wahrnehmungen

Zitat der IVS-Wien über diese Tagung (IVS-Wien, Interessensvertretung sozialer Dienstleistungsunternehmen für Menschen mit Behinderung Wien):

„Wien wird anders – Inklusion und Vielfalt im Sozialraum Wien - An dieser Tagung teilnehmen hieß, ein wichtiges Stück Zukunft aktiv mitgestalten. Fachleute (darunter verstehen wir natürlich auch SelbstvertreterInnen) legten die verschiedenen Aspekte des Themas „Inklusion und UN-Behindertenrechtskonvention“ - vor allem hinsichtlich der Gruppe von Menschen mit intellektuellen und psychischen Beeinträchtigungen sowie hohem Unterstützungsbedarf - dar. Sie sind eine/r davon! Die Standpunkte jedes/jeder Einzelnen wurden in die Betrachtung des Themas mit einbezogen. Die Ergebnisse dieser Tagung sollen in weiterer Folge in konkreten Forderungen und Impulsen für Politik, Sozialpartner und Dienstleister münden.“

Kommentar von Tamara Grundstein – Teilnehmerin, Peer Beraterin, tätig im Dis-/Ability Management

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Vorteile der Institution aus Sicht des Fördergebers und der Politik

Für den Fördergeber: Einrichtungen mit optimaler Nutzung effiziente Einsetzung des Personals möglich Möglichkeit für umfassende Planung Effiziente Auslastung (wir erinnern uns: Nichtinanspruchnahme eines

Betreuungsangebots bedeutet: Ausschluss) → die Behinderteneinrichtung produziert ihre Notwendigkeit fortlaufend selbst

Standhaltung der Prüfung des Rechnungshofes Darstellung in Öffentlichkeit als unverzichtbar

Für den Staat: Institution erfüllt Doppelfunktion: sie bietet Hilfestellung und Kontrolle

und Wegschluss von „Andersartigkeit“

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Autonomie- und Selbstbestimmungsbestrebung

Mangelnde Entwicklung aufgrund beschädigter Identität Verhältnis von Macht und Unterwerfung schon im Kindesalter Lebenssituation erschwert Entwicklung eines positiven

Selbstbildes Unzureichende Autonomieentwicklung – aufgrund von

Abhängigkeitsverhältnissen Speziell gestaltete Lebenswirklichkeit und dortige

Sozialisierung verhindert Entwicklung individueller Identität Bericht aus der Praxis: über Unterstützung bei Einrichtung

einer Selbstvertretungsstruktur in der Bandgesellschaft

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Eigenes Handeln hinterfragen „Kein Mensch auf dieser Welt – gleich ob behindert oder

nichtbehindert – ist gänzlich selbstbestimmt. Aber für behinderte Menschen ist entscheidend, dass in der Aneignung von Selbstbestimmung, Fremdbestimmung und Bevormundung keine Rolle spielen. Wenn sich dieser Rahmen findet und zwar ohne Wenn und Aber, dann eignen sich Menschen Selbstbestimmung an“ (zit. n. Steiner, 2010)

MitarbeiterInnen der Behindertenhilfe sollten eigene Haltung und Handeln hinterfragen → Empowerment

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Empowerment als Haltung im Arbeitsalltag Empowerment – Bereitschaft der professionellen Praxis, medizinisch

präformierte Helfermodelle hinter sich zu lassen – eigene Haltung auf UN-Konformität prüfen

Einlassen auf Zusammenarbeit in Gestaltungs- und Entscheidungsebene

Drei Grundwerte von Empowerment:

1. Autonomie (Strategien und Maßnahmen sollen diese stärken)2. Demokratische und kollaborative Partizipation (sind Menschen von

Entscheidungen betroffen, haben sie Recht auf Mitsprache, Mitgestaltung und Teilhabe an Entscheidungsprozessen)

3. Eintreten für soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Inklusion, um Benachteiligung und Ausgrenzung gesellschaftlicher Gruppen, so weit als möglich zu verhindern.

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit!