skilehrer level 3 lehrgangsbegleitendes skript · 3 bewegungslehre – die ... andererseits durch...
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Deutscher Skilehrerverband
Skilehrer Level 3
Lehrgangsbegleitendes Skript
INHALTSVERZEICHNIS
II
INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSVERZEICHNIS .......................................................................................................... II
1 Motorik ...................................................................................................................... 1
1.1 Technikstruktur und DSLV Fahrphilosophie ................................................................ 1
1.2 Hauptbewegungen...................................................................................................... 2
1.3 Merkmale für optimales Kurvenfahren ........................................................................ 3
1.3.1 Merkmal für optimales Kurvenfahren für den gesamten Kurvenverlauf ....................... 3
1.3.2 Merkmal für optimales Kurvenfahren für den Kurvenwechsel ..................................... 4
1.3.3 Merkmal für optimales Kurvenfahren für die Kurvensteuerung .................................... 4
1.4 DSLV Fahrphilosophie – Mobilität auf Stabilität .......................................................... 5
1.5 Beispiele aus der Praxis ............................................................................................. 6
1.5.1 Sportliches Fahren ...................................................................................................... 6
1.5.2 Fahren in der Buckelpiste ........................................................................................... 6
1.5.3 Fahren im Tiefschnee ................................................................................................. 7
2 Bewegungssehen und Bewegungsanalyse ............................................................ 8
2.1 Sportwissenschaftlicher Hintergrund ........................................................................... 8
2.1.1 Quantitative Bewegungsmerkmale ............................................................................. 8
2.1.2 Qualitative Bewegungsmerkmale ................................................................................ 9
2.1.2.1 Phasenstrukturmodelle einer sportlichen Bewegung ................................................... 9
2.1.3 Weitere qualitative Bewegungsmerkmale ................................................................. 12
2.2 Bewegungsanalyse in der praktischen Anwendung .................................................. 15
2.3 Darstellung einer inhaltlichen und kommunikativen Feedback-Struktur ..................... 16
3 Bewegungslehre – Die Bewegungsanalysatoren ................................................. 17
3.1 Kinästhetischer Analysator ....................................................................................... 18
3.2 Taktiler Analysator .................................................................................................... 19
3.3 Optischer Analysator ................................................................................................ 20
3.4 Akustischer Analysator ............................................................................................. 21
3.5 Statico-dynamischer Analysator ................................................................................ 22
4 Grundlagen des Unterrichtens .............................................................................. 24
4.1 Prüfungsanforderungen ............................................................................................ 24
4.2 Methodik: Lernmodelle ............................................................................................. 25
4.2.1 Motorische Entwicklung ............................................................................................ 25
4.2.2 Lernmodelle .............................................................................................................. 26
4.2.2.1 Motorisches Lernen .................................................................................................. 26
4.2.2.2 Differenzielles Lernen ............................................................................................... 27
4.2.2.3 Rückmeldung bzw. Feedback (Regelkreismodell)..................................................... 28
4.3 Die Unterrichtsphilosophie des DSLV ....................................................................... 30
4.3.1 Aufgabenstellung ...................................................................................................... 31
4.3.2 Organisation ............................................................................................................. 34
INHALTSVERZEICHNIS
III
4.3.3 Vermittlung ............................................................................................................... 35
4.4 Tipps zur Prüfungssituation Lehrprobe ..................................................................... 36
5 Materialkunde ......................................................................................................... 37
5.1 Der Skilehrer als Materialexperte .............................................................................. 37
5.2 Die Skilänge ............................................................................................................. 38
5.3 Verletzungen im alpinen Skisport .............................................................................. 40
5.4 Rocker-Shapes ......................................................................................................... 41
5.5 Sicherheitsskibindung ............................................................................................... 44
5.5.1 Gewährleistung der Fahrperformance des Skis ........................................................ 44
5.5.2 Sicherheit des Skifahrers .......................................................................................... 44
5.5.3 Ggfs. Aufstiegsfunktion ............................................................................................. 45
5.6 Standhöhe ................................................................................................................ 45
5.7 Skibauweisen ........................................................................................................... 46
5.7.1 Produktionstechnologie ............................................................................................ 46
5.7.2 Gestalt der Skioberfläche .......................................................................................... 47
5.7.3 Verstärkung des Skiaufbaus durch Metall ................................................................. 47
6 Organisation und Recht ......................................................................................... 48
6.1 Gesetzliche Grundlagen für das Unterrichten ........................................................... 48
6.2 Aufgaben des Skilehrers ........................................................................................... 48
6.3 Unfallanalyse ............................................................................................................ 49
6.4 Risikofaktoren ........................................................................................................... 49
6.5 Aspekte zur Unfallprävention im Skiunterricht ........................................................... 50
6.6 Haftung des Skilehrers ............................................................................................. 51
6.7 Sorgfaltspflichten des Skilehrers ............................................................................... 52
6.8 Umsetzung der Sorgfaltspflichten ............................................................................. 54
6.9 Entscheidungsmaßstab des Skilehrers ..................................................................... 55
6.10 Fallbeispiele aus der Praxis ...................................................................................... 56
6.11 Zusammenfassung Sorgfalts- und Aufsichtspflichten ................................................ 56
7 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 58
Motorik
1
1 Motorik
Die Fahrphilosophie bzw. die damit einhergehende Technikvorstellung des Deutschen Ski-
lehrerverbands (DSLV) wird einerseits durch die Merkmale für optimales Kurvenfahren und
andererseits durch das Prinzip „Mobilität auf Stabilität“ bestimmt. Diese beiden Modelle ge-
ben die Struktur vor.
1.1 Technikstruktur und DSLV Fahrphilosophie
Die Fahrphilosophie des DSLV ist gekennzeichnet durch harmonische, dem Kurvenverlauf
angepasste Bewegungen, eine sportlich dynamische Fahrweise, sowie Leichtigkeit und
Ausdruck. Eine Kurve wird als sportlich empfunden, wenn die eigentliche Kurve dynamisch
gefahren wird, d.h. sich durch einen angepassten Kurvenwechsel auszeichnet (z.B.
„…schnell in die Kurve, schnell aus der Kurve…“). Die Fahrphilosophie beruht auf der Prä-
misse des situativen Ansatzes. In der Vergangenheit wurde die Skitechnik in Form von Leit-
bildern beschrieben. Fragestellungen wie „Ist das wirklich alles wichtig?“, „Ist das immer
wirksam?“ oder „Gilt das in jeder Situation?“ standen dabei im Hintergrund. Skifahren bedeu-
tet jedoch Situationsbewältigung. Diese Situationen sind komplex, variabel und bestimmen
unser Handeln. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Situationen, die sogar innerhalb
einer Kurve wechseln können. Unter anderem ist die vorherrschende Situation durch das
Gelände, Schnee, Spur, Tempo, Wetter, Ausrüstung, Organisation und nicht zuletzt durch
den Skifahrer mit seinen persönlichen Voraussetzungen bestimmt. Hier gilt es die Bewe-
gungsausführung an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassen, um zur individuell besten
Lösung zu gelangen. Die Kontrolle der Geschwindigkeit und der Richtung und das ständige
Regulieren des Gleichgewichts spielen dabei die wichtigste Rolle und sind somit die überge-
ordneten Ziele.
Um diese genannten Ziele in der jeweiligen Situation erfolgreich zu erfüllen sind Bewegungs-
handlungen, sogenannte Aktionen nötig. Diese Bewegungshandlungen stellen die Basis für
die Situationsbewältigung dar. Sie werden angepasst und reguliert, d.h. die Bewegungen
müssen variabel verfügbar sein. Um Bewegungen für eine zielführende Technik verständlich
zu beschreiben, unterteilt man den gesamten Kurvenverlauf in zwei Abschnitte, den Kurven-
wechsel und Kurvensteuerung. In beiden Abschnitten finden mehr oder weniger zeitgleich
mehrere Bewegungen statt. Zusätzlich besteht die Möglichkeit eine Kurve nach räumlichen
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Kriterien zu beschreiben. Bis zum Scheitelpunkt spricht man von der Kurveneinfahrt und ab
dem Scheitelpunkt von der Kurvenausfahrt.
1.2 Hauptbewegungen
Es werden drei Hauptbewegungen unterschieden, die das Kurvenfahren realisieren. Dazu
zählen die Kantbewegungen, Körperschwerpunktverlagerungen und Drehbewegungen.
Kantbewegungen sind Bewegungen um die Skilängsachse: z.B. Fußkippen, Kniekippen,
Beine und Becken zur Kurvenmitte bewegen und Ganzkörperkippen.
Körperschwerpunkt- Verlagerungen (KSP- Verlagerungen) sind das Resultat von Bewe-
gungen entlang der Körperlängsachse, Körperquerachse und Körpertiefenachse. Beispiele
sind Bewegungen nach oben, unten, vorne, hinten, links, rechts, innen und außen.
Drehbewegungen sind Bewegungen um die Körperlängsachse wie z. B. Beindrehen, Ganz-
körperdrehen, Gegendrehen, Gegenhalten und Vorausdrehen.
Das optimale Kurvenfahren ist das Ergebnis einer komplexen, sich ständig verändernden
Ausführung und Vernetzung der Hauptbewegungen. Zum einen muss geklärt werden, wel-
che Hauptbewegungen passend zur Situation verknüpft werden sollen und zum anderen wie
die Hauptbewegungen passend zur Situation ausgeführt werden sollen. Diese Möglichkeiten
der Ausführung nennen wir Bewegungsspielräume. Zu den Bewegungsspielräumen zählen:
der Zeitpunkt (Timing): früh, spät, verzögernd, beschleunigend
der Umfang: wenig, viel
die Richtung: vor, zurück, oben, unten, innen, außen, links, rechts
die Bewegungsgeschwindigkeit (Dynamik): wenig, stark
Die Bewegungsspielräume (TURD) können sich auf eine oder mehrere Hauptbewegungen
beziehen. Durch eine ständige Anpassung der Bewegungsspielräume an die vorherrschende
Situation wird eine optimale Bewegungsbereitschaft realisiert. Nur ein echter Skiexperte
schafft es, in jeder Situation eine zielführende, sichere, ökonomische, als auch ästhetische
Verknüpfung und Ausführung der Hauptbewegungen zu realisieren. In den folgenden Absät-
zen werden die Bewegungen beim Kurvenwechsel und bei der Kurvensteuerung genauer
beschrieben.
Motorik
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Während eines Kurvenwechsels wird in Bezug auf Kantbewegungen ein Auf- und Abkanten
erzeugt, woraufhin ein Umkanten der Ski erfolgt. Außerdem wird die Position des Körper-
schwerpunkts beim Kurvenwechsel aktiv verschoben. Dies geschieht durch die Erzeugung
eines Belastungswechsels und das Wechseln der Kurvenlage. Durch das Wechseln der Kur-
venlage, also das Wechseln der Kantbewegung, entsteht eine Richtungsänderung. Zusätz-
lich ändert sich mit Einnehmen der neuen Kurvenlage das gegenläufige Bewegen der Beine
und führt zwangsweise zu einer sogenannten Schrittstellung. Drehbewegungen erzeugen
schließlich, in Verbindung mit einer Körperschwerpunktverlagerung, eine zusätzliche Verän-
derung der Fahrtrichtung. Zusammenfassend kann man sagen, dass im Kurvenverlauf ideal-
erweise Kant- und Belastungs-, Kurvenlagen- und Schrittwechsel stattfinden. Bei kürzeren
bis mittleren Radien erfolgt zusätzlich zum Belastungswechsel der Stockeinsatz als Unter-
stützungs- und Rhythmushilfe.
Auch bei der Kurvensteuerung spielen Kantbewegungen, Körperschwerpunkt- Verlagerun-
gen und Drehbewegungen eine wichtige Rolle. Kantbewegungen erzeugen ein zunehmen-
des Aufkanten der Ski und damit steigendes Widerlager der Ski im Schnee. KSP- Verlage-
rungen erzeugen ein zunehmendes Einnehmen der Kurvenlage und eine stabilisierende
Ausgleichsbewegung. Drehbewegungen lassen während der Kurvensteuerung die Ski in
Verbindung mit einer KSP- Verlagerung zunehmend die Richtung ändern. Zusammenfas-
send findet idealerweise in der Kurvensteuerung ein weiteres Aufkanten der Ski, als auch
Einnehmen der Kurvenlage mit zunehmender Ausgleichsbewegung statt. Dies geschieht in
Abhängigkeit von Tempo, Radius und Schneewiderstand.
1.3 Merkmale für optimales Kurvenfahren
Zur besseren Vorstellung werden die wichtigsten Bewegungen und deren Ausführungen als
Merkmale für optimales Kurvenfahren im folgenden Kapitel zusammengefasst.
1.3.1 Merkmal für optimales Kurvenfahren für den gesamten Kurvenverlauf
Die gesamte Kurvenfahrt wird durch Bewegungsfluss und ständige Bewegungsbereitschaft
geprägt – „Druck regulieren“.
Durch rhythmisches, harmonisches und dem Kurvenverlauf angepasstes Bewegen entsteht
ein Bewegungsfluss, der optimale Ökonomie und Präzision der Bewegungen und folglich
eine perfekte Regulation ermöglicht. Bewegungsfluss und -bereitschaft sollen Endpositionen,
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statische Positionen oder Plateaus ausschließen, den Skifahrer in alle Richtungen agieren
und sich an ständig ändernde Bedingungen anpassen lassen. Idealerweise sollten alle Be-
wegungen aus den Fußgelenken (oberes Sprunggelenk – vor/rück, unteres Sprunggelenk –
innen/außen) initiiert werden und dann über die Beingelenke fortgesetzt werden. Da die
Sprunggelenke dem Sportgerät am nächsten sind, ist die Wirkung aufgrund des kurzen He-
bels am effizientesten.
1.3.2 Merkmal für optimales Kurvenfahren für den Kurvenwechsel
Der Körperschwerpunkt wird nach vorne in die neue Kurvenrichtung bewegt – „Druck auf-
bauen“.
Der Druckaufbau bzw. die Erhöhung des Schneewiderstandes sollten jederzeit realisierbar
sein. Maßgebend für einen jederzeit möglichen und effektiven Druckaufbau ist eine perma-
nente „mittige“ Position über der Unterstützungsfläche, die sich nur mit ständiger Regulation
in alle Richtungen realisieren lässt. Dafür benötigt der Skifahrer ganz besonders die Vor-
wärtsbewegung in die neue Kurvenrichtung, die die zunehmende flach-steil-Situation bei der
Kurveneinfahrt ausgleicht.
1.3.3 Merkmal für optimales Kurvenfahren für die Kurvensteuerung
Der Kantwinkel wird erhöht und die Kurvenlage angepasst – „Druck erhöhen und nutzen“.
Steigende Kurvenkräfte, die den Skifahrer nach außen ziehen, müssen durch eine zuneh-
mende Kurvenlage ausgeglichen werden. Dies geschieht mit dem Erhöhen des Kantwinkels
aus dem unteren Sprunggelenk und mit dem sich daraus ergebenden Absenken von Beinen
und Hüfte zur Kurvenmitte. Der Oberkörper bleibt dabei möglichst gerade und richtet sich
talwärts aus, um das Gesamtsystem zu stabilisieren sowie den kommenden Belastungs-
wechsel für die nächste Kurve vorzubereiten. Das Erhöhen der Kurvenlage ist immer mit
einer Oberkörperausgleichsbewegung verbunden. Der Außenski hat dabei eine höhere Be-
lastung, um seine Führungsdominanz zu gewährleisten. Ebenso trägt eine höhere Au-
ßenskibelastung zur zusätzlichen Stabilität bei, da der Spielraum bzw. die Unterstützungsflä-
che nach innen größer ist. Das Außenbein ist während der Steuerung relativ gestreckt und
kann entstehenden Druck sehr gut halten und regulieren. Die Hüfte bleibt dabei relativ ach-
sengleich zur Beinstellung und verdreht sich nicht zusätzlich. Die Größe des Kurvenlagewin-
kels hängt wiederum von der Geschwindigkeit, Steilheit, Ski, Skifahrer (Gewicht, Größe, etc.)
ab. Die im Kurvenverlauf entstehenden Empfindungen für optimales Kurvenfahren drücken
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sich dabei wie folgt aus: Im Kurvenwechsel wird durch entsprechende Bewegungen Druck
bzw. Schneewiderstand aufgebaut und in der Kurvensteuerung erhöht. Die Druckerhöhung
wird am Ende der Steuerphase für den Kurvenwechsel genutzt, mit dem Ziel Druck bzw.
Schneewiderstand optimal aufzubauen, zu erhöhen und zu nutzen. Dadurch wird das Ziel
der ständigen Regulation des Gleichgewichts und der Kontrolle von Tempo und Richtung
erreicht.
1.4 DSLV Fahrphilosophie – Mobilität auf Stabilität
Ein stabiles System neigt dazu, seinen momentanen Zustand beizubehalten, auch wenn
Störungen von außen einwirken. Nur auf einem stabilen System können gezielte Richtungs-
änderungen und Bewegungsaktionen aufgebaut werden. Wichtigste Grundlage hierfür ist
das Gleichgewicht. Stabilität ist dann gegeben, wenn die Wirkung aller Kräfte (= resultieren-
de Kraftwirkung) durch den Aufhängepunkt oder die Unterstützungsfläche geht und ein Kräf-
tegleichgewicht besteht.
Grundprinzipen für Stabilität sind folgende:
Ein Körper ist im Gleichgewicht, wenn die Resultierende aller Kräfte durch die Unter-
stützungsfläche geht
Je näher die Wirkungslinie der Resultierenden am Zentrum der Unterstützungsfläche
ist, desto stabiler ist der Körper bzw. das System
Wenn die Richtung einer von außen wirkenden Kraft bekannt ist, dann ist die Körper-
position bewusst so zu wählen, dass die Wirkungslinie der Resultierenden möglichst
am entgegen gesetzten Rand der Unterstützungsfläche ist
Je größer die Unterstützungsfläche, desto stabiler
Je tiefer der Schwerpunkt beim Skifahren, desto stabiler
Bewegungsbereitschaft und Stabilität sind kein Widerspruch, sondern ergänzen sich gegen-
seitig. Die Sprunggelenke agieren wirkungsvoll, weil sie dem Sportgerät am nächsten liegen.
Wenn der Oberkörper, der als Fixpunkt agiert, mit den Armen während der Kurvenfahrt mög-
lichst ruhig und stabil gehalten wird, dann kann sich die Bewegungswirkung aus den Beinen
deutlich verbessern. Dies bedeutet, dass man schneller, präziser und ökonomischer (mit
weniger Bewegungsumfang) auf die unterschiedlichsten Situationen im Skisport reagieren
kann. Das bedeutet wiederum sicheres, ästhetisches und natürlich optimales Kurvenfahren
in jeder Situation – ganz im Sinne der DSLV- Fahrphilosophie.
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1.5 Beispiele aus der Praxis
Zur besseren Vorstellung werden die zuvor beschriebenen Merkmale für optimales Kurven-
fahren anhand unterschiedlicher Gegebenheiten im folgenden Kapitel beschrieben.
1.5.1 Sportliches Fahren
Oberstes Ziel ist im steilen Gelände, noch mehr als im flacheren Gelände, v.a. bei höherem,
sportlichem Tempo, die Geschwindigkeitskontrolle mit optimalem Druck auf dem Außenski.
Um dies zu erreichen, muss zuerst auf eine ständige Bewegungsbereitschaft geachtet wer-
den. Der Körperschwerpunkt liegt etwas tiefer als im Flachen. Die Vor-Seithalte der Arme zur
Gleichgewichtskontrolle ist von großer Bedeutung. Tendenziell geht die Belastung entlang
der Skilängsachse in Richtung Fußballen. Außerdem sollte eine gute Körperspannung her-
gestellt werden. Bewegungen wie das Kanten und das Steuern über die Falllinie sind aus
den Beinen einzuleiten, da im Steilen bzw. bei höherem Tempo das Zeitfenster für die Aktio-
nen im Kurvenwechsel und der Kurvensteuerung wesentlich geringer ist als im Flachen und
nur dadurch Bewegungen direkt und schnell auf die Ski übertragen werden können. Nur mit
einem schnellen Druckaufbau auf dem jeweiligen neuen Außenski kann die Geschwindigkeit
optimal kontrolliert und die (vor dem geistigen Auge) gewählte Spur eingehalten werden. Für
diesen schnellen Druckaufbau ist es auch unabdingbar, dass im Kurvenwechsel eine deutli-
che Bewegung des KSP nach vorne, in Richtung der neuen Kurve, erfolgt. Dies erfordert
gerade im Steilen mehr Überwindung als im Flachen. Ist der Außenski nun rechtzeitig gekan-
tet und belastet, ist es in der Kurvensteuerung entscheidend, dass der Kantwinkel erhöht
wird. Damit können die aufgrund der höheren Geschwindigkeit und der Hangsteilheit auftre-
tenden äußeren Kräften mit einem entsprechenden, deutlichen Oberkörperausgleich, der
sich im Kurvenverlauf verstärkt, kompensiert werden. All diese Aktionen sollen fließend inei-
nander übergehen bzw. sich überlappen, um eine technisch saubere sowie eine sportliche
und rhythmische Fahrweise, auch im steilen Gelände, zu erreichen.
1.5.2 Fahren in der Buckelpiste
Prinzipiell wird beim Befahren einer Buckelpiste eine etwas engere Skistellung gewählt. Auch
gilt es, ständig bewegungsbreit zu sein sowie statische Endpositionen zu vermeiden. Im Kur-
venwechsel müssen die Beine meist deutlich, aktiv gebeugt werden, um die Buckel auszu-
gleichen. Dadurch bleibt der Körperschwerpunkt im Idealfall meist auf gleicher Höhe. Der
Stockeinsatz erfolgt hier nur aus dem Handgelenk vor dem Körper. Ebenso sollte darauf ge-
Motorik
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achtet werden, dass der Stock nur kurz gesetzt wird, da andernfalls ein „Vorbeifahren“ am
Stock unweigerlich zu Positionsproblemen führt. In der Kurvensteuerung müssen die Beine
wieder aktiv ins Buckeltal gestreckt werden, um ein erneutes Beugen zu ermöglichen und um
den Schneekontakt nicht zu verlieren. Die Erhöhung des Kantwinkels spielt hier eine unter-
geordnete Rolle, da die Ski durch das Gelände (Buckelflanken) fast von alleine auf der Kante
fahren.
1.5.3 Fahren im Tiefschnee
Beim Befahren eines Tiefschneehanges vergrößert eine engere Beinstellung die Flächenwir-
kung der Ski und damit den Auftrieb. Eine beidbeinige, mittige bzw. leichte Fersenbelastung
erhöht zudem die Stabilität. Im Kurvenwechsel werden die Beine deutlich gestreckt bzw. der
Körperschwerpunkt angehoben, um die Ski dadurch stärker zu entlasten und somit den
Kant- bzw. Lagewechsel und anschließenden Druckaufbau zu erleichtern. In der Kurven-
steuerung sollen die Beine gleichmäßig gebeugt bzw. der KSP wieder abgesenkt werden,
um den Druck so dosiert erhöhen zu können. Dies erfolgt in Abhängigkeit von Schneebe-
schaffenheit, Hangsteilheit, dem gewählten Fahrtempo und Kurvenwinkel. Gerade bei kurzen
Radien führt hier ein rhythmisches Hoch- und Tiefgehen während der Kurvenfahrt zu einer
Komprimierung des weichen Schnees. Der so entstandene Verdichtungseffekt kann zum
Kurvenwechsel genutzt werden.
Bewegungssehen und Bewegungsanalyse
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2 Bewegungssehen und Bewegungsanalyse
Sehen (beobachten) und analysieren (beurteilen und beraten) von Bewegungen ist ein zent-
raler Bestandteil eines jeden Skiunterrichts. Das Bewegungssehen im Zusammenhang mit
der Analyse des Bewegungsablaufs sowie eine anschließend treffende und kundenorientier-
te Rückmeldung an den zu Trainierenden ist die Kernaufgabe jedes Skilehrers, Sportlehrers
und Trainers. Um dies zu realisieren, beinhaltet die Einheit Bewegungssehen und Bewe-
gungsanalyse folgende Kernaspekte:
Sportwissenschaftlicher Hintergrund: Grundlagen der Bewegungslehre im Zusam-
menhang mit der Beurteilung von Bewegungen
Bewegungssehen in der Praxis: Grundsätze der Bewegungsanalyse in der prakti-
schen Anwendung
Bewegungsanalyse in der Praxis: Darstellung einer inhaltlichen und kommunikativen
Feedback-Struktur
2.1 Sportwissenschaftlicher Hintergrund
Der äußere Eindruck einer Bewegung, d.h. das was man als Zuschauer bzw. Beurteilender
erkennt, hängt in erster Linie von der Ausprägung bestimmter Bewegungsmerkmale ab. In
der Sportwissenschaft unterscheidet man zwischen quantitativen und qualitativen Bewe-
gungsmerkmalen.
2.1.1 Quantitative Bewegungsmerkmale
Quantitative Bewegungsmerkmale können gemessen werden, wie z.B. Weiten, Höhen,
Kraftstöße, Impulse oder Geschwindigkeiten. Diese können mit Hilfsmitteln wie Stoppuhr
oder Maßband erfasst werden. Eine Beurteilung der Bewegungsqualität durch quantitative
Bewegungsmerkmale ist z.B. in der Leichtathletik und im Schwimmen möglich. Hier können
Bewegungsmerkmale wie Schnelligkeit, Weiten bzw. Höhen gemessen werden, welche eine
Aussage über die Bewegungsqualität möglich machen.
Bewegungssehen und Bewegungsanalyse
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2.1.2 Qualitative Bewegungsmerkmale
Für die Analyse von Bewegungen, wie sie im Alltag des Skilehrers gefordert wird, sind die
qualitativen Bewegungsmerkmale der entscheidende Orientierungspunkt. Hier stehen nun
keine messbaren Kriterien mehr zur Verfügung, ausschlaggebend sind die für die Bewe-
gungsanalyse zur Verfügung stehenden Beurteilungsmerkmale. In Abbildung 1 werden die
qualitativen Bewegungsmerkmale dargestellt.
Abbildung 1: Qualitative Bewegungsmerkmale
Quelle: Meinel & Schnabel
2.1.2.1 Phasenstrukturmodelle einer sportlichen Bewegung
Jede sportliche Bewegung lässt sich in ihrer Struktur in bestimmte Bewegungsphasen unter-
teilen. Hierzu gibt es im Rahmen der sportwissenschaftlichen Betrachtung verschiedene Mo-
delle mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Zwei wichtige Modelle, die auch im Skisport
Anwendung finden, sind das Funktionsphasenmodell nach Göhner und das Modell der Pha-
senstruktur nach Meinel & Schnabel. Die Ausprägung der einzelnen Bewegungsphasen in
einer sportlichen Bewegung muss als qualitatives Bewegungsmerkmal betrachtet werden.
Das Funktionsphasenmodell gliedert die sportliche Bewegung in zwei verschiedene Pha-
sen: in die Hauptfunktionsphase und Hilfsfunktionsphasen. Je nach Funktion in Bezug auf
das Erreichen des Bewegungszieles werden die Teilbewegungen in Hauptfunktions- und
Hilfsfunktionsphase unterteilt. Die Hauptfunktionsphase beinhaltet das Ziel der Bewegung
bzw. das Lösen der Aufgabe. Abschnitte der Bewegung, die sich im Hinblick auf das Bewe-
gungsziel durch eine bestimmte Funktion charakterisieren lassen, werden als Hilfsfunktions-
phasen bezeichnet, siehe Abbildung 2. Sie haben einen vorbereitenden, begleitenden, ab-
Bewegungssehen und Bewegungsanalyse
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schließenden oder überleitenden Charakter. Die Anzahl der Hilfsfunktionsphasen ist nicht
festgelegt und variiert je nach Bewegung.
Abbildung 2: Schematische Darstellung des Funktionsphasenmodells am Beispiel des Skisports
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Meinel & Schnabel
Beim Phasenstrukturmodell nach Meinel werden die sportlichen Bewegungen in unter-
schiedliche Bewegungsphasen eingeteilt. Die Phasenstruktur stellt das qualitative Bewe-
gungsmerkmal dar. Zuerst unterscheidet man zwischen zyklischen und azyklischen Bewe-
gungen. Azyklische Bewegungen sind durch einen einmaligen Bewegungsvollzug gekenn-
zeichnet. Die Bewegung lässt sich deutlich in drei verschiedenen Phasen gliedern, siehe
Abb. 3.
Abbildung 3: Drei- Phasen- Gliederung einer Bewegung
Quelle: Eigene Darstellung
In der Vorbereitungsphase werden die optimalen Bedingungen für die Hauptphase geschaf-
fen. Diese ist beim Weitsprung z.B. der Anlauf, der in Bezug auf Tempo und Präzision den
anschließenden Absprung vorbereitet. Die Hauptphase ist der eigentliche Bewegungsvollzug
bzw. stellt die Lösung der eigentlichen Bewegungsaufgabe dar. Beispielsweise beim Weit-
sprung ist die Hauptphase die Phase des Absprungs vom Brett bis zum ersten Bodenkontakt
im Sand bei der Landung. Die Endphase als chronologischer Abschluss der Bewegung hat
die Aufgabe, die Bewegung ausklingen zu lassen und das Gleichgewicht wiederherzustellen.
Bewegungssehen und Bewegungsanalyse
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Die zweite Art von sportlichen Bewegungen sind zyklische Bewegungen. Hier handelt es sich
um wiederholende Bewegungen. In zyklischen Bewegungen verschmelzen Vorbereitungs-
und Endphase zu einer Zwischenphase, so dass das Ausklingen der vorhergehenden Bewe-
gung die Einleitung der nächsten Bewegung beinhaltet, siehe Abbildung 4. Neben den klas-
sischen Beispielen Laufen und Gehen zählt auch das Skifahren zu den Sportarten, bei de-
nen eine zyklische Bewegungsabfolge sichtbar ist.
Abbildung 4: Zwei- Phasen- Gliederung der Bewegung
Quelle: Eigene Darstellung
Im Folgenden wird die Zwei- Phasen- Gliederung der Bewegung anhand des Skifahrens er-
läutert. Im Skisport ist die Steuerphase die Hauptphase der Bewegung, in der die eigentliche
Bewegungsaufgabe, nämlich das Fahren um die Kurve, vollzogen wird. Die Phase des Kur-
venwechsels entspricht der Zwischenphase, in der nach dem Überfahren der Falllinie (in
Abhängigkeit vom Radius und Kurvenwinkel) bereits die neue Kurve vorbereitet und mit dem
Kurvenwechsel eingeleitet wird, siehe Abbildung 5. Je nach Timing kann dies verzögert oder
beschleunigt passieren. Zusätzlich bestehen zwei weitere Beschreibungs- und Einteilungs-
möglichkeiten einer Kurve beim Skilauf: Zum einen die räumliche Einteilung in Kurvenein-
fahrt und Kurvenausfahrt, sowie die funktionale Einteilung in Kurvenwechsel und Kurven-
steuerung.
Abbildung 5: Phaseneinteilung eines zyklischen Bewegungsablaufs am Beispiel Skilauf
Quelle: Eigene Darstellung
Bewegungssehen und Bewegungsanalyse
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2.1.3 Weitere qualitative Bewegungsmerkmale
Neben der Phasenstruktur gibt es eine Reihe weiterer qualitativer Bewegungsmerkmale, die
im Folgenden in ihrer Relevanz für den Skisport genauer erläutert werden sollen. In der Pra-
xis der Bewegungsbeobachtung und -analyse sind diese Bewegungsmerkmale nicht klar
voneinander abzugrenzen. Dennoch tragen die Bewegungsmerkmale am Hang und bei der
Videoanalyse dazu bei, Fahrten zu beurteilen. Kann der Skifahrer die Hauptbewegungen
durch die Adaption der Bewegungsspielräume an die jeweilige Situation anpassen, so ist
eine gute Ausprägung der Bewegungsmerkmale zu sehen.
Der Bewegungsrhythmus beinhaltet die bewegungsspezifische, zeitlich-dynamische Ord-
nung einer motorischen Aktion. Dieser entsteht durch einen periodischen Wechsel von
Spannung und Entspannung der jeweilig beteiligten Muskulatur. Durch den ständigen Wech-
sel der Spannungszustände wird ein Rhythmus erreicht. Jeder Bewegungsablauf im Sport
hat hinsichtlich seiner Anspannungs- und Entspannungsphasen eine für ihn typische zeitli-
che Gliederung. Unter der zeitlichen Gliederung einer Bewegung versteht man die zeitliche,
räumliche und funktionale Gliederung der einzelnen Teilbewegungen zu einer Gesamtbewe-
gung. Ein fließender Bewegungsrhythmus entsteht dann, wenn der Wechsel von Spannung
und Entspannung der zeitlichen Gliederung entspricht.
Skisport: Der Bewegungsrhythmus dominiert bei der Bewegungsanalyse und prägt das
Merkmal für optimales Kurvenfahren (rhythmische, harmonische und dem Kurvenverlauf an-
gepasste Bewegungen). Bei einem optimierten Bewegungsrhythmus werden Belastungsspit-
zen minimiert und ein ökonomischer, sportlicher Fahrstil kann präsentiert werden. Dies ist
vor allem beim Kurzschwung oder dem Befahren einer Buckelpiste wichtig, um den Bewe-
gungsrhythmus den äußeren Gegebenheiten anzupassen.
Die Bewegungskopplung beinhaltet die Abstimmung der Teilbewegungen einer sportlichen
Aktion zu einem einheitlichen Ganzen und setzt das Bewegungsverhalten des Kopfes,
Rumpfes und der Extremitäten zueinander in Beziehung. Bei sportlichen Bewegungen han-
delt es sich selten um isolierte Bewegungen, meistens ist der gesamte Bewegungsapparat
mit seinen Muskeln und Körperteilen an der Ausführung einer Bewegung beteiligt. Wichtig ist
es nun, die einzelnen Teilbewegungen räumlich, zeitlich und dynamisch so aufeinander ab-
zustimmen, dass eine effektive und zielführende Ausführung einer Bewegung möglich ist.
Dem Rumpf wird hier eine besondere Rolle zugeteilt, da er als Impulsüberträger und Kopp-
lungsfunktion zwischen unteren und oberen Extremitäten fungiert.
Bewegungssehen und Bewegungsanalyse
13
Skisport: Betrachtet man Kurvenwechsel und Kurvensteuerung, findet eine sukzessive Kopp-
lung von aufeinander aufbauenden Teilbewegungen statt. Eine KSP- Verlagerung nach vor-
ne in die neue Kurvenrichtung ermöglicht einen Druckaufbau auf den neuen Außenski und
die Kantbewegung wird eingeleitet. In der Kurvensteuerung findet eine gleichzeitige Kopp-
lung mehrerer Teilbewegungen statt. So erfolgt eine Erhöhung des Kantwinkels nur in Kopp-
lung mit einer intensiveren Oberkörperausgleichsbewegung.
Der Bewegungsfluss stellt ein wesentliches Kennzeichen der Bewegungsstruktur dar und
beschreibt den Grad der Kontinuität im Ablauf eines motorischen Aktes. Der Bewegungsfluss
zeichnet sich demnach dadurch aus, dass er bei den Übergängen zwischen Vorbereitungs-,
Haupt- und Endphase einer Bewegung die Forderung nach einem möglichst kontinuierlichen,
glatten bzw. runden Bewegungsverlauf erfüllt. Der Bewegungsfluss beschreibt die Kontinuität
des Verlaufs einer Bewegung. Die Abstimmung der einzelnen Kraftimpulse aufeinander ist
wichtig, um Bewegungsspitzen bzw. Bewegungsplateaus zu vermeiden. Der Übergang der
einzelnen Teilphasen (Vorbereitungs-, Haupt- oder Endphase, sowie Zwischen- und Haupt-
phase) einer Bewegung muss so reibungslos wie möglich vollbracht werden, um einen opti-
malen Bewegungsfluss zu gewährleisten. Im Vergleich zum Bewegungsrhythmus, bei dem
die fließende Aneinanderreihung von Bewegungszyklen im Vordergrund steht, beschreibt der
Bewegungsfluss die fließende Kopplung von Teilbewegungen.
Skisport: Bewegungsfluss bedeutet im Skisport den nahtlosen Übergang der Hauptbewe-
gungen von Kurvenwechsel zur Kurvensteuerung zurück zum Kurvenwechsel. Dadurch kann
der Druck jederzeit reguliert werden. Bewegungsplateaus sowie Bewegungsspitzen können
reduziert werden (siehe Merkmale für den gesamten Kurvenverlauf).
Die Bewegungspräzision beinhaltet im sportlichen Bereich die Fähigkeit zu einer möglichst
genauen Bewegungsausführung. Je nach Sportart versteht man unter der Bewegungspräzi-
sion zum einen die Ziel-, bzw. Treffergenauigkeit, zum anderen die Ablaufgenauigkeit in Be-
zug auf den Bewegungsablauf. Dies entspricht einer idealisierten Vorstellung einer Bewe-
gungsausführung, die in der Regel äußere Parameter wie Wetter vernachlässigt.
Skisport: Der situativ perfekte Schwung. Da im Skisport die Ausführung der Bewegungen
stark von äußeren Parametern abhängt, spricht man von Bewegungspräzision, wenn die
einzelnen Teilbewegungen in ihrer Ausführung perfekt an die Situation angepasst sind. So ist
es beim Befahren einer Buckelpiste wichtig, den KSP annähernd auf einer Höhe zu halten,
während die Beine wie eine Feder die Buckel ausgleichen.
Bewegungssehen und Bewegungsanalyse
14
Unter Bewegungskonstanz ist der Grad der Übereinstimmung wiederholt ausgeführter Be-
wegungsabläufe zu verstehen. Um eine Bewegungskonstanz zu erreichen, benötigt es eines
längeren Anpassungsprozesses. In diesem Anpassungsprozess wird ein bestimmter Bewe-
gungsablauf mit dem Ziel automatisiert, auch in Extremsituationen eine maximale Bewe-
gungspräzision zu erlangen.
Skisport: Im Skisport umfasst die Bewegungskonstanz die maximale Bewegungspräzision
bei wiederkehrenden Bewegungsabläufen. Ein Slalomfahrer sollte bei jedem Tor einen idea-
len Bewegungsablauf erreichen. Hier gibt die Kurssetzung den Rhythmus vor. Nur mit einer
automatisierten Bewegungskonstanz ist es möglich, Topleistungen zu erzielen.
Der Bewegungsumfang beinhaltet – in enger Abhängigkeit von der jeweiligen motorischen
Aufgabenstellung – die optimale räumliche Ausdehnung einer Bewegung. Der Bewegungs-
umfang ist abhängig von der Situation, der Aufgabenstellung oder dem zu erreichenden Ziel.
Ein und dieselbe Bewegung kann mit minimalem oder maximalem Umfang ausgeführt wer-
den.
Skisport: Im Skisport entsteht der „Bewegungsumfang“ einer Bewegung durch die unter-
schiedlich starke Ausführung der Hauptbewegungen. Bei eisiger, steiler Piste muss die
Kantbewegung extremer sein als bei einer weichen flachen Piste.
Das Bewegungstempo stellt die zeitliche Dauer eines Bewegungsablaufes dar und kann
sich sowohl auf die Gesamtbewegung, als auch auf Teilaspekte einer Bewegung beziehen.
Das Bewegungstempo ist abhängig von der Situation, der Aufgabenstellung oder dem zu
erreichenden Ziel. Es beschreibt allgemein die Schnelligkeit und Frequenz von Gesamt- und
Teilbewegungen. Ein und dieselbe Bewegung kann schnell oder langsam ausgeführt wer-
den. Während der Ausführung ist es aber auch möglich, eine Bewegung zu verzögern oder
zu beschleunigen.
Skisport: So ist es bei einer steilen Piste wichtig, möglichst schnell über die Falllinie zu steu-
ern, um Tempo und Richtung kontrollieren zu können.
Die Bewegungsstärke charakterisiert das Ausmaß des Muskelkrafteinsatzes im Moment
des Hauptimpulses innerhalb eines Bewegungsablaufes. Im Allgemeinen beschreibt sie den
Krafteinsatz bei der Ausführung einer Bewegung. Der aufgewandte Einsatz hängt dabei auch
stark vom Bewegungsziel ab. Der Schlagballwurf verdeutlicht dies anschaulich: Zum einen
kann die Maximalweite als Ziel vorgegeben sein, zum anderen kann die Aufgabe sein, den
Bewegungssehen und Bewegungsanalyse
15
Ball so nah wie möglich an eine vorgegebene Linie zu werfen. Hier muss in der Bewegungs-
stärke differenziert werden, die Technik der Wurfbewegung bleibt dieselbe.
Skisport: Bei gleichem Aufkantwinkel und variablem Druck (Krafteinsatz) ist es möglich, un-
terschiedlich große Radien zu fahren.
2.2 Bewegungsanalyse in der praktischen Anwendung
Im folgenden Teil wird die zuvor erklärte wissenschaftliche Thematik hinsichtlich des Bewe-
gungssehens bzw. der Bewegungsanalyse zur Anwendung gebracht und den Nutzen für den
Skikurs verdeutlicht.
Um Bewegungen am Hang analysieren zu können, muss sich der Skilehrer auf einige weni-
ge Beobachtungskriterien fokussieren. Dies ist notwendig, da man zum einen den Bewe-
gungsablauf aus variierender Entfernung wahrnimmt und zum anderen ist die Zeit der Bewe-
gungswahrnehmung begrenzt (Auge hat keine Vergrößerungsfunktion und Gehirn hat keinen
Aufnahmemodus). Die in dieser Situation wahrnehmbaren Beobachtungskriterien sind die
Position auf dem Ski, die Hauptbewegungen (z.B. Beinaktionen, Armaktionen) und die Be-
wegungsspielräume, die durch die Bewegungsmerkmale Stärke, Tempo und Umfang mani-
festiert werden. Die komplexen Bewegungsmerkmale wie Rhythmus, Kopplung, Fluss und
Präzision setzen sich aus diesen zusammen. Sie werden im Rahmen des Gesamteindrucks
einer Fahrt wahrgenommen und sind über die Grundmerkmale des optimalen Kurvenfahrens
definiert. Dies bedeutet, dass nur eine klare Struktur des Bewegungssehens eine einigerma-
ßen zuverlässige, objektive und wiederholbare Analyse zulässt. Hier bietet sich aus funktio-
nalen Gründen folgende Struktur an, bei Beobachtung von unten nach oben:
1. Wie fährt der Ski?
2. Positionsregulation - Bewegungsmerkmale über den ganzen Kurvenverlauf
3. Merkmale - im Kurvenwechsel und der Kurvensteuerung
4. Zusatzaktionen und Bewegungsspielräume (TURD)
Die Beobachtung des Verhaltens der Ski im Bezug zur Aufgabenstellung ist der erste An-
satzpunkt für die Bewertung einer Fahrt (1). Diese Beobachtung dient als Grundlage für eine
fundierte Analyse und Rückmeldung. Sind offensichtliche Abweichungen von der Aufgaben-
stellung erkennbar, resultieren diese aus Defiziten in den Punkten 2-4. Zuerst wird das
Merkmal für optimales Kurvenfahren über den gesamten Kurvenverlauf analysiert. Hier ste-
hen die Position und der Bewegungsfluss im Vordergrund („Druck regulieren“). Dann be-
Bewegungssehen und Bewegungsanalyse
16
trachtet man den Kurvenwechsel und die Kurvensteuerung. Hier dienen die Merkmale
(„Druck aufbauen“ / „Druck erhöhen“) als Orientierung. Sind die erkannten Abweichungen
des Skiverhaltens mit diesen beiden Ansatzpunkten nicht zu begründen, müssen
Zusatzaktionen und Bewegungsspielräume analysiert werden. Die aus der vorhergehenden
Beobachtung bzw. Analyse erschlossene Rückmeldung muss dann in einem nächsten
Schritt angemessen kommuniziert werden.
2.3 Darstellung einer inhaltlichen und kommunikativen Feedback-
Struktur
Um die Eigen- und Fremdrealisation des Fahrers angleichen zu können, sollte der Skilehrer
nach der Fahrt einen gezielten Korrekturvorschlag abgeben können. Dadurch wird der moto-
rische Lernprozess unterstützt. Da das kinästhetische Gedächtnis (Körpergedächtnis) nur
wenige Sekunden nach Beendigung des Bewegungsvollzugs erlischt, muss die Rückmel-
dung möglichst schnell und kompakt erfolgen, um dem Fahrer den Vergleich seines eigenen
Empfindens mit den Informationen der Rückmeldung zu ermöglichen. In Verbindung mit
einer angemessenen Kommunikation bietet sich folgende zwei- bis dreiteilige Struktur an:
Abfrage der Eigenrealisation oder positiver Einstieg (Abholen des Fahrers)
Kurzanalyse
Korrekturmaßnahme (Info, Bewegungsaufgabe, Eigenrealisation usw.), bei hoher
Qualität zunehmend Beachtung der komplexen Merkmale
Durch die eigenständige Formulierung des Fahrgefühls oder einen positiven Einstieg des
Skilehrers, soll der Fahrer zum einen sensibilisiert und zum anderen offen für Korrekturvor-
schläge werden. Im Bereich der Kurzanalyse wird nicht mehr vom Hauptfehler, sondern
vom Ist-Zustand gesprochen, da es beim Skifahren selten um Fehler geht, sondern meist um
nicht angepasste Merkmale/Aktionen. Das nicht angepasste Merkmal wird klar und präzise
angesprochen. Hierbei ist es wichtig, die Abweichung der jeweiligen Kurvenphase zuzuord-
nen und nicht den Bewegungsspielräumen. Die Korrekturmaßnahme sollte z.B. in Form einer
Bewegungs- oder Gefühlsaufgabe gegeben werden, die für den Fahrer schnell umsetzbar
ist.
Bewegungslehre – Die Bewegungsanalysatoren
17
3 Bewegungslehre – Die Bewegungsanalysatoren
Damit der Mensch Bewegungen mit der uns bekannten Präzision und Routine ausführen
kann, muss er sich permanent auf die wechselnden Umweltbedingungen einstellen. Diese
Einstellung kann nur über einen permanenten Wahrnehmungsprozess erfolgen. Die Analysa-
toren sind im Allgemeinen für diese Wahrnehmungsprozesse zuständig und eng verknüpft
mit den dafür vorgesehenen Sinnesorganen. In der Bewegungslehre dienen Analysatoren im
Zusammenhang mit dem motorischen Lernprozess bzw. der Bewegungskoordination sowohl
zur Erfassung des aktuellen Zustandes der Bewegungsumgebung des Sportlers als auch
seiner Körperteile zueinander. Somit geht der Begriff „Analysator“ weit über die Beschrei-
bung der einzelnen Sinnesorgane hinaus. Dieser beschreibt viel mehr den gesamten in sich
abgeschlossenen Prozess, von der Aufnahme über die Weiterleitung bis hin zur Verarbei-
tung eines Sinnesreizes. Ein Analysator besteht folglich aus mehreren Teilsystemen, die mit
einander vernetzt sind. Abbildung 6 zeigt ein dafür typisches allgemeines Zusammenspiel,
bei dem ein äußerer Reiz beim Rezeptor einen Impuls erzeugt, der über afferente Nerven-
bahnen zum Gehirn weitergeleitet wird. Dort wird dieser in sensorischen Zentren in verschie-
denen Gehirnarealen weiterverarbeitet.
Abbildung 6: Schematische Darstellung eines Analysators
Quelle: Meinel & Schnabel
Je mehr ein Sportler in der Lage ist, seine eigene Bewegung sowie die Umweltsituation zu
erfassen, desto besser wird er sich auf veränderte Gegebenheiten einstellen und die
Bewegungsaufgaben im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten motorisch lösen können.
Bewegungslehre – Die Bewegungsanalysatoren
18
Dafür stehen dem Körper verschiedene Analysatoren zur Verfügung, die für die Erfassung
von unterschiedlichen äußeren Reizen ausgelegt sind. Dieses Zusammenspiel und die Ver-
arbeitung von unterschiedlichen Reizen sind grundlegend für die Ausführung komplexer
Bewegungen, wie sie permanent im alpinen Skisport gegeben sind.
3.1 Kinästhetischer Analysator
Hatch und Maietta (2003) definieren Kinästhetik als „das Studium der Bewegung und der
Wahrnehmung, die wiederum aus der Bewegung entsteht – sie ist die Lehre von der Bewe-
gungsempfindung“. Der kinästhetische Analysator erkennt kleinste Änderungen in der
Muskelspannung und der Muskellänge, sowie Änderungen in der Stellung der Gelenkwinkel
zueinander. Aufgrund dieser Eigenschaft, kleinste Änderungen erkennen zu können, ist der
kinästhetische Analysator mit allen anderen Analysatoren am engsten verbunden, denn jeder
äußere Reiz hat auch einen kinästhetischen Anteil. Aus diesem Grund ist der kinästhetische
Analysator für die Gesamtmotorik und das Bewegungslernen der bedeutsamste Analysator.
Um diese Änderungen im Muskelapparat wahrnehmen zu können, braucht der
kinästhetische Analysator selbst auch wieder Rezeptoren. Diese Rezeptoren heißen Proprio-
rezeptoren. Sie befinden sich in allen Muskeln, Sehnen und Gelenken des menschlichen
Bewegungsapparates. Die Propriorezeptoren setzen sich zum einen aus der Muskelspindel
und zum anderen aus dem Golgi-Sehnenapparat zusammen. Die Muskelspindel erkennt
dabei Änderungen in der Länge des Muskels, während der Golgi-Sehnenapparat Änderun-
gen in der Muskelspannung wahrnimmt. Ein weiteres Merkmal dieser Propriorezeptoren sind
besonders schnelle Leitungsbahnen, das heißt ein schneller Transport von Informationen an
das Gehirn. Abbildung 7 zeigt schematisch die Wirkungsweise des kinästhetischen Analysa-
tors mit Hilfe der Propriorezeptoren. Dabei geben Muskelspindel und Golgi-Sehnenapparat
den Impuls an das Rückenmark (Zentrales Nervensystem) weiter. Im direkten Feedbackloop
geht ein Impuls wieder zurück an den Muskel. Die Muskelspindel kann auch direkt über das
Gehirn angesteuert werden, wohingegen der Golgi-Sehnenapparat nicht (nur reflektorisch).
Bewegungslehre – Die Bewegungsanalysatoren
19
Abbildung 7: Schematische Darstellung der kinästhetischen Arbeit eines Muskels
Quelle: Meinel & Schnabel
Produkte der kinästhetischen Empfindungen sind zum Beispiel die Fähigkeit, Lage und Be-
wegungsrichtung von Körperteilen zueinander und in Bezug zur Umwelt unbewusst reflekto-
risch zu kontrollieren und zu steuern. Da auf dem kinästhetischen Analysator kein willentli-
cher Einfluss genommen werden kann, muss dieser durch ein ständiges Training verbessert
werden. Durch permanentes Setzen von Reizen, auf die der Analysator reagieren muss, wird
die Arbeitsweise des Analysators verfeinert und die Bewegungskoordination verbessert.
Gerade in letzter Zeit ist der kinästhetische Analysator und seine Rezeptoren im Leistungs-
und therapeutischen Training mit der „Entdeckung und Weiterentwicklung“ des propriorezep-
tiven Trainings sehr stark in den Mittelpunkt gerückt. Im Skisport ist der kinästhetische Ana-
lysator wie in den meisten Sportarten entscheidend, da die Propriorezeptoren die zentralen
Fühler für die Lage- bzw. Positionsregulation auf dem Ski sind. Durch die reflektorische
Rückkopplung mit dem Zentralnervensystem (ZNS) wird ständig versucht, sich an die vor-
herrschende Situation anzupassen. Durch diese permanente Regulation der Hauptbewe-
gungen ist es möglich, die Bewegungsspielräume am Ski ideal auszunutzen.
3.2 Taktiler Analysator
Die Sinnesorgane des taktilen Systems befinden sich überwiegend in der Haut. Freie Ner-
venendungen in der Haut erfassen Berührungen (mechanischer Reiz) oder Temperaturreize.
Bewegungslehre – Die Bewegungsanalysatoren
20
Das taktile System vermittelt Tastinformationen und ermöglicht die Unterscheidung von
Hautreizen, da diese lokalisiert werden können. Die Form, Beschaffenheit und Oberfläche
berührter Gegenstände oder Luft- und Wasserwiderstände werden vorwiegend taktil wahr-
genommen. Je nach Aufgaben sind die verschiedenen Bereiche des Körpers unterschiedlich
sensibel (besonders sensibel sind z.B. Lippen, Fingerkuppen und Geschlechtsorgane). Der
taktile Analysator kann sehr gut zwischen verschiedenen Reizen wie Berührung, Druck oder
Vibration unterscheiden. Je mehr taktile Rezeptoren eine Körperregion enthält, desto größer
ist deren Repräsentation in der Großhirnrinde und folglich auch die Sensibilität.
In der Praxis sind die Informationen der kinästhetischen und taktilen Analysatoren häufig
nicht voneinander zu trennen, da der bewusst wahrgenommenen, taktilen Empfindung zu-
sätzlich auch eine kinästhetische Information zugrunde liegt. Zudem befinden sich die takti-
len Rezeptoren in unmittelbarer Nachbarschaft zu den weit verzweigten Propriorezeptoren.
Im Skisport beruht z.B. die Wahrnehmung der Position über die Fußsohle auf dem Zusam-
menspiel zwischen taktilen, kinästhetischen und statico-dynamischen Analysatoren. Der
Fahrtwind als unsicheres Signal für die Geschwindigkeit wird taktil erfühlt.
Die Schneebeschaffenheit wird vorwiegend über den taktilen und kinästhetischen Analysator
wahrgenommen.
3.3 Optischer Analysator
Die Rezeptoren des optischen Analysators (Augen) liefern visuelle Informationen über Eigen-
und Fremdbewegungen. Sie werden auch als Distanz- oder Telerezeptoren bezeichnet, da
Reize kontaktlos mit dem Rezeptor entstehen. Der optische Analysator liefert genaue Infor-
mationen über
räumlich-zeitliche Umweltveränderungen,
Körperbeziehungen im Raum,
Räumlich-zeitliche Beziehung zu einem Gegenstand,
Bewegungsverhalten von Mitmenschen und Gegenständen (andere Skifahrer, Tor-
stangen, Pistenmarkierungen),
eigenen, zeitlichen Bewegungsverlauf.
Diese Informationen werden sowohl über zentrales als auch peripheres Sehen wahrgenom-
men. In Abbildung 8 wird der Unterschied zwischen zentralem und peripherem Sehen darge-
stellt. A) beschreibt zentrales Sehen, wobei das Auge direkt auf einen Punkt (rot) fokussiert.
Hier kann das Auge die größte Auflösung erreichen. B) demonstriert peripheres Sehen (aus
Bewegungslehre – Die Bewegungsanalysatoren
21
dem Augenwinkel sehen). Peripheres Sehen beschreibt die Wahrnehmung von Gegenstän-
den (grün), die nicht im direkten Fokus liegen und funktioniert ähnlich einem Weitwinkelob-
jektiv. Peripheres Sehen sorgt für den Gesamteindruck einer Situation.
Abbildung 8: Schematische Darstellung des Auges und dem Sichtfeld
Quelle: Meinel & Schnabel
Im alpinen Skilauf dient der optische Analysator dem schnellen Wahrnehmen von Situatio-
nen (anderen Skifahrern, Pistenbeschaffenheit, Geländeveränderungen) und ermöglicht ein
frühzeitiges und schnelles Reagieren. Dies ermöglicht wiederum eine ideale Ausnutzung der
Bewegungsspielräume, da das Timing, der Umfang und die Richtung der Bewegungen vari-
abel für verschiedene Geschwindigkeiten und Geländeformen gestaltet werden können.
Auch im Skischulunterricht ist der optische Analysator sehr wichtig, um schnellen Lernerfolg
garantieren zu können. Der Skischüler erlernt motorische Eigenschaften, indem er vom Ski-
lehrer oder anderen Skischülern Bewegungsabläufe kopiert und nachahmt. Speziell im Kin-
derskikurs stellt der visuelle Analysator für den Lernfortschritt den entscheidenden Faktor
dar. Hier spielt die Bewegungsbeschreibung eine geringe Rolle, gelernt wird durch Nachah-
mung von Bewegungen.
3.4 Akustischer Analysator
Die Rezeptoren des akustischen Analysators liefern Informationen über die auditive Wahr-
nehmung von bewegungsbegleitenden bzw. bewegungsunterstützenden Geräuschen. Das
Ohr selbst dient dabei nur als Sinnesorgan, mit dem der Schall, d.h. Töne, Klänge oder
Schallwellen ganz allgemein aufgenommen und weitergeleitet werden. Schallwellen werden
am Hörnerv in elektrische Impulse umgewandelt und im Gehirn verarbeitet. Aufgrund einer
Bewegungslehre – Die Bewegungsanalysatoren
22
Datenbank von bekannten Geräuschen, kann das Gehirn gezielt typische Muster erkennen
und diese Menschen oder Umweltsituationen zuordnen.
Im alpinen Skilauf können wichtige Erkenntnisse über Pistenbeschaffenheit aufgrund von
markanten Geräuschen erkannt werden. Rattern oder Schlagen der Ski spricht meistens für
harte oder vereiste Pisten.
Im Skischulunterricht kommt dem akustischen Analysator eine wichtige didaktisch-
methodische Funktion zu. Akustische Reize werden gezielt zur Schulung von Bewegungs-
fluss und Rhythmus eingesetzt, wie beispielsweise rhythmisches Klatschen oder Zurufen.
3.5 Statico-dynamischer Analysator
Ein Gleichgewichtsorgan dient Lebewesen zur Wahrnehmung von Beschleunigungen und
zur Bestimmung der Richtung der Erdanziehungskraft. Beim Menschen ist der Vestibularap-
parat das wichtigste Gleichgewichtsorgan. Das paarige Vestibularorgan (Organon vestibula-
re, Vestibularapparat) der Wirbeltiere und des Menschen befindet sich im Innenohr und dient
als statico-dynamischer Analysator. Der statico-dynamische Analysator nimmt jede Bewe-
gung des Kopfes wahr und leitet dementsprechende Ausgleichsbewegungen des Körpers
ein. Besonders deutlich wird dies in der „alten Trainerweisheit“, die vor allem aus dem Turn-
sport kommt, aber auch für das Skifahren sehr gut nachvollziehbar ist:
„Der Kopf steuert die Bewegung“
Der statico-dynamische Analysator steht in enger Vernetzung mit dem kinästhetischen, takti-
len und visuellen Analysator. Aus dem Vestibularapparat, den Sensoren in Halsmuskeln und
-gelenken, sowie den Muskeln und Gelenken im restlichen Körper (Kinästhetik), fließen die
Informationen zusammen. Das Gehirn kann daraus die exakte Gesamtkörperlage berechnen
und das Gleichgewicht aufrechterhalten oder wiederherstellen.
Um im alpinen Skisport eine stabile, bewegungsbereite Position zu gewährleisten, ist dieses
Zusammenspiel fundamental. So wirkt sich zum Beispiel eine Rotation im Kopf auch auf die
Skier aus, da der Körper versucht, die vom Kopf ausgeführte Bewegung zu kompensie-
ren. Im Slopestyle-Bereich wird allerdings die absichtliche Bewegung des Kopfes genützt,
um Rotationen einzuleiten.
Auch im Skischulunterricht kann man als Skilehrer den statico-dynamischen Analysator zur
Hilfe nehmen. Durch Verlagerung des Kopfes können erste Kurven im Pflug erzielt werden.
Zusammenfassung
Bewegungslehre – Die Bewegungsanalysatoren
23
Die vor, während und nach einer Bewegung einlaufenden Informationen werden im ZNS
hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Bewegung ausgewählt und für die Erstellung oder Um-
stellung von Handlungsplänen verwendet. Die Bedeutung der einzelnen Analysatoren hängt
sehr stark von der speziellen Sportart ab. Es herrscht eine enge Wechselbeziehung
zwischen der Leistungsfähigkeit der Analysatoren und den koordinativen Fähigkeiten.
Grundsätzlich gilt in der Informationsverarbeitung Sehen vor Fühlen.
Grundlagen des Unterrichtens
24
4 Grundlagen des Unterrichtens
4.1 Prüfungsanforderungen
Es wird eine Lehrprobe von 15 Minuten Dauer geprüft. Diese Lehrprobe erfolgt unvorbereitet,
dabei sollen die methodisch-didaktischen Fertigkeiten abgeprüft werden. Hierzu findet ein
simulierter Gruppenunterricht statt. Die Notenstufen richten sich nach dem Schulnotensys-
tem (Note 1-6). Bei einer Note bis einschließlich 4,5 gilt die Prüfung als bestanden. Eine
Wiederholung der Prüfung bei Nichtbestehen ist erst beim nächsten Level III Lehrgang mög-
lich. Die Themen der Lehrprobe orientieren sich an den Lernebenen Grün, Blau, Rot und
Schwarz, siehe Abbildung 9. Die Bekanntgabe des Themas erfolgt kurz vor Beginn der Prü-
fung. Die Gruppe fungiert während der Lehrprobe als Skischülergruppe, diese sollen sich
aber normal verhalten und dürfen keine Hilfen, Ratschläge oder Ähnliches geben.
Abbildung 9: Lernebenen – DSLV-Schneesportphilosophie
Quelle: Deutscher Skilehrer Verband
Grundlagen des Unterrichtens
25
4.2 Methodik: Lernmodelle
Um einen Unterricht auf hohem Niveau abhalten zu können, erfordert es ein Verständnis
derjenigen Faktoren, die Lernen beeinflussen. Daher wird im Folgenden auf die motorische
Entwicklung im Lebenslauf sowie auf die Lernmodelle eingegangen.
4.2.1 Motorische Entwicklung
Nachfolgend soll kurz auf die motorische Entwicklung im Lebenslauf eingegangen werden.
Vorschulalter (4-6 Jahre):
Da sich der Körper stabilisiert und in dieser Phase das Hirn sehr schnell wächst, ist dies ein
sehr gutes Einstiegsalter zum Erlernen des Skifahrens. Kraftfähigkeiten und Kognition ver-
bessern sich, wodurch erste Aneignungen von Bewegungskombinationen ermöglicht wer-
den. Außerdem nimmt die variable Verfügbarkeit von Bewegungsformen zu. Insofern kann
sich das Kind nun merken, wie es eine Bewegung ausführen muss, sodass diese funktio-
niert. Dies soll jedoch spielerisch und kindgerecht ablaufen. Die Gewöhnung an Ski und Ski-
schuh (evtl. auch Skistock) muss behutsam und dosiert erfolgen.
Frühes Schulkindalter (7-10 Jahre):
Während dieser Entwicklungsphase stellen sich weitere qualitative Verbesserung der Bewe-
gungsfähigkeiten ein. Dabei sind starke Niveau-Anstiege, vor allem bei den koordinativen
Fähigkeiten, zu beobachten. Dies bietet optimale Möglichkeiten, die Kinder vielfältig zu
schulen, wie beispielsweise Kurven fahren, springen, vorwärts, rückwärts, etc. Auch hier soll
der Unterricht aber eher als „Spiel“ gesehen werden, um die Kinder nicht durch Monotonie zu
demotivieren.
Spätes Schulkindalter (10-14 Jahre):
Die Entwicklung der motorischen Hirnreife kommt in diesem Alter zum Abschluss. Man
spricht auch von dem „Goldenen motorischen Lernalter”, bei dem der Skischüler auf Anhieb
lernt sowie seine motorischen Fertigkeiten stark verbessert. Dabei ist zu beachten, dass
sowohl durch individuelle Unterschiede im konditionellen Bereich, vor allem Kraft- und Aus-
dauerfähigkeiten, sowie unterschiedliches biologisches Alter unter Umständen zu
heterogenen Gruppen (Akzeleration/Retardierung) führen kann.
Grundlagen des Unterrichtens
26
4.2.2 Lernmodelle
Im folgenden Teil werden zwei Lernmodelle, das Motorische und das Differenzielle Lernen,
kurz vorgestellt, um eine Verknüpfung zwischen der Lehrtätigkeit und dem theoretischen
Hintergrund zu schaffen.
4.2.2.1 Motorisches Lernen
Meinel & Schnabel (2007) definieren motorisches Lernen als Entwicklung, Anpassung und
Vervollkommnung von Verhaltensweisen und ‐ formen, speziell von Handlungen und Fertig-
keiten, deren Hauptinhalt die motorische Leistung ist. Die Aneignung wird unterteilt in Ent-
wicklung, Anpassung und Vervollkommnung einer Bewegung. Hier ist wieder der Prozess-
charakter erkennbar. Motorische Fertigkeiten lassen sich nicht von heute auf morgen erler-
nen. In der Literatur existiert eine Vielzahl an Lernmodellen, welche das motorische Lernen
beschreibt. Das am weitesten verbreitete Modell ist das von Meinel & Schnabel, welches in
drei Lernphasen gegliedert ist:
1. Lernphase: das Verfügen der Grobkoordination einer Bewegung
2. Lernphase: das Verfügen der Feinkoordination einer Bewegung
3. Lernphase: Stabilisierung der Feinkoordination und variable Verfügbarkeit einer
Bewegung
Grobkoordination
In der ersten Phase wird der Skischüler mit dem Bewegungsablauf bekannt gemacht. Er
bekommt eine Bewegungsvorstellung und kann die Bewegung in der Grobkoordination
durchführen. Das Bewegungskönnen ist in der ersten Lernphase aber noch unvollkommen.
Die Aufgabe wird gelöst, dennoch sind Bewegungsmängel erkennbar. Die Kennzeichen sind
falscher Krafteinsatz, eine fehlende Bewegungskopplung, eine gering ausgeprägte Bewe-
gungspräzision und –konstanz. Betrachtet man das „Skifahren“ als Fertigkeit, so befindet
sich der Skischüler hier in der Lernebene grün (evtl. auch in blau).
Feinkoordination
Diese Phase umfasst den Lernverlauf vom Erreichen der Grobkoordination bis zu dem Sta-
dium, indem der Lernende die Bewegungen unter konstanten Bedingungen nahezu fehlerfrei
ausführen kann. Unter gewohnten, günstigen Bedingungen kann man eine gewisse
Fehlerfreiheit der Bewegung, eine bessere Präzision und Konstanz, einen dosierten
Grundlagen des Unterrichtens
27
Krafteinsatz, zweckmäßige Bewegungskopplungen, sowie einen guten Bewegungsfluss be-
obachten. Skischüler befindet sich hauptsächlich in Lernebene rot.
Stabilisierung der Feinkoordination und variable Verfügbarkeit
Die Fertigkeiten können unter wechselnden Bedingungen (bes. im Wettkampf) erfolgreich
angewandt werden. Die Aufmerksamkeit ist von der Bewegungsausführung losgelöst, eine
hohe Bewegungspräzision und –konstanz wird erreicht. Eine Genauigkeit und Konstanz der
Leistung trotz Ermüdung, Gegnerdruck, psychischem Druck und wechselnden Bedingungen
fällt auf. Der Skischüler bewegt sich relativ souverän in der Lernebene schwarz.
4.2.2.2 Differenzielles Lernen
Ein relativ neues Modell im Bereich des motorischen Lernens stellt das Differenzielle Lernen
dar. Grundlegend für dieses Modell ist die Variation der Bewegungen im weiteren Umkreis
eines absoluten Bewegungsideals. Hierbei kommt es insbesondere zu einer Neubewertung
von Bewegungsfehlern. Diese Fehler, die nach traditionellen Trainingsmethoden zu ver-
meiden sind, werden bewusst in den Trainingsprozess integriert. Das folgt Erkenntnissen,
wonach interpersonell und intrapersonell die Wiederholung einer Bewegung mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit nicht möglich ist. In diesem Zusammenhang stellt die Theorie ein perso-
nenübergreifendes Bewegungsideal in Frage. Obwohl dieses Modell in der Sportwissen-
schaft z.T. kontrovers diskutiert wird, sollen hier die Grundzüge dieses Lernansatzes vorge-
stellt werden, da sich hier interessante Ansätze für das Skitraining finden lassen.
Dabei stützt sich dieser Ansatz auf zwei Grundannahmen. Erstens: Bewegungen unterliegen
ständigen Schwankungen und können nicht wiederholt werden. Zweitens: Bewegungen sind
in hohem Maße individuell. Die oben genannten Grundannahmen sind vor allem beim Ski-
fahren gegeben. Bei traditionellen Lernmethoden wird eine sukzessive Annäherung an ein
vorgegebenes Ziel durch entsprechend hohe Wiederholungszahlen mit ständigem Soll-Ist-
Vergleich erreicht. Dabei wird die Abweichung vom Ideal nach und nach verringert, bis die
Zieltechnik erreicht ist (vgl. Phasen des motorischen Lernens).
Das Modell des Differenziellen Lernens geht davon aus, dass die Zieltechnik, die meist von
der Bewegungsausführung internationaler Spitzenathleten abgeleitet wird, aufgrund konstitu-
tioneller Voraussetzungen nicht von jedem in gleichem Maße kopiert werden kann. Gleich-
zeitig ist die identische Wiederholung einer Bewegung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
möglich, da neben den Umweltbedingungen allein die Freiheitsgrade in unseren Gelenken
dies nicht zulassen. Daraus resultiert der Ansatz, dass das Einschleifen eines Idealbildes
Grundlagen des Unterrichtens
28
durch tausendfaches Wiederholen einer Zielbewegung nicht zweckmäßig ist. Beim Differen-
ziellen Lernen wird der Begriff “Fehler” durch Schwankung ersetzt. Schwankungen in der
Bewegungsausführung, also auch neue und im herkömmlichen Sinn “falsche” Bewegungs-
reize, werden als notwendig für den Lernprozess angesehen und gezielt im Lernprozess
eingesetzt.
Aus der Annahme, dass auch das individuelle Bewegungsideal ständig variiert, folgt ein trai-
ningsmethodisches Problem der klassischen Trainingsansätze. Bei sich ständig verändern-
den Zielen ist es wenig effizient, es mit einem feststehenden Sollwert (dem Technikleitbild)
zu vergleichen. Insofern stellt die Theorie ein personenunabhängiges Bewegungsideal bzw.
allgemeines Technik-Leitbild in Frage. Der DSLV hat zwar Technik-Vorgaben, ein starres
“Leitbild” wird jedoch nicht verfolgt.
Abbildung 10: Unterschiede im Lernfortschritt verschiedener Lernmodelle
Quelle: Schöllhorn et. al
Das Lernmodell Variability of Practice beschreibt so viel Variation in der Übung wie möglich
einbauen, wohingegen beim Kontext-Interferenz-Lernen verschiedene ähnliche Übungen
innerhalb derselben Einheit ausgeübt werden. Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass
das Differenzielle Lernen wohl den größten Lernerfolg pro Zeiteinheit aufweist.
4.2.2.3 Rückmeldung bzw. Feedback (Regelkreismodell)
Um Bewegungen optimieren zu können wird der motorische Lernprozess durch eine Eigen-
und Fremdanalyse unterstützt. Bewegungen werden zum einen vom Skifahrer selbst, sowie
Grundlagen des Unterrichtens
29
durch seinen Skilehrer beobachtet und beurteilt. Das Korrigieren und eigenständige Wahr-
nehmen von Bewegungen führt zu einer Verbesserung der Bewegungsausführung.
Bezieht man dies auf den Skiunterricht, geht der Skischüler vor der Fahrt die Merkmale des
optimalen Kurvenfahrens (Soll-Wert) noch einmal durch. Dann führt er die Fahrt durch. Wäh-
rend der Fahrt nimmt er über seine Analysatoren (Auge, Ohr, Gleichgewichtsorgan, taktile
und kinästhetische Sensoren) Informationen zu seiner Fahrt (Ist-Wert) auf. Im Rahmen der
Eigenanalyse kann der Fahrer dann den Ist-Wert mit dem Soll-Wert vergleichen und seine
Fahrt bewerten und das Ergebnis bei der nächsten Fahrt berücksichtigen. Die Eigenanalyse
soll im Skiunterricht durch die Fremdanalyse des Skilehrers unterstützt und präzisiert
werden, damit der Skischüler eine optimierte Bewegungsvorstellung für den nächsten Ver-
such erhält. Abbildung 11 zeigt die Wechselbeziehungen von inneren und äußeren Informa-
tionen im motorischen Lernprozess.
Abbildung 11: Regelkreismodell
Quelle: Weineck
Grundlagen des Unterrichtens
30
4.3 Die Unterrichtsphilosophie des DSLV
Der Skilehrer muss immer auf die vorherrschende Situation reagieren. Skischüler, Schnee,
Wetter, Piste, etc. müssen jeder Zeit berücksichtigt werden. Abbildung 12 beschreibt den
situativen Ansatz.
Abbildung 12: Deutscher Skilehrerverband - Technikphilosophie
Quelle: Deutscher Skilehrer Verband
Die folgenden Tipps spiegeln den situativen Ansatz im Skiunterricht wider. Die Aufgaben
sollen dem Skischüler möglichst neue Bewegungserfahrungen vermitteln. Außerdem müs-
sen die Aufgaben einen hohen Anforderungscharakter besitzen, damit sie die Informations-
systeme »stressen« und destabilisieren und somit den Bewegungsschatz vergrößern. Eine
erfolgreiche Bewältigung der Aufgabe soll wahrscheinlich, aber nicht garantiert sein. Jedoch
erzeugt eine Überforderung schnell Angst und Frustration und katapultiert den Übenden in
die Panikzone. Falls eine Aufgabenstellung den Lernenden überfordert, sollte deren
Ausführung sofort abgebrochen und mit einer passenden Aufgabe fortgefahren werden.
Um eine Struktur in den Unterricht zu bringen, hat der DSLV das AOV-Schema entwickelt.
Das AOV Schema im Skiunterrichtunterricht des DSLV hat drei maßgebliche Schwerpunkte:
1. Aufgaben stellen
2. Organisieren
3. Vermitteln
Grundlagen des Unterrichtens
31
Das Unterrichten im modernen Skiunterricht erfordert spezielle Konzepte, die einen schnel-
len, zielgerichteten Lernfortschritt ermöglichen. Hierzu eignet sich das Vorgehen in Form
einer Lernspirale, siehe Abbildung 13. Dabei werden Fertigkeiten für die Situation erworben
und erarbeitet (z.B. in entsprechend einfacherem Gelände). In der jeweiligen Situation findet
dann eine Verbesserung und Anwendung statt. Dabei ist eine offene, variierende und her-
ausfordernde Vorgehensweise wichtig. Die Lernspirale ist offen und durchlässig.
Abbildung 13: Lernspirale
Quelle: Deutscher Skilehrerverband
4.3.1 Aufgabenstellung
Sinnvolle Methodik im Skiunterricht verlangt immer situatives Vorgehen. Es geht nicht darum
Lernschritte in vorgegebener Reihenfolge abzuhandeln, sondern vielmehr darum, immer
wieder neue Ausgangssituationen zu erkennen, sinnvolle Ziele abzustecken und darauf auf-
bauend geeignete Lehrwege einzuschlagen.
Grundlagen des Unterrichtens
32
Es ergibt sich also eine Startsituation (z.B. Ebene blau). Dazu muss ein Weg eingeschlagen
werden (z.B. Übungen zum Abbauen der Pflugstellung), um zum Ziel (z.B. „fahre parallel“) zu
kommen, siehe Abbildung 14.
Abbildung 14: Die Start-Weg-Ziel Strategie
Quelle: Eigene Darstellung
Daraus ergeben sich folgende Fragestellungen für den Skilehrer bei der Planung des Unter-
richts:
Welche Situation liegt vor?
Welches Ziel soll/kann erreicht werden?
Welche Bewegungen sind dafür notwendig?
Mit Hilfe welcher Aufgabenstellungen erreiche ich diese Bewegungen?
Welche Organisation ist notwendig, um dabei schnell und sicher zu lernen?
Abbildung 15 verdeutlicht, wie sich durch eine Variation und Kombination der Stellgrößen
des Skiunterrichts eine Vielzahl an Aufgabenstellungen ergeben.
Abbildung 15: Zusammenspiel von Situation, Bewegungen und Ziel
Quelle: Deutscher Skilehrerverband
Grundlagen des Unterrichtens
33
Die folgenden Aufgabentypen sind im Skiunterricht anwendbar:
Experimentieraufgaben: Dabei soll der Skischüler selbst herausfinden, wie die Bewegung
gelingen könnte. Der Skilehrer gibt lediglich Ratschläge.
Technikorientierte Aufgaben: Skitechnischer Hinweis des Lehrers/Partners.
Kontrastaufgaben: Bewegungen sollen in beide Richtungen des Bewegungsspielraums
ausgenutzt und unterschieden werden.
Sensibilisierungsaufgaben: Skischüler soll Gefühl für Bewegung bekommen.
Rhythmusaufgaben: Skischüler soll Rhythmus aufnehmen, halten und wiederaufnehmen.
Partneraufgabe: Beispielsweise Synchron- und Formationsfahren.
Imitationsaufgaben: Skischüler imitieren andere Skischüler/Lehrer.
Situationsorientierte Aufgaben: Auf Schnee, Gelände, Material, etc. bezogen.
Spiel- und Wettkampforientierte Aufgaben: Beispielsweise Staffel, besonders wertvoll für
Kinder!
In Abbildung 16 ist zu erkennen, dass die Anforderungen an den Skischüler ein Resultat aus
der Situation und der Aufgabenschwierigkeit ist. Der Skilehrer sollte immer so den
Zusammenhang zwischen diesen beiden Komponenten wählen, dass die Aufgabe lernziel-
orientiert ist und den Skischüler nicht überfordert. Beispielsweise für die Lernebene schwarz
bietet sich entweder eine leichte Situation kombiniert mit einer komplexen Aufgabe oder
umgekehrt, eine schwierige Situation mit leichter Aufgabe an.
Abbildung 16: Anforderungsregler
Quelle: Deutscher Skilehrerverband
Grundlagen des Unterrichtens
34
4.3.2 Organisation
Die Organisation des Skiunterrichts obliegt dem Skilehrer. Er gewährleistet dadurch maxima-
le Sicherheit, Spaß und Lernfortschritt. Es ist wichtig, dass innerhalb der Organisations- und
Unterrichtsform gewechselt wird. Im Folgenden Schaubild sind mögliche Organisationsfor-
men der Aufstellung aufgelistet, siehe Abbildung 17. Die gängigsten Aufstellungsformen sind
die frontale Aufstellung oder Reihe sowie der Halbkreis. Unabhängig von der
Aufstellungsform sollte der Skilehrer stets darauf achten, dass ein ständiger Blickkontakt zu
den Skischülern möglich ist. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass jeder Skischüler die
Ansagen des Skilehrers laut und deutlich verstehen kann. Diese Variation der Aufstellungs-
formen sollten im Skiunterricht angewendet werden.
Abbildung 17: Aufstellungsformen
Quelle: Deutscher Skilehrerverband
Ebenso sollte innerhalb der Unterrichtsformen variiert werden, um eine Monotonie des Unter-
richts zu vermeiden. Für die Variation der Ablauforganisation ist das Vorfahren, Nachfahren
und das Vorbeifahren sinnvoll. Durch ein sinnvolles und abwechslungsreiches aneinander-
reihen der Ablauforganisationen erhält der Skilehrer einen umfassenden Eindruck der Ski-
schüler bezüglich Fahrkönnen und Umsetzung der Aufgabenstellung. Zusätzlich kann der
Skiunterricht durch Partnerübungen, Gruppenübungen und Testfahrten (ohne Beobachtung)
abwechslungsreich gestaltet werden, siehe Abbildung 18.
Grundlagen des Unterrichtens
35
Abbildung 18: Ablaufformen
Quelle: Deutscher Skilehrerverband
Generell soll durch Variation der Aufstellungs- und Ablaufformen die Motivation der Skischü-
ler gesteigert werden. Zudem ermöglich die Organisation eine schülerorientierte Vorgehens-
weise, hohe Trainingsintensität und schnelles Lernen bei sicherem und
abwechslungsreichem Unterricht.
4.3.3 Vermittlung
Eine gute Kommunikation zwischen Skilehrer und Skischüler ist grundlegend für den Lerner-
folg. Wenn der Skischüler den Skilehrer nicht versteht – das liegt meistens am Skilehrer -
kann der Skischüler nichts lernen. In Level III ist das Vermitteln extrem wichtig und wird stark
in die Bewertung einbezogen. Ein authentischer Unterricht ist für das Bestehen der Lehrpro-
be obligatorisch. Hilfreich dabei ist es, einen spektakulären Einstieg zu schaffen, wie zum
Beispiel durch das Erzählen einer Geschichte, durch eine Demonstration der Übung, anhand
eines Anschauungsobjekts oder z.B. das Stimmungsbild durch Handzeichen einzuholen.
Dabei ist zu beachten, dass man kurze Sätze wählt, wobei man „Dass-Sätze“ sowie „Und-
Sätze“ vermeidet. Außerdem soll der Skilehrer Pausen zwischen den Sätzen machen sowie
Grundlagen des Unterrichtens
36
die Sprachform Gegenwart verwenden. Wichtig für den Lernerfolg ist, dass die Bewegungs‐
oder Wahrnehmungsaufgabe klar formuliert ist. Gegebenenfalls den Skischüler klar
ansprechen und individuelle Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. Pauschales Lob tötet
Begeisterung!
4.4 Tipps zur Prüfungssituation Lehrprobe
Wichtig für die Lehrprobe ist, zuerst das Thema genau durchlesen und erfassen, und die
Aufgaben logisch auswählen. Wie bereits im vorigen Kapitel „Vermittlung“ angesprochen,
sollen, klare, kurze Anweisungen geben werden. Gegen eine mögliche Verunsicherung sollte
man den Prüfer so gut wie möglich „ausblenden“, und die Lehrprobe authentisch abhalten.
Dabei ist zu beachten, dass man den Skischüler so gut wie möglich individuell anspricht und
ein Feedback an die Skischüler gibt. Hier ist es wichtig, dass man zuerst das Positive klar
herausstellt, dann die Verbesserungsvorschläge immer positiv formuliert und direkt durch
eine neue Aufgabenstellung den Lernerfolg sichert.
Materialkunde
37
5 Materialkunde
5.1 Der Skilehrer als Materialexperte
Für den Gast stellt der Skilehrer seit jeher auch eine Vertrauensperson dar, die er bei der
Wahl der richtigen Skiausrüstung gerne zur Beratung hinzuzieht. Dadurch, dass der Skileh-
rer die fahrerischen Fähigkeiten und Vorlieben kennt, wird er zum Teil dem Händler vorge-
zogen. Zudem wird das Erlebnis Wintersport am besten vermittelbar, wenn alle Faktoren
stimmen. Die Wahl und der Zustand des Materials begünstigt oder behindert den Lernfort-
schritt. Somit hat das Thema maßgeblichen Einfluss auf den Lernfortschritt des Gastes und
spiegelt damit auch die Qualität eines Skilehrers wieder. In jüngster Zeit zeichnet sich diese
Qualität nicht nur durch die Vermittlungskompetenz im Schnee, sondern auch immer mehr
durch Beratungskompetenz im Materialbereich aus.
Dafür gibt es verschiedene Gründe:
Höhere Anspruche der Kunden, vor allem im Privatunterricht. Der Privatskilehrer wird
immer mehr zum ganztägigen persönlichen Berater.
Der Preis muss durch eine kompetente Beratung gerechtfertigt werden.
Die Komplexität des Angebotes im Sporthandel erfordert kundenspezifische Fachbe-
ratung.
Die immer feinere Auflösung der Zielgruppen im Skisport führt zur Aufteilung des Ski-
angebotes in spezielle Segmente.
Veränderte Vertriebslandschaft:
Der Verkauf ohne kompetente Fachberatung im Internet nimmt zu.
Die Wintersportkompetenz im Handel sinkt besonders in den alpenfernen Gebieten,
aus denen die meisten Gäste stammen.
Wirtschaftliches Interesse von Skischule, Skiverleih und Partnersportgeschäft:
Ein der Skischule angegliederter Skiverleih bringt dem Unternehmen zusätzlichen
Umsatz. Im Verleih liegt eine wichtige zusätzliche Servicetätigkeit für die Skischulen.
Viele Skischulen kooperieren mit Sportgeschäften oder sind in Sportgeschäfte inte-
griert. Somit ist der Skilehrer der Außendienstmitarbeiter des Sportfachhandels und
fungiert als erster Berater vor Ort.
Materialkunde
38
5.2 Die Skilänge
Für die Wahl der optimalen Skilänge können zumindest grobe Empfehlungen gegeben wer-
den. Dabei ist es für Gäste im Bereich der Lernebenen grün, blau und rot noch recht einfach,
da auf diesem Niveau noch keine ausgeprägte Orientierung in spezielle Zielgruppen und
Skisegmente erfolgt ist. Diese führt dann in der Lernebene schwarz zum Teil zu erheblichen,
segmentabhängigen Unterschieden bei der Wahl der Skilänge. Beispielsweise ist die Län-
genempfehlung für einen Slalomski eine ganz andere, als jene für einen Freerideski.
Folgende Empfehlungen können gegeben werden:
Kinder:
Zwischen Kinn und Nasenspitze, ca. 10 cm kürzer als die Körpergröße;
Erwachsener Anfänger:
Körpergröße minus 10 cm – 15 cm (zwischen Kinn und Nasenspitze);
Erwachsener Fortgeschrittener:
Körpergröße minus 5 cm – 10 cm (zwischen Nase und Stirn);
Erwachsener sportlicher Skifahrer:
Abhängig von seiner persönlichen Ausrichtung. Hier kann die Wahl zwischen SL-Ski (160-
170 cm) oder einem GS-Ski (170-185 cm) schwanken;
Erwachsener Freeride:
Körperlang oder deutlich länger;
Erwachsener All Mountain / Giant Slalom (GS)
Körperlang oder bis zu 10 cm länger;
Materialkunde
39
Abbildung 19: Übersicht über verschiedene Skimodelle
Quelle: www.fischersports.com
A-B) SL-Carver mit Radius 13 m und 165 cm Länge, Herren RS-Rennski mit Länge 190 cm
und Radius >35 m
C) All Mountain Ski mit einer Mittelbreite von 86 mm, einem Radius von 16 m bei einer Län-
ge von 175 cm
D) Hochwertiger Ski in Sandwichbauweise mit Carbon- und Aramidverstärkung
E) Freeride Ski mit einer Mittelbreite von 115 mm und einem Radius von 20 m bei einer Län-
ge von 188 cm
F) Tourenski, der stark aufstiegsorientiert ist, mit einem Gewicht von unter 650 g bei 161 cm
Länge
Materialkunde
40
Bei der Beratung muss Können und Körpergröße miteinbezogen werden. Ist beispielsweise
der Kunde größer als 190 cm, ist es relativ schwierig, Ski mit Körperlänge oder länger zu
finden. Hier muss je nach Wunsch des Kunden, die Wahl abhängig vom Angebot der
Skimarke getroffen werden.
Es sind in den letzten Jahren, seit der Etablierung der Carving Ski und der breiteren All
Mountain und Freeride Modelle, weitere Trends erkennbar.
Der Verleih von Ski wächst weltweit stark.
Rocker Shapes haben sich in allen Segmenten, auch bei den Pistenskiern, etabliert.
Im Allround und All Mountain Segment sind sie absoluter Standard. Selbst im Renn-
bereich finden sich gerockte Ski, wobei hier die Firmen nicht einheitlich agieren (Ab-
bildung 19C)
Im Freeride etablieren sich sogenannte early taper Geometrien (Abbildung 19D). Bei
diesen Modellen ist, wie im Bild zu sehen, die Schaufel bzw. das Skiende nicht mehr
der breiteste Punkt. Dies hat vor allem Vorteile in anspruchsvollen Schneearten (Tief-
schnee, Harsch), da weniger Gewicht auf die Schaufel wirkt und dadurch das Auf-
schwimmen dieser begünstigt wird.
Ein weiterer Trend, der gerade im Anlaufen ist, sind Maßnahmen zur Optimierung des
Gewichtes bei Ski und Bindung. Ausgehend von speziellen Touren- und Damenski
gewinnt das Thema nun in nahezu allen Segmenten an Bedeutung (Abbildung 19E).
Das Touren gehen wächst ebenfalls stark und zerfällt dabei in zwei grundlegend un-
terschiedliche Segmente: Fitnessorientiertes Tourengehen – oft auch im Pistenbe-
reich –, bei dem der Aufstieg im Vordergrund steht und fahrorientiertes Tourengehen,
bei dem die Abfahrt im Vordergrund steht.
5.3 Verletzungen im alpinen Skisport
In den letzten 30 Jahren wurde zunehmend und immer detaillierter die Verletzungsentwick-
lung im alpinen Skisport untersucht und ausgewertet. Dabei werden verschiedene Aspekte,
wie die Anzahl aller Verletzungen pro Saison, aber auch die Ursache für verschiedene Arten
von Verletzungen untersucht. Ferner spielt auch der Zusammenhang von Verletzungsart und
Material eine entscheidende Rolle, da künftige skitechnologische Entwicklungen von diesen
Erkenntnissen abhängig sind. Abbildung 20 zeigt eine statistische Auswertung aller Verlet-
zungen pro Saison seit 1980. Es zeigt sich ein deutlicher Trend, dass sich die Anzahl an
Verletzungen pro Saison in den letzten 30 Jahren mehr als halbiert hat. In den letzten drei
Jahren ist die Anzahl der Verletzungen nahezu konstant geblieben. In absoluten Zahlen ver-
letzten sich bei 4,2 Mio. Skifahren in der Saison 2014/2015 knapp etwa 38.000 bis 39.000
Materialkunde
41
Skifahrer so schwer, dass diese ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Dies ent-
spricht einem Prozent aller Skifahrer. Auf Basis der Saison 1979/80 (die =100% gesetzt
wurde) sinkt der Anteil verletzter Skifahrer je 1.000 Skifahrer um fast 62 Prozentpunkte.
Deutlich geringer und rückläufiger ist die Anzahl von stationären Behandlungen. Diese er-
reichte 2013 ihren tiefsten Wert mit 3.550 stationären Behandlungen.
Abbildung 20: Verletzungsentwicklung im alpinen Skisport seit 1980
Quelle: Auswertungsstelle für Skiunfälle
Die häufigsten Verletzungen im alpinen Skisport sind Knie- und Schulterverletzungen. Trotz
verschiedener präventiver Maßnahmen und Trainingsvorschläge machen Verletzungen im
Bereich des Knies immer noch knapp 40 Prozent aller Verletzungen aus. Die Entwicklung
der Carvingski hinsichtlich kleiner Radien und hoher Standhöhen begünstigt diese Art der
Verletzungen. Die Industrie versucht diesen Verletzungen mit immer neueren Sicherheits-
bindungen entgegenzuwirken. Alarmierend ist die steigende Zahl an Kollisionsunfällen. So
konnte 2013 jeder sechste Unfall auf eine Kollision zurückgeführt werden. Diese steigende
Zahl kann zu einem gewissen Teil auf die immer besseren Transport- und Beförderungska-
pazitäten der Bergbahnen zurückgeführt werden. Die höhere Pistenfrequentierung steigert
die Wahrscheinlichkeit für Kollisionen.
5.4 Rocker-Shapes
In den letzten Jahren hat sich die Entwicklung des Skibaus stark verändert. Sogenannte Ro-
cker-Shapes prägen seit geraumer Zeit die Konstruktion der Ski. Doch was versteht man
unter einem Rocker und wo ist der Unterschied zur herkömmlichen Camber-Konstruktion?
Materialkunde
42
Camber Ski sind typischerweise so gebaut, dass im unbelasteten Zustand Skispitze und Ski-
ende den Untergrund berühren, die Skimitte aber frei schwebt. Dies führt dazu, dass im be-
lasteten Zustand das Gewicht gleichmäßiger verteilt wird und Spitze und Ende immer noch
guten Kontakt zum Untergrund haben. Der Kontakt ist hier nicht abhängig vom Kantwinkel.
Rocker Ski sind genau entgegengesetzt aufgebaut. Hier berührt sowohl im unbelasteten als
auch im belasteten Zustand nur die Skimitte den Untergrund während Ende und Spitze kei-
nen Kontakt haben. Dies führt im Extremfall des Full-Rockers zu einer minimalen Kontaktflä-
che, was ursprünglich für einen möglichst drehfreudigen Ski im Tiefschnee, die ideale Bau-
weise war. Diese Bauweise ermöglicht ein permanentes Aufschwimmen der Skispitze im
Tiefschnee, was in mehr Fahrfreude resultiert, da Spitze und Ende erst mit zunehmendem
Kantwinkel greifen. Diese Verzögerung erlaubt einerseits eine größere Wendigkeit und ande-
rerseits können dadurch längere Ski gefahren werden. Vor allem im Freeridebereich hat dies
enorme Vorzüge, da bei größerer Auflagefläche die Drehfreude erhalten bleibt.
Die zunehmende Beliebtheit der Rocker-Shapes im Freeridebereich übertrug sich auch auf
den herkömmlichen Pistenski. So zeigen neuste skitechnologische Entwicklungen eine
Kombination von Camber- und Rocker-Shapes. Allgemein kann man sagen, dass beim
Rocker Ski die Kontaktlänge zwischen Kante und Schnee stark vom Aufkantwinkel des Skis
abhängt. Es gibt im Vergleich zum ursprünglichen Full-Rocker-Ski Modifikationen, die nur
einen Rocker im Bereich der Skispitze und oder im Bereich von Skispitze und Skiende auf-
weisen. Dies hat mehrere Vorteile und verbindet das Beste aus beiden Technologien.
Man kommt in den Genuss eines längeren Skis, ohne die Nachteile wie geringere
Drehfreudigkeit und Wendigkeit in Kauf nehmen zu müssen.
Die effektive Länge des Skis ist in Zusammenhang mit der Fahrsituation und der Kur-
venphase:
Kurvenwechsel oder gemächliche Fahrweise: kürzerer Kantenkontakt für
mehr Wendigkeit
Kurvensteuerung oder sportliche Fahrweise: voller Kantenkontakt für die
notwendige Stabilität
Gleichmäßige Gewichtsverteilung bei Tip- oder Tail-Rockern führt zu höherer Stabili-
tät im Vergleich zu herkömmlichen Full-Rocker
Ski sind vielseitiger hinsichtlich Gelände und Schnee
Häufigkeit der unterschiedlichen Rockertypen: Am weitesten verbreitet sind Tip
Rocker, gefolgt von Tip-Tail Rockern mit Vorspannung in der Mitte. An dritter Stelle
stehen Full Rocker ohne jede Vorspannung.
Materialkunde
43
Es ist of schwierig einem bestimmten Skimodel einen bestimmten Rockertyp zuzu-
ordnen. Dies kann erst durch weitere Rahmenbedingungen genauer bestimmt wer-
den und ist letztendlich auch von der Skimarke selbst abhängig
Nachfolgend werden die Vorteile im Skikurs oder im Privatkundenbereich aufgeführt:
Lernebenen grün – blau – rot:
Drehfreudigkeit
Kraftersparnis
Unterstützung des Lernfortschritts
Lernebene schwarz - Piste:
Unterstützung für abwechslungsreiches Fahren
Wendigkeit
Vielseitigkeit
Lernebene schwarz - Freeride:
Zuverlässiges, weniger störungsanfälliges „Aufschwimmen“ in tiefen Schneearten
wird unterstützt
Bessere Wendigkeit der naturgemäß trägeren, da breiten und langen, Freeride Ski
Skilängen von Rocker-Shapes
Ski mit Rocker Shapes können und sollen länger gefahren werden, damit man in den vollen
Genuss der Vorteile des Rockers kommt:
Mehr Grip und Führung bei gleichzeitig einfacher Drehbarkeit
Je nach Können und Vorlieben + 5 cm bei Fortgeschrittenen, bis zu +10 cm bei sehr
sportlichen Skifahrern
Leichtbau
Die Vorteile einer Gewichtsoptimierung durch eine Carbon-Leichtbauweise, siehe Abbildung
21, sind abhängig von der Zielgruppe, in die sich der Fahrer einordnet.
Tourenski – Aufstieg
Allround Ski – Kraftersparnis und Drehfreude
Sportliche Ski – Agilität und Variabilität
Materialkunde
44
Abbildung 21: Ski mit Carbon-Leichtbauweise
Quelle: www.voelkl.com
5.5 Sicherheitsskibindung
Die Skibindung hat drei primäre Funktionen:
5.5.1 Gewährleistung der Fahrperformance des Skis
Direkte Kraftübertragung
Breitestmögliche Anbindung
Spielfreiheit
5.5.2 Sicherheit des Skifahrers
Auslösefunktion
Mechanische Kraftbegrenzung
Zielt konzeptbedingt primär auf die Vermeidung von Brüchen im Unterschenkel
Materialkunde
45
5.5.3 Ggfs. Aufstiegsfunktion
Bei Touren- bzw. Freeridebindungen
Zu beachten ist, dass die Skibindung fachgerecht vom Sporthandel oder im Skiverleih einge-
stellt wird, jedoch niemals vom Skilehrer selbst. Hier wäre im Verletzungsfall ein fahrlässi-
ges bzw. sogar ein vorsätzliches Handeln des Skilehrers gegeben. Der Z-Wert für die
korrekte Einstellung errechnet sich nach der Gewichtsmethode aus den folgenden Angaben:
Alter
Können
Körpergewicht
Körpergröße
Geschlecht
Schuhsohlenlänge
5.6 Standhöhe
Die Standhöhe des Schuhs in der Bindung war in den letzten 15 Jahren großen Schwankun-
gen unterworfen. Ende der 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre wurden auf dem Höhe-
punkt der Carving Ski Standhöhen erreicht, die doppelt so hoch waren, als heute üblich. Im
Breitensport hat sich die Standhöhe derzeit bei ca. 40 mm – 55 mm (inklusive Ski) einge-
pendelt. Höher ist mit den modernen All Mountain Ski nicht mehr funktionell, da die Ski
allgemein breiter geworden sind und ein Aufsetzen des Skischuhs auf dem Schnee auch bei
starken Aufkantwinkeln weniger schnell erreicht wird. Im Rennsport liegt die von der FIS vor-
geschriebene Obergrenze aktuell bei 50 mm.
Achtung Tourenskischuhe:
Tourenskischuhe können in einer Alpinbindung nicht bedenkenlos verwendet werden, da die
Schuhsohle eines Tourenschuhes dicker oder anders geformt ist, als jene eines Alpinschuhs
(Abbildung 22). Hier gibt es zwei verschiedene spezifische DIN ISO Normen für die jeweilige
Sohlengeometrie. Die dickere Sohle führt im Regelfall zu überhöhten Klemmkräften der Bin-
dung gegen den Schuh und damit zu einer, reibungsbedingt, massiven, unkontrollierten Er-
höhung der Auslösekraft. Die Sicherheitsfunktion der Bindung wird ausgehebelt und es
kommt zu verstärkter Abnutzung der Kontaktflächen am Tourenskischuh.
Materialkunde
46
Abbildung 22: Vergleich von A) Normalem Skischuh und B) Tourenskischuh
Quelle: www.fischersports.com
5.7 Skibauweisen
Man baut Ski je nach Zielgruppe und Preispunkt in unterschiedlichen Technologien. Dabei
kann man grob nach den drei folgenden Punkten unterscheiden.
5.7.1 Produktionstechnologie
Sandwich (Epoxid):
Schichten aus Holz, Kunststoff, Metall werden zusammen mit den übrigen Skibautei-
len wie Belag, Kanten, Oberflächen etc. übereinandergelegt und in der Skiform mit-
tels Epoxidharz von großen Pressen unter hohem Druck und Temperatur miteinander
verklebt.
Hochwertig
Standard bei hochsportlichem Ski
Injektion / Schaum (PU):
Flüssiger Kunststoffschaum wird zusammen mit den übrigen Skibauteilen wie Belag,
Kanten, Oberflächen etc. mit Druck in die Skiform eingespritzt, reagiert dort und här-
tet anschließend aus.
Günstiger
Überwiegend bei Anfänger- und Fortgeschrittenen-Modellen
Materialkunde
47
Es gibt auch Kombinationen aus den beiden oben genannten Verfahren. Es ist hier deutlich
anzumerken, dass anhand vom Aussehen nicht auf den Aufbau der Ski geschlossen werden
kann.
5.7.2 Gestalt der Skioberfläche
Schale (Cap):
Die Oberfläche der Ski schließt direkt an der Stahlkante an
Bessere Haltbarkeit und Schutz der Oberfläche
Seitenwange:
Die Seitenflanke des Skis werden von einem extra Bauteil, der sog. Seitenwange gebildet.
Vorteil: Die Flexibilität, Seitenzüge schnell zu ändern (Rennsport)
Vorteil: Widerstandsfähiger gegen Gewalt von unten (Freeride)
Es gibt auch Kombinationen aus den beiden oben genannten Bauweisen.
5.7.3 Verstärkung des Skiaufbaus durch Metall
Bei sportlichen Ski ist vor allem Titanal bekannt. Eine Aluminiumlegierung führt zur Verbes-
serung der Dämpfung von Vibrationen und zu einer besseren Kraftübertragung. Ski mit
Metallbegurtung sind zu dem torsionssteifer, was zum einen höhere Geschwindigkeiten er-
laubt und zum anderen auf harten Pisten eine höhere Kraftübertragung garantiert.
Organisation und Recht
48
6 Organisation und Recht
6.1 Gesetzliche Grundlagen für das Unterrichten
In der Verordnung über die Ausübung des Unterrichts als Bergführer sowie als Skilehrer in
Bayern ist beschrieben, welcher Personenkreis Ski- oder Snowboardunterricht anbieten darf.
Grundsätzlich gilt, dass:
Erwerbsmäßiger Unterricht nur von einem staatlich geprüften Ski- oder Snow-
boardlehrer erteilt werden darf
Der Leiter im zweijährigen Turnus an einem durch die Technische Universität Mün-
chen (TUM) anerkannten Fortbildungslehrgang teilnehmen muss
Der Leiter einer Skischule weitere staatlich geprüfte Ski-/Snowboardlehrer einsetzen
darf
Ausnahmen sind Tätigkeiten im Rahmen der dienstlichen Ausbildung in Bundeswehr, Bun-
despolizei, Polizei oder in einer ähnlichen staatlichen Einrichtung; lehrplanmäßiger Unterricht
einer Schule gem. Art. 3 I oder II BayEUG oder einer Einrichtung des Hochschulbereichs;
Tätigkeit eines Vereins, sofern zum satzungsmäßigen Vereinszweck das Sporttreiben der
Mitglieder gehört und der Unterricht ausschließlich für diese abgehalten wird.
6.2 Aufgaben des Skilehrers
Die Unterweisung in der sportlichen Technik, allerdings ohne dass ein entsprechender Lern-
erfolg geschuldet ist, zählt zu den Hauptaufgaben des Skilehrers. Des Weiteren ist das Ein-
halten der Fürsorge- und Schutzpflicht zu beachten, um die besonderen Sportgefahren für
den Skischüler steuern und abwenden zu können. Die Aufsichtspflicht des Skilehrers ver-
pflichtet den Skilehrer die Gefahren, die auf die Skischüler einwirken können oder von ihnen
ausgehen (auch in Bezug auf Dritte), zu steuern und abzuwenden. Besonders hervorzuhe-
ben ist dabei, dass der Skilehrer Gefahrenquellen erkennen und mögliche Gefahren abwen-
den muss.
Organisation und Recht
49
6.3 Unfallanalyse
Vorab einige statistische Daten zum Thema Unfälle beim Skifahren:
90 % der Verletzungen aufgrund eines Sturzes oder einer Kollision mit einem Objekt
7 % aufgrund Personenkollisionen
53 % auf roten Pisten, 38 % auf blauen Pisten, 6 % auf schwarzen Pisten
Als Skilehrer ist wichtig, mögliche Gefahrenquellen erkennen zu können. Die meisten Un-
fälle ereignen sich bei stark wechselnden Schneebedingungen auf der Piste, gefolgt von
eisigen Pisten oder hartem Altschnee. Skifahrer mit weniger gutem Können verunfallen häu-
figer, da diese trotz mangelnder Skitechnik tendenziell eher auf roten und blauen Pisten fah-
ren. Gute und ausgezeichnete Fahrer verunfallen am häufigsten auf roten, gefolgt von blau-
en Pisten. Des Weiteren ereignen sich die meisten Unfälle bei sonnigem Wetter und guter
Sicht. Zuletzt nimmt das Verletzungsrisiko im Laufe eines Tages zu, wobei die meisten Un-
fälle kurz vor der Mittagspause und gegen 15 Uhr geschehen.
Statistisch gesehen sind Kinder und Jugendliche dem höchsten Verletzungsrisiko ausge-
setzt. Gründe für ein höheres Verletzungsrisiko der Kinder und Jugendlichen können zum
einen mangendes Fahrkönnen, fehlende Erfahrungen und Gefahrenbewusstsein sein. Ande-
rerseits führen nicht ausgeprägte Selbststeuerungsfähigkeiten, nicht kindgerechte Ausrüs-
tung und die Tatsache, dass der noch nicht ausgewachsene Körper anfälliger für Verletzun-
gen ist, zu einem erhöhten Verletzungsrisiko.
6.4 Risikofaktoren
Für die Bewertung der Risikofaktoren wurden insgesamt 22 Risikofaktoren aufgeführt und
nach der Verletzungsrelevanz bewertet, siehe Abbildung 23. Zu den größten Risikofaktoren
zählen nicht optimale Pistenraumgestaltung, ungenügendes Gefahrenbewusstsein und
überhöhte Fahrgeschwindigkeit. Ebenso führt eine falsch eingestellte Bindung zu einer gro-
ßen Verletzungshäufigkeit. Der Glaube, dass Carving Ski eine bedeutsame Verletzungsrele-
vanz aufweisen, ist nachweislich ein Irrtum. Die Anzahl der Verletzten aufgrund von Carving
Ski ist relativ gering.
Organisation und Recht
50
Abbildung 23: Ski- und Snowboardfahren: Bewertung von Risikofaktoren
Quelle: Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung
Die dargestellten Risikofaktoren sollen zum einen das Bewusstsein des Skilehrers für Gefah-
renquellen schärfen und zum anderen verdeutlichen, dass z.B. ungenügendes Gefahrenbe-
wusstsein häufig die Unfallursache ist. Aus diesem Grund müssen die Kursteilnehmer durch
den Skilehrer auf Gefahrenquellen sensibilisiert werden.
6.5 Aspekte zur Unfallprävention im Skiunterricht
Ergänzend zu den Risikofaktoren wurde die Kommunikation und Thematisierung von Fakto-
ren zur Unfallprävention im Skiunterricht untersucht, siehe Abbildung 26. Die wahrneh-
mungsbeeinflussenden Faktoren, das Einlaufen sowie Aufwärmen und die FIS-Regeln wer-
den in der Mehrzahl (>45 %) der Skikurse ausführlich besprochen und als Präventivmaß-
nahmen zur Unfallverhütung den Teilnehmern vermittelt. Im Gegensatz dazu, werden die
physischen Risikofaktoren, die persönliche Schutzausrüstung und das Verhalten im Funpark
sowie in der Halfpipe größtenteils (> 50 %) nicht behandelt.
Organisation und Recht
51
Abbildung 24: Behandlung von Aspekten der Unfallprävention im Skiunterricht
Quelle: Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung
Ebenso wie bei den Risikofaktoren obliegt dem Skilehrer die Aufgabe, den Kursteilnehmern
unfallpräventive Aspekte nahezubringen. Damit soll erreicht werden, dass der Kursteilneh-
mer mögliche Gefahrenquellen erkennt und durch Präventivmaßnahmen die Sicherheit aller
Skifahrer gewährleistet ist.
6.6 Haftung des Skilehrers
§ 823 BGB beschreibt die Haftung bei Beeinträchtigung von deliktischen Pflichtverletzungen
von Eigentum, Gesundheit und anderen Schutzgütern. Der Skilehrer haftet durch Verletzung
der Aufsichtspflichten, also wenn der Schüler einen Dritten schädigt. Der Skilehrer muss also
bei der Planung und Durchführung des Unterrichts stets die sich ergebenden Gefahrenquel-
len erkennen und durch entsprechende Auswahl der Ausrüstung, Organisation und Durch-
führung des Unterrichts und Verhaltens im Schadenfall vermeidbare Gefahren abwenden.
Der Skischüler darf sich auf den Skilehrer verlassen, dieser wiederum aber nicht unbedingt
auf den Skischüler. Je jünger der Skischüler und/oder unerfahrener er ist, desto mehr muss
der Skilehrer für ihn mitdenken, organisieren und handeln. Grundsätzlich ist der Skilehrer
gegenüber den Skischülern weisungsbefugt.
Organisation und Recht
52
6.7 Sorgfaltspflichten des Skilehrers
Grundsätzlich unterliegt der Skilehrer der gesetzlichen Sorgfaltspflicht. Die Entscheidungen
während des Skiunterrichts orientieren sich immer an dem schwächsten Skischüler in der
Gruppe und an dem schwierigsten Teilstück der Abfahrt oder Aufgabenstellung. Im Rahmen
der Planung, Organisation und Durchführung des Skiunterrichts ist folgende Checkliste ab-
zuarbeiten:
Geeignetes Material (Sicherheitsbestimmungen der Hersteller)
Kontrolle des Zustands der Bindung und Material
Tägliche Information über Wetter- und Lawinensituation
FIS-Regeln und Sicherheitsvorschriften in Theorie und Praxis
Erste Hilfe Material (mit Mindestbestückung nach DIN 13160)
Funktionstüchtiges Smartphone mit vollständig aufgeladenem Akku
Notizblock und Stift
Personalausweis
Geländewahl innerhalb der gesicherten Pisten
Keine Überforderung
Ausreichende Pausen (und Nachtruhe)
Aufsicht während kursfreier Zeit
Einhaltung der Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes
Folgende Checkliste zum Verhalten nach einem Skiunfall ist abzuarbeiten:
Sicherung der Unfallstelle
Sofortmaßnahmen am Unfallort
Absetzen eines Notrufs
Notieren von Vornamen, Nachnamen, Anschrift der Unfallbeteiligten und Zeugen
Sicherung von Beweismitteln (Ski/Snowboard durch Fotoaufnahmen u.ä.)
Zu der Planung vor Unterrichtsbeginn zählt das Einholen des Wetter und Lawinenlagebe-
richts. Für die Auswahl des geeigneten Treffpunkts für den Unterrichtsbeginn und Abschluss
ist folgendes zu berücksichtigen:
Sammelplatz ist für alle Schüler problemlos erreichbar ( z.B. Ausstieg Gon-
del/Skischule)
Organisation und Recht
53
Gehen Gefahren vom Sammelplatz aus (z.B. bei Bushaltestellen)?
Abschluss: Kommen die Schüler vom Abschlussort wieder ins Tal?
Gehen Gefahren vom Ort des Abschlusses aus?
Vor Unterrichtsbeginn ist ein Material-Check durchzuführen. Eine ausreichende Ausrüstung
liegt in der Verantwortung des Schülers. Bei Kindern und Jugendlichen tragen die Eltern die
Verantwortung. Dennoch muss der Skilehrer die Ausrüstung überprüfen und darf bei einem
Schüler mit einer offensichtlich unzureichenden Ausrüstung die Teilnahme am Skiunterricht
verweigern. Zu einer ausreichenden Ausrüstung zählt:
Passende Winterkleidung
Mütze
Handschuhe
Helm
Schneebrille
Ski- und Snowboardausrüstung (Bindungseinstellungen)
Vor Unterrichtsbeginn ist ein Schüler-Check durchzuführen. Der Skilehrer muss das fahr-
technische Niveau vor der Auffahrt hinterfragen und klären, ob die geplante Abfahrt vom
Schüler bewältigt werden kann. Zu beachten ist dabei folgendes:
Überschaubarkeit der Gruppe (Gruppengröße)
körperliche Verfassung der Schüler
Ausbildungsgrad der Schüler
Zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten während des Unterrichts hat der Skilehrer folgen-
des zu berücksichtigen:
geeignetes Übungsgelände
geeignete Aufgabenstellung
keine Überforderung
Anzeichen von Erschöpfung insbesondere bei Kindern und Jugendlichen auf Erfrie-
rung und Sonnenbrand beachten
Ausreichende Pausen (und ggf. Nachtruhe) einhalten
Aufsicht während unterrichtsfreier Zeit
Einhaltung der Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes
Organisation und Recht
54
Sachgerechte Hilfe im Schadensfall
Aufklärung, Übung und Einhaltung der FIS-Regeln
6.8 Umsetzung der Sorgfaltspflichten
Um den Sorgfaltspflichten gerecht zu werden, hat der Skilehrer folgende Dokumente mitzu-
führen:
Erste Hilfe Material mit Mindestbestückung nach DIN 13160 (empfohlen von Deut-
sche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV))
Notizblock und Stift
Mobiltelefon
Personalausweis
Zu der Planung vor Kursbeginn zählt das Einholen des Wetter und Lawinenlageberichts.
Für die Auswahl des geeigneten Treffpunkts für den Kursbeginn und Abschluss ist folgendes
zu berücksichtigen:
Sammelplatz ist für alle Kursteilnehmer problemlos erreichbar (z.B. Ausstieg Gon-
del/Skischule)
Gehen Gefahren vom Sammelplatz aus (z.B. bei Bushaltestellen)?
Abschluss: Kommen die Teilnehmer vom Abschlussort wieder ins Tal?
Gehen Gefahren vom Ort des Abschlusses aus?
Vor Kursbeginn ist ein Material-Check durchzuführen. Eine ausreichende Ausrüstung liegt in
der Verantwortung des Teilnehmers. Bei Kindern und Jugendlichen tragen die Eltern die
Verantwortung. Dennoch muss der Skilehrer die Ausrüstung überprüfen und darf bei einem
Teilnehmer mit einer offensichtlich unzureichenden Ausrüstung die Teilnahme am Skikurs
verweigern. Zu einer ausreichenden Ausrüstung zählt:
Passende Winterkleidung
Mütze
Handschuhe
Helm
Organisation und Recht
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Schneebrille
ggf. Schutz-Protektoren
Ski- und Snowboardausrüstung (Bindungseinstellungen)
Vor Kursbeginn ist ein Teilnehmer-Check durchzuführen. Der Skilehrer muss den Könner-
stand vor der Auffahrt hinterfragen und klären, ob die geplante Abfahrt vom Teilnehmer be-
wältigt werden kann. Zu beachten ist dabei folgendes:
Überschaubarkeit der Gruppe (Gruppengröße)
Körperliche Verfassung der Teilnehmer
Ausbildungsgrad der Teilnehmer
Zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten während des Kurses hat der Skilehrer folgendes zu
berücksichtigen:
geeignetes Übungsgelände
geeignete Aufgabenstellung
keine Überforderung
Anzeichen von Erschöpfung insbesondere bei Kindern und Jugendlichen auf Erfrie-
rung, Sonnenbrand und Flüssigkeitsmangel
Ausreichende Pausen (und ggf. Nachtruhe)
Aufsicht während kursfreier Zeit
Einhaltung der Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes
Sachgerechte Hilfe im Schadensfall
Aufklärung, Übung und Einhaltung der FIS – Regeln
6.9 Entscheidungsmaßstab des Skilehrers
Die Entscheidungen richten sich immer nach dem schwächsten innerhalb der Gruppe und
dem schwierigsten Teil einer Abfahrt oder Aufgabe. Die Frage nach der Fremdverantwortung
bestimmt sich nach dem Alter, Kenntnis- und Erfahrungsschatz der Teilnehmer. Je jünger
der Teilnehmer und/oder unerfahrener er ist, desto mehr muss der Lehrer für ihn mitdenken,
organisieren und handeln. Befolgt ein Teilnehmer die Anweisungen nicht, kann durch dieses
Mitverschulden des Teilnehmers die Haftung ganz oder teilweise entfallen.
Organisation und Recht
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6.10 Fallbeispiele aus der Praxis
Fallbeispiel 1 (Engstelle): Urteil des LG Ravensburg vom 16.3.2004, Az 6 O 382/03. Die
Klägerin nahm an einem Skikurs teil. Die Skilehrerin fuhr durch eine enge Passage vor. Die
Klägerin wurde von einem Dritten angefahren und verletzt. Die Klage wurde abgewiesen,
weil der Skilehrerin kein Sorgfaltspflichtverstoß vorgeworfen werden konnte. Der Unfall wur-
de fremdverschuldet. Es ist gleichgültig, ob der Skilehrer vorausfährt oder seine Schützlinge
vorausfahren lässt, ob er ein bestimmtes Fahrtraining oder ob er ein freies Fahren zulässt. Er
muss lediglich vermeiden, für die Könnensstufe und die Trainingsreichweite der Teilnehmer
gänzlich ungeeignete Abfahrten zu wählen, und auch dann kann er nur für Unfälle verant-
wortlich sein, die gerade wegen der Schaffung dieser besonderen Gefahr entstanden sind.
Jeder weiß, dass der Skibetrieb, auch im Rahmen gesicherter Pisten, nie ganz ungefährlich
ist.
Fallbeispiel 2 (Verhalten nach dem Unfall): Die minderjährige Klägerin wurde von einem
Dritten während des Skikurses verletzt. Der Skilehrer nahm nicht die Personalien auf. Der
Skilehrer haftet, weil er im Schadenfall nicht sachgerecht Hilfe geleistet hat. Anders kann es
bei Erwachsenen sein, wenn ein Erwachsener trotz des Unfalls in der Lage ist, die Sachlage
zu beurteilen und Entscheidungen zu treffen bzw. ausführen zu lassen!
6.11 Zusammenfassung Sorgfalts- und Aufsichtspflichten
Der Skilehrer hat die Pflicht
auf Überschaubarkeit der Gruppe zu achten
die Tauglichkeit der Ausrüstung des Skischülers zu überprüfen
ein dem Können der Gruppe angepassten Übungsgelände zu wählen
die Überforderung der Skischüler durch Rücksichtnahme auf ihre körperliche Verfas-
sung, durch Auswahl des angemessenen Geländes sowie durch Wahl der angepass-
ten Fahrspur und Fahrgeschwindigkeit zu vermeiden
Skischüler hinsichtlich aller die Sicherheit betreffenden Umstände aufzuklären und
anzuleiten
Einhaltung und Schulung der FIS-Regeln und Park Rules
der Aufsichtspflicht in der Zeitspanne der Übernahme der Kinder bis zur Übergabe an
die Eltern nachzugehen
Beobachten, Überwachen, Belehren und Aufklären
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ggf. Maßnahmen ergreifen, um das Verhalten zu leiten und zu beeinflussen
Literaturverzeichnis
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7 Literaturverzeichnis
Auswertungsstelle für Skiunfälle (2016). Unfälle und Verletzungen im alpinen Skisport -
Zahlen und Trends der Saison 2014/2015. URL: https://www.ski-online.de/files/dsv-
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Deutscher Skilehrer Verband e.V. (2012). Skifahren einfach. München: BLV Buchverlag.
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