tod und ekel

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Ich wandere in der Wildnis, schon fern der Stadt, und weiß nichts als das eine, dass ich nicht mehr zurück kann, dass dies Leben, wie ich es nun viele Jahre lang geführt, vorüber und dahin und bis zum Ekel ausgekostet und ausgesaugt ist. Tot ist der Singvogel, von dem ich geträumt. Tot ist der Vogel in meinem Herzen. Ekel und Tod habe ich von allen Seiten in mich eingesogen, wie ein Schwamm Wasser einsaugt, bis er voll ist. Voll bin ich von Überdruss, voll von Elend, voll von Tod, nichts gab es in der Welt, das mich locken, das mich erfreuen, das mich trösten kann. Sehnlich wünschte ich nichts mehr von mir zu wissen, Ruhe zu haben, tot zu sein. Gäbe es doch einen Wein, ein Gift, das mir Betäubung brächte, Vergessen und Schlaf, und kein Erwachen mehr!Gibt es denn noch irgendeinen Schmutz, mit dem ich mich noch nicht beschmutzt habe, eine Sünde und Torheit, die ich nicht begangen, einen Seelenöde, die ich nicht auf mich geladen habe? Ich starre in die schauerliche Leere vor mir, welcher die furchtbare Leere in meiner Seele Antwort gibt. Ja, ich bin am Ende. Dies war das große Erbrechen, nach dem ich mich gesehnt habe: der Tod, das Zerschlagen der Form, die ich hasste.

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Bearbeitung eines hermann hesse Textes aus Siddharta

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Page 1: Tod Und Ekel

Ich wandere in der Wildnis, schon fern der Stadt, und weiß nichts als das eine, dass ich nicht mehr zurück kann, dass dies Leben, wie ich es nun viele Jahre lang geführt, vorüber und dahin und bis zum Ekel ausgekostet und ausgesaugt ist. Tot ist der Singvogel, von dem ich geträumt. Tot ist der Vogel in meinem Herzen. Ekel und Tod habe ich von allen Seiten in mich eingesogen, wie ein Schwamm Wasser einsaugt, bis er voll ist. Voll bin ich von Überdruss, voll von Elend, voll von Tod, nichts gab es in der Welt, das mich locken, das mich erfreuen, das mich trösten kann. Sehnlich wünschte ich nichts mehr von mir zu wissen, Ruhe zu haben, tot zu sein. Gäbe es doch einen Wein, ein Gift, das mir Betäubung brächte, Vergessen und Schlaf, und kein Erwachen mehr!Gibt es denn noch irgendeinen Schmutz, mit dem ich mich noch nicht beschmutzt habe, eine Sünde und Torheit, die ich nicht begangen, einen Seelenöde, die ich nicht auf mich geladen habe? Ich starre in die schauerliche Leere vor mir, welcher die furchtbare Leere in meiner Seele Antwort gibt. Ja, ich bin am Ende. Dies war das große Erbrechen, nach dem ich mich gesehnt habe: der Tod, das Zerschlagen der Form, die ich hasste.