traudl bünger: narrative computerspiele. struktur und rezeption

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KURZBESPRECHUNGEN Thomas Bickelhaupt: Kunst fürs Volk. Kunstge- schichtliche Zitate in der Werbung der Printme- dien. Qualitative und quantitative inhaltsanaly- tische Untersuchung am Beispiel des Wochen- magazins ›DER SPIEGEL‹ von 1991-2000. – München: kopaed 2005, 330 Seiten, Eur 19,80. Thomas Bickelhaupt untersucht, wo in der Wer- bung im ›Spiegel‹ Reste der Kunstgeschichte auf- tauchen. Nach einleitenden Bemerkungen zu Werbung und Kunstvermittlung stellt er die These auf, Werbung sei ein imaginäres postmo- dernes Museum – auch ohne dass ein klarer Zu- sammenhang zwischen Produkt und Kunstzitat notwendig sein müsse. Im ›Spiegel‹ findet der Autor innerhalb seines Untersuchungszeitraums 1335 Anzeigen mit 1619 Zitaten, von denen er einige stark verkleinert abbildet. Seine inhaltsa- nalytische Methode stellt Bickelhaupt detailliert dar. Ergebnis der Studie: Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts kommt am häufigsten vor. Religiö- se Kunst ist beliebt, abstrakte oder negativ konnotierte Inhalte fehlen hingegen. hb Traudl Bünger: Narrative Computerspiele. Struk- tur und Rezeption. – München: kopaed 2005, 328 Seiten, Eur 19,80. Öffentliche Diskussionen über Computerspiele fokussieren zumeist auf die möglichen Nega- tiv-Effekte, die die Programme auf Psyche und Persönlichkeit der Rezipienten haben können. Traudl Bünger distanziert sich von dieser Sicht- weise. In ihrer als Pilotstudie angelegten Unter- suchung zeigt sie Strukturmerkmale von Com- puterspieladaptionen von Kinder- und Jugend- büchern auf und analysiert deren Wirkung auf fünf ausgewählte Kinder. Dazu bedient sie sich der Methoden des problemzentrierten Inter- views, des lauten Denkens und der teilnehmen- den Beobachtung. Bünger weist nach, dass narra- tive Computerspiele durchaus einen pädagogi- schen Nutzen haben können – z. B. indem sie durch empathische Anteilnahme an den Figuren Fremdverstehen und Perspektivenübernahme er- möglichen. Außerdem seien auch in kognitiver Hinsicht positive Effekte möglich – etwa in Bezug auf den Erwerb narrativer Strukturen. tse Werner Daum: Zeit der Drucker und Buchhänd- ler. Die Produktion und Rezeption von Publizis- tik in der Verfassungsrevolution Neapel-Siziliens 1820/21. – Frankfurt am Main etc.: Peter Lang 2005 (= Reihe: Italien in Geschichte und Gegen- wart; Bd. 21), 255 Seiten, Eur 45,50. Italien brachte in seinen Revolutionen und Eini- gungsbestrebungen des 19. Jahrhunderts eine umfangreiche Publizistik hervor. Werner Daum stellt die Periodika während der Revolution im Königreich beider Sizilien vor, wofür er ein aus- differenziertes Raster entwirft und anwendet. Die Überlieferung besonders Siziliens ist wegen der Kriegsverluste lückenhaft; zudem ließ die bourbonische Reaktion schriftliche Zeugnisse der freien Publizistik vernichten. Umfangreich sind die Ausführungen zu Erscheinungsweise, Druckern, Journalisten, Vertrieb und Rezipien- ten. Daum bearbeitet ein Desiderat, da die italie- nische Pressegeschichtsschreibung sich auf 1848/49 konzentriert hat – womöglich deshalb, weil die neapolitanische und sizilianische Publi- zistik 1820/21 noch nicht die Einheit Italiens forderte, sondern sich auf die Verhältnisse im Königreich beschränkte. hb Margita Feldrapp: Daily Talks als Lebenshilfe für die Gäste? Ein medienkritischer Diskurs unter Berücksichtigung der Gastperspektive. – Ingols- tadt: Christliche Publizistik Verlag 2004 (= Rei- he: Studien zur Christlichen Publizistik; Bd. 9), 85 Seiten, Eur 8,–. Diese Examensarbeit im Lehramtsstudium der Theologie widmet sich einem Phänomen, das auf dem Rückzug begriffen ist. Nach einer ver- gleichenden Gegenüberstellung der beiden ältes- ten und gegensätzlichsten Daily Talks, »Arabel- la« und »Fliege«, widmet sich Feldrapp der ver- breiteten These, wonach die Nutznießer dieser Sendungen die Gäste selbst seien. Sie bestreitet das, weil Form und Inhalt des Genres der Ethik der Achtsamkeit widersprächen. Erwünschte Hilfe, ergibt Feldrapps Literaturstudie, erzeugt unter den Bedingungen von Quotenkrawall Ge- walt. In einem theologischen Resümee fordert die Autorin fiktionale Sendungen, kirchlichen 390 Buchbesprechungen

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KURZBESPRECHUNGEN

Thomas Bickelhaupt: Kunst fürs Volk. Kunstge-schichtliche Zitate in der Werbung der Printme-dien. Qualitative und quantitative inhaltsanaly-tische Untersuchung am Beispiel des Wochen-magazins ›DER SPIEGEL‹ von 1991-2000. –München: kopaed 2005, 330 Seiten, Eur 19,80.

Thomas Bickelhaupt untersucht, wo in der Wer-bung im ›Spiegel‹ Reste der Kunstgeschichte auf-tauchen. Nach einleitenden Bemerkungen zuWerbung und Kunstvermittlung stellt er dieThese auf, Werbung sei ein imaginäres postmo-dernes Museum – auch ohne dass ein klarer Zu-sammenhang zwischen Produkt und Kunstzitatnotwendig sein müsse. Im ›Spiegel‹ findet derAutor innerhalb seines Untersuchungszeitraums1335 Anzeigen mit 1619 Zitaten, von denen ereinige stark verkleinert abbildet. Seine inhaltsa-nalytische Methode stellt Bickelhaupt detailliertdar. Ergebnis der Studie: Kunst des 19. und 20.Jahrhunderts kommt am häufigsten vor. Religiö-se Kunst ist beliebt, abstrakte oder negativkonnotierte Inhalte fehlen hingegen.

hb

Traudl Bünger: Narrative Computerspiele. Struk-tur und Rezeption. – München: kopaed 2005,328 Seiten, Eur 19,80.

Öffentliche Diskussionen über Computerspielefokussieren zumeist auf die möglichen Nega-tiv-Effekte, die die Programme auf Psyche undPersönlichkeit der Rezipienten haben können.Traudl Bünger distanziert sich von dieser Sicht-weise. In ihrer als Pilotstudie angelegten Unter-suchung zeigt sie Strukturmerkmale von Com-puterspieladaptionen von Kinder- und Jugend-büchern auf und analysiert deren Wirkung auffünf ausgewählte Kinder. Dazu bedient sie sichder Methoden des problemzentrierten Inter-views, des lauten Denkens und der teilnehmen-den Beobachtung. Bünger weist nach, dass narra-tive Computerspiele durchaus einen pädagogi-schen Nutzen haben können – z. B. indem siedurch empathische Anteilnahme an den FigurenFremdverstehen und Perspektivenübernahme er-möglichen. Außerdem seien auch in kognitiverHinsicht positive Effekte möglich – etwa inBezug auf den Erwerb narrativer Strukturen.tse

Werner Daum: Zeit der Drucker und Buchhänd-ler. Die Produktion und Rezeption von Publizis-tik in der Verfassungsrevolution Neapel-Siziliens1820/21. – Frankfurt am Main etc.: Peter Lang2005 (= Reihe: Italien in Geschichte und Gegen-wart; Bd. 21), 255 Seiten, Eur 45,50.

Italien brachte in seinen Revolutionen und Eini-gungsbestrebungen des 19. Jahrhunderts eineumfangreiche Publizistik hervor. Werner Daumstellt die Periodika während der Revolution imKönigreich beider Sizilien vor, wofür er ein aus-differenziertes Raster entwirft und anwendet.Die Überlieferung besonders Siziliens ist wegender Kriegsverluste lückenhaft; zudem ließ diebourbonische Reaktion schriftliche Zeugnisseder freien Publizistik vernichten. Umfangreichsind die Ausführungen zu Erscheinungsweise,Druckern, Journalisten, Vertrieb und Rezipien-ten. Daum bearbeitet ein Desiderat, da die italie-nische Pressegeschichtsschreibung sich auf1848/49 konzentriert hat – womöglich deshalb,weil die neapolitanische und sizilianische Publi-zistik 1820/21 noch nicht die Einheit Italiensforderte, sondern sich auf die Verhältnisse imKönigreich beschränkte. hb

Margita Feldrapp: Daily Talks als Lebenshilfe fürdie Gäste? Ein medienkritischer Diskurs unterBerücksichtigung der Gastperspektive. – Ingols-tadt: Christliche Publizistik Verlag 2004 (= Rei-he: Studien zur Christlichen Publizistik; Bd. 9),85 Seiten, Eur 8,–.

Diese Examensarbeit im Lehramtsstudium derTheologie widmet sich einem Phänomen, dasauf dem Rückzug begriffen ist. Nach einer ver-gleichenden Gegenüberstellung der beiden ältes-ten und gegensätzlichsten Daily Talks, »Arabel-la« und »Fliege«, widmet sich Feldrapp der ver-breiteten These, wonach die Nutznießer dieserSendungen die Gäste selbst seien. Sie bestreitetdas, weil Form und Inhalt des Genres der Ethikder Achtsamkeit widersprächen. ErwünschteHilfe, ergibt Feldrapps Literaturstudie, erzeugtunter den Bedingungen von Quotenkrawall Ge-walt. In einem theologischen Resümee fordertdie Autorin fiktionale Sendungen, kirchlichen

390 Buchbesprechungen