Über den einfluß von fütterung und jagd auf das raum-zeit-verhalten von alpinem rotwild

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Page 1: Über den Einfluß von Fütterung und Jagd auf das Raum-Zeit-Verhalten von alpinem Rotwild

Z. Jagdwiss. 38 (1992), 88-100 © 1992 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0044-2887

Institut fiir Wildbiologie undJagdwirtschaft der Universitiz't fiir Bodenkultur, Wien - Vorstand: Prof. Dr. Gossow

Uber den EinfluB von Ffitterung und Jagd auf das Raum-Zeit-Verhalten von alpinem Rotwild I

Von K~kROLINE SCHMIDT, Wien

1 Einleitung

Winterffitterungen ffir Rotwild und zunehmend auch Wintergatter wurden und werden aus den verschiedensten Griinden errichtet: Konzentration und Rfickhaltung des Wildes im eigenen Jagdrevier, l[Sberlebenssicherung, Steigerung der Troph~ienqualitiit und Minde- rung der Sch~il- und Verbit~sch/iden. Die Auswirkungen der verschiedenen Ffitterungs- methoden auf K6rper und Geweih sowie auf die Waldschadensentwicklung wurden entsprechend eingehend untersucht (UEc~ERMANN 1986, SCHWAI3 1989).

Die Ffitterung stellt aber auch eine deutliche Ver~inderung der natfirlichen winterlichen Umweltbedingungen dar. Inwieweit wird dadurch das Verhalten des Rotwildes in Raum und Zeit ver~indert? Wie wfirde sich das Rotwild ohne die - meist schon Tradition gewordene - Fiitterung verhalten? Wo wfirde es einstehen?

Die Habitatwahl wird von einer Vielzahl naturgegebener Faktoren wie z.B. Klima, Topographie, Waldzustand, natfirliches Nahrungs- und Sicherheitsangebot bestimmt, so dafg es meist schwierig ist, den Einflufg der Fiitterung abzusch~itzen. Dazu bedarf es des Vergieiches zwischen gefiittertem und ungeffittertem Rotwild unter nahezu gleichen Umweltbedingungen. Diese Voraussetzung war im Untersuchungsgebiet der vorliegenden Studie gegeben. Ein ungeffittertes und zwei Futterrudel, in demselben Gebiet fiberwin- ternd, sich nur hinsichtlich der Asungsbedingungen und des Jagddrucks unterscheidend, wurden in einer vierj~ihrigen Forschungsarbeit vergleichend untersucht (SCHMmT 1990a, 1990b; SCHMIDT und Gossow 1992; Gossoxv und S¢I-tMIr)T 1991).

2 Das Untersuchungsgebiet

Das Untersuchungsgebiet liegt in Clsterreich, in den Niederen Tauern, einem ostalpinen Urgesteinszug. Der engere Untersuchungsbereich (Abb. 1) waren die H~inge, Hochalmen und Grate 6stlich und westlich eines vonder Hauptkette der W61zer Tauern nach Sfiden verlaufenden Tales. Im Taleingang (900 m NN) und Talboden liegen bis 1200 m NN bewirtschaftete Wiesen. Hauptbaumarten der W~ilder sind Fichte (Picea abies) und L~irche (Larix decidua). Die Waldgrenze reicht bis ca. 1700 m. Daran anschlieigend erstrecken sich weitl/iufige, schwachgeneigte Almfl~ichen bis zu den h6chsten Erhebungen (2280 m NN). Diese Almen werden im Sommer extensiv bestof~en und bilden potentielle Wintereinst~inde auch f/Jr ungeffittertes Rotwild.

1 Die Aufnahme der Abhandlung im vorliegenden Umfang war dutch Einsatz eines Druckkosten- zuschusses des Bayerischen Staatsministeriums ffir Ern~ihrung, Landwirtschaft und Forsten m6glich. Fiir die F6rderung wird verbindlich gedankt. - Die Schriftleitung

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0044-2887/92/3802-0088 $ 02.50/0

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Einflufl von Fiitterung und Jagd auf das Raum-Zeit-Verhalten yon Rotwild 89

Abb. 1. Das Untersuchungs- gebiet; es umfaf~t die bewalde- ten H~inge und die Almen 6st- lich und westlich des Nord- Siid verlaufenden Tales

3 K l i m a

Die vier Untersuchun.gswinter waren unterschiedlich schneereich: 1985/86 und 1986/87 waren schneereiche, l~alte Winter. Der Talbereich war von Anfang Dezember an vier Monate lang schneebedeckt, mit andauernden Schneeh6hen yon fiber 50 cm. Erst Mitte April begannen die Talwiesen auszuapern.

Im Winter 1987/88 fielen nennenswerte Schneemengen erst Mitte Februar, die Schnee- h6he im Tal- und Waldbereich lag jedoch immer unter 40 cm. Nach nur etwa zwei Monaten Schneedecke wurden die Talwiesen zu Anfang April schneefrei.

Der Winter 1988/89 war autgergew6hnlich mild, mit nur kurzen, unergiebigen Schnee- £illen im Friihwinter. Unterhalb der Waldgrenze f ielder Schnee zumeist als Regen, so datg in den Vorlagen die Talwiesen nie g~inzlich schneebedeckt waren.

4 Materia l u n d M e t h o d e n

Drei Rudel mit unterschiedlichen Nahrungsvoraussetzungen und unterschiedlichem Jagd- druck in Art, Menge und raumzeitlicher Verteilung wurden beobachtet: - ein ungefiittertes Rudel, dessen maximale Rudelgr6tge in strengen Wintern 160 St/icke

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betrug. Dutch Ausf~ihrten konnte sichergestellt werden, daf~ dieses Rudel keine der Fiitterungen im Umfeld besuchte.

- d a s Futterrudel 1 wird seit 1974 an der F/itterung (1) auf 1400 m NN im Talboden von November bis in den Mai gef/]ttert. Die Vorlage erfolgt t~iglich, meist in den Nachmit- tagsstunden. Gef~ittert wird fast ausschlief~lich gutes Heu. Geringe Mengen Kleie und Mais als ,,Leckerbissen" sowie in den ersten Monaten Apfel und Riiben werden als Lockmittel vorgelegt. Bei der Heuvorgabe wurde mit etwa 1 kg Heu pro St/ick Rotwild gerechnet.

- d a s Futterrudel 2 (zwischen 10 und 30 St/]ck Rotwild), dessen F/itterung (2) knapp fiber der Waldgrenze liegt. Bis zum Winter 1987/88 beschr~inkte sich die Futterbevorratung auf eine einmalige Vorlage im Herbst (Apfeltrester, Riiben). In den Wintern 1987/88 und 1988/89 war dem Wild Heu an vier eingez~iunten Heuschobern, die je nach Bedarf sukzessive ge6ffnet wurden, zug~inglich. Die Menge war 1987/88 bereits im Hochwinter aufgebraucht, wurde 1988/89 durch das Abwandern des Wildes - bedingt durch jagdlichen St6rdruck - jedoch kaum genutzt.

Beobachtungszeitranm waren 472 Feldtage in den vier Wintern 1985/86 bis 1988/89 von November bis Ende Mai. Dabei wurden folgende Daten durch direkte Beobachtung erhoben: Verteilung, Rudelgr6f~e und, soweit ansprechbar, Rudelzusammensetzung; Aktivit~itsprotokolle durch scan-sampling alle 15 Minuten und zehnminiitiges focal- sampling hinsichtlich der Sicherfrequenzen. Indirekte Beobachtungen umfassen Kartie- rung der F~ihrten, Wechselrouten und Sch~ilungen, Kartierung und Vermessung der Einsinktiefen, Liegepl~itze und Platzstellen.

Um die gel~indeklimatischen Besonderheiten zu erfassen, wurden die wichtigsten klimatischen Parameter vor Ort erhoben. Im Tal-, Wald- und Almbereich wurde mittels Thermoscripten der t~igliche Temperaturverlauf gemessen. In verschiedenen H6henstufen und Expositionen wurden 26 Schneemefflatten aufgestellt und so oft als m6glich, insbeson- dere nach starken Schneef~illen und Tauperioden, abgelesen. Schneebedeckungsgrad, Ein- schnei- und Ausaperungsmuster wurden mittels Diapositiv-Panoramaaufnahmen von gleichbleibenden Beobachtungspunkten aus festgehalten. Die Windst~irke wurde mittels Windwegschreiber im Winterstreifgebiet des ungef~itterten Rudels an 5 Stellen unter- schiedlicher Exposition und H6henlage gemessen, F~ir die Auswertung wurde die stiindli- che Windgeschwindigkeit abgelesen und fiir den 24-Stunden-Tag gemittelt.

Als anthropogene Einfliisse wurden folgende Gesichtspunkte erhoben und protokol- liert: Das ,,wo, was, warm und wie" der Ffitterung. An der Fiitterung 1 wurde der Futterverbrauch - als Nutzungshinweis - vom zust~indigen F6rster t~iglich festgehalten, Soweit erfaf~bar wurden jagdliche Aktivit~iten im Untersuchungsgebiet protokolliert. Zus~itzliche Informationen konnten 6rtlich zust~indige J~iger und F6rster geben, Abschul%- daten entstammen der beh6rdlichen Abschui~planliste. Skitoureng~inger wurden protokol- liert, Abfahrtsspuren kartiert.

5 Ergebnisse

5.1 Raum-Zeit-Verhalten

Es zeigten sich deutliche Unterschiede in der Raum-Zeit-Nutzung sowohl zwischen den Rudeln als auch den verschiedenen Wintern (Abb. 2 bis 4).

Die beiden Futterrudel standen in den ersten drei Untersuchungswintern (1985/86 bis 1987/88) den gesamten Winter im Almbereich ein. Das Futterrudel 1 zog in der Regel ein bis zwei Stunden vor Sonnenuntergang, mit einiger Verweildauer an der Alm-Wald- Grenze, zur Ffitterung (Fiitterungsfrequentierung siehe 5.2). Dort stand es w~ihrend der Nachtstunden und wechselte mit Sonnenaufgang wieder in den Almeinstand. Im vierten Winter (1988/89) zeigten beide Futterrudel ab Mitre Januar eine deutliche Verschiebung ihres Streifgebietes: Futterrudel 1 stand nun fast ausschliefflich auf der westexponierten,

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/ Abb. 2. Winterstreifgebiet in schneereichen Wintern (1985/ 86 und 1986/87). Gef6ttertes sowie ungefiktertes Wild nutzt die Almfl~ichen als Ein- stand

Winters Futterwi

Winters ungefOt Rotwild

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Abb. 3. Winterstreifgebiere w~ihrend des dritten Untersu- chungswinters (1987/88). Das Futterwild nutzt die traditio- nellen Almeinst~inde, unge- f6ttertes Rotwild steht bevor- zugt in Waldbereichen, nur Kleingruppen waren kurzzei- rig im Almeinstand zu beob- achten

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Abb. 4. Winterstreifgebiet 1988/89 (nach Ende der Jagd- zeit). Das Futterwild zeigt el- ne deutliche Verschiebung des traditionellen Streifgebiets, ungef/ittertes Rotwild hat sei- men Einstand ausschliei~lich im Waldbereich

dem bisherigen Streifgebiet gegen/iberliegenden, Hangseite ein. Futterrudel 2 hielt sich ab Mitte Januar ausschlief~lich im Waldbereich unterhalb der F/itterung 2 auf und zog nur in den D~immerstunden an die Futterstelle. Der traditionelle Almeinstand wurde w~ihrend des gesamten Winters nie genutzt.

Das ungefiitterte Wild nutzte nur w~ihrend der beiden ersten, schneereichen Winter den Almbereich als ausschliei~liches Winterstreifgebiet. Im Gegensatz zum Futterwild 1 ver- blieb das ungef~itterte Wild jedoch Tag und Nacht fiber der Waldgrenze. Nut bei starkem Sturm oder Schlechtwettereinbriichen suchte das Wild, ebenso wie die beiden Futterrudel, Waldbereiche an der Baumgrenze als Klimaschutzeinst~inde auf. Im Winter 1987/88 verlagerte sich der Nutzungsschwerpunkt auf tiefergelegenere Waldbereiche und wald- grenznahe Almabschnitte. Nut Kleingruppen waren kurzfristig im traditionellen Alm- einstand zu linden. Erst mit dem Einsetzen st~irkerer Schneefiille im Februar 1988 war vermehrt ungefiittertes Wild im Almbereich zu sehen. Im vierten Winter (1988/89) lag das Streifgebiet des ungefiitterten Wildes ausschlie~lich im Waldbereich tieferer Lagen.

5.2 Nutzung der Fiitterung

Fiitterung 1 (1400 m NN) liegt deutlich vom /iblichen Tageseinstand, dem Almbereich zwischen 1800 m N N und 2300 m NN, getrennt. Die Futtervorlage erfolgte t~iglich. Die H~iufigkeit, mit der das Wild zur Fiitterung zog, war ebenso unterschiedlich wie die Anzahl des Wildes (Abb. 5). Es konnte nur selten direkt beobachtet werden, wieviel Wild die Fiitterung besuchte. Daher wurde die Menge des am n~ichsten Morgen noch vorhande- nen Futters als indirekter Hinweis auf die ungef~ihre Anzah! des Wildes, das nachts an der F/itterung gestanden war, gewertet. War am n~ichsten Tag noch die gesamte vorgelegte Futtermenge vorhanden - auch die geringen Mengen Kleie und Mais - galt dies als Indiz daffir, daft kein einziges St/ick Rotwild nachts an der F/itterung gestanden hatte (0 %

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Nutzung der Fiitterung 1 (in % der Beobachtungstage/Monat)

Futterverbraucl" 90~ ~ I 8°1 I I [7 7°~1 I I I I

~ 50 ~ ~o .~ 30 _ ~ Winter

2O ~ 1 0 ~ [ ~ ~ ~ ~ ~ ~ 1 9 8 6 / 8 7

o I , ' ~'~' , . . . . . , . . . . . . ~' . . . . . . . . . . , XI 86 XI186 1 87 II 87 III 87 IV 87

Abb. 5. In drei unterschiedlich schneereichen Wintern lief~en sich deutliche Unterschiede in der Be- suchsh~iufigkeit und im Furterver- brauch (an der Fiitterung 1) feststel- len. Der Pfeil markiert einen massi- ven Jagdeingriff im Almbereich, worauf dieser als Mehrtagesein- stand (ohne Fiitterungsbesuch) nicht mehr genutzt, sondern die Ffitterung intensiver aufgesucht wurde,

90

70 60 50 40 30

-~ 20 ~ l

XI 87 XI187

~ ~ W i n t e ~ 1987/88

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1 88 H 88 IH 88 IV 88

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i Winter , . , 1988/89

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XI 88 XII 88 1 89 II 89 III 89 IV 89

100 % Futterverbrauch = gesamtes Rudel an der Ffi~terung 50 % Futterverbrauch = ein Teil des Rudels an der Ffitterung 0 % Futterverbrauch = kein Rot-e/rid an der F/itterung

Futterverbrauch). Wenn ein Tell der Futtermenge verbraucht war, aber noch grof~e Mengen Heu fibriggeblieben waren (50 % Futterverbrauch), hatte, so die Schlut~folgerung, nur ein Tell des Futterrudels die Fiitterung besucht. Entsprechend wurde der Verbrauch des gesamten vorgelegten Futters dahingehend interpretiert, dat~ das gesamte Rudel nachts an der Fiitterung gestanden hatte. Diese indirekten Rfickschliisse decken sich mit den Sichtbeobachtungen im Almbereich. Stand das Rudel kurz vor Sonnenuntergang hoch im Almeinstand, so war am n~ichsten Morgen noch die gesamte Futtermenge vorhanden. Wenn das gesamte Rudd hingegen an die Waldgrenze zog, war auch meist die gesamte Futtermenge verbraucht.

In den beiden ersten, schneereichen Wintern (1985/86 und 1986/87) wurde die Futter- stelle im Hochwinter, von Januar bis M~irz, an bis zu einem Drittel der Tage eines Monats fiberhaupt nicht aufgesucht. Das gesamte Rudel verblieb dann auch nachts im Almbereich. Im vierten Untersuchungswinter (1988/89) f~illt auf, dat~ gerade in diesem auf~ergew6hnlich milden Winter das Wild im Hochwinter Mufiger an die Ffitterung zog als in den beiden schneereichen, strengen Jahren. Ab Februar 1989 wurde die Futterstelle t~iglich zumindest von einem Tell des Rudels genutzt.

Fiitterung 2 liegt an der Wald-Almgrenze. Dadurch war keine so deutliche Trennung zwischen Almeinstand und Ffitterungsbereich gegeben. Im Gegensatz zur Ffitterung 1 erfolgte hier keine t~igliche Futtervorlage, sondern eine einmalige Ausbringung im Herbst. Obwohl auch hier eine vermehrte Nutzung in den D~immerstunden deutlich war, konnte auch zu anderen Tageszeiten Wild an den Heuschobern beobachtet werden. Eine Aus- nahme bildet der Winter 1988/89: ab Mitte Januar stand das Wild nur nachts bzw. in den D~immerungsstunden an der F6tterung.

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5.3 Clrtliche und zeitliche Verteilung der Bejagung

Abb. 6 zeigt die Differenz zwischen dem Prozentanteil eines Revieres am Gesamtabschug des engeren Untersuchungsgebietes (fiir die 4 Jagdjahre 1985/86 bis 1988/89) und dem Prozentanteil dieses Revieres an der Gesamtfl~iche des Untersuchungsgebietes. Bei ange- nommener gleichm~igiger Verteilung des Wildes bedeuten somit positive Werte eine h6here Abschut~menge als dem Revier rein fliichenanteilsm~iflig zustehen wiirde. Entsprechend stehen negative Zahlen f/ir einen niedrigeren Anteil als dies fl~ichenbezogen zu erwarten w~ire. In nahezu allen Jagden mit hohem Almanteil wurde deutlich weniger Rotwild erlegt, als diesen Revieren rein fl~ichenanteilsm~it~ig zustehen wiirde. Reviere mit nahezu aus- schlieglich Waldanteil erlegten/iberdurchschnittlich viel Rotwild. Dies spiegelt die Bedeu- tung des Waldes als Sicherheitseinstand, zumindest w~ihrend der Jagdzeit, wider.

Hinsichtlich der zeitlichen Verteilung der Abschiisse zeigen sich Unterschiede zwischen den Jagdrevieren nicht nur je nach Wald-Almverteilung sondern ebenso auch hinsichtlich der Besitzstruktur - Eigenjagd, Gemeindejagd oder verpachtetes Almrevier - (Abb. 7). In den grotgen Eigenjagden (sowohl einem reinem Waldrevier als auch einem Revier mit hohem Alm- und Felsanteil) im mittleren und hinteren Talbereich wurden bis Ende November bereits 75 % bzw. 90 % des Abschugplanes erftillt, in den Gemeindejagden der Vorlagen nicht mehr als 70 %. Hingegen t~itigten die Hochlagenreviere, zumeist verpach- tete Agrargemeinschaftsjagden, ihren Rotwildabschug nahezu zur G~inze erst ab Ende November, im Dezember/Januar.

Abb. 6. Unterschiedliche Ver- teilung der Rotwild-Absch/is- se bezogen auf den Anteil des Revieres an der Gesamtfl~iche sowie den Gesamtabschut~ des (~ Almfl~chel Untersuchungsgebietes. Re- Baumgrer viere mit positiven Zahlen er- ~ w,, legen, im Verhiilmis zum An- - - teil des Revieres an der Ge- ~ bewirtschl samtfEiche, iiberdurchschnitt- ~ (naheder lich viel Rotwild, Reviere mit negativen Zahlen entspre- chend weniger Rotwild als ih- rem Fl~ichenanteii entspre- 9 . . . . chen wiirde.

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5.4 Tourismus

Wintertourismus ist im engeren Untersuchungsgebiet gering. Der Grof~teil des Wintertou- rismus in den W61zer Tauern konzentriert sich auf ein Schizentrum mit Liften im Osten des Untersuchungsgebietes. In den vier Untersuchungswintern waren an 11,5% der Beobachtungstage (50 yon 435) in Summe 208 Toureng~inger im Untersuchungsgebiet unterwegs. Zu 82 % waren dies Sch6nwettertage. Mit zunehmender Windsdirke und bei 5chneefall sinkt die Frequenz der Toureng~inger. Weder Aufstiegs- noch Abfahrtsrouten der Toureng~inger verlaufen direkt durch das engere Eins~andsgebiet des Wildes.

5.5 Raum-Zeit-Nutzung im Friihjahr

Der Gro~teil des Futterrudels I nutzte die Futterstelle noch bis in den Mai. Das Rudel ver- blieb in der N~ihe der Fiitterung und dehnte sein Streifgebiet mit dem Ausapern und Er- griinen der hinteren Talbereiche aus. Die einzelnen, talausw/irts weisenden F~ihrten diirften von alten Hirschen stammen, die sich nach dem Geweihabwurf vom Rudel absetzten.

Auch der Gro~tei] des Futterrudels 2 war noch im Fr6hjahr in F~itterungsn~ihe zu

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Almrevier (290 ha) ve~achtet

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8 ~ Waldrevier (900 ha) Gemeindejagd

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Waldrevier (640 ha) Ei~enja~d

[ ] Kalb

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• Hirsch

Abb. 7. Zeitliche Abschul~verteilung in einem verpachteten Almrevier, einem Eigenjagdrevier (Waldrevier) mit angestelltem F6rster/J~iger und einem Gemeindejagdrevier (Waldrevier)

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beobachten. Mit dem Ausapern der s/~dexponierten Schl~ige und Lawinenstriche standen die Hirsche im Verlauf des Friihjahres zunehmend in tieferen Lagen. Ein Tell wanderte in die Vorlagen ab.

Das ungefiitterte Rudel zog nach Wintern, in denen das Streifgebiet ausschliefflich im Almbereich lag, mit dem Ausapern und Ergriinen der Vorlagenwiesen Anfang April ins Tal. Dort ~iste es auf den bewirtschafteten Wiesen nahe der Bauernh6fe und stand in den angrenzenden Waldstiicken ein. Bereits in den Nachmittagsstunden konnten Rotwildrudel auf den waldnahen Wiesen beobachtet werden. Die in st~irker besiedeltem Gebiet, weiter talausw~irts gelegenen Wiesen wurden in der Regel erst in der Dunkelheit genutzt. Dieselben Wiesen sind iibliche Asungsfl~ichen in milden Wintern. In diesen Wintern und Frtihjahren tritt das Wild allerdings erst in den D~immerungs- und Dunkelstunden aus.

6 Diskussion

Auf Grund zahlreicher Faktoren stellen freigewehte Hochalmen erstaunlich giinstige, potentielle Wintereinsdinde fiir gefiittertes wie auch ungefiittertes Rotwild dar (ScHMmT 1990a, 1990b; ScrImDT und Gossoxv 1992). Die tats~ichliche Nutzung dieses Winter- lebensraumes wird nicht nur durch klimatische Faktoren, sondern in starkem Mag auch durch anthropogene Einfltisse bestimmt. Sicherheit und Nahrung (Quantit~it, Qualit~it und Zug~inglichkeit) bestimmen vorrangig das Verhalten des Wildes in Raum und Zeit. Beide Faktoren werden im Winter vom Menschen durch Jagd und Fiitterung wesentlich beein- flugt.

Die seit 1974 allwinterlich beschickte Fiitterung 1 stellt eine 6rtlich und mengenm~iffig gleichbleibende, sicherer Nahrungsquelle dar. Deshalb scheint es nicht verwunderlich, daf~ das Rudel (Futterwild 1) den Weg zwischen Fiitterung (1400 m NN) und Almeinstand (ca. 2000 m NN) in Kauf nahm. Erstaunlich ist allerdings die geringe Regelm~iffigkeit, mit welcher das Wild die Fiitterung aufsuchte. Es lassen sich verschiedene Griinde daKir angeben, warum das Futterwild 1 gerade in schneereichen Hochwintern fiberdurchschnitt- lich oft (bis zu einem Drittel des Monats) ohne Ftitterungsnutzung nachts im Almeinstand verblieb. Die Vegetation im Almbereich ist quantitativ und qualitativ ausreichend, um das Oberleben des Rotwildes im Winter zu sichern. Das beweist die Tatsache, daf~ ein ungefiittertes, 160 Kopf starkes Rudel auf diesen Almen ohne Fallwildverluste iiberwintern kann. Die Alm~isung ist sicherlich auch ein wichtiger Bestandteil der Asung des Futterwil- des, so dag es nicht diglich an die Fiitterung zieht. Das zeigt sich im Winter 1989, als das FutterrudeI 1 wegen jagdlicher St6rungen seinen angestammten Almeinstand verl~igt. Das Wild steht dann vermehrt im Waldbereich ein. Gleichzeitig steigt die Frequentierung der Fiitterung (Abb. 5). Einer der Griinde, warum das Wild die Fiitterung nicht t~iglich frequentiert, w~ire auch, dat~ die Energiezufuhr an der Fikterung den Aufwand fiir das t~igliche Auf- und Abwandern nicht wirklich ausgleicht. Das w~ire trotz reichlicher Fiitterung mit ausreichenden Mengen guten Heus m6glich. Im Winter ist durch eine Vielzahl physiologischer und anatomischer Ver~inderungen die Nahrungsaufnahme stark reduziert und der Stoffwechsel gedrosselt (MILNE et al. 1978; HOFMAN und KIRSTEN 1982). Verringerte Nahrungsaufnahme und meist Gewichtsverlust - auch bei ad libitum F/.itterung - wird f/it zahlreiche Wildtiere belegt (CI-uTTON-Bt~ocx et al. 1982; HOFMAN und KIRSTEN 1982).

Zudem kostet nicht nur der Wechsel zwischen Fiitterung und Almeinstand, sondern auch der Verbleib an der F~itterung selbst Energie. Die Futterstelle liegt im Talbereich klimatisch wenig g~instig. In strengen Wintern kommt es zu Inversionswetterlagen mit Kaltluftseen in den T~ilern. Dadurch ist an der Fiitterung (1400 m NN) der thermoregula- torische Aufwand h6her als im Almeinstand und das Wohlbefinden m6glicherweise st~irker beeintr~ichtigt.

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Auch kommt es an der Ffitterung - bedingt durch zeitliche und 6rtliche Nahrungskon- zentration - zu aggressivem und damit energetisch aufwendigem Verhalten (B/2TZLER 1986; LmN 1986). Dies war auch bei reichlicher Nahrungsvorlage (Hen bleibt fiber) der Fall.

Auch wenn die Fiitterung in schneereichen Wintern nicht t~iglich genutzt wurde, beeinfluf~te sie doch deutlich das Verhalten des Rudels. Da die Futtervorlage unabh~ingig vonde r winterlichen Schneesituation 6rtlich sowie in Quantit~it und Qualit~it gleichblei- bend ist, ist auch die Einstandswahl des Rudels relativ gleichbleibend und ward vonde r allgemeinen Wintersituation unabh~ingiger. Das Futterwild nutzte in jedem Winter ann~i- hernd dasselbe Streifgebiet.

Bes0nders deutlich zeigt sich die ,,Anbinde-Wirkung" der Ffitterung im Frfihjahr. Noch im Mai nutzte ein Gro~teil des Rudels die Futterstelle.

Ausschlaggebend ffir das relativ konstante Raum-Zeit-Verhalten der beiden Futterrudel war jedoch nicht nut das vorhersehbare Nahrungs-, sondern ebenso das Sicherheitsange- bot. Der Almeinstand des Futterrudels 1 liegt, ebenso wie die Futterstelle, in einem fiber 2000 ha groi~en Eigenjagdrevier mat je einem Revierf6rster und -j~iger. Das Abschuf~soll war bereits im November fast g~inzlich erfiillt. Der traditionelle Einstand fiber der Waldgrenze wurde bereits im Frfihwinter kaum noch bejagt. Unbejagte Gebiete werden vom Rotwild rasch erkannt und aufgesucht (B~CHLI 1979; BLANKENHORN 1986; ADAMS 1982; WOTSCHI~OXVSKX 1981). Wie dominant der Sicherheitsfaktor ist, zeigt sich im Winter 1988/89 am Verhalten des Futterwildes 2 (Abb. 4). Dieses Wild nutzte in schneerei- chert wie malden Wintern den an die Futterstelle angrenzenden Almbereich als Ganztages- einstand. Durch einen massiven Jagdeingriff - die gleichzeitige Erlegung yon 12 Stfick Rotwild im Almeinstand, der Beschut~ im Rudel, Nachsuche noch eine Woche sp~iter - war der einst sichere Almbereich so sehr beunruhigt worden, da~ das Rudel ab MAtte Januar den gesamten Winter fiber dort nicht mehr einstand, sondern in die Vorlagen und Waldbereiche unterhalb der Ffitterung abwanderte. 15 bis 20 Stfick Rotwild, fiberwiegend Hirsche, waren nur noch in den sp~iten Abendstunden an der Futterstelle zu sehen.

Gleichzeitig verlagerte das Futterwild 1 seinen traditionellen Almeinstand der an jenen des Futterrudels 2 angrenzte, auf die gegenfiberliegende, S/SW-exponierte Hangseite (Abb. 4). Es spricht alles daffir, dat~ die jagdliche Beunruhigung im Einstand des Rudels 2 auch auf den Almeinstand des Rudels 1 fibergegriffen hatte und das Futterwild I dieser St6rquelle auswich. Aus zahlreichen Arbeiten fiber Rotwild (BUCHLI 1979; BLANKENHORN 1986; WOTSCHIKOWSKY 1981; FISCHER und Gossow 1987) und Wapiti (HAYDEN-WING 1979; ADAMS 1982; RUDD et al. 1983) ist bekannt, dal~ das Wild potentielle Gefahrenzonen rasch meiden lernt. Sicherheit geht vor Hunger (FISCHER und Gossow 1987). So w~ihlt Rotwild in stark gest6rten Gebieten seine Tageseinst~inde prim~ir unter dem Aspekt geringster menschlicher St6rung, erst sekund~ir unter dem gfinstiger Klimabedingungen (FISCHER und Gossow 1987; HA~CDEN-WINO 1979 ffir Wapiti). In vielen Gebieten sand im Winter Skifahrer die haupts~ichliche St6rungsursache (FIscHER und Gossow 1987; PETKaK 1988). Tourenskifahrer waren jedoch im Untersuchungsgebiet - zumindest w~ihrend des Untersuchungszeitraumes - selten und beeinfluf~ten die grot~r~iumige Streifgebietswahl nicht.

Hingegen ffihrte die lange Jagdzeit auf Rotwild - bis 15.Januar - dazu, daf~ das Wild in seinen Wintereinst~inden bejagt ward. Der Almeinstand des ungefiitterten Wildes liegt in jenem Bereich, in welchem vier Jagdreviere aneinandergrenzen. Die Bejagung ist zwischen den Revieren nicht koordiniert. Die beiden Jagdreviere, in welche der gr6t~te Tell des Almeinstandes f~illt, haben nur geringen Waldanteil. Die J~iger sand somit gezwungen, ihren Abschui~ auf oftener Fl~iche zu erffillen.

In frfihen, schneereichen Wintern erschwert die hohe Schneedecke im Waldbereich Asungszug~inglichkeit und Fortbewegung. Deshalb zieht das Wild bereits im Friihwinter auf die Almen auf, das Abschut~soll in den Almrevieren war bereits im Frfihwinter relativ

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leicht zu erffillen. Die hohen Schneemengen in den Waldbereichen behindern zudem auch die J~iger und die Zug~inglichkeit zu den Almrevieren, wodurch es zus~itzlich zu einer Jagddruckverringerung kam. So war die Alm in schneereichen Jahren im Hochwinter jagdlich kaum beunruhigt. Rudelbildung, hohe Sichtweiten und grot~e Fluchtdistanzen erfiilten die Sicherheitsanspriiche des Wildes im offenen Gel~inde (ScHMtDT 1990a, 1990b; SCHMID7 und Gossow 1992).

In milden, schneearmen Wintern ist die Schneeh6he im Waldbereich gering, die A_sungszug~inglichkeit gegeben und die Fortbewegung kaum behindert. Dennoch zeigt das ungefiitterte Wild auch in diesen Jahren im Friihwinter die Tendenz, auf die Almen aufzuziehen. Almen sind im Herbst und Fr/~hwinter attraktive )/lsungsfl~ichen. Das nach Viehabtrieb nachwachsende Griin hat h6here N~ihrwerte als die Vegetation im Wald und in den Tallagen (KLuG et al. 1989). Auf Grund des hohen Jagddrucks bis Ende Jagdzeit nutzte das ungefiitterte Wild die Almen jedoch nur nachts und stand tagsiiber in tiefergele- genen Waldeinstiinden.

M6glicherweise verlagert hier das Rotwild den Grof~teil seiner herbstlichen/friihwinter- lichen Asungsaktivit~it in die Nachtstunden, wie dies aus dem Friihjahr bekannt ist (GEORGII 1980; FISCHER und Gossow 1987). Dies wiederum f~ihrt zu vermehrtem Jagddruck in den Almrevieren und dr~ingt das Wild in die Waldbereiche. Wenn Mitte/Ende Januar der Jagddruck endet und die Almen ,,sichere" Einst~inde darstellen, sind die N~ihrwerte der Alm~isung bereits wieder geringer als jene auf den Talwiesen (ATZLER 1984; KLUG et al. 1989).

Neben den Schneebedingungen, die ihrerseits Fortbewegung und Asungszug~inglich- keit beeinflussen, ist also der Jagddruck der wesentlichste Faktor, der das Raum-Zeit- Verhalten des Rotwildes im Untersuchungsgebiet bestimmt. In milden, schneearmen Wintern ist das ungeffitterte Wild auf Grund der fast bis giinzlich fehlenden Schneedecke im Wald und in den Talbereichen nicht gezwungen, diese Einst~inde zu verlassen.

Ungef~ttertes Wild im Untersuchungsgebiet stimmt sein Raum-Zeit-Verhalten sehr sensibel auf Umwelt und anthropogene Einfliisse ab. Insofern ist es flexibler und unbere- chenbarer als Futterwild. Einerseits fehlt die allj~ihrlich gleichbleibende Nahrungsquelle, andererseits ist auch das Jagdverhahen der Menschen in den verschiedenen Revieren, die das Streifgebiet des ungeffitterten Wildes darstellen, weniger konstant als jenes im Fiitte- rungsrevier, welches einem einzigen J~iger untersteht. Verkiirzte Jagdzeiten - zumindest in den Hochlagen - und friihzeitige Abschut~erffillung w~iren durchaus geeignete Manage- mentmai~nahmen, die zu einer konstanteren Einstandswahl des ungefiitterten Wildes fiihren k6nnten.

Die Ffitterung entspricht im Untersuchungsgebiet ihrer urspriinglichsten Motivation, das Wild im eigenen Jagdrevier zurfickzuhalten. Diese Anbindewirkung erstreckt sich - bei durchgehender Fiitterung - bis welt in das Friihjahr, und h~ilt so das Wild von den Vorlagenwiesen und W~ildern ab. Als wirksame Lenkungsmaf~nahme erweist sich die Ffitterung allerdings nur in Kombination mit darauf grot~r~iumig abgestimmter, bei Klein- revieren also auch revieriibergreifender, gezielter Bejagung.

Danksagung Der Landesj~igerschaft land der Landesregierung der Steiermark sei f/ir die finanzielle Unterstfitzung dieses Projektes herzlich gedankt. Besonders bedanken m6chte ich mich bei Herrn Oberf6rster H. KI~F~R f/ir sein t~igliches Protokollieren der F~tterungsnutzung, und dafiir, dal~ er sich auch dutch eine hungrige Maus und den daraus entstandenen VerIust zweier Monatsbi~tter nicht entmutigen liel~.

Ein grot~es Dankesch6n gilt Herrn Dr. M. PrTV, AK f~ir die konstruktive Kritik an der Erstfassung dieses Artikels.

Zusammenfassung Inwieweit beeinflussen FOtterung und Jagd das Raum-Zeit-Verhalten des Rotwildes? Diese Frage wurde 1985/86 bis 1988/89 im Winter und Fr/ihjahr in den Niederen Tauern Osterreichs vergleichend

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Einflufl yon Fiitterung und Jagd auf das Raum-Zeit-Verhahen von Rotwild 99

untersucht. Im gleichen Gebiet iiberwintern ein ungefiittertes Rotwildrudel und zwei Futterrudei. Das Raum-Zeit-Verhalten der drei Rudel war je nach klimatischen und anthropogenen Einfliissen in den vier Wintern unterschiedlich (Abb. 2 bis 4).

In schneereichen Jahren iiberwintert gefiittertes wie ungeftittertes Wild auf hochgelegenen Almfl~i- chen. Atmen stellen vor allem in schneereichen Wintern gute Rotwild-Winterhabitate dar, In schneearmen Wintern steht ungeftittertes Rotwild vermehrt bis ausschlie~lich in tiefergelegenen Waldbereichen. Es weicht so dem hohen, winterlichen Jagddruck im Almeinstand aus (Abb. 7). In schneearmen Jahren sind bestimmte Wald- nnd Taleinst~inde geeignete Winterlebensriiume fiir Rot- wild.

Die Fiitterung wird vom Wild nicht t~iglich genutzt (Abb. 5). Dennoch schafft s i e - unabh~ingig vonde r Schneesituation - eine in allen Jahren ann~hernd gleichbleibende Zugfinglichkeit zur Asung und ~indert das Verhalten des Wildes in korrespondierender Weise. Auch die Habitatwahl des Futterwildes ist in hohem MaLe gleichbleibend. Futterwild reagiert auf jagdliche St6rungen ebenso wie ungeftittertes Rotwild mit einer riiumlich-zeitlichen Aktivit~itsverlagerung. Traditionelle Winter- einst~inde werden nach massiven jagdlichen Eingriffen im selben Winter nicht mehr genutzt. Die Fiitterung funktioniert als gezielte Lenkungsmat~nahme nur in Verbindung mit einem darauf grof~riiu- mig abgestimmten Jagdverhalten.

S u m m a r y

On the influence of feeding and hunting on the space~time behaviour of alpine red deer

How do feeding and hunting influence the space/time behaviour of red deer? This question was investigated for the winters and springs of 1985/86 to 1988/89 for the lower alpine regions of Austria. Two supplementarily fed herds of red deer and one nonfed herd of red deer winter in this area. The space/time behaviours of the three herds varied during these 4 winters depending upon climatic and anthropogenic influences (Figs. 2 to 4).

In winters with heavy snowfall all 3 herds wintered in high alpine pastures. These pastures provide good winter habitat for red deer especially during years with heavy snowfall. In winters with little snowfall the unfed red deer mainly to almost exclusively congregated in lower forest regions. Here the herd avoids the late winter hunting pressure in the higher alpine pastures (Fig. 7). In years with little snowfall certain forest and valley sites provide suitable winter habitats for red deer.

The supplementary feeding is not used on a regular daily basis by the deer (Fig. 5). However, it assures a continuous course of food regardless of the snow situation during the year and thus changes the behaviour of the red deer accordingly. The choice of habitat of the fed deer is usually constant. The fed deer react to hunting disturbances like unfed deer by changing location. Traditional wintering sites will not be used again during the same winter after massive hunting disturbances there. Additional feeding functions as a selective control measure only in relation to hunting spread over a large area. Transl.: PHYLLIS gASPER

R6sum~

De l'influence de l'affouragement et de la chasse sur le comportement spatio-temporel du Cerf dans les Alpes

Dans quelle mesure l'affouragement et la chasse influencent-ils le comportement dans l'espace et dans le temps du Cerf? Cette question a ~t~ &udi6e de fa~on comparative de 1985-86 ~ 1988-89 au cours de l'hiver et du printemps dans le Niederen Tauern autrichien. Dans le m6me territoire, une harde de cerfs non nourrie et deux hardes de cerfs nonrries tenaient leurs quartiers d'hiver. Au cours des quatre hivers, le comportement spatio-temporel des trois hardes varia selon les facteurs climatiques et anthropiques (Fig. 2 ~ 4).

An cours des ann6es ~ fort enneigement, aussi bien les hardes nourries que celles qui ne i'&aient pas hivernaient dans les alpages d'altitude. Les alpages constituent de bons habitats pour le Cerf surtout au cours d'hivers enneig~s. Lors d'hivers peu enneig~s, le Cerf non nourri se tient plut6t voire exclusivement dans les habitats forestiers situ6s ~ plus basse altitude. Ce faisant, ii fuit la pression de chasse qui sdvit ~i la fin de l'hiver dans les alpages d'altitude (Fig. 7). Au cours d'ann6es ~ faible enneigement, certaines remises situ6es en for~t et dans les vall&s constituent des quartiers d'hiver appropri&.

Les points d'affouragement ne sont pas utilis4s qnotidiennement (Fig. 5). Cependant, l'affourage- ment assure d'ann~e en ann& - ind~pendamment de i'&at d'enneigement - une alimentation pratiquement constante et modifie le comportement du gibier de fa~on correspondante. De m~me, le choix des quartiers d'hiver des animaux nourris reste sensiblement le m~me. Le gibier nourri rdagit aux perturbations li~es ~l l'exercice de la chasse de la m~me mani6re que le gibier non nourri en d6pla~ant son activite dans l'espace et dans le temps. Les quartiers d'hiver traditionnels ne sont plus utilis6s 1~ oh des ponctions cyn~g&iques massives ont eu lieu. La mesure de diversion que constitue l'affouragement n'est effective qu'en liaison avec une pression de chasse coordonnde sur de vastes &endues.

Trad.: S. A. DE CRO~aBRUOOHE

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Anschrift derAutorin: KAROHN* SCI~Mn)T, Institut ffir Wildbiologie, Peter Jordanstrage 76, A-1190 Wien