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UNGARN: FLÜCHTLINGE ZWISCHEN HAFT UND OBDACHLOSIGKEIT Aktualisierung und Ergänzung des Berichts vom März 2012

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UNGARN:FLÜCHTLINGE ZWISCHEN HAFT UND OBDACHLOSIGKEIT

Aktualisierung und Ergänzung des Berichts vom März 2012

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HERAUSGEBERbordermonitoring.eu e.V.

Friedenstr. 10, 81671 München

[email protected]

Förderverein Pro Asyl e.V

Postfach 16 06 24, 60069 Frankfurt/M.

[email protected]

V.I.S.D.P.Marc Speer

AUTORINNENMarion Bayer, Marc Speer

LEKTORATMiriam Leitner,

Alena Thiem, Angelika Calmez

LAYOUTMatthias Weinzierl

PREISEUR 3,oo

TITELPre-Integration Camp in Bicske im Juli 2013

ERSCHEINUNGSDATUMOktober 2013

I M P R E S S U M

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I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

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EINLEITUNG

DIE WIEDEREINFÜHRUNG DES HAFTREGIMES

FLÜCHTLINGSPROTESTE IN BUDAPEST

GEGEN DIE DROHENDE OBDACHLOSIGKEIT

UNTERSTÜTZUNGSLEISTUNGEN NACH

DER UNTERBRINGUNG IN BICSKE

ZUGANG ZUR STAATLICHEN GESUNDHEITSVERSORGUNG

KRIMINALISIERUNG VON OBDACHLOSIGKEIT IN UNGARN

ZWANGSARBEIT UNTERHALB DES EXISTENZMINIMUMS

RASSISMUS, ANWOHNERPROTESTE UND HATE CRIME IN UNGARN

DIE ODYSSEE DES SAMIR E.

ZUSAMMENFASSUNG UND BEWERTUNG

DANKSAGUNG

ANHANG

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Zur Entstehung dieses zweiten Berichts

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Über ein Jahr ist vergangen, seit wir imMärz 2012 einen ersten Bericht zur Si-tuation von Flüchtlingen1 in Ungarnveröffentlicht haben2. Obdachlosigkeitund Haft sind die beiden großen The-menkomplexe, die für die Lebenssitua-tion von Flüchtlingen in Ungarnbestimmend geblieben sind. Deren Si-tuation spitzt sich aktuell weiter drama-tisch zu. Denn die Zahl derAsylantragstellerInnen ist in den letztenMonaten massiv angestiegen: Bis Juni2013 gab es bereits über 10.000 neueAsylantragstellerInnen3 (zum Vergleich:In 2012 wurden insgesamt lediglich2.155 Asylanträge registriert4, im Jahr2011 waren es 1.693 und im Jahr 2010ebenfalls nur 2.1045).

Laut einem Presseartikel in den un-garischen Medien waren im Juni 2013nur knapp über 2.500 Personen in un-garischen Flüchtlingsunterkünften un-tergebracht.6 Diese Unterkünfte sind da-mit vollkommen überbelegt: Es gibt Not-unterbringung in Zelten und Turnhallenund es kommt zu massiven Auseinan-dersetzungen in den Lagern aufgrundder beengten Verhältnisse. Selbst im so-genannten „Pre-Integration Camp“ inBicske, in dem bis vor einigen Monatennur anerkannte Flüchtlinge und subsidiärSchutzberechtigte untergebracht wurden,wurde eine Zeltstadt für Asylsuchendeerrichtet.7 Ein weiteres Zeltlager für dieAufnahme von bis zu 300 Asylsuchendenwurde Anfang Juni in Nagyfa (in derNähe von Szeged) eröffnet.8

Bei einem bereits jetzt überlastetenAufnahmesystem in Ungarn stellt sichdie Frage: Wo sind die über 7.000 Flücht-linge, die nicht in den Lagern unterge-kommen sind? Es ist anzunehmen, dasssie in andere europäische Länder wei-tergewandert sind und es ist davon aus-zugehen, dass die meisten von ihnenAsylanträge stellen werden (bzw. es be-reits getan haben) und damit ins Dub-lin-Rücküberstellungsverfahren rutschen.So unklar ist, was aus der Zukunft dieserMenschen werden soll, so leicht lässtsich prognostizieren: Ein massiver Anstiegvon Rücküberstellungen aus verschie-denen europäischen Ländern würde dassowieso schon überlastete Asyl- und Auf-nahmesystem in Ungarn endgültig zumZusammenbruch bringen.

Die neofaschistische Partei Jobbikmacht mit dieser Situation verstärkt Po-litik, es gab mehrere Fackelmärsche gegendas Erstaufnahmelager in Debrecen.9

Auch in Vámosszabadi (in der Nähe vonGyör), wo die Errichtung eines neuen(offenen) Lagers geplant ist, kam es zumassiven von Jobbik angeheizten Pro-testen.10 Ein Kapitel dieses Berichts be-schäftigt sich daher mit dem zunehmen-den Rassismus gegen Flüchtlinge in Un-garn.

Unser erster Bericht hat, neben vielenanderen Quellen, u.a. dem UNHCR undder ungarischen NGO Helsinki Komitee,dazu beigetragen, dass eine Reihe deut-scher Gerichte sich zunehmend kritischmit der Frage auseinandersetzen, obÜberstellungen nach Ungarn zulässigsind. Im Anhang findet sich daher eine

Liste mit einer Auswahl von Beschlüssenund Urteilen, die sich gegen Überstel-lungen nach Ungarn richten. Auch nachErscheinen dieses Berichts wird dieseaktualisiert werden.11

Die für diesen Bericht interviewtenFlüchtlinge haben wir in Budapest, Bicske,Debrecen und Balassagyarmat getroffen.Es liegen uns aber auch Berichte vonFlüchtlingen vor, die aus Ungarn wei-tergeflohen sind. Besonders hervorzu-heben ist hier eine Gruppe von rund 70afghanischen Flüchtlingen, die im Juni2013 Ungarn verlassen und in KarlsruheSchutz gesucht haben.12 Zuvor hattensie über mehrere Monate wiederholt inUngarn für bessere Lebensbedingungenprotestiert, denn sie hatten zwar allezumindest einen subsidiären Schutz inUngarn erhalten, damit verbinden sichjedoch keinerlei Zukunftsperspektiven.Als Asylsuchende hatten sie zumindestnoch ein Dach über dem Kopf, nach derAnerkennung blieb ihnen jedoch nureine Art Gnadenfrist im sogenannten„Pre-Integration Camp“ in Bicske, bevorsie in die Obdachlosigkeit entlassen wer-den sollten. An ihren Bemühungen umIntegration lässt sich unseres Erachtensexemplarisch nachvollziehen, dass es fürviele anerkannte Flüchtlinge und subsi-diär Geschützte nahezu unmöglich ist,dauerhaft in Ungarn zu leben. Daherhaben wir eine Chronologie ihrer Protestein den Bericht eingearbeitet. Wir möchtenuns bei der Gruppe Migráns Szolidaritás13

für das Bereitstellen der Bilder aus diesenProtesten bedanken, die wir freundli-cherweise abdrucken dürfen.

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E I N L E I T U N G

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Dieser zweite Bericht stützt sich nebender Auswertung schriftlicher Quellenauf eine Anschlussrecherche, bei der wirenger als zuvor im Austausch mit Men-schenrechtsorganisationen und vor allemmit Flüchtlingen vor Ort waren. Vielesaus dem Bericht vom März 2012 istnoch immer aktuell, wir haben uns daherbemüht, immer wieder auf Kapitel ausdem ersten Bericht zu verweisen, umuns nicht unnötig zu wiederholen. DieRecherche für diesen Bericht schließteinen Zeitraum bis Ende Juli 2013 ein,Entwicklungen, die danach stattfanden,können in diesem Bericht daher nichtberücksichtigt werden

Wir haben uns auch in diesem zweitenBericht nicht auf quantitative Datener-hebung konzentriert, sondern stattdessenüber einen langen Zeitraum an verschie-denen Orten in die Tiefe gehende Ge-spräche geführt, sowohl mit einzelnen

Flüchtlingen als auch in Gruppen. Wirinterviewten vor allem Flüchtlinge ausAfghanistan und aus Somalia, jedochhaben wir für diesen zweiten Berichtmehr als zuvor auch mit Menschen ausanderen Herkunftsländern gesprochen.Unter den Flüchtlingen, die nach Ungarngekommen sind, finden sich viele, diezuvor bereits – oftmals über Jahre hinweg– versucht haben, aus Griechenland weg-zukommen. Viele haben somit schonvor ihrer Ankunft in Ungarn die Erfah-rung gemacht, in ein Land geflohen zusein und dort keinen Schutz zu finden.

Aus Gründen der zugesicherten Ano-nymität der InterviewpartnerInnen wer-den in diesem Bericht anonymisierteKürzel verwendet. Die Transkription derAudioaufzeichnungen bzw. Mitschriftender Gespräche liegen den AutorInnenvor.

Auch in diesem zweiten Bericht gehenwir nicht näher auf die Situation derRoma (auch mit nicht-ungarischen Staats-angehörigkeiten, etwa aus dem Kosovo)in Ungarn ein. Im Zuge zunehmenderantiziganistischer Pogromstimmung inverschiedenen (ost)europäischen Ländernsind Roma auch in Ungarn massiver Dis-kriminierung, Hass und Gewalt ausge-setzt. Neben dem antiziganistischen Ras-sismus großer Teile der Bevölkerungsind sie zudem zunehmend diskriminie-renden Gesetzen ausgeliefert. Im Kapitelüber die sogenannte „Közmunka“, dieverpflichtenden kommunalen Beschäf-tigungsprogramme, kann nur angedeutetwerden, wie tiefgreifend die Diskrimi-nierungserfahrungen von Roma in Un-garn sind.

Aktuelle Gesetzesverschärfungen ha-ben eine Aktualisierung unseres erstenBerichts dringlich werden lassen: Zum

UNTERBRINGUNG VON ASYLSUCHENDEN IN DER TURNHALLE DES PRE-INTEGRATION-CAMPS IN BICSKE IM JULI 2013

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1. Juli 2013 traten in Anlehnung an dieEU-Aufnahmerichtlinie in Ungarn Ge-setzesänderungen in Kraft, welche unteranderem die Inhaftierung von Asylsu-chenden regeln. Der UNHCR sowie dasHelsinki Komitee äußerten Bedenkenhinsichtlich der neuen Gesetzgebung,da die Inhaftierungsgründe derart weitgefasst sind, dass zu befürchten steht,dass die Inhaftierung von Asylantrag-stellerInnen (erneut) zum Regelfall wird.14

Noch sind die Folgen dieser Gesetzes-änderungen nur zu erahnen, erste Fälle

von Inhaftierungen nach Überstellungenaus anderen EU-Staaten hat es unserenInformationen nach jedoch bereits ge-geben. Wir gehen im folgenden Kapitelinsbesondere auf die Gesetzesänderungenein. Weitere Entwicklungen werden aufder Webseite www.bordermonitoring.eudokumentiert werden. Eine Zusammen-fassung der zentralen Ergebnisse diesesBerichts findet sich am Ende dieses Be-richts.<

E I N L E I T U N G

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ANZAHL DER ASYLANTRÄGEIN UNGARN IN DER ERSTENJAHRESHÄLFTE 2013:

Januar: 300Februar: 672 März: 1 350 April: 1 966Mai: 3 337Juni: 4 116

Gesamt: 11 741

Quelle: UNHCR

UNTERBRINGUNG VON ASYLSUCHENDEN IN DER TURNHALLE DES PRE-INTEGRATION-CAMPS IN BICSKE IM JULI 2013

PRE-INTEGRATION-CAMP IN BICSKE IM JULI 2013

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FUSSNOTEN

1 Die Terminologie „Flüchtling“ wird in diesem Bericht nicht im juristischen Sinne verwendet, sondern für alle Personen, die gezwungener-

maßen ihr Heimatland verlassen mussten. Dort wo der Begriff im juristischen Sinne verwendet wird, wird die Terminologie „anerkannter

Flüchtling“ oder „subsidiär schutzberechtigt“ verwendet. Personen, die sich in einem noch laufenden Asylverfahren befinden, bezeichnen

wir als „Asylsuchende“.

2 Bordermonitoring.eu und Pro Asyl: Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit. Bericht einer einjährigen Recherche bis

Februar 2012. Online: http://content.bordermonitoring.eu/bm.eu--ungarn.2012.pdf.

3 Vgl. Hungarian Helsinki Committee: Brief Information note on the main asylum related legal changes in Hungary as of 1 July, 2013, Seite 3.

Online: http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-update-hungary-asylum-1-July-2013.pdf.

4 Vgl. Pressemitteilung von Eurostat vom 22.3.2013. Online: http://europa.eu/rapid/press-release_STAT-13-48_de.htm.

5 Vgl. Englischsprachige Statistiken des OIN. Online: http://www.bmbah.hu/statisztikak_ENG_49.xls.

6 Vgl. kisalfold.hu vom 18.6.2013.

Online: http://www.kisalfold.hu/gyori_hirek/menekulttabor_-_ujabb_fejlesztes_maradna_el_vamosszabadin/2338124/.

7 Vgl. http://www.youtube.com/watch?v=wiRihM8HtSo.

8 Vgl. Hungarian Helsinki Committee: Brief Information note on the main asylum related legal changes in Hungary as of 1 July, 2013, Seite 4.

Online: http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-update-hungary-asylum-1-July-2013.pdf.

9 Vgl. http://www.youtube.com/watch?v=6OE1iVLk0A4.

10 Vgl. index.hu vom 16.6.2013. Online: http://index.hu/belfold/2013/06/16/a_jobbik_tiltakozik_a_vamosszabadi_menekulttabor_ellen/.

11 Eine Auflistung aktueller Berichte und Gerichtsentscheidungen zu Ungarn findet sich unter:

http://bordermonitoring.eu/2012/03/zur-situation-der-fluchtlinge-in-ungarn/.

12 Vgl. Pressemitteilung vom 26.6.2013: 70 Flüchtlinge aus Afghanistan suchen in Karlsruhe Schutz vor der Abschiebung nach Ungarn.

Online: http://fluechtlingsrat-bw.de/files/Dateien/Dokumente/INFOS%20-%20EUFluechtlingspolitik/2013-06-26%20PM-w2eu-Ungarn-Karlsruhe-26-06-2013.pdf.

13 Migráns Szolidaritás ist eine Gruppe, die in Solidarität mit den MigrantInnen in Ungarn seit November 2012 regelmäßig auch in englischer

Sprache Informationen zur aktuellen Situation auf ihrem Blog veröffentlicht: http://migszol.com/.

14 Vgl. ECRE Weekly Bulletin 14 - June 2013: Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers.

Online: http://www.ecre.org/component/downloads/downloads/755.html.

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„Ich bin ein Flüchtling, kein Krimineller.Warum kam ich hierher? Nur um Asylzu suchen. Ich war in einem geschlosse-nen Lager, mit meiner Frau und meinenKindern. Flüchtlinge sehen hier als ers-tes das Gefängnis. Sie kommen aus Län-dern, wo Krieg ist und wo gekämpftwird. Mein Sohn fragte mich: 'Warumsind wir hier? Hier ist das Gefängnis.Warum ist hier so viel Polizei?' Wirhaben eine sehr schlechte Vergangen-heit in Afghanistan. Mein Sohn siehtjetzt Polizei und er denkt: 'Gefahr!' Ersieht Polizei und er denkt, vielleichtstirbt jetzt jemand.” (M.R., aus Afgha-nistan)15

In unserem Bericht vom März 2012beschrieben wir ausführlich das Inhaf-tierungsregime, dem Asylantragstellendein Ungarn zum damaligen Zeitpunktunterlagen.16 Wir dokumentierten, dassnahezu alle Antragstellenden über Mo-nate hinweg inhaftiert wurden. Formalwurde dies von Seiten der ungarischenBehörden damit begründet, dass eineAusweisungsverfügung („expulsion or-der“) vorlag, welche wiederum in nahezuallen Fällen ausgestellt wurde, bevor derAsylantrag offiziell registriert wurde.Auch Personen, welche unter der Dub-lin-II-Verordnung aus anderen Staatennach Ungarn zurückgeführt wurden, wa-ren zum damaligen Zeitpunkt davon be-droht, nach ihrer Rückführung (erneut)inhaftiert zu werden. Darüber hinauskritisierten wir, unter Berufung auf dasungarische Helsinki Komitee, das juris-tische Verfahren zur Überprüfung derInhaftierung:

„Lokale Gerichte erlassen grundsätz-lich identische Entscheidungen in allenFällen, die Begründung ist kurz undknapp und lässt eine angemessene Be-urteilung der vorgetragenen Fakten undIndividualisierung vermissen. Die lang-jährige Erfahrung des HHC zeigt, dass– anders als in den meisten europäischenStaaten – die Verlängerung der Abschie-bungshaft in Ungarn automatisch ist.“17

Diese Feststellung wird eindrucksvolldurch eine Zahl belegt, die der Europäi-sche Flüchtlingsrat (ECRE) unter Bezug-nahme auf den UNHCR jüngst veröffent-lichte:

„Weiterhin hat UNHCR große Beden-ken hinsichtlich der Wirksamkeit dergerichtlichen Prüfung, welche die Recht-mäßigkeit der Inhaftierung nochmalsüberprüft. Laut einer von der „Curia“,dem höchsten Gericht in Ungarn, durch-geführten Untersuchung wurde in denJahren 2011 und 2012 nur in drei vonetwa 5000 gerichtlichen Entscheidungendie Inhaftierung von MigrantInnen be-endet, während der Rest die Inhaftierungohne eine spezifische Begründung einfachverlängerte.“18

Zudem beschrieben wir die Bedin-gungen, unter denen die Haft vollzogenwurde, insbesondere die Verabreichungvon Beruhigungsmitteln und die weitverbreiteten körperlichen Misshandlun-gen der Gefangenen durch das Wach-personal. Dies wurde auch in einem kurznach unserem Bericht veröffentlichtenUNHCR-Bericht thematisiert:

„Dauerhafte bestehende Hafteinrich-tungen wurden renoviert und wendenein strenges Gefängnisregime an, selbstwenn die Insassen nur die kleineren Ver-gehen der irregulären Einreise oder desirregulären Aufenthalts begangen haben.Inhaftierte Asylsuchende haben sich hef-tig über das gewalttätige Verhalten derWachebeamten beschwert. Nicht alleWachebeamten legen unangemessenesVerhalten an den Tag, doch sollen be-stimmte Beamte, ja ganze Wachschichten,Insassen verbal und sogar körperlichschikanieren. Inhaftierte Asylsuchendebeklagen sich außerdem darüber, dassihnen systematisch Drogen/Beruhigungs-mittel verabreicht wurden, wodurch man-che von ihnen am Ende ihrer Haftzeitabhängig waren.“19

Auch ein Fernsehteam des NDR be-suchte im Frühjahr 2012 Ungarn. EineErlaubnis zum Besuch der Hafteinrich-tungen für Asylsuchende erhielten sienicht, weshalb nur Bilder von außerhalbder Hafteinrichtung Nyírbátor gedrehtwerden konnten. Der Dreh wurde nachwenigen Minuten durch Polizeibeamteunterbrochen. Zuvor gelang es allerdingseinigen Flüchtlingen, Kontakt mit demKamerateam aufzunehmen: „Wenn ihrgeht, dann schlagen sie mich hier. Warumhaben sie mich ins Gefängnis gesteckt?Ich bin ein Asylbewerber!“, rief ihneneiner der Inhaftierten durch die Gitters-täbe zu. Weiterhin kommen in dem Bei-trag zwei Afghanen zu Wort, die nachihrer Haftentlassung und somit unbe-aufsichtigt interviewt werden konnten:„Ich kann mich ja nicht wehren, wenndie Polizei mich ins Gefängnis steckt,

Die Wiedereinführung des Haftregimes

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was soll ich dagegen tun? Niemand hörtmir ja zu in diesem Land. […] Als ichbat, zur Toilette gehen zu dürfen, habendie Polizisten an die Decke geschaut undmich nicht gehen lassen. Warum? Siehaben mich so gequält. Die Polizistenhaben mir gesagt, ich soll meinenSchwanz mit meinem Mund verbindenund meinen Urin trinken.“ Ein 17-Jäh-riger berichtete: „Der Sicherheitsdienstund die Polizei haben mich in einenRaum gebracht, um mich zu schlagen.Vier oder fünf Männer. Sie sind diePolizei und sie können mit uns tun, wassie wollen. […] Was kann ich nur machen,ich lebe hier so wie ein Tier.“20

Aufgrund der massiven Kritik ver-schiedenster Stellen, wie etwa von Seitendes ungarischen Helsinki Komitees, desUNHCR und der Europäischen Kommis-sion sowie den Entscheidungen vielernationaler Gerichte, die Rückführungennach Ungarn im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens untersagten, wurden die un-garischen Gesetze zum 1. Januar 2013unter anderem an zwei entscheidendenStellen modifiziert: Erstens erfolgte nunkeine Inhaftierung von Asylantragstel-lenden mehr, wenn diese unverzüglichnach ihrem Aufgriff einen Asylantragstellten. Zweitens wurden Dublin-II-RückkehrerInnen grundsätzlich nicht

mehr inhaftiert.21 Diese Änderungen dergesetzlichen Rahmenbedingungen wur-den auch in einer UNHCR-Stellungnahmevom Dezember 2012 benannt und eswurde zudem darauf verwiesen, dasssich die Zahl der inhaftierten Asylsu-chenden in Ungarn von 171 im Februar2012 auf 30 im Dezember 2012 reduzierthatte.22

Zum 1. Juli 2013 traten allerdingserneut Gesetzesänderungen in Kraft,die unter anderem auch weitreichendeAuswirkungen auf die Inhaftierung vonAsylsuchenden haben werden. In An-lehnung an die EU-Aufnahmerichtlinewurde eine neue Form der Haft für Asyl-suchende, die sich rechtlich gesehen vonAbschiebungshaft unterscheidet und biszu sechs Monaten dauern kann, einge-führt. Seit dem 1. Juli 2013 gelten fol-gende Inhaftierungsgründe:23

Zur Überprüfung der Identität undNationalität des Antragstellers/der An-tragstellerin24

Der/die AsylantragstellerIn ist un-tergetaucht oder behindert die Durch-führung des Asylverfahrens in andererArt und Weise. 25

Um Informationen zu erhalten, diezur Durchführung des Asylverfahrensnotwendig sind, wenn gewichtigeGründe für die Annahme vorliegen,dass der/die AsylantragstellerIn das Asylverfahren ansonsten verzögernoder behindern würde oder untertau-chen würde. 26

Zum Schutz der öffentlichen Ord-nung und der nationalen Sicherheit27

Wenn der Asylantrag am Flughafengestellt wurde28

Der/die AsylantragstellerIn ist wie-derholt seinen/ihren Verpflichtungennicht nachgekommen, an Verfahrens-handlungen teilzunehmen, und hatdamit die Durchführung eines Dublin-Verfahrens behindert.29

Wie das ungarische Helsinki Komiteein seiner Stellungnahme betont, wurdenvon der ungarischen Regierung insbe-sondere Bestimmungen hinsichtlich derInhaftierung von Asylsuchenden ausdem damals noch nicht verabschiedetenEntwurf der EU-Aufnahmerichtline über-nommen. Änderungen zugunsten vonAsylantragstellenden (etwa zugunstenbesonders schutzbedürftiger Gruppen)wurden hingegen nicht bzw. kaum im-plementiert. Zwar können unbegleiteteMinderjährige laut dem neuen Gesetznicht inhaftiert werden, allerdings giltdies nicht, wenn sie zusammen mit ihrenEltern inhaftiert werden. In diesem Fallkann eine Inhaftierung von bis zu 30Tagen erfolgen, was nach Ansicht desungarischen Helsinki Komitees nichtnur der UN-Kinderrechtskonvention wi-derspricht, sondern auch der Rechts-auslegung des Europäischen Gerichtshofsfür Menschenrechte (EGMR). Weiterhinsteht zu befürchten, dass die ungarischenBehörden erneut exzessiv von der Mög-lichkeit der Inhaftierung von Asylan-tragstellenden Gebrauch machen werden,wie dies bereits bis in das Jahr 2012 hi-nein der Fall war. Besonders besorgnis-erregend ist, dass das neue Gesetz kei-nerlei individuelle Rechtsmittel vorsieht.Eine richterliche Überprüfung der Hafterfolgt ausschließlich im Rahmen einerautomatischen Überprüfung in 60-Tage-

D I E W I E D E R E I N F Ü H R U N G D E S H A F T R E G I M E S

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FLÜCHTLINGSGEFÄNGNIS AUF DEM GELÄNDE DES ERSTAUFNAHMELAGERSIN DEBRECEN

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15 “I am a refugee here. I am not criminal. Why I came here? Just I am asylumseeker. I was in the closed camp - also I was with my wife and

my children. For refugee people and asylumseekers the first time they are coming they see the jail. They are coming from some countries

there is a war and there is fighting. My son asked me: 'Why we are here? Here is jail. Why here is many police?' Because we had a very bad

past in Afghanistan. And now my son is seeing police, he is thinking wow - 'danger!' If he sees police he thinks danger maybe someone is

dying.” Online: http://www.youtube.com/watch?v=j50KhK5CqHY.

16 Vgl. Bordermonitoring.eu und Pro Asyl: Ungarn: Fluchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Seite 12 ff.

17 Hungarian Helsinki Committee: National report Hungary, in: Dublin Transnational Project, Final report, Seite 54: „Local courts issue basi-

cally identical decisions in all cases, the reasoning of which is short and laconic, lacking proper fact assessment and individualization. The

HHC's long-standing experience shows that - unlike in the most European states - the extension of alien policing detention is automatic in

Hungary“. Online: http://www.dublinproject.eu/dublin/content/download/1072/20354/version/4/file/RAPPORTFINAL-GB.pdf.

FLÜCHTLINGSGEFÄNGNIS IN NYÍRBÁTOR

Intervallen.30 Diese Prüfung wird durchdieselben Bezirksgerichte durchgeführt,die bereits in der Vergangenheit nahezunie einen Haftbeschluss aufhoben, wiebereits zu Beginn dieses Kapitels ausge-führt wurde.31 Zusammenfassend beste-hen daher gewichtige Gründe für dieAnnahme, dass der EGMR mit hoherWahrscheinlichkeit von einem Verstoßgegen die Europäische Menschenrechts-konvention, etwa gegen Artikel 5 („Rechtauf Freiheit und Sicherheit“) oder Artikel13 („Recht auf wirksame Beschwerde“),ausgehen würde. Zu dieser Einschätzungkommt auch der UNHCR:

„Laut UNHCR würde Inhaftierungnach dem neuen ungarischen Gesetz alsein Werkzeug zur Migrationskontrolleverwendet werden, um unautorisiertenZugang bzw. rechtswidrige Weiterwan-derung zu bestrafen, was im Gegensatzzu den Anforderungen der Europäischen

Menschenrechtskonvention (Recht aufFreiheit und Sicherheit, Artikel 5) stündeund was wiederum bedeuten würde, dasseine Klage beim Europäischen Gerichts-hof für Menschenrechte eingereicht wer-den könnte.“32

Aussagen über die Haftbedingungenunter der neuen Gesetzeslage könnenan dieser Stelle noch nicht getroffenwerden. Die gut dokumentierten Miss-stände, die in der Vergangenheit auftra-ten, lassen allerdings befürchten, dassauch unter dem neuen Gesetz die In-haftierungsbedingungen mangelhaft seinwerden und eventuell sogar als Verstoßgegen Artikel 3 der Europäischen Men-schenrechtskonvention EMRK („Verbotder unmenschlichen und erniedrigendenStrafe oder Behandlung“) gewertet wer-den müssen. Insbesondere vor dem Hin-tergrund der exzessiv gestiegenen An-tragszahlen, die sich allein im ersten

Halbjahr 2013 im Vergleich zu den Zahlender vergangenen (kompletten) Jahre be-reits verfünffacht haben, muss weiterhinsogar in Betracht gezogen werden, dasssich die Bedingungen aufgrund von mas-siver Überbelegung sogar noch verschlim-mern könnten. Weiterhin ist zu beden-ken, dass Dublin-II-RückkehrerInnen(zumindest, wenn sie sich in Ungarnnoch in einem laufenden Verfahren be-finden) das Inhaftierungskriterium des„Untertauchens“ bzw. der „Behinderung/der Verzögerung des Asylverfahrens“allein schon durch ihre Weiterwanderungerwiesenermaßen erfüllt haben. Ob imRegelfall tatsächlich mit einer Inhaftie-rung zu rechnen ist, kann zu diesemZeitpunkt noch nicht bewertet werden,die rechtlichen Rahmenbedingungenhierfür sind jedenfalls zum 1. Juli 2013unzweifelhaft geschaffen worden. <

FUSSNOTEN

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18 ECRE Weekly Bulletin 14 - June 2013: Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers, Seite 3: „Another

major concern for UNHCR is the effectiveness of the judicial review which re-examines the lawfulness of the detention. According to a sur-

vey conducted by the Curia, the highest court in Hungary, out of some 5,000 court decisions made in 2011 and 2012 only three decisions dis-

continued immigration detention, while the rest simply prolonged the detention without any specific justification”. Online:

http://www.ecre.org/component/downloads/downloads/755.html.

19 UNHCR: Ungarn als Asylland – Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn – April 2012, Seite 19.

20 Beitrag im Fernsehmagazin NDR Weltbilder, ausgestrahlt am 24.4.2012. Online:

http://www.youtube.com/watch?v=SP1Xi_s2o60&feature=youtu.be.

21 Vgl. Hungarian Helsinki Committee: Brief Information note on the main asylum related legal changes in Hungary as of 1 July, 2013, Seite 1.

Online: Online: http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-update-hungary-asylum-1-July- 2013.pdf.

22 Vgl. UNHCR: Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia – update. Online: http://www.unhcr-cen-

traleurope.org/pdf/resources/legal-documents/unhcr-handbooks-recommendations-andguidelines/update-note-on-dublin-transfers-to-

hungary-of-people-who-have-transited-through-serbia-december-2012.html.

23 Hungarian Helsinki Committee: Brief Information note on the main asylum related legal changes in Hungary as of 1 July, 2013, Seite 2. On-

line: http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-update-hungary-asylum-1-July-2013.pdf.

24 „For the verification of the applicant's identity and nationality“.

25 „The asylum-seeker absconded or hinders the processing of the asylum procedure in any other way“.

26 „In order to obtain the information necessary for the processing of the asylum claim, if there are serious grounds to

presume that the asylum-seeker would delay or hinder the procedure or would abscond“.

27 „In order to protect the public order and national security“.

28 „If the claim has been submitted at the airport“.

29 „The applicant has repeatedly failed to fulfil his/her obligation to attend procedural acts and thus hinders the

processing of a Dublin procedure“.

30 Wörtlich heißt es in der Stellungnahme des Helsinki Komitees dazu: „It raises further serious concerns that there are

no separate legal remedies against the asylum detention order since the OIN’s decision on detention cannot be appealed.

The lawfulness of detention can only be challenged through an automatic court review system, performed with 60-day

intervals […]“. Online: http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-update-hungary-asylum-1-July-2013.pdf.

31 Vgl. ebd., Seite 3. Online: Online: http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-update-hungary-asylum-1-July-

2013.pdf.

32 ECRE Weekly Bulletin 14 - June 2013: „According to UNHCR, under the new Hungarian law, detention would be applied as a tool for migra-

tion control, penalising unauthorised entry and preventing unlawful onward movements, which would also run counter to the conditions in

the European Convention of Human Rights (Right to Liberty and Security, Article 5) which would mean that a suit could be filed before the

European Court of Human Rights“. Online: http://www.ecre.org/component/downloads/downloads/755.html. „The asylum-seeker absconded

or hinders the processing of the asylum procedure in any other way“.

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“Wir haben keine andere Möglichkeitgesehen als zusammenzubleiben undeine gemeinsame Lösung woanders zusuchen. Wir haben festgestellt, dass daseuropäische Asylsystem nicht funktio-niert, es gibt keine Gleichbehandlungund gleiche Bedingungen für Asylsu-chende und Flüchtlinge in Europa. Wirwerden dieses System nicht akzeptieren.Unser politischer Widerstand ist Bewe-gung. Wir müssen das für unsere Kindertun.”33 Dies schrieben Flüchtlinge ineiner Erklärung zu ihrer kollektivenWeiterflucht aus Ungarn nach Deutsch-land im Juni 2013.

Bereits im November 2012 protes-tierten Flüchtlinge (vor allem aus Af-ghanistan) an zwei Tagen vor dem un-garischen Parlament für Integrations-möglichkeiten in Ungarn. Von diesenProtesten finden sich mehrere (englisch-sprachige) Videos im Internet.34 Zentralwar dabei die Feststellung, dass sie vonUngarn zwar Aufenthaltspapiere bekom-men hatten, dass diese ihnen aber keinenwirklichen Schutz garantierten: „Papierekönnen wir weder essen noch könnenwir darin schlafen und wohnen.“35 Diefolgende Protestchronologie ist eng ander Erklärung der Flüchtlinge selbst ori-entiert.

Parallel zu dem Schritt in die Öffent-lichkeit wandten sich die Flüchtlinge di-rekt an das ungarische Innenministerium,die Migrationsbehörde (OIN) und andas ungarische Außenministerium, umnicht nur die Öffentlichkeit, sondernauch die Entscheidungsträger auf diehoffnungslose Situation von Flüchtlingen

in Ungarn aufmerksam zu machen. DasInnenministerium veranlasste im Zugeder Proteste lediglich eine Verlängerungder Verweildauer in dem sogenannten„Pre-Integration Camp“ in Bicske biszum 31.März 2013, bezog aber abgesehendavon keine Stellung.36

Im Januar 2013 wandten sich dieFlüchtlinge daher an den UNHCR undsuchten Unterstützung in dieser Ausei-nandersetzung. Am 19. Februar 2013legten sie zudem Beschwerde bei derEU-Kommission gegen Ungarn ein. Indieser Beschwerde waren zahlreiche Ver-letzungen von EU-Richtlinien aufgelistet.Am Tag der Übergabe gab es eine erneuteProtestaktion vor dem „Haus der Euro-päischen Union“ in Budapest, um aufdie Situation aufmerksam zu machen.37

Auch von dieser Protestaktion findetsich ein Video im Internet.38 Bis jetzthaben die Flüchtlinge keine Antwort aufihre Beschwerde bei der EU-Kommissionerhalten.39

Am 19. März 2013 schrieben Unter-stützerInnen der Gruppe Migráns Szo-lidaritás einen Brief an das OIN und dasInnenministerium, um auf die Situationder nahezu 100 Flüchtlinge, die dasLager in Bicske bis zum 31. März ver-lassen sollten, hinzuweisen. In diesemBrief beschrieb die Gruppe die Haupt-probleme der Flüchtlinge und machteeine Reihe von Vorschlägen, wie Flücht-linge nach Ablauf ihrer Zeit im LagerBicske mit adäquatem Wohnraum ver-sorgt werden könnten.40

Aber auch weiterhin wurden die drän-genden Fragen nach adäquatem Wohn-raum nicht beantwortet. Zwar gab eszwei Treffen mit RepräsentantInnen desOIN. Allerdings konnten laut Aussageder teilnehmenden Flüchtlinge bei beidenTreffen keine tatsächlichen Perspektivenfür die Flüchtlinge, die das sogenannte„Pre-Integration Camp“ in Bicske ver-lassen sollten, aufgezeigt werden. Dieeinzige von OIN angebotene „Lösung“war die Unterbringung in Obdachlosen-unterkünften.41

Am 28. März 2013, einen Tag nachdem Treffen mit OIN, wurden die Flücht-linge dann informiert, dass es möglichsei, in Obdachlosenunterkünfte umzu-ziehen: „Abgesehen von dem offensicht-lichen Fakt, dass wir uns aus einer Ob-dachlosenunterkunft heraus nicht in dieungarische Gesellschaft integrieren kön-nen, stellte sich vor allem heraus, dassdiese Obdachlosenunterkünfte nur Platzfür nicht mehr als zehn von uns hattenund keinen einzigen für Kinder,“42 so dieFlüchtlinge in ihrer Erklärung.

In der darauffolgenden Woche kames zu einem Besuch einer dieser Ob-dachlosenunterkünfte, gemeinsam mitUnterstützerInnen der Gruppe MigránsSzolidaritás.43 „Wir konnten mit unsereneigenen Augen sehen, dass diese Unter-künfte keine adäquate Lösung für unserWohnraumproblem sein können,“44 er-klären die Flüchtlinge in ihrer Stellung-nahme.

Flüchtlingsproteste in Budapestgegen die drohende Obdachlosigkeit

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Gleichzeitig wurde wiederholt Flücht-lingen der Gruppe durch OIN-Mitarbei-terInnen angedroht, dass sie mit Poli-zeigewalt aus dem Lager geräumt undihnen ihre Kinder weggenommen wür-den. Die OIN RepräsentantInnen infor-mierten auch den UNHCR über die Mög-lichkeit der Räumung mit Polizeigewaltund die Trennung von Familien.45

Die Umstände verschlechterten sichimmer weiter. Seit dem 31. März 2013erhielten diejenigen, deren Zeit in Bicskeabgelaufen war, keinerlei finanzielle Un-terstützung mehr (auch nicht für Essenund Trinken) und nicht einmal mehrmedizinische Versorgung.46 Zudem stiegdie Zahl der Menschen in dem soge-nannten „Pre-Integration Camp“ in Bicskein den Sommermonaten 2013 immerweiter an. Wie bereits in der Einleitungdargestellt, ist das Lager momentankomplett überbelegt, vor kurzem wurdensogar Zelte aufgestellt, andere Bewoh-nerInnen müssen in der Turnhalle schla-fen.

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PROTEST GEGEN DIE WIEDEREINFÜHRUNG DER HAFT FÜR ASYLSUCHENDE

PROTEST VOR DEM UNGARISCHEN PARLAMENT

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Zeitgleich verabschiedete das unga-rische Parlament ein neues Gesetz zurInhaftierung von Asylsuchenden. Daherprotestierten am 2. Juni 2013 erneutAsylsuchende und Flüchtlinge gemeinsammit der Gruppe Migráns Szolidaritás vordem ungarischen Innenministerium.47

Denn diese Regelungen dürften jenseitsder dramatischen Folgen für die Inhaf-tierten selbst auch zur weiteren Stig-matisierung und wachsender Hoffnungs-losigkeit bezüglich der Integrationsper-spektiven anerkannter Flüchtlinge undsubsidiär Geschützter in Ungarn führen.Von dieser Demonstration existierenebenfalls mehrere Videos im Internet.48

Ein Großteil der Flüchtlinge, die imApril von der Zwangsräumung aus demFlüchtlingslager Bicske bedroht waren,verließ Ungarn im Juni 2013 gemeinsamund beantragte in Deutschland Asyl.

„Wir entschieden uns, Ungarn zu ver-lassen, da alle unsere Versuche [...] fehl-geschlagen sind Hilfe zu suchen, um einnormales Leben als Flüchtlinge in Ungarnführen zu können.“, so heißt es in ihrerErklärung. Und weiter: „Als Ausdruckunseres Protestes haben wir entschieden,Ungarn gemeinsam zu verlassen undnach Deutschland zu gehen, um dortAsyl zu beantragen. Die Tatsache, dassetwa 100 von uns Ungarn verlassen ha-ben, wird nichts in Bicske ändern. Dienächsten Menschen, die einen Schutz-status in Ungarn erhalten, werden mitähnlichen Problemen konfrontiert sein.“49

Diese Voraussage der Flüchtlinge ist jetztbereits Realität: Seit Anfang August 2013ist die nächste größere Gruppe (45 Per-sonen) von der Zwangsräumung aus demLager in Bicske bedroht, erneut gibt eskeine annehmbaren Angebote seitensdes OIN.50 <

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KUNDGEBUNG VOR DER VERTRETUNG DER EU IN BUDAPEST

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33 Vgl. Migráns Szolidaritás vom 13.6.2013, im folgenden bezeichnet als “Erklärung der Flüchtlinge”: „We saw no other choice than staying to-

gether and seek a common solution abroad. We have seen that the European rules on asylum are not working, there is no common treat-

ment and care for asylum-seekers and refugees in Europe. We will not accept this system. Our political resistance is movement. We have to

do that for our children.“ Online: http://migszol.com/cikk/591.

34 http://www.youtube.com/watch?v=2qPlDTSzjL0#at=48.

http://www.youtube.com/watch?v=anZ27u_Mf5.

http://www.youtube.com/watch?v=UbZcLGUwzxY.

http://index.hu/video/2012/11/23/nem_akarunk_itt_is_allatokkent_elni/.

35 Interview mit einem anerkannten afghanischen Flüchtling, Karlsruhe am 04.07.2013.

36 Vgl. Erklärung der Flüchtlinge. Online: http://migszol.com/cikk/591.

37 Vgl. ebd.

38 http://www.youtube.com/watch?v=Y_C4L2PEKt4.

39 Vgl. Erklärung der Flüchtlinge.

40 Vgl. ebd.

41 Vgl. ebd.

42 Ebd: „On 28 March 2013, one day after the second meeting with the OIN, we were informed about the possibility of moving to homeless-

shelters. Apart from the obvious fact that we can not integrate to Hungarian society from a homelessness-shelter, it turned out that the

homeless shelters only had free capacity for not more than ten of us and even no places for children“.

43 „Vgl. Bericht Migráns Szolidaritás vom 17.4.2013. Online: http://migszol.com/cikk/457.“

44 Erklärung der Flüchtlinge: „ […] we could see with our own eyes that these shelters could not be an adequate solution to our housing pro-

blems“.

45 Vgl. ebd.

46 Vgl. Migráns Szolidaritás vom 3.5.2013. Online: http://migszol.com/cikk/548.

47 Vgl. Migráns Szolidaritás vom 30.5.2013. Online: http://migszol.com/cikk/562.

48 http://www.youtube.com/watch?v=KVgxwh3tCsc.

http://www.youtube.com/watch?v=OGzaHg9u3XA.

http://www.youtube.com/watch?v=j50KhK5CqHY.

49 Erklärung der FFlüchtlinge: „We decided to leave Hungary because all our attempts [...] to seek help to live a normal life as refugees in

Hungary have failed. […] However, as a political protest, we decided to leave Hungary together and to go to Germany and apply for asylum

there. The fact, that approximately 100 of us left Hungary will not change anything in Bicske. The new people who will be granted the refugee

status by Hungary will face similar problems.“

50 Vgl. Migráns Szolidaritás vom 1.8.2013. Onine: http://migszol.com/cikk/671.

FUSSNOTEN

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Unterstützungsleistungen nach der Unterbringung in Bicske

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Nachfolgend sind die Unterstützungs-leistungen aufgelistet, die anerkannteFlüchtlinge und subsidiär Schutzberech-tigte in Ungarn erhalten können, nach-dem ihre Zeit im sogenannten„Pre-Integration Camp“ in Bicske abge-laufen ist. Hierbei ist darauf hinzuwei-sen, dass es sich um Kannbestimm ung- en handelt und bei einer Bewilligung imRegelfall nicht die maximal möglichenSummen ausbezahlt werden. Hinzukommt eine Problematik, die insbeson-dere anerkannte Flüchtlinge und subsi-diär Schutzberechtigte betrifft, die ausanderen EU-Staaten nach Ungarn zu-rücküberstellt wurden, d.h. die oftmalsüber einen längeren Zeitraum nicht inUngarn waren: Diese besteht darin, dassdie nachfolgend aufgeführten Leistun-gen jeweils nur für bzw. innerhalbeinen/eines bestimmten Zeitraum(s) be-antragt werden können, nachdem dassogenannte „Pre-Integration Camp“ inBicske verlassen wurde bzw. ein Schutz-status zuerkannt wurde. Sind die jewei-ligen Fristen abgelaufen, besteht keinAnspruch auf Leistungen mehr. Um dieZahlen einordnen zu können, sei an die-ser Stelle noch auf folgende Statistikenverwiesen: Laut dem ungarischen Zen-tralamt für Statistik beträgt der durch-schnittliche ungarische Nettolohnmonatlich 140.000 HUF (ca. 471Euro51), als Armutsgrenze gelten 62.000HUF (ca. 209 Euro).52 Abhängig von derLage der Wohnung ist in Budapest nachAuskunft der Central European Univer-sity für eine Einzelperson mit einerKaltmiete von mindestens 40.000 HUF(ca. 135 Euro) zu rechnen.53

Reguläre monatliche Unterstützung:

Diese kann für einen Zeitraum vonbis zu zwei Jahren gewährt werden,wenn der Antragsteller/die Antragstel-lerin eine Anwesenheit bei mindestens70 % der Sprachkurse nachweisen kann.Wenn weitere Voraussetzungen erfülltsind – etwa Kooperation mit dem Ar-beitsamt – kann diese Unterstützungein drittes und viertes Jahr gewährtwerden. Die reguläre monatliche Unter-stützung kann erst ausgezahlt werden,wenn der/die Betroffene das sogenannte„Pre-Integration Camp“ in Bicske ver-lassen hat und nur für einen Zeitraumvon maximal vier Jahren ab der Zuer-kennung eines Schutzstatus. Das heißtzum Beispiel, dass eine Familie, die einJahr in Bicske war, diese Unterstützungnur für maximal drei Jahre erhaltenkann. Bewilligt werden kann ein Betragzwischen 7.125 HUF (ca. 24 Euro) und28.500 HUF (ca. 96 Euro) monatlich proPerson. Voraussetzung für diese Unter-stützung ist, dass eine Bedürftigkeit vor-liegt.54 Hierbei gilt bei alleinstehendenPersonen eine Einkommensgrenze von42.750 HUF (ca. 144 Euro), bei Familiendarf das durchschnittliche Einkommeneines Familienangehörigen 28.500 HUF(ca. 96 Euro) nicht überschreiten.55 Üb-licherweise werden pro Person zwischen9.000 (ca. 30 Euro) und 15.000 HUF(ca. 50 Euro) monatlich bewilligt.56

Einmalige Unterstützung:

Diese Unterstützungsleistung kannfür Kaution und Einrichtung einer Woh-nung beantragt werden. Sie kann wäh-rend der Zeit im sogenannten „Pre-In-tegration Camp“ in Bicske bzw. innerhalbvon sechs Monaten beantragt werden,nachdem das sogenannte „Pre-IntegrationCamp“ in Bicske verlassen wurde. Hierzuist allerdings die Vorlage eines Mietver-trags eine zwingende Voraussetzung.Falls diese Unterstützung gewährt wird,werden zwischen 56.000 HUF (ca. 188Euro) und 171.000 HUF (ca. 575 Euro)ausbezahlt. Bei Familien erfolgt nur aneinen Familienangehörigen eine Aus-zahlung.57

Unterstützung bei der Miete:

Diese Unterstützung kann für maxi-mal zwei Jahre als Unterstützung zuden Mietzahlungen gewährt werden.Hierfür muss ein offizieller Mietvertragvorgelegt werden, und zwar für eineWohnung, die nicht größer ist als jene,die den im „Distrikt“ lebenden Bewoh-nerInnen im Durchschnitt zur Verfügungsteht. Für eine Einzelperson können ma-ximal 28.500 HUF (ca. 96 Euro) bewilligtwerden. Bei mindestens einem Kind kön-nen maximal 57.000 HUF (ca. 192 Euro)bewilligt werden, bei mindestens dreiKindern können maximal 85.500 (ca.288 Euro) bewilligt werden.58 Insbeson-dere die notwendige Vorlage eines offi-ziellen Mietvertrags ist in der Praxisdeswegen problematisch, da eine Vielzahlder Wohnungen in Ungarn ohne offi-

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ziellen Mietvertrag vermietet werden,um die dann fälligen Steuern zu umgehen.Diese Problematik wird selbst von denBehörden eingeräumt: „OIN und jederandere weiß, dass die Besitzer von Woh-nungen keine Rechnungen an die Mieterausstellen wollen, das ist wirklich einreales Problem“59.

Was bedeutet das in der Praxis? Umdies zu verdeutlichen, möchten wir andieser Stelle den Fall einer afghanischen,alleinerziehenden Mutter mit drei min-derjährigen Kindern (darunter ein Baby)dokumentieren, die zu jenen Flüchtlingengehört, die sich im Winter 2012/2013weigerten, Bicske freiwillig zu verlassen.Laut den Bescheiden, die den AutorInnendieses Berichts vorliegen, wurden ihrfolgende Leistungen bewilligt (reguläremonatliche Unterstützung): Sie selbsthätte im Falle eines Auszugs aus demsogenannten „Pre-Integration Camp“ inBicske 7.125 HUF (ca. 24 Euro) monat-lich, ihre Kinder jeweils 12.825 HUF (ca.43 Euro) erhalten. Somit hät sie insge-samt 45.600 HUF (ca. 153 Euro) mo-natliche Unterstützung erhalten. Hinzukommen 68.000 HUF (ca. 229 Euro)Kindergeld, woraus sich eine Gesamt-summe von 113.600 HUF (ca. 382 Euro)ergibt, die ihr und ihren drei Kindernmonatlich zur Verfügung gestandenhätte. Die SozialarbeiterInnen des so-genannten „Pre-Integration Camp“ un-terstützten sie dabei, eine Wohnung zufinden, die mit einem offiziellen Miet-vertrag 63.800 HUF (ca. 215 Euro) ge-kostet hätte. Zuzüglich Nebenkostenwürde diese Wohnung zwischen 85.000HUF (ca. 286 Euro im Sommer) und105.000 HUF (ca. 353 Euro im Winter)kosten. Somit wären ihr lediglich etwa10.000 HUF (ca. 34 Euro) bis 30.000HUF (ca. 101 Euro) monatlich verblieben,um den gesamten Lebensunterhalt fürsich und ihre drei Kinder zu finanzieren.Zwar bestand theoretisch die Möglichkeit,dass sie zudem beim Auszug die einmaligeUnterstützung für Kautionsentrichtungund Unterstützung bei der Miete erhält.Dafür hätte sie allerdings zunächst einenMietvertrag vorlegen müssen und zudemwar unklar, ob sie überhaupt und fallsja in welcher Höhe weitere Unterstüt-zungsleistungen erhalten würde. Hierbei

ist zu berücksichtigen, dass das zugrundeliegende Bewilligungsverfahren zumeistmehrere Monate in Anspruch nimmt.Weiterhin wären diese Unterstützungs-leistungen befristet, d.h. falls es ihr nichtgelingen würde, bald einen ausreichendbezahlten Arbeitsplatz zu finden, würdesie dennoch früher oder später auf derStraße stehen. Aufgrund dieser unkal-kulierbaren Risiken entschied sie sichnachvollziehbarer Weise dafür, das Woh-nungsangebot nicht anzunehmen undstattdessen (widerrechtlich) in Bicskezu bleiben, da sie dort zumindest überdas gesamte Kindergeld (weniger als 300Euro monatlich) verfügt, um den Le-bensunterhalt für sich und ihre drei Kin-der zu bestreiten.

An dieser Stelle muss darauf hinge-wiesen werden, dass die Situation vonPersonen ohne Kinder teilweise nochschlechter ist, da sie nicht über das imVergleich zu den anderen Leistungen re-lativ hohe Kindergeld verfügen. Sicherlichexistiert auch in Deutschland das Pro-blem, dass Personen, die einen Aufent-haltsstatus erhalten haben, keine eigeneWohnung finden können und daher imFlüchtlingslager verbleiben (sogenannte„Fehlbeleger“). Im Vergleich zu Ungarngibt es allerdings einen gravierendenUnterschied: Wem es nicht (rechtzeitig)gelingt, eine eigene Wohnung zu findenund zu finanzieren, wird nicht einfachaus dem Flüchtlingslager auf die Straßegesetzt, egal ob er Kinder hat oder nicht.

Die dargestellte Zwei- bzw. Vierjah-resfrist für die Gewährung der monatli-chen Unterstützung an anerkante Flücht-linge und subsidiär Schutzberechtigteführt weiterhin dazu, dass insbesonderejene Betroffenen, die bereits vor längererZeit einen Schutzstatus in Ungarn zu-gesprochen bekommen haben, diesbe-züglich keinerlei Unterstützung mehrgeltend machen können. Für die einma-lige Unterstützung bzw. Unterstützungbei der Miete ist wiederum die Vorlageeines offiziellen Mietvertrages unabding-bar, was insbesondere für Personen, diekurz zuvor aus einem anderen EU-Staatnach Ungarn überstellt wurden, ein Dingder Unmöglichkeit ist. Zudem muss er-neut betont werden, dass selbst wenn

Unterstützungsleistungen gewährt wer-den, diese im Regelfall nicht zur Finan-zierung einer Wohnung ausreichen. Fürviele ist die Anmietung von Wohnraumin Ungarn daher de facto ausgeschlossen.Als Alternative bleiben somit nur über-füllte und heruntergekommene Obdach-losenwohnheime, die oftmals allerdingsnicht über ausreichend freie Kapazitätenverfügen, und für einige wenige der tem-poräre Aufenthalt bei FreundInnen undBekannten. Aufgrund dieser Zwangslageentscheiden sich viele anerkannte Flücht-linge und subsidiär Schutzberechtigteinnerhalb kürzester Zeit (erneut), imAusland um Schutz zu ersuchen und seies nur, um die Gewissheit zu haben, zu-mindest für ein paar Monate ein Dachüber dem Kopf zu haben.

Auch der Leiter der NGO Menedék,die sich um die Integration von aner-kannten Flüchtlingen und subsidiärSchutzberechtigten in Ungarn kümmert,verweist auf die systemischen Mängel imungarischen Aufnahmesystem: „Das fi-nanzielle Unterstützungssystem, das denFlüchtlingen helfen soll, kann von derMehrheit der Flüchtlinge nicht in An-spruch genommen werden. Die finanzielleUnterstützung ist nicht ausreichend fürdie meisten Flüchtlinge. Das Problem istnicht, dass es einige Flüchtlinge gibt, diedenken, das Geld reicht nicht aus. DasProblem ist, dass das Geld für die meistenFlüchtlinge nicht ausreicht.“60 <

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SINNGEMÄSS HEISST ES IN DIESEM BRIEF DER UNGARISCHEN MIGRATIONSBEHÖRDE: WENN SIE DAS CAMP NICHT UMGEHEND FREIWILLIG

VERLASSEN, KÖNNEN SIE MIT POLIZEIGEWALT DAZU GEZWUNGEN WERDEN UND WERDEN ZUDEM EINE GELDSTRAFE ZAHLEN MÜSSEN.

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51 Wenn in diesem Bericht HUF in Euro umgerechnet werden, geschieht dies auf Basis des Interbank Kurses vom 26.7.2013.

52 Vgl. Budapester Zeitung vom 11.11.2012: Armes, teures Ungarn. Online: http://www.budapester.hu/2012/11/armesteures-ungarn/.

53 Vgl. Central Europan University: Accommodation in Budapest (2013/2014). Online: http://www.ceu.hu/studentlife/onlineorientation/accom-

modation.

54 § 52, 301/2007. (XI. 9.) Korm. rendelet.

55 § 39, 301/2007. (XI. 9.) Korm. rendelet.

56 Vgl. index.hu vom 19.2.2013. Online: http://index.hu/belfold/2013/02/19/menekultek_kertek_az_eu_segitseget/.

57 § 47, 301/2007. (XI. 9.) Korm. rendelet.

58 § 54, 301/2007. (XI. 9.) Korm. rendelet.

59 Isván Ördögh, Direktor des Fluchtlingsbereichs innerhalb von OIN während einer Diskussionsrunde auf Tilos Rádio am 17. Dezember 2012:

„The OIN and everybody else knows, that the owners of flats do not want to give a bill to the person who rents the flats, so this bill-problem

is a real living problem“.

60 András Kováts, Leiter der NGO Menedék, während einer Diskussionsrunde auf Tilos Rádio am 17. Dezember 2012: „The money support

system which should help the refugees cannot be used by most of the refugees. This money

support is not enough for most of the refugees. The problem is not that there are only a few refugees who think that this money is not

enough. The problem is, that this money is not enough for most of the refugees“.

FUSSNOTEN

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Zugang zur staatlichen Gesundheitsversorgung

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In unserem Bericht von 2012 gingen wirnur am Rande auf die Probleme bei derGesundheitsversorgung von anerkann-ten Flüchtlingen und subsidiär Schutz-berechtigten in Ungarn ein. DieseLeerstelle wird das nun folgende Kapitelfüllen. Eines der zentralen Probleme,vor dem Flüchtlinge stehen, nachdemihre Zeit in Bicske „abgelaufen“ ist, istder Zugang zu staatlicher Gesundheits-versorgung. Ein erste Hürde stellt fürviele bereits die Ausstellung einer „TAJkártya“ (Sozialversicherungskarte) dar,für deren Beantragung eine Adresskartevorgelegt werden muss. Es existierenzwei verschiedene Arten von Adresskar-ten, wenn der/die Betroffene über einenfesten Wohnsitz verfügt:

„Permanent Address“: Der Inha-ber/die Inhaberin verfügt über einendauerhaften Wohnsitz, d.h. auf derKarte sind eine Straße und eine Haus-nummer vermerkt. Mit dieser Art vonAdresskarte kann eine Sozialversiche-rungskarte beantragt werden.

„Temporary Address“: Auf derKarte sind eine Straße und eine Haus-nummer eingetragen. Da es sich hier-bei allerdings lediglich um einenzeitweiligen Wohnsitz handelt, kannmit dieser Adresskarte keine „TAJ kár-tya“ beantragt werden.

Falls der/die Betroffene über keinen fes-ten Wohnsitz verfügt, existieren zweiverschiedene Formen der Eintragungauf der Adresskarte:

„No Address“ ohne weitere Eintra-gungen: Auf der Adresskarte sind keineGemeinde bzw. kein Stadtbezirk ver-merkt. In diesem Fall kann keine „TAJkártya“ beantragt werden.

„No Address“ und Nennung einerGemeinde bzw. eines Stadtbezirks:Falls auf der Adresskarte zusätzlicheine Gemeinde oder ein Stadtbezirkvermerkt sind, kann eine „TAJ kártya“beantragt werden.

In der Praxis gestaltet es sich fürFlüchtlinge in Budapest oftmals schwie-rig, sich ohne Wohnadresse in einemBezirk zu registrieren, da die Bezirks-ämter eine Meldung in „ihrem“ Bezirkteilweise nicht akzeptieren, um die Anzahlder Leistungsberechtigten in ihrem Gebietzu beschränken. Hinzu kommt, dass dieÜbernahme der Kosten für die Kran-kenkasse durch den ungarischen Staatan weitere Bedingungen wie etwa dieVorlage eines von einem Sozialarbeiteroder einer Sozialarbeiterin unterschrie-benen Dokuments geknüpft ist.61 Wäh-rend eines Besuchs einer Obdachlosen-einrichtung in Budapest am 4.4.2013betonte eine Mitarbeiterin weiterhin,dass sich die BewohnerInnen dort nurmit „temporary address“ melden kön-nen,62 was wiederum dazu führt, dasssie keine „TAJ kártya“ beantragen können.Auch diejenigen Flüchtlinge, die sich imFrühjahr 2013 weigerten, das sogenannte„Pre-Integration-Camp“ in Bicske zu ver-lassen, erhielten keinerlei medizinischeVersorgung mehr.63 Es kann somit fest-gestellt werden, dass der Zugang zumstaatlichen Gesundheitssystem für

Flüchtlinge in Ungarn, insbesonderewenn sie das sogenannte „Pre-Integra-tion-Camp“ in Bicske verlassen müssen,zwar nicht gänzlich ausgeschlossen ist,in der Praxis allerdings mit vielerlei, fürdie Betroffenen teilweise unüberwind-baren bürokratischen Hürden verbundenist. Dies bestätigt auch eine Untersuchungdes ungarischen Ombudsmans, der inUngarn die Position eines Parlaments-beauftragten für Bürgerrechte hat:

„Während der Untersuchung wiesendie Flüchtlinge, die Mitarbeiter vonNGOs und der Presseartikel, auf dessenBasis dieses ex officio Verfahren einge-leitet wurde, darauf hin, dass die lokalenBehörden bestimmter Budapester Bezirkedie Ausstellung von Adresskarten ohneeinen Straßennamen und eine Haus-nummer verweigern. Laut Personen, diein der Obdachlosenunterstützung aktivsind, ist die Tendenz des Nichtausstellensvon Adresskarten eine Konsequenz ausSektion 6 des Social Benefits Act […].Die Leistungen, die im Social BenefitsAct aufgeführt sind und die für Inhabereiner Adresskarte, auf der nur ein Dorf,eine Stadt oder ein Bezirk angegebensind, erhältlich sind, müssen von dem-jenigen Dorf, derjenigen Stadt oder demjeweiligen Bezirk zur Verfügung gestelltwerden, welche(r) die Adresskarte aus-gestellt hat. Lokale Behörden, die der-artige Anträge ablehnen, machen dies,weil sie die Anzahl der lokalen Bewohner,die ein Anrecht auf soziale Unterstützunghaben, beschränken wollen und da siedamit einen Anstieg des Verwaltungs-aufwandes vermeiden können. […] Kran-kenversicherungskarten werden an in

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Budapest lebende Obdachlose mit einemBezirk als Wohnort durch das RegionalLabour Centre of Central Hungary aus-gegeben […]. Das Local Office verlangtvon den Antragstellern immer die Vorlagevon Ausweispapieren, d.h. der Antrag-steller/die Antragstellerin muss einenNachweis über seine/ihre persönlichenDaten, den Flüchtlingsstatus und denWohnort vorlegen“64.

Dies wiederum führt insbesonderedann, wenn die Betroffenen aus einemanderen Land unter der Dublin-II-Ver-ordnung nach Ungarn zurücküberstelltwurden und über keinerlei ungarischeDokumente (mehr) verfügen, dazu, dassin vielen Fällen kein Versicherungsschutzgegeben ist. Problematisch ist darüberhinaus vor allem die Behandlung vonFolteropfern und Personen, die an einerposttraumatischen Belastungsstörung(PTBS) leiden, wie der UNHCR feststellt:

„Grundlegende Dienste werden mitexternen Mitteln, etwa des EuropäischenFlüchtlingsfonds (EFF), finanziert, dochdie Projekte/Dienste sind oft nicht nach-haltig, da die ergänzende finanzielle Ei-

genleistung nicht bereitgestellt wird.Dasselbe gilt für Rehabilitationsmaß-nahmen und die Behandlung von Fol-teropfern. Solche Leistungen für Asyl-suchende und Flüchtlinge, die Opfer vonFolter waren oder an posttraumatischerBelastungsstörung leiden, sind gesetzlichnicht vorgesehen. Die Cordelia-Stiftung,eine örtliche NGO und Partnerorgani-sation von UNHCR, erbringt solche Leis-tungen, allerdings auch nur im Rahmender verfügbaren Geldmittel.“65

Die NGO Cordelia ist spezialisiert aufdie Behandlung von Folteropfern bzw.traumatisierten Flüchtlingen. Nach An-gaben einer Mitarbeiterin wird die Arbeitvon Cordelia weitestgehend durch denEuropäischen Flüchtlingsfonds finanziertund findet ausschließlich in den Hei-men/Hafteinrichtungen in Bicske, De-brecen und Békéscaba statt. Eine Be-handlung von PTBS-PatientInnen inBudapest, also auch von Personen, diedas sogenannte „Pre-Integration-Camp“in Bicske verlassen mussten, kann Cor-delia nicht anbieten, da es hierfür keineFinanzierung gibt.66 <

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KUNDGEBUNG VOR DER VERTRETUNG DER EU IN BUDAPEST

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Die zweite Flucht der Familie R. begann vor mehr als drei Jah-ren. Für die Familie war es die zweite Flucht, denn vor mehr alszwei Jahrzehnten waren die Eltern bereits aus Afghanistan inden Iran geflohen, wo sie aufwuchsen, heirateten und drei Kin-der bekamen. Shugofa, die Erstgeborene, kam mit einem Herz-fehler auf die Welt und musste bereits als Säugling operiertwerden. Dann kam die Abschiebung der Familie aus dem Irannach Afghanistan. Dort kannten sie sich nicht aus, sie fühltensich permanent bedroht und sie hatten keinen Zugang zu derfür die älteste Tochter überlebensnotwendigen Gesundheits-versorgung.

Sie flohen nach Europa: Über die Türkei kamen sie nachGriechenland. Die griechische Grenze überquerten sie imNorden, über den Grenzfluss Evros, in dem immer wiederFlüchtlinge beim Überqueren sterben. Die Gruppe sollte miteinem Schlauchboot übersetzen. Die Eltern hielten je einenihrer Söhne auf dem Arm. Eine Freundin hielt Shugofa. Diebeiden versuchten als erste in das Schlauchboot zu steigen,wobei das Boot kippte. Zwei Freunden gelang es, Shugofa unddie Frau wieder aus dem Wasser zu ziehen.

Über ein halbes Jahr lang versuchte die Familie, aus Grie-chenland weiterzureisen, da schnell klar war, dass Shugofaauch hier die nötige medizinische Behandlung nicht bekommenkonnte. In Athen hatten sie eine sehr harte Zeit, sagen sie. Sieliehen sich bei Freunden Geld und bezahlten einen Schlepper,der sie nach Österreich bringen sollte. Sie wurden jedoch kurzhinter der serbisch-ungarischen Grenze von ungarischen Grenz-polizistInnen aufgegriffen. Dann wurden ihnen Fingerabdrückeabgenommen und sie wurden eine Nacht in einer Polizeizellefestgehalten. Da sie hörten, dass Shugofa auch in Ungarnkeine Chance auf angemessene medizinische Versorgung habenwürde, verließen sie Ungarn und flohen weiter nach Öster-reich.

Sie stellten in Österreich einen Asylantrag – wurden allerdingsvier Monaten später nach Ungarn abgeschoben. Dort wurdensie einen Monat im geschlossenen Lager für Familien in Bé-késcsaba inhaftiert. Shugofa ging es zunehmend schlechter,sie kollabierte. Daraufhin wurde sie im Krankenhaus geröntgt.Weiter passierte jedoch nichts. Anschließend brachte man dieFamilie nach Debrecen. Dort erfuhren die Eltern, eine Behandlungihrer Tochter sei nicht möglich, solange sie im Asylverfahrenseien.

Shugofas Zustand verschlechterte sich weiter stetig, daAsylverfahren in Ungarn mitunter lange dauern. Daher ent-schieden die Eltern, erneut mit Shugofa nach Österreich zufahren. In der österreichischen Erstaufnahme in Traiskirchenwurden sie weggeschickt, da sie bereits einmal nach Ungarnabgeschoben worden waren. Man gab ihnen aber einen Kran-kenschein, da es Shugofa sichtlich schlecht ging. Die Familieübernachtete eine Nacht auf der Straße. Am nächsten Tag

trafen sie jemanden in einer Moschee, der zumindest die Frauund die Kinder bei sich übernachten ließ. Von ihm wurden sieauch zur Caritas gebracht, die eine ärztliche UntersuchungShugofas veranlasste. In einem den AutorInnen dieses Berichtsvorliegendem Schreiben des Landesklinikums Wiener Neustadtvom 13.10.2011 heißt es wörtlich: „Da das Mädchen zunehmendsymptomatisch ist, sollte dringend eine Operation angestrebtwerden“. Es geschah allerdings nichts und nach vier Monatenin Österreich wurde die Familie erneut nach Ungarn abge-schoben.

Anschließend wurden sie in ein Lager nach Balassagyarmatgeschickt und nach 20 Tagen wieder nach Debrecen verlegt.Sie sprachen erneut mit dem Arzt in Debrecen und zeigtenihm auch die Papiere des Arztes in Österreich, der eine dringendeOperation für Shugofa empfahl. Nichtsdestotrotz erhieltensie die bekannte Zurückweisung: „Nicht im laufenden Asylver-fahren.“ Nach sechs Monaten in Debrecen erhielt die Familieeinen humanitären Aufenthalt in Ungarn. Sie wurden in dassogenannte „Pre-Integration Camp“ in Bicske verlegt, wo dieEltern sich umgehend an die Ärzte und an den Lagerleiterwandten um auf Shugofas Herzproblem hinzuweisen. DieEltern hofften, damit sei nun endlich die Operation für Shugofain Sicht. Es dauerte weitere acht Monate, bis es zu einer Un-tersuchung Shugofas kam. Erneut wurde sie geröntgt. Frau R.betont ihre Beobachtung, dass es ihrer Tochter nach jedemRöntgen eher schlechter ging und sie auch gehört habe, dassdieses viele Röntgen den Körper ihrer Tochter schädige. DerArzt habe ihnen anschließend erklärt, dass sie Shugofa leidernicht operieren könnten, sie sei zu klein für die ihm zurVerfügung stehenden Geräte.

Die Eltern schlossen sich mit anderen Familien zusammen,die in einer ähnlichen Situation waren und versuchten sich au-ßerhalb des Lagers an die politischen Entscheidungsträger inUngarn zu wenden, an den UNHCR, letztlich sogar an die EU-Kommission. Das half jedoch auch nicht und sie gerieten nachAblauf einer letzten Gnadenfrist in Bicske ab dem 31.3.2013zunehmend unter Druck. Sie berichten, es habe keinerlei me-dizinische Versorgung gegeben. Sie hätten sich dann mit denanderen gemeinsam besprochen und entschieden, dass sie ge-meinsam gehen: „Fast alle waren bereits aus anderen europäi-schen Ländern nach Ungarn abgeschoben worden und allehatten große Angst. Aber die Angst zu bleiben war größer.“

Shugofa wurde am 30.7.2013 in einer Klinik in Heidelbergendlich operiert. Sie sieht sehr klein aus in ihrem Kranken-hausbett, kleiner und schmächtiger als ihre jüngeren Brüder.Sie sagt, sie glaube nicht wirklich daran, dass sie hier bleibenkönnen. Sie wache oft nachts auf und habe Angst vor Geräuschen,dann frage sie ihre Mutter: „Werden wir jetzt wieder abgeholt?“

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Z U G A N G Z U R S T A A T L I C H E N G E S U N D H E I T S V E R S O R G U N G

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61 Diese Informationen stammen aus einem Interview mit einer Vertreterin der Obdachloseninitiative „The City is For All“ vom 30.8.2012 sowie

einem daran anschließenden Mailverkehr.

62 Vgl. Migráns Szolidaritás vom 1.4.2013. Online: http://migszol.com/cikk/457.

63 Vgl. Migráns Szolidaritás vom 3.5.2013. Online: http://migszol.com/cikk/548.

64 Bericht des “Parliamentary Commissioner for Civil Rights in case number AJB 1692/2010”, August 2011, Seite 17 ff.: “During the inquiry, the

refugees, the NGO staff members and the newspaper article on the basis of which I initiated this ex officio procedure all mentioned that the

local authorities of certain Budapest districts refuse to issue residence cards for the district without a specific address with a street name

and a house number. According to certain persons involved in providing support to homeless people, this tendency of not issuing residence

cards is the result of the rule in Section 6 of the Social Benefits Act […]. The benefits as listed in the Social Benefits Act that are available to

homeless people holding a residence card only showing the village, town or district must be provided by the particular town, village or dis-

trict that has issued the residence card. Local authorities refusing to accept such applications presumably take this approach because they

want to limit the number of local citizens eligible for social aid and they wish to prevent an increase in the administrative burden. […] Health

insurance cards are issued to homeless people living in Budapest and with district-level places of residence by the local office of the Regio-

nal Labour Centre of Central Hungary […]. The Local Office always requests the applicants to show identification documents, that is, the ap-

plicant must give evidence of his/her personal data, refugee status and place of residence. Online:

http://migszol.com/files/2013/03/OmBudsman_Bicske_Homeless-refugees-2011.pdf.

65 UNHCR: Ungarn als Asylland (August 2012), Seite 14. Online: http://www.unhcr.de/fileadmin/rechtsinfos/fluechtlingsrecht/6_laenderinfor-

mationen/6_4_europa/HUN_AsylumHungary.pdf.

66 Vgl. Telefoninterview mit einer Mitarbeiterin der NGO Cordelia am 29.11.2012.

FUSSNOTEN

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Kriminalisierung von Obdachlosigkeit in Ungarn

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Die Zahl der Menschen, die in Ungarnunterhalb des Existenzminimums leben,wird heute auf etwa 3,7 Millionen ge-schätzt, was nahezu 40% der Gesamtbe-völkerung ausmacht. Nach jüngstenSchätzungen beträgt die Zahl derer, diein minderwertigen oder extrem überbe-legten Behausungen leben, 1,5 Millio-nen, etwa 15% der Gesamtbevölkerung.Seit dem Beginn der Finanzkrise 2008sind zudem zehntausende Menschenvon Zwangsräumungen bedroht, da sieihre Kredite nicht mehr bedienen kön-nen. Es ist kaum möglich, exakt zu be-stimmen, wie viele Menschen auf derStraße oder in Obdachlosenunterkünf-ten leben, insbesondere deswegen, weilhierüber keine offiziellen Statistiken ge-führt werden. Laut ExpertInnen aus densozialen Einrichtungen dürfte die Zahlderer, die auf der Straße und/oder inNotunterkünften leben, allerdings min-destens 30.000 betragen.67 In einem Be-richt von UN-ExpertInnen vom Februar2012 liegt die Schätzung zwischen30.000 und 35.000 Menschen, darunterzahlreiche Frauen, Kinder, alte Men-schen und Menschen mit Behinderun-gen, die in Ungarn obdachlos sind. Etwa8.000 davon leben in der HauptstadtBudapest, obwohl die Stadt nur über5.500 Plätze in Notunterkünften ver-fügt.68

Die Frankfurter Rundschau berichteteim März 2013: „Obdachlose sind in Buda-pest allgegenwärtig. Die Geschäfte imZentrum verschließen ihre Eingängeabends mit Scherengittern gegen denBürgersteig, damit dort niemand imSchlafsack oder mit Pappen und alten

Zeitungen zugedeckt und von seinenpaar Habseligkeiten umgeben kampiert.Morgens schleichen Leute mit diesenPappen und Zeitungsstapeln unter demArm durch die Stadt. Niemand weiß, wosie geschlafen haben. In einer besonderskalten Nacht vor einigen Jahren wurdenin Budapest rund 3000 Obdachlose ge-zählt, die draußen kampierten. Um die70 bis 80 Kältetote hat die Stadt injedem der letzten Jahre verzeichnet, vondenen allerdings nicht alle obdachloswaren.“69

Die Situation der Obdachlosen spitztesich bereits im Oktober 2010 zu, als dasungarische Parlament ein Gesetz verab-schiedete, das den Kommunen erlaubte,das „Leben auf der Straße“ zu sanktio-nieren. Anfang 2011 sondierte das In-nenministerium legale Wege, Obdachlosezu internieren. Im April 2011 trat danndie neue restriktive Gesetzgebung gegenObdachlose in Kraft.70 Seitdem konntenkommunale Parlamente Verbote für dasÜbernachten in Bahnhöfen oder auf offe-ner Straße beschließen. Auch das Wühlenim Müll wurde mit strafrechtlichen Kon-sequenzen belegt. Dies führte im Regelfallzunächst zu Geldstrafen, die allerdingsbei Wiederholungstaten und Nicht-Be-gleichen in Ersatzhaft umgewandelt wer-den konnten. Im Mai 2011 erließ dieBudapester Stadtverwaltung eine Rege-lung, die die Verhängung von Ordnungs-geldern gegen „permanentes Leben aufder Straße“ vorsah. Bei wiederholter Zu-widerhandlung konnten Geldstrafen biszu 150.000 HUF (ca. 505 Euro) oder beiNicht-Zahlung der Geldstrafe Ersatzhaftverhängt werden. Die erste Obdachlo-

senunterkunft mit einem speziellenRaum für Kurzzeit-Arrest wurde imHerbst 2011 eröffnet. Im November2011 verabschiedete das ungarische Par-lament ein Gesetz, das „Leben im öffent-lichen Raum“ unter Strafe stellte.71

Im Dezember 2011 wandte sich derParlamentsbeauftragte für Bürgerrechtean das ungarische Verfassungsgerichtund forderte die Abschaffung der neuenAnti-Obdachlosengesetze und -erlasse:„Entsprechend der Sicht des Parlamen-tarischen Menschenrechtskommissarsermöglicht die neue Regelung (das Gesetzzur Gestaltung und zum Schutz der öf-fentlichen Umgebung von 2010) denEinsatz umfassender Polizeiaktivitätenauf öffentlichen Plätzen gegen obdachloseMenschen, indem sie obdachlose Men-schen kriminalisiert – dies entsprichtnicht den ungarischen Verfassungs- undden europäischen Menschenrechtsnor-men.“72 Zuvor hatte er das ungarischeInnenministerium sowie die BudapesterStadtverwaltung erfolglos zur Streichungder entsprechenden Passagen im neuenGesetz und dem entsprechenden Erlassaufgefordert.

Ein Jahr später, im Dezember 2012untersagte das ungarische Verfassungs-gericht die Kriminalisierung von Ob-dachlosen. Mit dem Urteil gab Ungarnshöchstes Gericht der Klage verschiedenerNGO’s gegen das Gesetz recht, das die„Nutzung öffentlichen Raumes für Wohn-zwecke“ untersagt und mit Geldstrafenoder Ersatzhaft ahndet. In der Urteils-begründung heißt es: „Der reine Um-stand, dass jemand im öffentlichen Raum

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lebt, beeinträchtigt nicht automatischdie Rechte anderer Menschen, verursachtnicht zwingend Schäden und gefährdetauch nicht per se die gewöhnliche Nutz-barkeit von öffentlichem Raum.“73

Am 11. März 2013 verabschiedetedas ungarische Parlament die „VierteNeufassung der Ungarischen Verfassung“,die unter anderem die Kriminalisierungvon Obdachlosigkeit und die BestrafungObdachloser ermöglicht. Das harteDurchgreifen gegen Obdachlose hat nundie Deckung durch eine Generalklauselin der ungarischen Verfassung (Artikel8, Absatz 3: „Ein Gesetz oder ein örtlichesDekret können die Nutzung bestimmteröffentlicher Plätze zum Übernachtenuntersagen, um die öffentliche Ordnung,

die öffentliche Sicherheit, die öffentlicheGesundheit und die kulturellen Wertezu schützen“74). Um das Verfassungsge-richt umgehen zu können, hat die Orbán-Regierung kurzerhand die Verfassungumgeschrieben.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Woh-nungslosenhilfe e.V. veröffentlichte am12.3.2013 eine Pressemitteilung anläss-lich der Verfassungsänderungen, in deres heißt: „Am Montag hat das ungarischeParlament wie erwartet mit seiner rechts-populistischen Mehrheit elementare Ver-fassungsrechte wohnungsloser Bürgeraußer Kraft gesetzt. Von nun an könnenWohnungslose, die zweimal innerhalbvon sechs Monaten im Freien nächtigen,mit je 500,- € Geldstrafe belegt werden.

Wer das nicht zahlen kann, landet imGefängnis. (…) Dies ist ein einmaligerRückschritt in der sozialpolitischen Nach-kriegsgeschichte Europas, in der Zug umZug alle so genannten Landstreicherpa-ragraphen aufgehoben wurden – inDeutschland mit der Strafrechtsreformvon 1974 (§ 361 StGB).“75

An dieser Stelle muss betont werden,dass sich für Flüchtlinge das Leben inder Obdachlosigkeit noch kompliziertergestaltet: Insbesondere diejenigen, dieaus einem anderen europäischen Landzurückgeschoben werden, haben großeSchwierigkeiten, überhaupt Zugang zuden raren Plätzen in den Obdachlosen-unterkünften Ungarns zu finden. Derungarische Parlamentsbeauftragte fürBürgerrechte schrieb hierzu in einemBericht:

„Personen, die Obdachlosenunter-stützung beantragen, müssen ihre An-spruchsberechtigung beweisen oder be-legen. Es war ein allgemeines Phänomenbei Flüchtlingen, die aus dem Auslandzurückkehrten, dass all ihre Dokumente,die sie zuvor mit Hilfe von Sozialarbeiternim Erstaufnahmelager erhalten hatten,entweder verloren gegangen oder abge-laufen waren. Nach Aussage der währendder Untersuchung interviewten Flücht-linge ist der Zugang zu den Nachtquar-tieren nur erlaubt, wenn die Flüchtlinge,wie es die reguläre Aufnahmeprozedurvorschreibt, ihre persönlichen Identifi-kationsdokumente und zudem ein me-dizinisches Zertifikat vorweisen können,dass sie keine Tuberkulose oder Parasiten(Läuse, Milben etc.) haben. Die Situationderjenigen Flüchtlinge, die kein ungarischsprachen, war erheblich verschlechtertdurch die Sprachbarriere. Zunächst hattensie Schwierigkeiten zu verstehen, warumsie aus den Notunterkünften wegge-schickt wurden. Die Mitarbeiter der Ob-dachlosen-Unterstützungsorganisatio-nen, die während der Untersuchung in-terviewt wurden, beanstandeten, dasssie keine entsprechenden Fremdspra-chenkenntnisse hätten und daher Orts-fremden nicht einmal erklären könnten,wo sich die Stationen für Lungen-Röntgen(in entfernteren Vierteln Budapests) be-finden und wie sie das Gesundheitsamt

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TROTZ BEENGTER VERHÄLTNISSE BEI WEITEM NICHT GENUG PLÄTZE: OBDACHLOSENUNTERKUNFT IN BUDAPEST

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erreichen könnten, um ein Zertifikatwegen der Parasiten zu bekommen. Einanderes Problem war, dass Ausländerohne Gesundheitsversicherung für diesesScreening zahlen müssen. Viele Flücht-linge merkten an, dass ihnen der Zugangzu den Notunterkünften verweigert wur-de, da sie nicht über die notwendigenDokumente verfügten und sie daher dieNacht auf der Straße verbringen mussten.Den Flüchtlingen wurde keine schriftlicheEntscheidung über die Ablehnung ihrerUnterbringung in der Notunterkunft ge-geben und so war es unmöglich, Beweisezu sammeln über die betreffenden In-stitutionen und die exakten Daten derAblehnungen.“76 <

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DEMONSTRATION VON OBDACHLOSEN VOR DEM PARLAMENT: „WIR KÄMPFEN FÜR DIR RECHTE ALLER MENSCHEN!“

„RECHTSSTAATLICHKEIT!“

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67 Vgl. Mariann Dósa und Éva Tessza Udvarhelyi: The increasing criminalization of homelessness in Hungary, in: HRWNewsletter Issue 4, Ok-

tober 2012, Seite 7 ff. Online: https://docs.google.com/file/d/0B4k9StDq8GYYRTgzb1VBcGdVWms/edit?pli=1.

68 Vgl. UN News Centre vom 15.2.2012: UN experts speak out against Hungarian law criminalizing homelessness. Online:

http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=41246#.UVtzDFdhdYE.

69 Frankfurter Rundschau vom 23.3.2013: Obdachlos in Ungarn - Weg von der Straße. Online: http://www.fr-online.de/politik/obdachlos-in-

ungarn-weg-von-der-strasse,1472596,22241408.html.

70 Vgl. taz vom 25.11.2011: Obdachlose in Budapest - Orbán soll nur kommen. Online: http://www.taz.de/Obdachlosein-Budapest/!82554/.

71 In unserem letzten Bericht vom Februar 2012 berichteten wir ausfuhrlich uber den damaligen Stand der Entwicklung.

72 Pressemitteilung des Office of the Commissioner for fundamental rights vom 7.3.2013: “According to the views of the Parliamentary Com-

missioner for Civil Rights, the new regulation (the Act on the shaping and protection of built environment, 2010) enables the use of boarder

police actions on public places against homeless people – thus criminalizing the homeless people – cannot match the Hungarian constitu-

tional and the European human rights norms”. Online: https://www.ajbh.hu/en/web/ajbh-en/press-releases/-/content/14315/24/the-om-

budsman-turns-to-theconstitutional- court-to-protect-the-rights-of-the-homeless-peop-1.

73 Zitiert nach taz vom 18.11.2012: Straffreiheit fur Obdachlose in Ungarn - Ein wenig Menschlichkeit“. Online: http://www.taz.de/!105746/.

74 Zitiert nach: Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. vom 12.03.2013. Online: http://www.bawo.at/file-

admin/user_upload/public/Dokumente/News/News_inter_national/13-03-12_PA_BAG_Wohnungslosenhilfe_Ungarn-verklagen-wg-Krimina-

lisierung-Wohnungsloser.pdf.

75 Ebd.

76 Report by the Parliamentary Commissioner for Civil Rights in case number AJB 1692/2010 (Related case: AJB420/2010), August 2011, Seite

18: “Persons applying for support as homeless people must prove or at least substantiate their eligibility. It was a common phenomenon

among refugees returning from abroad that all their documents, previously obtained with the help of the social workers at the reception

centre, were either lost or expired. According to the accounts of the refugees interviewed during the inquiry, access to night shelters is only

allowed if, as part of the usual administration, the refugees show their personal identification documents and also their medical certificates

verifying they do not have tuberculosis or parasites (lice, mites etc.). The situation of those refugees who do not speak Hungarian was signi-

ficantly worsened by the language barrier. Initially, they had a hard time understanding why they were sent away from shelters. However, the

staff members of homeless support organisations interviewed during the inquiry complained that, as they did not speak the necessary fo-

reign languages, they could not even explain to the foreigners who did not know the city well where exactly the different pulmonary scree-

ning stations (located in parts of Budapest distant from each other) are and how they can get to the public health institution issuing

certificates of parasite-free status. Another issue was that foreigners without a health insurance card had to pay for pulmonary screening.

Many of the refugees mentioned that as they did not have the documents required for the usual administration at the shelter, they were de-

nied access, and they had to spend the night outdoors. The refugees were not given a formal written decision on rejecting their application

for accommodation at the night shelter and so it was impossible to collect evidence on the affected institutions and the exact dates of re-

jection”. Online: migszol.com/files/2013/03/OmBudsman_Bicske_Homeless-refugees-2011.pdf.

FUSSNOTEN

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Zwangsarbeit unterhalb des Existenzminimums

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„Seitdem ich meine Papiere bekam, habeich jeden Tag nach Jobs gesucht, achtMonate lang nichts. Das einzige Ange-bot, dass sie manchmal machen, ist eineArbeit, für die du 47.000 Forint (ca. 158Euro) im Monat bekommst. Das sindgenau 4.000 Forint (ca. 13 Euro) zuvielfür die monatliche Unterstützung.Davon kannst du nicht mal eine Woh-nung mieten, geschweige denn dich er-nähren! Wenn du diese Arbeit nichtannimmst, dann bekommst du gar keinGeld mehr. Aber wie soll ich davon über-leben?“ (A.R. aus Afghanistan)

Die Rede ist hier von den sogenannten„Közmunkas“, einer Art verpflichtendemArbeitsdienst für Sozialhilfeempfänger -Innen, der absolviert werden muss, willman nicht völlig von jedweden Sozial-leistungen ausgeschlossen werden undder auch einigen Flüchtlingen aus demsogenannten „Pre-Integration Camp“ inBicske angeboten wurde. Unternehmerkönnen die Arbeiter auch für ein geringesEntgelt mieten. Für die Zeit, in der dasProgramm läuft – meistens nur in derwarmen Zeit, da laut Arbeitsgesetzbuchim Winter Wärmeräume und entspre-chende Kleidung zur Verfügung gestelltwerden müssen – erhalten die (Zwangs-)Beschäftigten 47.000 HUF (ca. 158 Euro)pro Monat, in den restlichen Monaten22.000 HUF (ca. 74 Euro).77

„Wer die Közmunka, die „gemeinnüt-zige“ Arbeit verweigert oder das Pro-gramm unentschuldigt abbricht, verliert

3 Jahre den Anspruch auf jegliche staat-liche Leistungen (Sozialhilfe im Monatum die 90 EUR). Oft ist der Betroffenejedoch vom Gutdünken seines Aufsehersund des Dorfnotars abhängig, was als'entschuldigt' gewertet wird und wasnicht. Wer bis zu 40 Stunden in der Wo-che den Anordnungen folgt, darf miteiner Aufstockung seiner Sozialhilfe umrund 70 EUR pro Monat rechnen“78, soder Pester Lloyd im Juni 2012. ZumVergleich: Der gesetzliche Mindestlohnin Ungarn liegt bei 98.000 HUF (ca. 330Euro).79 Bei einer Vollzeittätigkeit in denstaatlichen Beschäftigungsprogrammenbeträgt das Einkommen somit gerademal die Hälfte des gesetzlichen Min-destlohns.

Auch der parlamentarische Ombuds-mann für Minderheiten in Ungarn, Dr.Ernö Kallai, kritisierte 2012 ausführlichdie sogenannten Beschäftigungspro-gramme – vor allem wegen ihrer diskri-minierenden Auswirkungen. Der PesterLloyd schreibt über seinen Bericht: „Be-sonders ausführlich geht er auf die Um-stände und Umsetzung des 'öffentlichenBeschäftigungsprogrammes' ein, das erstin diesem Jahr so richtig landesweit an-rollen wird und wozu in Gyöngyöspataim Sommer fünf Modellprojekte statt-fanden, wohl auch um den Leidensdruckder Betroffenen zu testen. Er weist nach,das es nicht, wie offiziell beabsichtigt,ein Instrument zur Motivierung arbeits-fähiger Sozialhilfeempfänger ist, sichum geregelte Arbeit zu kümmern und

dem Staat nicht auf der Tasche zu liegen,sondern dass es gezielt für rassistischmotivierte Schikanen eingesetzt wird,an deren Ende der vollständige Entzugder Existenzgrundlage stehen kann, mitdem durchaus gewünschten Ziel der Ver-treibung der ungarischen Roma aus denWohnorten der Mehrheitsungarn. Wäh-rend die Roma des Ortes mit sinnlosen,aber anstrengenden körperlichen Tätig-keiten beauftragt wurden, werden 'ma-gyarische' Sozialhilfeempfänger als derenAufseher eingesetzt und auf diese Weisegeschont. Kallai warnt vor den Konse-quenzen, sollte das Gesetz zukünftigmit all seinen Möglichkeiten angewendetwerden, die auch die verpflichtende 'Ver-schickung' an ferne Arbeitsorte, inkl.Übernachtung in Behelfsunterkünften,beinhaltet. Damit wird, von der grund-sätzlich menschenrechtlich geächtetenUngleichbehandlung, auch das Recht aufFamilie verletzt. Weiterhin wurde fürdie 'Entlohnung' der 'Zwangsarbeiter' ei-gens der Mindestlohn außer Kraft gesetzt,sie bekommen - nach einer großzügierenRegelung in der Modellphase' nur nocheinen Aufschlag von ca. 50 bis max. 80EUR auf die Sozialhilfe sowie Fahrgeld.“80

Abgesehen von dem beschriebenenstaatlichen Arbeitsprogramm ist es fürFlüchtlinge in Ungarn de facto kaummöglich, Arbeit zu finden, denn vieleshängt von Beziehungen und Kontaktenab. Da es in Ungarn zahlenmäßig nen-nenswerte Communities aber nur vonMigrantInnen aus der Ukraine, Serbien

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Z W A N G S A R B E I T U N T E R H A L B D E S E X I S T E N Z M I N I M U M S

und China gibt81, ist es vor allem für af-ghanische und somalische Flüchtlingenahezu unmöglich, eine Arbeit zu finden.Auch im zweiten Jahr unserer Recherchebegegneten wir kaum einem anerkanntenFlüchtling in Ungarn, der eine Arbeithatte – nicht einmal informelle Jobs,etwa im Baugewerbe oder in Restaurants.Diejenigen, die keine Verwandten in an-deren europäischen Ländern haben, diesie finanziell unterstützen können, kön-nen daher schlichtweg nicht in Ungarnbleiben und sind gezwungen, in andereeuropäische Länder weiterzuwandern.Denn auf ein soziales Netzwerk, das inUngarn im Regelfall aus der Familie be-steht und das einen in Zeiten der Ar-beitslosigkeit unterstützen kann, könnensie zumeist nicht zurückgreifen. <

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77 Vgl. http://republikschilda.blogspot.de/2012/12/wir-stehen-hilflos-hier-herum.html, Original auf ungarisch in Magyar Narancs 2012/47 (22.

November 2012). Online: http://magyarnarancs.hu/kismagyarorszag/tehetetlenul-allunk-82592.

78 Pester Lloyd vom 22.06.2012: Brigade zur "Schöneren Zukunft". Online:

http://pesterlloyd.net/html/1225kozmunka.html.

79 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich, 15.01.2013. Online: http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk?angid=1&stid=709207&dstid=598.

80 Pester Lloyd vom 01.02.2012: Der Kallai-Bericht belegt amtlichen Rassismus in Ungarn. Online:

http://www.pesterlloyd.net/2012_05/05kallaibericht/05kallaibericht.html.

81 Vgl. Englischsprachige Statistiken des OIN. Online: http://www.bmbah.hu/statisztikak_ENG_49.xls.

FUSSNOTEN

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Rassismus, Anwohnerproteste undHate Crime in Ungarn

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In unserem im März 2012 erschienenenUngarn-Bericht berichteten wir auchüber rassistische Übergriffe, denen ins-besondere obdachlose Flüchtlinge inBudapest ausgesetzt sind. Im Laufe desletzten Jahres kam es darüber hinaus zueiner Reihe von Demonstrationen gegenFlüchtlingsunterkünfte sowie zu rassis-tisch motivierten Übergriffen außerhalbvon Budapest. Einige der Ereignisse wer-den wir im Folgenden dokumentieren.

BALASSAGYARMAT

In der Kleinstadt Balassagyarmat, diedirekt an der ungarisch-slowakischenGrenze liegt und knapp über 15.000Einwohner hat, befindet sich ein Flücht-lingslager, dessen BewohnerInnen dasLager zwar tagsüber verlassen dürfen,in der Nacht besteht allerdings Anwe-senheitspflicht. Weiterhin erhalten dieBewohnerInnen keinerlei finanzielle Un-terstützung und dieselbe Verpflegungwie die Insassen des örtlichen Gefäng-nisses. Wir bezeichnen Balassagyarmatdaher als „halboffenes Lager“. In Balas-sagyarmat leben vor allem Personen, de-ren Asylanträge negativ beschieden wur-den, sowie Personen, die im Rahmender Dublin-II-Verordnung nach Ungarnzurücküberstellt wurden.82 Im Juli 2012verbreitete sich nach einem Vergewalti-gungsvorwurf eines 16-jährigen Mäd-chens aus Balassagyarmat gegen einender Lager-Bewohner eine xenophobeGrundstimmung in der Stadt. Diesenahm auch nicht ab, als die Jugendlichenach einigen Tagen öffentlich erklärte,dass es sich bei dem Vergewaltigungs-

vorwurf um eine Ausrede handelte, umdas nächtliche Fernbleiben von Zuhausezu rechtfertigen. Im Zuge der aufgeheiz-ten Stimmung wurden auch zwei De-monstrationen gegen das Lager organi-siert. Eine dieser Demonstrationen (am2. August 2012) wurde von der ungari-schen Neonazi-Partei Jobbik83 unter-stützt: Der Jobbik-Parlamentsabgeord-nete Zagyva György Gyula richtete sichmittels eines Übersetzers direkt an dieLager-BewohnerInnen und kündigte an,dass dies nur der Auftakt sei, da dieses„Problem“ ohne zivilen Ungehorsamnicht zu lösen sei, obwohl zu diesemZeitpunkt bereits öffentlich bekanntwar, dass der Vergewaltigungsvorwurfunzutreffend war. Bereits vor der De-monstration wurden 1.700 Unterschrif-ten mit dem Ziel der Schließung des La-gers gesammelt.84 Weiterhin gründetesich eine Facebook-Gruppe, welche eben-falls die Schließung des Lagers forderteund am 28. August 2012 bereits 3.724UnterstützerInnen zählte.85 In dieseraufgeheizten Stimmung kam es zu meh-reren körperlichen Angriffen auf die Be-wohnerInnen des Lagers. So berichtetetwa einer der Bewohner auf einem In-ternet-Video der ungarischen Online-Zeitung HVG von einem Angriff von 15Skinheads auf sich und seine Freundin.In diesem Video wird zudem ein weitererBewohner interviewt, welcher ebenfallsvon einem Angriff von zehn bis zwölfPersonen auf sich berichtet. Weiterhinberichtet er von der Untätigkeit der lo-kalen Polizei, die ihn, als er Anzeige er-statten wollte, einfach wegschickte.86 AlsReaktion auf diese Hate Crimes organi-

sierte das ungarische Helsinki Komiteeam 13.2.2013 einen Workshop für dieBewohnerInnen des Lagers in Balassa-gyarmat, um darüber aufzuklären, wiemit derartigen Hate Crimes umgegangenwerden kann. Von diesem Workshopexistiert ebenfalls eine Videoaufzeich-nung, in der mehrere Personen von wei-teren Übergriffen berichten.87 Über dieseVeranstaltung berichtete auch eine zwi-schenzeitlich aktiv gewordene Webseite,die die Schließung des Lagers forderteund kritisierte, dass sich das HelsinkiKomitee nicht um die ungarischen Opferin Balassagyarmat kümmern würde.88

Weiterhin wurde auf der Webseite dazuaufgerufen, die Polizei zu informieren,wenn BewohnerInnen des Lagers nach22.00 Uhr auf der Straße angetroffenwerden.89 Zudem wurde über die Über-gabe einer Petition mit insgesamt 2.567UnterzeichnerInnen berichtet, die dieForderung nach einer Schließung desLagers zum Inhalt hatte.90 Auf der Web-seite sind auch zwei Videos verlinkt, aufdenen Zagyva György Gyula im Parla-mentsgebäude ein Interview gibt91 undsich im Rahmen einer Parlamentssitzungzu dem Lager in Balassagyarmat äußert92.Im Rahmen dieser Parlamentssitzungsprach er unter anderem davon, dass essich bei den BewohnerInnen des Lagersnicht um Flüchtlinge, sondern um Kri-minelle handeln würde, die größtenteilsbereits in ihren Herkunftsländern kri-minell gewesen seien. Die Frage, die eranschließend an den Staatssekretär desInnenministers richtete, bezog sich da-rauf, ob es Pläne zur Verlegung desLagers gebe. Dies wurde vom Staatsse-

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kretär verneint, er verwies allerdingsdarauf, dass, ausgelöst durch eine Be-schwerde des Bürgermeisters an das In-nenministerium, nun strengere Regelnangewandt würden. In dem anderen Vi-deo fordert Zagyva György Gyula in ei-nem Interview, das Lager an einen Ortzu verlegen, an dem im Umkreis von 30Kilometern keine Menschen leben undbezichtigt das Helsinki Komitee, nichtdie Rechte der Menschen zu schützen,sondern nur jene von Gesetzesbrechernund „Anti-Sozialen“, dies habe man be-reits in Gyöngyöspata93 gesehen.

DEBRECEN

Am Abend des 18.5.2013 veranstalteteJobbik einen Fackelmarsch in Debrecen,um gegen das dortige Erstaufnahmelagerzu demonstrieren, welches momentanaufgrund der drastisch angestiegenenAsylantragszahlen massiv überbelegt ist.Laut der ungarischen Online-Zeitungindex.hu leben gegenwärtig etwa 1.100Menschen in dem Lager, einige schlafenauf Matratzen im Essensraum und inLagerhallen.94 An der Demonstration,welche direkt am Lager vorbei führte,

nahmen etwa 200 Personen teil. Auf ei-nem Internetvideo der Demonstrationsind gespenstische Szenen zu sehen: Inder Dunkelheit entfalten die Fackelneine extrem bedrohliche Wirkung, zudemhalten einige TeilnehmerInnen nicht nurnationalistische Fahnen, sondern tragenauch die Uniform der „Ungarischen Gar-de“.95 Anstatt sich konsequent von derJobbik-Forderung nach der Schließungdes Camps zu distanzieren, verkündeteder der Fidesz-Partei angehörende Bür-germeister von Debrecen, Lajos Kósa:„Wenn die Situation so bleibt, wie sieist, muss das Aufnahmezentrum aus derStadt entfernt werden“96. Es verwundertsomit kaum, dass Jobbik am 19.6.2013erneut einen Fackelmarsch veranstaltete,an dem sich diesmal etwa 150 Personenbeteiligten. Der Fraktionschef von Jobbik,Tibor Agoston, und der Jobbik-„Experte“Robert Herpergel listeten während derDemonstration die „Gräueltaten“ auf,welche angeblich von den BewohnerInnendes Flüchtlingslagers verübt wordenseien.97

VÁMOSSZABADI

Auch in dem Dorf Vámosszabadi, inder Nähe von Györ, kam es zu massiven,ebenfalls von Jobbik unterstützten Pro-testen gegen die Eröffnung eines offenenFlüchtlingslagers für 216 Personen. Sowies Jobbik darauf hin, dass die Situationso wie in Debrecen werden könnte unddamit das Leben der DorfbewohnerInnenzur Hölle werden würde.98 Der stellver-tretende Bürgermeister, Norbert Kuko-relli, betonte auf der Webseite der Ge-meinde, dass die negativen Auswirkungendes Lagers selbst in Györ zu spüren seinwürden.99 Weiterhin kündigten mehrereUnternehmen an, ihr Engagement inVámosszabadi einzustellen bzw. ihre ge-planten Investitionen zu überdenken.Eine lokale Zeitung verbreitete, dassdurch die Eröffnung des Lagers 140 Ar-beitsplätze verloren gehen würden.100

Im Zuge der Debatte um die Errichtungdes Camps äußerte sich Pintér Sándor,der ungarische Innenminister, dahinge-hend, dass es bereits genug Flüchtlingein Ungarn gebe.101 Im Zuge der Protestekam es auch zu Demonstrationen undeiner Petition, die von 4.000 Personen

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PLAKAT VON JOBBIK: „WILLST DU DIE BLUTSAUGER STOPPEN? DANN BIST DU EIN JOBBIK-WÄHLER!“

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unterzeichnet wurde.102 In einem Artikelauf einem lokalen Online-News-Portalwurde ein Arzt dahingehend zitiert, dassdie Flüchtlinge eventuell gefährlicheKrankheiten verbreiten könnten.103

Auch wenn die Ereignisse in Gyön-gyöspata im Frühjahr 2011 nach wievor eher die Ausnahme als die Regel dar-stellen, so belegen sie doch eindrucksvoll,welche politische Gefahr von der Ver-knüpfung lokaler Mehrheitsinteressen,der Intervention der extremen Rechten– hier vor allem Jobbik – und der Untä-tigkeit der ungarischen Regierung aus-gehen kann: In Gyöngyöspata wurdenschlussendlich 200 Roma aus dem Dorfevakuiert und im Juli 2011 gewann einJobbik-Bürgermeister die Wahlen.104 Wiedie jüngsten Proteste gegen lokale Flücht-lingslager zeigen, richtet sich diese un-heilvolle Koalition nun nicht mehr nurgegen Roma, sondern auch gegen Flücht-linge allgemein. Wohin dies genau führt,wird die Zukunft zeigen müssen, zu be-fürchten steht allerdings eine weitereVerschlechterung der Lebensbedingungenvon Flüchtlingen und Asylsuchenden inUngarn aufgrund sich weiter ausbrei-tenden xenophoben Einstellungen in-nerhalb der ungarischen Mehrheitsbe-völkerung. <

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JOBBIK: „EU: WIR KÖNNEN AUCH NEIN SAGEN!“

JOBBIK-DEMONSTRATION GEGEN DAS ERSTAUFNAHMELAGER IN DEBRECEN

AM 18.5.2013

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33

82 Darunter auch vier syrische Staatsangehörige, die im Februar 2013 von Deutschland nach Ungarn überstellt wurden und die zum Gegen-stand der BT-Drucksache 17/9297 wurden.

83 Jobbik erhielt bei den letzten Parlamentswahlen in Ungarn im Jahr 2010 über 16 % der Stimmen.

84 Vgl. hvg.org vom 10.8.2013. Online: http://hvg.hu/itthon/20120810_balassagyarmat_menekultek.

85 Vgl. Screenshot der Facebook-Seite vom 28.8.2012.

86 Vgl. Video der ungarischen Online-Zeitung hvg.org vom 21.9.2012. Online:http://www.youtube.com/watch?v=ImxMZ0HM9E&feature=youtu.be.

87 Das Video ist zu finden auf der Webseite des ungarischen Helsinki Komitees: http://helsinki.hu/en/forum-on-hatecrime-in-balassagyar-mat.

88 Vgl. Artikel auf der Webseite www.szivenszurtvaros.hu. Online: http://www.szivenszurtvaros.hu/2013/02/ebedreinvitalta-helsinki-bizottsag.html.

89 Vgl. Artikel auf der Webseite www.szivenszurtvaros.hu. Online:http://www.szivenszurtvaros.hu/2013/03/magyarrendszervalto-elit-szokas-szerint.html.

90 Vgl. Artikel auf der Webseite www.szivenszurtvaros.hu. Online: http://www.szivenszurtvaros.hu/2013/02/tobb-mint-2500-kovetelik-az.html.

91 Vgl. http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=s09Za8WJ_js.

92 Vgl. http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=zdCiiPKiwik.

93 In Gyöngyöspata kam es im Fruhjahr 2011 zu pogrom-ähnlichen Übergriffen gegen die örtlichen Roma, nachdem dort wiederholt rechts-radikale und paramilitärische Gruppierungen aufmarschiert waren. Vgl. dazu etwa Spiegel Online vom 29.4.2011: „Rechtsextremisten in Un-garn: 'Kommt raus, Zigeuner, heute werdet ihr sterben!'“. Online:http://www.spiegel.de/politik/ausland/rechtsextremisten-in-ungarn-kommt-raus-zigeuner-heute-werdet-ihrsterben-a-759640.html.

94 Vgl. index.hu vom 20.6.2013. Online: http://index.hu/belfold/2013/06/20/fokozott_vedekezes_a_statisztaturistak_ellen/.

95 Vgl. http://www.youtube.com/watch?v=6OE1iVLk0A4.

96 Vgl. Pressemitteilung von Migráns Szolidaritás vom 18.5.2013. Online: http://migszol.com/cikk/514.

97 Vgl. dehir.hu vom 19.6.2013. Online: http://www.dehir.hu/debrecen/menekulttabor-faklyas-felvonulassal-tiltakozott-ajobbik/2013/06/19/.

98 Vgl. index.hu vom 16.6.2013. Online: http://index.hu/belfold/2013/06/16/a_jobbik_tiltakozik_a_vamosszabadi_menekulttabor_ellen/.

99 Vgl. hvg.org vom 17.6.2013. Online: http://hvg.hu/itthon/20130617_Vamosszabadi_nem_akar_menekulttabort.

100 Vgl. kisalfold.hu vom 18.6.2013. Online: http://www.kisalfold.hu/gyori_hirek/menekulttabor_-_ujabb_fejlesztes_maradna_el_vamossza-badin/2338124/.

101 Vgl. index.hu vom 20.6.2013. Online: http://index.hu/belfold/2013/06/20/hiaba_tiltakoztak_lesz_menekulttabor_vamosszabadiban/.

102 Vgl. kisalfold.hu vom 29.6.2013. Online:http://www.kisalfold.hu/gyori_hirek/elolancos_tiltakozas_a_vamosszabadi_menekulttabor_ellen__video_foto/2339790/

103 Vgl. gyor.hir24.hu vom 25.6.2013. Online: http://gyor.hir24.hu/gyor/2013/06/25/fertozo-betegsegeket-hozhatnak-amenekultek-vamossza-badira/

104 Vgl. Norwegisches Helsinki Komitee: Democracy and human rights at stake in Hungary - the Viktor Orbán government’s drive for centra-lisation of power, S. 51. Online: http://nhc.no/filestore/Publikasjoner/Rapporter/2013/Rapport_1_13_web.pdf

FUSSNOTEN

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D I E O D Y S S E E D E S S A M I R E .

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Samir E. sitzt in der Landeserstaufnah-mestelle in Karlsruhe und sagt: „Wennihr meine ganze Geschichte hören wollt,dann müsst ihr ein ganzes Buch schrei-ben.“ Wir einigen uns darauf, es bei demTeil der Geschichte zu belassen, der inEuropa spielt, und merken auch daschnell: auch das könnten einige Kapitelwerden.

2008 kommt Samir E. in Europa an.Auf der griechischen Insel Lesvos wirder (wie tausende Flüchtlinge in diesemJahr) zunächst im berüchtigten Insel-gefängnis Pagani inhaftiert, das 2009nach massiven Protesten vom grie-chischen Innenminister als „Dantes In-ferno“ bezeichnet und geschlossen wurde.Das ist nur der Anfang seiner Odysseedurch Europa.

Im Oktober 2008 gelingt es ihm, ausGriechenland weiterzufliehen. Er schafftes bis nach Norwegen, ganz in den Nor-den Europas. Nach zehn Monaten wirder von Oslo nach Athen abgeschoben:Griechenland sei für seine Einreise ver-antwortlich, gemäß der Dublin-II-Ver-ordnung solle dort sein Asylverfahrendurchgeführt werden. In Athen verbringter einen Monat in einer Polizeizelle amFlughafen, dann wird er auf die Straßegeworfen. Es gelingt ihm nicht, Zugangzum Asylverfahren zu bekommen, erlebt auf der Straße.

2009 flieht er erneut aus Griechen-land, diesmal nach Deutschland. In Frank-furt stellt er einen Asylantrag und wirddirekt in Abschiebungshaft genommen,zunächst einige Wochen in Preungesheim,

später im Abschiebungsgefängnis Offen-bach. Nach etwa zwei bis drei MonatenHaft wird er von Frankfurt erneut nachAthen abgeschoben. Wieder bleibt ermehrere Wochen im Athener Flughafenin Gewahrsam, wieder landet er danachauf der Straße.

Beim dritten Anlauf im Frühjahr 2010versucht er es auf dem Landweg, über-quert zu Fuß die Grenze nach Mazedo-nien und reist dann über Serbien nachUngarn. In Ungarn wird er aufgegriffen.Er stellt einen Asylantrag und wird den-noch in Haft genommen, zunächst inNyírbátor, danach in Zalaergerszeg. Nachsechs Monaten Haft wird er erneut nachGriechenland abgeschoben. Wieder sitzter für Wochen im Gewahrsam am Flug-hafen in Athen, wieder muss er auf derStraße leben.

Beim vierten Mal schafft er es bis indie Niederlande. Dort wiederholt sichdie Geschichte erneut – bis auf ein Detail,welches sich verändert hat: Es ist inzwi-schen 2011 und es gibt mittlerweile einUrteil des Europäischen Gerichtshofsfür Menschenrechte, welches besagt,dass Rückschiebungen nach Griechenlandeinen Verstoß gegen die EuropäischeMenschenrechtskonvention darstellen.Nahezu alle Mitgliedstaaten der EU schie-ben daher inzwischen nicht mehr nachGriechenland ab. Dennoch bleibt SamirE. auch in den Niederlanden sechs Mo-nate in Haft: Denn nun halten die Be-hörden Ungarn für zuständig für dieDurchführung seines Asylverfahrens.

Im Oktober 2011 kommt Samir E.erneut in Ungarn an. Allerdings wird erdiesmal nicht nach Griechenland wei-tergeschoben und Ungarn erkennt SamirE. schließlich als Flüchtling an. Aber imNovember 2012 droht ihm erneut dieObdachlosigkeit. Er erkennt schnell, dasses in Ungarn zwar anders ist als in Grie-chenland, er aber immer noch nicht inSicherheit ist.

Fünf Jahre auf der Flucht, Haft invier verschiedenen europäischen Ländern,unterbrochen von Monaten auf der Stra-ße in Athen. Fünf Jahre verlorenes Leben,nennt er diese Jahre. Jetzt hat er endlichPapiere und könnte anfangen, sich einLeben aufzubauen – aber es fehlt ihmdie Grundlage dazu: keine Arbeit, keineWohnung, keine Perspektive auf Inte-gration. Im Juni 2013 steigt Samir E.zusammen mit 70 anderen, die sich inderselben verzweifelten Lage befinden,in einen Zug und fährt nach Deutschland:„Ich probiere es jetzt noch einmal undwenn sie mich wieder abschieben, danngehe ich irgendwie zurück nach Afgha-nistan. Ich bin gegangen, um zu leben.Aber jetzt denke ich, es ist besser ir-gendwann ermordet zu werden, denndas geht schnell. In Ungarn stirbst dujeden Tag ein bisschen, quälend langsam.“<

Die Odyssee des Samir E.

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Zusammenfassung und Bewertung

Zur Beantwortung der Frage, welcheKonsequenzen im Anschluss an eine(Dublin-)Überstellung nach Ungarn zuerwarten sind, und ob dieser tatsächli-che und/oder rechtliche Bedenken ent-gegenstehen, muss zunächst einmalzwischen zwei grundsätzlich verschiede-nen Ausgangssituationen unterschiedenwerden: Verfügt der/die Betroffene übereinen regulären Aufenthaltstitel auf-grund eines Schutzstatus in Ungarnoder ist dies (noch) nicht der Fall? Trifftletzteres zu, kann es zu einer Inhaftie-rung kommen:

Im Zuge der Gesetzesänderung, diezum 1. Juli dieses Jahres in Kraft trat,wurde die Inhaftierung von Asylsuchen-den wieder eingeführt. Die Gründe, dieeine Inhaftierung rechtfertigen, sindderart weit gefasst, dass sie de facto fürjeden Asylsuchenden Anwendung fin-den können. Inwieweit und in welchemAusmaß hiervon tatsächlich auch Dub-lin-RückkehrerInnen ohne Aufenthalts-titel betroffen sind, ist zumgegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht ab-zusehen. Wie in diesem Bericht darge-legt wurde, scheinen allerdings einigeInhaftierungsgründe (wie etwa die „Be-hinderung des Asylverfahrens“) in be-sonderem Maße aufDublin-RückkehrerInnen anwendbar zusein.

Die richterliche Überprüfung derHaft erfolgt ausschließlich in 60-Tage-Intervallen, wobei an der Rechtsstaat-lichkeit dieses Verfahrens ernsthafteZweifel bestehen, da es durch dieselbenGerichte erfolgt, die in den Jahren 2011

und 2012 nur in drei von insgesamtetwa 5.000 gerichtlichen Entscheidun-gen die Inhaftierung von MigrantInnenbeendeten.

Auch der UNHCR geht davon aus,dass die wiedereingeführte Inhaftierungvon Asylsuchenden einen Verstoß gegendie Europäische Menschenrechtskon-vention (EMRK) darstellen könnte. Inder Vergangenheit wurde Ungarn be-reits in mehreren Fällen hinsichtlich derInhaftierung von Asylsuchenden vomEuropäischen Gerichtshof für Men-schenrechte verurteilt.

Auch minderjährige Asylsuchendekönnen (allerdings nur gemeinsam mitihren Familien) inhaftiert werden, wobeivon einem Verstoß gegen die UN-Kin-derrechtskonvention ausgegangen wer-den muss.

Zu den Bedingungen in den Inhaftie-rungseinrichtungen für Asylsuchendekönnen zum gegenwärtigen Zeitpunktnoch keine Aussagen getroffen werden.Es wird erst in einigen Monaten möglichsein, zu bewerten, ob sich die in der Ver-gangenheit u.a. vom UNHCR heftig kri-tisierten Zustände tatsächlichverbessert haben.

Personen, die über eine Flüchtlings-anerkennung bzw. einen subsidiärenSchutzstatus in Ungarn verfügen, sindnach einer (Dublin-)Überstellung insbe-sondere der Gefahr der Obdachlosigkeitund mangelhaftem Zugang zu medizi-nischer Versorgung ausgesetzt. Dabeiist natürlich zu bedenken, dass auch

Personen mit noch laufenden Asylver-fahren mittelfristig mit den hier aufge-führten Problemen konfrontiert sind:

Nach sechs (für Alleinstehende) bzw.zwölf (für Familien) Monaten ab der Zu-erkennung eines Schutzstatus müssendie Betroffenen das sogenannte „Pre-In-tegration Camp“ in Bicske verlassen.Wie in diesem Bericht detailliert darge-stellt wurde, reichen die im Anschlussdaran zur Verfügung stehenden finan-ziellen Unterstützungsleistungen imRegelfall nicht aus, um davon eine Woh-nung und den Lebensunterhalt zu finan-zieren. Zudem ist die Auszahlung anBedingungen geknüpft, die von den Be-troffenen oftmals nicht erfüllt werdenkönnen.

In den Obdachloseneinrichtungenstehen nur begrenzt Plätze zur Verfü-gung und der Zugang zu diesen ist ins-besondere für Flüchtlingeproblematisch. Es kann nicht davon aus-gegangen werden, dass (Dublin-) Rück-kehrerInnen nach ihrer Ankunft inUngarn dort einen Platz erhalten, ganzabgesehen von den dortigen Zuständen.In besonderem Maße sind hiervon Fa-milien mit Kindern betroffen, da vieleder Unterkünfte nur für Erwachsene zu-gänglich sind.

Das Nächtigen im Freien kann, lauteiner kürzlich erfolgen Verfassungsän-derung, mit Geld- bzw. Freiheitsstrafegeahndet werden.

Ohne festen Wohnsitz haben vieleBetroffene aufgrund bürokratischer

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Hindernisse keinen Zugang zu ausrei-chender Gesundheitsversorgung. Auf-grund unzureichender Finanzierungkann die NGO Cordelia psychologischeund psychiatrische Behandlung nur fürdie BewohnerInnen einiger Lager/Haft-einrichtungen für Flüchtlinge anbieten,allerdings nicht für Personen, die dortnicht wohnen. De facto ist somit eine(Weiter-)Behandlung für viele Flücht-linge mit einer Posttraumatischen Belas-tungsstörung (PTBS) unmöglich.

Von gleichwertigen Asylverfahren undAufnahmestandards sind die Staaten derEU nach wie vor weit entfernt. Flücht-lingsschutz bedeutet mehr als ein StückPapier: Den Betroffenen muss sich einerealistische Perspektive eröffnen, sichin die jeweilige Gesellschaft zu integrierenund ein Leben in Würde zu führen. Istdies nicht möglich, wird es immer Wei-terwanderung geben.

Verschiedene hohe nationale und in-ternationale Gerichte haben darauf ver-wiesen, dass ein Leben in absoluterArmut unvereinbar mit dem Gedankendes Flüchtlingsschutzes ist. So stellteetwa das Bundesverwaltungsgericht be-reits 1989 fest: „Entscheidend ist, obder politisch Verfolgte im Drittstaatnach Maßgabe der dort bestehenden Le-bensverhältnisse bei generalisierenderBetrachtung eine – wenn auch beschei-dene – Lebensgrundlage finden kann,er also im Drittstaat nicht hilflos demTod durch Hunger und Krankheit aus-gesetzt ist oder nur ein Dahinvegetierenam Rande des Existenzminimums zu er-warten hat“105. In eine ähnliche Richtung

geht auch die wegweisende M.S.S.-Ent-scheidung des Europäischen Gerichtshofsfür Menschenrechte (EGMR) vom Januar2011, in welcher festgestellt wird, dassauch eine „Situation äußerster materiellerArmut“ einen Verstoß gegen Artikel 3der EMRK darstellen kann.106 DieserRechtsauffassung schloss sich der Euro-päische Gerichtshof (EuGH) im Dezember2011 an und untersagt (unter Bezug-nahme auf Artikel 4 der EuropäischenGrundrechtecharta, der Artikel 3 EMRKentspricht) Überstellungen in einen Staat,wenn dort von „systemischen Mängeln“im Asylverfahren oder hinsichtlich derAufnahmebedingungen ausgegangenwerden muss.107 Wie im vorliegendenBericht ausführlich dargelegt wurde, istin Ungarn derzeit von „systemischenMängeln“ in den Aufnahmebedingungenauszugehen, insbesondere im Hinblickauf jene Personen, deren Zeit im soge-nannten „Pre-Integration Camp“ in Bicskeabgelaufen ist. Es ist aufgrund des mas-siven Anstiegs von Asylanträgen davonauszugehen, dass die „systemischen Män-gel“ noch weiter zunehmen werden. Sollteder Großteil der AntragstellerInnen, dersich wohl weitestgehend bereits in an-deren EU-Staaten aufhält, tatsächlichzurück nach Ungarn überstellt werden(so wie es die Dublin-Verordnung vor-sieht), werden die vorhandenen Aufnah-meeinrichtungen für Asylsuchende undPersonen mit einem Schutzstatus kei-nesfalls in der Lage sein, eine menschen-würdige Unterbringung zu gewährleisten.Deren Kapazitätsgrenze ist bereits jetztüberschritten – was unter anderem zurUnterbringung von Asylsuchenden inZelten führte.

Solange bei Dublin-Überstellungennicht sichergestellt werden kann, dassAsylantragstellende nicht unter men-schenunwürdigen und rechtsstaatlichäußerst fragwürdigen Bedingungen in-haftiert werden ist eine Überstellungnicht vertretbar. Wenn selbst anerkannteFlüchtlinge oder subsidiär Schutzberech-tigte gezwungen werden, unter un-menschlichen Bedingungen in Ungarnauf der Straße zu leben und nicht nurkeine hinreichende Unterstützung seitensder Regierung erhalten, sondern darüberhinaus in Gefahr geraten, aufgrund derObdachlosigkeit zudem kriminalisiertzu werden, so müssen die übrigen EU-Mitgliedstaaten Verantwortung für dieseGruppe übernehmen. Der vorliegendeBericht, Stellungnahmen des ungarischenHelsinki Komitees und des UNHCR do-kumentieren „systemische Mängel“ hin-sichtlich der Aufnahmebedingungen inUngarn. Deswegen muss grundsätzlichvon Abschiebungen nach Ungarn abge-sehen werden. <

36

Z U S A M M E N F A S S U N G U N D B E W E R T U N G

105 BVerwG Urteil vom 30.05.1989, Az. 9 C 44/88, Rn. 9 – zitiert nach juris = NVwZ 1990, 81ff.

106 EGMR, Urteil vom 21.1.2011, 30696/09, Rn. 252.

107 EuGH, Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, Rn. 86.

FUSSNOTEN

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D A N K S A G U N G

37

Wie bereits bei unserem ersten Bericht,basiert der nun vorliegende Bericht vorallem auf Gesprächen mit Menschen mitsehr unterschiedlichen Hintergründen.Allen, die uns unterstützt haben, möch-ten wir herzlich danken. Wir haben vieleerschütternde Berichte gehört, nicht allehaben in diesen Bericht Eingang findenkönnen und dennoch sind auch sie sehrwichtig gewesen, denn sie haben uns be-wegt und angetrieben. Wir wissen, wieschwer es vor allem für diejenigen war,die von ihren eigenen leidvollen Erfah-rungen berichtet haben. Wir möchtenuns an dieser Stelle daher ausdrücklichfür das uns entgegengebrachte Ver-trauen bedanken. Ein wesentlicher Un-terschied zu unserem ersten Berichtwird bereits an der Bebilderung diesesBerichts deutlich: Unser ausdrücklicherDank gilt der Gruppe der protestieren-den Flüchtlinge in Ungarn, von deneninzwischen viele in Baden-Württembergleben. Sie selbst haben ihre Stimme er-hoben und die untragbaren Zuständevor Ort und auch in Deutschland zumThema gemacht. Sie haben diesenSchritt ausdrücklich nicht allein für sichund die Zukunft ihrer eigenen Kindergetan, sondern auch in Solidarität mitall jenen, die diesen schwierigen Wegnoch vor sich haben. <

Danksagung

KUNDGEBUNG IN BADEN-WÜRTTEMBERG

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BESCHLÜSSE DUBLIN-FÄLLE:

12.09.2013: VG Freiburg

28.08.2013: VG Freiburg

24.07.2013: VG Frankfurt/Oder

03.07.2013: VG München

13.06.2013: VG Hamburg

11.04.2013: VG Magdeburg

21.03.2013: VG Augsburg

18.03.2013: VG Hannover

26.02.2013: VG Darmstadt

08.01.2013: VG Augsburg

07.01.2013: VG Ansbach

22.11.2012: VG München

16.11.2012: VG Aachen

09.11.2012: VG Ansbach

08.11.2012: VG Anbach

02.11.2012: VG Meinigen

24.08.2012: VG Ansbach

14.08.2012: VG Stuttgart

29.06.2012: VG Sigmaringen

30.05.2012: VG Magdeburg

26.04.2012: VG Meinigen

02.04.2012: VG Stuttgart

08.02.2012: VG Chemnitz

URTEILE DUBLIN-FÄLLE:

19.07.2013: VG München

27.05.2013: VG Hamburg

20.09.2012: VG Stuttgart

06.08.2012: VG Magedeburg

30.05.2012: VG Trier

BESCHLÜSSE ANERKANNTE FLÜCHTLINGE:

15.07.2013: VG Hannover

07.12.2012: VG Kassel

A N H A N G

38

Hier eine Auflistung uns bekannter Beschlüsse und Urteile, die sich gegen Überstellungen nach Ungarn wenden. Die entsprechenden Beschlüsse und Urteile stehen unter http://bordermonitoring.eu/2012/03/zur-situation-derfluchtlinge-in-ungarn/ zum Download zur Verfügung. Die Liste wird permanent aktualisiert.

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MARC SPEER

ist Diplom-Soziologe und war Mitar-beiter in der Geschäftsstelle des Bayeri-schen Flüchtlingsrats. Seit vielen Jahrenbeschäftigt er sich mit der Situation vonFlüchtlingen in Osteuropa und ist u.a.im Border Monitoring Project Ukraineaktiv. Darüber hinaus ist er im Vorstandder Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl inder Kirche und des Vereins bordermo-nitoring.eu. Gegenwärtig promoviert eran der Universität Göttingen.

MARION BAYER

arbeitet seit vielen Jahren ehrenamt-lich für die Diakonische Flüchtlingshilfeim Main-Kinzig-Kreis. Seit 2009 reistesie regelmäßig nach Griechenland unddokumentierte dort vor allem die Le-benssituation von Flüchtlingen, die auf-grund der Dublin II-Verordnung nachGriechenland zurückgeschoben wurden.Seit Ende 2010 besuchte sie wiederholtUngarn, da sie im Rahmen ihrer Arbeitverstärkt mit Flüchtlingen aus Afgha-nistan, Eritrea und Somalia in Kontaktkam, die im Rahmen der Dublin II-Ver-ordnung nach Ungarn zurück geführtwerden sollten bzw. sollen.

L A Y O U T

MATTHIAS WEINZIERL

ist freier Grafiker und Mitarbeiterdes Bayerischen Flüchtlingsrates.www.matthiasweinzierl.de

A U T O R I N N E N

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Der gemeinnützige Verein border-monitoring.eu wurde 2011 in Münchengegründet. Im Zentrum der Tätigkeitendes Vereins steht die Auseinanderset-zung mit den Politiken, Praktiken undEreignissen im europäischen Grenzre-gime und in den Bewegungen der Mi-gration. Zu diesem Zweck kombiniertder Verein wissenschaftliche Forschung,politisches Engagement, kritische Öf-fentlichkeitsarbeit und konkrete Un-terstützung für Flüchtlinge und Migran-tInnen. Der Verein leistet damit einenBeitrag zur Veränderung der Realitätan den Grenzen und ihrer Konsequenzenfür die Gesellschaft in Europa.

In Zeiten zunehmender europäischerAbschottung und rigoroser Abschie-bungspolitik sind die Rechte von Flücht-lingen in Gefahr. PRO ASYL ist eineunabhängige Menschenrechtsorgani-sation, die sich seit über 25 Jahren fürdie Rechte verfolgter Menschen inDeutschland und Europa einsetzt. Mehrals 15.000 Menschen sind bereits Mit-glied des Fördervereins PRO ASYL. Ne-ben Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit,Recherchen und der Unterstützung vonInitiativgruppen gehört es zu den Auf-gaben des Vereins, Flüchtlinge in ihrenAsylverfahren zu begleiten und konkreteEinzelfallhilfe zu leisten. Gleichzeitiggreift PRO ASYL konsequent in aktuellepolitische Debatten zur deutschen undeuropäischen Flüchtlingspolitik ein.

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u Haftzentrum für Flüchtlinge | w Halb-offenes Flüchtlingslager | Offenes Flüchtlingslager

> WWW.BORDERMONITORING.EU WWW.PROASYL.DE

RUMÄNIEN

UKRAINESLOWAKEIÖSTERREICH

SERBIENKROATIEN

SLOWENIEN

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