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Hessisches Ministerium für Wirtschaft,
Verkehr und Landesentwicklung
Wiesbaden, den 15. Juli 2015
Vermeidungsmaßnahmen für windenergie-
anlagensensible Vogel- und Fledermausarten
Workshop der Fachagentur Windenergie an Land und der TU Berlin,
Montag, 6. Juli 2015, Kassel
Die Bedeutung von Vermeidungsmaßnahmen
beim Ausbau der Windenergie an Land
Iris Otto
Referat Integrierte Umweltplanung
Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie,
Verkehr und Landesentwicklung
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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
Gliederung des Vortrages:
1. Bedeutung der bundesweiten Vermeidungsstudie beim Ausbau
der Windenergie an Land
2. Das Zusammenwirken der Planungsebenen bei der Vermeidung
3. Umgang mit Prognose-Unsicherheiten bei der Vermeidung im
Artenschutzrecht
4. Fachliche Eckpunkte bei der Vermeidung im Artenschutzrecht
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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
1. Bedeutung der Vermeidungsstudie beim Windenergie-Ausbau
Neue Arten sind im Fachpapier der LAG VSW (2015) als WEA-sensibel eingestuft.
Einige WEA-sensible Arten kommen in den Ländern nahezu flächendeckend vor.
Quelle:
Artenhilfskonzept
Rotmilan (Hessen)
Photo: Ronald Slabke,
commons.wikimedia.org,
CC-BY-SA-3.0-unported
(https://creativecommons.org/licens
es/by-sa/3.0/deed.de)
Photo: Jo Kurz,
commons.wikimedia.org
CC-BY-SA-unported
(https://creativecommons.org/licens
es/by-sa/3.0/deed.de)
Waldschnepfe
Wespenbussard
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1. Bedeutung der Vermeidungsstudie beim Windenergie-Ausbau
Effizienz und Rechtssicherheit beim Windenergieausbau erfordern:
Zusammenwirken der Planungsebenen, Ausschöpfung des rechtlichen Rahmens
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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
1. Bedeutung der Vermeidungsstudie für die Energiewende
A. Vorrang des Vermeidungsprinzips
Der Grundsatz in § 2 Abs. 1 BNatSchG
„Jeder soll … sich so verhalten, dass Natur und Landschaft nicht mehr als nach den
Umständen unvermeidbar beeinträchtigt werden“
findet im gesamten Naturschutzrecht Anwendung (u. a. im Artenschutz nach § 44 BNatSchG)
Dabei gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip (BVerwG, Urteil vom 17.05.2002 – 4 A 28.01)
Rolle der Vermeidung im Naturschutzrecht
6July 15, 2015
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1. Bedeutung der Vermeidungsstudie für die Energiewende
B. Umsetzung des Vermeidungsprinzips ist Grundlage für das naturschutz-
rechtliche Ausnahmeverfahren
Das in der bundesweiten Vermeidungsstudie betrachtete Artenschutzrecht benennt in
§ 45 Abs. 7 BNatSchG die Ausnahmevoraussetzungen.
Das Umsetzen des Vermeidungsprinzips trägt dazu bei, diese Voraussetzungen zu erfüllen
(z. B. „Fehlen zumutbarer Alternativen“, „Nichtverschlechterung des Erhaltungszustandes
der Populationen).
Die bundesweite Vermeidungsstudie unterstützt eine BNatSchG-konforme und effi-
ziente Energiewende.
Sie bündelt komplexes, verstreutes Wissen und dient dem Informationsaustausch
zum Thema Vermeidung. Sie leistet daher einen wertvollen Beitrag zur Umsetzung des
ACK-/UMK-Beschlusses vom Mai 2015 zum aktuellen Fachpapier der LAG VSWen, wo-
nach Vermeidungsmaßnahmen zur Konfliktminderung zu nutzen sind.
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2. Das Zusammenwirken der Planungsebenen bei der Vermeidung
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Beispiel Hessen
Flächen in der Größenordnung von 2 %
der Landesfläche sind in den Regional-
plänen als Windenergie-Vorranggebiete
auszuweisen
Zusammenspiel in der Planung nötig
Vorgabe Legislative (Hessisches Ener-
gie-Gesetz):
Hessen
Karten: TUBS, NordNordWest, commons.wikimedia.org, cc, modifiedLEP
Regio-nalpla-nung
Ge-nehmi-gungs-planung
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2. Das Zusammenwirken der Planungsebenen bei der Vermeidung
- Vorgelagerte Planungsstufen bis Genehmigungsplanung (HE) -
Regionalplanung
(Ermittlung der WEA-VRGemit Ausschlusswirkung) Bindung Bauleitplanung
Schwerpunkträumewindkraftsensibler Arten
(„Quellbereiche günstiger Erhaltungszustände“)
Genehmigungsplanung
(Windenergieanlagen-Planung)
Nachrangige Standorte:
Vorranggebietsbereiche mit höheren Vorkommen WKA-
sensibler Arten (ggf. CEF/FCS)
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Umsetzung des Vermeidungsprinzips auf der
jeweiligen Planungsebene
„effektive Arbeitsteilung im Artenschutz“
LEP-Festlegungen:
2% WEA-VRGe mit
Ausschlusswirkung,
Schutz landesweiter
Schwerpunkträume
WEA-sensibler Arten
V
Vorrangige Auswahl windhöffi-
ger Bereiche unter Schonung
der Schwerpunktvorkommen
WEA-sensibler Arten (nicht
der Einzelvorkommen) im
gesamten Planungsraum
Dadurch Erhalt der „Quell-
populationen“ dieser Arten“
Schutz der Einzelvorkom-
men (z. B. WEA- Standortopti-
mierung, CEF) innerhalb des
Windenergie-Vorranggebietes
Dadurch entweder keine Artbe-
troffenheit oder nur von nicht
populationsrelevanten Ein-
zelvorkommen
Grundlage: Landesweite Gutach-
ten zu WEA-sensiblen Arten
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2. Das Zusammenwirken der Planungsebenen bei der Vermeidung
– Relevanz für die Genehmigungsfähigkeit der WEA-Planung -
Setzt die Regionalplanung ebenenspezifisch das Vermeidungsprinzip um (Erhalt der
Schwerpunktvorkommen WEA-sensibler Arten bei der WEA-VRG-Ausweisung)
naturschutzfachliche Alternativlosigkeit der Planung auf ihrer Planungsebene
i.d.R. keine Verschlechterung vom Erhaltungszustand betroffener Populationen
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Genehmigungsebene:
Nur kleinräumige Alternativen (Standortoptimierung), keine Erhaltungszustand-Verschlechterung
Ausnahmeverfahren im Hinblick auf die naturschutzfachlichen Ausnahmegründe nach
§ 45 Abs. 7 BNatSchG erleichtert:
1. Kein Vorliegen einer zumutbaren Planungs-Alternative (mit geringeren Beeinträchtigungen)
2. Keine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Populationen (nicht der Lokalpopulation)
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3. Umgang mit Prognoseunsicherheiten im Artenschutzrecht
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Häufige Kritik an Vermeidungsmaßnahmen: Keine wissenschaftliche
Prognosesicherheit
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3. Umgang mit Prognoseunsicherheiten im Artenschutzrecht
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Begriff der Prognosesicherheit:
Es müssen vernünftige und entscheidungsrelevante Zweifel an der Wirksamkeit der
Maßnahmen vorliegen (nicht allgemeine, jeder Prognose zugrunde liegende Zweifel)
- BVerwG, Urt. v. 14.04.2010 – 9 A 5/08 – Rn. 64 -
2. Wann begründet die Prognose die Unzulässigkeit eines Vorhabens (ggf. Ausnahme):
Nach Habitatschutzrecht bereits, wenn Vorhaben zu erheblichen Beeinträchtigun-
gen des FFH-Gebietes führen kann (vgl. § 34 Abs. 2 BNatSchG)
nach Artenschutzrecht erst, wenn positiv vom Eintritt eines Verbotstatbestandes
auszugehen ist (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BNatSchG)
keine worst-case-Betrachtung in der Prognose („es ist nicht auszuschließen, dass …“)
Rechtliche Anforderungen an die Prognose im Artenschutzrecht
1. „Eine Gewissheit, dass Beeinträchtigungen nicht eintreten werden, muss sich die
Behörde – anders als im Habitatschutzrecht – nicht verschaffen.“
- BVerwG, Flughafen Münster/Osnabrück, Urt. v. 9.7.2009 – 4 C 12/07 – Rn. 45 -
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• Rückgriff auf Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen, die kenntlich zu machen
und zu begründen sind – z.B. mit Hilfe des Analogieschlusses
- BVerwG, Urt. v. 18.03.2009, Az. 9 A 39/07, Rdnr.45 -
• Selbst der FFH-rechtliche Vorsorgegrundsatz verlangt zwar den Einsatz der besten
verfügbaren wissenschaftlichen Mittel, aber keine Forschungsarbeit
- vgl. EuGH, Urteil vom 11. September 2002 – T-13/99 – Slg. 2002, II-3305, Rn. 163 -
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Möglichkeiten bei Prognosen im Artenschutzrecht:
3. Umgang mit Prognoseunsicherheiten im Artenschutzrecht
Bei den Prognosen und Schätzungen kann u. a. die Kürze der Entwicklungszeit der herzu-
stellenden Habitate, die Nähe der herzustellenden Habitate zur betroffenen Lebensstätte,
die Mobilität und Anpassungsfähigkeit der Art zugrunde gelegt werden.
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Einschätzungsprärogative bei der Vermeidung im Artenschutzrecht
Der Genehmigungsbehörde steht eine umfassende naturschutzfachliche Einschätzungs-
prärogative zu, d. h. für:
Bestandserhebung und Bewertung
Erfüllung der Verbotstatbestände (unter Zuhilfenahme der Vermeidung)
Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen
Gerichtliche Überprüfung dieser Beurteilungen nur hinsichtlich
naturschutzfachlicher Vertretbarkeit im Einzelfall
Bewertungsverfahren darf sich nicht als unzulängliches oder ungeeignetes Mittel
erweisen
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Plausible, naturschutzfachlich begründete Darlegung nötig (z. B. zur Art der ge-
wählten Vermeidung und ihrer Wirksamkeit)
3. Umgang mit Prognoseunsicherheiten im Artenschutzrecht
Monitoring und Risikomanagement nur bei fachlichem Neuland (Art der Prognose-
unsicherheit und der Gegensteuerung ist im Genehmigungsbescheid festzulegen);
i. d. R. reicht die Funktionskontrolle hergestellter Strukturen (Intaktheit, artgerechte
Ausstattung, Vorliegen der Voraussetzungen zur Annahme durch die Art)
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4. Fachliche Eckpunkte bei der Vermeidung im Artenschutzrecht
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4. Fachliche Eckpunkte bei der Vermeidung im Artenschutzrecht
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Fachliche Eckpunkte ergeben sich aus dem Ziel der Vermeidung:
Ziel der Vermeidung ist die Verhinderung des Eintritts eines Verbotstatbestandes.
Verboten ist nach § 44 Abs. 1 BNatSchG:
Eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos (z. B. durch Kollision des Rotmilans
mit WEA aufgrund von deren Lage in einem attraktiven Nahrungshabitat).
Eine Störung, durch die sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer
Art verschlechtert (z. B. durch Wegfall von essenziellen Nahrungshabitaten).
Der Wegfall einer Fortpflanzungs- und Ruhestätte ohne Erhalt von deren ökologischer
Funktion im räumlichen Zusammenhang (z. B. durch Wegfall eines Horstbaumes).
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4. Fachliche Eckpunkte bei der Vermeidung im Artenschutzrecht
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Kurzfristig wirksamer Maßnahmetyp bis spätestens zur WEA-Inbetriebnahme, z. B.
bis dahin ausreichend „blickdichte“ Kollisionsschutzpflanzung
bis dahin wirksamer, die Lokalpopulation stützender Effekt (z. B. durch Nutzungsverzicht in einem
schon derzeit bewirtschaftbaren Wald mit Habitatfunktion für die Art)
bis dahin wirksame Entwicklung eines neuen Brutbaumes / Errichtung eines Kunsthorstes.
ansonsten flankierende kurzfristige Maßnahmen vorsehen
Zeitnah wirksame Anlage von insektenreichen Kleinge-
wässern zur Fledermaus-Jagdhabitataufwertung
Anforderung bei der Vermeidung (z. B.
Umfang) ist tendenziell größer bei
Inanspruchnahme nicht nur vereinzelt
genutzter Habitate
Betroffenheit von Arten im ungünstigen
Erhaltungszustand
Daher müssen Vermeidungsmaßnahmen Folgendes erfüllen:
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4. Fachliche Eckpunkte bei der Vermeidung im Artenschutzrecht
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Einzelfallspezifische fachliche Planung unter Berücksichtigung z. B.
der Biologie der Arten (z. B. Aktionsradius beim Rotmilan in
Optimallandschaft i. d. R. < 4 km)
der planungsraumspezifischen Besonderheiten, z. B.
Standorteigenschaften Anforderungen an Pflanzmaterial
beim Kollisionsschutz
Habitateigenschaften Effizienz der „Ablenkung“
Vorbelastung Lage der Maßnahmenfläche
(z. B. Straßen, WEA)
Daher müssen Vermeidungsmaßnahmen Folgendes erfüllen:
Maßnahmetyp funktioniert nicht „aus sich selbst
heraus“, sondern orts- und artangepasst
Flexible Lösungen sind möglich
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Fazit:
Die Einbeziehung von Maßnahmen zur Vermeidung von Konflikten zwischen WEA-
Ausbau und Fauna ist rechtlich geboten. Durch das Zusammenwirken der Planungs-
ebenen kann die Vermeidung effizient gestaltet werden. Jedoch müssen spezielle
rechtliche und fachliche Anforderungen bei der Vermeidung von Verbotstatbeständen
nach § 44 Abs. 1 BNatSchG berücksichtigt werden.
Die bundesweite Vermeidungsstudie liefert hierzu wertvolle Beiträge.
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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