was juristen über die ökonomischen hintergründe von vertikalabreden wissen sollten

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Weiterbildung im Wirtschaftsrecht für Praktiker/innen (WiW), 25. Februar 2008 Kartellrechtliche Schranken bei der Redaktion von Vertriebsverträgen - die neue Vertikalbekanntmachung der Wettbewerbskommission und was Juristinnen und Juristen über die ökonomischen Hintergründe wissen sollten Markus Saurer CH-3612 Steffisburg |+41 33 4372907 | +41 79 3087648 | [email protected] 1 Immer zitiert: People of the same trade seldom meet together, even for merriment and diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the public, or in some contrivance to raise prices. Meistens vergessen: It is impossible, indeed, to prevent such meetings, by any law which either could be executed, or would be consistent with liberty and justice.

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Page 1: Was Juristen über die ökonomischen Hintergründe von Vertikalabreden wissen sollten

Weiterbildung im Wirtschaftsrecht für Praktiker/innen (WiW), 25. Februar 2008

Kartellrechtliche Schranken bei der Redaktion von Vertriebsverträgen -die neue Vertikalbekanntmachung der Wettbewerbskommission und

was Juristinnenund Juristen über die ökonomischenHintergründe wissen sollten

Markus Saurer

CH-3612 Steffisburg |+41 33 4372907 | +41 79 3087648 | [email protected] 1

Immer zitiert:People of the same trade seldom meet together, even for merriment and diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the public, or in some contrivance to raise prices.Meistens vergessen:It is impossible, indeed, to prevent such meetings, by any law which either could be executed, or would be consistent with liberty and justice.

Page 2: Was Juristen über die ökonomischen Hintergründe von Vertikalabreden wissen sollten

WiW 2008 | Kartellrechtliche Schranken bei der Redaktion von Vertriebsverträgen

1. Vorbemerkungen

2. Wettbewerb und Effizienz

3. Brand, intrabrand und interbrand

4. Unternehmung

5. Vertikalabreden

6. Politikempfehlungen

Inhalt

CH-3612 Steffisburg |+41 33 4372907 | +41 79 3087648 | [email protected] 2

Ich sehe schon, die Ökonomen sind sich wieder einmal einig... also müssen wir Juristen entscheiden....

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1. Vorbemerkungen (I)

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• 2001/2002: Offensive der Weko (informell, keine Präjudizien)

• Bekanntmachung vom 18. 2. 2002 (fast alles erheblich)• KG-Revision: Art. 5 Abs. 4 KG (bti./NZZ: „untergejubelt“)

Die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs wird auch vermutet bei Abreden zwischen Unternehmen verschiedener Marktstufen über Mindest- oder Festpreise sowie bei Abreden in Vertriebsverträgen über die Zuweisung von Gebieten, soweit Verkäufe in diese durch gebietsfremde Vertriebspartner ausgeschlossen werden.

• Tendenzen im Ausland: Glaxo, Leegin

• Bekanntmachung vom 2. 7. 2007 / starke Kritik

• Evaluation Art. 59a KG / nervöse Weko

• Referate und Pressemitteilungen zur Inkraftsetzung der Bekanntmachung per 2008• Diskussionspapier / Expertenrunde Avenir Suisse

http://www.industrieoekonomie.ch/publikationen.html

• Wird Politik schon geändert???

• Problematik Zwangsjackeneffekt

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1. Vorbemerkungen (II)

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Anwendungen / Analogie

• Preisempfehlungen

• Parallelimporte („Hochpreisinsel“)

• Entbündelung in der Telekommunikation

Was soll ich machen?

Ökonomische Hintergründe in Erinnerung rufen.

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2. Wettbewerb und Effizienz (I)

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Marktpreis

CHF

Stück

Grenzkosten

CHF

Stück

Durchschnittskosten

U1 UnU3U2Nachfrage

Preisnehmer in vollkommenem Wettbewerb

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2. Wettbewerb und Effizienz (II)

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CHF

StückGrenzkosten

Nachfrage

Struktur ⇔ Verhalten ⇔ Ergebnis

Monopol

Cournot-Duopol

Oligopol

Bertrand-Duopolvollk. Wettbewerb

kompetitive Referenz!?!

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Betriebsindividuelle Nachfrage und Wettbewerbsdynamik

2. Wettbewerb und Effizienz (II)

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CHF

Stück

Grenzkosten

NachfrageBeispiel (roter Pfeil):Kosteneffizienz verbessertNachfrage gesteigert (z.B. Image besser)

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Preis- und Leistungsdifferenzierung

2. Wettbewerb und Effizienz (III)

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CHF

Stück

Grenzkosten

Nachfrage

• Im roten Bereich könnte der Anbieter noch Kunden versorgen, deren Zahlungsbereitschaft die zusätzlichen Kosten ihrer Versorgung (Grenzkosten) übersteigt.

• Dazu müsste er diesen Zusatzkunden einen niedrigeren Preis offerieren können als denbestehenden Kunden. Presdifferenzierung!

• Der Anbieter und die neuen Kunden würden gewinnen, die bestehenden Kunden nichts verlieren.

• Preisdifferenzierung ist effizient.

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Preisdifferenzierung, Zahlenbeispiel

2. Wettbewerb und Effizienz (IV)

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Kosten für F&E (fix, einmalig) = 100; Zusatzkosten zur Versorgung eines Kunden = 1, konstant.Grenzkostenpreise (first best) sind nicht möglich, sonst macht der Anbieter Konkurs.

R (Reiche), und A (Arme) benötigen je 100 Einheiten des Gutes (z.B. Medikament);Gesamtkosten zur Versorgung von R und A = 100 + 200 x 1 = 300; Durchschnittskosten = Preis = 300 / 200 = 1.50

Die Armen können aber höchstens 1.20 zahlen.

Bei einem einheitlichen Preis bleiben die Armen unversorgt, während die Reichen folgende Kosten tragen müssen: 100 + 100 x 1 = 200; dies ergibt einen Preis (Durchschnittskosten) von 200 / 100 = 2

Volkswirtschaftliche bessere Lösung:

Die Armen werden zu einem Preis von 1.2 $ versorgt (Zahlungsfähigkeit); die Reichen tragen die restlichen Kosten: Gesamtkosten 300 - Beitrag der Armen120 = 180; Stückpreis für die Reichen = 1.8Somit beträgt der Preis für die Reichen 180 / 100 = 1.8 $. Die gemeinsame Versorgung von Reichen und Armen z.B. mit Aidsmedikamenten zu differenzierten Preisen entspricht einer effizienten Clublösung.

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3. Brand, intrabrand und interbrand

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Grosshändler 3

HerstellerMarke a

HerstellerMarke b

HerstellerMarke c

Grosshändler 1

Detailhändler x Detailhändler y Detailhändler z

Grosshändler 2

interbrand: a vs. b vs. c

interbrand: a1 vs. b2 und b3 vs. c2 und c3intrabrand: b2 vs. b3 sowie c2 vs. c3

interbrand: ax vs. by und bz vs. cy und czintrabrand: ax vs. ay, by vs. bz, cy vs. cz

Eine Marke ist kein Markt

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3. Brand, intrabrand und interbrand (II)

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Interbrand-Wettbewerbauf jeder Stufe

Ist diese Marktstruktur für die Kundenvon Nachteil?

„es kommt darauf an...“

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4. Unternehmung

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Aus: Saurer, Schutz des Wettbewerbs oder der Wettbewerber? Zur schweizerischen Wettbewerbspolitik. Avenir Suisse, Diskussionspapier Nr. 02/Februar 08

•R. Coase (1937), „The Nature of the Firm“, Economica, 4, Nov., 386-405 •O. Williamson (1979), „Transaction-Cost Economics: The Governance of Contractual Relations“, Journal of Law and Economics, 22 (2), Oct., 233-261

Grenzen der Unternehmung?

•Lange Zeit „Black Box“

•Unternehmung als Produktionsfunktion (Grössen- und Verbundvorteile)

•Transaktionskosten (Coase, Williamson) Markt vs. Hierarchie

•Institutionenökonomie: Prinzipal-Agenten-Problematik

•Koordination unterschiedlicher Interessen (z.B. Autor-Verleger-Dilemma)

•Internalisierung von Externalitäten (Trittbrettfahrerproblematik)

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WiW 2008 | Kartellrechtliche Schranken bei der Redaktion von Vertriebsverträgen

• Vertikalabreden und vertikale Integration sind ökonomisch-analytisch praktisch gleichbedeutend (Effizienzziele, strategische Ziele Theorie der Unternehmung)

• Arten von Vertikalabreden:

• Nicht-lineare Preise (Franchising, two-part tariff contracts - Mengenrabatte haben die gleiche Wirkung)

• Preisbindung (Resale price maintenance; Festpreise, Mindestpreie, Höhstpreise)

• Mengenfixierung

• Exklusivitätsklauseln (selektiver Vertrieb)

• In der Praxis werden oft ganze Bündel von vertikalen Vereinbarungen getroffen

• die verschiedenen Vertikalabreden sind im Hinblick auf die Ziele, die damit verfolgt werden substituierbar (aber nicht perfekte Subsitute)

• es liegt in der Natur der Sache (des Wettbewerbs!!!), dass in einer Branche die meisten Unternehmen sehr ähnliche Vertikalabreden treffen (Effizienz)

• aber: horizontale Koordination: Bücherfall, Musiknoten

5. Vertikalabreden

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Page 14: Was Juristen über die ökonomischen Hintergründe von Vertikalabreden wissen sollten

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• Analyse der Umstände

• Analyse der Ziele

• Analyse der Wirkungen

• Analyse der Reaktionen auf Eingriffe (!)

6. Politikempfehlungen

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Vertical restraints and vertical mergers are anticompetitive only if they involve firms endowed with significant market power (...). Accordingly, there is no need to monitor restraints and mergers which involve firms with little market power. An efficient policy towards vertical restraints would grant exemption to all the vertical restraints and mergers of firms wich do not have large market power. From the operational point of view, it would seem a good proxy to exempt firms with market shares below, say, 20 - 30% (as the new regime created in the EU, except that practices such as RPM are black-listed).

Motta (2004),Competition Policy, Theory and Practice, Cambridge University Press.