wertstoffgewinnung aus automobilkunststoffen

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Obersichtsbeitrfige Wertstoffgewinnung aus Automobilkunststoffen Obersichtsbeitrfige Wertstoffgewinnung aus Automobilkunststoffen Ernst Bayer, Gerhard Becker, Michael Faubel, Mohamed Kutubuddin, Arno Maurer Institut fiir Organische Chemie der Universit~t Ttibingen, Auf der Morgenstelle 18, D-72076 Tiibingen Korrespondenzautor: Prof.Dr. Ernst Bayer Zusammenfassung Der Beitrag befaflt sich mit einer Verwertungsm6glichkeit von ge- mischten Kunststoffabf~illen.Dabei wird die Eignung der Nieder- temperaturkonvertierungzur Rohstoffrfickgewinnungaus Automo- bilkunststoffen untersucht. Die aus dem Verfahren erhaltenen Pro- dukte O1 und Kohle zeigen eine gute Verwertbarkeit der Ausgangs- stoffe an. Schlagw6rter: Gemischte Kunststoffabf~ille;Niedertemperatur- konvertierung; Rohrtickstoffgewinnung: Ol und Kohle; Automobilkunststoffe 1 Einleitung Die Verwertung von Altkunststoffen und kohlenstoffhalti- gen Verbundwerkstoffen auf dem Wege des Rohstoff-Recyc- lings hat in letzter Zeit zunehmend an Aktualitfit gewon- nen. Es ist jedoch umstritten, in welchem Ausmaf~ eine di- rekte Wiederverwertung der Kunststoffe als solche oder eine Spaltung zu den Ausgangsmonomeren m6glich und sinnvoll ist. Die Spaltung zu Monomeren oder analog ver- wendbaren niedermolekularen Verbindungen bezeichnen wir als Rohstoffrecycling. Folgende Gesichtspunkte miissen in Betracht gezogen werden: 9 Eine Vielzahl an Kunststofftypen ist nicht direkt wiederverwertbar ohne den Verlust gewiinschter Eigenschaften. 9 Rohstoffrecycling erm6glicht dagegen geschlosseneProduktionskreis- lfiufe unter Produktion hochwertiger Neuware (Beispiele: Polyester, Polyoxymethylen,Polystyrol). 9 Jeder direkt wiederverwertbareKunststofftyp, der qualitativ schlech- ter als das urspriingliche Material ist (,,down cycling"),ist eines Tages nur noch zum Rohstoffrecycling geeignet. 9 Die werkstoffliche Verwertung von verschmutzten und nicht mitein- ander mischbaren Kunststoffen,Blends, verstfirktenKunststoffen oder Sandwichkonstruktionen st6fgtan technische und 6konomische Gren- zen. 9 Wiederverwertete Kunststoffe geringerer Qualit~it besitzen be- schrfinkte Einsatzm6glichkeiten. 9 Die Deponierung oder Verbrennung von Kunststoffabffillen ist keine optimale M6glichkeit hinsichtlich einer echten Wiederverwertung bzw. Ressourcenschonung. Die Niedertemperaturkonvertierung stellt eine M6glichkeit fiir das Rohstoffrecycling dar. Das Verfahren wurde An- fang der achtziger Jahre von BAYER und KUTUBUDDIN fiir die Verwertung von Biomasse entwickelt [1, 2, 3]. Hierbei wird organisch vorliegender Kohlenstoff durch thermische Behandlung bei 250 bis 400 ~ unter Sauerstoffausschluf~ zu Kohle und O1 umgewandelt. Die Eliminierung von He- teroelementen erfolgt dabei unter Bildung von Wasser, Kohlendioxid, Ammoniak und Schwefelwasserstoff. Anor- ganische Bestandteile wie Oxide und Silikate katalysieren die Umsetzung. Da die Niedertemperaturkonvertierung bei Normaldruck und in einem gem~if~igten Temperaturbereich durchgeftihrt wird, werden an die Anlagen geringere An- spr~iche gestellt als an Verbrennungs-, Hydrierungs- und Pyrolyseanlagen. Dadurch ist die M6glichkeit einer dezen- tralen Entsorgung von Abfallstoffen in Anlagen auch ge- ringerer Gr6t~enordnung gegeben. Durch niedrige Verfah- renstemperaturen besteht zudem ein vergleichsweise gerin- ger Energiebedarf zum Betreiben der Anlagen. Aus der Niedertemperaturkonvertierung resultiert eine von dem eingesetzten Material abh~ingige Menge an gut hand- habbaren Energietrfigern (O1, Kohleri~ckstand). Beide Pro- dukte k6nnen einer Veredelung zugefiihrt werden bzw. als Rohstoff fiir die chemische Industrie dienen. Metallbe- standteile in den Ausgangsstoffen sind dabei vollst/indig riickgewinnbar. In technischem Mat~stab fanden bis heute Experimente mit Klfirschlamm [4] und Hausmiill [5] statt. Pilotanlagen nach dem Konvertierungsprinzip arbeiten in Ahaus/Westfalen, in Hamilton/Kanada (Kapazit/it 10t/d) und in Perth/Australien (1 t/d). In den Vereinigten Staaten und Kanada werden zur Zeit mehrere technische Anlagen gebaut oder geplant. Ein Schema der in Ahaus befindlichen Anlage ist in Abbildung 1 dargestellt (nach [6]). 2 Konvertierung von Automobilkunststoffen Kunststofffraktionen aus Altfahrzeugen sind heute noch in vielen F/illen einer wirtschaftlichen, ressourcenschonenden, direkten werkstofflichen Wiederverwertung nicht zug~ing- lich. Eine Wiederverwertung dieser Stoffe ist aufgrund ih- rer teilweise hohen Heterogenit/it nur im Rahmen einer Rohstoffri~ckgewinnung sinnvoll. Verschiedene Kunststoff- fraktionen (--) Tabelle 1) aus demontierten Altautos wur- den daher der Niedertemperaturkonvertierung unterwor- fen. Die Fraktionen wurden bei einem Demontageprojekt der Firma BMW in Landshut gewonnen [7]. Zus~itzlich wurde ein Phenolharz-Texil-Verbund aus dem Karosserie- bau untersucht, dessen Entsorgung vor allem in den neuen Bundeslfindern ein Problem darstellt. Zun~ichst wurden zur Ermittlung der optimalen Konvertie- rungstemperatur Experimente in einem diskontinuierlichen Laborreaktor im Maf~stab von 0.3-0.5 kg durchgefiihrt [8]. Dann wurden einzelne Fraktionen in einer kontinuier- lichen Pilotanlage der Firma Stenau, Ahaus/Westfalen, mit UWSF - Z. Umweltchem.Okotox. 7 (4) 221-225 (1995) 9 ecomed verlagsgesellschaft AG & Co.KG Landsberg 221

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Page 1: Wertstoffgewinnung aus Automobilkunststoffen

Obersichtsbeitrfige Wertstoffgewinnung aus Automobilkunststoffen

Obersichtsbeitrfige

Wertstoffgewinnung aus Automobilkunststoffen Ernst Bayer, Gerhard Becker, Michael Faubel, Mohamed Kutubuddin, Arno Maurer

Institut fiir Organische Chemie der Universit~t Ttibingen, Auf der Morgenstelle 18, D-72076 Tiibingen

Korrespondenzautor: Prof. Dr. Ernst Bayer

Zusammenfassung Der Beitrag befaflt sich mit einer Verwertungsm6glichkeit von ge- mischten Kunststoffabf~illen. Dabei wird die Eignung der Nieder- temperaturkonvertierung zur Rohstoffrfickgewinnung aus Automo- bilkunststoffen untersucht. Die aus dem Verfahren erhaltenen Pro- dukte O1 und Kohle zeigen eine gute Verwertbarkeit der Ausgangs- stoffe an.

Schlagw6rter: Gemischte Kunststoffabf~ille; Niedertemperatur- konvertierung; Rohrtickstoffgewinnung: Ol und Kohle; Automobilkunststoffe

1 Einleitung Die Verwertung von Altkunststoffen und kohlenstoffhalti- gen Verbundwerkstoffen auf dem Wege des Rohstoff-Recyc- lings hat in letzter Zeit zunehmend an Aktualitfit gewon- nen. Es ist jedoch umstritten, in welchem Ausmaf~ eine di- rekte Wiederverwertung der Kunststoffe als solche oder eine Spaltung zu den Ausgangsmonomeren m6glich und sinnvoll ist. Die Spaltung zu Monomeren oder analog ver- wendbaren niedermolekularen Verbindungen bezeichnen wir als Rohstoffrecycling. Folgende Gesichtspunkte miissen in Betracht gezogen werden:

�9 Eine Vielzahl an Kunststofftypen ist nicht direkt wiederverwertbar ohne den Verlust gewiinschter Eigenschaften.

�9 Rohstoffrecycling erm6glicht dagegen geschlossene Produktionskreis- lfiufe unter Produktion hochwertiger Neuware (Beispiele: Polyester, Polyoxymethylen, Polystyrol).

�9 Jeder direkt wiederverwertbare Kunststofftyp, der qualitativ schlech- ter als das urspriingliche Material ist (,,down cycling"), ist eines Tages nur noch zum Rohstoffrecycling geeignet.

�9 Die werkstoffliche Verwertung von verschmutzten und nicht mitein- ander mischbaren Kunststoffen, Blends, verstfirkten Kunststoffen oder Sandwichkonstruktionen st6fgt an technische und 6konomische Gren- zen.

�9 Wiederverwertete Kunststoffe geringerer Qualit~it besitzen be- schrfinkte Einsatzm6glichkeiten.

�9 Die Deponierung oder Verbrennung von Kunststoffabffillen ist keine optimale M6glichkeit hinsichtlich einer echten Wiederverwertung bzw. Ressourcenschonung.

Die Niedertemperaturkonvertierung stellt eine M6glichkeit fiir das Rohstoffrecycling dar. Das Verfahren wurde An- fang der achtziger Jahre von BAYER und KUTUBUDDIN fiir die Verwertung von Biomasse entwickelt [1, 2, 3]. Hierbei wird organisch vorliegender Kohlenstoff durch thermische Behandlung bei 250 bis 400 ~ unter Sauerstoffausschluf~ zu Kohle und O1 umgewandelt. Die Eliminierung von He-

teroelementen erfolgt dabei unter Bildung von Wasser, Kohlendioxid, Ammoniak und Schwefelwasserstoff. Anor- ganische Bestandteile wie Oxide und Silikate katalysieren die Umsetzung. Da die Niedertemperaturkonvertierung bei Normaldruck und in einem gem~if~igten Temperaturbereich durchgeftihrt wird, werden an die Anlagen geringere An- spr~iche gestellt als an Verbrennungs-, Hydrierungs- und Pyrolyseanlagen. Dadurch ist die M6glichkeit einer dezen- tralen Entsorgung von Abfallstoffen in Anlagen auch ge- ringerer Gr6t~enordnung gegeben. Durch niedrige Verfah- renstemperaturen besteht zudem ein vergleichsweise gerin- ger Energiebedarf zum Betreiben der Anlagen.

Aus der Niedertemperaturkonvertierung resultiert eine von dem eingesetzten Material abh~ingige Menge an gut hand- habbaren Energietrfigern (O1, Kohleri~ckstand). Beide Pro- dukte k6nnen einer Veredelung zugefiihrt werden bzw. als Rohstoff fiir die chemische Industrie dienen. Metallbe- standteile in den Ausgangsstoffen sind dabei vollst/indig riickgewinnbar. In technischem Mat~stab fanden bis heute Experimente mit Klfirschlamm [4] und Hausmiill [5] statt. Pilotanlagen nach dem Konvertierungsprinzip arbeiten in Ahaus/Westfalen, in Hamilton/Kanada (Kapazit/it 10t/d) und in Perth/Australien (1 t/d). In den Vereinigten Staaten und Kanada werden zur Zeit mehrere technische Anlagen gebaut oder geplant. Ein Schema der in Ahaus befindlichen Anlage ist in Abbildung 1 dargestellt (nach [6]).

2 Konvertierung von Automobilkunststoffen

Kunststofffraktionen aus Altfahrzeugen sind heute noch in vielen F/illen einer wirtschaftlichen, ressourcenschonenden, direkten werkstofflichen Wiederverwertung nicht zug~ing- lich. Eine Wiederverwertung dieser Stoffe ist aufgrund ih- rer teilweise hohen Heterogenit/it nur im Rahmen einer Rohstoffri~ckgewinnung sinnvoll. Verschiedene Kunststoff- fraktionen (--) Tabelle 1) aus demontierten Altautos wur- den daher der Niedertemperaturkonvertierung unterwor- fen. Die Fraktionen wurden bei einem Demontageprojekt der Firma BMW in Landshut gewonnen [7]. Zus~itzlich wurde ein Phenolharz-Texil-Verbund aus dem Karosserie- bau untersucht, dessen Entsorgung vor allem in den neuen Bundeslfindern ein Problem darstellt.

Zun~ichst wurden zur Ermittlung der optimalen Konvertie- rungstemperatur Experimente in einem diskontinuierlichen Laborreaktor im Maf~stab von 0.3-0.5 kg durchgefiihrt [8]. Dann wurden einzelne Fraktionen in einer kontinuier- lichen Pilotanlage der Firma Stenau, Ahaus/Westfalen, mit

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Page 2: Wertstoffgewinnung aus Automobilkunststoffen

Wertstoffgewinnung aus Automobilkunststoffen Obersichtsbeitr~ige

~ I ~ ~ ~ GasrUckfUhrung I~ I" I M~,-I ~ I I l l ~".Ce:4~.r Ih ~ II II II bunker ~

..~ ~ . / / / ' ~ Vortrockner ~ \N II I . ~ I I I II

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Pilotanlage ~ ~, ~".*b ~JRohb~'l Niedertemperatur- .e~z.~0r %111 ' . . . . . . ' ' ' k o n v e r t i e r u n g 0 ~ : ; ~, F F - ~ . ~ , ~ : I' SPEICHER

Abb. 1: Nach dem K0nvertierungsprinzip arbeitende Pilotanlage in Ahaus/Westfalen

Tabelle 1: Zusammensetzung der untersuchten Kunststofffraktionen

Fraktion Bestandteile

Instrumententafel Kabelbaum Dachhimmelbespannung Verkleidung/Fahrzeuginnentei le FuBmattengummi (= Gummi 1) Dichtungsgummi (= Gummi 2) Armaturen Duroplast-Karosserie

PUR, ABS, PVC, Stahl PVC, PA, Gewebeband, Kupfer PVC, Baumwol lgewebe PVC, PUR, ABS-Folie, Pappe EPDM, NBR, SBR nicht bekannt nicht bekannt Phenolharz-Texti l-Verbund

Durchs~itzen von 30-90 kg/h konvertiert. Die aus den Kon- vertierungen erhaltenen Produkte O1, Kohleriickstand, Re- aktionswasser und Gas ( 3 Tabelle 2) wurden auf ihre che- mische Beschaffenheit sowie auf ihre Verwertbarkeit unter dem Gedanken einer umwehvertr~iglichen Nutzung unter- sucht.

3 Reaktionsprodukte

3 . 1 0 l

Wie Abbildung 2 zeigt, ergaben sich im Bereich der Kon- vertierungstemperaturen von 340 bis 420 ~ ()lausbeuten von bis zu 44 %. Bei den Fraktionen Armaturen, Gummi 2, Fahrzeuginnenteilen und Duroplast liegt das Temper~itur- optimum beziiglich der Olausbeute oberhalb 420 ~ Ge- nerell kann man sagen, dat~ bei der Konvertierung von Au- tomobilkunststoffen m6glichst hohe Temperaturen unter-

halb der Grenze zur Teerbildung vorteilhaft sind, d.h. Tem- peraturen bis 450 ~ Man erh~ilt dadurch optimale Olaus- beuten und vollst~indig konvertierte Kohleri]ckst~inde ohne Restanteile an Glen. Bei zwei Substraten trat in den Bereichen auflerhalb des Konverters eine Olschicht auf. Ihre Matrix wird gebildet aus Salzen (v.a. Ammoniumchlorid) und hochsiedenden Olbestandteilen. In dieser Matrix finden sich je nach Ober- fl~iche wechselnde Anteile an Verbindungen, die ansonsten im Ol vorkommen. Das Auftreten der Olschicht l~it~t sich durch Bildung einer geeigneten Mischfraktion oder verfah- r ens techn i sche Maf~nahmen vermeiden .

50

~ 4o

:O 30

20

10

: Armaturen Gummi 2

I.-tafel Innenteile Gummi 1

Duroplast

Dachhimmel

........ (~ ~ O K a b e l b a u m

Abb. 2:

I I I I I / 3 4 0 3 6 0 3 8 0 4 0 0 4 2 0 4 4 0

K o n v e r t i e r u n g s t e m p e r a t u r 0C

Olausbeuten in Abh~ingigkeit von der Konvertierungs- temperatur

Die Qualitfit der erhaltenen ()le beziiglich Heizwert und stofflicher Zusammensetzung liegt im Bereich von Mine- ral61en (~ Tabelle 3). Eine Ausnahme bilden die ()le aus Dachhimmelmaterial und Duroplast infolge des hohen Chlor- bzw. Sauerstoffgehalts. Die Heizwerte aller anderen Ole liegen mit 37100-40700 J/g sehr nahe an denen von Erd61. Relativ hoch sind die Chlorgehalte mit 0.3 bis 6.2 %, abh~ingig vom PVC-Gehalt der Ausgangsstoffe. Die GC-MS-Analyse der Ole auf Einzelsubstanzen zeigen eine komplexe Zusammensetzung, ~ihnlich wie bei Mine- ral61en. Die Art der Zusammensetzung und die Konzentra- tion sind jedoch abh~ingig von der eingesetzten Fraktion. So unterscheiden sich die (51e in ihren Hauptkomponenten sehr stark ( ~ Tabelle 4). Die Ole aus Instrumententafel, Armaturen, Fahrzeuginnen- teilen und Gummi 2 besitzen in erheblichem Umfang

TabeUe 2: Stoffbilanz der Konvertierungen (alle Angaben in Massen-%)

Temperatur (~1 KR Wasser Gas Salz Olschicht

Instrumententafel Kabelbaum Himmelbespannung Fahrzeuginnentei le Gummi 1 Gummi 2 Armaturen Duroplast

400 ~ 38 26 23 13 - - 380 ~ 11 72 8 9 - - 3 8 0 ~ 17 31 16 15 2 19 420 ~ 35 31 12 12 - 10 400 ~ 35 59 1 5 - - 420 ~ 43 46 3 8 - - 420 ~ 44 31 11 13 - - 450 ~ 29 43 13 14 - -

KR: Kohleriickstand

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Ubersichtsbeitr/ige Wertstoffgewinnung aus Automobilkunststoffen

Tabelle 3: Elementarwerte, Wassergehalt und Heizwerte der Ole (aufger Heizwert in %)

Substrat C H N Cl S H20-Gehalt Heizwert (J/g)

Instrumententafel Kabel Dachhimmel Innenteile 3ummi 1 3ummi 2 t~rmaturen Duroplast

83.8 76.8 73.1 83.5 86.4 86.0 81.0 67.2

10.9 11.4 11.5 11.2 12.2 14.3 14.4 8.2

1.9 1.0 0.3 0.9 0.3 0.0 0,5 0.9

0.7 3.4 6.2 0.6 0.3 1.2 0.7

<0.1

0.3 0.4 0.1 0.2 0.9 0.6

1.9 0.5 0.3

0.2

14.9

37100 37200 34100 38700 40700 40100 40900 29000

Tabelle 4: Hauptkomponenten (> 3%) der Konvertierungs61e

Olefine Aromaten Chloraliphaten Phthals~iureester (Cs-C20) (nicht kondensiert)

Gummi 1 Octene 4.9 % Toluol 4.4 % Ethylbenzol 4.0 % -- -- Styrol 3.4 %

Gummi 2 Octene 26.3 % -- -- -- Decene 8.6 %

Instrumententafel - - Toluol 3.1% Ethylbenzol 5.4 % -- -- Styrol 5.8 % Methylstyrol 4.0 %

Kabelbaum Octene 4.4 % - - Chloroctan 8.3 % Bis (ethylhexyl) 7.7 % Nonene 3.7 % Chlordecan 10.4 % Decene 11.9 %

Dachhimmel - - - - Chloroctan 7.1% Bis (ethylhexyl) 9.9 % Chlornonan 4.9 % Bis (methylpentyl) 7.1% Chlordecan 7.0 %

Innenteile - - Toluol 6.3 % (Chlormethyl- Bis (ethylhexyl) 9.2 % Ethylbenzol 13.1% 2-methylbenzol 4.6 %) Styrol 9.5 %

Armaturen Cll-Olefine 3.8 % Ethylbenzol ca. 6 % C15-Olefine 13.7 % MethylstyroI 5.0 % - - - - C18-Olefine 4.4 % C21-Olefine 6.0 %

Duroplast Phenol 11.2 % - - Kresole 16.8 % --

Xylenole 10.2 %

Hauptkomponenten, vorzugsweise Olefine bzw. niedrigsie- dende Aromaten. Aus einer Destillation der Ole aus Kabel- baum, Dachhimmel und Fahrzeuginnenteilen resultieren Chloraliphaten des C 8- bis C10-Bereichs. Im O1 aus Duro- plast finden sich tiber 40 % Phenol und Homologe. Ledig- lich die Ole aus Gummi 1 enthahen keine nennenswerten Hauptkomponenten. In allen F/illen waren polykondensierte oder chlorierte aro- matische Verbindungen nicht nachweisbar. Aus thermo- gravimetrischen Untersuchungen geht hervor, daf~ die Kon- vertierungs61e zum iiberwiegenden Teil aus Benzinfrak- tionen (Siedebereich 20-200 ~ und Mitteldestillaten (200-350 ~ bestehen. Mit Ausnahme der Gummi 2-Frak- tion machen diese 90 bis 100 % des Gesamt61s aus. Dabei ist das Verh~iltnis von Benzinfraktion zu MitteldestiUaten ausgewogen mit je etwa 40 bis 50 %. Eine Ausnahme da- von sind die Gummi-Fraktionen. Bei ihnen liegt der Schwerpunkt der Olbestandteile bei h6heren, d.h. oberhalb von 200 ~ siedenden Komponenten. Sfimtliche Konvertie-

rungs61e mit Ausnahme des Ols aus Duroplast sind in ei- nem Temperaturbereich bis 450 ~ vollstfindig verdampf- bar. Im Unterschied zu Erd61en weisen sie also keinen De- stillationsriickstand auf. Sie eignen sich daher - auch auf- grund ihrer stofflichen Zusammensetzung - sehr gut zur Destillation, insbesondere zur Gewinnung der vorliegenden Hauptkomponenten als chemische Rohstoffe. Konvertie- rungs61 aus Duroplast lief~ sich in einem orientierenden Versuch ohne weitere Aufarbeitung zu einem unschmelzba- ren Phenolharz rekondisieren. Ob die 01e zur Gewinnung von Einzelsubstanzen, als Raffinerierohstoff oder zu Heil- zwecken verwendet werden, entscheiden letztlich die Menge und der Wert der gewinnbaren Produkte.

3.2 Kohleriickstand

Ein weiteres Hauptprodukt der Konvertierung sind die sog. Kohleriickst~inde, die im wesentlichen die anorganischen Bestandteile, nichtfliichtige organische Verbindungen und

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W e r t s t o f f g e w i n n u n g aus A u t o m o b i l k u n s t s t o f f e n fJbersichtsbeitr/ige

Kohlenstoff enthalten. Im Fall des Kabelbaums enth/ilt der Kohleriickstand Kupfer, das sich vollst~indig und in reiner Form wiedergewinnen lfit~t. Die Kohleri~ckst~nde der verschiedenen Fraktionen weisen (mit Ausnahme von Gummi 1) Gliihriickst/inde und Heiz- werte in der Gr6f~enordnung von Braun- oder Steinkohle- koks auf (--y Tabelle 5). Als prim~ire Nutzungsm6glichkei- ten ergeben sich die Verbrennung, Vergasung oder Hydrie- rung. Eine Deponierung der Kohleri~ckstfinde wird auf lange Sicht durch die neue TA Siedlungsabfall ausgeschlos- sen, in der ein Gliihverlust von unter 5 % gefordert wird.

Eine M6glichkeit der stofflichen Verwertung besteht in der Teilvergasung zu Aktivkohlen, die in grof~em Umfang bei der adsorptiven Reinigung von Wasser, Abwasser und Luft ben6tigt werden [9]. In den letzten Jahren gewinnt infolge der sich verschfirfenden Abfallsituation die Herstellung von Adsorptionsmitteln aus Rest- und Abfallstoffen zuneh- mend an Interesse [10, 11, 12]. Dazu wurden Versuche im Labormaf~stab durchgefiihrt. Durch Reaktion mit Was- serdampf in einem Drehrohr bei Temperaturen von 800-950 ~ und ggf. nachfolgender Extraktion mit Salz- sfiure lassen sich je nach Ausgangsmaterial Produkte mit mittelm~if~igen bis sehr guten Adsorptionseigenschaften ge- winnen. Kohleri~ckst~inde aus Gummi 1 und Kabelbaum erwiesen sich als nicht geeignet. Aus dem Kohleriickstand der Fraktion Gummi 2 lief~ sich erst nach einem vorausge- henden Sulfonierungsschritt ein brauchbares Material ge- winnen.

Die spezifischen Oberflfichen (berechnet aus der Stickstoff- Adsorptionsisotherme) liegen wie die Iodzahlen zwischen 300 und 1400 m2/g bzw. mg/g Aktivkohle. Die Entf~r- bungsleistungen wurden anhand der Methylenblauzahl be- urteilt.

Die Aktivkohlen aus den Fraktionen Instrumtentafel, Du- roplast, Innenteile und Dachhimmel (letztere nach Extrak- tion) zeigen fihnliche Kenndaten wie kommerzielle Wasser- reinigungskohlen [13] (--3 Abb. 3). Die Aschegehalte liegen unter 15 % und erfiillen somit die in DIN 19603 geforderte Bedingung. Fiir die Anwendung in der Wasser- und Ab- wasserreinigung sprechen auch die Anwendungsform (Pul- verkohle, Partikelgr6t~e unter 0.1 mm) und die mittleren Porendurchmesser von 2-3 nm. Die aus den anderen Kunststofffraktionen gewonnenen Aktivkohlen erfiillen zwar nicht die entsprechenden Normen, sind aber ebenfalls fiir Adsorptionsanwendungen, z.B. in der Abwasservorrei- nigung, geeignet.

1200

800 c o

o

4 0 0

_ ~ ~ ~ - - [ ] Iod

o Methylenblau

L 0 ~ ~ oIl ~ experimentelle kommerzielle

AKTIVKOHLEN

Abb. 3: Vergleich der Adsorptionseigenschaften experimentell erhaltener und kommerzieller Aktivkohlen

Die im Ausgangsmaterial vorliegenden Schwermetalle werden in den Aktivkohlen gut immobilisiert. Bei der Elu- tion der nicht weiter behandelten Aktivkohlen mit destil- liertem Wasser nach DIN 38414-$4 werden im Eluat die in Tabelle 6 angegebenen Werte gefunden. Bei den in der Was- seraufbereitung i~blichen Dosierungen von 1-100 mg/l (DIN 38414-$4:100 g/l) werden also nur sehr geringe Mengen an Schwermetallen freigesetzt. Werden die Aktiv- kohlen, wie in der kommerziellen Produktion iiblich, mit Minerals/iure gereinigt [9], ist eine Abgabe 16slicher Sub- stanzen nicht mehr zu erwarten.

3.3 Reaktionswasser

Die w/if~rigen Phasen weisen Kohlenstoffgehalte bis zu 27 % auf, wofiir haupts/ichlich aus der Konvertierung von Polyurethan-Anteilen entstandene organische Stickstoffver- bindungen wie Aniline und Chinoline verantwortlich sind. Die Chlorgehalte betragen bis zu 26 % aufgrund der PVC- Anteile im Substrat (-+ Tabelle 7). Daher erscheint eine Be- handlung in einer Verbrennungseinheit als sinnvoll: Wird das aus der Konvertierung entstehende Wasser nicht kon- densiert, ist sein Heizwert deutlich positiv. Die organischen Inhaltsstoffe des Wassers und die bis zum Taupunkt des Wassers fliichtigen Olbestandteile fungieren als Brennstoff. Der in erheblichem Umfang vorhandene Chlorwasserstoff wird vor der Verbrennung als Rohs~iure weitgehend abde- stilliert und im Anschluf~ an die Verbrennung dutch eine geeignete Gasw~ische einer weiteren Verwendung zuge- fiihrt. Fiir eine Reinigung und biologische Klfirung w~iren die aus der Behandlung von Kokereiabw~issern oder Depo-

Tabelle 5: Elementarwerte, Gliihriickst~inde (%) und Heizwerte (J/g) der Kohleriickst~inde

Substrat C H N CI GI/.ihr/.ickstand Heizwert %-Verlust bei 400 ~

Instrumententafel Kabel Dachhimmel Innenteile Gummi 1 Gummi 2 Armaturen Duroplast

77.4 4.1 5.0 1.3 43.9 3.4 0.8 11.3 56.1 3.5 0.3 5.2 67.7 3.5 1.9 2.0 14.6 0.3 - 1.1 64.1 0.9 0.1 4.9 38.6 3.0 2.1 0.7 82.5 4.0 2.1 <0.1

6.0 30200 21.5 27.8 17100 9.5 26.1 22000 9.7 12.3 28100 7.6 60.8 2800 0.8 24.8 22700 6.1 51.6 9400 6.3

4.8 32200 < 1.0

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Page 5: Wertstoffgewinnung aus Automobilkunststoffen

Obersichtsbeitrfige Wertstoffgewinnung aus Automobilkunststoffen

Tabelle 6: Schwermetall-Eluierungen von Aktivkohlen nach DIN 38414-$4 (in ppm)

Material Cd Co Cr Cu Fe Ni Pb Zn Hg

Ins t rumententa fe l - - 2.3 0.2 - - 0.8 0 .3 -

Dachh imme l - - 2.7 0.2 - - - 0.6 -

Innente i le - - 0.2 0.2 . . . . .

Tabelle 7: Elementarwerte und Abwasserparameter der Reaktionsw~isser

C [%1 CI [%] CSB [g/I] BSB 5 [g/I] NH4-N [g/I] pH

I ns t rumenten ta fe l Kabelbaum Dachh imme l

Innente i le

G u m m i 1

G u m m i 2

Ar rna tu ren

Duroplast

I 6 . 2 16.0 705 81 4 .3 < 1

12.5 22.4 401 118 3.1 < 1

1.5 26.3 59 38 < 2 < 1

8.4 12.5 296 84 3.9 < 1 8.3 12.1 195 69 < 2 < 1

2.5 21.8 138 42 4.8 < 1

27 .4 7.5 1054 240 4.6 < 0

8.6 < 0.1 270 123 1.1 3.4

Tabelle 8: Hauptbestandteile der Gasfraktionen (in %)

Substrat HCI CI-C4-KW CO 2 CKW

l ns t rumenten ta fe l 11 55 13 17

Kabel 92 3 2 - G u m m i 1 17 49 28 1

G u m m i 2 77 11 8 2

Armaturen 34 41 16 1

niesickerwfissern bekannten Methoden der Schadstoffre- duktion (z.B. Extraktion, Adsorption, Umkehrosmose, De- stillation) erforderlich.

3.4 Gasfraktion

Bei der Konvertierung entstehen gasf6rmige Produkte in re- lativ geringen Mengen von 5-15 Massen-%. Sie bestehen im wesentlichen aus Kohlendioxid, niederen Kohlenwas- serstoffen sowie Chlorwasserstoff (--) Tabelle 8). Im Fall der Kabelbaumfraktion besteht das Abgas fast ausschlief~- lich aus Chlorwasserstoff. Die sauren Komponenten miis- sen durch Waschen der Abgase entfernt werden. Das ver- bleibende Gas besitzt aufgrund des Gehalts an niederen Kohlenwasserstoffen einen z.T. h6heren Heizwert als Faul- gase. Es kann direkt verbrannt werden und tr~igt zur Ener- giebilanz der Konvertierung bei.

4 Schluflfolgerungen

Die Ergebnisse zeigen, daft das Verfahren der Niedertem- peraturkonvertierung zur Rohstoffrfickgewinnung aus ge- mischten Kunststofffraktionen geeignet ist.

Es k6nnen destillativ gut nutzbare Ole mit Ausbeuten von zum Teil iiber 40 % erhalten werden. Eine Gewinnung von chemischen Rohstoffen aus den Olen erscheint denkbar. Aus den Kohleriickstfinden einiger Kunststofffraktionen k6nnen Aktivkohlen von kommerzieller Qualitfit erzeugt werden, wodurch eine erhebliche Wertsch6pfung erreicht wird. StahI- und Kupferanteile werden vollst/indig zuriick- gewonnen.

Die Anwesenheit von PVC fi~hrt allerdings aufgrund des unerwiinschten Chlors zu einer verminderten Umweltver- trfiglichkeit der Produkte. Der Mechanismus der Bildung von chloraliphatischen Verbindungen und m6gliche Ver- meidungsstrategien werden zur Zeit untersucht.

Danksagung Wir danken der Firma BMW AG, Miinchen, fi.ir die Oberlassung der Kunststofffraktionen und fiir die Unterst~itzung dieser Arbeit.

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UWSF - Z. Umweltchem. Okotox. 7 (4) 1995 225