wie moralisch muss man als christ leben? aspekte jüdisch
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Wie moralisch muss man als Christ leben?
Aspekte jüdisch-christlicher Ethik
Ökumenische Sommerakademie St. Peter-Ording 2013
Dr. Frank Hofmann, Hamburg
Mt 19,16f.: „Und siehe,
einer trat zu ihm und fragte: Meister, was soll ich Gutes tun, damit ich das ewige Leben habe? Er aber sprach zu ihm:
Was fragst du mich nach dem, was gut ist? Gut ist nur Einer.“
„Jesus und der reiche Jüngling“
(Heinrich F. Hofmann, 1889)
Was ist gut? (Was ist wahr? Was ist schön?)
Besonderheit des Begriffs „gut“ individuelle Geltung universaler Anspruch
wahr --- +++
schön +++ ---
gut +++ +++
Jede philosophische Definition scheitert am „Argument der offenen Frage“. Christliche Ethik definiert „gut“ als „gottgefällig“ und verweist so auf die göttliche Offenbarung.
„Kains Brudermord“ (Palma Giovane, 1576)
Gen 4,7:
„Bist du aber nicht
fromm, so lauert
die Sünde vor der
Tür, und nach dir
hat sie Verlangen;
du aber herrsche
über sie.“
Göttliches Gebot: „Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen.“ (Gen 2,16f.)
„Der Sündenfall“
(Lukas Cranach d. Ä. 1521)
Man kann im Paradies sündenfrei, aber nicht
in Freiheit leben.
Unsere Sündhaftigkeit ist die Risikoprämie
für unsere Freiheit.
Wir bleiben immer Sünder vor Gott – können
aber Trost finden in dem Gedanken, dass wir
vor Gott immer Unrecht haben.
Moses auf dem Sinai (Gérome Léon, 1824-1904)
„Sieh, ich hab euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der HERR, mein Gott, geboten hat ... So haltet sie nun und tut sie! Denn dadurch ... alle Völkern ... sagen müssen: Ei, was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk! … Wo ist so ein großes Volk, das so gerechte Ordnungen und Gebote hat wie dies ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege?“ Dtn 4,5-8
Wo steht das Gebot der Nächstenliebe zum ersten Mal in der Bibel?
Lev 19,18: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.“
Was stimmt im folgenden Zitat nicht?
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist: „Du sollst deinen Nächsten lieben« und deinen Feind hassen“ (Mt 5,43)
“Mose empfängt die 10 Gebote“
(Julius Schnorr v. Carolsfeld, 1860)
zwei biblische Quellen: Ex 20 und Dtn 5 – Bundesbuch und deuteronomisches Gesetz
Bezug „Dekalog“ unklar
jüdische Zählung: 14 Gebote
Grammatik: 14/15 Gebote
Vulgata/Septuaginta: andere Reihenfolge
Martin Luthers Katechismus folgt keiner Bibelversion, sondern einer eigenen Interpretation (ohne Selbstvorstellung Gottes und ohne Bilderverbot)
Gebote des Glaubens
1. Ich bin der Herr, dein Gott, der dich von aller Knechtschaft befreit. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.
2. Du sollst auch nichts anderes anbeten.
3. Du sollst meinen Namen nicht missbrauchen.
4. Du sollst den Feiertag heiligen.
Gebote der Moralität
5. Du sollst Vater und Mutter ehren.
6. Du sollst niemanden umbringen.
7. Du sollst nicht ehebrechen.
8. Du sollst nicht stehlen.
9. Du sollst nicht lügen.
10. Du sollst nichts begehren aus deines Nächsten Familie oder Eigentum.
Die fünf gemeinsamen Imperative aller religiösen Traditionen der prophetischen (Judentum, Christentum, Islam)
der mystischen (Hinduismus, Buddhismus)
der weisheitlich orientierten (Konfuzianismus, Daoismus)
1. Du sollst nicht morden,
2. … nicht stehlen,
3. … nicht lügen,
4. … nicht die Sexualität missbrauchen,
5. … die Eltern achten!
(ähnlich bereits Christian Wolff, 1721)
Hans Küng
„Seligpreisungen“ (Carl Heinrich Bloch, 1834-1890)
Mt 5,21-48, Muster: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist ... Ich aber sage euch ...“
Töten/Zorn
Ehebruch/Blick
Meineid/Schwören
Talionsgesetz/ Regelbrechen
Jesus hebt die Tora nicht auf, er interpretiert
sie radikal vom göttlichen Standpunkt:
Verschärfungen da, wo es um Handlungsmotive
geht,
Entschärfungen da, wo es um Riten geht (Sabbat)
Goldene Regel(n) nur auf sichtbare
Handlungen bezogen, nicht auf Motive
»Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg
auch keinem andern zu.« Tob 4,16
»Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun
sollen, so tut ihnen auch!« Lk 6,31 par.
Es wäre falsch, daraus neue Regeln zu
formulieren. Man wird Jesus am ehesten
gerecht, wenn man sein ganzes Leben,
Handeln und Reden als ein Regelbrechen
sieht.
Wendet keine Regel an, sondern seht die
Situation, den Menschen!
Jesus will nicht die Moral der Menschen
ändern, sondern ihre Wahrnehmung.
„Der barmherzige Samariter“
(Aimé Morot, 1880)
Situationsethik statt Regelanwendung „... und als er ihn sah, jammerte er ihn“ (Lk 10,33)
vgl. „der verlorene Sohn“ in Lk 15: „Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn“ (20)
σπλαγχνίζομαι (mit-leiden); von σπλάγχνα (Eingeweide)
„Der barmherzige Samariter“
(Aimé Morot, 1880)
Umkehrung der Definition des Nächsten „Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste geworden dem, der unter die Räuber gefallen war?“ (Lk 10,36)
Gott
Ich Nächster
»Du sollst den Herrn, deinen
Gott, lieben von ganzem
Herzen, von ganzer Seele und
von ganzem Gemüt«. Dies ist
das höchste und größte
Gebot. Das andere aber ist
dem gleich: »Du sollst deinen
Nächsten lieben wie dich
selbst« (Mt 22,37-39).
Barmherzigkeit gegenüber Hilfsbedürftigen (Hungernde, Dürstende, Fremde, Nackte, Kranke, Gefangene) »Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist« (Lk 6,36).
Demut gegenüber Gleichgestellten »… wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene« (Mk 10,43–45).
Sanftmut gegenüber den Schutzbefohlenen »Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen« (Mt 5,5).
„Es ist dir gesagt, Mensch, was
gut ist und was der HERR von dir
fordert, nämlich Gottes Wort
halten und Liebe üben und
demütig sein vor deinem Gott.“
„Werkgerechtigkeit“ Rechtfertigung durch den Glauben
»Was hilft’s, liebe
Brüder, wenn jemand
sagt, er habe den
Glauben, und hat doch
keine Werke? Kann denn
der Glaube ihn selig
machen? ... So ist auch
der Glaube, wenn er
nicht Werke hat, tot in
sich selber.«
Jak 2,14–17
»So halten wir nun dafür,
dass der Mensch gerecht
wird ohne des Gesetzes
Werke, allein durch den
Glauben.«
Römer 3,28
Gerechtigkeit durch Werke
Tora
NT: Mt, Lk, Jak
katholische Moraltheologie
protestantische Theologen des „diesseitigen Christentums“ (Bonhoeffer, Sölle)
Gerechtigkeit allein durch Glauben
NT: Joh, Röm, Gal
Martin Luther
traditionelle protestantische Theologie
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