wie tot ist schrödingers katze? von w. meissner. bi wissenschaftsverlag, mannheim 1992.432 s., dm...

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zudenlten und die damit verbundenen sprach- lichen und logischen Paradoxien und Antino- mien haben die Philosophen von Anfang an auf den Plan gerufen. Der Autor zeigt in einem eigenen Kapitel, dafi diese auf den ersten Blick als sprachliche cveatio ex nihtlo erscheinende Diskussion iiber das Nichts nichtsdestoweni- ger zu einer Fiille von Einsichten fiihrt, die fur eine VC7iirdigungder physikalischen Problem- gcschichte des Nichts nicht ohne Bedeutung sind. Joachim Breckow / Rudiger Greinert Obwohl die Antwort auf die Frage nach dern Nichtr; ausfallt, versetzt der Autor mit sehr vie1 didaktischem Geschick den Lescr immer wiedei- in die Situation des urspriinglich E'ragenden und fiihrt ihm vor Augcn, auf welch subtile Weisc Frage und Antwort mit- einandcr verkniipft sind. In der Tat: Aus le- bensweltlicher Sicht ist ein Glas Wein, das ich soeberi ausgetrunken habe, leer. Aus physika- lischer Perspcktive ist das Weinglas mit Luft gefiillt. Aber was ist Luft anderes als leerer Raum, in dem sich Atome tummeln? Und be- stehen Atome nicht aus Atomkernen in einern (nahezu) matericfreien Raum? Hennig Genz fragt weiter und lafit den Lcser nachvollzie- hen, wie der leere Raum nach und nach mit physikalischen Eigenschaften ausgestattet und mit Bcdeutung gefullt wird. Indem der Leser auf diese Weise bis in die Ge- filde der aktuellen physikalischen Forschung gefiihrt wird, lernt er eine Menge Physik. In- dem er dabei erfahrt, inwiefern man nur iiber prazise Fragestellungen zu eindeutigen physi- kalisclien Antworten gelangen kann, lernt er aufierdem eine Menge iiber Physik. Hcnning Genz ist cs rnit einem Wort Edding- tons auf hcrvorragender Weise gelungen, exak- te Gedankcn in nicht exakter Sprache zu ver- mitteln. Der Mitarbeit des Lesers, die notig ist, urn in deren Kopfen die Gedanken zu er- wccken, die er zu vermitteln wiinscht, kann er sich gcwifi sein. Hans-Joachim Schlichting, Essen Wie tot ist Schrodingers Katze? Von W. Meissner. BI Wissenschaftsverlag, Mannheim 1992.432 S., DM 44,-. ISBN 3-411-15417-3. Um ,,physikalische Theorie und Philoso- phie" geht es laut Untertitel des Buches, und die folgende Besprechung greift daraus zwei Hauptthemen heraus: 1) Die Deutung der Quantenphysik, mit Riickgriffen auf deren Entwicklungsgang und 2) die Darstellung ei- ner vom Autor begriindeten ,,Wirkungsphy- sik", in der Quanten - und Gravitationstheo- rie miteinander verbunden werden sollen. Das Ziel, eine Verbindung zwischen Physik und Philosophie herzustellen, geniefit die volle Sympathie des Rezensenten, und die Methode, sich iiber diesen schwierigen Briickenschlag dem Leser mitzuteilen, ist un- gewohnlich, aber bedenkenswert: Meissner ist sich des Problems bewufit, dafi ohne Ma- thematik die Resultate der modernen Physik und also auch deren Interpretation sehr schwer darzustellen ist. Da es ihm aber um ein ,,vorrangig philosophisches Buch" geht, werden die fur die Deutung relevanten Aussa- gen der Quantentheorie in Gemeinsprache formuliert, und die Uberzeugungskraft ma- thematischer Beweise durch Originalzitate aus popularwissenschaftlichen Werken kom- petenter Autoren ersetzt. Diese Notlosung funktioniert an einigen Stellen recht gut, z. B. bei der Darstellung der Positionen Bohrs und Eins teins. An entscheidender Stelle aber, im dritten, zentralen Kapitel des Buches, mifilingt sie. Und zwar geht es urn die Aussage des Bell- schen Theorems iiber Theorien mit verborge- lien Parametern (dai3 diese namlich nicht lokal zu sein haben, um mit der Quantentheorie iibereinzustimmen). Meissner sitzt hier einem bestimmten Mifiverstandnis auf und schliefit, ,,dafi wir diese ganze Richtung nicht ernst nehmen konnen". Stilistisch mififallt hier und an anderer Stelle der etwas iiberhebliche Ton. Der eigentliche Fehler besteht aber darin, Walter de Gruyter 1 Berlin NewYork und 13 Tabellen. Gebunden DM 98,- I OS 765,- I sFr 56,- Ein aktuelles Lehrbuch der Biophysik. In ausgew&lten Kapiteln werden sowohl die theoretischen und methodischen Grundlagen der Biophysik vermittelt als auch Ein- blicke in die gegenwartigen Schwerpunkte dieses interdiszipliniiren Forschungsgebiets gegeben. Der didaktisch geschickte Aufbau des Werkes ermoglicht auch dem nit mathematischen Formeln weniger vertrauten Leser Zugang zu den faszinierenden Themen der Biophysik. ISBN 3-11-012932-9 Aus dern Inhalt: Differenzierungsprozesse und Bildung geordneter Strukturen - Cha- os und Ordnung - Information, Entropie und biologische Systeme - Biophysik der Membranorganisation - Genetische Informations- speicherung und -venvertung - Informationsverarbeitung im Ner- vensystem - Signalubertragung in biologischen Systemen - Rege- lungsvorgihge und Kybernetik - Biophysik der akustischen Sinnes- organe - Physikalische Hilfsmittel in der Biologie und Medizin Walter de Gruyter & Co., Postfach 30 34 21, D - 10728 Berlin Tel.: (30) 2 60 05 - 0, Fax: (30) 2 60 05 - 2 5 1 Physik in unserer Zezt 125. Jabrg. 19V4 /Nu. 4

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zudenlten und die damit verbundenen sprach- lichen und logischen Paradoxien und Antino- mien haben die Philosophen von Anfang an auf den Plan gerufen. Der Autor zeigt in einem eigenen Kapitel, dafi diese auf den ersten Blick als sprachliche cveatio ex nihtlo erscheinende Diskussion iiber das Nichts nichtsdestoweni- ger zu einer Fiille von Einsichten fiihrt, die fur eine VC7iirdigung der physikalischen Problem- gcschichte des Nichts nicht ohne Bedeutung sind.

Joachim Breckow / Rudiger Greinert

Obwohl die Antwort auf die Frage nach dern Nichtr; ausfallt, versetzt der Autor mit sehr vie1 didaktischem Geschick den Lescr immer wiedei- in die Situation des urspriinglich E'ragenden und fiihrt ihm vor Augcn, auf welch subtile Weisc Frage und Antwort mit- einandcr verkniipft sind. In der Tat: Aus le- bensweltlicher Sicht ist ein Glas Wein, das ich soeberi ausgetrunken habe, leer. Aus physika- lischer Perspcktive ist das Weinglas mit Luft gefiillt. Aber was ist Luft anderes als leerer Raum, in dem sich Atome tummeln? Und be- stehen Atome nicht aus Atomkernen in einern (nahezu) matericfreien Raum? Hennig Genz fragt weiter und lafit den Lcser nachvollzie- hen, wie der leere Raum nach und nach mit physikalischen Eigenschaften ausgestattet und mit Bcdeutung gefullt wird.

Indem der Leser auf diese Weise bis in die Ge- filde der aktuellen physikalischen Forschung gefiihrt wird, lernt er eine Menge Physik. In- dem er dabei erfahrt, inwiefern man nur iiber prazise Fragestellungen zu eindeutigen physi- kalisclien Antworten gelangen kann, lernt er aufierdem eine Menge iiber Physik.

Hcnning Genz ist cs rnit einem Wort Edding- tons auf hcrvorragender Weise gelungen, exak- te Gedankcn in nicht exakter Sprache zu ver- mitteln. Der Mitarbeit des Lesers, die notig ist, urn in deren Kopfen die Gedanken zu er- wccken, die er zu vermitteln wiinscht, kann er sich gcwifi sein.

Hans-Joachim Schlichting, Essen

Wie tot ist Schrodingers Katze? Von W. Meissner. BI Wissenschaftsverlag, Mannheim 1992.432 S., DM 44,-. ISBN 3-411-15417-3.

U m ,,physikalische Theorie und Philoso- phie" geht es laut Untertitel des Buches, und die folgende Besprechung greift daraus zwei Hauptthemen heraus: 1) Die Deutung der Quantenphysik, mit Riickgriffen auf deren Entwicklungsgang und 2) die Darstellung ei- ner vom Autor begriindeten ,,Wirkungsphy- sik", in der Quanten - und Gravitationstheo- rie miteinander verbunden werden sollen.

Das Ziel, eine Verbindung zwischen Physik und Philosophie herzustellen, geniefit die volle Sympathie des Rezensenten, und die Methode, sich iiber diesen schwierigen Briickenschlag dem Leser mitzuteilen, ist un- gewohnlich, aber bedenkenswert: Meissner ist sich des Problems bewufit, dafi ohne Ma- thematik die Resultate der modernen Physik

und also auch deren Interpretation sehr schwer darzustellen ist. Da es ihm aber um ein ,,vorrangig philosophisches Buch" geht, werden die fur die Deutung relevanten Aussa- gen der Quantentheorie in Gemeinsprache formuliert, und die Uberzeugungskraft ma- thematischer Beweise durch Originalzitate aus popularwissenschaftlichen Werken kom- petenter Autoren ersetzt. Diese Notlosung funktioniert an einigen Stellen recht gut, z. B. bei der Darstellung der Positionen Bohrs und Eins teins.

An entscheidender Stelle aber, im dritten, zentralen Kapitel des Buches, mifilingt sie. Und zwar geht es urn die Aussage des Bell- schen Theorems iiber Theorien mit verborge- lien Parametern (dai3 diese namlich nicht lokal zu sein haben, um mit der Quantentheorie iibereinzustimmen). Meissner sitzt hier einem bestimmten Mifiverstandnis auf und schliefit, ,,dafi wir diese ganze Richtung nicht ernst nehmen konnen". Stilistisch mififallt hier und an anderer Stelle der etwas iiberhebliche Ton. Der eigentliche Fehler besteht aber darin,

Walter de Gruyter 1 Berlin NewYork

und 13 Tabellen. Gebunden DM 98,- I OS 765,- I sFr 56,-

Ein aktuelles Lehrbuch der Biophysik. In ausgew&lten Kapiteln werden sowohl die theoretischen und methodischen Grundlagen der Biophysik vermittelt als auch Ein- blicke in die gegenwartigen Schwerpunkte dieses interdiszipliniiren Forschungsgebiets gegeben. Der didaktisch geschickte Aufbau des Werkes ermoglicht auch dem n i t mathematischen Formeln weniger vertrauten Leser Zugang zu den faszinierenden Themen der Biophysik.

ISBN 3-11-012932-9

Aus dern Inhalt: Differenzierungsprozesse und Bildung geordneter Strukturen - Cha- os und Ordnung - Information, Entropie und biologische Systeme - Biophysik der Membranorganisation - Genetische Informations- speicherung und -venvertung - Informationsverarbeitung im Ner- vensystem - Signalubertragung in biologischen Systemen - Rege- lungsvorgihge und Kybernetik - Biophysik der akustischen Sinnes- organe - Physikalische Hilfsmittel in der Biologie und Medizin

Walter de Gruyter & Co., Postfach 30 34 21, D - 10728 Berlin Tel.: (30) 2 60 05 - 0, Fax: (30) 2 60 05 - 2 5 1

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vollkommen die groi3e Allgemeinheit der Ar- gumentation von Bell (und Nachfolgern) zu verkennen: Dabei kommt es ja gerade darauf an, die Bedingungen zu prazisieren, denen jegliche Theorie unterliegt, die Information uber vermeintliche Elemente der Realitat nachliefern will, zu denen die Quantentheorie schweigt. Unter dem Motto ,,Bohm, Bell und ein grundlegendes Mii3verstandnis" unter- lauft dem Autor selbst eines, und zwar krai3: Wo es um Vervollstandigung von Infor- mation uber vermeintliche Elemente der Rea- litat durch welche Theorie auch immer geht, versteht er als Ziel die Erganzung des Forma- lismus im Rahmen der Quantentheorie. Fur diesen, ihm selbst zentralen Punkt also mui3 das Anliegen des Autors als gescheitert be- zeichnet werden, Physik und Philosophie miteinander zu verbinden.

Zu dem Ansatz Meissners zur Vereinheitli- chung von Quanten- und Gravitationstheorie mag sich der Rezensent nur sehr vorsichtig aui3ern. Kernidee ist, dai3 die Teilchen wieder eine objektive und wohldefinierte Bahn ha- ben sollen, allerdings in diskreten Spriingen

in einem ,,Wirkungsraum"; dies pragt sich der Bahn in der Raumzeit auf, deren raumliche ,,Sprungweite" sich gerade als die Compton- Wellenlange des Teilchens herausstellt. Da fragt man sich doch aber, wie es dann moglich ist, durch Streuung von Elektronen, deren Sprungweite dann etwa 400 fm ware, Infor- mationen uber die raumliche Substruktur von Nukleonen, also 1 fm, zu bekommen? Vieles fordert an Meissners Darstellung Nachfrage und Widerspruch heraus, aber er verweist nur auf unveroffentlichte andere Arbeiten von sich selbst - ein die Skepsis nicht mildernder Umstand.

Fazit: Meissners Buch ist ein Beitrag zu einem aktuellen, interessanten Thema mit einem zum Teil beriicksichtigenswerten didakti- schen Ansatz. Er regt an, wo er durch mit Geschick und Kenntnis ausgewahlte Zitate an sonst in der ,,Historic" begrabene Positionen der Quantentheorie heranfuhrt. Wo es aber urn die originaren Ideen des Autors geht, gibt es zuviele Unklarheiten und Fehler.

Andreas Miiller, Heidelberg

Elementare Feldtheorie, Elektrodynamik, Hydrodynarnik, Spezielle Relativitats- theorie. Von H. Romer und U. Forger. , 22 Abb., 3 Tab., VCH, Weinheim 1993. Broschur D M 48,-.

Der vorliegende Band bildet den Auftakt einer Reihe ,,Konzepte der Theoretischen Physik". Er ist aus Vorlesungen der Autoren fur Phy- sik-Diplornstudenten an der Universitat Frei- burg hervorgegangen. Der Feldbegriff spiclt in der neueren Physik eine zentrale Rolle. Ihn begrifflich klar und mit den angemessenen mathematischen Hilfsmitteln einzufiihren, ist das erklarte Ziel der Autoren.

Nach einem kurzen historischen Riickblick auf die Entwicklung des Feldbegriffs dient ein vorsichtig ,,Elernente der Hydrodynamik" uberschriebenes (nur knapp neunseitiges) Kapitel dazu, Anschaulichkeit zu vermitteln und so wichtige Konzepte wic Bilanzglei- chungen einzufuhren.

Brian Kaye

Chaos & Complexity Discovering the Surprising Patterns of Science and Technology

I 1993. XX, 612 pages with 250 figures, 5 in color Hardcover. DM 148.40s 1154.-/sFr 140.-. ISBN 3-527-29039-7 (VCH, Weinheim) Softcover. DM 78.40s 608.-/sFr 75.-. ISBN 3-527-29007-9 (VCH, Weinheim)

The surprising patteins of chaos and complexity are to be found in many areas of nature and science, examples ranging from cabbages to coastlines.

Quite often, those who could benefit most from an understanding of the principles behind chaos and complexity are denied access to the power and wonders of the field by the mathematical and

unnecessarily convoluted way the topic is usually presented.

This book makes these sometimes complicated wonders accessible to students and professionals alike. Amusing tales and cartoons are used to explain the concepts and demonstrate the fascinating applications of this powerful technique.

Physik in unserer Zeit / 21i. Jahrg. 1994 /Nu. 4